Title: Die altindische Säule: Ein Beitrag zur Säulenkunde
Author: Hans Sohrmann
Release date: December 6, 2017 [eBook #56136]
Most recently updated: October 23, 2024
Language: German
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Die altindische Säule.
Ein Beitrag zur
Säulenkunde
von
Dr.-Ing. Hans Sohrmann.
Mit 57 Abbildungen.
DRESDEN.
Verlag von Gerhard Kühtmann.
1906.
Seite | |||
Einführung. | |||
A. Einzelsäulen. | |||
Kapitel 1. Indopersischer Typus | 7 | ||
Kapitel 2. Indoklassischer Typus | 27 | ||
B. Konstruktive Säulen. | |||
Kapitel 3. Steinzaunpfeiler | 35 | ||
Kapitel 4. Deckentragende Säulen | 43 | ||
Kapitel 5. Das Polsterkapitell | 59 | ||
Kapitel 6. Das Vasenkapitell | 66 | ||
Schlußwort | 75 | ||
Verzeichnis der Abbildungen mit Angabe der Quellen | 77 | ||
Verzeichnis der hauptsächlich benutzten Quellenwerke | 79 |
Schon beim Vorentwurfe dieser Abhandlung, welche erst nach mehrfachem Umarbeiten die vorliegende Gestalt annahm, entschloß ich mich, den ersten Abschnitt des indischen Säulenbaues — als indisches Altertum — bis ins 8. Jahrhundert n. C. auszudehnen. Einmal führt eine untrennbare Entwicklungsreihe bis zu dieser Zeit, und zum anderen weist alsdann die Architekturgeschichte Indiens eine 300jährige Lücke vor, nach welcher unvermittelt die wesentlich verschiedene Formensprache des Mittelalters einsetzt.
Das Anschauungsmaterial, dessen Fundstätten in der Übersichtskarte durch volle Punkte gekennzeichnet sind, habe ich einer selbständigen Bearbeitung unterzogen, wenn sich eine Quelle für hier gegebene Zwecke nicht ausreichend zeigte. So ist eine beträchtliche Anzahl von Quellenangaben im Illustrationsverzeichnisse gewissermaßen nur als Hauptanhaltspunkte meiner Darstellung aufzufassen, welche noch andere Werke zu ergänzendem Aufschlusse heranzog.
Hans Sohrmann.
Auf dem Studium des Alten, auf der bauschaffenden Überlieferung als Grundlage kann allein eine Moderne im besten Sinne des Wortes erstehen. Wie aber schaute es allgemein bis vor wenigen Jahren noch mit diesem Quellenstudium in Wirklichkeit aus! Es fühlte und schuf der Architekt nach klassischem und mittelalterlichem Muster, ganz abgesehen dabei, mit wieviel eigenem Verdienst. Diese Vorbilder galten ihm als höchste Instanz, als die festen Wertungen aller vergleichenden Kritik. Unwürdig und überwunden aber mußte solch landläufig beschränkte Tradition unserer neuen Richtung erscheinen, vielmehr verlangt dieser kraftvoll einsetzende Pulsschlag nach ununterbrochener, sich ausgleichend ergänzender Säfteaufnahme aus dem gesamten historischen Formenvorrat des Bauschaffens. So galt es denn seit dem Auftreten der befreienden Strömung, stetig Umschau zu halten nach frischer Anregung, nach ergiebigen Fundstätten eigenartiger Formenharmonie. Die köstlichsten Schätze bietet altvaterländische Bauweise. Doch so recht das Kind seiner Zeit, die unter dem Zeichen des Verkehrs die entferntesten Gebiete der Forschung erschließt, schweift der Geist der Moderne auch weit über die Grenzen der Heimat, die Sprachen fremder Kunst intensiv zu erfassen und originell zu verwerten. Muten nicht beispielsweise manche neuzeitliche Werke in ihrer zuweilen gar übertriebenen Wucht an wie Schöpfungen aus Ägypten etwa oder dem Zweistromlande? — Und doch ist eine der reichsten Fundgruben für ein lebenzeugendes Studium vergangener Architektur heute künstlerisch noch kaum erst entdeckt, noch völlig unausgebeutet — die indische Formenwelt. —
In Holz, das wohl bearbeitbar der Gestaltungskraft des Künstlers einen freien Spielraum ließ, bauten im Anfange alle Indogermanen. So wird unser[S. 2] fachliches Interesse in leicht erkennbarer Gedankenfolge von selbst nach der fernen Wiege des gewaltigen Völkerzweiges gewiesen, auf die früheste Baukunst Indiens. Nur die persische Architektur erreicht zu gewissem Grade das bestimmende Gepräge des Holzbauursprunges dieser Hindukunst. Während jedoch persische Formen im Steinbau des Westens zur letzten Konsequenz entwickelt und abgeschlossen wurden durch das Griechentum, bleibt die indische Baukunst durch natürliche Lage streng abgetrennt als ein Architekturkosmos für sich. Im Lande gezeugt, schwebt sie zur Zeit noch als lebendige Tradition dem Architekten bei seinen Bauten vor, nicht erstarrt zum bloßen Dekorationsapparat, wie in gewissem Sinne die klassische Formenwelt, die als fremdes Moment in fremdem Gebiete, in fremdem Volksgeiste weitergeführt wird.
In dieser lokalen Abgeschiedenheit muß auch der Grund erblickt werden, weshalb erst in verhältnismäßig jüngster Zeit genauere Kunde über Indiens Bauschaffen nach Europa gedrungen ist. Dank den Aufschlüssen englischer und französischer Forscher haben sich nun Ausblicke in eine ferne Kunstblüte erschlossen, die in ihrer Herrlichkeit wie Erträumtes anmutet. In dem alten Märchenlande, das dem Westen auf literarischem Gebiete so erhabene, so reizvolle, so tiefinnige Schöpfungen schenkte, bietet auch die bildende Kunst in der Architektur ungeahnte Schätze. Darum Licht in die mystischen Vorstellungen von indischen Höhlen- und Pagodenzerrbildern, wie sie in unserer Mitte noch spuken. Sollte denn ein Volk, das in Philosophie, Dichtkunst und Ethik ebenbürtig an geistiger Größe der Antike zur Seite steht, in der »Erzkunst« versagt haben? Je mehr der forschende Architekt eindringt in das innerste Wesen jener eigenartigen, abseits stehenden Kunstentwickelung, desto überzeugter und begeisterter wird er dem berühmtesten Kenner indischen Bauschaffens, Fergusson, zu seinem Urteile beipflichten:
»Whether successful or not, it seems well worth while that an attempt should be made to interest the public in Indian architectural art; first, because the artist and architect will certainly acquire broader and more varied views of their art by its study than they can acquire from any other source.«[1]
Wahrhaftig, ein tüchtiges Stück Arbeit ist es allerdings, hindurchzudringen[S. 3] durch das Labyrinth indischen Bauschaffens, zumal ausführlichere Literatur über dieses Gebiet sehr sporadisch in der Kunstgeschichte auftritt. Erst 1903 half Le Bons Illustrationswerk »Les Monuments de l'Inde« in Frankreich dem dringendsten Bedürfnis einer einigermaßen Aufschluß bietenden Quelle ab. England ist bisher bahnbrechend der einschlägigen Forschung vorangeschritten. Dem deutschen Volke aber ist leider noch kein auch nur zu gewissem Grade erschöpfendes Werk beschieden. Sollte es dem Verfasser des vorliegenden bescheidenen Essays gelingen, wenigstens ein Kleines mitzuwirken, das Verlangen unserer baukünstlerischen Kreise nach einer grundlegenden Behandlung dieses vielversprechenden Abschnittes der Architekturgeschichte zu wecken und damit ihr Erscheinen näher zu rücken, so würde er sich reich belohnt schätzen. Denn Pflicht ist es jedes Architekten, der den Werdegang seines Faches verstehen will und soll, auch diese ferne Kunstblüte in ihrer glänzenden Einzelstellung zu studieren, zu würdigen als das künstlerische Vermächtnis eines hochbegabten, ästhetisch fein geschulten Völkerzweiges von gewaltiger Mächtigkeit.
Außer diesem allgemein kunsthistorischen Werte fesselt Indiens Bauschaffen im besonderen durch ein tatsächlich einzig dastehendes Kapitel, welches dem umfassenden Studium architektonischer Tradition eine hochwichtige, abschließende Ergänzung zu gewähren vermag, — das unübertroffene dekorative Genie des indischen Volksgeistes! Wenn wir im ägyptischen und mesopotamischen Altertum überwältigende Monumentalität, in der Antike ein bis ins Feinste durchdachtes Gesetz der Verhältnisse, im Mittelalter eine energische Betonung des konstruktiven Grundgedankens, in der Renaissance ein selbstschöpferisches Verschmelzen abgeschlossener Bauformen und Bauprinzipien zu meisterlicher Vollendung geleitet sehen, so bietet vorzüglich Indiens Altertum köstliche Beispiele, dem Auge des Architekten den Höhepunkt dekorativer Gestaltungsfreiheit und durchgebildetster Ornamentik vorzuführen. Und nie wird diese ungezügelte Urkraft einer unendlich reich befruchteten Phantasie an den alten Hinduwerken, da noch Ornament und konstruktiver Organismus harmonisch ineinander greifen, ihres eigentümlichen Zaubers entbehren.
Mit gutem Rechte werden die Werke des Altertums nach jeweiliger Zahl ihrer Deckenstützen gekennzeichnet, denn es bot ja vor dem Auftreten raum[S. 4]bildender Wölbung die Säule allein die Möglichkeit des Deckenabschlusses größerer Räume. Naturgemäß sprachen sich gerade an diesem Konstruktionsgliede die jedem Stile eigenen Merkmale bedeutungsvoll aus. Auch im indischen Altertum zeigt ein Überblick durchweg Säulenbau. Denn abgesehen von den Stúpas, welche als gewaltige Steinhaufen — wenn anders solch drastische Bezeichnung erlaubt sein mag — architektonisch kaum in Betracht kommen, läßt diese Baukunst Láts oder Stambhas, die Einzelsäulen, und Steinbalkenzäune, Chaityas oder Kultuszwecken dienende Versammlungshallen und Viháras oder Klöster erstehen, — also entweder selbständige Säulen- und Pfeilergebilde oder lediglich durch solche erzielte Raumschöpfungen. Begründet erscheint es so, daß die Säule zu eingehender Betrachtung herausgegriffen wird, um eine Kristallisation indischen Baustiles in seiner reinsten Epoche, im Altertum, zu bieten. Mag darum die Entwickelung der Säule in das Empfinden und Schaffen jenes eigenartigen Kunstgeistes einweihen, mag sie uns einen sicheren Weg weisen durch das weite Brachfeld einer neuen, unerschöpflich reichen Formenwelt!
Wenn überhaupt eine der indischen Säulenarten all die Eigenheiten, Vorzüge wie Schwächen, der alten Kunst der Halbinsel zu verkörpern vermöchte, so wäre es die Einzelsäule. In ununterbrochener Folge von Asokas Zeit (276–240 v. C.) bis zum Eintritt in das Mittelalter ist die historische Entwicklung der Stambhas aufs engste verknüpft mit dem Ringen und Verflachen dieses fernen Kunstlebens. Zu Hunderten haben diese Láts Altindien kennzeichnend geschmückt, sei es als ragende Wahrzeichen des Glaubens auf Hügelrücken und vor heiligen Stätten oder als Wegrichten einer Pilgerstraße, sei es als Reichsgrenzen eines Monarchen oder als Siegesmale auf dem Schlachtfelde. — Manches nach klassischem Schönheitsideale geschulte Auge freilich wird durch die schlichten Monolithe, besonders frühester Zeit, vielleicht nicht auf den ersten Blick gefesselt werden, doch ist eine künstlerische Berechtigung, ein gewisses Gesetz eigenartiger Harmonie diesen ehrwürdigen Resten altindischer Kultur keinesfalls abzusprechen. Am besten wird meines Dafürhaltens dem originellen Wesen der Láts Gerechtigkeit zu teil werden, wenn die Möglichkeit geboten wird, sich eigenes Urteil durch ein genaues Eingehen auf diese Werke zu bilden, an der Hand einer Auslese von interessanten und besterhaltenen Beispielen. —
Allerorts, wo es im orientalischen Altertum galt, die Macht des Herren darzustellen, findet sich als typisches Symbol ein Phallus errichtet, der reali[S. 8]stische Ausdruck männlicher Zeugungskraft, — so in babylonisch-assyrischen Grab- und Grenzstelen oder im göttlich verehrten Lingam Zentralasiens. Auf gleiche Urbedeutung muß wahrscheinlich die buddhistische Einzelsäule zurückgeführt werden. Berichtet doch Cunningham in seinen Reports[2], daß gegenwärtig noch die Asokasäule von Navandgarh im Volksmunde »Laur«, das ist eben Phallus, genannt werde. Und in ganz entgegengesetzten Teilen der Halbinsel kehrt diese Bezeichnung wieder.
Im Stein zwar treten die ältesterhaltenen Láts aus dem dritten Jahrhundert v. C. auf, doch in ihrer Gesamtgestaltung unabweisbar an Holzcharakter gemahnend. Einem stolz aufstrebenden Nadelholzstamme gleich mutet der überschlanke Stambhaschaft an. Wie käme auch der Steinmetz darauf, immerhin schon vertraut mit dem neuen Material, Rundsäulen von mehr als 12 U.D. Höhe monolith aus dem Bruche herauszuarbeiten, wenn nicht Erinnerung an den Holzbau Einfluß gehabt hätte? Zudem tritt ja die Erscheinung ähnlicher Säulengebilde aus entrindeten Bäumen übereinstimmend in der architektonischen Kindheit der verschiedensten Völker auf. Assyrische Reliefs beispielsweise zeigen Zeltpfähle, die ebenso elegant wie energisch in tierischen Einzelfiguren ihren Abschluß finden. Und zur Zeit noch künden in Alaska Stämme, die von geschnitzten Tier- und Götzengestalten bekrönt sind, in grellen Farben den Anlaß ihrer Errichtung. Wahrscheinlich mit Vorbedacht wurde als Material der Láts ein feinkörniger Sandstein gewählt, der leicht bearbeitbar zum Übergange von Holz zu Stein insonderheit geeignet erschien.
Ohne jedwede Basis oder Gliederung weist der sorgfältig geglättete Schaft mit energischer Betonung zu dem wichtigsten Teile des Monoliths empor, zur Kapitellbildung. Ein herabhängender Kranz von Lotosblättern umschmiegt die Säule derart, daß sein Umriß wohl am besten als Glockenform charakterisiert sein dürfte. Für das naturalistische Urmotiv dieses Gliedes stehen sich verschiedene Deutungen gegenüber. Die eine läßt an den Stamm jene schilfartigen Blätter binden, die heruntersinkend sich überschlagen und dadurch ihren Halt verdecken. Eine andere, besonders von Adamy verfochtene Hypothese geht von der Betrachtung aus, daß ein Blumenkelch als[S. 10] tragendes Kapitellglied logische Verwendung finde, wenn der Blattkranz nicht vom Abakus heruntergedrückt, sondern nach Herausnahme der Blütenkrone gleichsam umgekehrt über den Schaft gestülpt sei. Ein vergleichender Blick auf persische Kapitellform läßt aber noch eine dritte Annahme aufkommen. Deutlich unterscheiden sich dort (Abb. 2) ein aufstrebender und ein überfallender Blätterkranz. Sollte vielleicht diese Anordnung als Rest einer Palmenkrone aufzufassen sein? Wenngleich stilisiert und von rechter Größe reduziert, scheint die Gesamtanlage dieser floralen Kapitellteile einer solchen Vermutung nicht entgegenzustehen. Um nun unter gleichem Gesichtspunkte den indischen Typus zu betrachten, so hätte dabei der Künstler, bewußt oder nicht, nur die übergebogene Laubkrone dargestellt. — Nächstdem soll geprüft werden, inwieweit wohl persische und indische Kapitellgestaltung verwandt sind, hier aber genüge als vorläufige Rechtfertigung der herangezogenen Analogie, auf die auffällige Ähnlichkeit der Hals- und Deckplattendekoration hinzudeuten. Unmittelbar erinnern Eierstab, Perlstab, Lotos-, Geißblatt- oder Kugelornament an persische Formen, wofür Abbildung 3 einen überzeugenden Beleg bieten mag. Je älter der Stambha, desto schärfer tritt dies hervor. Denn bald wird der fremde Schmuck in heimische Bildungen umgesetzt, wie etwa Blattgewinde, einen Schwarm heiliger Gänse, Tierprozessionen oder auch abstrakte Muster und emblematische Formen des Glaubens. Diese Sym[S. 11]bole (Abb. 4) erscheinen kurzer Erwähnung wohl wert, da häufig ihre Gegenwart allein auf den verschlungenen Pfaden indischen Bauschaffens die Zugehörigkeit zum Buddhismus und damit wichtige Fingerzeige für die Altersschätzung eines Monumentes angibt. Der Dreizack ist einer dogmatischen Dreifaltigkeit entsprungen. Verquickt mit diesem sogenannten Trisúl oder selbständig findet sich das Rad, welches auf eine Vorstellung des göttlichen Gesetzes als Sinnbild der Gerechtigkeit zurückzuführen ist. Für Schild und Lotosblüte wurde bisher noch keine zweifellos erwiesene Bedeutung beigebracht. Auch als skulpturale Bekrönungen des rund, quadratisch und rechteckig auftretenden Abakus bildet der Architekt diese Glaubenssymbole aus, obgleich in den weitaus häufigsten Fällen Tiergestalten diesem Zwecke dienen, einzeln oder in Gruppen, in steter Variation.
