Title: Religion und Kosmos
Author: Johannes Schlaf
Release date: November 25, 2018 [eBook #58352]
Language: German
Credits: Produced by The Online Distributed Proofreading Team at
http://www.pgdp.net
Anmerkungen zur Transkription
Das Original ist in Fraktur gesetzt. Im Original gesperrter Text ist so ausgezeichnet.
Weitere Anmerkungen zur Transkription befinden sich am Ende des Buches.
von
Johannes Schlaf
Berlin 1911
A. Hofmann & Comp.
Copyright 1911
by A. Hofmann & Comp.
Dies Buch handelt von der so brennenden Krise, in der heute Religion und Wissenschaft stehen. Eine Krise, die unter Umständen zu einer ungeheueren Gefahr für die europaeische Sozietät werden kann. Angesichts dieser Gefahr aber kommt alles auf den glücklichen und endgültigen Austrag des heute so bedenklich in der Schwebe hängenden Problems der exakten Naturwissenschaft an. Das aber will besagen: darauf, daß die völlige Brüchigkeit und Unmöglichkeit der gegenwärtigen mechanistischen Wissenschaft und ihrer Prinzipien ausgesprochen wird. Im besonderen aber kommt alles darauf an, daß man endlich die höchst positive, sichere und im erkenntnistheoretischen, was schließlich bedeutet: religiösen Betracht durchaus ausschlaggebende Bedeutung zweier glorreicher Errungenschaften der bisherigen exakten Naturwissenschaft, an denen diese neuerdings aber höchst bedenklicher und gefährlicher Weise wieder irre geworden ist, daß man die ausschlaggebende, religiöse Bedeutung der Entwicklungstatsache und der Tatsache der Erhaltung einheitlicher Kraft – ich sage besser und exakter: Polarität! endlich mit vollstem Bewußtsein ihrer unausweichlichen Notwendigkeit, ja ihrem hypothesenfreien Charakter[iv] nach erfaßt! Denn in Wahrheit beruhen diese beiden so überaus wichtigen wissenschaftlichen Ausmachungen auf Grundlagen, denen unausweichlich axiomatischer Charakter eignet, so daß es durchaus nicht mehr angeht, sie als bloße Hypothesen zu behandeln! –
Soviel über den wesentlichsten Inhalt des vorliegenden Buches.
Aus mehr als einem Grunde mag es sich aber lohnen, daß ich auch noch ein Wort über meinen astronomischen Standpunkt verliere, der im Zusammenhange dieser Arbeit und der Erörterungen über die wissenschaftliche Krise, die sie bietet, wenn auch nur ganz kurz angedeutet, von sicherlich nichts weniger als nebensächlicher Bedeutung ist.
Die Öffentlichkeit weiß von meiner astronomischen Angelegenheit und der von mir ausgesprochenen Unhaltbarkeit der kopernikanischen, heliozentrischen Anschauung. Diese Angelegenheit ist nun neuerdings insofern in ein neues Stadium eingetreten, als meine geozentrische Feststellung inzwischen von zwei Seiten her eine fachmännische Zustimmung erfahren hat.
Ich stand seit Spätsommer vorigen Jahres, anläßlich meiner damaligen Veröffentlichungen in »Nord und Süd«, in einem sehr regen und ausführlichen Briefwechsel mit Ph. Fauth, dem bekannten Mond- und Planetenforscher und Besitzer des Planetographischen Observatoriums zu Landstuhl i. d. Pfalz. Dieser Briefwechsel hat inzwischen aber insofern zu einem nicht unwichtigen Ergebnis geführt, als Herr Fauth mir in einem Brief vom 31. März d. J. ausdrücklich zugestand, daß die Logik meiner geozentrischen Feststellung, die ich ihm, was ich öffentlich bisher noch nicht getan,[v] ihrem Zusammenhange nach mitgeteilt hatte, eine »unantastbare« sei.
Neuerdings kam ich dann noch, anläßlich eines ausführlichen Aufsatzes, den er mir hatte zugehen lassen, in einen nicht minder regen und eingehenden Briefaustausch mit Herrn W. Becker, einem Astronomen der Berliner »Urania«. Der Aufsatz war eine umfangreiche Polemik gegen meine vorjährigen Veröffentlichungen über die Rückläufigkeit Jupiters und der Planeten vom kopernikanischen Standpunkte aus.
Ich konnte Herrn Becker indessen auf einen inzwischen von mir in der »Nationalzeitung« veröffentlichten Aufsatz »Kosmische Rotation« hinweisen, in dem ich meine vorjährige Jupiterfeststellung öffentlich berichtigt hatte. Zugleich übermittelte ich Herrn Becker einen ausführlicheren Aufsatz, in dem ich auch ihm meine geozentrische Feststellung ihrem ganzen Umfange nach vortrug. Bald darauf erhielt ich von Herrn Becker eine Zustimmung, die noch ungleich entschiedener war, als die Einräumung, die mir vorher bereits Herr Fauth gemacht hatte.
Herr Becker schrieb mir in einem Brief vom 3. Juni d. J.:
»Ihre Kosmoslehre hat eine so innere Wahrscheinlichkeit, ja, ich halte dieselbe mit zu den durchdachtesten und verständlichsten Kosmosanschauungen. Die Beweise, die Sie für die einheitliche Geschlossenheit des Systems« (des allgemeinen, absoluten, kosmischen Systems) »mit einem Zentralkörper anführen, sind großartig detailliert.« – Ferner über die Beweise, die ich in meinen Briefen dafür aufgestellt hatte, daß außer der Erde kein Himmelskörper Achsenrotation hat:
»Da nun die Erde rotiert und die Bewegungen der Körper nur Ausweitungen der Rotation« (der Erde) »sein können, so muß dann selbstverständlich die Erde der Zentralkörper sein« … »Die Beweise für die Nichtrotation der kosmischen Körper sind überlegt durchgeführt« … »Der ständige Rhythmus von Repulsion und Kontraktion« (den ich als die wesentlichste Bewegung des kosmischen Systems und der Untersysteme nachgewiesen hatte) »läßt … keine Rotation« (der Himmelskörper) »zu«. – »Was ich in meinem großen Aufsatz« (dem oben erwähnten) »über die Rotation der Körper sagte, deren Beweise, abgeplattete Gestalt, Störungen bei den Bewegungen der Trabanten usw. fallen …, gebe ich offen zu, vollständig weg.«
In einem Brief vom 12. Juni aber machte Herr Becker mir dann sogar noch weiter gehende und höchst wichtige Zugeständnisse, indem er vor allem die Prämisse meiner geozentrischen Feststellung, die sich ausdrücklich als eine hypothesenfreie, auf axiomatischer Grundlage beruhende darbietet, voll und ganz anerkannte! – Und etwas später teilte er mir mit, daß es mir vollstens gelungen sei, die Kopernikanische Anschauung zu entkräften; und er schloß ab mit der Erklärung: »Die kopernikanische Theorie ist also für uns erledigt«.
Einerseits das Zugeständnis, von anerkannter fachmännischer Seite, daß die Logik meiner geozentrischen Feststellung »unantastbar« sei – man hat der Logik der kopernikanischen Prämisse bekanntlich noch niemals Unantastbarkeit nachsagen können! –, andrerseits dann sogar die unbedingte Zustimmung, daß meine Prämisse selbst wirklich hypothesenfrei sei: das bedeutet sicherlich einen hochwichtigen Schritt, den die geozentrische Weltanschauung[vii] vorwärts getan hat! – Denn hat man den hypothesenfreien, auf axiomatischer Grundlage beruhenden Charakter meiner Prämisse erst einmal zugestehen müssen, so ist damit ein anderes ausgeschlossen, als daß die geozentrische Tatsache als endgültige und absolut exakte Anschauung in Kraft tritt! – Von welcher Tragweite das aber für den endgültigen Ausbau der Wissenschaft, ja für unsere ganze Kultur ist, das will diese vorliegende Arbeit, wenn auch vorerst nur in knappen Umrissen, aussprechen.
Weimar, Juni 1911.
Johannes Schlaf
Man erklärt die Religion heute für eine Privatangelegenheit jedes Einzelnen, will sie in das »persönliche Belieben« stellen; man ist bestrebt, den konfessionellen Religionsunterricht aus der Schule zu entfernen, ja sogar der Austritt aus der Landeskirche spielt nach wie vor seine Rolle.
Zu gleicher Zeit macht sich nun aber in immer größerem Umfang eine Neigung zur Bildung sogenannter monistischer Religionsgemeinschaften geltend; ja man hat sogar allen Ernstes schon den Begriff einer »monistischen Kirche« aufgestellt; und ferner ist man drauf und dran, in den Schulen dem Unterricht in den exakten Naturwissenschaften einen immer größeren Spielraum zu erobern; gewiß nicht ohne die offene oder stillschweigende Erwartung, daß er gerade auch auf die religiöse Erziehung der Jugend einen ganz besonderen und sogar einen besseren Einfluß zu üben geeignet sei, als der konfessionelle Religionsunterricht.
Tritt in alledem nun aber nicht ein ganz entschiedener Widerspruch zu Tage?
Man macht einerseits die Religion zu einer Privatangelegenheit jedes Einzelnen, zugleich aber bildet man monistische Gemeinden oder ist gar auf eine »monistische Kirche« hinaus! Man will den konfessionellen Religionsunterricht[2] ausschalten, ihn zugleich aber durch den naturwissenschaftlichen ersetzen, von dem man sich eine neue und bessere religiöse Ausbildung der Jugend verspricht. Man will also auf der einen Seite die Religion in das persönliche Belieben stellen, zugleich aber macht man sie trotzdem wieder zu einer ebenso gemeinsamen und öffentlichen Angelegenheit, wie das bisherige Religionsbekenntnis eine ist!
Man sollte also doch lieber offen eingestehen, daß man tatsächlich lediglich ein öffentliches und allgemeines Religionsbekenntnis durch ein anderes ersetzen will. Das entspräche alsdann dem wirklichen Tatsachenbestand. Vor allem aber bedeutet es zugleich die einzig denkbare Möglichkeit!
Denn es ist einfach nicht möglich, widerstrebt allem Gesetz und aller Natur von Sozietät, Religion und religiöses Bekenntnis lediglich zur Privatangelegenheit des Einzelnen zu machen und sie so ganz in dessen persönliches Belieben zu stellen. Es kann sich höchstens um gegenseitige Duldung zwischen verschiedenen religiösen Bekenntnissen handeln, die sich noch niemals in aller Welt vermeiden ließen.
Soweit man also bei dieser recht unklaren »Privatangelegenheit des Einzelnen« eine solche Duldung, ein solch möglichst friedliches Gleichgewicht verschiedener religiöser Bekenntnisse im Sinn hat, hat man Recht und befindet sich auf dem rechten Wege. Alles übrige aber bedeutet eine höchst bedenkliche Unklarheit in einem wesentlichsten Punkte. – Nämlich darin, daß nach wie vor ein paar größere religiöse Bekenntnisse vorhanden sind und sein werden und neben ihnen eine Anzahl von mehr oder weniger freien Sekten und Bekenntnissen, denen aber[3] nur eine Minderzahl von Staatsgenossen angehört. Da nun aber ausnahmslos alle diese Bekenner Angehörige eines Staates und durch ganz besondere organische, politische und sonstige völkisch sozietäre Interessen miteinander verbunden sind, Interessen, die in staatlichen Gesetzen, Satzungen und Einrichtungen formuliert sind, und da unweigerlich je und je alle diese staatlichen Interessengruppen in gegenseitiger organischer Abstufung standen und stets in ihr stehen werden, so ist ein anderes undenkbar, als daß sich das mit dem religiösen Bekenntnis all dieser Staatsgenossen genau so verhält! Auch das wird nach wie vor seine Formulierung und öffentliche Regelung erfahren müssen. (Nichts anderes kann ja auch der Sinn und Verstand sein, der diesen neuen monistischen Gemeinden, oder gar einer neuen »monistischen Kirche« eignet!)
Es ist bei alldem nun aber durchaus unvermeidlich, daß jene Bekenntnisse, auf welche sich die Mehrzahl der Staats- und Volksgenossen einigt – sie werden zugleich die religiös wichtigsten und stärksten sein – das in einem ganz besonderen Grade sind, was im übrigen auch alle Nebenbekenntnisse sind: nämlich Staatsreligion oder Religion von Staatsbürgern! – Nur daß die Nebenbekenntnisse den anderen gegenüber untergeordneter Natur sind. Das ist eine ganz natürliche und aus allem Wesen von Sozietät heraus sich ergebende Tatsache und Ordnung! An der nach wie vor in allem wesentlichen nichts zu ändern sein wird. Das schließt dann aber weiter sofort ein, daß ein allgemeiner Religionsunterricht des Bekenntnisses, auf das sich die Mehrzahl der Staatsbürger einigt, auch in den Schulen statthat, und aus dem Unterrichtsplan der Schulen nicht ausgeschaltet werden[4] kann. Daß sich hierbei nach wie vor Schwierigkeiten ergeben werden, da wo entweder eine katholische oder eine protestantische oder sonst eine religiöse Enklave besteht, ist wohl wahr, aber niemals zu vermeiden. Es kann einzig darauf ankommen, ein möglichst tolerantes Gleichgewicht der hier einschlägigen Interessen zu erreichen und aufrecht zu erhalten.
Eine andere Sache ist nun allerdings die, daß die hauptsächlichsten christlichen Konfessionen heute wieder mal in einer Krise stehen, die sogar eine recht brennende ist! –
Man sollte indessen in den Mitteln, sie ihrer Lösung entgegenzuführen, beileibe nicht unvorsichtig vorgehen! Ein höchst bedenkliches Mittel aber würde es bedeuten, den konfessionellen Religionsunterricht prinzipiell und als solchen auszuschließen! Da es sich, wie wir schon sahen, ja doch überhaupt um nichts anderes handeln kann als um die Ersetzung des einen konfessionellen Religionsunterrichts durch einen anderen, neukonfessionellen, so sollte man jenen nur mit der größten Vorsicht ausschalten; wenn das übrigens wirklich in einem so radikal antichristlich-antikirchlichen Sinne vonnöten sein sollte, wie man gegenwärtig meint!
Vor allem nun aber hüte man sich darauf auszugehen, den Religionsunterricht in den Schulen durch den exaktnaturwissenschaftlichen zu ersetzen! Und zwar deshalb, weil die exakten Naturwissenschaften grade in ihrer gegenwärtigen Verfassung nichts weniger als zu einem solchen Ersatz geeignet sind! Denn die exakten Naturwissenschaften stehen selbst in einer nur zu brennenden Krisis! – Was aber die monistische Religionsbewegung anbetrifft, die neuerdings eine so bedeutende Ausbreitung gewonnen hat, so ist sie zwar sicher[5] eine sozietäre Erscheinung von großer Wichtigkeit, andererseits darf man sich aber nicht verhehlen, daß sie in ihren tragenden Prinzipien vorderhand noch sehr schwankt. Und zwar aus keinem anderen Grunde, als weil sie allzu einseitigen Anschluß an die exakte Naturwissenschaft nimmt und diese noch lange nicht in der Lage ist wahr zu machen, was sie verspricht: nämlich die Heilsüberzeugungen des religiösen Glaubens durch endgültig ausgemachte wirkliche Tatsächlichkeiten zu ersetzen.
Das beruht aber, wie ich schon bei anderer Gelegenheit (in meinem erkenntnistheoretischen Buch »Das absolute Individuum und die Vollendung der Religion«, Oesterheld & Co., Berlin W.) nachgewiesen habe, auf einer unvermeidlich zwiespältigen Eigenschaft der exakten Wissenschaften!
Einerseits nämlich ist die exakte Wissenschaft, wie früher die Theologie und Philosophie, eine religiöse und erkenntnistheoretische Funktion; ist sie doch ihrem Ursprung nach nichts anderes als eine Abzweigung und besondere Ausgestaltung vorzeitlich religiösen, priesterlichen Nachdenkens über die göttlichen Dinge. Noch eigentlicher ist die exakte Wissenschaft indessen in Anbetracht ihrer analytisch-experimentativen Methode und außerdem ihres engen Zusammenhanges mit aller praktischen Technik eine technisch praktische Funktion. Nicht umsonst hat die exakte Wissenschaft heute gerade als solche so unerhörte, ihre größten, verdientesten, bewunderungswürdigsten Triumphe errungen!
Es kann nun aber schlechterdings nicht anders sein, als daß dieser vorwiegend analytische und praktisch technische[6] Charakter der exakten Wissenschaft ihre erkenntnistheoretische Eigenschaft und die Werte und Wertungen, die sie nach dieser Richtung errungen hat, beständig beeinträchtigt. Denn er hinderte die exakte Wissenschaft ein für allemal, eine so vollkommen synthetische Funktion zu sein, wie das hier gänzlich unerläßlich ist!
Außerdem aber hat sich die exakte Wissenschaft, insoweit sie erkenntnistheoretische Funktion ist oder erkenntnistheoretische und religiöse Folgerungen ziehen will, einen recht bedenklichen und verhängnisvollen Fehler zu schulden kommen lassen! Sie hat nämlich gemeint, daß der religiösen Konfession überhaupt erst eine empirisch sichere Prämisse gewonnen werden müsse und daß der bisherigen religiösen Prämisse – will sagen: der Prämisse aller Religionen und der Religion – eine solche Sicherheit nicht eigne.
Indessen es ist nun unschwer einzusehen, daß der bisherigen religiösen Prämisse sogar die denkbar sicherste, nämlich eine geradezu axiomatische, identische Sicherheit, also geradezu die größte Selbstverständlichkeit eignet! –
Ich sprach eben von einer Prämisse, die allen Religionen und also der Religion als solcher eigne; mit anderen Worten: daß alle Religionen auf einer und derselben Prämisse und Grundtatsache sich aufbauen. Das scheint eine Behauptung, die sicherlich dem entschiedensten Widerspruch der heutigen monistischen Gemeinschaften begegnen wird; vertreten diese doch den Standpunkt, daß die Religionen von ihrem ersten Anfang an bis heute sehr verschiedenartig, wenn nicht gar die eine der anderen völlig entgegengesetzt seien.
Doch kann man sich leicht überzeugen, daß diese Annahme, obgleich sie behauptet, sich auf exaktwissenschaftliche Ausmachungen zu stützen, eine irrtümliche ist und höchstens in dem Sinne zutrifft, daß die einzelnen religiösen Bekenntnisse ihrer formalen Ausgestaltung nach sich voneinander unterscheiden, und durch sonstige Modifikationen, die mit der Rasseeigenschaft und den Lebensbedingungen der einzelnen Völker in Zusammenhang stehen. In Wahrheit aber können wir gar wohl einen ganz bestimmten und unveräußerlichen Grundinhalt und eine solche Prämisse aller Religionen und also der Religion feststellen, in dem, in der sich die urvorzeitliche Religion des Urmenschen durchaus mit der vorgeschrittensten aller Religionsformen, der christlichen, wurzeleins, ja geradzu identisch erweist!
Die Religion des Urmenschen war ein Toten- und Ahnenkult. Er bewahrte, verehrte, beschwor noch lediglich das Gedächtnis eines Urpaares und seiner Familie und Sippe, an welchen Kult sich alsdann der Kult aller anderen Toten angliedern mochte. Der Mensch, will sagen: ein bestimmtes menschliches Paar und eine sich ihm angliedernde Elite waren noch rein als solche Gegenstand eines primitivsten religiösen Kultes. Noch verehrte man keine Personifikationen der Naturmächte und Götter.
