The Project Gutenberg eBook of Der Weltkrieg, III. Band This ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this ebook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook. Title: Der Weltkrieg, III. Band Author: Karl Helfferich Release date: May 25, 2016 [eBook #52159] Language: German Credits: Produced by Peter Becker, Jens Nordmann and the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This file was produced from images generously made available by The Internet Archive) *** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER WELTKRIEG, III. BAND *** Produced by Peter Becker, Jens Nordmann and the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This file was produced from images generously made available by The Internet Archive) Der Weltkrieg von Karl Helfferich III. Band Vom Eingreifen Amerikas bis zum Zusammenbruch [Illustration] 1919 Verlegt bei Ullstein & Co in Berlin =Alle Rechte=, insbesondere das Recht der Übersetzung, =vorbehalten=. =Amerikanisches Copyright 1919 by Ullstein & Co, Berlin= * * * * * Inhalt Vorwort 11 Vom U-Bootkrieg bis zur Friedensresolution des Reichstags 15-135 =Der U-Bootkrieg und die Neutralen= 17-22 Erklärung des Kriegszustandes mit Deutschland durch den amerikanischen Kongreß 17, 18. Druck auf die Neutralen 19, 20. Kriegserklärungen Chinas, Siams und amerikanischer Staaten 21, 22. =Die russische Revolution= 23-27 Das revolutionäre Rußland zwischen Krieg und Frieden 23, 24. Erklärung der russischen Regierung 25. Umbildung des Kabinetts 26. Neue russische Offensive 27. =Der Fortgang der militärischen Operationen= 28-30 Offensivtätigkeit der Feinde im Westen 28, in Italien, Mazedonien, Palästina 29 und im Osten 30. =Der U-Bootkrieg im ersten Halbjahr= 1917 30-43 Aussichten des uneingeschränkten U-Bootkriegs 30-34. Die ersten Ergebnisse 35, 37. Englische Gegenmaßnahmen 38-39. Die Hilfe Amerikas 40, 41. Englands Bedrängnis 42. Enttäuschung 43. =Unser Verhältnis zu Österreich-Ungarn= 44-74 =Die Stellung Deutschlands und Österreich-Ungarns zum Krieg= 44-49 Czernin über Österreich-Ungarns Beitritt zum U-Bootkrieg 44, 45. Der Krieg ein »österreichisch-ungarischer Verteidigungskrieg für Deutschland« 46. Hilfsbedürftigkeit Österreich-Ungarns auf militärischem, wirtschaftlichem und finanziellem Gebiet 47, 48. =Die polnische Frage= 49-58 Stellung der Polen in Österreich 49, 50. Österreichs polnische Wünsche 51, 52. Proklamation eines selbständigen Königreichs Polen 53, 54. Österreichische Absichten auf Angliederung 55, 56. Deutschlands entgegengesetzte Interessen 57, 58. =Die Bestrebungen auf wirtschaftliche Annäherung zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn= 58-60 Naumanns »Mitteleuropa« 58. Schwierigkeiten der handelspolitischen Einigung 59. Verhandlungen 60. =Die österreichisch-ungarischen Friedensbestrebungen= 61-74 Kriegsmüdigkeit Österreich-Ungarns 61. Handschreiben Kaiser Karls an Kaiser Wilhelm und Immediatbericht des Grafen Czernin 62-64. Brief Kaiser Karls an den Prinzen Sixtus von Parma 65-67. Erwiderung des Reichskanzlers auf den Bericht Czernins 68-73. =Die innere Lage= 74-102 =Der Verfall des Burgfriedens= 74-85 Politische Forderungen der Sozialdemokratie 75. Änderung des Vereinsgesetzes 76-78. Der Streit um die