Gesamt- wie Einzelgestaltung der ältesten Látkapitelle weisen so augenfällig auf den persischen Typus hin, daß es unerläßlich erscheint, diese Analogie mitsamt einer historischen Erklärung näher zu beleuchten. Münzenfunde und Keilinschriften stempeln den Bericht Herodots zu geschichtlicher Tatsache, daß ein ausgedehntes Gebiet Nordindiens bis weit östlich vom Indusnetze unter dem Namen Arachosien eine der Zwanzig Satrapien des Achmenidenreiches bildete. Etwa auf die Zeit vom 5. bis 3. Jahrhundert v. C. ist eine Verschmelzung beider Kulturen einzuschätzen. Der späte Übergang des indischen Bauschaffens von Holz zu Stein im 3. Jahrhundert v. C. macht sichere[S. 12] Aufschlüsse über Zeitdauer und Art des fremden Einflusses, der sich in der Hauptsache an der Säule kundtut, vor diesem Wendepunkte unmöglich. Doch von seinem Grade und seiner Ausbreitung ein klares Bild zu gewähren, genügen die indopersischen Látreste, wie Cunningham diese Stilmischung bezeichnet. Zu Tausenden liefern im Indusstromgebiet Reliefs von Säulengebilden durch Zahl wie engstes Anlehnen an persische Urform das in geographischer Hinsicht nahezu selbstverständliche Ergebnis, daß der fremde Stil auf diesem Wege nach dem Herzen der Halbinsel gedrungen ist. Zu vorliegendem Punkte sei nicht unterlassen, Cunninghams Fund von arischen Lettern, welche nur in Nordindien gebräuchlich waren, an Balustern von Bhárhut in Zentralindien anzuführen.[3] — Ein Repräsentant des persischen Typus (Abb. 2) und andrerseits einige charakteristische Säulenbeispiele nach Reliefs aus der Landschaft Yusufzái im äußersten Nordwesten (Abb. 5 u. 6) mögen nun zu einem Vergleiche zusammentreten. Da[S. 13] erscheint denn unabweisbar, daß die ältesten Säulenformen Indiens als künstlerisch zu verschiedenem Grade erfaßte Nachgestaltungen des persischen Musters zu deuten sind, — von der fast vollzählig übernommenen Kapitellgliederfolge in roher Umrißlinie bis zum einfachen Blattkranz einer Asokasäule (Abb. 7). Wie nun ist dabei der Wegfall des aufstrebenden Laubes und der aufrechten Doppelvoluten zu erklären? Bekanntlich bestand zwar außer dem voll ausgebildeten Perserkapitell noch die schlichtere Form des unvermittelt dem Schafte aufgelegten Sattelholzes (Abb. 8), möglicherweise also auch eine Variante, welche nur der vorgenannten Teile entbehrte. Doch Achtung vor altindischem Kunststreben läßt mich eher annehmen, daß der Architekt diese einer starken Kopflast entgegenwirkenden Funktionen mit Fleiß bei den Einzelsäulen als überflüssig ausschaltete. Läßt doch die gesamte Durchbildung des Stambhakapitelles erkennen, wie vertraut der Künstler mit dem inneren Wesen der persischen Formen geworden, daß er gelernt hat, auf ihnen fußend originell weiterzuschaffen.
[S. 14] Wohlerklärliche Sympathie fesselte jene ersten Steinbaumeister von Mathurá oder Bhárhut an die persische Architektur. Einen Vorläufer des eigenen Stilwerdeganges erblickten sie in dem nachbarlichen Säulentypus, der gleicherweise wie zur Zeit der heimische vom Holzbau auf den monumentalen Baustoff übertragen worden war, und zwar unter Beibehaltung aller kennzeichnenden Züge. Ganz abgesehen von der starken Glaubwürdigkeit, die ein assyrisch-persischer Einfluß in der Periode altindischen Holzbaues für sich hat, bot die persische Säule dem Hindu eine willkommene Norm während des unsicheren Übergangsstadiums. Zudem regte eben dieser persische Stil zu weiterem Ausbaue an, wies nicht völlig in Steincharakter umgesetzte, abgeschlossene Formen auf, wie die klassischen Ordnungen, denen sich trotz ihrer viel längeren Berührung mit indischer Kunst kein Interesse, keine willige Aufnahme bot. Ausschlaggebend stellte in Indien ein grundandrer künstlerischer Rassegeist der intellektuellen Harmonie des Westens die Herrschaft des Impulsiven, einer von paradiesischer Natur befruchteten Phantasie gegenüber. Findet doch diese ausgeprägte naturalistische Detailfreude auch die Behandlung des Perserkapitelles schematisch und sinnentsprechend zu wenig durchgeführt. Darum zeichnet sich bei Vermeidung jedweder Motivhäufung der Lát besonders durch feine Naturbeobachtung wie elegante Linie aus. Dort eine quastenähnliche Laubstilisierung, hier graziöse Blattschwellung. Dort das starre Einhornkragglied, hier ein lebendiger Wechsel der krönenden Skulptur, deren grundlegender Sattelholzgedanke an der Einzelsäule aufgegeben ist.
Diese Gliederentwickelung führt uns auf ein eingehendes Befassen mit der eigentlichen Entstehungstheorie der Láts. Folgende Punkte sind dazu nach meinem Dafürhalten als besonders wichtig in Erwägung zu ziehen. Erst als der Buddhismus um 250 v. C. zur Staatsreligion erhoben wird, tritt die Steinsäule auf. Die älteste Kapitellgestalt schließt sich eng an den persischen Typus an, während schon nach verhältnismäßig kurzer Frist nur die Grundform noch übrig geblieben, alle Ornamentik aber durch spezifisch indische ersetzt worden ist. Nie wieder tauchen im Altertum fremde Schmuckformen auf, mit Ausnahme der klassischem Einflusse unterliegenden Grenzlandschaften. Diese Hauptdata fügen eine Hypothese zusammen, die wohl ein gut Teil Wahrscheinlichkeit für sich hat.
Während der Brahmaismus allgemein die Vertreter arischer Rasse um[S. 15]faßte, fand der Buddhismus als neuer Glaube in den Turaniern, des Landes geborenen Künstlern, seine begeisterten Anhänger, in Asoka an ihrer Spitze, dem bedeutendsten Großkönig der indischen Geschichte. Denn die Lehre Gautamas ist nicht asketisch finster, sie gestattet ihren Bekennern eine freie Betätigung künstlerischer Sinnenfreude. Verkehr mit den Völkern jenseits des Indus hatte ein Bild gegeben von der vornehmen Monumentalität des Steinbaues. So taucht der Gedanke auf, der neuen, erhabenen Lehre jene ihrem Charakter würdige, unvergängliche Bauweise zu weihen. Asoka berief darum Künstler des benachbarten, steinbaukundigen Volkes der Perser als Sendlinge der neuen Technik. Am nächsten lag es nun für den königlichen Schützer des jungen Glaubens, die Grundzüge der Staatsreligion in allen Teilen seines gewaltigen Reiches an den Symbolen seiner Herrschermacht kundzutun. An Stelle der alten Holzstambhas ließ er seine berühmten Ediktsäulen errichten. Der teilweise, auffallend enge Anschluß an assyrisch-persische Motive im Gliederdetail deutet auf die statthabende Übernahme der fremden Steintechnik hin, während die allgemeine Kapitellgestaltung sich vielleicht schon im früheren Holzbau zu einer originell indischen Abart des persischen Urbildes entwickelt hatte. Das rasche Verschwinden dieser bloßen Dekoration läßt darauf schließen, daß sofort nach grundlegender Erkenntnis der Steinbehandlung die hochbegabten, eingeborenen Schüler der persischen Meister aus eigner Kraft schufen. Lediglich Glocke und Abakusskulptur bleiben bestehen, deren Weiterbildung die anschließende Beispielreihe verfolgen soll.
Zu Lauriyá Navandgarh (Abb. 9) tritt uns eine unversehrte Asokasäule[S. 16] entgegen, schlicht im Entwurf und vornehm in ihrer Wirkung. Ein hochstrebender, glatter Schaft von ca. 12 m Länge, ohne Basis, doch mit fein abgewogenem Kapitell. Als Halsglieder vermitteln Kugelschnur und Perlstab zu dem frei umrissenen Laubkranz. Die einzelnen Blätter sind wohl unterschieden, andrerseits aber wieder im Detail entsprechend der Fernwirkung modelliert. Sie enden, entgegen dem geraden Abschluß persischer Art, in naturalistisch eingezogenen Spitzen. Wenn in der beigebrachten Skizze der Durchmesser der Glockenform zu groß erscheinen will, so frißt ja bekanntlich die Luft und bewirkt dadurch am Orte nach dem Urteile von Augenzeugen einen harmonischen Eindruck. Als eine weitere Feinheit sei bei dieser Gelegenheit die Schaftverjüngung gewürdigt. Während der Inder bei seinen stützenden Säulen allgemein ähnliche Verhältnisse wie das klassische Altertum innehält, ist bei dem Stambha das Schwinden des Durchmessers infolge der bedeutenden Säulenhöhe durch nur geringes Reduzieren des oberen Radius unterstützt. Eine kräftige, runde Deckplatte mit krönendem Symbol schließt den schlanken Monolith energisch ab. Durch die Inschrift der Säule ist sicher erwiesen, daß das Werk aus Asokas Regierung stammt, und doch hat bereits ein echt indisches Tierornament, ein Zug Gänse, das persische Geißblatt verdrängt. Dies läßt die Lauriyásäule mit Sicherheit als Schöpfung eines eingeborenen Künstlers betrachten. Auf den durchgebildeten Löwen hat eine zusammenhängende Untersuchung der Látskulpturen Bezug. Carlleyle hat am Säulenfuße mit folgendem Ergebnis nachgegraben[4]. Etwa 60 cm unter der Oberfläche, also zur Zeit der Errichtung, da man auf beiläufig 30 cm Erdschicht ein Jahrtausend rechnet, in Erdgleiche, war ein Ring von geringer Abmessung angearbeitet. Nach einiger Fortführung saß dann der Schaft unmittelbar auf quadratischem Unterbaue auf. Selbstredend war derartige Gründung nicht Regel, sondern es entschied die jeweilige Bodenbeschaffenheit. So ist der Lo-Lát zu Rúp-bás in Rájputána ohne Abschnitt in Felsboden eingelassen, während andre Stambhas wiederum in ähnlicher Weise mit einem Unterbaue in festgefügter Verbindung stehen. — Obwohl im Detail abweichende Züge erscheinen, weist das Kapitell von Rámpurwa denselben typischen Charakter des letztbehandelten Beispieles auf (Abb. 7).
Insgemein zeichnen sich die Bildwerke der ersten Láts durch Entwurfsfreiheit und tadellose Technik aus. Wie ist wohl der hohe Entwicklungsgrad dieser Plastik aus dem 3. Jahrhundert v. C., da der Steinbau im Lande eben seinen Anfang genommen, zu erklären? Die Möglichkeit zweier Annahmen besteht, — eines eigenen Emporringens oder einer Übernahme von außen her. Die letztere dünkt mir die rechte. Hätte sich die altindische Skulptur allmählich entwickelt, so müßten Spuren vorangegangener Phasen entdeckt worden sein. Denn wenn vom Relief abgesehen wird, ist eine plötzliche Schwenkung etwa von hochentwickelter Holzschnitzerei zu der völlig wesensverschiedenen Freiskulptur in Stein undenkbar. Und würde nicht ein befähigtes Volk wie das indische, wenn es aus eigener Kraft bis zu diesem Hochstande aufgestiegen, weitere Fortschritte gezeitigt haben! Zumal in jener Epoche, da eine geistesverwandte Kunst ihm in der Behandlung des neuen Baustoffes umfassende Erkenntnis soeben übermittelt hatte. So bleibt nur das Aufpfropfen eines fremden Kunstreises anzunehmen, das im Folgenden Gegenstand eingehenderer Betrachtung bilden soll.
Wie ein selbständiges Kapitel ausführen wird, erstreckte die klassische[S. 18] Formenwelt ihre Machtsphäre bis an die Nordwestgrenze der Halbinsel, ohne indes im gesamten eigentlichen Indien Fuß fassen zu können. Es weist vielmehr die vorzügliche Arbeit der ältesten Látskulpturen unverkennbar auf die straffgeführte Plastik mesopotamischer Völker hin. Dieselbe Stilisierung des Haares, dieselbe sorgfältig studierte Anatomie der Muskulatur, dieselbe durchgebildete Behandlung, beispielsweise der Löwenpranken mit Hinterzehe und den einzelnen Krallen. Die dekorationsfreudige Phantasie des Inders verhält sich im allgemeinen abweisend gegen fremde Kunst, auch im vorliegenden Ausnahmefalle erscheint ihr insonderheit das schmückende Beiwerk zu kalt und dürftig. Jedes fremd zugeführte Motiv taucht in dem Quickborn heimischer Ornamentik unter, um eine neue, eigen indische Gestaltung anzunehmen. Bis heute hat sich die Hindukunst diese formenflüssige Verarbeitungsfähigkeit bewahrt. Bereits nach der dritten Kopie glaubt man ausgesprochen indische Formen vor sich zu sehen. Ähnliche Erscheinung ist am Kopfschmuck der Stambhas zu verfolgen, wie als Entwicklungsphase ein prächtiges Kapitell aus Sankissa (Abb. 10) veranschaulicht. Obwohl es in Umrißproportion und Detail noch am Grundcharakter der ältesten Ediktsäulen festhält, zeigt der Elefant als Sinnbild des Buddha schon rein indische Eigenheit.
Kurz nach Asoka versperrte nun das Auftreten des klassischen Stiles im Nordwesten dem Zuströmen persischer Belehrung den Weg. Einer Kunsterscheinung ohne eigene, grundlegende Entwicklung aber mußte es naturgemäß schwer fallen, die fremden Elemente zu weiteren Erfolgen zu führen. Deutlich verraten die Látskulpturen bereits ein halbes Jahrhundert nach dem Eintritt in den Steinbau Spuren des Niederganges. Unmögliche Verhältnisse und Ausdruckslosigkeit im Entwurf greifen immer mehr um sich. Noch kurz vor Fertigstellung eines Lát konnte der Steinmetz, um nach manchen späteren Beispielen recht scharf, aber wahr zu urteilen, aus dem Elefanten einen Löwen oder Spaltfüßler durch geringe Änderung entstehen lassen. — Auf diesen kurz beschriebenen Gesichtspunkt muß die Gesamtheit der Betrachtungen über altindische Plastik hinleiten.
Durch das weite Reich Asokas wurde der Typus der steinernen Láts aufgenommen und vorerst völlig gleichartig entwickelt. Voran schritt Besnagar als eine Residenz des Großkönigs, darum ist der folgende Stambha (Abb. 11) von erhöhtem Interesse. Als Grundzug macht sich dekorative Bereicherung[S. 19] des Kapitells geltend. Zu dem ursprünglichen, langblättrigen Kranz der Glocke tritt ein zweiter, kürzerer an der oberen Schwellung. Ein geflochtener Rundstab leitet zu dem bedeutenden, gegliederten Abakus über, welcher wie aus den runden und quadratischen Deckplatten älterer Beispiele zusammengesetzt erscheint. Auf das Steinzaunband als buddhistisches Dekorationskriterion sei hier nur im voraus hingedeutet. Oberhalb dieses Ornamentes fällt die Kapitellbildung im Vergleich zu den unteren Gliedern ab. Das Polster, welches sich späterhin zu einem Hauptmotive der Hindukunst entwickelt, ist selten zur Entstehungszeit der Säule. Schlechthin als verfehlt zu bezeichnen ist das Magara oder Krokodil mit seiner gezwungenen Vereinigung von Kopf, Schwanz und den viel zu kleinen Flossen. Die Vermutung, daß diese abschließende Skulptur etwa einer weit späteren Epoche zuzuschreiben sei, wird durch den monolithen Zusammenhang des Látkopfes hinfällig. Auch dieses verunglückte Tierstück diene als Illustration zur vorentwickelten Skulpturtheorie. Es zeigt das Gebilde, daß die Kunst des Bildhauers, da nicht in dem Grade geschult, wie nur eigenes Emporstreben ermöglicht, an diesem neuartigen Vorwurfe, dessen Lösung kein westliches Vorbild bot, versagte. Das Alter der Besnagarsäule kann auf nur wenige Jahrzehnte nach Asoka eingeschätzt werden, wie sich aus den Maßverhältnissen der Glocke ergibt, deren Höhe 7/10 des größten Durchmessers beträgt.
Diese Altersdefinition fußt auf einer Regel General Cunninghams[5], welche sich sorgfältigen und umfassenden Messungen zufolge noch stets bewährt hat. Der Forscher führt an einer ganzen Reihe von Beispielen aus, was hier nur kurz berührt werden kann. An der Asokasäulenglocke überschreitet das Verhältnis von Höhe zu Maximaldiameter nie 2:3. Bei den späteren Phasen jedoch wächst die Höhe, von dieser Proportion ausgehend, allmählich und fast gleichmäßig bis gegen Ende des 3. Jahrhunderts n. C., um dann weit rascher dem Höchstpunkte des doppelten Durchmessers im 4. Jahrhundert zuzustreben.