Doch mußte sich dieser letztere, vorgerücktere Kult bald mit Notwendigkeit aus dem Ahnen- und Totenkult ergeben. Je mehr nämlich die Bewußtheitlichkeit des Urmenschen zu einer eigentlicheren Intellektualität erwachte, um so mehr gewahrte der Urmensch den innigsten Zusammenhang, in dem er mit aller ihm umgebenden Natur stand; und zugleich gewahrte er den innigsten Zusammenhang jenes ersten Ahnenpaares und seiner Elite,[8] deren Gedächtnis und Kult von der Tradition ein für allemal bewahrt und weitergetragen wurde, mit den Mächten und Elementen der Natur, aus denen sie bei Lebzeiten bestanden hatten und in die sie im Tode übergegangen waren.
Diese Wahrnehmung nun aber erst einmal gewonnen, mußte sich mit jeder Notwendigkeit die weitere Ausgestaltung des Toten- und Ahnenkultes des Urpaares und seiner Elite zu einem Kult von Himmelsgöttern vollziehen!
Wenn man heute aber diesem Götterkult der Vorzeit gegenüber von einem allzu naiven, der »Wirklichkeit« gar nicht entsprechenden Anthropomorphismus spricht, so ist das eigentlich nichts weniger als recht aufmerksam und wissenschaftlich! Denn da der Mensch, wie ja gerade die exakte Wissenschaft selbst ermittelt hat, die höchste Stufe der organischen Entwicklung bedeutet, und er andererseits nicht nur aus den anorganischen Elementen – und doch sicherlich schließlich aus schlechterdings allem Umfang derselben hervor geworden ist, sondern diese auch in seiner Physis einbeschließt und zur Aufrechterhaltung seiner Lebensfunktion ihrer als Nahrung und Erneuerung von außen her beständig bedarf, so ist ja doch nichts notwendiger, wahrer, exakter, ja selbstverständlicher als die Auffassung der Urmenschen, die die Umwandlung des Ahnen- und Totenkultes in den Kult der Naturmächte und Himmelsgötter vollzog, und ihr »Anthropomorphismus«! –
Die Naturmächte und Elemente sind tatsächlich menschlich und Mensch, sind das Individuum Mensch; und ihre chemische Zweipolarität stimmt diesem ihrem Charakter nach vollständig mit der organischen Zweiseitigkeit des Individuum Mensch (Mann und Weib) überein![9] Daß der Urmensch nun aber in gewissen grundtypischen Eigenschaften der elementaren Erscheinungen und Kräfte entsprechende Eigenschaften und Temperamente der menschlichen Seele wiederfand und wiedererkannte, ist sicherlich nicht weniger exakt! Denn kalt und heiß, hart, weich, sauer, süß, bitter, scharf, stumpf, heftig, sanft u. s. f. sind die Elemente durchaus in Übereinstimmung mit der Eigenschaftlichkeit menschlichen, bewußtheitlich lebendigen Temperamentes.
Wenn also Urpaar und seine Elite nach ihrem Abscheiden als persönliche und unterschiedliche Götter und Naturmächte weiterbestanden und in allen Umfang menschlicher Sozietät hineinwirkten, über dem Menschen »walteten«, andrerseits aber von ihm bestimmt wurden, so entspricht das vollständig dem empirisch exakt ausmachbaren wirklichen Tatsachenbestand und kann von der exakten Wissenschaft nicht aufgehoben, sondern lediglich bestätigt werden!
Wie also kann man anders als in eigentlich recht unaufmerksamer Weise den Anthropomorphismus des Urmenschen und des Menschen der historischen Antike als einen allzu naiven und exaktem »Wirklichkeitsbefund« widersprechenden bezeichnen?
Ja, der Urmensch, bezw. der Mensch der historischen Antike hatte sogar auch mit seinem Tierkult recht! Denn die Götter, das Ahnenpaar und seine Elite, waren ja, bevor sie Menschen wurden, Tiere gewesen. Wahrlich, tiefwundersam muß uns nicht nur die von allem Uranfang an festgehaltene und bis auf den heutigen Tag weitergeführte Tradition eines menschlichen Ahnenpaares und seiner Elite und eines obersten Götterpaares und seiner Elite, seinen Untergöttern, erscheinen, sondern auch die[10] festgehaltene und so sorgfältig durchgeführte Erinnerung an die tierische Abkunft des Menschen, wie sie sich in dem Tierkult bekundet!
Mochte diese Prämisse und Grundtatsache der Religion mit der weiteren organischen und bewußtheitlich-kulturellen Entwicklung wie auch immer sich weiter ausdifferenzieren, so wurde sie selbst doch nicht einen Augenblick aufgegeben und konnte auch gar nicht aufgegeben werden! – Mochten die Götter später mit hundert und tausend Köpfen, Armen und Beinen vorgestellt werden, mochten zu den Hauptgöttern noch ganze Scharen von Nebengöttern in Himmel-, Ober- und Unterwelt hinzukommen, so waren doch alle solche Attribute oder waren diese Scharen von Nebengöttern dennoch nicht einen Augenblick im Widerspruch mit der religiösen Prämisse und Grundtatsache. Die hundert, tausend oder mehr Köpfe und Glieder stimmten nicht nur für die betreffende Gottheit, die man mit ihnen ausstattete, sondern auch für das persönlich menschliche Urahnenpaar. Denn sie besagten ebenso wie die Scharen der Nebengötter, nichts als den Machtbereich und die gewaltige Vielseitigkeit seiner Eigenschaftlichkeit; ja sie besagten sogar allen sozietären Umfang des Urpaares, der ja tatsächlich nichts anderes war und nichts anderes ist als seine direkte organische gattliche Ausgliederung und ihr Umfang. Auch hier sind die vorzeitlichen Vorstellungen also keineswegs blos so »naiv« und wirklichem Tatsachenbestand widersprechend, sondern vielmehr durchaus mit ihm in Einklang und sogar erstaunlich exakt tief, identisch erfaßt!
Aber wir haben freilich noch einen anderen Umstand in Rücksicht zu ziehen!
Nämlich mit der vorschreitenden geistigen Kultur erfuhr ja Wissen und Anschauung des Menschen von Erde und All eine wesentliche und wichtige Veränderung.
Es verfeinerten sich die Denkmethoden, indem sie ihren anfänglichen symbolistischen und vorwiegend emotional-dichterischen und bildlichen Charakter gegen einen abstrakten logischen vertauschten, der das allzu grobsinnlich drastische Symbol in ein logisches Begriffssymbol verwandelte. Es erwachte das philosophisch-logische Denken.
Es erhoben sich die so rein geistigen Begriffe des Bram, Nirwanas, der von jeder sinnlichen Anschauung losgelöste Unendlichkeitsbegriff. Später mit der griechischen Philosophie, die schon als Vorläufer moderner exakter Wissenschaft anmutende Elementar- und Naturphilosophie, die Begriffe der Kraft und des Atoms, die Ideen Platos, der Begriff des Geistes und der Geistigkeit. Die alten Göttervorstellungen, ihre Olympe und Walhalls, schienen ein für allemal in Wegfall gekommen. Es vollzieht sich die Umwandlung der persönlich anthropomorphistischen antiken Nationalgottheit und der vielen Götter in den geistigen Ein-Gott.
Kurz: die bisherige Prämisse und Grundtatsache der Religion scheint sich durch eine andere ersetzt zu haben.
Aber zugleich nimmt ja auch das Problem des Menschen wieder eine besonders dringliche Gestalt an! Schon die altionische Philosophie bedeutet den Anfang einer solchen höchst eindringlichen Behandlung des Problems Mensch, und von ihr an ist die ganze Entwicklung der griechischen Philosophie bis Socrates und bis zum Christentum hin eigentlich nichts anderes als eine bis dahin[12] unerhörte intensive Erörterung dieses Problems. Der Abschluß dieser Erörterung ist aber der, daß aus dieser wundersamen Vorahnung der höchste vollkommenste, freieste Mensch in Gestalt und Erscheinung tritt und mit dem Christus »ins Fleisch geboren« unter allen Menschen vorhanden ist, um sie aus der Enge ihrer antik nationalen Eingeschränktheit zu höchster Vollkommenheit und – Gotteinheit zu erlösen!
Dieser persönlich leibliche, so durchaus konkrete Inbegriff »Mensch« aber? Ist nichts geringeres als der geistige Ein-Gott selbst als »Sohn« ins »Fleisch geboren« und in die Erscheinung hinein! – Nur daß er dem »alten Menschen,« dem »alten Adam« gegenüber durch eine tiefwundersame innere Wandlung (μετανοια) zu einem neuen Menschen werden soll, durch ihn, der sich den »neuen Adam« nannte oder so genannt wurde. Zu einem neuen Menschen, dem diesmal die Herrschaft über den ganzen Erdball bestimmt war, und der diesmal zum umfassendsten und restlosesten Umfang der Erkenntnis des Menschen von sich selbst gelangen sollte; dem es bestimmt war, dereinst sich als den Inbegriff, die Krone und höchste Stufe aller organischen, ja auch unorganischen Wesenheit und also als den Inbegriff allen Weltwesens und Kosmos zu erkennen! Als den, der stets der gleiche und eine von allem Uranfang der Welt an durch eine heilige Stufenfolge organischer Wandlungen bis hierher gelangt war!
Weiter aber: dieser ins Fleisch geborene alleinige Gott hat als »Sohn« und Christus wieder eine ganz bestimmte Elite von Aposteln und männlichen und weiblichen Heiligen bei sich!
Was besagt dies alles aber anderes, als daß die[13] Umwandlung und vergeistigende Ausgestaltung des Gottesbegriffes die alte religiöse Prämisse und Grundtatsache in Wahrheit nicht aufgehoben hat, sondern daß sie nach wie vor vorhanden ist und zu Recht besteht, nur in erweiterter, vertiefter, vergeistigterer Form und mit ihrem weitesten Umfang vertrauter? Daß aller elementar materielle Weltumfang im Grunde ein geistiges Sein und Einwesen ist, welches aber in einem organischen Individuum und seiner Elite und zugleich als dieses Individuum und seine Elite und als sein gesamter organischer Umfang sich selbst in Erscheinung bringt, lebt und auswirkt?
So daß also nach wie vor in allem wesentlichen alles beim alten ist und sich auf einer höheren und höchsten Stufe lediglich erst recht und ganz bekräftigt!
Aber das »Dogma« von der Gottgeeintheit, von der Göttlichkeit Christi, will sagen dieses durch die Stufen der organischen Entwicklung herauf sich umwandelnden organischen Individuums und seiner Elite, wird ja heute von der exakten Wissenschaft angefochten! Es heißt, der Christus sei »nur ein Mensch,« wenn auch der edelste und vollkommenste Mensch gewesen. Und überdies hat die exakte Wissenschaft mit den Ausmachungen ihrer empirischen Methode, scheint es, die Bedeutung, die der Mensch ehedem sich selbst, bezw. jenem Individuum und seiner Elite zusprach, ein für allemal zunichte gemacht. Sie stellt in Abrede, daß der Mensch ein göttliches und unsterbliches Wesen sei; sie glaubt nachgewiesen zu haben, daß er stattdessen nichts sei als ein vergängliches Produkt der Elemente und Kräfte, daß diese ihm gegenüber das dauernde und absolute seien, daß sein Geistiges, seine[14] Seele nichts sei als eine mechanische Komplikation von Stoff und Kraft, von ihnen vollständig abhängig oder wohl gar von hundert Zufälligkeiten. Seit man zu der Annahme eines räumlich unendlich ausgedehnten Kosmos gelangt ist, und dieser Kosmos von unendlich vielen Welten und Systemen ausgefüllt ist, ist der Mensch, sowohl in seiner Gesamtheit als Menschheit wie als einzelner Mensch – und auch menschlicher Urahn, wie alle Gottmenschen, die seither gelebt, neue organische Sozietätsgebilde oder Religionen gegründet haben – fast zu einem Nichts, zu der erbärmlichsten aller Vergänglichkeiten geworden.
Die bisherige religiöse Prämisse und Grundtatsache, die Tatsache ewiger Ahnen und Götter und eines ewigen Ahnen und Gottes scheint also dennoch in Wegfall gekommen zu sein.
Indessen, wir berühren hier lediglich die ganze Fragwürdigkeit, die den Ausmachungen der sogenannten exakten mechanistischen Wissenschaft anhaftet und die brennendste Krise, in der sie heute steht!
Gehen wir darauf jetzt näher ein.
Wir wissen: Die exakte Naturwissenschaft ist nicht blos eine technisch-praktische, sondern auch eine religiöse und erkenntnistheoretische Funktion.
Als letztere hat sie aber der religiösen und erkenntnistheoretischen Entwicklung zwei Tatsachen von außerordentlich wichtigem und ausschlaggebendem erkenntnistheoretisch-religiösen Wert ermitteln können. Indem sie nämlich, hier in engem Anschluß an die Schelling-Hegelsche Entwicklungsidee stehend, empirisch exakt die Tatsache[15] der Entwicklung feststellte; und außerdem die andere Tatsache von der Erhaltung und Einheit der Kraft!
Indessen ist zu sagen, daß die Wissenschaft diese beiden so überaus wichtigen und ausschlaggebenden Tatsachen ihrem wahren synthetischen Wert nach nicht zu erfassen vermocht hat!
Das ist allerdings unschwer zu verstehen. Ist doch die Wissenschaft, wie wir bereits sahen, ihrem eigentlichen Charakter nach keine synthetische, sondern eine analytisch-experimentierende Funktion, hat sie sich doch um eine möglichst genaue Feststellung von Einzeltatsachen und ihres Zusammenhanges im Sinn einer möglichst genauen Beschreibung derselben zu bekümmern, je nach der betreffenden Disziplin und ihrem Tatsachenbereich. (Welch' letzterer Umstand gerade heute noch dazu zu einem bekanntermaßen nachgerade schon heillosen Spezialistentum und seiner eingekapselten Eigenbrödelei geführt hat!)
Man kann es daher auch kaum anders als einem äußerlich formal schematischen Sinne nach eine wissenschaftliche Synthese nennen, wenn die exakte mechanistische Wissenschaft die Ergebnisse ihrer experimentativen Einzelempirie in allgemeinen Sätzen und Gesetzen formuliert. Das ist mehr eine Sache der bequemeren Übersicht als eine wirkliche erkenntnistheoretische, religiös anwendbare Synthese. Kann eine solche doch naturgemäß auch weder auf dem Gebiete der Biologie, wo die Entwicklungstatsache bis jetzt fast ausschließlich ihre Rolle gespielt hat, noch auch auf dem der Physiologie, der Physik, Chemie oder sonst einer exaktwissenschaftlichen Disziplin erreicht werden. Jede dieser Disziplinen kann vielmehr nur ihren jeweiligen Hauptgegenstand möglichst exakt feststellen, beschreiben und formulieren. Es bleibt durchaus dabei, daß[16] die exakte Naturwissenschaft auch in erkenntnistheoretischer Hinsicht lediglich eine Hilfsdisziplin ist, die ihre hauptsächlichsten Ermittlungen erst einem wirklich überschauenden synthetisch philosophischen, bezw. religiösen Nachdenken, oder vielmehr, wie wir gleich nachher erkennen werden, einer einzigen ein für allemal feststehenden, identischen, axiomatischen Grundtatsache darbietet, damit an dieser eines Tages endgültig ausgemacht werden kann, daß und wie sie sich bis daher lediglich weitergeformt und entwickelt, indessen ihrem wesentlichsten Grundbestand nach nicht einen Augenblick aufgehoben hat!
Denn, meine man doch ja nicht etwa, daß die exakte mechanistische Wissenschaft erst ihrerseits eine neue und endgültige Prämisse und Grundtatsache für die Religion auszumachen oder ausgemacht hätte!
Vielmehr steht es also gerade so, daß die mechanistische Wissenschaft von den beiden großen Tatsachen der Entwicklung und der Einheit und Erhaltung der Kraft noch nicht einmal für ihre Einzeldisziplinen von der Biologie aus einen wirklichen Vorteil zu ziehen vermocht hat! Man könnte zwar sagen, daß wenigstens Physiologie und vor allem Chemie jene beiden Tatsachen sich zu Nutz gemacht, zu ausschlaggebender Anwendung gebracht und sich nach ihnen umgewandelt hätten: indessen auch sie noch nicht einmal in einer wirklich zureichenden Weise, wie wir bald erkennen werden.
Es kommt nun außerdem aber ganz und gar noch hinzu, daß, nachdem die Versuche, welche hervorragende Biologen, Physiologen und Chemiker neuerdings machten, von ihren Wissenschaften aus eine Erkenntnistheorie und Philosophie auszubauen, wie nicht anders zu erwarten war, gescheitert sind, und nachdem man augenblicklich unter[17] dem dringlichsten Zwang die brennende erkenntnistheoretische und religiöse Krise zu lösen, wieder zu dem rein spekulativen Moment der früheren deutschen Metaphysik sich zurückgewandt hat, leider sogar in der Naturwissenschaft selbst ein direkter Zweifel an der Tatsache der Entwicklung und der Einheit und Erhaltung der Kraft Platz gegriffen hat. Wahrlich das allerbedenklichste, was sich ereignen konnte, und was der exakten Wissenschaft sogar geradezu letal werden könnte! Denn sie ist im Begriff, durch diesen Umstand, anstatt mehr und mehr überhaupt der Hypothese sich zu entäußern, in ein so verzwicktes Wirrsal von Hypothesen und Hypotheschen hineinzugeraten, daß sie unfehlbar unter ihm zusammenbrechen muß!
Jedenfalls sieht man, daß die exakte Wissenschaft, wie sie augenblicklich dasteht, nichts weniger als geeignet ist, in religiösen Angelegenheiten irgend einen Ausschlag zu geben oder den konfessionellen Religionsunterricht entbehrlich zu machen. Denn wahrhaftig: eine bösere Wendung der Dinge kann man sich doch kaum vorstellen, als die, daß dieselbe Wissenschaft, welche die frühere Metaphysik erledigt zu haben glaubte, und ganz sicherlich auch berufen ist, sie zu erledigen und die vorwärtsschreitende Entwicklung über sie hinauszuführen, neuerdings wieder mit dieser selben Metaphysik kompromittiert und sich gar von ihr in ihren eigenen Angelegenheiten und Disziplinen irritieren läßt! Aber das Rad der Entwicklung ist wahrhaftig nicht aufzuhalten oder rückwärtszudrehen! Noch Niemand ist ihm ungestraft in die Speichen gefallen!
Entweder also sind die beiden Tatsachen der Entwicklung und der Einheit und Erhaltung der Kraft in[18] Wirklichkeit keine sicheren empirischen Ausmachungen und der Erkenntnistheorie, der Religion und der Wissenschaft selbst droht, ich weiß nicht was für ein in seinen Folgen unausdenkbarer Zusammenbruch, oder sie sind dennoch vollständig sichere Tatsachen und nicht nur die Wissenschaft, sondern, worauf vor allen Dingen alles ankommt, Erkenntnistheorie und Religion erstarken zu neuer Kraft und sind imstande, sich endgültig auszubauen.
Aber, gottlob: sie sind wirklich solche unantastbar sicheren Ausmachungen! Die von der Embryologie geleisteten Feststellungen zunächst stehen über jedem Zweifel. Die organische Ontologie, die Entwicklung des Tieres und des Menschen vom befruchteten Ei bis zur Geburt, die Übereinstimmung der wichtigsten Phasen dieser Entwicklung ist ein für allemal festgemacht. Erreichte ein Darwin und Häckel aber außerdem eine sichere phylogenetische Ausmachung und erwies sich die vollständige Übereinstimmung der wesentlichsten phylogenetischen Phasen mit den ontogenetischen, so bedarf es hier wahrlich keines weiteren und besseren Beweises mehr.