Kriegsziele 79, 80. Ablehnung des Budgets durch die Sozialdemokratie 81-84. =Innerpolitische Wünsche und Forderungen= 85-92 Schwierige Lage der Regierung 85-87. Milderung des Belagerungszustandes 88-90. Die »Neuorientierung« 91, 92. =Die Gestaltung der innerpolitischen Lage unter Einwirkung der russischen Revolution= 93-102 Die Frage der innerpolitischen Reformen 93-95. Das preußische Wahlrecht 96, 97. Die Osterbotschaft des Kaisers 98, 99. Forderung der Parlamentarisierung 100-102. =Die Julikrisis= 102-136 Sozialdemokratische Angriffe im Hauptausschuß 103 bis 109. Vorstoß Erzbergers und Abwehr 110-113. Motive Erzbergers 114, 115. Die Frage des gleichen Wahlrechts für Preußen 116, 117. Kronrat vom 9. Juli 118, 119. »Reichsrat« 120. Das gleiche Wahlrecht durch königliche Order gesichert 121, 122. Friedensresolution und Kanzlerkrisis 123-126. Hindenburg und Ludendorff gegen das Verbleiben Bethmanns 127. Bethmanns Rücktritt, Michaelis Nachfolger 128-131. Die Friedensresolution vorzeitig veröffentlicht 132. Verhandlungen mit den Parteien 133. Antrittsrede des neuen Kanzlers 134, 135. Ergebnis der Krisis 135, 136. Die Kanzlerschaft des Herrn Michaelis 137-241 =Die Friedensresolution des Reichstags und ihre Wirkungen= 139-153 Wortlaut der Resolution und Wirkung auf unsere Feinde 139, 140. Besprechungen des Prinzen Sixtus von Parma in Paris und London 141-144. Anzeichen aufkeimender Friedensneigung bei den Westmächten 145-147. Umschwung infolge der Erzberger-Aktion und der Julikrisis 148-151. Ergebnislosigkeit der Sozialistenkonferenz in Stockholm 152, 153. =Die Bildung der Regierung des Herrn Michaelis= 153-161 Mangelnde politische Erfahrung des neuen Kanzlers 153-155. Wechsel in den Reichsämtern 156-159. Kaiser und Reichstag 160, 161. =Die militärische und politische Entwicklung unter der Kanzlerschaft Michaelis= 162-181 Besprechungen mit Czernin 162, 163. Rundschreiben des Papstes vom 1. August 1917 164-167. Stellung des Kanzlers erschüttert 168. Siebenerkommission 169, 170. Kronrat über die belgische Frage 171, 172. Englands Friedensfühler ein Mißverständnis 172. Die Antwort auf die Papstnote 172-174. Wirkungen der Papstnote bei der Entente 175-177. Czernins Friedensprogramm 178. Kühlmann zur elsaß-lothringischen Frage 179. Tätigkeit an den Fronten 180, 181. =Die zweite Kanzlerkrisis= 181-202 Die Vaterlandspartei 182, 183. Interpellationen im Reichstag gegen alldeutsche Propaganda 184-191. Agitation der Unabhängigen Sozialdemokraten in der Marine, Verschwörung unter den Mannschaften der Hochseeflotte 192-195. Der Kanzler gegen die unabhängige sozialdemokratische Partei 196, 197. Die bürgerlichen Mittelparteien und Mehrheitssozialisten gegen den Kanzler 198-202. =Von Michaelis zu Graf Hertling= 202-216 Die Mehrheitsparteien für das Mitbestimmungsrecht bei Ernennung eines neuen Kanzlers 202-206. Unhaltbarkeit der Stellung des Kanzlers Michaelis 207-209. Kandidatur des Grafen Hertling 210, 211. Mein Rücktrittsanerbieten 212, 213. Ernennung des Grafen Hertling zum Reichskanzler 214-216. =Die »Parlamentarisierung«= 217-234 Fortdauer der Krisis 217, 218. Parlamentarisierungsforderungen 219-223. Der Posten des Vizekanzlers 224-226. Mein Entlassungsgesuch genehmigt 227. Von Payer Stellvertreter