Diese wichtige Erscheinung wird nach meiner Ansicht durch folgende Betrachtung erklärlich. Mit gutem Grunde hatte der erste Meister, welcher den schlanken Lát als selbständiges Denkmal schuf, einen energischen Kopfabschluß als vorteilhaft erkannt. Ein gedrungener Kapitellcharakter nur konnte als Gegensatz zur starken Vertikaltendenz des Schaftes jene stolze Ruhe des Monumentes bewirken. Unbewußt aber wurde der indische Künstler von seinem formalen Schönheitsgefühle dahin geführt, zuliebe einer graziösen Glockenlinie die gedrückte Form durch Vergrößern des Höhenmaßes mit feinfühlender Hand zu ändern, gleitender zu gestalten. Und dies allmählich so lange fort, bis der Gedanke an den Urzweck jener niederen, kräftigen Asokaglocken entschwunden war. Was lag näher, als daß der Architekt nun mit Fleiß den Blattkranz entsprechend der gesamten Láterscheinung langgestreckt darstellte. An den anschließenden Stambhabeispielen soll fernerhin auf die Theorie Cunninghams durch Angabe der Glockenproportion Bezug genommen werden.
Wie mächtig auch der phantastisch-dekorative Trieb allgemein im indischen Bauschaffen zur Betätigung drängte, verharrte doch der Architekt gar lange bei seiner Überzeugung, daß die alte Einzelsäule in ihrer abgeschlossenen Eigenheit durch jede bedeutendere Änderung an Vornehmheit verlieren würde. Darin liegt gewiß ein gut Teil Wahrheit, aber leider verführte gerade solche Erwägung den Künstler zum anderen Extrem, zu kleinlichem Archaïsmus. Die Folgen der Unterdrückung architektonischen Rasseempfindens blieben nicht aus. Trotz aller archaïstischen Eifersüchtelei schlichen sich im Laufe der Zeit Verhältniswechsel und Gliederungsversuche ein, die, als rechtlos in ihrem vollen Ausleben gehemmt, den edlen Charakter der Láts beeinträchtigen mußten.
[S. 21] Als eine Phase solchen Vorganges sei der Monolith von Bhitari (Abb. 12), dessen Alter etwa auf 100 n. C. zu setzen ist, erwähnt. Der schlichte, schlanke Stambha der frühesten Epoche hat sich verkürzt und quadratische, hohe Basis angenommen, worauf die Inschrift von der Mitte des Asokaschaftes überführt ist. Deutlich verrät sich eine tendenziöse Einfachheit an den Übergängen zur Glocke, und doch hat die Behandlung der Vermittelungsglieder die ansprechende Eigenheit der Vorläufer eingebüßt. Der Blattkranz selbst, dessen Höhe beiläufig 9/10 seines größten Durchmessers erreicht, steht in seiner matten Schwellung hinter jener kraftvollen Linienführung der ältesten Werke zurück. An dem Gesamturteile des Rückschrittes, das sich aus diesen Einzelheiten kristallisiert, vermöchte wohl ein Auffinden des fehlenden Abakus nebst Kopfschmuck kaum etwas zu ändern.
Allerdings bekundet gerade die abschließende Skulptur als einzige Stelle des Lát, wo sich die dekorative Schaffensfreude des Hindu frei und unbeschadet der altertümelnden Gesamtgestaltung geben konnte, entschieden einen beredten Zug des Vorwärtsstrebens. Nur durch den geschilderten Niedergang der Plastik wird häufig die Freude an diesen Schöpfungen einer hervorragenden Dispositionsgabe getrübt. — Das einzelne Tierbild der Ediktsäule wandelt sich in der Folge der Zeit zu einer Fülle stetig wechselnder Neuwerte um. Ein Tierpaar in geradliniger oder überschnittener Anordnung trat wohl zuerst auf. Zu Mathurá (Abb. 13) dann zwei Paare liegender Fabelwesen mit Löwen- und Ochsenleibern, deren menschliche Köpfe entsprechend den Abakusecken gerichtet sind. An einem[S. 22] Beispiele von Sánchi (Abb. 14) ist ebenfalls zentrale Gruppierung von vier sitzenden Löwen angewandt. Die Tiere pflegen gemeinsam eins der buddhistischen Symbole, meist Dharma-chakra, das heilige Rad, zu tragen. Zu Chaumuhá[6] fand Cunningham zwischen jedem Löwenpaar eine weibliche Gestalt, eine Hand auf die volle Hüfte gestützt, die andre mit einer Blume erhoben. Zu Benares[7] halten acht Löwen ein Lotospolster empor, das wiederum als Träger zweier Rücken an Rücken stehender Krieger dient. Zu der mannigfachen Verwendung von Tier- und Menschengestalten tritt noch die der Flora. Kalpa-drúm, der mythische Glücksbaum der Inder, oder pflanzlich stilisierte Buddhistenembleme sitzen oft unmittelbar auf der immer massiger entworfenen Deckplatte. — Kurzum, ein unerschöpflicher Wechsel in Motiv und Gruppierung! Mag immerhin schematische, oft rohe Technik nicht zu leugnen sein, das eine[S. 23] beweisen die indischen Künstler an jedem Beispiele aufs neue, — die Meisterschaft einer großzügigen Dekoration. Jede Gruppe, jeder Aufbau ornamentaler Elemente ist mit sicherem, auf das Ganze gerichteten Blick gewählt und getroffen.
Selbstredend mußte die einseitige Entwicklung der krönenden Funktion doch einmal dazu führen, mit der archaïstischen Behandlung der Säule selbst[S. 24] zu brechen. Der Architekt überträgt auch auf den Látschaft die indischer Kunst ureigene Gliederung durch Variation polygonalen Querschnittes, welche, wie in dem Kapitel von der Stütze des näheren ausgeführt, dem Holzbaue[S. 25] des Landes entstammt. Damit wird eine Haupteigenheit der Einzelsäule aufgegeben. Hatte doch der Stambha bisher, im Gegensatz zu der konstruktiven Säule mit gebrochener Grundrißlinie, stets streng am runden Schafte festgehalten. Ein Typus von Besnagar (Abb. 15) aus dem 2. Jahrhundert n. C. ist als eins der frühesten Beispiele dieser markanten Entwicklungsstufe beigebracht. Der Schaft wechselt von dem Achteck zum Sechzehneck, um sich darauf in das achteckige Lotosblütenglied zurückzuformen. Von dem früheren Kreisquerschnitt bleibt lediglich 1 m, etwa 1/5 der ganzen Säule. Die Höhe der ohne vermittelndes Ornamentband ansetzenden Glocke beträgt 9/10 ihres größten Durchmessers. Der bedeutende Abakus geht aus dem Kreis ins Oktogon und davon ins Quadrat über. Als krönendes Motiv dient ein Trisúlemblem, welches über quadratischer Grundform geschmackvoll in Palmwedeln stilisiert ist.
Gleicherweise wie der berühmte Lohá-Khambha zu Delhi (Abb. 17) verkörpert der Guptamonolith zu Eran (Abb. 16), welcher im 4. Jahrhundert errichtet worden ist, eine der jüngsten Generationen direkter Stambhaentwicklung. Die insgesamt 13 m hohe Säule setzt quadratisch an, um nach 6 m in ein achteckiges Schaftstück von 2,5 m Länge überzufasen. Die langgestreckte Glockenform weist eine Höhe von 1,05 m bei 0,90 m Maximaldurchmesser auf. In herkömmlicher Art ist zum Abakus übergeleitet, dessen lastende Funktion durch einen kubischen Block verstärkt wird. Glatt an der unteren Hälfte, zeigt der Würfel an der oberen jedseitig zwei in einer Linie, aber entgegengesetzt gelagerte Löwen im Relief angearbeitet. Zwei Rücken an Rücken stehende Kriegergestalten schließen den Säulenkopf ab. — Zu solcher Phase hat sich der ursprüngliche indopersische Typus ausgebildet! Zwar ist auch in diesem schlanken Abkömmling noch ein Nachklang jener stolzen Eigenheit der Asokasäulen geblieben, doch verrät sich im übrigen so augenfällig das künstlich Gehaltene und unselbständig Gezwungene des Gebildes, daß das Ende dieser unmittelbaren Entwicklungslinie binnen kurzem fällig erscheint. Es bedurfte neuartiger Anregung, um den alten Vorwurf dem künstlerischen Weiterschreiten der Zeit anzuschließen! —
Weniger in stilistischer als vielmehr in technischer Hinsicht ist die nie rostende Eisensäule von Delhi (Abb. 17) des Interesses wert. Wohl wird von dem ehernen Weltwunder zu Rhodos berichtet, wohl haben werkfromme[S. 26] Buddhisten etwa seit dem 1. Jahrhundert n. C. gigantische Erzstatuen ihres Religionsstifters errichtet, aber alle diese Schöpfungen waren hohl, aus einzelnen Platten von Kupfer oder irgend welcher Legierung zusammengefügt. Der Delhilát indes ist massiv aus reinem Schmiedeeisen und bedeutet so bei seinen Abmessungen ein Siegesmal altindischer Technik. Eine Basis fehlt, der schlichte Rundschaft erreicht die Höhe von etwa 7 m bei einem unteren Durchmesser von 41 cm. Von der Glocke leiten außer dem Rundstab drei gerippte Polsterglieder zu einem fast würfelförmigen Abakus über, dessen krönender Schmuck nicht auffindbar ist. Für das wahrscheinliche Alter dieses Meisterwerkes der Schmiedekunst darf die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts gelten. — Als bedeutsames Moment dünkt es mir, daß der späte Nachkomme der alten Ediktsäulen in einem neuen Materiale erscheint, auf welches der Charakter eines ganz wesensverschiedenen Stoffes unmittelbar übertragen worden ist. Ein beredtes Zeichen des Stillstandes in der Látentwicklung! Der Künstler griff, um bei strenger Formentradition doch etwas Originelles zu schaffen, zu einem weit schwerer bildsamen Stoffe. Lediglich eine lokale Kunstlaune ist in der Eisensäule zu erblicken, ein letztes Aufflackern jener falschen archaïstischen Pietät zu einer Zeit, da gerade die volle Betätigung einer neubelebten Säulenausbildung einsetzte.
Mit dieser Umwälzung taucht der letzte unmittelbar erhaltene Rest persischen Kunsterbes in heimischer Formenwelt unter. Zugleich aber verschwindet ein gut Teil der organischen Klarheit, welche jenen alten Beispielen ihre stolze Ruhe verlieh. Die Dekoration übernimmt im Laufe der folgenden Látentwicklung die Alleinherrschaft und durchbricht damit den harmonischen Zusammenklang von System und Ornamentik, welchen die Einzelsäule der ersten Meister verkörpert. Oft ist das Schmuckwerk, im einzelnen betrachtet, von höchstem Reiz und Formenreichtum, doch in seiner Gesamtheit bedeutet es in der Architektur den Ausfluß ebenderselben zügellosen Phantasie, welche die älteste Literatur Indiens mit ihren Schöpfungen unübertroffener poetischer Zartheit und ethischer Größe auf Irrwege geführt hat.
Während der zweiten Hälfte des Altertums gewinnen die Láts hinsichtlich verschiedenartiger Verwendung stetig mehr Feld. Außer den eingangs dieses Kapitels erwähnten Funktionen finden sie besonders als Ehesäulen, als Maste farbenprächtiger Banner, als Satísäulen, d. h. Denkzeichen des frei[S. 27]willigen Flammentodes einer Witwe, oder als Leuchtenträger vor heiligen Stätten Verbreitung. Dieser vielseitige Zweck aber, zumal bei den einzelnen Glaubensspaltungen und der immer stärker mitsprechenden lokalen Verschiedenheit der Halbinsel, mußte wesentlich dazu beitragen, fernere Einheit des Látcharakters zu verhindern. Ja, es kann überhaupt von einem eigentlichen Stil der Einzelsäule nicht mehr die Rede sein, denn die entscheidende Stimme in der Säulenentwicklung steht etwa seit dem 2. Jahrhundert n. C. der Stütze zu. So läßt denn das Zusammenwirken dieser Verhältnisse die Látgestaltung bald episodenhaft aussetzen, bald auf Seitenpfaden sprungweise vorwärts eilen; so beginnen denn auch mehrere Typen nebeneinander herzuschreiten. Es kann bei den engen Grenzen dieser Abhandlung nicht einmal der Versuch unternommen werden, einen Ausblick zu bieten auf die verschlungenen Wege der Stambhaformen in den verschiedensten Teilen des Landes, bei den Dschainas, Saivas und Vaischnavas samt den untergeordneten Sekten. Dies müßte der besonderen Aufgabe eines (beabsichtigten) Essays über die mittelalterliche Säulenbildung Indiens einbegriffen werden. Hier sei nur erwähnt, daß bereits um 700 infolge innerer Wirren der Halbinsel ein undurchdringlicher Schleier vor der indischen Kunstgeschichtsforschung niedersinkt. Erst gegen 1000 enthüllen die einzelnen Glieder des Säulenstammbaumes zugleich ihre Züge in abgeschlossener Eigenheit. —
Erst nachdem das indische Kunstschaffen dem assyrisch-persischen Elemente Aufnahme gewährt hatte, erweiterte die klassische Formensprache ihre Machtsphäre bis zur Nordwestgrenze der Halbinsel. Altindiens architektonische Reste erweisen diese Priorität des indopersischen Stiles zweifellos. Wie erwähnt, bildete der Nordwesten eine persische Provinz, wovon die Verbreitung einzelner Motive ihren Ausgang nahm. Westlich vom Indus und Satledsch verdrängt nun klassischer Einfluß die alte Kunstschule, ohne indessen[S. 28] im gesamten übrigen Hindulande seinen Vorgänger abzulösen. Vielmehr erhebt er sich lediglich als ein Damm, der weiteren Zufluß persischer Formenlehre abschneidet. Die indische Volksseele wies im Gegensatz zu der Sympathie, welche sie jenen Motiven orientalischen Ursprunges entgegenbrachte, klassische Stilgebung entschieden ab. Höchstens etwa hatte eine Art kaum indirekt erkennbaren Ausgleiches statt, ähnlich der neuzeitlichen Erscheinung zwischen Europas und Japans künstlerischen Bestrebungen. Wie aber vermochte dann überhaupt die klassische Kunst bis zum Herzen Asiens, bis in jenes schon durchaus indische Grenzgebiet vorzudringen? Wie vermochte sie hier so festen Fuß zu fassen, so nachhaltige Spuren zu hinterlassen, nur dem Moslemitentum noch vergleichbar? Es lassen sich diese Fragen nicht mit Bestimmtheit beantworten. Alter, Abschluß und Eigenart dieser klassischen Strömung bilden in maßgebenden Gelehrtenkreisen Streitfragen, die noch der Erledigung harren. Denn die bisherigen Architekturfunde haben zu oft gerade entgegengesetzten Auslegungen und Vermutungen Anlaß gegeben. Sei es auch mir vergönnt, meine Ansicht über die historische und künstlerische Entwicklung indoklassischen Stiles in aller Kürze zu vertreten.
Das hellenistische Königreich Baktrien stand im 3. Jahrhundert v. C. in höchster Blüte. Erwiesenermaßen suchte die klassische Welt bereits damals wie in der nächsten Folge Beziehungen bis zum Indus anzuknüpfen, doch ohne wesentlichen Erfolg. Erst im 2. Jahrhundert v. C. leiteten die Yuetschi oder Skythen, aus dem Norden vorstoßend, ein neues Kapitel in der Geschichte des Gebietes von Baktrien bis zu den Ufern des Satledschs ein. Das Indusstromland, in der Hauptsache Gándhára und Pendschab, unterfiel der Herrschaft jenes skythischen Volkszweiges, welcher nach Kreuzung mit eingeborener Rasse ethnographisch als indoskythisch gekennzeichnet wird. In der anschließenden, indoskythischen Epoche der Grenzlandschaften nun unternimmt die klassische Formensprache den stärksten Anlauf gegen altindische Kunst, dessen Nachwirkungen bis ins Mittelalter angehalten haben. Das Indoskythentum gründet hier jene eigenartige Kolonie westlicher Kunst, während die späteren klassischen Strömungen, sei es nun aus Antiochia oder Rom oder Byzanz, in der Hauptsache wohl lediglich bewirken, dieser Kunstgemeinde der Diaspora frische Lebenskraft zuzuführen.
Ein interessantes Verhältnis ist es, in welchem diese Skythen zur helle[S. 29]nistischen Kunst stehen. In gewissem Sinne Vorläufer der Humanisten, erblicken sie, obwohl barbarischen Blutes, in klassischer Welt ihr Schönheitsideal. Wie Asoka die persische Steinarchitektur schützte und förderte, so findet klassische Kunst in Kanischka, dem bedeutendsten Indoskythenherrscher, einen eifrigen Protektor. Nun zwingt aber nicht etwa das Machtwort eines orientalischen Despoten die fremde Formensprache jenen Ländern auf, ohne Rücksicht auf freie Regung des Volkscharakters. Weit entfernt, daß hellenistisches Wesen jene Gebiete etwa völlig durchtränkt! Im Gegenteil, alle griechischen Elemente werden binnen kurzem von Indoskythentum und Buddhismus aufgesogen. Begünstigt ja naturgemäß die Abgelegenheit des klassischen Kunstzweiges von vornherein eine originelle Entwicklung, wie sie dem ureigenen Empfinden dieser Rassenkreuzung entspringt. Frei kann sich der barocke Geist des indischen Volkselementes in jener fernen Stilentfaltung geben, kann von griechischer Form ausgehend eine Bahn beschreiten, wie nimmer[S. 30] etwa — um durch gegenteiliges Beispiel zu betonen — das archaïstische, künstlerisch unproduktive Rom. Eingehendere Betrachtung wird erweisen, daß der ausgebildete indoklassische Stil in Wesenheit nur den Ursprung und einzelne hervorstechende Grundzüge dem Westen verdankt.