Man erhebe doch nicht den Einwand, daß verschiedene Stufen und Übereinstimmungen in der ontologischen Entwicklung sich nicht auffinden ließen, oder daß auch in der phylogenetischen Stufenfolge eine lückenlose Geschlossenheit sich nicht erreichen lasse! Das kann der Entwicklungstatsache, wie sie von der Biologie festgestellt worden ist, keinen Augenblick einen ernstlicheren Abbruch tun. Das tatsächliche Vorhandensein bestimmter Stufen und ihre Übereinstimmung in Ontologie und phylogenetischer Entwicklung steht über jedem Zweifel, und das ist die Hauptsache. Die Ausfälle, die noch bestehen bleiben, werden sicherlich niemals restlos zu ergänzen sein; aber es benötigt[19] ihrer auch gar nicht. Es bedeutet die verhängnisvollste Kurzsichtigkeit, zu meinen, daß nichts erreicht wäre, weil sie noch nicht ergänzt seien. Man wird sie ja genau so wenig ergänzen können, als man etwa jemals imstande sein wird, alle Atome des Universums Stück für Stück abzuzählen und festzustellen. Aber hängt davon irgend etwas wesentliches ab?
Eine nicht minder verhängnisvolle Kurzsichtigkeit bedeutet es aber ferner, wenn man meint, es sei noch gar nichts sicheres hinsichtlich einer Tatsächlichkeit der organischen Entwicklung ausgemacht, weil man die eigentliche Übergangsstufe von der anorganischen Kristallisation zum Protoplasma noch nicht gefunden habe.
Man wird sie sicher niemals finden, und es bedeutet völlig unnütz vertane Zeit und Mühe, nach ihr zu suchen in der Meinung, daß erst durch ihre direkte Auffindung der einheitliche Zusammenhang zwischen anorganischer und organischer Welt erwiesen sei.
Er ist vielmehr bereits vollkommen ausreichend und exakt erwiesen mit der festgestellten Übereinstimmung oder Berührung der äußersten Grenzgebiete der höchsten anorganischen Kristallisation und dem Protoplasma, oder dem noch vor diesem im heißen Urmeer bestehenden Mycocem, das die giftigen Säuren und Salze seiner Umgebung vertrug, während das Protoplasma in ihnen noch nicht existieren konnte.
Das Problem des Zusammenhanges zwischen anorganischer und organischer Welt und der Aufstieg der organischen Entwicklung aus der anorganischen ist übrigens sogar für jeden Laien sofort mit der unmittelbaren schlichten Tatsache gelöst, daß der pflanzliche, tierische und menschliche Organismus aus anorganischen Elementen[20] besteht und daß er diese in Gestalt von Nahrung und in anderer Weise jeden Augenblick bedarf und in sich aufnimmt.
Es verhält sich also mit unantastbarer Sicherheit so, daß der ausgebildete menschliche Organismus sich bis zu dem Urelement zurückführen läßt. Denn bis auf dies ist es ja neuerdings der Chemie gelungen, wie die anorganische, so alle Entwicklung zurückzuführen.
Daß die Chemie das Urelement als solches niemals wird darstellen, reproduzieren, finden können, besagt wiederum ganz und gar nichts. Es wird ihr direkt ewig unzugänglich sein, weil es eben im allgemeinen kosmischen Bestand direkt auffindbar nicht lokalisiert ist. Niemals wird es möglich sein, den »Weltäther« direkt zu untersuchen, und wäre das Urelement etwa im Inneren des allgemeinen kosmischen Zentralkörpers lokalisiert, so würde es auch hier direkt unerreichbar sein; selbst wenn es sich um das Innere der Erde handeln sollte.
Was nun aber die Einheit und Erhaltung der Kraft anbelangt, so ist sie erstlich bereits in sehr zureichender Weise ausgemacht, andererseits aber ergibt sie sich, was bis daher, so einfach es ist, noch nicht genügend berücksichtigt wurde, mit jeder Sicherheit aus dem Bestand und der Tatsache der kontinuierlichen Entwicklung der anorganischen und organischen Welt.
Ist Kraft von Substanz nicht ablösbar und besteht sie nicht selbständig neben dieser, so hat sie, da die Substanz sich einheitlich entwickelt, auch ihrerseits eine einheitliche Entwicklung. Um so mehr, da doch sicherlich gerade sie es ist, welche diese Entwicklung erst auswirkt und ausbaut!
Nichts also kann selbstverständlicher sein, als die[21] Einheit der Kraft. Einheit aber schließt in weiterer Folge auch Erhaltung bezw. absoluten Bestand ein. Was dann wieder ganz selbstverständlich auch die Einheit und Erhaltung der Substanz einschließt.
Also gegen die beiden Tatsachen der Entwicklung und der Erhaltung und Einheit der Kraft ist schlechterdings nicht anzukommen! Es handelt sich hier um einen unantastbar positiven und exakten Tatsachenbestand!
Dennoch ist es der exakten Wissenschaft z. B. bis daher noch nicht gelungen, eine wirklich exakte, zentrumfeste Bewegungs- und Kraftlehre zu entwickeln!
Warum aber nicht? Weil eine wissenschaftliche Disziplin heute nicht imstande ist, aus gewissen großen endgültigen Errungenschaften der anderen für sich wirklich wesentliche und fruchtbare Folgerungen zu ziehen; so heillos haben sich die einzelnen Disziplinen in ihr Spezialistentum eingekapselt!
Denn wenn es der Bewegungs- und Kraftlehre etwa nicht gelingen könnte, auf eigenem Gebiet und mit eigener Methode sich zu einer zentral einheitlichen Polaritätslehre zu entwickeln, so hätte sich ihr doch unbedingt von der Chemie aus dazu all und jede Möglichkeit dargeboten!
Der Chemie selbst mag es ja weiter nicht zu verdenken sein, wenn sie von dem von ihr festgestellten Urelement aus die Folgerung auf eine zentral einheitliche Polarität nicht gezogen hat, obgleich das vielleicht noch nicht ganz außer dem Bereich ihrer Disziplin läge: aber ist nicht zu beklagen, daß die Kraft- und Bewegungslehre aus der Tatsache des Urelementes keinen Vorteil zu ziehen[22] wußte? Und doch ergibt sich vom Urelement aus mit unausweichlicher Notwendigkeit die Tatsache einer zentral einheitlichen Polarität!
Dieser Zusammenhang und sein logischer Duktus bietet sich zudem wahrhaftig einfach genug dar.
Zuvor wäre allerdings eine Frage zu lösen: nämlich die nach Lokalisation und Verteilung des Urelementes.
Hier würde sich ja aber auf der Stelle ein sehr fruchtbarer Gesichtspunkt ergeben und maßgebend sein. Nämlich der, daß, wenn alle vorhandenen Elemente aus dem Urelement hervorgegangen sind, bezw. Ausdifferenzierungen desselben darstellen, sie irgend einmal noch nicht vorhanden gewesen sein können, sondern daß stattdessen der gesamte kosmische Umfang eine einheitliche Urelementformation gewesen sein muß.
Ich kenne die Anschauungen über das Urelement, die heute in der Chemie bestehen, nicht des näheren: ich glaube aber, man nimmt eine ätherähnliche Beschaffenheit desselben an, und man würde also den sogenannten »Weltäther« als das Urelement ansprechen dürfen.
Damit wäre das Urelement bereits lokalisiert. Lokalisiert man es indessen wirklich solchermaßen, so würde sich sofort ein schwerwiegender Einwand erheben.
Da man nämlich eine unendliche Ausdehnung des Kosmos annimmt, muß mit dieser auch eine unendliche Ausdehnung des Weltäthers oder der vormaligen einheitlichen Urelementformation gegeben sein. Aus dem Weltäther, dem Urelement, bilden sich alsdann durch Kontraktion die übrigen Elemente hervor.
Wäre es denn nun aber wirklich angängig, von einer[23] solchen uranfänglichen Entstehung der Elemente aus dem Weltäther (Urelement) zu reden, da die Elemente ja doch, angesichts der unendlichen Ausdehnung des Kosmos, beständig und noch dazu in Gestalt von unendlich vielen körperlichen Gebilden vorhanden sein müßten?
Mit anderen Worten: es läßt sich angesichts einer Unendlichkeit des Kosmos überhaupt nicht feststellen, daß die Elemente aus einem Urelement, einem Weltäther irgendeinmal erst entstanden wären! Vielmehr wäre ein anderes undenkbar, als daß die Elemente ewig neben dem Weltäther und in ihm vorhanden wären. Alsdann aber könnte dieser letztere offenbar nichts anderes sein, als ein Element neben anderen, oder noch besser: nichts als ein durch die Kontraktionen äußerst angespannter und verdünnter Zustand der Substanz.
Also nochmals: angesichts der bisher bestehenden Anschauung von einer unendlichen Ausdehnung des Kosmos kann von einer uranfänglichen Ausdifferenzierung der Elemente aus einem Urelement und einer einheitlichen Urelementformation hervor, deren Annahme doch vollständig unerläßlich ist, ganz und gar nicht die Rede sein, sondern es müssen ewig alle Elemente neben- und ineinander vorhanden sein. Dagegen ist nicht der geringste Einwand zu erheben.
Nun steht es ja aber in Wahrheit so, daß die Chemie die gesamte organisch-anorganische Entwicklungsreihe bis auf eine ursprüngliche einheitliche Urelementformation tatsächlich hat zurückführen können; daß also vordem wirklich eine einheitliche Urelementformation bestanden hat.
Was kann daraus aber einzig noch folgen? Nichts anderes, als daß eine unendliche Ausdehnung des Kosmos ein völliges Unding ist! Und schon rein von der Chemie und der Tatsache des Urelementes aus muß sich diese Unmöglichkeit ergeben!
Also kann es sich denn in Wahrheit lediglich um einen endlichen Kosmos handeln.
Alsdann wäre aber das Urelement bereits so gut wie lokalisiert.
Zunächst damit, daß einstmals dieser endliche Kosmos eine einheitliche Urelementform war, welche irgend eins der übrigen nachherigen Elemente noch nicht hervorgebildet hatte.
Indessen: war der Kosmos wirklich seiner ganzen Ausdehnung nach eine Urelementformation?
Kurz: Die Lokalisation des Urelementes bleibt erst noch näher zu spezialisieren.
Dazu gelangen wir, wenn wir in Erwägung ziehen, daß diese Urelementformation noch nicht der allereinfachste Zustand des Kosmos gewesen sein kann.
Element und Substanz besagt ja noch in jedem Falle eine Aggregation, einen zusammengesetzten Zustand. Haben wir aber eine einheitliche Entwicklung bis jetzt von einem allerkompliziertesten Zustand aus bis zu einem bereits so einfachen wie das Urelement zurückführen können, so werden wir diese Zurückführung auch noch des weiteren bewerkstelligen können.
Bedingt wird alles Zusammengesetzte durch das, woraus es sich zusammensetzt, oder was sich zu ihm[25] aggregierte. Das kann aber angesichts des Urelementes schon nur mehr noch das Atom sein. (Ich bin mir bewußt, daß man neuerdings von einer noch winzigeren Körperlichkeit spricht, als das Atom eine ist, von Elektronen, Ionen usw.: indessen, da es ja nur auf den Begriff einer kleinsten Körperlichkeit überhaupt ankommt, so möchte ich den für diese populär gewordenen Begriff des Atoms hier beibehalten.)
Es muß also vor der Urelementformation eine rein atomistische bestanden haben!
Da nun aber erst mit dem Urelement der Begriff und Zustand einer Substanzialität einsetzt, so kann vor dem Urelement noch keine Substanz vorhanden gewesen sein und also kann das Atom kein substanzielles Gebilde sein. Also ist es eine unsubstanzielle Körperlichkeit. Und also ist es ein Gebilde reiner Kraft. Als solches aber wieder und als eine Körperlichkeit muß es und kann es nur noch ein primitivstes Produkt zwiepolarer Spannung und kann es selbst lediglich eine winzige zwiepolare Spannung sein. Also ein winzigstes elliptisches Gebilde.
So wäre denn also der endliche (elliptisch in sich geschlossene) Kosmos vor dem Urelement eine rein zwiepolare Formation reiner, noch unsubstanzieller Kraft gewesen.
Doch auch dieser Zustand kann noch nicht der allererste Urzustand des Kosmos gewesen sein. Immer noch ermöglicht sich eine Zurückführung der Entwicklung zu einem noch einfacheren Zustand.
Die zwiepolare Spannung (bezw. beständige zwiepolare[26] Auslösung) des Atoms bedeutet noch einen aktiven Zustand von Kraft; und also einen immer noch komplizierten, wenn auch schon in keiner Weise mehr substanziell komplizierten. Es kann und wird sich also noch ein weiteres vollziehen; freilich nur mehr noch ein alleräußerstes: nämlich diese zwiepolare Spannung und Aktivität kann sich noch einziehen. D. h. der eine Pol kann den anderen in sich aufnehmen. Alsdann aber besteht weder mehr eine substanzielle noch eine unsubstanzielle Körperlichkeit, besteht keinerlei aktive Kraft mehr, sondern nur noch der einpolar neutrale Zustand ∞, der alle Entwicklungsformen sowohl ein- wie ausschließt und schlechthin punktuell ist! –
Wir wären mit alledem aber zu dem überaus wichtigen Ergebnis gelangt, daß die Substanz keine selbständige Bedeutung besitzt, sondern lediglich die einer vorgerückteren Form und Komplikation von Kraft. So daß also die Kraft der Substanz gegenüber – die überdies bekanntlich noch niemals anders als schematisch begrifflich von jener getrennt werden konnte! – ein übergeordneter Zustand ist. – Im übrigen aber ist sie offenbar keineswegs der letzte Urgrund des Kosmos und aller kosmischen Erscheinung, sondern lediglich eine Eigenschaft! Nämlich eine Eigenschaft des punktuellen Ein-Pols, der sie in dem Augenblick zu betätigen anfängt, sobald er zwiepolar wird, einen Gegenpol aus sich heraussetzt, um alsdann alle weitere Stufenfolge von Entwicklung zu bewirken.
Diesen einpolar neutralen Zustand ∞ gewonnen, werden wir jetzt auch in der Lage sein, das Urelement im Kosmos exakt zu lokalisieren; und zugleich werden[27] wir mit aller Sicherheit erkennen, daß es tatsächlich unmöglich den Kosmos seiner ganzen elliptischen Ausdehnung nach eingenommen haben oder einnehmen kann. Mit anderen Worten: daß sich zugleich das Vorhandensein eines sogenannten »Weltäthers« als ein für allemal unmöglich erweist! Denn wenn jetzt die Entwicklung aus dem einpolaren Zustand hervor von neuem beginnt, so muß sich auch Zustandekommen und Ort des Urelementes auf das genauste feststellen lassen. –
Entwicklung und eine einheitliche zentrale Kraft als Eigenschaft eines punktuellen Ein-Pols sind also zwei mit jeder Sicherheit ausgemachte und feststehende Tatsachen.
Die elliptisch endlich in sich geschlossene Ausdehnung des Kosmos und die Einheitlichkeit des allgemeinen, absoluten kosmischen Systems ergibt sich von diesen beiden Tatsachen aus mit jeder Notwendigkeit; des näheren aber die Tatsache einer ehemalig einheitlichen Urelementformation und von ihr aus eine Entfaltung von Substanz und kosmischen Körpern, deren es von vornherein in einem elliptisch endlichen Kosmos nur eine endlich bestimmte Anzahl geben kann.
Aber wir können auch noch von einer anderen Seite her die elliptische Endlichkeit des Kosmos und die Einheit eines absoluten kosmischen Systems mit jeder Sicherheit nachweisen.
Ohne weiteres bieten sich uns nämlich im Kosmos Systeme dar. Diese Systeme bestehen wieder aus Untersystemen. Daraus ergibt sich die notwendige Folgerung, daß alle kosmischen Systeme Glieder eines einzigen allgemeinen[28] kosmischen Systems sind. Weiterhin aber ergibt sich, daß, wie jedes Untersystem einen Zentralkörper und eine Peripherie hat, als welche letztere sich die Umlaufsbahn seines äußersten Körpers darstellt, auch das allgemeine kosmische System einen Zentralkörper und eine Peripherie, bezw. eine äußerste Umlaufsbahn besitzt.
Wollte man nun aber diese Peripherie und diese äußerste Umlaufsbahn ihrer Ausdehnung nach für unendlich halten, so wäre ein anderes vollständig ausgeschlossen, als daß auch der Zentralkörper des Systems räumlich unendlich wäre; denn einer unendlichen Peripherie könnte notwendigerweise auch nur eine unendliche Zentrale entsprechen. Alsdann wären ja aber Zentrum und Peripherie in eins zusammengezogen: nämlich in den Zustand ∞, der, da eine Zentrale gegen eine Peripherie nicht mehr unterschieden wäre, nicht anders als seiner Eigenschaft nach einpolar und neutral ist, so daß also keinerlei System und keinerlei kosmische Körper vorhanden sein würden. Da nun aber in Wirklichkeit doch kosmische Körper und Systeme vorhanden sind, so kann es sich nicht anders verhalten, als daß sie in einem allgemeinen elliptisch endlichen System stehen, in dem sich ein endlicher Zentralkörper gegen eine endliche Peripherie unterscheidet!
Also auch auf solchem Wege gelangen wir zu der unausweichlichen Erkenntnis, daß der Kosmos seiner Ausdehnung nach elliptisch endlich in sich abgeschlossen ist.
Übrigens fängt die Astronomie neuerdings selbst an, einen seiner Ausdehnung nach elliptisch geschlossenen Kosmos und ein solches allgemeines kosmisches System anzunehmen. (Nachdem aber schon lange von Dühring und Helmholtz die Endlichkeit der kosmischen Raumausdehnung[29] nachgewiesen wurde.) Von welch' ungeheurer und überraschender Tragweite aber die Tatsache eines elliptisch endlichen Kosmos und eines einheitlichen kosmischen Systems ist, davon werden wir uns gleich nachher überzeugen können. Die Astronomie hat denn heute auch ein Bewußtsein davon, daß sie vor einer großen fundamentalen Umwälzung steht. Einer ihrer namhafteren Vertreter, Prof. Turner in Cambridge, hat das ja auch anfangs dieses Jahres in einer öffentlichen Rede, die großes Aufsehen erregt hat, direkt ausgesprochen.
In was für unmögliche und geradezu unsinnige Hypothesen sich indessen die exakte Wissenschaft, nachdem sie selbst an den beiden Tatsachen der Entwicklung und der Erhaltung einer einheitlichen Kraft wieder unsicher geworden ist, vorderhand, und besonders gerade die Astronomie, noch verstrickt zeigt, dafür ein Beispiel.
Es ist bekannt, daß man neuerdings die Kant-Laplacesche Kosmogonie ein für allemal hat fallen lassen. Mit vollem Recht; denn sie ist wirklich nicht mehr aufrechtzuerhalten, und am allerwenigsten läßt sie sich noch mit der Tatsache eines elliptisch in sich geschlossenen kosmischen Raumes vereinbaren.
Wir wollen sie uns aber trotzdem hier in aller Kürze noch einmal vergegenwärtigen.
Im unendlichen Raum zieht sich überall Substanz zusammen. Sie befindet sich in einem feurig gasigen Nebelzustande, der rotiert. Diese Rotation vollzieht sich zunächst noch ganz langsam. Da aber der Nebel beständig Wärme in den kalten Weltraum hinein abgibt, so zieht der Nebel sich zusammen und in gleichem Maße[30] nimmt auch seine Rotation zu, beschleunigt sich und wird kräftiger. Die Folge davon ist, daß von einer zentralen Verdickung aus, die sich später zum Zentralkörper des im Entstehen begriffenen Systems entwickelt, die Substanz ringförmig abgeschleudert wird. Diese Ringe zerreißen und ziehen sich zu Körpern zusammen, die alsdann den Zentralkörper in der Richtung von dessen Rotation umkreisen, festgehalten von seiner Gravitation und zugleich von einer Zentrifugalkraft, die ihnen eignen soll, von ihm abgedrängt und zu ihm in bestimmter Distanze gehalten.