des Reichskanzlers 228. Der Übergang zum parlamentarischen Regime 229-233. =Die Anfänge des Grafen Hertling= 234-241 Stellung der Parteien zum neuen Kanzler 234-237. Tätigkeit an den Fronten 238, 239. Russisches Waffenstillstandsangebot 240, 241. Der Ost-Friede 243-351 =Der Waffenstillstand von Brest-Litowsk= 245-252 Funksprüche 245-248. Russische Forderungen 249. »Waffenruhe« 249, 250. Der Waffenstillstandsvertrag unterzeichnet 251, 252. =Die Vorbereitungen für die Friedensverhandlungen= 252-260 Vorbereitung der wirtschaftlichen Verhandlungen 252 bis 256. Die politischen und territorialen Fragen 257. Dualismus unserer Vertretung in Brest 258-260. =Die erste Phase der Brester Friedensverhandlungen= 260-272 Eröffnungsansprache Kühlmanns 261, 262. Das Programm Czernins 263-266. Eingreifen der Obersten Heeresleitung 267. Das Selbstbestimmungsrecht der Nationalitäten 268, 269. Rußland gegen die deutsche Formulierung 270. Verlegung der Verhandlungen nach Stockholm abgelehnt 271, 272. =Die zweite Phase der Brester Friedensverhandlungen= 272-278 Anerkennung der ukrainischen Delegation 272, 273. Diskussion Trotzki-Kühlmann 274, 275. Eingreifen des Generals Hoffmann 275, 276. Neue Vorschläge Deutschlands 276, 278. =Spannung zwischen der politischen Leitung und der Heeresleitung= 278-280 Meine Unterredungen mit dem deutschen Kronprinzen und General Ludendorff 279, 280. =Der Friedensvertrag mit der Ukraine= 281-286 Die Wünsche der Ukraine 281, 282. Die ostgalizische Frage 283. Trotzki gegen einen Sonderfrieden der Ukraine 284, 285. Unterzeichnung des Friedensvertrages 286. =Die letzte Phase der Brester Friedensverhandlungen= 286-297 Rußland erklärt den Kriegszustand für beendet 287. Stellung der Verbündeten zu dieser Erklärung 288, 289. Kronrat in Homburg 290. Wiederaufnahme der Kriegshandlungen 290-292. Unterzeichnung der Verträge ohne Verhandlungen 293, 294. Bolschewistische Propaganda 295-297. =Der Friede von Bukarest= 298-316 Haltung der rumänischen Regierung 298, 299. Österreichisch-ungarische Sonderinitiative 300-302. Interessenkonflikte der Vierverbandmächte 302-306. Die wirtschaftlichen Forderungen 307-309. Meinungsverschiedenheiten zwischen politischer Leitung und Oberster Heeresleitung 310-314. Unterzeichnung des rumänischen Friedensvertrages 315, 316. =Ergebnis und Folgen der östlichen Friedensschlüsse= 316-351 Die Bestimmungen der Friedensverträge 317-319. Zerfall des russischen Reiches 320-324. Die Frage der Randstaaten 325-331. Finnland, Ukraine 332, 333. Anschlußbestrebungen des Baltenlandes 334-338. Ein unabhängiges Litauen 339, 340. Die polnische Frage 341, 342. Die Verhältnisse in der Ukraine 343-345. Finnland 345, 346. Kaukasusgebiete 346-348. Unbefriedigende wirtschaftliche Ergebnisse 349-351. Die Entscheidung 353-572 =Diplomatisches Zwischenspiel= 355-396 Brief Lansdownes 355, 356. Botschaft Wilsons vom 5. Dezember 1917 357-360. Dezemberreden Lloyd Georges 360, 361. Die Entente gegen Friedensverhandlungen 362, 363. Lloyd George über die Kriegsziele 364, 365. Wilsons vierzehn Friedensprogrammpunkte 366-371. Für Deutschland unannehmbar 372. Rede Balfours 373, 374. Schwierigkeiten und Gegensätze bei den Alliierten 376-378. Czernins Erwiderung auf Wilson 378, 379. Graf Hertling