[S. 31] Indoskythische Architektur sucht ihre Betätigung allgemein in denselben Vorwürfen wie das eigentliche Hindutum, insbesondere an Viháras, den Klostergebäuden. Sie weist zwar in Kaschmir den dorischen und in Taxila den jonischen Säulentypus auf, doch erhellt aus diesen Fällen, daß der eingeborene Künstler nicht derart in die Wesenseigenheit der beiden Ordnungen einzudringen vermochte, um sie als Grundlage selbstschöpferischer Ideen zu verwerten. Einzelne Teile der schematisch behandelten Gebilde sind mit Ornamentfiligran überzogen, damit ist allgemein die weitere Ausgestaltung am Ende angelangt. Wie wäre aber auch ein Zusammenklang so völlig verschiedenen Rassenempfindens denkbar? Hier in dorischer wie jonischer Säule die reine Verkörperung intellektueller Kunstbegriffe, demgegenüber die dekorationsfreudige Phantasie des Hindu, deren Schöpfungen gewissermaßen improvisiert erstehen. Am ehesten mußte der korinthische Stil dem indoskythischen Volkscharakter zusagen. Die graziös bewegten Kurven des Akanthuslaubes, sein reiches Detail weckten ein verständnisvolles Interesse. So hat denn die indokorinthische Ordnung die bei weitem stärkste Verbreitung zugleich mit einer originellen Durchbildung erfahren.
[S. 32] Insonderheit auf das Thema der Einzelsäule bezüglich seien zwei charakteristische Stambhabeispiele aus Jamálgiri in Gándhára (Abb. 18 und 19) beigebracht. Auf den ersten Blick wird hellenistische Herkunft sehr wahrscheinlich. Im Gegensatz zu römischem Schematismus zeigen die achtblättrigen Akanthuskränze naturalistisch behandelte Blattgliederung. Dazu tritt als bedeutsames Moment der eigentümliche Abakus nach Art der bekannten epidaurischen Entwicklungsphase (Abb. 20) mit noch unverbrochenen Ecken, obwohl schon eleganter Seiteneinkurvung. — Doch kommen wir auf die Änderungen zu, die für indisches Kunstempfinden bezeichnend sind! Der Drang nach dekorativem Detailreichtum fügt den Laubkreisen des klassischen Urbildes noch einen vierten in gleicher Höhe mit dem Abakus bei. Die Deckplatte erreicht in ihrer Breite das 2½fache der gesamten Kapitellhöhe, während der klassische Typus nur der 1½fachen Maßzahl gleichkommt. Vielleicht will diese weite Ausladung unserem Gefühle die Gándhárasäule kopfschwer erscheinen lassen, doch dürfte solches Urteil einer voreinnehmenden Gewohnheit zu Unrecht entspringen. Die Gliederfolge klassischer Ordnungen ist nach dem Grundsatze wechselseitigen Tragens und Lastens entwickelt, nicht wie bei dem indischen Lát eigens zu dem Zwecke des Einzelstehens, des bloßen Emporhebens einer im Verhältnis leichten Skulptur. Wo sich eine klassische Einzelsäule im Westen findet, ist sie durchgängig nach der Architravstütze kopiert. Sicher würde ein solches Gebilde seltsam anmuten, wäre es nicht von klassisch geschulter Kritik sanktioniert. — Der Hindu hingegen betrachtet und gestaltet das Kapitell als das einzige Glied, welches die vertikale Tendenz der Einzelsäule nach oben zu durch Kontrastwirkung zu lösen vermag. Denn die krönende Skulptur erfüllt lediglich die Aufgabe eines rein dekorativen Abschlusses. Demzufolge hat die starke Ausladung der Akanthusblätter durchaus organische Berechtigung. Überdies verrät das ausbiegende Laub jedenfalls ebensoviel Naturtreue wie die klassische Auffassung, welche das Blattwerk um einen eigentlich tragenden Kern schmiegt. Selbst aber, wenn in alledem gegenteilige Meinung besteht, muß die künstlerische Unabhängigkeit, welche die indoskythische Architektur trotz ihres Ausgehens von klassischer Form in dieser Kapitellbildung hochhält, gerechterweise gewürdigt werden.
Weiterhin ein wichtiges Zeugnis der Schaffensfreiheit kündet wohl die Einführung menschlicher Gestalten zwischen das Akanthuslaub. Diese Statuetten[S. 33] des Buddha und seiner Jünger haben Anlaß zu viel wissenschaftlicher Fehde gegeben. Fergusson will aus der Tatsache, daß Figurenschmuck an dem griechisch-korinthischen Kapitell überhaupt nicht, an dem römischen Typus aber zum ersten Male in den Bädern des Caracalla erscheint, auf Herkunft und Alter der Gándhárasäulen schließen.[8] Sollte diese Skulptur wirklich derart schwerwiegende Beweiskraft, welche auf Analogiebildung in Rom gegründet ist, besitzen? Meines Dafürhaltens ist das ornamentale Beiwerk zu Zeiten entstanden, da in der Weltstadt kein Architekt derart barocken Gedanken Ausdruck zu verleihen gewagt hätte, gesetzt den Fall, daß ihn seine Phantasie in solche Verlegenheit bringen konnte. Lediglich einen Ausfluß indischer Dekorationsfreude stellen diese Figürchen dar. Das Künstlerauge sah in den überhängenden Blattenden natürliche Baldachine für kleine Gestalten, — wie nahe liegt doch diese einfache Erklärung!
An Stelle jener vermuteten Entlehnung der Figürchen aus der Spätzeit römischer Kunst sei besser der tiefgehende hellenistische Einfluß zur Beachtung herangezogen, welchen Grünwedel[9] in der Plastik Gándháras nachgewiesen hat. Die Lehre des Zweigeborenen kannte in alter, reinster Form keine plastische Darstellung des Buddha. Erst indoklassische Bildnerei schuf den Buddhatypus, wie er im allgemeinen bis zur Gegenwart herrschend geblieben ist. Lediglich unter diesem Gesichtspunkte ist bei den Stambhastatuetten ein klassischer Anteil festzustellen.
Rein technisch weicht das indoklassische Kapitell vom Urbilde dadurch ab, daß es aus einzelnen Teilen besteht. Die untere Hälfte des Akanthuslaubes wurde aus zwei, drei oder vier Stücken meist gleicher Größe mittels Eisenklammern zusammengefügt. Die obere Hälfte, welcher Voluten und Abakus einbegriffen sind, tritt stets viergliedrig auf. Zwei größere Stücke bilden Breitseiten mit je zwei Voluten, während die entstehenden Zwischenräume durch Zwickel geschlossen werden. Vermöge genauer Fugenarbeit wie geschickter Verklammerung erschien das ganze Kapitell an Ort wie aus einem Gusse. Beim Sturze der Säule allerdings mußte sich diese Konstruktion sofort lösen, da ein Tonschiefer Verwendung fand, der bruchfeucht vorzüglich bildsam,[S. 34] später aber leicht brüchig ist. Damit sind die Kapitellreste meist verloren, da die großen Stücke zersprangen, die kleinen als Bausteine weiter verwandt wurden.
Die bedeutende Ausladung des Gándhárakapitelles gewährt der krönenden Skulptur mit einer breiten Auflagerfläche weitgehende Dispositionsfreiheit. Ob die übliche Tiergruppe durch eine besondere Plinthe herausgehoben war, ließ sich bisher an keinem Funde entscheiden. Immerhin macht die starke Überschneidung von Akanthuslaub und Kopfschmuck der Säule eine derartige Anlage wahrscheinlich. Art und Zahl der Tiere wechseln auch bei dem indoklassischen Stambha. Die in Entwurf wie Ausführung gleich vorzügliche Elefantengruppe vorliegenden Beispiels (Abb. 19) mag irgend welchen symbolischen Abschluß, vielleicht durch Vermittlung von Reitern, gefunden haben. Welche Höhe der unkannelierte Schaft erreichte, ist nirgends zu ermitteln. Die Basis zeigt trotz beträchtlich veränderter Einzelgliederung noch direkten Anklang an die klassische Form. Das reiche Schattenspiel und das energische Ausladen des Kapitelles, ein geschickter Aufbau der Kopfgruppe, die emporweisende Schlichtheit der unteren Säulenpartie, — in der Gesamtheit vergegenwärtigt, gewiß ein elegantes, vornehmes Bild! Wohl mit derselben sicheren, feinfühlenden Hand hat zudem der Meister einzelne Punkte wie Statuetten, Lotosblüten, Abakusreliefs u. a. durch bisweilen jetzt noch erkennbaren Gold- und Farbenschmuck hervorgehoben und damit die Pracht seines Werkes gesteigert.
Die beiden Beispiele aus Jamálgiri genügen, das Verhältnis des indischen Kunstgeistes zu der Entwicklung klassischen Stiles im Nordwesten der Halbinsel erkennen zu lassen. Wenn auch von vornherein das eigentliche Indien die fremde Kunstsprache entschieden abweist, so bestimmt doch das indische Volkselement gar bedeutsam und eigenartig die von zuströmender Rasse mitgeführte Formengebung. Soll aber in besonderer Hinsicht auf altindische Säulenentwicklung die indoskythische Architektur kurz und bündig beurteilt werden, dann ist sie, zum mindesten insoweit klassischer Anteil in Betracht kommt, als episodisch zu bezeichnen. Der indoklassische Typus entbehrt jeden Einflusses auf den urindischen Säulencharakter! —
Der Stambha muß als alleiniger Vertreter der ersten Stufe indischer Säulenbildung gelten. Nach der frühesten Epoche aber treten Momente hinzu, die allmählich zu immer höherer Wichtigkeit aufsteigen. Einmal werden die besonders an Steinzaunpfeilern für den monumentalen Baustoff entwickelten heimischen Holzformen zu bedeutsamer Verwendung herangezogen. Dann aber übernimmt die Deckenstütze von dem Lát überhaupt die Führung und leitet nach ihren Bedürfnissen und Eigenheiten den Werdegang der altindischen Säule auf bestimmter Bahn. Vorliegender Abschnitt soll diese Vorgänge des einzelnen erläutern und begründen.
Die Literatur weit vor Asokas Zeit bezeugt ein Zusammenwohnen der Hindus in Dörfern und Städten, doch sind nicht die geringsten baulichen Reste dieser Frühzeit erhalten. Als Erklärung hierfür kommt der Baustoff der Siedelungen in Betracht. Die älteste Steinarchitektur der Halbinsel zeigt so enge Verwandtschaft mit dem Wesen des Holzbaues, daß dadurch unmittelbar auf vorausgehenden ausschließlichen Gebrauch der Zimmermannskunst hingewiesen wird. Das Land bietet seinen Söhnen ja auch die denkbar besten Bauhölzer, das Tékholz, das Bambusrohr u. a. Keine zwingende Notwendigkeit also, zu der weit mühevolleren Steintechnik zu greifen, wenn es nicht besonderer Zweck, etwa Wasserbau oder Schutz gegen Feinde, erforderlich machte. Der organische Kern der alten Holzbaukunst leuchtet klar aus den steinernen Nachbildungen hervor, — beiläufig ein Merkmal dafür, wie gewichtig die Konstruktion das Gesamtbild solch eines alten, wohl mit orientalischem Prunke[S. 36] geschmückten Holzbauwerkes bestimmt haben mag! Lange Erfahrung wie hochgesteigerte Fertigkeit in der Behandlung dieses bildsamen Stoffes haben die technische Möglichkeit geboten, die ausgeprägte Dekorationsfreude der indischen Kunst ungehemmt zu entfalten. Was Wunder, wenn das Wesen dieses Holzbaues mit seinem wechselvollen Formenreichtum dem Künstler so ans Herz gewachsen ist, so sein architektonisches Fühlen und Schaffen beherrscht, daß er sich davon bei neuem, ganz wesensanderen Materiale nicht loszureißen vermag. Bis weit zum Mittelalter hinüber ist es darum möglich, den Spuren des Holzcharakters selbst ins Detail nachzugehen. Das indische Steinbauschaffen des Altertums insonderheit bildet gewissermaßen einen einzigen großen Nachweis der wichtigen Stellung, welche in seiner Entwicklung der heimische Holzbau innehatte.
Allgemein ist ein Bestreben des Menschen nachweisbar, den nächsten Umkreis seiner Sakralstätten vom Profangetriebe abzutrennen. So drängte es auch den Buddhisten, Tempel und Stúpas zu umfriedigen. Hier nun setzt jener umwälzende Einfluß der neuen Lehre auf das indische Bauschaffen ein; Glaubensbegeisterung sucht den heiligen Orten durch monumentale Kunstsprache ein würdiges Gepräge zu verleihen. Ein ursprünglicher Balkenzaun wird unmittelbar in Stein übertragen, mitsamt Ornamentik wie Konstruktion. Dabei hat Granit oder zumeist derselbe feinkörnige Sandstein Verwendung gefunden, welcher sich auch zu den Láts als vorzügliches Übergangsmaterial bot. Bevor der bedeutsame Zusammenhang dieser »rails« mit dem altindischen Säulencharakter dargelegt wird, erscheint es unerläßlich, ihr Schema (Abb. 21) zu entwickeln. In Vierkantpfosten sind seitlich Bohlen von linsenförmigem Querschnitt eingestemmt; das Rahmholz ist durch Zapfen in seiner Lage auf[S. 37] den Ständern gefestigt. Die Pfosten zu Bhílsa oder Buddha-Gayá aus der Mitte des 3. Jahrhunderts v. C. weisen den vorerst quadratischen Grundriß auf, während an späteren Beispielen die Pfeilertiefe auf etwa zwei Drittel der Breite vermindert wird. Die Abfasung zu achteckigem Querschnitt ließ als unteren und oberen Übergang Halbkreisflächen, in der Mitte aber eine Vollkreisscheibe entstehen, welche zur Dekoration ja gleichsam herausforderten. Daß sich in der ornamentalen Behandlung dieser Stellen ein Anlehnen an das Lotosblütenmotiv assyrisch-persischer Formensprache kundtun soll,[10] erscheint gesucht. Kaum dürfte andrerseits dem Architekten die Vermutung Fergussons einleuchten, wonach die Halbmedaillons im Urbilde Metallplatten darstellen, die als Verbindung der lot- und wagerechten Zaunteile dienten.[11] Wie sich der verstorbene Forscher auch diese Konstruktion gedacht haben mag, erscheint sie doch bei der logisch-werkmäßigen Zimmermannskunst der Inder wenig glaubhaft. Wenn einmal eine Grundbedeutung dieser Rundornamente gesucht werden soll, so erscheinen dekorativ behandelte Köpfe von Holznägeln, durch welche bei einer früheren Konstruktion die Querhölzer mit den Pfosten in Verband gebracht waren, als wahrscheinlichste Erklärung. Die einseitige Ausbildung der Halbkreisscheiben ist danach lediglich als willkommener Übergang vom Vierecks- zum Achtecksquerschnitt zu betrachten. Der Künstler war sich dann des Ursprunges nicht mehr bewußt, wofür auch die häufige Verschiebung der Nagelköpfe an konstruktiv unrechten Ort und beiläufig das Auftreten der Medaillons an den Riegeln zeugen.
[S. 38] Diese Hauptzüge der Steinzaunpfeiler waren für Gestalt und Dekoration der deckentragenden Säule zu bedeutsamem Grade vorbildlich. Vielleicht steht schon das Verhältnis 1:4½ bis 5 von Seitenlänge des Grundrißquadrates zur Höhe, welches während des Altertums zumeist an der Stütze innegehalten wird, mit den gleichen Maßzahlen beim Zaunpfeiler in Zusammenhang, doch dürfte manchem diese Analogie zufällig erscheinen. So mag denn die Schaftgestaltung an dem Beispiel aus Amrávatí (Abb. 22), das einem Stúparelief entnommen ist, für sich selbst sprechen. Der Architekt hat den ganzen, unveränderten Zaunpfosten als Schaft zwischen Basis und Kapitell eingeschoben und dadurch eine tragende Säule geschaffen. Zwischen Elementen persischen Ursprunges das heimische Kantholz, durch Abfasung und Kreisornamente typisch belebt. Die einzelnen Motive nun, welche gleicherweise am Zaun- wie Deckenpfeiler bleibend im indischen Bauschaffen auftreten, erscheinen eingehender Beachtung wert.
Weitaus am wichtigsten erweist sich in der Folge der Querschnittswechsel, wie er nach Zimmermannsbrauch durch Kantenabfasung entstanden war. An dem Zaunpfosten selbst hemmt die Konstruktion zwar bald den Fortschritt solcher Gliederung, die Stütze jedoch führt auf gleichem Wege zu immer reicherer Formengebung. Indische Freude an wechselvollem Ornamentspiele erhebt die Abfasung der Kanten zu einem Hauptkennzeichen des Pfeilergepräges. Und die Herrschaft dieser Dekoration hat sich, obgleich nach jeweiligem Zeitgeschmacke häufigen Verhältnisänderungen zwischen den Schaftstücken der einzelnen Querschnittspolygone unterworfen, während aller Epochen bis zur Gegenwart erhalten.