Man sieht sofort, daß diese Kosmogonie sich mit einem elliptisch endlichen Kosmos und einem einheitlichen kosmischen System nicht mehr vereinbaren läßt. Denn hier wäre ja weder ein kalter, abkühlender Weltraum mehr, noch auch wäre für das Gesamtsystem noch ein Raum zu einer solchen Abschleuderung. Nur bei der Annahme eines unendlichen Weltraums konnte eine solche Hypothese Sinn und Überzeugungskraft haben. Auch verträgt sich im übrigen die mechanisch von außen her erfolgende Beschleunigung der zentralen Rotation keinen Augenblick mehr mit der Einheitlichkeit und Polarität der Kraft, die doch unbedingt verlangt, daß die Rotation sich durch sich selbst und aus zentraler Polarität heraus beschleunigt. Weiter aber ist überhaupt in der Kant-Laplaceschen Hypothese das Zustandekommen einer zentralen Rotation weder erklärt noch auch verständlich. Auch das Zustandekommen der Rotation der Trabanten bleibt durchaus unverständlich und ohne Erklärung. Ja sogar die Abschleuderung!
Aber das alles beiseite. Trotz allem eignete dieser Theorie an und für sich immerhin eine gewisse einleuchtende Kraft. Es muß einem sofort plausibel sein, daß kosmische Bewegung und Kraft die Substanz lokal kontrahiert[31] und daß alsdann von einem durch solche Kontraktion sich ausbildenden Zentralkörper aus ganz einheitlich die weitere Ausbildung des Systems erfolgt. Auch die Rotation des Zentralkörpers, ob erklärt oder nicht, mußte die Ausbildung der Umlaufsbewegung des Systems sehr gut und mit geschlossener Einheitlichkeit einleuchtend machen. Außerdem durfte man ja an und für sich aus der tatsächlichen Rotation der Erde sehr wohl auch auf eine Rotation der übrigen Himmelskörper schließen.
Um es also banal zu sagen: Die Kant-Laplacesche Kosmogonie war sicherlich nichts weniger als dumm und bleibt nach wie vor, obgleich sie nachgerade nur noch historisch in Betracht kommt, aller Ehren wert.
Nun wollen wir uns aber mal ihr gegenüber einer der neuesten kosmogonischen Hypothesen ansehen, die prätentiert, die Kant-Laplacesche endgültig überwunden und erledigt zu haben!
Es handelt sich um die von Svante Arrhenius in seinem Buch »Das Werden der Welten« entwickelte sogenannte Explosionstheorie. Auch einem weiteren Publikum ist nicht unbekannt, welches Aufsehen ihr nobelpreisgekrönter Urheber mit ihr hervorgerufen und wie die astronomische Wissenschaft sie, wenn auch nicht mit vollständiger Einstimmigkeit, ernst genommen hat.
Wir bieten zunächst in aller Kürze den wesentlichsten Inhalt dieser Explosionstheorie.
Sie knüpft an die so interessante Erscheinung der »Novae«, jener plötzlich mit gewaltiger Kraft und ganz spontan aufleuchtenden Gestirne an, die mit diesem Aufleuchten zum ersten Mal in Erscheinung treten, um alsdann,[32] nachdem ihre Leuchtkraft sich wieder vermindert hat, einen gewissen Ausbildungsprozeß zu zeigen, der im allgemeinen dem der kosmischen Spiralnebel entspricht. Man hat besonders im Laufe der letzten beiden Jahrzehnte der Erscheinung der »Novae« eine nachhaltigere Aufmerksamkeit zugewandt und große Erwartungen für wichtigste Aufschlüsse in kosmogonischen Angelegenheiten an sie geknüpft; Erwartungen, die Arrhenius jetzt mit seiner Explosionstheorie gerechtfertigt haben soll.
Aber der Inhalt seiner Theorie!
Zwei erkaltete große Sonnen treffen im Weltraum aufeinander. Sie sind nicht vollständig erkaltet, sondern bergen in ihrem Innern noch heißen gasigen Stoff. Der Zusammenstoß macht die beiden Körper bersten und ihr heißgasiges Innere explodieren. Es entsteht eine ungeheure Erhitzung und eine zweiseitige Ab- und Ausschleuderung der erhitzten und gasig gewordenen Materie, die sich mit zwei Armen spiralig neblig um eine zentrale kugelige Verdickung herumlegt.
Nun sollte man meinen, die weitere Ausbildung des im Entstehen begriffenen Systems gehe dergestalt vor sich, daß infolge zentraler Rotation die beiden spiraligen Nebelarme selbständig Zentren ausbilden, die später als Trabanten den Zentralkörper in der Richtung der zentralen Rotation begleiten; indessen keineswegs! Zwar gibt Arrhenius zu, daß bis zu einem gewissen Grade eine solche Zentrenbildung stattfindet, aber trotzdem ist durchaus nicht sie es, welche die späteren Trabanten zustandebringt. Vielmehr sollen diese in der Hauptsache auf folgende Weise entstehen:
Beständig dringen nicht nur zahllose Meteoriten, sondern sogar größere Körper in den Nebel hinein. Die[33] meisten durchschlagen ihn zwar und setzen ihre Bahnen in den Raum hinein fort, immerhin aber werden diese und jene dennoch von dem Nebel festgehalten, geraten – obgleich sie doch an und für sich die Kraft haben, diese Rotation zu durchbrechen?! – in die Richtung von dessen Rotation, ziehen die Materie des Nebels und etwaige durch die Rotation bereits entstandenen Zentren an sich heran und werden so zu Trabanten des Zentralkörpers; wogegen die eigene Zentrenbildung des Nebels überhaupt so gut wie ganz und gar bedeutungslos bleiben soll!
Das ist die kosmogonische Theorie, die sogenannte »Explosionstheorie« von Svante Arrhenius! –
Sehen wir zu, was es mit ihr auf sich hat.
Ich glaube, der aufmerksamere Leser, der sie inzwischen mit der vorhin skizzierten Kant-Laplaceschen Hypothese verglichen hat, wird bereits bedenklich den Kopf geschüttelt haben. Wahrhaftig nur mit vollem Recht! Denn diese Explosionstheorie von Arrhenius ist nichts als eine unglaubliche Absurdität. (Ein Astronom, mit dem ich in Briefwechsel stand, hat sie mir gegenüber denn auch direkt als »lächerlich« bezeichnet.)
Zunächst, was für eine bedenkliche und befremdliche Freizügigkeit der kosmischen Körper! Nicht nur, daß überhaupt zwei »erkaltete Sonnen« solchermaßen und ganz ohne Rücksicht darauf, ob sie andere Systeme dabei etwa zerstören oder nicht, aufeinandertreffen und explodieren können, sondern auch noch alle diese zahllosen Meteoriten und Großkörper, die da kreuz und quer durcheinanderfahren und dabei, wie es gerade der Zufall fügt, zugleich den Nebel durchbrechen und sich von ihm fangen lassen[34] sollen. Welche regellose Willkür in der kosmischen Bewegung, die wir uns doch – Einheit und Erhaltung der Kraft und zentrale Polarität! – als eine völlig einheitliche und streng geregelte vorzustellen haben! Oder geben etwa die so befremdlich und problematisch exzentrischen Bahnen von Kometen und Sternschnuppenschwärmen Berechtigung zur Annahme einer derartigen Freizügigkeit? Unmöglich, da die Kometen und Sternschnuppen ihre Umlaufsbahnen ja immerhin einhalten und nach irgend einer offenbaren gesetzlichen Ordnung vollziehen, von den schweren Großkörpern aber, zwischen denen sie passieren, wohl Ablenkung erfahren, diese selbst aber und ihre Bahnen und Systeme nicht einen Augenblick zu stören vermögen. Zwar können Kometen sich sogar auflösen, indessen haben wir alle Ursache anzunehmen, daß die Sternschnuppenschwärme, in die ein Komet sich aufgelöst hat, sich gleichfalls, wie die anderen, in einer streng innegehaltenen Umlaufsbahn bewegen.
Im übrigen aber: wie sollte es wohl denkbar sein, daß Fremdkörper in einer Weise, wie Arrhenius dies annimmt, in den Bereich eines werdenden Systems hineingeraten und es in seinem Werdeprozeß stören könnten! Die Kraft der Rotation des Systems – man denke: die Wucht zweier aufeinanderprallender erkalteter großer Sonnenkörper: welch eine ungeheuere Rotationskraft und welch einen ungeheueren wirbelnden Reflex derselben nach allen Seiten hin müßte sie zur Folge haben! – läßt das ja nicht einen Augenblick zu!
Und würden nicht auch wir selbst, würde nicht auch unser Planetensystem täglich und stündlich erleben können, daß uns bei solch einer regellosen Freizügigkeit große Körper aus kosmischen Fernen zugelangten und Bestand[35] und Gefüge der Erde und des Systems in schwerster katastrophaler Weise gefährdeten?!
Im übrigen zeigt gerade diese willkürliche, chaotische Freizügigkeit der kosmischen Körper, die von Arrhenius hier wieder angenommen wird, so drastisch wie möglich, wie völlig unsicher die Wissenschaft der Entwicklungstatsache und der Tatsache der ewigen einheitlichen Kraft und Polarität gegenüber inzwischen wieder geworden ist!
Aber ermessen wir jetzt die Theorie von Arrhenius erst noch in ihrer ganzen Unsinnigkeit! Wir haben nämlich noch lange nicht ihre ärgste und unbegreiflichste Gedankenlosigkeit ins Auge gefaßt!
Sie besteht aber darin, daß jene beiden »erkalteten Sonnen,« die da aufeinanderstoßen und explodieren, ihrerseits nicht einen Augenblick eine Erklärung erfahren!
Wenn nämlich die kosmischen Systeme auf eine Weise entstanden sein sollen, wie Arrhenius dies beschreibt, so frägt man ja sofort: ja wie sind denn aber, wenn alle kosmischen Körper solchermaßen zustandekommen, ihrerseits diese beiden »erkalteten Sonnen« entstanden? Kommen sie aus einem anderen, zugrundegegangenen System her? Zweifellos! Aber auch das ist ja durch Explosion zweier aufeinandergestoßener »erkalteter Sonnen« entstanden? – Kurzum: es bleiben schließlich diese beiden Körper völlig unerklärt; und Arrhenius hat auch noch nicht einmal den leisesten Versuch zu einer solchen Erklärung gemacht; ja, man muß sogar annehmen, daß, was das allerböseste und unbegreiflichste ist, Arrhenius diese Problematik seiner beiden »erkalteten Sonnen« da noch nicht einmal zu Bewußtsein gekommen ist!
Übrigens bleiben genau so alle die Meteoriten und[36] Großkörper vollständig unerklärt, die der Nebel eingefangen haben soll!
Unbedingt müssen doch nun aber alle diese Körper eine Entstehung gehabt haben, und müssen sie also erklärt werden! Wahrhaftig: da bliebe doch der alten, jetzt historisch gewordenen Kant-Laplaceschen Theorie noch zehnmal der Vorzug zu geben! Was man auch immer und zwar mit vollem Recht nachgerade gegen sie einzuwenden hat: solche faustdicken Gedankenlosigkeiten läßt sie sich denn doch nicht zu schulden kommen; vielmehr ist sie, wie wir gleich sehen werden, bis daher, obwohl nicht mehr möglich, immer noch die in ihrer Logik geschlossenste und einwandfreiste aller neueren Kosmogonien.
Denn auch die ernster zu nehmenden neusten kosmogonischen Theorien sind kaum um ein Haar besser, als die von Arrhenius!
Und zwar lediglich aus demselben Grunde: weil nämlich die zentralen Großkörper der Systeme ohne auch nur die leiseste Spur einer Erklärung bleiben!
So besteht augenblicklich z. B. folgende, an die Theorien von den Kometen und Sternschnuppen anknüpfende Kosmogonie, die jüngst von der Astronomie, scheints, so ziemlich allgemein angenommen wurde.
Ein vorhandener rotierender Großkörper zieht vermöge seiner Schwerkraft Massen von in seiner Nähe vorübergehender, leichter verteilter Substanz an. Diese umkreist ihn, von ihm festgehalten, und durch Zentrenbildung zieht sie sich zu Trabanten zusammen, von denen der Großkörper alsdann umkreist wird.
Hier kommen nun zwar keine Meteoriten und andere[37] Körper mehr in einen Nebel hinein, auch ist der rotierende Großkörper, was die Zentrenbildung und Ausbildung des Systems anbetrifft, nicht mehr so machtlos wie in der Theorie von Arrhenius: indessen scheitert auch diese Hypothese vollständig und ein für allemal daran, daß das Zustandekommen des rotierenden Großkörpers nicht einen Augenblick erklärt ist; ja die Problematik desselben auch noch nicht mal einen Augenblick bewußt erkannt und ins Auge gefaßt wurde! – Nochmals: wahrhaftig auch diese kosmogonische Hypothese hat nicht die mindeste Berechtigung zu prätentieren, daß sie die Kant-Laplacesche erledigt hätte. Auch sie ist eine ganz unmögliche Theorie.
Und doch ermöglicht sich eine endgiltig exakte Kosmogonie nachgerade unschwer.
Und zwar, immer wieder sei es betont, von der Entwicklungstatsache und von der einer einheitlichen zentralisierten Kraft und Polarität, und weiter von jenem einpolar neutralen Zustand ∞ aus, zu dem wir mit unantastbarer Sicherheit von der Tatsache des Urelementes aus gelangten.
Wir erkannten schon früher, daß der Kosmos und das allgemeine einheitliche kosmische System nur eine elliptisch in sich abgerundete, endliche Ausdehnung haben kann, und daß der absoluten elliptischen Peripherie ein allgemeiner kosmischer Zentralkörper entsprechen muß. Die Astronomie, die, wie wir schon sahen, neuerdings selbst zu der Annahme eines elliptisch endlichen Kosmos und eines einheitlichen kosmischen Systems – des sogenannten »Milchstraßensystems« – gelangt ist, muß[38] unbedingt auf der Stelle die Notwendigkeit folgender Aussagen zugeben, die sich von diesem allgemeinen kosmischen System von vornherein ergeben:
1. Das System hat eine einheitliche Bewegung, die sich im wesentlichsten Betracht als Umlaufsbewegung darbietet.
2. Diese Umlaufsbewegung geht vom allgemeinen kosmischen Zentralkörper aus und wird beständig von ihm in Gang gehalten und geregelt.
3. Sie vollzieht sich, als deren Ausweitung, in der Richtung der zentralen Rotation.
4. Sie gliedert sich in eine Reihe von Zonen und Sphären, die sich durch die jeweilige Intensität des Umlaufs bestimmt.
5. Diese Intensität ist je näher die betreffende Zone und Sphäre dem Zentralkörper und der zentralen Rotation geht, um so stärker und um so schwächer je mehr gegen die kosmische Peripherie hin.
6. Zentrale Rotation und ihre Ausweitung, bezw. kosmischer Umlauf und seine Intensität, bedingen in den einzelnen Zonen und Sphären die Verarbeitung der Substanz, bezw. die Beschaffenheit der umlaufenden Körper.
7. Da der zentralen Rotation und ihrer Ausweitung eine zusammenziehende Kraft eignet und diese notwendigerweise am Zentralkörper selbst und in seiner Nähe am stärksten ist, so ist nichts anderes denkbar, als daß der Zentralkörper ein harter Körper ist (aber kein »Sonnenkörper«!), und daß die ihm nächst umlaufenden Körper mehr oder weniger feste Körper sind!
8. Aus alledem ergibt sich aber sofort hinsichtlich des Entstehens und Werdens des allgemeinen kosmischen[39] Systems, daß die Entstehung der einzelnen Körper und Systeme nicht willkürlich hier und da durch eine Kontraktion vor sich geht, die auch kaum jemals in auch nur einigermaßen zureichender Weise erklärt werden konnte, sondern daß sie zentral streng geregelt ist nach Zonen und Sphären und nach Intensitätsstufen des allgemeinen kosmischen Umlaufes, bezw. der Ausweitung der zentralen Rotation!
Das alles durften wir, da die Tatsache eines elliptisch endlichen Kosmos und kosmischen Systems feststeht, auf der Stelle mit jeder Sicherheit und Zuverlässigkeit folgern. Und zugleich sind wir nunmehr in der Lage zu einer allgemeinen Kosmogonie wie auch zu der eines jeglichen Einzel- und Untersystems zu gelangen. Und zwar zu einer wirklich exakten, mit unantastbarer Lückenlosigkeit geschlossenen und endgültigen!
Vergegenwärtigen wir uns jetzt diesen kosmogonischen Vorgang:
Wir sahen weiter oben, daß Urelement und Substanz keine selbständige Erscheinung neben der Kraft sind, sondern nichts als eine Komplikation der letzteren, so daß Substanz sich also auf die ihr übergeordnete Erscheinung der Kraft zurückführen läßt. Kraft erkannten wir dann wieder als absolute Eigenschaft eines Ein-Pols. Und alle Entwicklung sahen wir uns genötigt bis auf einen einpolar neutralen Zustand ∞ zurückzuführen.
Von diesem aus tritt dann das allgemeine kosmische System wieder in Entfaltung. Und zwar unbedingt durch einen Akt von Kraft und Bewegung. Denn zeigte[40] Pol-Kraft Bewegung, zeigte das kosmische System sich im ausgelösten Zustande zwiepolar, und sind im einpolar neutralen Zustande zwei Pole in einen übergegangen, so muß zunächst der eine Pol sich wieder vom anderen trennen und sich gegen ihn in Distanze setzen.
Das aber kann sich offenbar nur in Gestalt eines spontanen Ruckes vollziehen.
Da nun ferner, bevor Substanz erreicht wird, zunächst die unsubstanzielle Atomen-Formation zustandekommen muß, und da ferner, damit alle Atome zustandekommen können, zunächst ein Atom erreicht werden muß, so beginnt die kosmische Entwicklung uranfänglich mit der Ausbildung eines Atoms!
Diese Tatsache ergibt sich aber ganz unausweichlich damit, daß im Bestand des ausgewirkten Kosmos kein einziges Atom rotieren kann, wie überhaupt im Kosmos kein einziger Körper eine Achsenrotation besitzt. Mit einziger Ausnahme des kosmischen Zentralkörpers, der, wie wir in unserem früher gegebenen Verzeichnis sahen, rotieren muß, weil eine kosmische Umlaufsbewegung besteht, die als nichts anderes erklärt werden kann, als die Ausweitung einer zentralen Rotation!
Was nun aber diese Rotation des Zentralkörpers anbetrifft, so ist zu berücksichtigen, daß der Zentralkörper ja entstanden ist, und ferner ist zu beachten, wie er entstanden ist.
Dieses Wie? werden wir sogleich kennen lernen. Und zwar werden wir sehen, daß schlechterdings es sich bedingt durch eine einzige erste minimalste Auslösung von Kraft und Polarität, und durch ein zentrales Uratom und dessen Rotation. So daß also ganz streng genommen in allem Bereich des Kosmos und des kosmischen[41] Systems nur ein einziges Atom und ein einziger Körper eine Rotation hat: nämlich das zuerst ausgelöste zentrale Uratom, und daß im übrigen aller übrige kosmische Bestand, auch die Substanzmasse des Zentralkörpers mit seinen Schichtungen, lediglich einen Umlauf um das rotierende Zentralatom haben, der sich in der Richtung von dessen Rotation vollzieht, von ihr bewirkt wurde, und in Gang erhalten wird.