über das Programm Wilsons 380-384. Note des Obersten Kriegsrates der Entente 385. Rede Wilsons vom 11. Februar 1918 386-389. Erklärung Hertlings 390. Rede Balfours 391. Neuer Verhandlungsversuch Czernins gescheitert 392, 393. Schiffsraumnot der Alliierten 394. Englische Vergewaltigung Hollands 395, 396. =Die große Offensive= 397-416 Vorstoß auf Amiens 397, 398. Vorstoß an der Lys 399, 400. Zäher Widerstand der Feinde 400, 401. Hilfeleistung Amerikas 401-403. Energische Kriegsmaßnahmen in England und Frankreich 404, 405. Deutsche Offensive vom Damenweg bis zur Marne 406-408. Besorgnis in Paris 409. Eingreifen der amerikanischen Truppen 410, 411. Mißglückte österreichische Offensive am Piave 412, 413. Fortschreitende Paralysierung der Wirkungen des U-Bootkriegs 414-416. =Neue innere Krisen= 417-435 Aussichtslosigkeit der rein militärischen Beendigung des Krieges 417, 418. Mangelnde militärisch-politische Zusammenarbeit 419, 420. Rede Kühlmanns vom 24. Juli 1918 421-424. Wirkungen der Rede 424-427. Kühlmanns Abschied 428. Zuspitzung der inneren Lage 428, 429. Das preußische Landtagswahlrecht 429. Opposition der Konservativen und eines Teiles der Nationalliberalen 430. Die Sozialdemokraten gegen den Etat 431-433. Von Hintze Staatssekretär des Auswärtigen 434, 435. =Der Wendepunkt= 436-441 Neue Offensive an der Marne und beiderseits Reims 436, 437. Feindliche Gegenangriffe 438, 439. Erzwungener Rückzug 440, 441. =Meine Moskauer Mission= 442-493 Graf Mirbach, diplomatischer Vertreter in Moskau 442, 443. Die Lage in Sowjetrußland 444-446. Graf Mirbach ermordet 446, 447. Meine Ernennung zu seinem Nachfolger 448-450. Zusatzverträge zum Brester Vertrage 451-453. Die Frage der Lostrennung Estlands und Livlands 454, 455. Bedrohte Lage der deutschen Vertretung 456-458. Meine Ankunft in Moskau 459 bis 462. Erste Unterredung mit Tschitscherin 463, 464. Äußere und innere Krisis in Sowjetrußland 465-467. Bolschewikiherrschaft 468 bis 472. Indirekte Unterstützung der Bolschewisten durch Deutschland 473. Zwiespältigkeit der deutschen Ostpolitik 474-479. Meinungsverschiedenheit mit Berlin 480, 481. Ermordung Generalfeldmarschalls von Eichhorn 482. Geplante Anschläge auf die deutsche Mission 483-485. Verlegung der deutschen Mission 486. Meine Abreise 487, 488. Die Zusatzverträge gegen meinen Einspruch paraphiert 489, 490. Mein Rücktritt 491-493. =Der Zusammenbruch= 493-572 =Unser Verhältnis zu Sowjetrußland und unseren Bundesgenossen= 493-499 Konsolidierung der Bolschewikiherrschaft 493, 494. Joffes Tätigkeit in Berlin 495. Ratifikation der Brester Zusatzverträge 496. Mißstimmung bei unseren Bundesgenossen 497, 498. =Die Entscheidungskämpfe im Westen= 499-508 Unsere militärische Lage 499-501. Weitere Rückzugsbewegungen 502, 503. Durchbrechung der Siegfriedstellung 504, 505. Neue Frontverkürzung erzwungen 506-508. =Der Zusammenbruch Bulgariens und der Türkei= 509-512 Durchbruch der Alliierten zwischen Doiransee und Monastir 509. Waffenstillstandsgesuch Bulgariens 510. Niederlage der Türken in Palästina 511 und in Mesopotamien 512. =Der österreichisch-ungarische Friedensschritt= 512-517 Note Graf Burians an die Kriegführenden 512-514. Wirkung in Berlin 515, 516. Ablehnung bei den Feinden 516, 517. =Kritische