Neben dem Motiv des ganzen Steinzaunes, welches in der buddhistischen Ornamentik unter anderem als Architravrelief hervorragende Rolle spielt,[S. 40] wird das Medaillon den geläufigsten Ausdrücken altindischer Formensprache hinzugefügt. Gern greift der Architekt, wenn es gilt, an Pfeilern eine einfache Grundgestalt in anderen Querschnitt oder sonstwelche ornamentale Bereicherung überzuführen, zu diesem altbewährten Kunstmittel, was einige Beispiele erläutern mögen (Abb. 23–26). Interessant ist an der Tempelsäule[S. 41] von Konch (Abb. 24) der Übergang aus dem Schafte zum Kapitell mittels der halben Rosette, welche sich mit dem entsprechenden Ornamente des Kragsteines zu einem Ganzen vereint. Aus neo-brahmanischer Zeit schon stammt der Pfeiler von Nawagaon (Abb. 25), und doch erinnert er noch unmittelbar an Zaunpfostengepräge. In der Ausbildung der Medaillons herrscht reiche Abwechslung. Neben dem stilisierten Blütenmotiv weisen die Scheiben allgemein eine Umrahmung auf, worein Stúpas, Bäume, Tier- und Menschengestalten (Abb. 26), ja ganze Scenen weltlichen und religiösen Lebens entworfen sind. Ein freies Künstlertum konnte sich an diesen Pfosten entfalten, — einzelnen frommen Schenkungen aus der Gemeinde. So bindet sich denn bei manchen Beispielen der Bildhauer überhaupt nicht an Fasung und Kreisornamente, sondern teilt, um den Spielraum seiner Dekoration zu erweitern, die Frontflächen des Vierkantpfeilers durch wagrechte Steinzaunbänder in mehrere Felder auf. Oder aber er beschränkt auch diese Gliederung auf ein Mindestmaß und arbeitet als Hauptmotiv eine einzige Figur an (Abb. 27). Auf groteskem Ungeheuer oder Zwerggeschöpf steht in sinnlich-anmutiger Pose eine Tänzerin. Deutlich verrät das Werk, wie der Künstler bestrebt war, das weibliche Schönheitsideal seines Volkes zu erreichen. Ein interessanter Beweis zudem gegen die Vermutung klassischen Einflusses auf ältestindische Bildnerei! Dort in griechischer Kunst reines, natürliches Ebenmaß aller Körperformen, hier hingegen der künstlerische Niederschlag einer üppigen erotischen Phantasie. — Eine merkwürdige Ähnlichkeit dieser Reliefgestalten mit manchen europäischen Skulpturen des Mittelalters ist nicht abzuweisen, obgleich selbstredend jeder Zusammenhang ausgeschlossen bleibt. In gleicher Auffassung wie der Wandschmuck assyrisch-persischer Pylonen zeigen die Torpfeiler der Steinzäune zu Bhílsa und Garhwá große, hütende Gestalten. Erst gegen Ausgang des Altertums greift die Verwendung angearbeiteter Einzelfiguren öfter auf die Stütze über.
Gerechte Anerkennung gebührt dem künstlerischen Hochstande dieser indischen Bildnerei in ihrer ältesten, besten Zeit, wie bei Gelegenheit der Láts bereits betont worden ist. Voll Leben und Naturtreue die scenischen Darstellungen, ausdrucksfähig und ausdrucksvoll die figuralen Gebilde, mustergültig im detaillierten Ornamententwurf, so betritt die Plastik an den buddhistischen Steinzäunen den Plan der Kunstgeschichte. Doch ihre zeitliche[S. 42] Folge bedeutet, wie schon erwähnt, eine einzige, nur episodenhaft unterbrochene Bahn des Niederganges. Wohl hat die Verquickung heimisch-orientalischer mit klassischer Bildhauerkunst im Indusstromgebiet auch späterhin vorteilhaften Zusammenklang ergeben, doch fand dieser eben keine Aufnahme in der skulpturellen Gesamtentwicklung Indiens, welche die gröbsten Mißgriffe aufweist. Verlieh man ja beispielsweise göttlich erhabenem Wesen durch kolossale Größe inmitten kleiner Gestalten, göttlicher Macht durch entsprechende Anzahl von Köpfen und Gliedmaßen Ausdruck. Dieser Entartung steht aber das eigentliche Bauschaffen, als raumbildende Kunst fußend auf praktischer Anschauung und Erkenntnis, ziemlich fern und leitet insonderheit die altindische Säulenbildung auf klar übersehbarem Wege vorwärts.
Stellt schon der Pfosten des Steinbalkenzaunes zu gewissem Grade eine Vorstufe der typischen Deckenstütze dar, so nähern sich die Säulen der Railtore, der Toráns, dem Ziele noch bedeutend mehr. Unmittelbar ist in solchem Toránpfeiler eine Übergangsphase der Látformensprache auf die konstruktive Säule erhalten. Freilich darf man dabei nicht an jenes bekannte Zauntor von Sánchi denken, welches gewöhnlich als Paradestück des Dekorationsreichtums oder des unendlich mühevollen Reliefdetails in kunsthistorischen Werken angeführt wird. Schon des späten Alters wegen (1. Jahrh. n. C.) erscheint dieses Exemplar der Toranlagen, deren Absenker sich bis zur Gegenwart erhalten haben in den Pailus und Torüs der gelben Rasse, für unsre Betrachtung nicht geeignet. Eher mag ein Beispiel aus Bhárhut (Abb. 28), wo sich seit der Entdeckung des Ortes durch Cunningham der Steinzaunforschung die ergiebigsten Quellen erschlossen haben, den Zusammenhang[S. 43] eines Toránpfeilers mit der Einzelsäule kundtun. Ein vergleichender Blick läßt erkennen, daß der Künstler gekoppelte Láts durch Verkürzung und Überführung des Schaftes in achteckigen Querschnitt zum Architravträger umgewandelt hat, ohne im übrigen die Eigenheiten des Stambha aufzugeben. Darin ist jene Grundregel altindischer Architektur bestimmt ausgesprochen, an der Einzelsäule den Querschnitt stets rund, am Konstruktionspfeiler hingegen polygonal zu wählen.
Soll aus dem vorliegenden Kapitel ein zusammenfassendes Ergebnis gefolgert werden, so spielt der Zaunpfeiler in der altindischen Säulenentwicklung bedeutsame Rolle. An diesem Gliede fand der Architekt die denkbar günstigste Gelegenheit, den heimischen Holzstil nach seines Volkes eigenem Fühlen in Steinformen zu verwandeln. Ohne Rivalität fremder Kunst konnte hier aus dem phantastischen Sinn des Inders für wechselvolle Gliederung und Ornamentik eine Dekoration, welche allmählich ausschlaggebende Wichtigkeit erlangte, ihre Grundzüge heranbilden. Denn der Künstler behandelte ja in jedem Pfeiler ein für sich abgeschlossenes Stück, das nicht, wenn verfehlt, ein ganzes Bauwerk für immer beeinträchtigen mußte, wie etwa bei den Grottentempeln der Fall. Gar mancher mit den Steinzaunpfosten verwandte Zug gemahnt in den weiteren Kapiteln daran, daß der Entwerfende zur Durchbildung des altindischen Pfeilers Erfahrung und Vorstudien dorther geholt hat. Jedes einzelne derartige Beispiel aber wird jenes Urteil Fergussons über den erst von neuer Forschung recht gewürdigten Steinbalkenzaun bestätigen, »that this was the feature on which the early Buddhist architects lavished all the resources of their art, and from the study of which we may consequently expect to learn most.«[12]
Nur an einsteinigen Werken wird es zur Hauptsache möglich, die Entwicklung der deckentragenden Säule Altindiens aus ihren einzelnen Phasen zu ununterbrochener Kette zusammenzufügen. Einmal weisen die[S. 45] frei errichteten Bauten Lücken unüberbrückbarer Zeitspannen in ihrer Reihe auf, wie ja kein einziges Beispiel aus der Epoche vor dem 3. Jahrhundert n. C. vorhanden ist. Andrerseits aber können sich ihre Reste infolge durch Klima wie Gewalt verursachten trümmerhaften Zustandes als Quellen der Forschung nicht entfernt mit den unversehrten Grottenanlagen messen. Zwar nur die innere Raumbildung zeigen die unterirdischen Werke, doch genügt dies vollkommen für das Thema vorliegender Abhandlung. Solche Gründe mögen für den Verfasser sprechen, wenn er zum Stammbaumentwurf des altindischen Pfeilers zumeist monolithe Schöpfungen als Illustrations[S. 46]material beibringt. Immerhin leicht wird es dem architektonisch geschulten Auge gelingen, den Charakter eines Grottenpfeilers unter Beibehaltung aller typischen Züge der jeweiligen Entwicklungsstufe zum Säulengepräge freier Konstruktion umzuwandeln.
Das Entstehen des monolithen Bauschaffens in Indien ist meines Dafürhaltens von folgendem Gesichtspunkte aus zu erklären. Bevorzugte heimische Architekten hatten die Monumentalität fremdvölkerischer Steinbauten empfunden und als Gesamtbild in der Erinnerung bewahrt, allerdings ohne die zugehörigen Konstruktionseinzelheiten. Dies führte denn darauf, Kultstätten aus dem Felsen herauszuarbeiten. Die erhabene Innenstimmung der vorschwebenden Monumentalwerke wurde damit in bisher unerprobtem Materiale erreicht, doch ohne steingerechten Organismus lediglich als formale Hülle. Vielmehr wurde alle Konstruktion noch im Sinne des Holzbaues gedacht und dargestellt. Darum in den frühen Grotten ein gleichsam zu Stein erstarrtes Holzgefüge, das, für den Neustoff an frei errichteten Bauten angewandt, versagt haben müßte. Hier aber im Schoße des Felsens bewirkte invornherein die Gesteinsstruktur den größten Teil der statischen Sicherheit. Nicht gar lange auch, so beginnt ja die formenflüssige Schaffensfreude indischer Kunst den ursprünglichen Holzcharakter zu einem Stile umzubilden, der konstruktiv wie ornamental dem Steine mehr und mehr entspricht.
Das Hauptgebiet des Grottenbaues ist vorzüglichen Materials zufolge der Gebirgszug der Westghats. Bevor aber eine anschließende Stufenreihe altindischer Pfeilerentwicklung dorthin führt, sei als Einleitung das älteste[S. 47] und einfachste Beispiel des vielgenannten Lomas Rishi-Kellers (Abb. 29) im Norden von Gayá erwähnt. Bei der Entstehungszeit dieser Grotte um die Mitte des 3. Jahrhunderts v. C. bietet ihr unmittelbares Konstruktionsnachbild von Holz in Stein den ersten Beleg für die bisher vertretene Theorie des Ursprunges raumbildender Steinarchitektur. Die Arbeit in Granit macht es erklärlich, warum der Hindu, welcher soeben noch in bildsamem Holze entwarf, an dem Pfeiler ohne jede schmückende Beigabe lediglich die Funktion im Aufbausysteme zum Ausdruck bringt. Im Zusammenhange mit der Gesamtkonstruktion zeigt die Stütze insofern Holzbaugepräge, als ein schlichtes Kantholz oben einwärts geneigt ist, um den Biegungskräften des eselsrückenförmigen Daches vorteilhaft zu begegnen. — Wenige Jahrzehnte späteren Alters, weist die Grotte von Bhaja (Abb. 30) ähnliche Technik auf. Auch hier einwärtshängend und noch ohne jede Gliederung nach den Grundregeln einer Säule, erscheint die achteckige Stütze lediglich als ein Teil des nackten Gerüstes. Einige Ornamentstücke waren bezeichnenderweise aus Holz angesetzt.
Es kann ja keineswegs in dem Rahmen dieses Essays liegen, eine beträchtliche Zahl altindischer Pfeilerbildungen beizubringen, die des Einzelstudiums harren, sondern nur ein Abriß ihres Werdeganges soll versucht werden. Besondere Gründe aber sprechen dafür, ein ungefähr gleichaltriges Gegenstück zur letzten Stütze nicht zu übergehen. Einmal mag der Ganesá Kumbha genannte Kellertempel von Cuttack (Abb. 31) ein Beispiel der beginnenden Pfeilerentwicklung im äußersten Osten bilden, dann aber trägt dieser Typus, im Gegensatz zu der Absteifung einer hochgestelzten Dachkurve zu Bhaja, horizontalen Deckenabschluß. Die daraus entspringenden Unterschiede treten deutlich hervor. Während dort der Pfeiler mehr als Glied des gesamten Konstruktionsgerüstes betrachtet erschien, neigt sich ihm zu Cuttack der Schwerpunkt der Durchbildung zu. Ein unbewußtes Gefühl für logische Trennung der Säule in Basis, Schaft und Kapitell scheint schon in dem Ganzen zu schlummern, doch lebte eben das unverkennbare Vorbild des Baumstammes noch zu sehr in dem Formensinn des Künstlers, als daß ein klares Aussprechen solcher Gliederung möglich gewesen wäre. Durch einbiegenden Kurvenanlauf ist das Gepräge sicherer Standfestigkeit erreicht, — eine Beobachtung wiederum, die wohl unmittelbar dem Wurzelansatze des[S. 48] Baumes entstammt. Erst in der Hälfte des Vierkantpfostens setzt Dekoration mit der Eckfasung an, die in drei Viertel Pfeilerhöhe zu quadratischem Querschnitt zurückführt. Senkrechte Stellung ist von der Stütze gerader Decke des Holzbaues beibehalten. Durch Ornament und Kurvenführung in Holzcharakter einstimmend, stellt die Kopfstrebe als Ganzes einen merkwürdigen Anhalt an solches Vorbild dar, weil sie als Steinkonstruktion logischer Berechtigung entbehrt. Seltsamer berührt es zudem, daß der Architekt damit nicht den Architrav, sondern die darüber lagernde Decke selbst zu stützen sucht. Soll man annehmen, ein gedankenloses Nachbilden habe derartigen Lapsus unterlaufen lassen? Wahrscheinlicher wohl stellt der Architrav den Unterzug einer der Pfeileranordnung entsprechenden Balkenlage vor, die von bewußten Kopfbändern verstrebt wurde. — Dieselben Glieder sind wiederum als Vorläufer gewisser dem mittelalterlichen Bauschaffen eigener Gebilde zu betrachten, die am Schafte ansetzend in der Mitte eines Joches einander gegen die Decke versteifen, während die Säule selbst als eigentliche Stütze des Architraves weiter emporsteigt. —
Nach den Erstlingswerken steinerner Raumbildung setzt nun merkbar die architektonische Begabung des indischen Volksgeistes ein, der nach Adamy[S. 49][13] »fähig gewesen wäre, das Vollendetste zu schaffen, seine Phantasie aber nicht losreißen konnte aus den Fesseln, in die der erschlaffende Reichtum einer allzugütigen Natur ihn geschlagen«. Ein halbes Jahrhundert kaum trennt die Grotten zu Bhaja und Cuttack von der zu Bedsá, doch welcher Unterschied! Die Bahn ist eingeschlagen, auf welcher die altindische Kunst Schritt vor Schritt vordringt zu eigener Steinformensprache. Mag ein Säulenkapitell der Vorhalle (Abb. 32) als Architekturtypus dieses Kellertempels gelten. Unverkennbar liegt eine Umbildungsphase des Lát in die tragende Säule vor. Ein frischer, selbstschöpferischer Zug aber durchweht die alten Formen. So stellt sich die Vermittlung von Glockenrund und viereckiger Deckplatte zwar noch als das übliche Wulstglied dar, doch wird dieses in wohlerwogener Absicht von einem den Abakusecken entsprechend gerichteten Rahmengestell umgrenzt. Die kleinen, schlichten Vierkantpfosten verkörpern dabei eine geschickte Ecklösung, welche sich günstig in die perspektive Kapitellwirkung einfügt. Konstruktiv wie ästhetisch einwandsfrei ist der frühere einfache Abakus der Ediktsäule als Unterlage des lastenden Architraves in eine Folge von vier einander überkragenden Platten verwandelt. Dagegen erscheinen die darüber lagernden Reiterskulpturen ohne Kritik ihrer konstruktiven Urbedeutung von dem Stambha übertragen. Obgleich der zu Grunde liegende Sattelholzgedanke des persischen Vorbildes dem altindischen Holzbaue ebenfalls geläufig war, ist er an dieser Plastik dem Künstler — seltsam, aber unleugbar — nicht zur Erkenntnis gekommen. Darauf läßt die Anordnung der Tierleiber, welche seitlich des Architraves und in halber Überschneidung vorgenommen ist, schließen. Ein zweckmäßiges Hineinkomponieren solcher Skulptur in die Masse eines Sattelstückes ist nicht denkbar. Unbewußterweise hat somit eine Rückkehr des rein dekorativ an dem Lát weitergeführten Motives zu seiner konstruktiven Entstehungsstelle stattgefunden, und auch dort wird ihm erst allmählich wieder die Rolle einer vermittelnden Architravunterlage beigelegt. Ob dabei die mehr und mehr geschlossene Anlage der Figuren einem vorteilhaften Herausholen aus dem Steinblocke, engerer Beziehung zum Holzurbilde oder auch dem Zusammenwirken dieser beiden Möglichkeiten zuzuschreiben ist, mag bis zu späterer Untersuchung dahingestellt bleiben. —
Die Vorhallensäule steigt regelgemäß als Träger gerader Decke lotrecht[S. 50] auf. Wie aber verhält sich das wachsende Verständnis im Steinbaue gegenüber den einwärts neigenden Stützen des gekurvten Daches? — Konstruktiv berechtigt strebten diese Steifen dem seitlichen Ausdrücken der Holzrippen entgegen, doch in Stein umgesetzt beansprucht die hochgestelzte Eselsrückendeckung den Pfeiler lediglich auf Vertikaldruck. Eine interessante Erscheinung ist es nun, wie der Architekt immer geringere Säulenneigung annimmt, je logischer er im neuen Materiale urteilen und konstruieren lernt.