Schlechterdings durch ein einziges zentrales Uratom und seine Rotation bedingt sich aller kosmische Bestand deshalb, weil alle seine Atome, ob in ihrem noch unsubstanziellen oder substanziellen Zustand, erst durch Schneidung, bezw. Verknüpfung zweier Richtungen von Kraft zustandekommen; wozu zunächst unbedingt das Zustandekommen eines Atoms vonnöten war, und zwar eines rotierenden.
Erfolgte also aus dem einpolar neutralen Zustand ∞ hervor ein erster Ruck, so konnte dieser sich nur als ein allerminimalster vollziehen. Dennoch aber war er, aus momentaner absoluter Bewegungslosigkeit des Ein-Pols hervor entstehend, die allerintensivste Äußerung von Kraft und dermaßen ungeheuer, daß er mit der ersten zentralen Distanze und Dimension zugleich auch schon, mit einer allseitig vertikalen Ausweitung, die äußerste kosmische Peripherie auslöste; dergestalt indessen, daß diese ganze ungeheuere Dimension zunächst noch nicht ein einziges Atom hatte.
Was nun aber jene erste zentrale Distanze anbetrifft, die sich im übrigen als die erste Spannung zwischen zwei Polen darstellt, so konnte diese – wir werden[42] gleich nachher den Grund erkennen – nicht anders als geradlinig erfolgen! Denn auf dem kürzesten und zugleich intensivsten Wege erreichte der Pol seinen Gegenpol oder setzte er ihn aus sich heraus. Da nun aber diese erste geradlinige Zentraldimension vorhanden war und zugleich mit ihr der Bereich der allseitigen vertikalen Kraftausweitung des Urruckes bis zur kosmischen Peripherie hin, so hatte der Pol jetzt eine Möglichkeit, zu seinem Gegenpol auch krummlinig überzuspringen. Übrigens nach strenger Maßgabe der ersten geradlinigen Dimension und um deren Achse herum, die ein für allemal statisch festgehalten wurde!
Der Pol vollzog jetzt ringsherum diese krummlinigen Auslösungen, eine dicht an der anderen, und so rundete sich ein allererstes minimalstes elliptisches Spannungsgebilde und eine solche unsubstanzielle Körperlichkeit in Gestalt eines zentralen Atoms. Da die krummlinigen Auslösungen aber statisch festgehalten wurden, auch in der Reihenfolge, wie sie von Anfang an erfolgten – immer eine Linie dichtest an der anderen und eine immer mit Hilfe der vorherigen! –: so mußte diese ganze Auslösungsbewegung eine Rotationsbewegung werden und mußte das zentrale Uratom rotieren; an ein und derselben Stelle und ohne seine Lage im geringsten zu verändern.
Jetzt aber gelangen wir zu dem Beweis, daß der Urruck sich unter allen Umständen zunächst geradlinig vollziehen mußte und nicht einen Augenblick anders sich vollziehen konnte.
Nämlich auch die Rotationsbewegung des zentralen[43] Atoms hat, genau so wie der erste geradlinige Urruck, eine Ausweitung. Die sich in die vorhandene vertikale (zentrifugal = zentripetale) Ausweitung und Kraftspannung hinein bis zur Peripherie fortsetzt.
Es bestehen also jetzt im Kosmos zwei Kraftrichtungen: eine vertikale (zentrifugal = zentripetale) und eine horizontale, eine Rotations-, bezw. Umlaufsrichtung. Sie bleiben ein für allemal die zwei grundtypischen Richtungen einheitlicher Kraft, Bewegung und Polarität.
Was ist nun aber anders denkbar, als daß die horizontale Ausweitung der zentralen Rotation sich erst einen Weg brechen mußte durch die vertikale Ausweitung? Diese Durchbrechung aber brachte überall im kosmischen Bereich zwiepolare Brechungs- oder Verknüpfungsgebilde zustande: die Atome! – Zu berücksichtigen ist hierbei aber sofort, daß diese Brechungen und Verknüpfungen am intensivsten erfolgen mußten, je näher beim rotierenden Zentralatom; denn je weiter von ihm ab und gegen die kosmische Peripherie hin, um so mehr muß ja die Ausweitung der zentralen Rotation an den Kraftlinien der vertikalen Ausweitung erlahmen; so daß es denn auch ausgeschlossen ist, daß die horizontale Ausweitung bis ganz an die kosmische Peripherie herangeht. Sie begegnet ja hier außerdem einer absoluten Grenze, an welcher mit ungeheuerster Gewalt der vertikale Kraftreflex des Urruckes sich in zentripetale Richtung umbiegt und zurückstaut. So daß also die äußerste Peripherie eine kosmische Zone bedeutet, in der nicht eine Spur von Substanz oder auch nur von unsubstanziellen Atomen mehr möglich und vorhanden ist! –
Wir verfolgen den großkosmogonischen Prozeß jetzt weiter.
Schon oben, in unserem Verzeichnis, vergegenwärtigten wir uns, daß je nach der Intensität der Ausweitung der zentralen Rotation sich dieselbe in eine Stufenfolge von Umlaufszonen gliedert, die sich ihrerseits wieder jede in eine Anzahl von Sphären einteilt.
Die erste kosmische Region ist naturgemäß der Raum, den der Zentralkörper einnimmt. Dieser aber kann einzig auf folgende Weise zustandekommen.
Am intensivsten müssen die Brechungen oder Verknüpfungen, welche die horizontale Ausweitung mit der vertikalen einging, in unmittelbarster Nähe des rotierenden Zentralatoms sein. Und zwar kann es sich nicht anders verhalten, als daß die Atome eins so dicht am anderen liegen, daß, wenn überhaupt ein Zwischenraum, so doch kein hinreichender bleibt, daß die Atome eine Eigenbewegung vermöchten. Sie können sich daher nicht nähern oder abstoßen und also auch noch nicht sich zu Substanz aggregieren.
So daß also in unmittelbarster Nähe des rotierenden Zentralatoms ein unsubstanzieller Atomenring mit der Richtung der zentralen Rotation um das Zentralatom herumkreist. Hier haben wir die vor dem Urelement bestehende reine Atomenformation. Sie ist offenbar auf diesen Ring beschränkt und in ihm exakt lokalisiert. In irgend einer anderen Region des Kosmos sind aber unsubstanzielle Atome deshalb nicht denkbar und möglich, weil überall im übrigen Kosmos viel zu große Zwischenräume zwischen den zustandekommenden Atomen vorhanden waren, die ihnen vollständige individuelle Bewegungsfreiheit[45] und also allenthalben die Möglichkeit, und zwar die mannigfaltigste, gewährten, sich zu substanziell-elementarer Bildung zu verbinden!
Im nächsten Ring nun aber ist offenbar die horizontale Ausweitung bereits ein klein wenig schwächer, zugleich ist der Ring naturgemäß schon bedeutend umfangreicher. Also bleibt schon ein Zwischenraum zwischen den Atomen; sie können sich individuell bewegen, (diese Bewegung bedeutet in allen Fällen lediglich eine seitlich schwankende, vibrierende, oszillierende, weil ja die Atome in allen Fällen Konduktoren der vertikalen und horizontalen Kraftlinien und in diese gleichsam wie Maschen eingewebt sind!), und also können sie sich jetzt auch verbinden.
Wir haben den Ring des Urelementes vor uns; und wir hätten jetzt also auch das Urelement exakt lokalisiert. Doch ist zu berücksichtigen, daß das Urelement nicht auf diese kosmische Region, auf diesen zweiten Innenring des Zentralkörpers beschränkt sein wird. Es kann auch noch an einer anderen Stelle des Kosmos vorkommen; wenn dort wohl auch nicht ohne eine gewisse Modifikation. Offenbar nämlich in der äußersten kosmischen Umlaufszone, ganz in der Nähe der kosmischen Peripherie und der reinen, nichtatomistischen Kraftreflexzone, welche diese ihrer ganzen Natur nach darstellt. Die ungeheuere Einwirkung derselben wird der äußersten kosmischen Substanz eine Beschaffenheit verleihen, die der des zentralen Urelementes zum mindesten ähnlich sein wird; so daß nun allerdings nicht mit jeder Sicherheit zu behaupten wäre, daß diese peripherische Substanz wirklich mit dem zentralen Urelement durchaus identisch ist.
Im übrigen wird sich das zentrale Urelement seiner Beschaffenheit nach in der Nähe des ersten Ringes noch kaum von der unsubstanziellen Atomenformation unterscheiden; je mehr aber nach seiner äußersten Grenze hin wird es eine Beschaffenheit annehmen, die wir ganz entfernt etwa mit der eines leuchtenden Edelgases vergleichen könnten; obgleich ein solches sicherlich seinerseits schon viel zu kompliziert ist, als daß das Urelement bereits als ein solches durchaus angesprochen werden könnte. Wir besitzen eben keine Möglichkeit, das Urelement als solches jemals aufzufinden oder irgend ein äußerstes, ihm nächstes der uns bekannten und zugänglichen Elemente auf das Urelement zu reduzieren. Weder irgend ein dem Chemiker zu Gebote stehender Grad von Kälte noch von Hitze vermöchte jemals diese Reduktion zu bewerkstelligen. Wenn wir etwa den sogenannten »Weltäther« zum Vergleich heranziehen wollten, so würde uns auch nicht geholfen sein. Denn auch ihn vermag ja der Chemiker nicht darzustellen oder zu untersuchen. Um so weniger übrigens, als er, wie wir später noch erkennen werden, überhaupt ganz unmöglich existieren kann!
Wir besitzen also keinerlei Möglichkeit, uns vom Urelement seiner Beschaffenheit nach eine direkte Vorstellung zu machen. Dennoch ist seine Existenz und ihre Lokalisation eine gänzlich unausweichliche und sichere. – Da die Zwischenräume zwischen den Atomen in dem Urelementring noch so sehr geringe sind, ist es übrigens vollständig ausgeschlossen, daß in ihm bereits elektrische, gar explosive Kräfte vorhanden und tätig sein könnten. Dazu ist der Urelementring noch viel zu ungeheuer intensiv. Er kreist lediglich in engster Gemeinschaft[47] mit dem ersten Ring um das rotierende Zentralatom.
Im dritten Ring, in der dritten Schichtung des Zentralkörpers ist die Intensität der horizontalen Kraftausweitung wieder um etwas geringer; überdies aber ist diese Schichtung noch weit umfangreicher als die des Urelementes. Infolgedessen bleibt auch wieder ein noch größerer Zwischenraum zwischen den Atomen. Infolgedessen können die Atome sich auch noch freier bewegen und bereits unterschiedliche elementare Verbindungen bewerkstelligen.
Doch ist zu bedenken, daß auch hier die Zwischenräume noch nicht besonders große sind! Deshalb bleibt die elementare Ausbildung noch eine eingeschränkte, und vermögen auch noch keine nennenswerten elektrischen, gar explosiven Kräfte sich zu entwickeln, welche die entstandene Substanz erst noch recht zu walken und zu differenzieren vermöchten!
Dem Urelement am nächsten wird die Substanz der dritten Schichtung diesem auch noch am ähnlichsten sein. Alsdann wird sie in Ringe von überaus dichten Edelgasen übergehen und gegen ihre äußerste Grenze hin, wo dann sicherlich auch zum ersten Mal elektrische Kraftäußerungen wenigstens einen gewissen Spielraum gewinnen, wird die elementare Ausbildung am vielseitigsten seien. Hier wird die dritte Schichtung bereits einen sehr intensiven und dichten weißglühenden Zustand haben. Die dritte Schichtung kreist in engster organischer Gemeinschaft mit den beiden ersten Schichtungen um das rotierende Zentralatom.
Die vierte Schichtung hat wieder größere und nun schon recht ansehnliche Zwischenräume zwischen den Atomen, und zudem ist sie bereits außerordentlich umfangreich. (Die Ausdehnung der Schichtungen, Sphären und Zonen steigert sich je weiter vom rotierenden Zentralatom ab mit zunehmender Proportion!)
Jetzt endlich ist die Möglichkeit zur erschöpfendsten Ausgestaltung der Elemente gewonnen! Außerdem erwachen mit ungeheuerster Intensität die elektrischen und magnetischen Kräfte, walken und komplizieren die Substanz mit gewaltigen Explosionen. –
Der sehr dicht weißglühende Zustand des dritten Ringes geht hier zunächst in eine weniger dichte und intensive Weißglut über, die je mehr nach der äußersten Grenze der vierten Schichtung hin um so trüber und weniger dicht wird.
Diese vierte ist die letzte und äußerste Schichtung des nun im rohsten fertiggewordenen Zentralkörpers. Ihre Substanz wurde sicherlich durch die ungeheueren explosiven Vorgänge, die hier statthatten, noch weit in die nächste kosmische Umlaufssphäre hineingetrieben und in die Substanzmassen hinein, welche die Umlaufsintensität dort zur Ausbildung gebracht hatte. Indessen mit der Zeit mußte die gewaltig kontrahierende Rotationsintensität des Zentralkörpers diese Explosionen stillen und die Substanz des Zentralkörpers endgültig von der der nächsten kosmischen Umlaufssphäre scheiden. Sie tat das in immer stärkerem Grade, d. h. die Oberfläche des Zentralkörpers zog sich immer mehr zusammen und wurde immer dichter und schließlich hart. So weit dies die ungeheuere Dichtigkeit der innersten Schichtungen zuließ. (Von unvorstellbarer Dichtigkeit ist aber ganz besonders die erste und die zweite[49] innere Schicht des Zentralkörpers. Auch die dritte Schichtung wird noch überaus widerstandskräftig sein und selbst noch die ihr nächsten Ringe der obersten Schichtung.
So mußte also der Zentralkörper eine harte Oberfläche erhalten. Auf der dann die Elemente mit der Zeit Gelegenheit zu ihrer äußersten und feinsten, will sagen organischen Ausbildung gewannen.
Die nächste kosmische Region – gleich gesagt: sie enthält die Umlaufssphären von Mond und Sonne (Venus und Merkur sind die »Monde« der letzteren) – war nun schon dermaßen umfangreich, daß die Ausbildung der Substanz einen anderen, ungleich weniger intensiven und komprimierten Charakter annehmen mußte, als in den vier Schichtungen des Zentralkörpers!
Nämlich die Zwischenräume, nicht nur zwischen den einzelnen Atomen, sondern besonders auch zwischen den einzelnen, sehr leichten Atommassen, waren hier bereits so überaus große, daß die Atome einer anderen, indirekteren, weniger intensiven und elementreichen substanziellen Ausbildung unterlagen.
Diese erfolgte zunächst dergestalt, daß die Umlaufsintensität – wir fassen vorderhand die Mondsphäre und die Ausbildung des Mondes ins Auge – die Atommassen der Sphäre mehr und mehr zusammenzog und nach einer Stelle der Sphäre hin zu einem zunächst amorphen, lockeren aber zusammenhängenden Nebel zusammendrängte. Das ist ein Prozeß, der in allen kosmischen Sphären und Zonen im wesentlichen der gleiche ist! Je mehr nun aber diese Zusammendrängung vor sich schritt, um so mehr suchten ihr die Atome, die an[50] und für sich die Tendenz haben, ihren jetzt so überaus großen Spielraum zu freiester individueller Bewegung auszunützen, eine Repulsion entgegen! Da indessen die kontraktive Umlaufsintensität der Sphäre – die in diesem Falle überdies noch eine ganz besonders kräftige ist! – die Oberhand hat und behält, so wird der Nebel immer dichter zusammengedrängt; der jetzt vorhandene Wechselrhythmus einer Kontraktion von außen und einer Repulsion von innen aber muß zu einer immer stärkeren Verdickung und Zusammenpressung der Substanz in der Mitte des Nebels führen. Dadurch gewinnt die Repulsion aber erst ihre ganze Kraft und Stetigkeit, und so geschieht es, daß der Nebel die regelmäßige Gestaltung einer Linse annimmt! –
Doch die zentrale Verdickung – es kann übrigens nicht anders sein, als daß angesichts des Kontraktions- und Repulsionsrhythmus ihre Gestalt eine zunächst sehr ausgeprägt elliptische ist! – nimmt immer mehr zu, rundet sich immer mehr und gewinnt an Kraft und Dichte. So kommt es, daß jetzt innerhalb ihres Umfanges analoge elementare Differenzierungen möglich werden, wie im Umfang des Zentralkörpers; wenn auch bedeutend weniger komplizierte und feine, da ja doch der ganze Ausbildungsprozeß hier ein so bedeutend anderer ist, und da im Zentralkörper auch keinerlei Repulsion der Atome stören kann!
Weiter aber muß, je mehr die mittlere Verdickung Kugelform annimmt, infolge auch des immer kräftiger werdenden kontraktiv-repulsiven Rhythmus, die Linsenform des Nebels in eine Spindelform übergehen! Die beiden langen, schmalen Spindelenden werden dann aber von der Umlaufsintensität der Sphäre wieder spiralig um[51] den Mittelkörper herumgelegt. (So, daß die Bildung des Nebels äußerlich, da sicherlich die einzelnen Windungen der Spirale durch feine Substanzübergänge miteinander verbunden sein werden, wieder die Form einer Linse zu haben scheint). Da nun in dem Falle, den wir hier im Auge haben, die Umlaufsintensität noch eine sehr kräftige ist, so geschieht es, daß die Spiralwindungen der Spindelenden noch ganz sich mit dem Mittelkörper vereinen und von ihm absorbiert werden. So ist der Mond zustandegekommen. Die weiterwirkende Intensität seiner Umlaufssphäre vermochte ihn, den einstmals sehr intensiv feurigen – unbedingt muß er noch feuriger gewesen sein, als es heute noch die Sonne ist! – noch sehr scharf zu härten, obgleich die Mondoberfläche sicherlich nicht so hart sein kann, wie die der Erde, des kosmischen Zentralkörpers!
Die Entstehung der Körper und Systeme ist in allem kosmischen Bereich notwendigerweise im wesentlichen die gleiche wie die, die wir soeben beschrieben und festgestellt haben; indessen ereignen sich, je mehr nach der kosmischen Peripherie hin, begreiflicherweise um so mehr Modifikationen! Das erweist sich bereits an der Sonne und ihrer Entstehung.
Die Intensität der Sonnensphäre ist wieder eine schwächere als die der Mondsphäre; außerdem ist sie räumlich weit ausgedehnter. Also wurde eine ganz besonders große Menge von Atomenmassen zusammengetrieben. Die Ausbildung des Nebels erfolgte genau wie die des Mondnebels. Doch bereits mit dem Unterschiede, daß der kontraktiv-repulsive Rhythmus nicht alle Substanz[52] zu einem Körper zusammenzuziehen vermochte! Sondern es konnten sich in den Spiralwindungen der Spindel zwei Nebenzentren – Venus und Merkur – selbständig ausbilden. Und nicht genug damit, vermochte die Sonne – die übrigens auch ihrerseits noch nicht völlig kontrahiert ist! – den übrigen Rest des Nebels nicht ganz sich anzugliedern. Er besteht noch heute in der Gestalt des Zodiakallichtes mit seinem Gegenscheinring. Die Struktur des Zodiakallichtes läßt noch hinreichend deutlich die Spiralen der beiden Spindelenden erkennen. Die sogenannte »Korona« aber ist der Teil des Nebels, mit dem er in den eigentlichen Sonnenkörper übergeht. Was sich kennzeichnet durch die der Korona dem Zodiakallicht gegenüber eignende größere Dichtigkeit und intensivere Leuchtkraft!