Zur vollen Reife kommt diese statische Erkenntnis im Keller zu Kárli, wo genau senkrechte Säulenstellung eintritt. Mit dem Werke, dessen Beginn 78 v. C. fällt, ist ein Hochstand des altindischen Grottenbaues erreicht, wie er durch bisherige Funde nicht übertroffen worden ist. Frei und reizvoll entfaltet sich hier die Dekoration, und doch wieder ordnet sie sich zu rechtem Grade dem konstruktiven Organismus unter, welcher die Holzbaumängel der monolithen Vorläufer meidet. In dem gedämpften Lichte der Grotte erwecken wuchtige, enggesetzte Stützen mit reichem Kopfschmucke nach Schilderung Fergussons[14] wie andrer Augenzeugen[15] eine selten erhabene Stimmung. Der Pfeilerabstand, welcher der längsten Basisseite gleichkommt, bildet, gegenüber den beträchtlich größeren Säulenweiten der am Holzbausysteme hängenden früheren Beispiele, einen neuen Beleg dafür, daß der Architekt nunmehr im freikonstruktiven Bauschaffen das neue Material wesensgerecht zu verwenden[S. 51] weiß. Auf den ersten Blick fesselt der Pfeiler (Abb. 33) durch die Sicherheit der Proportion, welche sich hauptsächlich in der klaren Scheidung von Basis, Schaft und Kapitell sowie dem kraftvollen, doch keineswegs schwerfälligen Gesamtcharakter offenbart, und verdient so als hochwichtige Entwicklungsstufe der altindischen Stütze gerechte Würdigung. — Vom Boden bis zur Scheitelhöhe der Reiter erreicht die Säule 5,70 m. Der Architekt hat den Druck des Pfeilers als eines Trägers gewaltiger Last durch vermittelnde, abgetreppte Unterlagsplatten gleichmäßig auf größere Grundfläche verteilt. Mit dieser konstruktiv-praktischen Logik ist zugleich der ästhetische Zweck eines Überganges aus der Erdgleiche zu der straffen Vertikaltendenz des Schaftes erfüllt. Nun aber setzt unmittelbar über den Platten ein vasenförmiges Glied an, das in klassischer Kunst kein Gegenstück hat und darum unserem Formengefühle seltsam erscheinen mag. Woher dieses eigenartige Gebilde? — Die Analogie solcher Form in assyrisch-persischer Architektur dürfte ein Wegzeichen zur rechten Deutung bieten. Ein vergleichender Blick auf die Basis der Grottensäule von Iskelib (Abb. 34) beispielsweise ersieht dieselbe Grundgestaltung, deren Ursprungserklärung in der Kürze darzulegen versucht sei. — Die südliche Regenzeit bewirkte Fäulnis am Fuße der alten Holzsäule, deshalb wurde der Stamm durch eine Unterlagsplatte von Stein oder Bronze über den Boden erhoben. Um dabei die Zapfen- oder Einlaßöffnung gegen eindringendes Wasser zu schützen, umwickelte man die kritische Stelle anfangs mit Binsenseilen, daher in der alten Architektur des Orients oft ein oder mehrere Ringe als Basis. Fortgeschrittenere Technik aber hüllte den Pfostenfuß in einen Metallschuh, wie dies heute noch in Japan gebräuchlich. Dieser Schutz mag dem auf unsere Zeit überkommenen Türzapfen von Balawat (Abb. 35) geähnelt haben, nur wird die bronzene Hülle festen Standes wegen nicht spitz in den Unter[S. 52]bau eingelassen worden sein. Die rein formale Nachbildung des Schuhes in Stein hat nun die vasenförmige Basis ergeben, wobei aber unentschieden bleiben muß, ob dieser Grundbegriff auch dem indischen Holzbaue geläufig war, oder ob lediglich die Steinform aus persischer Kunst übernommen wurde. — Auf derartigem Basisgliede also erhebt sich zu Kárli ein achteckiger Schaft, dessen Diameter etwa ein Sechstel der Pfeilerhöhe bis Oberkante Abakus beträgt. Während an zeitlich kurz vorausgehenden Kapitellen die Querschnittsfigur des Schaftes ohne weiteres auf die Glocke übergeführt ist, vielleicht da als letzter Rest an die ehemaligen Einzelblätter erinnernd, steht hier eine eigenartige, belebende Kannelur in ansprechenderem Einklang mit dem polygonalen Schafte. Nach Art des Beispieles von Bedsá hat die elegante Überleitung der Glocke zu den vier Deckplattengliedern statt. Als krönender Schmuck des Abakus tragen zwei kniende Elefanten, gleich trefflich in Anlage wie Ausführung, je zwei verschlungene Gestalten. Die Komposition der Skulptur ist sichtlich aus einem vorstehenden Stück des Blockes entwickelt, der als Unterlage des Architraves dient, doch wird der Gedanke an bewußten Sattelholzursprung durch die Anordnung rechtwinklig zum Architrave hinfällig. —
Wenn das nächste Beispiel (Abb. 36) dem gegen die Grotte von Kárli stark abfallenden Nahapana-Keller zu Nassick, dessen Alter um das Ende des 1. Jahrhunderts n. C. einzuschätzen ist, entnommen wird, so geschieht dies außer unter dem allgemeinen Gesichtspunkte, eine fortlaufende zeitliche Reihe zu verfolgen, besonders als Stichprobe der ferneren Skulpturanlage auf dem Abakus. Es ordnen sich die geschlossen behandelten Höckerochsen als interessante Gruppierungsvariante in die Richtung des zwischengeschobenen Architraves, was deutlich erkennen läßt, daß hierbei höchstens der Gedanke einer gabelförmigen Sicherung gegen seitliches Verschieben, keineswegs aber[S. 53] einer Untersattelung zu Grunde liegen kann. Die schematisch-rohe Technik des Pfeilers hält in der Folge der Säulengebilde lange hinaus an. So trägt noch die Stütze der Gautamiputra-Grotte zu Nassick (Abb. 37) aus dem Anfange des 4. Jahrhunderts dasselbe Gesamtgepräge zur Schau. Diese Zeit des Verfalles bildet in der Architekturgeschichte Altindiens einen bedeutungsvollen Abschnitt. Es zeigt das Stocken der Ausbildung ererbten Formenschemas, daß der Künstler solch begrenztem Gebiete keinen Reiz mehr abzugewinnen vermochte. Sein Schaffensdrang brauchte und suchte neue Anregung, um vollkundig des Steincharakters Originelles hervorzubringen. So deckt sich diese Episode altindischer Kunst mit der häufigen und wohlerklärlichen Erscheinung, daß aus einer Brachzeit desto kräftigere Blüte entspringt.
Gegen Ende der Zeit zwischen der Entstehung beider Pfeiler keimt das[S. 54] neue Leben auf, wofür gerade an der Gautamiputra-Säule interessante Anzeichen nachzuweisen sind. Zwei Momente erscheinen hier, welche in der Folge rasch hervorragende Bedeutung erlangen. Einmal das Band um die Einkurvung der Glocke. Am vorliegenden Typus zwar entstehen dadurch Teilglieder, wie sie der Engländer drastisch als »pudding forms« zu bezeichnen pflegt, doch stellt ja allein schon der bestimmte Hinweis auf eine Stelle, wovon neue Formengebung des Kapitelles ihren Ausgang nehmen konnte und sollte, einen Markstein der Säulenentwicklung dar. — Als andrer Punkt nimmt die Abakuskrönung mit dem Beispiel der Gautamiputra-Grotte wirklich tragendes Gepräge an, indem sich die von dem Lát her bekannte, zentral nach den Deckplattenecken gerichtete Löwengruppe dem Architrave unterlagert. Man könnte billig zweifeln, ob der Architekt wohl mit klarer Absicht solch organische Verwendung gewählt habe, wenn nicht gleichzeitige und unmittelbar folgende Bildungen ähnlicher Art denselben Grundbegriff aufwiesen. Tatsächlich ist der Urzweck dieser Skulptur nunmehr neu entdeckt. Damit soll nicht gesagt sein, daß etwa im Steinbau eine allmähliche Rückentwicklung der rein dekorativ auf die Stütze übernommenen Plastik zum ursprünglichen Sattelholzgedanken stattgefunden habe, welcher gerade um diese Zeit durch die Halbinsel allgemeine Aufnahme zu finden beginnt. Eher mag umgekehrt dieses unmittelbare Nachbilden der heimischen Holzkonstruktion zur sinngemäßen Erkenntnis der Skulptur gewichtig beigewirkt haben.
Denn zum Hauptteile erweist sich der Holzbau Altindiens als Quickborn der Neugestaltung, die an den nächsten Beispielen das archaïstisch erstarrte Traditionsschema der Säule durchbricht. Grundzüge derselben Herkunft hatten im Vereine mit indopersischer Látformensprache die altindische[S. 55] Stütze als ausgesprochenen Typus erstehen lassen; jetzt wieder knüpft ein frischer Aufschwung der Säulenentwicklung engere Beziehungen zu diesem heimischen Kunstzweige an, im eigenartigen Umschaffen früherer wie Übernehmen neuer Motive. Als kennzeichnendste Neuform aber des Pfeilerbildes tritt eben das Sattelholz — oder, wenn man will, das Kragsteinglied — heraus, dessen Geschichte ein kurzer Überblick verfolgen mag.
Bekanntlich stellt das untergelegte Balkenstück ein zentralasiatisches Urmotiv dar, das sich nach Dieulafoy[16] an Blockbauten von Ghilan und Mazendéran (Abb. 38) bis zur Gegenwart erhalten hat. Als Beleg dafür, daß diese Konstruktion auch dem altindischen Holzbaue eigen war, mag ein interessantes Steinzaunrelief von Bhárhut aus der Mitte des 3. Jahrhunderts v. C. dienen (Abb. 38). Auf Steinbau überführt, bewahrt sich das Sattelholz als Kragsteinanlage, welche die freitragende Länge des Architraves verkürzt, konstruktive Berechtigung. Aus diesem Grunde hat es an frühesten, rein konstruktiv behandelten Granitbauten der Hindus Verwendung gefunden. Der sogenannte »große Kachahri« in Dhamnár (Abb. 39), um hierzu nur ein Beispiel unter mehreren herauszugreifen, zeigt auf dem schlichten Vierkantpfeiler allein das Kragsteinkapitell. Etwa vom 3. Jahrhundert n. C. ab prägte eine umfassende Verbreitung dieses Motiv allmählich zu einem Hauptzuge der stützenden Säule aus. Kaum absehbar erscheint der Wechsel der Durchbildung, welche das Glied dann insgesamt erfahren hat. Naturgemäß mußte der Kragstein stets unmittelbar unter dem Architrav bleiben, ganz unabhängig von Anlage und Ausgestaltung des eigentlichen Kapitelles. Vorerst folgt die Auskragung in ihrer Aufgabe, die Durchbruchsgefahr des Stein[S. 56]balkens zu verringern, lediglich dessen Richtung. Hat die einer Überblattung zweier Hölzer entsprechende Architravkreuzung statt, so werden[S. 57] vier Kragstücke erforderlich. Mit der Zeit aber findet diese Form teilweise zu rein dekorativen Zwecken Verwendung. Endlich begnügt man sich auch mit der Vierzahl nicht mehr, wie ja eine Regel des altindischen Architekturlehrbuches von Mánará[17] besagt, daß die Kragsteinanlage aus ein bis acht Strahlen bestehen kann, je nachdem Konstruktion oder Dekoration es beanspruchen. — Nach Einschaltung dieses Überblickes mag nun dem Kragsteinmotiv weitere Würdigung in der fortgeführten Beispielreihe altindischer Pfeilerentwicklung zu teil werden.
Nassick, dessen Säulen jene Periode des Niederganges vertraten, mag zu interessantem Vergleiche auch ein Beispiel der neuen Strömung beibringen. Der Yádnya Srí-Vihára, dem die Stütze (Abb. 40) entnommen, ist gegen Anfang des 5. Jahrhunderts einzuschätzen. Entschieden weist dieses Pfeilergepräge auf enges Anlehnen an ein Holzvorbild hin, sowohl mit dem konstruktiv klar entwickelten Sattelholzmotive als mit der schnitzartigen Gesamtbehandlung des Schaftes. Aus der Flacharbeit sind die pflanzlichen Ecküberhänge hervorzuheben, da sie einen der beiden Haupttypen fernerer Kapitellbildung andeuten, wie sie in den nächsten Abschnitten erläutert werden.
Hier aber sei weiter dem unmittelbaren Einflusse nachgegangen, welchen[S. 58] das Rückgreifen auf den Holzbau bewirkt hat. Mit Eifer und Geschick überträgt der Hindu eine gefällige Grazie wechselnden polygonalen Querschnittes, die durch reizvolles Ornamentspiel erhöht wird, auf den Steinpfeiler. Ein feinzügelndes Gefühl hält bei dieser Gliederung die schmückende Phantasie noch im rechten Geleise, so daß der Organismus des Gesamtgebildes klar den dekorativen Reichtum durchleuchtet. Aus den künstlerisch hochbewerteten Grotten Nr. 16 und 17 zu Ajunta, die aus der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts stammen, sind hierzu zwei Beispiele herausgegriffen.
Auf einer Plinthe, die dem Architrave parallel führt, setzt mit leichtem Anlaufe der kraftvolle Pfeiler des Vihára 16 (Abb. 41) an. Durch Fasung geht die Vierkantform zum Achteck und dieses dann zum Sechzehneck über. Nach kreisförmigem Bande nimmt der Schaft wieder Achtecksquerschnitt an, um endlich in quadratischer Platte seinen Abschluß zu finden. In abgeklärter Eleganz ladet darüber das Kragsteinglied der Architravrichtung folgend aus. — Grundzügige Ähnlichkeit und gleichen Hochstand zeigt das Beispiel aus dem Vihára 17 (Abb. 42) — und doch wieder eine verschiedenartige Lösung desselben Vorwurfes! Nach der Abfasung ins Achteck nimmt der Pfeiler in beiläufig ein Drittel Höhe unter Vermittlung typischer Halbmedaillons sechzehnteilige Kannelur an, und das gleiche Ornament führt hier[S. 59]von unmittelbar in quadratischen Schaftquerschnitt zurück. Die Kreuzanlage des Kragsteinkapitelles setzt sich aus zwei tragenden Figürchen in hockender Stellung und einer Achse ähnlich der am Bruderpfeiler von Vihára 16 zusammen. Die Decke bietet übrigens ein interessantes Nachbild altindischer Holzkonstruktion, wie sie auf der Halbinsel heute noch gebräuchlich.[18]
Die beiden Pfeiler können und sollen nur als Stichproben des Säulengepräges in den Ajuntagrotten gelten, wo ja jedes andere Beispiel für sich abgeschlossen behandelt ist. Mag Fergussons[19] Urteil als das eines Augenzeugen und bedeutendsten Kenners altindischer Architektur angeführt sein, dieser stets wechselnden Formengebung gerecht zu werden. Es besagt über Ajunta: »The pillars in these caves are almost indefinitely varied, generally in pairs, but no pillars in any one cave are at all like those in any other. In each cave, however, there is a general harmony of design and of form, which prevents their variety from being unpleasing. The effect on the contrary is singularly harmonious and satisfactory.«
Unwillkürlich schweift bei dieser Schilderung ein vergleichender Blick hinüber zu den europäischen Säulenbauten des Altertums. Jene abgeklärte Vollendung der klassischen Ordnung, die an ihr jeweiliges, bis ins kleinste erwogenes Gesetz der Verhältnisse gebunden, mangelt den altindischen Monumenten, wenn auch ein Kernsystem des Pfeilers als Leitmotiv alle seine Spielarten durchklingt. Doch, Hand aufs Herz, ob nicht ein Hauch der Eintönigkeit manche Werke der Antike umweht? — Gerade das unendlich wechselreiche Detail altindischer Säulenarchitektur wird demgegenüber immer aufs neue intime, eigenartige Reize offenbaren, immer aufs neue zu fesseln wissen.
Die gleiche frische Kunstströmung, welche so erfolgreich altindische Holzformensprache verarbeitete, durchbrach das erstarrte Glockenschema des ausschlaggebenden Säulengliedes. Wie am Beispiel des Gautamiputra-Kellers[S. 60] gestreift, entsprang jetzt aus dem altpersischen Motive, das seit 250 v. C. kaum von der Grundgestalt losgekommen war, nach wenigen befreienden Änderungen eine lebendige Entwicklung. Der Impuls solchen Aufschwunges wird in den Zentralprovinzen gegen Anfang des 3. Jahrhunderts n. C. merkbar, erst seit 400 etwa gewinnen aber neue Kapitellformen eine allgemeinere Verbreitung über die Halbinsel. Mannigfache Spielarten treten auf, doch tauchen sie zumeist in den pfadlosen Dschungeln indischer Ornamentik bald wieder unter, oder sie gelangen erst im Mittelalter zu wirklicher Bedeutung wie beispielsweise eine dem ägyptischen Palmenkapitell ähnliche Gestalt. Es ist schwer, einen geraden Richtweg durch diesen anfangs fast systemlos scheinenden Wechsel von Kapitelltypen zu finden, denn nicht Aufgabe dieser bescheidenen Abhandlung kann es sein, die Nebenzweige zu berücksichtigen. Manch schönes und interessantes Kapitell Altindiens wird darum hier vielleicht vergebens gesucht. Ich bitte diesbezüglich um Nachsicht und Verzeihung, doch halte ich nichtsdestoweniger an der Hoffnung fest, in rechter Weise eine Skizze der Hauptlinien des Kapitellstammbaumes zu entwerfen. Nur eine verhältnismäßig geringe Zahl sich aufeinander aufbauender Phasen ist herausgegriffen, — nicht immer die schönsten, doch möglichst kennzeichnende und lehrreiche Beispiele. An dem beschränkten Illustrationsmateriale aber sollen dafür Einzel- wie Gesamtanlage, Vorzüge wie Nachteile der jeweiligen Entwicklungsstufe eingehender kritisiert werden, als dies bei großer Kapitellzahl angängig wäre.
Zwei Haupttypen überragen am Stammbaume neuen Kapitellgepräges weit alle anderen Verästelungen — das Polster- und das Vasenmotiv. Und als bedeutsamere Form dieser beiden wieder muß die Vase mit Eckgerank unter dem Abakus gelten, welche durch das ganze Mittelalter noch gewichtigen Einfluß behauptet. Wie das nächste Kapitel im besonderen ausführen wird, gibt diese eigenartige Neuschöpfung auf ihrem Werdegange die Umrißkurve der alten Glocke auf. Der Paralleltypus hingegen bewahrt bis zu seinem Erlöschen am Ausgange des Altertums immerhin engeren Anschluß an solche Linienführung. Aber auch hierbei liegt ein völlig bedeutungsneues Motiv zu Grunde, dem vorliegender Abschnitt über das Polsterkapitell gewidmet sei.
Als eine Frühphase der direkten Entwicklungslinie — wenn anders solche[S. 61] Unterscheidung angehen mag — sei dem Chaitya 19 zu Ajunta ein Beispiel entnommen (Abb. 43). Der Keller ist in die letzten Jahrzehnte des 5. Jahrhunderts zu schätzen. In entfernter Ähnlichkeit mit persischem Typus erscheint das eng kannelierte Kapitell seiner Urbedeutung nach aus zwei Teilen bestehend, nämlich dem herabfallenden Kelchkranz und der aufwärts gerichteten Blütenkrone, einem nur vereinzelt auftretenden Gliede. Ein Band grenzt die obere Schwellung der Kelchblätter ab und verleiht mit derart selbständigem Motive dem Kapitell ein wesentlich anderes Gepräge. Allerdings steht die starke Einschnürung, welche den Umriß des ganzen Pfeilers stört, im Widerspruche mit dem naheliegenden Grundgedanken einer Befestigung des Laubes am Stamme.
Ohne Sinnverwandtschaft mehr mit dem ursprünglichen Blattkranze löst[S. 62] sich das Neuglied bereits an einem Kapitell des Chaitya 21 zu Ajunta (Abb. 44), der sich zeitlich dem vorhergehenden unmittelbar anschließt, in abgeschlossener Auffassung aus der Glockenlinie. Es mutet an, als habe dem Künstler bei Schöpfung dieses straffgeführten Wulstes eine festgeschnürte Packung, ein Unterlagspolster als Urbild gedient. Die gegenüber dem vorigen Beispiele geringere Einschnürung bewirkt eine entschieden günstigere Umrißkurve des Kapitelles. Der Glockenrest unter dem Bande erscheint fürder in eine stets wechselnde Folge von Profilen und Ornamentstreifen umgewandelt.
Die Entwicklungskette des Polsterkapitelles führt nunmehr zu den monolithen Werken Elloras, deren Alter etwa von 500 bis ins 8. Jahrhundert fällt. Gerade dieser Zeitraum weist die häufigsten Religionsspaltungen auf, weshalb es hier angebracht sein dürfte, einmal das Verhältnis altindischer Kulte zu der Formensprache des Landes zu streifen. Obschon die Hinduarchitektur bis zum Ausgange des Altertums vorzüglich im Sakralbau Betätigung suchte, vermochte dennoch keine der verschiedenen Glaubensrichtungen eine eigene Stilrichtung abzusondern. Vielmehr wurde das Bauschaffen von künstlerischer Gestaltungskraft, von der Logik der Durchbildung vorwärtsgeleitet, schritt unberührt hinweg über allen Konfessionswechsel. So sind zu Ellora drei Hauptreligionen baulich vertreten, ohne daß dies ein Architekturunterschied kennzeichnet. Darum ist auch eine stilbestimmende Einteilung allein nach dem Glauben der Meister, wie sie in kunstgeschichtlichen Werken oft versucht, kaum durchzuführen, in vornherein unmöglich aber in der gesamten zweiten Hälfte des Altertums. —
Begeistert vergleicht Le Bon[20] die besten Elloragrotten als »l'œuvre d'un peuple de génies« mit dem Tempel von Karnak als einem solchen »d'un peuple de géants«. Wenn auch alle Berichte von Augenzeugen den wirklichen Eindruck dieser Säulenhallen in reichem Farben- und Skulpturschmucke, im Glanze von Gold und Silber nur unbestimmt dem geistigen Auge zu skizzieren vermögen, so lassen doch die folgenden beiden Beispiele ihrer Pfeilerbildung zu gewissem, hier interessierendem Grade auf den architektonischen Gesamtcharakter schließen. — Vor allem tritt die gedrungene Wucht der Säule hervor. Wird zu bedenken gegeben, daß demgegenüber die frei[S. 63]konstruktive Stütze der gleichen Epoche durchgehends schlankeren, oft sogar das korinthische Verhältnis überschreitenden Schaft zeigt, so erscheint ohne weiteres erwiesen, daß statische Erwägung auf den gedrückten Pfeilertypus des Grottenbaues führte. Die gewaltige Auflast des überlagernden Gesteins kam zur Erkenntnis und drängte nach architektonischer Lösung, wie sie an so manchem Gebilde als gelungen zu bezeichnen ist. Diese mächtigen Stützen[S. 64] strömen eine ungemein ruhige und beruhigende Stimmung aus. Und doch wieder umwebt eine gefällige Grazie die schweren Massen mit reizvollem Ornamentspiel bei geschicktem Wechsel der Form.
Der Pfeiler des gegen 550 entstandenen Indratempels (Abb. 45) hat ebensoviel vorteilhafte wie abfällige Kritik erfahren. Ohne Rücksicht darauf gelte er hier lediglich als fernere Stufe der direkten Säulenlinie. Auf flacher, dem Architrav parallel führender Plinthe setzt eine Basis von abgewogenen Einzelverhältnissen an. Hauptsächlich auf Kosten des quadratischen, kannelierten Schaftstückes ist das wuchtige Säulengepräge erreicht. Ein schlichtes Profil leitet zu dem eigenartigsten Gliede der Stütze über. Wie die kräftigen Bärlappblätter nach oben ausbiegend graziös überfallen, das verleiht mit unaufdringlicher Eleganz dem schweren Pfeiler gewissermaßen emporstrebende Tendenz, — überdies eine interessante Erinnerung an den Urgedanken der Látglocke! Mit den einschnürenden Profilbändern erst beginnt der ehemalige Bereich des Blattkranzes. Mag immerhin diese übermäßige Einkurvung die Pfeilerlinie energisch nach oben weisen, unter rein ästhetischem Gesichtspunkte kann und muß sie verworfen werden. Wenn aber der schwellende Charakter des Polsters in manchen Kunstschriften als zu weichlich abgetan wird, könnte man dann nicht gleichen Rechtes die jonische Volute anfechten, welche noch quellendere Masse darstellt?
[S. 65] Bei stetem Wechsel des Kapitelldetails an jedem einzelnen Grottenpfeiler bleibt doch das Polstermotiv im Grundbegriffe abgeschlossen bestehen. Erläßlich scheint es darum, hierüber weitere Beispiele beizubringen. Nur ein Typus vom Schlusse der Baublüte Elloras sei noch herangezogen, um ein Streiflicht zu werfen auf den ausschlaggebenden Einfluß, welchen das rein ornamentale Element im letzten Verlaufe dieser Pfeilerbildung erlangt. Wahrhaftig, eine einzig dastehende Erscheinung — diese urindische formenflüssige Dekoration, deren Züge nahe Anklänge an alle Stilgebiete des Bauschaffens aufweisen, vom Altertume des Ostens und Westens bis zum kecksten Rokoko, von altchristlicher Kunst bis zur Spätgotik, und weiter bis zur Moderne! Naturgemäß lag bei einem Ausleben solch grenzenloser, allschmückender Phantasie die Gefahr nahe, daß dadurch der organische Aufbau überwuchert würde. Und tatsächlich lassen die Spätwerke des Altertums an der Säule immer größere Nachlässigkeit bei abwägender Wahl der Gesamt- und Einzelverhältnisse erkennen. So führt in den Grotten die übertriebene Betonung der Kopflast, zumal ein Stocken der entsprechenden übrigen Gliederdurchbildung eingetreten ist, zu schwerfällig-schwülstigem Pfeilercharakter, wofür eine Stütze des Kaïlasa von Ellora (Abb. 46) als Beleg dienen mag.
Das ganze Gebilde erscheint von der Wucht der Auflast niedergedrückt, und nicht mehr vermag die Dekoration diese Empfindung zu mindern. Breit absetzend trägt ein postamentartiger Block mit verjüngten Kanten ein sechzehneckiges Schaftstück, das infolge seines geringen Durchmessers und seiner kläglichen Höhenverkümmerung den Eindruck erwecken will, als habe der Architekt alle Zwischentrommeln brüsk unterschlagen. Fußornament, Einschnürungsprofile und Polster des Kapitelles vertreten hier im Gesamtumriß den letzten direkten Abkömmling der alten Glockenkurve, da mit der Kaïlasa-Grotte vom ausgehenden 8. Jahrhundert diese Hauptlinie für erloschen gelten muß. Nachdem, bis zum 11. Jahrhundert etwa, besteht eine Periode, die für architektonische Forschung in undurchdringliches Dunkel gehüllt ist. Später aber läßt der Säulenbau keine zweifellose Wiederaufnahme dieses alten Motivs erkennen.
Das letzte Beispiel bildet somit den Abschlußpunkt eines Jahrtausends altindischer Säulenentwicklung in lückenloser Folge. Zur Vervollständigung der Skizze sei nur noch ein Wort über die wesensgleiche Verbreitung solcher[S. 66] Form angefügt. Die monolithen Werke als wertvollste Quellen der Säulenkunde im indischen Altertum liegen weit über die Halbinsel verstreut. Doch ist allgemein derselbe Kapitellgrundzug zu verfolgen, wenn auch selbstredend gewisse lokale Unterschiede der Dekoration nicht ausbleiben, welche dem forschenden Kenner bedeutsame Merkzeichen bieten. So weisen beispielsweise im Süden Badami, im fernsten Osten Udayagiri die gleichen Säulenstadien auf wie Ajunta und Ellora. —
Eine Parallellinie zum Polstermotive nahm noch, wie eingangs vorigen Kapitels angekündet, von der Glockenform ihren Ursprung, um dann aber im Verlaufe der Entwicklung weit von dieser Umrißkurve abzugehen. In dem Vasenkapitelle mit Eckgerank entstand dabei, verglichen mit der Schwesterbildung, eine entschieden elegantere Anlage, die sich als eigenartiges Kennzeichen indischer Formengebung selbst durch das Mittelalter noch lebenskräftig erwiesen hat. Am besten dürfte eine Reihe einzelner Stufen den Werdegang und die organische Logik des Motives veranschaulichen. —
Zwei Stützen aus den Tempelbauten von Sánchi bilden die Einleitung. Der erste Pfeiler ist zeitlich nicht genau bestimmbar, doch wahrscheinlich etwa gleichen Alters wie der Trisúlstambha von Besnagar; der andre entstammt dem beginnenden 3. Jahrhundert n. C. Bei grundzügiger Ähnlichkeit treten doch die einschneidenden Änderungen hervor. Hier (Abb. 47) der frei herabfallende Blätterkranz, darüber ein kräftiger Rundstab als Vermittlung zu dem schweren Abakus, — insgemein unleugbarer Einklang mit dem Látkapitell derselben Zeit, wovon ein vergleichender Blick auf Abbildung 15 überzeugen wird. Gegenüber (Abb. 48) der spätere Typus, dessen Kapitelldetail zwei neue Momente beherrschen, das einschnürende Profil und der Fortfall oberster Glockenschwellung. Damit sind die ersten Schritte zur Neuform getan. Allerdings läßt an diesem Beispiele die Dekoration über einen Wandel grundlegenden Sinnes im Zweifel. Denn wenn ornamentale Blattspitzen der Halsprofilierung an den herabhängenden Laubkranz erinnern, so widerspricht dem andrerseits der Kopfabschluß der Glocke, da die einzelnen Kanneluren von[S. 67] oben her in leichter Kurve angeschnitten sind. Es scheint, als ob die Überschneidung in begrenztem Raume die Glockenschwellung flau wirken ließ und darum zu schärferem Schattenriß eben mit diesen Kerben führte, — also lediglich ein Ausfluß ästhetischen Empfindens ohne Rücksichtnahme auf bedeutungsgemäße Gestalt!
Es stellt aber dieses letzte Kapitell von Sánchi nur einen Übergang dar zu oben glatt abgeschnittener Endigung, wobei sich die Glockenkappe ähnlich wie[S. 68] der Hals in Profilbänder umsetzt. Ein Pfeiler aus Eran (Abb. 49), dessen Entstehung in die Mitte des 4. Jahrhunderts fällt, zeigt eine Frühstufe solcher Art. Energischer noch bringt die gegen 400 entstandene Stütze von Náchná in Bundelkhand (Abb. 50) die neue Umrißlinie zum Ausdruck, da alles schmückende Beiwerk an den kritischen Stellen auf das geringste Maß beschränkt ist. Insonderheit ist zu beachten, daß hier die Laubkranz[S. 69]dekoration vollbewußt angewandt erscheint. Der Architekt war demnach noch zu keiner andren Grundbedeutung der Kapitellgestalt gelangt, was weiterhin die Richtigkeit der Vermutung beweist, daß sein sicheres perspektivisches Gefühl trotz naturalistischer Unlogik den geraden Abschluß wählte.
Freudigen Eifers ergriff nun das dekorative Genie des Hindu die willkommene Aufgabe, der bislang sinnentbehrenden Glockenform mit weggeschnittener Kappe eine innere Bedeutung und zugleich eine demgemäße Durchbildung zu eigen zu geben — und das mit einem Erfolge, der voller Anerkennung wert ist. Gerade bei derart schroffem Kopfabschluß drängte besonders nachdrücklich, aber auch besonders erschwert jener alte Vorwurf zur Lösung, einen Rundquerschnitt des Kapitelles ungezwungen, elegant in die quadratische Deckplattenform überzuleiten. Das klassische Altertum hat in zwei vornehmen Schöpfungen dies Problem entwickelt, — immerhin aber hier bei der jonischen Ordnung nicht ohne eine gewisse Einseitigkeit und Gesuchtheit, dort bei der korinthischen nicht ohne ein Teil naturalistischer Unwahrheit. Und wenn dem Hindu auch keineswegs die künstlerische Fähigkeit und technische Vollendung der westlichen Meister zuerkannt werden darf und soll, so reicht doch wohl hinsichtlich organisch-logischer Berechtigung sein Überführungsentwurf, wie er im folgenden skizziert, nahe an die klassischen Typen heran.
Die gestaltende Phantasie legt der kappenlosen Glockenform die Bedeutung eines Gefäßes unter. In gleichem Maße, wie dieser Grundgedanke in indischer Formensprache regere Aufnahme findet, klärt sich allmählich die anfangs derbe Linienführung der Vase geschmackvoller ab. Dieser eigentliche Kernbegriff des Kumbha, das ist eines Wasserkruges, nimmt zwar selbst auf den kritischen Querschnittswechsel keine Rücksicht, wohl aber sein dekoratives Beiwerk. Am Zusammenschluß von Deckplatte und Vase entstehen unter den Ecken Stellen, wo ein vermittelndes Füllmotiv angebracht erscheinen will. Fernerhin aber kriecht die Kumbhakurve mit den einschnürenden Profilen, wie schon beim Polster, in den Pfeilerumriß hinein und verleiht dadurch dem Kapitell einen dürftigen und matten Zug. Diese Sachlage kommt dem Architekten im Verlaufe der Motivdurchbildung zur Erkenntnis, und so schaltet er durch dekoratives Betonen der Diagonalaxen des Abakus auf denkbar einfachste und geschickte Weise die Übelstände aus. An jeder Ecke ent[S. 70]springt ein Rankenbüschel aus der Vase, deckt durch sein volles, geschlossen behandeltes Laubwerk die mißlichen Blößen und senkt sich an späteren Bildungen, um bedeutenderen Schattenriß des Kapitelles zu erzielen, ganz allmählich bis zum Vasenfuße. Last not least steigert der Kontrast dieser Laubgehänge gegen den nach oben schwellenden Gefäßrumpf die emporstrebende Tendenz. Ich kann mich auf Grund umfassender Vergleiche der Überzeugung nicht verschließen, daß eben ein solcher Charakter das Kumbhakapitell an den freikonstruktiven Stützen häufigere Verwendung finden ließ als das gedrückte Polsterglied, dessen ureigenes Gebiet der Grottenbau mit[S. 71] gewaltiger Überlast blieb. An der Hand einiger Phasen sei diese Entwicklungsskizze der Vase mit Eckranken etwas weiter ausgeführt.