Je mehr nun nach der kosmischen Peripherie hin, um so mehr müssen begreiflicherweise die Mittelkörper an Kraft verlieren, sich alle ihre Substanz – die übrigens immer leichter und kühler wird! – einzugliedern. Es nimmt also die Ausbildung der Nebenzentren immer mehr überhand. So hat z. B. Jupiter bereits 8 Trabanten, Saturn, vom Ring abgesehen, gar zehn. Außerdem konnten sich selbständig die so außerordentlich zahlreichen Planetoiden bilden, die je weiter gegen Neptun hinauf immer zahlreicher werden!
Aber wir können hier auf das alles leider nicht weiter eingehen, weil der sonstige Inhalt dieser Arbeit das verbietet.
Vergegenwärtigen wir uns übrigens, was wir gewonnen haben!
Offenbar, da nach Maßgabe der Entwicklungstatsache und der einer einheitlichen zentralen Kraft und Polarität unsere Deduktion der kosmischen Entwicklung vom Urzustand ∞ aus in einer unantastbar streng geschlossenen Logik steht, endlich eine endgültig exakte kosmogonische Anschauung!
Und zwar eine, die schlechterdings keinen einzigen ihrer Bestandteile mehr unerklärt läßt!
Wir verstehen jetzt vollständig den kosmischen Zentralkörper; und außerdem verstehen wir das Zustandekommen der Untersysteme bis ins geringste hinein! Es bleibt hier auch keine fingerbreite Lücke mehr! Wir haben das Zustandekommen der Mittelkörper sowohl wie der Trabanten vollständig verstanden und restlos erklärt! Auch der Umlauf der Trabanten ist restlos erklärt! Wir verstehen sofort, daß er in der Mechanik der Bewegung erfolgt, mit welcher die kontraktive Wirkung der jeweiligen sphärischen Umlaufsintensität die Spindelenden um den Mittelkörper herum legte; und wir verstehen, daß der Umlauf in Gang gehalten wird durch die weitere Andauer der sphärischen Umlaufsintensität; während die vom Mittelkörper her erfolgende Repulsion die Trabanten in Distanze, d. h. die sphärische Kontraktion in Schach hält. (Übrigens setzen auch die Trabanten begreiflicherweise der sphärischen Kontraktion eine Repulsion entgegen!)
Aber noch eins verdient hier Erwähnung! Daß nämlich erstlich das Newtonsche Gravitationsgesetz auf die kosmischen Körper, mit einziger Ausnahme des Zentralkörpers, keine Anwendung mehr finden kann! Es eignet den Körpern ja lediglich eine Repulsionskraft, da ihre Atome durchaus die Tendenz behalten,[54] frei zu schweifen. Man könnte höchstens von einer von außen, von der sphärischen Umlaufsintensität her erfolgenden Gravitation sprechen. – Dagegen besitzt der Zentralkörper, die Erde, allerdings eine Gravitation. Wenn aber die Erscheinung der Gravitation bisher bekanntermaßen wohl beschrieben, aber noch niemals erklärt werden konnte, so sind wir sofort in der Lage jetzt diese Erklärung zu leisten. Nämlich von der Rotation des Zentralkörpers und ihrer gewaltigen kontraktiven Intensität aus!
Zweitens aber kann kein einziger kosmischer Körper außer dem Zentralkörper, der Erde, eine Achsenrotation haben. Wir verstehen: der beständige Wechsel von Repulsion und Kontraktion kann eine solche nicht aufkommen lassen. Es ist denn auch kennzeichnend, daß die Körper mit mehr oder weniger fester Oberfläche, außer der Erde, deren Ausnahme wir verstanden und erklärt haben, daß Mond, Venus und Merkur bekanntlich eine Achsenrotation nicht nachgesagt werden konnte, während alle Körper mit beweglicher Oberfläche eine haben sollen oder zu haben scheinen. Zwar scheint auch Mars eine zu haben. Aber man weiß heute, daß auch Mars eine bewegliche Oberfläche hat; wenn sie auch bereits einen milder feurig geronnenen und in diesem Sinn leicht konsistenten Zustand besitzt. Die große und beständige Veränderlichkeit der sogenannten »Kanäle« weist deutlich genug darauf hin! Da wir sie im wesentlichen als Brüche zwischen den einzelnen Flecken anzusehen haben werden, an den Flecken als solchen aber so gut wie keine besonders starke Deformierung wahrzunehmen ist, so ist dennoch an ihren Bruchstellen, den so sehr wechselnden und sich verschiebenden, zu erkennen, daß die Marsflecke tatsächlich[55] veränderlich, beweglich und stark verschiebbar sind. Also bedeuten auch die etwas über 24 Stunden, in denen die Marsoberfläche umläuft, keine Achsenrotation, sondern ebensogut, wie bei Jupiter, Saturn usw. nur einen regelmäßigen Umlauf der Oberfläche; der hier so viel langsamer ist, als bei den andern »oberen Planeten« aus dem Grunde, weil die Marsoberfläche, die dichtere, einem gewissen Andruck, den die Körper von Ost, ihrer Umlaufsrichtung her empfangen, einen besseren Widerstand entgegensetzt, als die Oberflächen der andern, viel undichteren Körper! – Es ist übrigens mit wirklicher Sicherheit bis jetzt noch an keinem einzigen kosmischen Körper außer der Erde eine Achsenrotation nachgewiesen worden!
Auf alle weiteren kosmischen Angelegenheiten kann ich mich hier, wie schon gesagt, nicht einlassen. Nur soviel sei noch hervorgehoben, daß je weiter nach der kosmischen Peripherie hin die Körper immer leichter werden; daß also die Existenz von harten oder festen Körpern in jenen Umlaufsregionen vollständig ausgeschlossen sein muß! Nur die dem Zentralkörper nächsten sind, aus Gründen, die wir bereits verstanden haben, mehr oder weniger fest und hart. Mond, der also nicht im bisherigen Sinne ein Trabant der Erde ist, nächst der Erde am härtesten, weniger fest als er Venus, weniger fest als Venus Merkur, die Sonne in ihrem Innern zähglühend, Mars wieder weniger dicht als die Sonne und ungleich minder feurig usw. Daß die Sonne größer als der Mond ist – indessen auch nicht im entferntesten so groß, als die kopernikanische Astronomie dies annimmt! – liegt daran, daß sie noch lange nicht hinreichend genug kontrahiert ist. Ausgeschlossen ist ferner die Möglichkeit irgend welcher Parallaxensrechnung! Und ferner sind[56] die periodischen planetarischen Rückläufigkeiten, wie sich von selbst verstehen muß, nicht scheinbar, wie die kopernikanische Astronomie annimmt, sondern tatsächlich sich vollziehende! Sie werden verursacht durch Rucke der in direkte Einwirkung tretenden Rotationskraft des Zentralkörpers, der Erde; nämlich dann, wenn die Sonne ihren Oppositionsbogen zu dem betreffenden Planeten beschreibt! Sobald sie in ihren Konjunktionsbogen eintritt, irritiert sie die Einwirkung der zentralen, kontrahierenden Rotation, treibt den Planeten und seine Sphäre wieder von der Erde ab und bringt ihn wieder in rechtläufige Bewegung. (Die tatsächliche Rückläufigkeit der Planeten muß übrigens, was eigentlich kaum besonders betont zu werden braucht, eine Achsenrotation derselben auch ihrerseits vollständig ausschließen und unmöglich machen!)
Alle diese astronomisch-kosmogonischen Ausführungen müssen nun, um zu unserem hauptsächlichsten Zusammenhang zurückzukehren, durchaus die bedenkliche Krise, in welche die exakte Wissenschaft heute geraten ist dadurch, daß sie an den beiden Tatsachen der Entwicklung und der Einheit der Kraft wieder irre werden konnte, vollständig lösen! Und das bedeutet, daß nicht nur die Astronomie, sondern auch alle übrigen wissenschaftlichen Disziplinen sich endlich wirklich exakt und endgültig ausbauen können! Biologie, Physiologie, Chemie, Geologie, Geographie und wie sie sonst heißen mögen.
Zugleich aber ist die Wissenschaft jetzt, wo sie aus der Schwebe der Hypothese heraus ist, endlich auch wirklich imstande, ihrerseits zur endgültigen Lösung der noch ungleich bedenklicheren gegenwärtigen religiösen[57] Krise beizutragen! Und zwar damit, daß sie die Grundprämisse und Grundtatsache aller Religion jetzt erst, nicht etwa auch nur im geringsten aufhebt, sondern mit allersichersten und exaktesten Ausmachungen erst recht stützt und bestätigt und sie zugleich zu ihrer höchsten formalen Vollendung bringt! Fassen wir den Umfang dieser Bestätigung, was sicher von größter Wichtigkeit ist, jetzt etwas näher ins Auge.
Vergleichen wir zunächst die religiöse Anschauung des Menschen der Urzeit und der Antike mit den Ausmachungen, die wir in kosmischen Dingen gewonnen haben.
Der Mensch der Urzeit und der Antike wußte eine rund in sich abgeschlossene Welt. Nun, wir sind genötigt, diese Auffassung vollständig zu bestätigen! Nur daß unsere Anschauung sich im einzelnen nicht mehr so naiv äußert, wie die des Urmenschen und des antiken Menschen, und daß wir die Ausdehnung und Gliederung des Kosmos exakt erkennen und sie ihrem Entstehen und Vergehen nach aus ihrem Urzustand heraus festzustellen in der Lage sind.
Die Erde befand sich für den Menschen der Vorzeit und der Antike in der Mitte der Welt. Auch wir erkannten in ihr den kosmischen Zentralkörper. Wenn auch mit dem Unterschied, daß sie dem Menschen der Vorzeit stillstand, während wir wissen, daß sie rotiert; daß wir außerdem eine exakte Vorstellung von ihrem Inneren haben, von ihrer Kugelgestalt ferner und von der Beschaffenheit ihrer Oberfläche.
Es fragt sich also nur noch, ob sich auch die Haupt-[58] und Grundtatsache der Religion bestätigt; das Urpaar und seine Elite, oder das oberste Gottpaar und seine Neben- und Untergötter; bezw. die Identität der Götter mit Urpaar und seiner Elite, oder beider mit der absoluten Weltindividualität; oder vielmehr mit dem zweiseitigen absoluten Weltindividuum, denn um ein solches und nur um ein solches kann es sich in Wirklichkeit handeln, während die Begriffe »Gottheit« oder »absolute Individualität« viel zu unbestimmte, flache und also in jedem wesentlichen Betracht unrichtige sind! Es handelt sich durchaus um einen persönlichen Gott, um ein absolutes Gottindividuum! – Wir sahen, daß diese Tatsache und Prämisse der Religion, unter welchen Ausgestaltungen auch immer, sich von der Urzeit bis auf die neuste und vorgeschrittenste Religionsform, die christliche, in Bestand erhalten hat.
Wie aber stellt sich also die exakte Wissenschaft zu dieser religiösen Grundtatsache, oder vielmehr: wie einzig hat sie sich mit jeder Notwendigkeit zu ihr zu stellen?
Gleich gesagt: sie vermag nichts anderes, als sie in jedem wesentlichen Betracht zu bekräftigen und bringt sie lediglich zu ihrer letzten und vollkommensten, endgültigsten Ausgestaltung!
Denn so viel hat sich bereits aus all unserem bisherigen Zusammenhange ergeben, daß eins hier das andere mit jeder Notwendigkeit einschließt: nämlich die Tatsache eines elliptisch endlich in sich geschlossenen Kosmos und kosmischen Systems, ferner seiner einheitlichen Entwicklung aus einem einpolaren Ur- und Grundzustand ∞ hervor und der absoluten Einheit seiner Kraft[59] und Polarität die andere, daß das bewußtheitliche Leben dieses elliptischen Wesens ein einheitliches, absolutes und ihm unteilbar unveräußerliches ist, und daß also der Träger dieser Bewußtheitlichkeit, daß das höhere organische Leben und daß der Mensch mit dem elliptischen Weltwesen vollständig identisch ist!
Doch bedarf es noch einer besonderen Erörterung, damit wir zur endgültigen Bestätigung der religiösen Grundtatsache gelangen.
Und zwar bleibt noch die Tatsache des Bewußtseins des näheren zu erörtern.
Für die bisherige mechanistische Wissenschaft war die Erscheinung des Bewußtseins eine bestimmte höhere und höchste, vorgeschrittenste Phase und Komplikation in der Entwicklung der physiologisch-organischen Chemie. Und zwar ist das Bewußtsein hierbei in Betracht gezogen als eine Eigenschaft von Einzelwesen, die mit der physischen Entwicklung derselben zu einer höchsten Ausbildung gelangt, um mit dem Tode des Individuums alsdann als persönliches Bewußtsein ein für allemal zu erlöschen.
Der Fehler dieser Auffassung muß sofort auf der flachen Hand liegen! Er besteht aber darin, daß das Bewußtsein hier offenbar nicht als ein Continuum erkannt ist, das, da es niemals in seiner Gesamtheit anders erlöschen kann als in den einpolar neutralen Zustand ∞ hinein, hier aber dem Pol mit allen seinen sonstigen Auswirkungen immanent bleibt, mit dem Pol und dem einheitlichen absoluten Individuum ewig und absolut ist und daher auch in schlechterdings keinem Einzelfalle für[60] immer verloren gehen und vernichtet werden kann, was aber die ewige Dauer auch eines jeden, schlechterdings jeden bewußtheitlichen Einzelwesens durchaus einschließt!
Im übrigen besagt also der Umstand, daß die exakte Wissenschaft das Bewußtsein bis daher noch nicht hinreichend als vollständig einheitliche Eigenschaft eines einheitlichen absoluten Individuums erfaßt und erkannt hat, was sie doch schon längst hätte tun müssen, zugleich auch, daß die Wissenschaft das organische Leben und die Stufenfolge seiner Entwicklungsphasen noch nicht hinreichend als eine einheitliche Ganzheit erfaßt und erkannt hat; was wiederum, da sie doch die Entwicklungstatsache und die Tatsache einer einheitlichen und ewigen Kraft ausgemacht hat, eine kaum begreifliche Kurzsichtigkeit bedeutet!
Das Problem des organischen Lebens und des Bewußtseins kann uns jetzt aber nicht einen Augenblick mehr entgehen, da wir die elliptisch in sich abgeschlossene Endlichkeit des Kosmos, ein einheitliches allgemeines kosmisches System und eine ewige, einheitliche, absolute, zentrale Kraft und Polarität endgültig erkannt haben! – Dieser Kosmos, dieses System aber ist nichts anderes als ein einheitliches, absolutes, lebendiges und bewußtheitliches Individuum und Lebewesen, das sein Bewußtsein zwar in einen einpolaren neutralen Urzustand einzieht, sich seiner aber niemals entäußert. Das Bewußtsein ist also ein im absoluten Sinne ursprungsloses und unvergängliches, identisches, das, als solches exakt und endgültig erkannt und festgestellt, keiner weiteren Erklärung mehr bedarf, dafür aber nach allen Richtungen hin selbst absolute erklärende[61] Kraft besitzt; wie auch das absolute Individuum, dem es eignet, seinerseits keine weitere Erklärung mehr bedarf, dafür aber absolut erklärende Kraft besitzt! – (Wir dürfen das absolute Individuum nach wie vor den alles umfassenden und in sich beschließenden zweiseitigen Ein-Gott nennen, der als eine vorgeschrittenste Errungenschaft der religiösen Entwicklung bereits in den Mysterien der antiken Nationalreligionen gelehrt und verehrt wurde! Und zwar ist außerdem nichts selbstverständlicher und exakter ausgemacht als die absolut geistige, d. h. alle Phänomenalität in sich beschließende Eigenschaft Gottes und des absoluten Individuums, die auch ihrerseits schon von den antiken Mysterien erkannt und gelehrt wurde! Er hat sich als solcher durch eine ihren wichtigsten und exaktesten Ausmachungen gegenüber konsequente Wissenschaft lediglich mit endgültiger und absoluter Sicherheit bestätigt!)
Aber muß das absolute Individuum, muß Gott, da es, da er absolut einheitliche Persönlichkeit ist, nicht ganz unerläßlicher Weise auch als sich selbst Phänomenalität gewordenes organisches bewußtheitliches Wesen eine einheitliche Persönlichkeit und Person (Individuum immer, auch organisch, zweiseitig, also als Mann und Weib genommen!) sein? – Fürwahr! Was denn sonst könnte die notwendige absolute Einheit des Bewußtseins besagen? Wieder wäre ja sonst Bewußtsein nichts als die völlig isolierte Eigenschaft von Einzelwesen, die mit deren Geburt wird und mit ihrem Tode beständig für immer vergeht, wie die mechanistische Wissenschaft annahm, und die also nur deshalb immer und ewig vorhanden ist,[62] weil auch ewig wieder organische Einzelwesen vorhanden sind!
Da aber Bewußtsein eine absolut einheitliche Eigenschaft des absoluten Individuums ist, so kann diese Einheitlichkeit schlechterdings keinen anderen Sinn haben, als daß Bewußtsein auch die Eigenschaft eines einzigen organischen Paar-Individuums ist!
Nichts wird sich der mechanistischen Wissenschaft von heute paradoxer ausnehmen, als diese Tatsache! Aber nichtsdestoweniger bleibt sie eine vollständig exakte und endgültige Tatsache!
Da nun aber, wie wir alle wissen, unabzählbar viele bewußtheitliche Paar-Individuen leben, gelebt haben und leben werden, so kann diese Tatsache offenbar nicht einen Augenblick mehr anders verstanden werden, als daß alles Sonderbewußtsein all dieser Individuen sich zentral eint und verknüpft in der Bewußtheitlichkeit eines einzigen Paar-Individuums, und daß aller Bewußtseinsbestand – wie natürlich auch aller organische! – sich einheitlich und kontinuierlich ausgliedert und abstuft von diesem Paar-Individuum aus bis in das Unterbewußtsein der niedrigsten organischen Wesen und des anorganischen Bestandes hinein! Ein anderes ist offenbar ganz unmöglich und undenkbar!
Haben wir jetzt aber die endgültige Bestätigung der religiösen Prämisse und Grundtatsache? Haben wir die Bestätigung des Urahnpaares und seiner Elite und beider Göttlichkeit gewonnen? Das haben wir indertat!
Dennoch werden wir uns aber noch damit abzufinden haben, daß zwar die Tradition eines Urahnpaares und seiner Elite, in welcher Form auch immer bis heutigen[63] Tages festgehalten wurde, zugleich aber doch entschieden sehr viele solche göttlichen Paar-Individuen und solche Eliten vorhanden gewesen sind. Daß sie als solche wirklich da waren und daß sie in ihrer göttlichen Ausnahmenatur erkannt wurden, lehrt uns ja die Religionsgeschichte, und es kann also ein Zweifel an dieser Tatsache keinen Augenblick statthaft sein. Trotzdem aber: es muß ja doch alle, schlechterdings alle Bewußtheitlichkeit in ein und demselben Paar-Individuum und ein und derselben Elite verkörpert sein und sich zentral verknüpfen; wenn anders die Tatsache des einheitlichen absoluten Individuums und seiner einheitlichen absoluten Bewußtheitlichkeit zu recht bestehen soll.
Wie also ist dieser Widerspruch zu lösen?