Zwei Pfeiler aus Eran und Udayagiri führen den Ansatz der Ecküberhänge ein. Man könnte in Frage ziehen, ob dieses Blattwerk trotz seiner ästhetischen Berechtigung in Wirklichkeit an Punkten möglich ist, wo der feste Verschluß der Vasenmündung durch die Deckplatte doch in vornherein ein Durchdringen der Zweige auszuschließen scheint. Wenn hier eine Deutung gesucht werden soll, so könnte ja der Gefäßrand irgend welche Ausschnitte als Überlaufsöffnungen enthalten, die von herausquellender Laubfülle verdeckt sind. Als kurze Büschel spielen hier die Überhänge noch lediglich eine zum Abakusquadrat vermittelnde Rolle. An der Säule des Narsinha-Tempels zu Eran (Abb. 51), der gegen 400 zu schätzen ist, hat der Künstler interessanterweise noch einen Rest der bisher geläufigen Überleitung als zur Deckplatte gehörig betrachtet und demzufolge die Überhänge erst unter diesem Profile entspringen lassen. Auch die Halsglieder des Kapitelles sondern sich noch in gewissem Sinne von der Vasengestaltung ab. Anders schon das wenige Jahrzehnte spätere Beispiel aus der sogenannten »falschen Grotte« von Udayagiri (Abb. 52)! Alle Profilbänder sind in die Kumbhaform klar einbezogen, was weiterhin den Ansatz der Eckranken unmittelbar unter die Deckplatte verschiebt.
Mannigfache Spielarten erweisen in der Folge die freie Bildsamkeit des neuen Kapitellvorwurfes. Ein Moment aber bleibt fest bestehen bei allem[S. 72] Wechsel der Verhältnisse — das gleichmäßige Anwachsen der Rankenlänge. Darum ist in dem jeweiligen Verhältnismaße dieses Gliedes zur Vasenhöhe ein untrüglicher Schätzungsanhalt für das Säulenalter zu erblicken. Da aber die Längenzunahme der Überhänge bei dem gestreckten Glocken- bez. Kumbhatypus jener Zeit übertriebene Vertikaltendenz der Stütze anzugeben droht, so nimmt die Vase durch Höhenverkürzung wieder gedrungenere Gestalt an.
Anschließende Beispiele, deren zeitliche Folge sich in den Jahrzehnten vor und nach 600 bewegt, gewähren interessante Einblicke in das rege Formenschaffen am Kumbhakapitell. In kraftvoll-klarer Schlichtheit läßt die Säule von Deo-Barnárak (Abb. 53) den grundlegenden Organismus hervortreten. Zu Jhelam (Abb. 54) ist das Laubwerk neuartig, welches auf ungezwungene Weise die Ecküberhänge verbindet. Vielleicht besteht hierbei ein Zusammenhang mit dem ver[S. 73]mittelnden Blätterwulst des Látkapitelles. Als Urmotiv wäre anzunehmen, daß dem vollen Vasenmunde ein Gebüsch entsprießt, welches die Deckplatte um ein Stück emporhebt. Der gleiche Grundgedanke ist bestimmter an einem Pilaster aus der Landschaft Orissa (Abb. 55) zum Ausdrucke gebracht. Wie eine Verquickung beider Hauptlinien der Kapitellbildung mutet dieses Beispiel an. Einem Polster gleicht der Vasenrumpf, aus dessen stark eingezogener Mündung ein volles Zweigbündel aufwächst, um den Abakusecken entsprechend auf die Schwellung überzufallen. Das Kapitell aus der Amrita-Grotte zu Udayagiri (Abb. 56) läßt bereits den Einfluß ahnen, dem auch das Vasenkapitell allmählich anheimfällt, — phantastischer Willkür! Beschwingte Fabelwesen treten hier beispielsweise an die Stelle der schlicht empfundenen Laubüberhänge. Doch sei es mit dieser einen Probe der Auswüchse, wie sie sich immer von neuem den Grundzügen des Motivs entsondern, bewendet.
Bei solchen Einzelstufen der Durchbildung ist zwecks klarer Erkenntnis der Grundbegriffe naturalistisch behandeltes Detail bevorzugt worden. Daneben[S. 74] nun machte sich noch eine stilisierende Richtung geltend, die ja häufig schon durch die Materialbeschaffenheit bedingt war. Ein Beispiel aus Eran (Abb. 57) zeigt die Sicherheit, welche dem Hindu auch bei dieser Behandlung eigen war. Außerdem ergaben sich zwischen beiden diametral gegenüberstehenden Linien die verschiedenartigsten Kreuzungen. Gerade diese wechselvolle Formengebung aber trug bedeutsam dazu bei, das Kumbhakapitell von abgeschlossener Reife, wie sie den klassischen Kapitellgedanken beschieden, abzuhalten. Immerhin bietet allein sein Organismus ein fruchtbares Motiv, das wohl wert erscheint, in das moderne Kunstschaffen aufgenommen zu werden.
Vielleicht hat es verwundert, daß bei sämtlichen Pfeilern vorliegenden Kapitels die zumeist recht interessante Schaftgestaltung unberücksichtigt geblieben ist. Dies findet Grund darin, daß diese allgemein entsprechend bereits behandelter Entwicklung statthat. Ergänzender Erwähnung nötig erscheint nur noch ein Wechsel der Gliederverhältnisse, der mit dem Vasenkapitell verbunden gegen die Rüste des Altertums fast typisch auftritt. Der quadratische Pfeilerfuß — gleichgültig, ob mit oder ohne Basisgliederung, — gewinnt immer mehr an Höhe, bis zu etwa zwei Drittel der gesamten Schaftlänge, wodurch für das Abfasen in polygonale Querschnittsformen ein beschränktes Feld übrig bleibt. Der quadratische Teil entbehrt jeden Schmuckes. Vielmehr wird alle Dekoration auf das obere Stück gehäuft.
Die Skizze des altindischen Stützencharakters ist damit zu Ende geführt. Denn es erscheint nicht erforderlich, hierzu auf die klassische Strömung an der Nordwestgrenze der Halbinsel einzugehen. Nicht wie bei den Láts Gándháras regte in der konstruktiven Säule ein nur der Heimat eigentümlicher Vorwurf den Architekten an, aus fremder Formensprache heraus Originelles zu schaffen. Wo der Hindu in diesem Gebiete veranlaßt wurde, die abendländischen Ordnungen zur Stützenbildung zu verwenden, da begnügte er sich, abgesehen vom indokorinthischen Stile, im Grunde damit, einzelne Teile mit Ornament zu überziehen. So muß denn eine zusammenfassende Kritik trotz jener lokalen Kreuzung heimischen Geistes mit der korinthischen Ordnung entschieden der klassischen Kunst jeden Einfluß auf eigentlich indischen Säulencharakter absprechen.
Einen ungewundenen Richtpfad durch das Labyrinth altindischer Säulenformen haben wir in den vorausgehenden Betrachtungen gefunden; feste Grundzüge der Entwicklung leuchten durch den vorerst verwirrenden Schleier einer phantastischen Dekoration. Die einzelnen zu vollen Begriffen abgeschlossenen Bildungen halten sich sehr konservativ im Säulencharakter. Wenn nun auch rituales Gesetz die Tradition einmal sanktionierter Motive gefestigt haben mag, so liegt der Hauptgrund dieser Erscheinung doch wohl darin, daß der Hindu eine organische Logik als Lebensbedingung gedeihlichen Weiterschreitens erkannt hatte und zu wahren bedacht war. Welcher hohen künstlerischen Selbstzucht es aber hierzu benötigte, läßt sich schon aus vorliegendem Essay zu gewissem Grade ermessen. Immerhin gibt ähnlicherweise, wie in der altindischen Literatur die Poesie auf die abstraktesten Wissenszweige bedeutsam hinüberspielt, in der Architektur mehr ein freies Gefühl für die Harmonie der Verhältnisse, ein sicher disponierender Blick den Ausschlag als konstruktives Gesetz.
In solchem Sinne ist des besonderen der tausendjährige Säulenstammbaum aus selbständiger Formenwelt heraus erstanden. Einzelne persische Teile, deren wichtigsten die Glockenform des Kapitelles darstellt, sind zwar in der Grundlage dieser Entwicklung enthalten, doch setzt hier unmittelbar jener eigen indische Schaffensgeist ein, dessen Pulsschlag in den Jahrhunderten n. C. besonders fühlbar wird. So darf mit vollem Rechte das abschließende Urteil, welches Adamy für seine geistreich und begeistert geschriebene Ab[S. 76]handlung[21] über altindische Architektur Babu Rájendra Lála Mitra's »Antiquities of Orissa« entnimmt, auf die altindische Säule spezialisiert werden:
»Sie hat ihre eigentümlichen Linien, ihre eigentümlichen Verhältnisse, ihre eigentümliche Formensprache: sie alle tragen das Gepräge eines Stiles, der ausdrückt, was das Volk, welches ihn in seiner Eigenart bestimmte, dachte und fühlte und meinte, und nicht, was ihm durch Fremde an Glauben, Farbe und Rasse zugetragen war. Abgesehen von wenigen unbedeutenden Ornamenten dieses Stiles sind seine Fehler und seine Verdienste seine eigenen, und die verschiedenen Formen, die er in den verschiedenen Provinzen angenommen hat, sind alle Modifikationen oder Umwandlungen einer einzigen und ursprünglichen Idee nach lokalen Verhältnissen.«
mit Angabe der Quellen.
Abbildung | Seite | |
1. | Übersicht von Altindien (Fergusson, Indian architecture) | 5 |
2. | Säule aus Persepolis (Perrot et Chipiez, L'art dans l'antiquité) | 9 |
3. | Ornament vom Hals einer Asokasäule (Fergusson, Ind. archit.) | 10 |
4. | Buddhistische Symbole (Fergusson, Ind. archit.) | 11 |
5. | Säulen nach Reliefs aus Yusufzái (Cunningham, Archaeological survey of India) | 12 |
6. | Säulen nach Reliefs aus Yusufzái (Cunningham, Arch. surv.) | 12 |
7. | Látkapitell aus Rámpurwa (Cunningham, Arch. surv.) | 13 |
8. | Säule aus Susa (Perrot et Chipiez, L'art dans l'ant.) | 13 |
9. | Lát von Lauriyá-Navandgar (Cunningham, Arch. surv.) | 15 |
10. | Kapitell aus Sankissa (Cunningham, Arch. surv.) | 17 |
11. | Magara-Lát von Besnagar (Cunningham, Arch. surv.) | 19 |
12. | Monolith von Bhitari (Cunningham, Arch. surv.) | 21 |
13. | Abakusskulptur aus Mathurá (Cunningham, Arch. surv.) | 22 |
14. | Látkapitell aus Sánchi (Cunningham, Arch. surv.) | 23 |
15. | Trisúl-Lát von Besnagar (Cunningham, Arch. surv.) | 23 |
16. | Eisensäule von Delhi (Fergusson, Ind. archit.) | 24 |
17. | Gupta-Säule von Eran (Cunningham, Arch. surv.) | 24 |
18. | Indokorinthisches Kapitell aus Jamálgiri (Cunningham, Arch. surv.) | 29 |
19. | Indokorinthischer Lát aus Jamálgiri (Cunningham, Arch. surv.) | 30 |
20. | Kapitell von Epidauros (Durm, Baukunst der Griechen) | 31 |
21. | Schema eines Steinbalkenzaunes | 36 |
22. | Säule nach einem Relief aus Amrávatí (Fergusson, Ind. archit.) | 37 |
23. | Pfeiler aus Arang (Cunningham, Arch. surv.) | 38 |
24. | Pfeiler aus Konch (Cunningham, Arch. surv.) | 39 |
25. | Pfeiler aus Nawagaon (Cunningham, Arch. surv.) | 39 |
26. | Steinzauneckpfeiler von Buddha-Gayá (Cunningham, Arch. surv.) | 40 |
27. | Steinzaunpfeiler aus Mathurá (Cunningham, Arch. surv.) | 40 |
28. | Torán-Pfeiler aus Bhárhut (Cunningham, Arch. surv.) | 42 |
[S. 78]29. | Lomas Rishi-Keller bei Gayá (Fergusson, Ind. archit.) | 44 |
30. | Grotte von Bhaja (Fergusson, Ind. archit.) | 45 |
31. | Pfeiler aus Cuttack (Fergusson, Ind. archit.) | 46 |
32. | Kapitell von Bedsá (Fergusson, Ind. archit.) | 48 |
33. | Pfeiler von Kárli (Le Bon, Les monuments de l'Inde) | 50 |
34. | Grottensäule von Iskelib (Perrot et Chipiez, L'art dans l'ant.) | 51 |
35. | Türzapfen und Basisschema von Balawat (Perrot et Chipiez, L'art dans l'ant.) | 52 |
36. | Säule der Nahapana-Grotte zu Nassick (Fergusson, Ind. archit.) | 53 |
37. | Säule der Gautamiputra-Grotte zu Nassick (Fergusson, Ind. archit.) | 53 |
38. | Holzsäule aus Mazendéran (Dieulafoy, La Perse) und Steinzaunrelief aus Bhárhut (Fergusson, Ind. archit.) | 54 |
39. | Pfeiler aus Dhamnár (Cunningham, Arch. surv.) | 55 |
40. | Säule des Yádnya Srí-Vihára zu Nassick (Fergusson, Ind. archit.) | 56 |
41. | Säule des Vihára 16 zu Ajunta (Fergusson, The rock-cut temples of India) | 57 |
42. | Säule des Vihára 17 zu Ajunta (Fergusson, Ind. arch.) | 58 |
43. | Säule des Chaitya 19 zu Ajunta (Le Bon, Les mon. de l'Inde) | 61 |
44. | Säule des Chaitya 21 zu Ajunta (Fergusson, The rock-cut temples of India) | 61 |
45. | Säule des Indra-Tempels zu Ellora (Romberg-Steger, Geschichte der Baukunst) | 63 |
46. | Säule des Kaïlasa-Tempels zu Ellora (Fergusson, Ind. archit.) | 64 |
47. | Säule aus Sánchi (Cunningham, Arch. surv.) | 67 |
48. | Säule aus Sánchi (Cunningham, Arch. surv.) | 67 |
49. | Säule aus Eran (Cunningham, Arch. surv.) | 68 |
50. | Säule aus Náchná (Cunningham, Arch. surv.) | 68 |
51. | Säule des Narsinha-Tempels zu Eran (Cunningham, Arch. surv.) | 70 |
52. | Säule der »falschen Grotte« zu Udayagiri (Cunningham, Arch. surv.) | 70 |
53. | Säule aus Deo-Barnárak (Cunningham, Arch. surv.) | 71 |
54. | Säule aus Jhelam (Cunningham, Arch. surv.) | 72 |
55. | Pilasterkapitell aus Orissa (Fergusson, Ind. archit.) | 72 |
56. | Säule der Amrita-Grotte zu Udayagiri (Cunningham, Arch. surv.) | 73 |
57. | Säule aus Eran (Fergusson, Ind. archit.) | 73 |
Adamy, R., Architektonik des orientalischen Altertums. Hannover. 1881.
Cunningham, A., Reports of the Archaeological Survey of India. I–XXIII. Calcutta. 1861–87.
Dieulafoy, L'Art antique de la Perse, Achéménides, Parthes, Sassanides. I–V. Paris. 1884–85.
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Grünwedel, A., Buddhistische Kunst in Indien. Berlin. 1893.
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Perrot, G., et Ch. Chipiez, Histoire de l'Art dans l'Antiquité. I–VI. Paris. 1882–94.
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Smith, E. W., Portfolio of Indian Architectural Drawings. London. 1897.
[1] Fergusson, History of Indian and Eastern Architecture.
[2] Cunningham, Archaeological Survey of India, Vol. I, XVI.
[3] Cunningham, Arch. Surv., Vol. V.
[4] Cunningham, Arch. Surv., Vol. XVI.
[5] Cunningham, Arch. Surv., Vol. X.
[6] Cunningham, Arch. Surv., Vol. XX.
[7] Cunningham, Arch. Surv., Vol. III.
[8] Fergusson, Hist. of Ind. a. East. Archit.
[9] Grünwedel, Buddhistische Kunst in Indien.
[10] Le Bon, Les Monuments de l'Inde.
[11] Fergusson, Hist. of Ind. a. East. Archit.
[12] Fergusson, Hist. of Ind. a. East. Archit.
[13] Adamy, Geschichte des orientalischen Altertums.
[14] Fergusson, Hist. of Ind. a. East. Archit.
[15] Journal Bombay Branch of the Royal Asiatic Society, Vol. V; u. a. O.
[16] Dieulafoy, L'Art antique de la Perse.
[17] Rám Ráz, Essay on the Architecture of the Hindus.
[18] Fergusson, Hist. of Ind. a. East. Archit.
[19] Fergusson, Hist. of Ind. a. East. Archit.
[20] Le Bon, Les Monuments de l'Inde.
[21] Adamy, Architektonik des orientalischen Altertums.
Druck von Grimme & Trömel in Leipzig.
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