Soviel zwar steht fest, daß man schlechterdings alle Bewußtheitlichkeit der Gattung Mensch in einem Urahnpaar und seiner Elite gar wohl sich verknüpfen und von ihm aus bis daher sich als Bewußtheitlichkeit menschlicher Gattung entwickeln und ausweiten lassen kann. Indessen wäre dabei sofort einerseits einzuwenden, daß sie sich offenbar nur für Lebzeiten des Urahnpaares und der Elite in diesen menschlich sonderpersönlich vereinte. Hernach aber sterben ja Urahnpaar und Elite. Somit war in einem und diesem Paar und dieser Elite vereinte menschliche Gesamtbewußtheitlichkeit nicht mehr solchermaßen vorhanden, sondern organisch-physisch nur in allem von da ab sich entwickelnden menschlichen Gattungsbestand indirekt und abgeleitet und direkt nur in Gestalt einer festgehaltenen geistigen Tradition und Erinnerung. Muß sie indessen nicht immer und jederzeit auch in aller Folgezeit von da an sich entwickelnder menschlicher Gattung in einem gegenwärtigen Paar und einer ihm angegliederten[64] Elite vorhanden oder wenigstens direkt persönlich immer von neuem, wohl in den großen Hauptübergangsperioden menschlicher Entwicklung, vorhanden sein, während sie in der übrigen Zeit in Gestalt einer geistigen Tradition und Erinnerung und überdies in Gestalt einer persönlichen Repräsentanz vorhanden sein könnte? Müßte alsdann aber nicht auch dieses jeweilige Paar-Individuum und seine Elite, d. h. in den Hauptübergangsperioden, vollständig persönlich mit dem einstmals vorhanden gewesenen Urahnpaar und seiner Elite identisch sein, also direkt deren persönliche Wiedergeburt sein?
Aber ehe wir dieser Frage näher treten und sie erledigen können, ist erst noch ein anderer Einwand in Rücksicht zu ziehen. Nämlich man könnte andrerseits sagen: ist es denn wirklich möglich, anzunehmen, daß sich menschliche Gattung von einem einzigen menschlichen Urahnenpaar und seiner Elite aus entwickelt hat, also direkt von ihnen organischphysisch erzeugt wurde?
Zeigt die exakte Empirie der biologischen Entwicklungstheorie nicht vielmehr, daß es sich angesichts des Entstehens menschlicher Gattung um einen langen und allmählichen Übergang handelt? Dergestalt also, daß aus vorgeschrittensten Affenarten erst allmählich von diesen ihrem Ursprung sich noch kaum besonders unterscheidende Wesen abgeartet sind, deren Abartung alsdann allmählich dergestalt weiterging, daß endlich ein ganz entschieden wesentlich neues Gattungsmerkmal erreicht wurde?
Ganz gewiß: so und nicht anders verhält es sich! Aber wir dürfen eins nicht vergessen: Daß nämlich die erste Abartung immerhin im Bereich der alten Art numerisch eine Minderzahl bedeutete; ferner aber, daß sie sich zu irgend einem Zeitpunkt direkt als solche ganz besonders[65] auffallend markieren und zum deutlichsten Bewußtsein sowohl der alten wie der neuen Artgenossen gelangen mußte. Ferner: daß das Gebiet, wo dieses markante Merkmal sich zuerst zeigte, ein Gebiet einer lebhaften physischen Krisis sein mußte, die wiederum nur eine kleine Elite in ganz besonders entscheidender und neuartbestimmender Weise durchmachte! Was aber ist alsdann selbstverständlicher, als daß ein individuelles Paar wieder im Bereich dieser kleinen Elite das neue physiologische Artmerkmal in allerdeutlichster und bedeutsamster Weise erlitt? Wie anders jedenfalls wäre wohl sonst die allgemeine und mit solcher Unausrottbarkeit bis heute festgehaltene religiöse Tradition vom Urahnenpaar und seiner Elite zu erklären? Denn wir dürfen doch ganz unmöglich dem Urmenschen eine geistig »mythenbildende« Fähigkeit zutrauen, wie sie in der späteren Antike auftauchte, wo man allerdings, wenn auch nur in Decadencezeiten, allgemeine kulturelle Neuströmungen in eine Kollektivperson dichterisch zusammentrug. Vielmehr muß ein anderes ausgeschlossen sein, als daß die Urmenschen die Erinnerung eines tatsächlich vorhanden gewesenen Urahnpaares und seiner Elite bewahrten, verehrten und weitertrugen.
Es ist nun ferner nichts sicherer, als daß tatsächlich dieses Urahnenpaar, entweder ganz allein oder mit einem kleinen Anhang, aus einem bisherigen sozialen Bestand ausgeschieden und verbannt, in einer neuen Umgebung und unter neuen Lebensverhältnissen aus sich heraus organisch-physisch ein Geschlecht zeugte, das wir, da es die neuen in wesentlichem Betracht ausschlaggebend markant gewordenen Gattungseigenschaften in reinster und fruchtbarster Weise zeigte, als den eigentlichsten Anfang menschlicher Gattung anzusprechen haben.
Und so bliebe denn die religiöse Bedeutung des Urahnpaares und seiner Elite, wie wir sie oben gekennzeichnet haben, tatsächlich zu recht bestehen. Ein einziges Urpaar und eine kleine, ihm innig organisch angegliederte Elite haben die gesamte menschliche Gattung aus sich hervor erzeugt und sich organisch zu ihr ausgeweitet!
Genau auf die gleiche Weise werden wir uns natürlich die Auslösungen auch der übrigen vorhergehenden organisch-tierischen Hauptgattungen und aller Hauptstufen der organischen Entwicklung vorzustellen haben. Und nichts weniger also ist das jedesmalige Vorhandensein dieses die eigentliche Konstituierung der neuen Gattung vollziehenden Paarindividuums und seiner Elite als ein Zufall oder eine bloße Erdichtung! Vielmehr, da die organische Entwicklung sich in Stufen und Gattungen gliedert, die sich jedesmal erst von einem Zeitpunkt an mit aller Entschiedenheit eine aus der anderen hervor entfalten, und da die organische Entwicklung als Entfaltungsprozeß des absoluten Individuums in völliger, und zwar einer absolut persönlichen Einheit steht, ist jenes Paarindividuum und seine Elite, die wir das motorische Individuum und die motorische Elite nennen wollen, eine in aller Entfaltung des absoluten Individuums mit dem Zeitpunkt seines Auftretens immanent fest bestimmte und enthaltene, urnotwendige Erscheinung und Tatsache!
Sie setzt sich ganz selbstverständlicherweise alsdann weiter fort zurück in die anorganische Welt hinein. Es kann sich schlechterdings nicht anders verhalten, als daß in Gestalt von chemisch-elementaren Wesenheiten dasselbe motorische Individuum und seine Elite auch die Hauptstadien[67] der anorganisch-chemischen Entwicklung vom Urelement an auslösten; und daß das Urelement die allererste substanzielle Form des motorischen Individuums und seiner Elite war. Die allererste reine Kraft- und unsubstanzielle Atomenform aber war es in Gestalt des rotierenden zentralen Uratoms und der diesem sich anschließenden unsubstanziellen Atomenformation.
Aber es bleibt jetzt noch nachzuweisen, daß motorisches Paarindividuum und seine Elite, die die einzelnen Hauptstufen der Entfaltung des absoluten Individuums auslösen – die Neben- und Unterstufen werden nach gleichem Prinzip von stellvertretenden Paarindividuen und Eliten ausgelöst und weiter ausgebaut. Wie denn allenthalben in jeglichem sozietären Betracht alles nach Maßgabe dieses gleichen heiligen Prinzips organisiert ist, und eine Repräsentanz des motorischen Individuums bis in die politischen und in andere sozietäre Unterformen und Verbände hinein eine wichtige Rolle spielt in der Entwicklung und Ausgliederung aller Kultur – in welcher organischen oder anorganischen Gestalt auch stets das persönlich gleiche, also vom zentralen Uratom ab immer wieder hervorgebrachte, neuerzeugte, als ein und dasselbe wiedergeborene ist aus allem Zusammenhang und aller Ausweitung seiner von ihm bewirkten Entfaltung heraus.
So unmöglich eine solche Ausmachung auch der mechanistischen Wissenschaft sein muß, ja so phantastisch und ungeheuerlich sie ihr erscheinen wird, so ist sie dennoch vollständig exakt, endgültig und nachgerade sogar unschwer zu leisten!
Ich habe von alledem in meinem Buche »Das absolute Individuum und die Vollendung der Religion« (Oesterheld & Co., Berlin W.) sehr ausführlich gehandelt und dort auch das wichtigste biogenetische Gesetz formuliert, nach welchem alle Entfaltung durch ein und das gleiche motorische Individuum und seine Elite bewirkt wird. Ich darf mich hier also kurz fassen.
Unsere Ausmachung hat zunächst eine Tatsache in Rücksicht zu ziehen, die sich wieder geradezu auf der flachen Hand darbietet.
Nämlich die, daß die Erscheinung des Bewußtseins auf der Erde räumlich und auch sonst in jeder Hinsicht einen überraschend eingeschränkten organischen Bestand besitzt!
Im übrigen verhält es sich so, daß kein einziger kosmischer Körper, mit einziger Ausnahme des am edelsten entwickelten, des Zentralkörpers, der Erde, bewußtheitliches Leben trägt. Die übrigen Körper, soweit sie nächst der Erde die festesten des absoluten kosmischen Systems sind, entbehren der elementarischen Vielseitigkeit und edlen Kompliziertheit, welche dem bewußtheitlichen und organischen Leben vonnöten ist. Die übrigen Körper aber schließen organisches und bewußtheitliches Leben durch ihre gegen die kosmische Peripherie hin immer leichtere Beschaffenheit aus, anderer sehr wichtiger Gründe hier nicht zu gedenken.
Was den anorganischen Bestand anbelangt, so nimmt er als Grundlage des organischen Lebens den weitaus größten Raum ein.
Alsdann schließt sich, man darf sagen: gleichfalls noch als Grundlage des höheren organischen Lebens, der sehr mannigfaltige Formenbestand des niederen und unterbewußtheitlichen an, wozu wir auch die pflanzlich-vegetabilische Welt zu rechnen haben. Dann folgt, als ein all diesem anorganischen und organisch niederen und unterbewußten gegenüber bereits sehr eingeschränkter Kontigent, der des niederen bewußtheitlichen Lebens. In all diesem Bereich nun aber: welch eine überraschend kleine Elite des entschiedener und höher bewußtheitlichen Lebens! Und schließlich, welch kleinster Bestand die höchstbewußtheitliche Gattung Mensch!
Dabei tritt nun aber gerade, je höher die bewußtheitliche Stufe, ein außerordentlich wichtiger Umstand in Erscheinung. Nämlich eine immer mehr sich steigernde freie Bewegung und Beweglichkeit der bewußtheitlichen Kontingente. Und zugleich eine Tendenz zu überaus vielseitiger artlicher Differenzierung und Ausbreitung.
Diese Erscheinung nun aber hat sich abzufinden mit jenem ein für allemal in den engen Grenzen seines Umfanges gehaltenen Bezirk des höher- und höchstbewußtheitlichen Lebens.
Das kann aber nur auf eine ganz bestimmte Weise geschehen und geschieht, wie die Biologie ja schon längst nachgewiesen hat, freilich ohne sich der ungeheuer wichtigen Tragweite dieser Ausmachung bis jetzt auch nur im entferntesten bewußt zu werden! –, indertat so: nämlich vermöge einer Abtragung oder Resorbtion der überwundenen Gattungen und Arten, welche sich durchaus nach Maßgabe der jeweiligen Vitalität und Beweglichkeit[70] und der Weiterentwicklung der vorgeschrittensten und höchsten Gattung vollzog und vollzieht und je nachdem, wie diese die überholten Gattungen und Arten noch als ihre Ausgliederung für ihren vorschreitenden Lebensprozeß vonnöten hat.
Diese Abtragung und Resorbtion ist eine dem organischen Leben ganz besonders eigene Funktion und Erscheinung.
In der anorganischen Welt besteht sie nicht. Denn hier wurden alle Hauptstadien der Entwicklung ein für allemal statisch festgehalten. Es blieben alle ausgewirkten Elemente bestehen. Sie verbinden sich zwar in der mannigfachsten Weise, resorbieren sich aber nicht. Auch alle sonstigen anorganischen Bildungen blieben statisch bewahrt, wie sie sich gegenseitig auch immer beeinflussen, verschieben oder umwandeln mögen.
Das wird aber sofort anders, sobald das organische Leben erreicht ist! Hier werden die früheren Arten von den späteren resorbiert; sie verschwinden und sterben hinter den letzteren aus, je mehr von ihnen aus die Entwicklung weiter geht.
Nun verhält es sich allerdings aber so, daß diese Abtragung oder Resorbtion im Bereich des sehr ausgedehnten unterbewußten organischen Lebens vorerst noch eine ganz geringfügige ist. Je edler und vorgeschrittener indessen das unterbewußte, organische Leben, um so auffallender setzt auch bereits die Abtragung und Resorbtion der Arten ein. So z. B. in der Pflanzenwelt. Die Urformen derselben gibt es heute nicht mehr; wesentlich andere sind an ihre Stelle getreten.
Sobald aber erst das bewußtheitlich organische Leben erreicht ist, wird die Abtragung und Resorbtion immer[71] auffallender! So sind die Urwürmer, Urfische, Uramphibien, ist die Echsenwelt heute so gut wie gänzlich ausgestorben, abgetragen, resorbiert. Noch auffallender wird dann die Erscheinung in der Welt des höheren Bewußtseins. Am allerauffallendsten aber im Bereich der höheren Säugetiere und menschlicher Gattung! Wieviel Arten und Rassen sind nicht seit der Urzeit vergangen und entstanden und welche ungeheueren, rastlosen Verschiebungen, Resorbtionen und Neuentwicklungen haben sich nicht im Zeitraum der Historie vollzogen! – Ziehen wir nun noch einmal den sehr eingeschränkten Spielraum in Betracht, der dem höher- und höchstbewußtlichen Leben ein für allemal und immanent absolut eignet, ziehen wir ferner in Betracht, daß ja nichts anderes als die jeweilig dominierende vorgeschrittenste organische Formation oder Gattung selbst es ist, die sich in die nächsthöhere und neueste durch Weiterzeugung transformiert, und daß ein und der gleiche organisch-bewußtheitliche Bestand selbst es ist, der sich in immer höhere Stufen weiterzeugt; erwägen wir schließlich, daß jede Transformation nicht anders sich vollzieht als durch ein motorisches Individuum und seine Elite, so ist mit all diesen Momenten endgültig die persönliche Identität eines jeden motorischen Individuums mit allen und dem ersten, dem Urahn-Paar, gegeben! Damit ist aber die persönliche Unsterblichkeit eines jeden einzelnen Menschen ein für allemal exakt ermittelt und sichergestellt! Und zugleich die Unsterblichkeitslehren der Religionen! Dies alles aber schließt wieder ein, daß nicht nur die organisch-bewußtheitlichen Formen des motorischen Individuums und seiner Elite in der Identität eines und des gleichen Paar-Individuums stehen, sondern auch jene Formen, welche die Hauptstadien der anorganischen Entwicklung[72] vom zentralen Uratom und seiner Atomenelite ab bewerkstelligten und eine aus der anderen hervor entfalteten! So daß also das menschliche Urahnen-Paar zugleich vollständig persönlich identisch ist mit dem zentralen Uratom, einem ersten substanziellen Verdichtungsansatz beim Entstehen des Urelementes usf. Was aber das noch heute bestehende rotierende zentrale Uratom anbetrifft, so ist zu sagen, daß es nicht nur das motorische Individuum selbst, sondern zugleich auch, indem es vormals ganz und gar dieses Individuum persönlich war, eine Form desselben war. Als solche Form wurde es statisch festgehalten, auch als das motorische Individuum weitergerückt und Urelement geworden war, und als solche Form und Funktion desselben funktioniert es auch heute noch und weiter. Das motorische Individuum selbst aber befindet sich stets in der vorgerücktesten und höchsten Form der Entwicklung; alles was es hinter sich gelassen hat, besteht als sein Sediment und Fundament weiter und hat eine Repräsentanz des motorischen Individuums; im übrigen aber ist zu sagen, daß aller Bestand der Entwicklung sich stets nur im motorischen Individuum selbst polar verknüpft, und daß nichts anderes als dieses der Schwerpunkt der ganzen Entwicklung des absoluten Individuums ist!
Da sich nun aber das absolute Individuum und das motorische Individuum absolut nicht anders bestimmen kann, als nach der Form seiner höchsten Bewußtheitlichkeit, so hat sich durch die ganze Entwicklung hindurch vom einpolaren Zustand ∞ ab schlechterdings nichts anderes entwickelt als diese Form. – Ich habe in meinem früher erwähnten Buche »Das absolute Individuum und die Vollendung der Religion« nachgewiesen, daß diese höchste bewußtheitliche[73] Form keine andere ist, als der Mensch. So daß also absolutes und motorisches Individuum sich endgültig und exakt bestimmt als Individuum Mensch!
So entwickelt sich denn ewig nur ein und das gleiche Individuum, nämlich das absolute in Gestalt eines motorischen Individuums und einer Elite desselben weiter; und somit entfaltet sich auch nur eine Gattung, als und durch eine Art, eine Rasse und eine Familie! Nur daß sie ihre überwundenen Stufen und Ausgliederungen statisch als solche festhält oder, im höher und höchstentwickelten bewußtheitlichen Leben, resorbiert, was gleichbedeutend ist mit organischer Neu-, Weiter- und Wiedergeburt!
Im übrigen wird sich das motorische Paar-Individuum persönlich und selbst, als solches, immer da finden und wiedergebären, wo eine Hauptphase der Entfaltung erzeugt wird und sich konstituierte (im übrigen natürlich wiedererreicht wird, denn sie ist ja mit dem absoluten Individuum und all seinem Bestand und Umfang ewig und absolut an ihrer Stelle. Auch wenn sie mit allem anderen im Nu des einpolar neutralen Zustandes ∞ latent ist!). Es wird sich aber auch wiedergebären da, wo es darauf ankommt, die Hauptphasen einer bestimmten neuen Form und Gattung zu entfalten. Also wird das motorische Individuum mit seiner Elite sicherlich jeweilig z. B. jene Rasse erzeugt haben, welche der Grundstock einer der großen menschlichen Hauptkulturen war! So daß also den Göttern gewisser großer menschlicher Hauptreligionen ohne jeden Zweifel jedesmal eine menschlich persönliche Form des motorischen Individuums und seiner Elite entsprochen hat! – Z. B. steht es über jedem Zweifel, daß ein menschliches Paar einst gelebt[74] hat, dem die mythischen Vorstellungen von Osiris und Isis oder Odhin und Frigga entsprechen!
Wir sehen also, daß, wenn sich die gegenwärtige Krisis der exakten Wissenschaft dahin löst, daß die Wissenschaft die notwendigen und sich von selbst ergebenden Konsequenzen aus den beiden endgültig exakt von ihr ausgemachten Tatsachen der Entwicklung und der Einheit und Ewigkeit von Kraft und Polarität zieht, wie das nur ganz unerläßlich und unausweichlich ist, nicht nur die Wissenschaft selbst erst wirklich exakt wird und ihre Disziplinen endgültig ausbauen kann, sondern daß sich, was noch ungleich wichtiger ist, auch die gegenwärtige, so überaus brennende und bedenkliche religiöse Krisis lösen kann! Dies kann aber nur dadurch und in dem Sinne geschehen, daß Hauptprämisse und Grundtatsache der Religion, wie sie von allem Uranfang an durch im wesentlichsten Betracht unerschütterliche Tradition bis hierher sich erhalten hat, in ihrer absoluten Gültigkeit endgültig von der Wissenschaft in dem Sinne bestätigt wird, wie es in diesem unseren Zusammenhange geschehen ist, der die endgültige exakteste Bestätigung der religiösen Haupttatsache geleistet hat!
Im näheren Betracht aber kann die Lösung der religiösen Krisis nur erreicht werden in Gestalt einer Lösung des christlichen Problemes!
Diese Lösung kann uns indessen nicht mehr schwer fallen.
Denn offenbar hat der Christus eine Hauptfunktion der Entwicklung geübt, nämlich er hat im Prinzip menschliche Gattung als solche zu ihrem umfassendsten Abschluß[75] gebracht. Wir wissen aber, daß dies eine Funktion ist, die nur das motorische Individuum selbst und persönlich leistet. Also ist Christus, ist Jesus von Nazareth das motorische Individuum selbst gewesen! Und also hat das Dogma der christlichen Religion, welches ausspricht, daß Jesus »Gottes eingeborener Sohn« und Gott selbst in organisch-menschlicher Erscheinung ist, vollständig recht! Denn diese Fassung des Dogmas kann nichts anderes bedeuten, als daß Jesus von Nazareth, der »Christus«, die organische Erscheinung des absoluten Individuums (der »Vater«), das motorische Individuum (der »Sohn«) ist!
Wir werden, da ja das motorische Individuum Paar-Individuum ist, nach der weiblichen Ergänzung Jesu fragen? Aber es kann gar kein Zweifel bestehen, daß diese vorhanden gewesen ist! Wenn sie aber nicht als sein Weib, d. h. als seine gattlich zeugerische und gebärende Ergänzung vorhanden war, so kann das seinen Grund einzig darin haben, daß das motorische Individuum, wenn es eine organische Form, die ihre äußerste Entwicklungsmöglichkeit erreicht hat, zunächst als solche abschließt, nicht seine Funktion als patriarchalischer Erzeuger einer neuen Gattung übt! – Aber es ist gesagt worden, daß der Christus wiederkommen wird, zu richten die Lebendigen und die Toten. Da das aber nur heißen kann, daß das motorische Individuum, Gott selbst als organisches Individuum, wiederkommen wird, und da es ferner nur heißen kann, daß, da menschliche Gattung alsdann durch das fortwirkende Prinzip des Christus wirklich vollkommen fertig geworden ist, eine neue organische Form erzeugt wird, so wird der »Christus«, d. h. das motorische Individuum, wenn es einst persönlich wieder da sein wird, durchaus seine patriarchalische zeugerische Funktion üben.[76] Mag sein, daß alsdann »die Toten« aller überwundene menschliche Bestand bedeutet und »die Lebendigen« die neuwerdende Gattung; denn »lebendig« im polar-zentralen Sinne ist ja stets nur die organische Form, in welcher das motorische Paar persönlich vorhanden ist und zeugend wirkt oder weiter wirkt. (Die »Himmel«- und »Hölle«-Vorstellungen der christlichen Mythe werden also in ihrer Wirklichkeit nicht gar so entsetzlich sein, denn ein ewiger »Himmel« und eine ewige Seligkeit, wie sie die christliche Mythe sich vorgestellt, ist gewiß auf die Dauer kaum weniger fürchterlich als eine ewige »Hölle« und »Höllenstrafe«. Aber die große religiöse Grundtatsache hat neben allem anderen wohl auch stets so ihren »Witz«, der ganz gewiß auch seinen praktischen Wert haben wird.)
Man könnte nun aber fragen, ob es sich wirklich auch diesmal um die Erzeugung einer wesentlich neuen und höheren organischen Gattung handeln wird? Ob also wirklich der heute so viel herumspukende »Übermensch« eines Tages vorhanden sein wird?
Die Frage wäre nicht ohne Sinn und Berechtigung. Denn es ist zu bedenken, daß ja die Entwicklung und auch die des Bewußtseins einmal ein Ende nimmt, daß eine wirklich höchstbewußtheitliche organische Gattung eines Tages die letzte und daß der Abschluß derselben der letzte Abschluß sein wird, den das motorische Individuum vollzieht.
Es ist nun sehr bezeichnend, daß die deutsche Metaphysik in ihren äußersten Ausläufern so viel vom »letzten Ende«, vom »Unbewußten« gehandelt hat. Sehr schön[77] ist z. B. auch gelegentlich einmal von Friedrich Schlegel Novalis gegenüber die christliche Religion die »des Todes« genannt und Novalis als Jemand bezeichnet worden, der »Sinn für den Tod« hat.
Da nun aber, wie ich in meinem erwähnten Buche nachgewiesen habe, menschliche Gattung wirklich die höchste Bewußtseinsstufe des absoluten Individuums bedeutet, so ist sie auch wirklich die letzte Stufe und Gattung der Entfaltung des absoluten und motorischen Individuums und wird sich eine wesentlich neue und höhere über sie hinaus nicht mehr auswirken. Hat also das motorische Individuum in Gestalt und Person Jesu des Christus menschliche Gattung zu ihrem Abschluß gebracht, so hat es, hat Jesus von Nazareth die absolute Entwicklung selbst zu ihrem Abschluß gebracht!
Man wird nun freilich einwenden wollen, daß der Mensch, dessen Weisheit und Bewußtheitlichkeit doch nachgewiesenermaßen so gar sehr »Bruchstück« gewesen ist, unmöglich die höchste Stufe absoluter Bewußtheitlichkeit bedeuten könne. Dennoch verhält sich das so! Es ist nämlich zu bedenken, daß die Menschheit je und je das absolute Wissen von der religiösen Grundtatsache gehabt hat. Nur seine höchste Form hatte dieses Wissen bis daher noch nicht erreicht. Immer wieder traten Decadenceperioden ein, in denen eine Form dieses Wissens nicht mehr genügte und Wissen selber an seinem unveräußerlichen absoluten Gegenstand irre wurde. Dennoch restituierte sich die religiöse Grundtatsache und absolutes Wissen in einer höheren Form immer wieder und wieder und von neuem. So daß schlechterdings ausgesagt werden muß, daß die Entwicklung dieses Wissens in einem absoluten kontinuierlich aufsteigenden Zusammenhang[78] vor sich ging. Da dieses absolute bewußtheitliche Wissen von der religiösen Grundtatsache ehemals aber überhaupt von dem Menschen, dem Urmenschen, zum ersten Mal erreicht wurde, und da der Mensch es bis daher beharrlich weiter entwickelt hat, so muß es denn auch unfehlbar zu seiner höchsten, exaktesten, endgültigsten Form gelangen!
Nun, wir haben uns aber selbst unseren ganzen Zusammenhang hindurch überzeugt, daß die exakte Wissenschaft, die die letzten und unvermeidlichsten Konsequenzen ihrer beiden Hauptausmachungen, der Tatsache der Entwicklung und der ewigen einheitlichen Kraft und Polarität vollzog, wirklich diese höchste und endgültigste Form religiösen Wissens – und Wissen ist nur religiöses Wissen! – erreicht hat! – Also ist absolutes und motorisches Individuum im Menschen zu seiner höchsten gattlich-organischen Form und Selbsterfassung gelangt! Und also ist menschliche Gattung der Abschluß der Entfaltung, die von ihr an nur mehr noch die Wendung zum Unterbewußtsein und zum einpolar neutralen Urzustand ∞ hin nehmen kann!
Bedenken wir, daß der Christus bis heute und dieser Form höchsten und endgültigsten Wissens her an der Vollendung der Menschheit gewirkt hat! Tritt nun dieses heute erreichte Wissen, wie es gar nicht anders sein kann, endgültig in Kraft, so kann das schlechterdings nichts anderes bedeuten, als daß die Menschheit und menschliche Gattung endlich in ihre Höhenperiode eingetreten ist, wo ihr die höchsten und letzten Lebenserfüllungen reifen müssen! Und dies ist der Blick in[79] die jetzt bevorstehende Zukunft! – Sie wird die letzte und umfassendste Einheit der Menschheit erleben und die höchsten Triumphe menschlichen Geistes, menschlichen Gattungsgefühles und menschlicher Kultur! – Sie kann nur die Periode eines allgemeinen großen Welt- und Menschheitsfriedens, eine Periode der Freude und eines großen Weltfeierabends sein! – In ihr werden sich die gegenwärtigen Rassenbestände der Menschheit ausleben, bis zu einer Grenze hin, wo höchste Bewußtheitlichkeit anfängt sich in eine unbewußtere physiologische Sensibilität umzuwandeln. Das wird der Zeitpunkt einer endgültigen, letzten menschheitlichen Decadence bedeuten, und in dieser Zeit wird das motorische Individuum (»Wiederkunft des Christus«) wiedererscheinen, um aus menschlicher Gattung hervor eine Abart organisch auszulösen und zu konstituieren, bei welcher sich die Umwandlung höchster Bewußtheitlichkeit in eine überaus verfeinerte, neue physiologische Sensibilität endgültig vollzogen haben wird, welche Sensibilität alsdann im weiteren Verlauf zum völligen Erlöschen des Bewußtseins führen wird. – Die Erde alsdann aber alt geworden, wird ihr altes organisches Leben immer mehr eingezogen haben. (Man bedenke hier nur das zunehmende Aussterben der wilden Tiere, das befremdliche Aussterben in der Vogelwelt, das heutzutage festzustellen ist!) Nur ganz unterbewußte Überbleibsel der alten organischen Wesensreihen werden noch vorhanden sein, und soweit sie noch den letzten Untergang des Kosmos – der sich durch umfassendste Einziehung einheitlicher Polarität vollziehen wird – erleben, werden sie nichts von ihm wissen und fühlen!
Es wird also dem motorischen Individuum und seiner Elite diesmal nichts weiteres mehr übrig sein, als den[80] Übergang des bewußtheitlichen Lebens in das Unterbewußtsein zeugerisch zu vollziehen. Und es wird nichts weiter mehr zu tun haben, als das Grausen einer allgemeinen Katastrophe auf solche Weise zu verhüten, das für jedes bewußtheitliche Wesen unausdenkbar fürchterlich sein müßte!
Aber kehren wir wieder zu unserem eigentlicheren Zusammenhange, zur Lösung der gegenwärtigen religiösen Krisis, zurück. Man ist neuerdings geneigt zu meinen, es werde eine wesentlich neue Religionsform aus ihr hervorgehen und die christliche ersetzen. Man wird aber jetzt erkennen, daß das gänzlich ausgeschlossen ist.
Religionsform bedingt sich durch Bewußtheitlichkeit und durch bewußtheitlich-intellektuale Formulierung; da wir nun aber sahen, daß der Christus im Prinzip die höchste religiöse Stufe ausgelöst hat, so kann eine noch vollkommnere Religionsform, als die von ihm geschaffene nicht mehr möglich sein!
Es ist denn auch nur zu kennzeichnend, daß alle neusten, monistischen Versuche, zu einer neuen Religionsform zu gelangen, nichts sind als, leider aber nur zu vage, Versuche zu einem weiteren Ausbau des christlichen Prinzips!
Ist aber eine wesentlich neue Religionsform über die christliche hinaus nicht mehr möglich und denkbar, so wird allerdings nur noch eins übrig bleiben: nämlich der letzte Ausbau der christlichen Religionsform!
Wie aber wird er sich einzig vollziehen können?
Durch Anwendung der Ausmachungen über die religiöse Grundtatsache, die wir hier geboten haben!
Nach deren endgültigem und exaktem Maßgabe aber bleibt vor allem die Tatsache bestehen, daß Christus »Gottes Sohn« und Gott selbst »ins Fleisch geboren«, d. h. als menschlich organisches Individuum ist. (Was der »Monismus« von heute nicht mehr Wort haben wollte!). Ferner bleibt die Heiligkeit und Göttlichkeit seiner nächsten Elite bestehen. (Apostel und eine gewisse Anzahl von männlichen und weiblichen Märtyrern und sonstigen seitherigen großen Auswirkern christlicher Religiosität.) Auch die Vorstellung des Erlösungs- und Heilandswerkes bleibt bestehen. Denn Christus erlöste die Menschheit insofern, als er sie vollendete und einte, und damit im Prinzip den unsäglichen menschlichen Bruderzwisten der Historie ein Ende setzte.
Freilich aber wird verschiedenes aus dem Apostolikum ausgeschieden werden müssen, was veraltete ethnische Vorstellungsform ist. Doch nicht die Form einer Kirche selbst! Diese noch nicht! Da sie sich durchaus bedingt durch die sonstige staatliche Form der Sozietät, die zwar in Zukunft mehr und mehr ihre schroffen nationalen Gegensätze verlieren, als solche aber noch lange nicht aufhören wird.
Das alles schließt ein, daß zunächst die katholische Form, in ihren Hauptdogmen endgültig gekräftigt, ihre Bestätigung empfängt. Es ist eigentlich ihr Vorteil, daß sie die Göttlichkeit des Christus und der Heiligen am konsequentesten festgehalten hat. – Man mißverstehe mich aber nicht: ich habe durchaus keine Restituierung eines eigentlichen Heiligenkultus nun auch für den Protestantismus im Sinn! Überhaupt wird sicherlich ein[82] Kult im antiken, ethnischen Sinne immer mehr in Wegfall kommen. Er wird durch eine gemeinsame religiöse Andacht und Versenkung ersetzt werden, die ja eigentlich nichts anderes sein kann als eine Selbstversenkung des weiteren organisch sozietären Bestandes des motorischen Individuums in dieses selbst (Verhältnis der Gemeinde zu Christus, ihrem Haupt) und damit in das absolute Individuum, in Gott, aus welcher Versenkung je und je und nach wie vor alle sozietäre Bestätigung und Kraft sich ergeben muß.
Obgleich nun aber die katholische Kirche die religiöse Grundtatsache am treusten festgehalten hat, und der Protestantismus ihr gegenüber nachgerade fast bis zum Unmöglichen lau geworden ist – so bleibt der Katholizismus dennoch eine überwundene Form der christlichen Religion. Und zwar wegen ihrer allzuvielen ethnischen Bestandteile.
Ich weiß nicht, wieviel der Modernismus davon in Zukunft wird beseitigen können: ganz frei von ihnen wird der Katholizismus nicht zu bekommen sein. Umsoweniger, als sich sein ethnischer Charakter ja lediglich durch die Bekräftigung der Hauptdogmen auch seinerseits bekräftigen muß! Denn diese Bekräftigung erstreckt sich ja überhaupt auf jede menschliche Religions- und Kultform deren ganzem Umfang nach. Da im übrigen jede Religionsform naturgemäß auf das engste dem sozialen, oder dem Rassebestand entspricht, der sie hervorbrachte oder der sich ihr anpaßte, so wird es alles in allem so stehen, daß die katholische Konfession sich mit den Rassenbeständen, denen sie entspricht, ruhig ausleben wird. –
Was die protestantische Konfession anbetrifft, so wird sie vor allem zu beachten haben, daß das Dogma von[83] der Einheit Christi mit Gott endgültig fest bleibt, und daß dies gleichbedeutend damit ist, daß Jesus von Nazareth wirklich gelebt hat und der Christus gewesen ist! (Unsere heutigen Drews, die das in Abrede stellen wollen und eine gewisse radikale Richtung der liberalen Theologie stehen vollständig und ein für allemal im Unrecht!) Im übrigen aber wird sich der Protestantismus durch eine neue und endgültige Reformation von seinen letzten ethnischen Bestandteilen befreien. Und außerdem wird sein Gottesdienst immer mehr und endgültig den Charakter eines Kultus verlieren, statt dessen wird er jenen Charakter der Selbstversenkung der Gemeinde in das Wesen des Urhebers christlicher Religion und christlichen Prinzipes und damit in Gott, d. h. das absolute Individuum, annehmen, das vorhin angedeutet wurde. – Mit dieser Reformation des vorgeschrittensten christlichen Bekenntnisses wird christliche Religionsform zu ihrer letzten und endgültigen Vollendung gelangen. Sie wird die Religion der menschlichen Rassen sein, welche die Träger der künftigen Menschheitskultur sein werden.
Alle weitere Entwicklung von Religion kann nur jener dereinstigen über die heutigen menschlichen Rassen hinausgehenden Rasse entgegenführen, in deren Bezirk einstmals in einer noch fernen Zukunft das motorische Individuum entstehen wird, um die Entwicklung der Menschheit zeugerisch dem Unterbewußtsein entgegenzuführen. Diese Endgattung aller Entwicklung aber wird nicht mehr in solchen sozialen Formen leben, wie wir, sie wird die Begriffe eines Staates, einer Kirche und einer intellektuell fixierten Religionsform und Konfession nicht mehr kennen und bedürfen!
Aber das geht die Lösung der gegenwärtigen religiösen[84] Krisis nichts an. Genug, daß wir unter allen Umständen um die einstmalige Existenz von Jesus und seiner Eigenschaft als Gottes wahrer und eingeborener Sohn endgültig nicht herumkönnen. –
Es versteht sich im übrigen von selbst, daß der konfessionelle Religionsunterricht aus der Schule nicht ausgeschaltet werden kann, so wenig wie die Kirche vom Staate abgetrennt werden kann! Aber, die Hauptsache: es wird sich ja um einen Religionsunterricht handeln, der nicht, wie heute noch, mit dem exaktwissenschaftlichen in Widerspruch steht, sondern um einen, der durch die Wissenschaft lediglich endgültig bestätigt wird, selbst als katholischer Religionsunterricht! Ein Umstand, der durchaus nicht außer Rücksicht gelassen werden darf! – Denn keine einzige christliche Konfession wird von der andern völlig ausgeschaltet werden! Vielmehr werden sie in friedlichem Gleichgewicht in Zukunft nebeneinander weiterbestehen; wenn auch naturgemäß jene am ersten sich selbst ausschalten wird, deren tragende Rassenbestände von der weiteren Entwicklung menschlicher Gattung am ersten abgetragen und resorbiert werden. – Das würde allerdings bereits heute den endgültigen zukünftigen »Sieg« einer vollkommen ihrem reinsten Prinzip nach ausgestalteten und reformierten protestantischen Konfession bedeuten! –
Druck von Gottfr. Pätz, Naumburg a. S.
OESTERHELD & Co.·VERLAG·BERLIN W 15
JOHANNES SCHLAF:
DAS ABSOLUTE INDIVIDUUM
ODER DIE
VOLLENDUNG DER RELIGION
2 TEILE IN 1 BAND PREIS Mk. 12 BROSCH., Mk. 14 GEB.
Die Erkenntnistheorie seit Kant / Das absolute Individuum Mensch / Die Metastase des absoluten Individuums / Die Sozietät / Die Lehre von der Bewußtseins-Funktion / Die Religion / Das Sittengesetz / Wissenschaft und Technik / Kunst / Die Zukunft des Menschengeschlechts
NEUE FREIE PRESSE: »Die gewaltige Konzeption dieses Weltbildes wird seine Betrachtung auch manchen von jenen Lesern fruchtbar machen, die lieber die Kunst des Baumeisters bewundern, als an die Standfestigkeit des Gebäudes glauben.«
KARL JENTSCH in der »ZEIT«, Wien: »Man kann der Kosmogonie, Kosmologie, Biologie, Soziologie, Religions-, Wissenschafts- und Kunstlehre, die hier entwickelt wird, Originalität und Großartigkeit nicht absprechen.«
GRAZER TAGEBLATT: »Dieses bedeutende Werk, das so geschrieben ist, daß jeder Gebildete es lesen kann, hat mit der Unbestimmtheit des bisherigen Monismus nichts gemein. Es erhebt diesen vielmehr zu einem lebendigen Idealismus und gibt eine beachtenswerte Lösung des erkenntnistheoretischen und religiösen Problems.«
BADISCHE NEUESTE NACHRICHTEN: »Schlafs System beruht auf sehr scharfer Kritik der früheren Systeme. Auf rein philosophischem, mehr noch auf kulturhistorischem Gebiet sind seine Verdienste um neue anregende Gesichtspunkte von vornherein nicht zu bestreiten.«
Weitere Anmerkungen zur Transkription
Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert.
Korrekturen:
S. 12: alleine → alleinige
ins Fleisch geborene alleinige Gott
S. 48: stärkeren → stärkerem
Sie tat das in immer stärkerem Grade
S. 55: einem → einen
Saturn usw. nur einen regelmäßigen Umlauf
S. 72: notorische → motorische
als das motorische Individuum weitergerückt