Zuspitzung in Berlin= 517-522 Anklagen der Mehrheitsparteien gegen die Regierung 517-519. Ein »Systemwechsel« gefordert 520-522. =Die Lage im Großen Hauptquartier= 522-527 Kritische Zuspitzung 523. Notwendigkeit politischer Schritte 524. Die Oberste Heeresleitung für Waffenstillstandsverhandlungen 525-526. Rücktritt des Grafen Hertling 527. =Das Reichskabinett des Prinzen Max von Baden= 527-533 Prinz Max von Baden Reichskanzler 528, 529. Die Demokratisierung der Regierung 530, 531. Das Programm der neuen Regierung 532, 533. =Das Ersuchen um Waffenstillstand und Frieden= 533-541 Die Verhandlungen über das Waffenstillstandsersuchen 534-536. Note des Prinzen Max an Wilson 537-540. =Der Notenwechsel mit Wilson= 541-552 Wilsons Forderungen präzisieren und steigern sich 541-544. Meine Stellung zu den Bedingungen 545. Die deutsche Antwortnote vom 20. Oktober, Einstellung des U-Bootkriegs 546, 547. Wilson endlich zur Einleitung von Waffenstillstandsverhandlungen bereit 548. Deutschland sieht Vorschlägen entgegen 549. Abreise der Bevollmächtigten 551. =Die Kapitulation unserer Verbündeten= 552-555 Auflösung Österreich-Ungarns 552, 553. Waffenstillstand zwischen Österreich-Ungarn und den Alliierten 554. Kapitulation Bulgariens und der Türkei 555. =Das Ende= 556-573 Demokratische Reform 556, 557. Die Revolution im Anmarsch 557, 558. Wirkung der Friedenspropaganda 559-561. Erlaß des Kaisers vom 28. Oktober 562, 563. Abdankung des Kaisers gefordert 563. Revolution in Kiel 564, in München und andern Städten 565, in Berlin 565-568. Kampfloser Sieg der Revolution 569. Der Waffenstillstand 569-571. Schlußbetrachtung 572, 573. Nachtrag Graf Czernins Geheimbericht und Erzbergers Aktion im Reichstag 575-594 Zeittafeln 597-636 Personenverzeichnis 637-646 Sachverzeichnis 647-658 * * * * * Vorwort Mit diesem Bande führe ich meine Darstellung des Weltkrieges zu Ende: bis zur Revolution und zum Abschluß des Waffenstillstandes. In den Vorgängen, die das Buch schildert, liegt das Schicksal unseres deutschen Vaterlandes umschlossen. Im Niederschreiben habe ich alles noch einmal durchlebt, was in den beiden letzten Kriegsjahren mein ganzes Sein ausgefüllt und mich in allem Denken und Fühlen tiefer ergriffen hat, als das schwerste persönliche Schicksal den Menschen ergreifen kann. Es ist die größte Tragödie der Völkergeschichte. Sie hat unser Volk aus verzweifeltem Ringen zu aufatmendem Hoffen geführt, sie hat ihm das Wunder der Selbstbehauptung gegen die Übermacht einer ganzen Welt zum Greifen nahe gebracht, sie hat unser Volk schließlich aus der Gipfelnähe des Sieges in den tiefsten Abgrund von Not und Schmach gestürzt. Ich habe diese Tragödie geschrieben, wie ich sie erlebt habe. Mein einziges Streben bei der Darstellung war, durch mein Zeugnis dem deutschen Volke zu helfen, Klarheit über das ungeheure Geschehen zu gewinnen, das wie ein furchtbares Naturereignis betäubend und sinnverwirrend über das lebende Geschlecht niedergegangen ist. Was ich in der Vorrede zum ersten Bande als meinen Leitsatz aufgestellt habe, ist mein Leitsatz geblieben: der aufrichtige Wille zur Wahrheit. Zwar bin ich mir darüber klar, daß der Einzelne, auch wenn er den Dingen noch so nahe gestanden hat, heute nur ein Teilbild der gewaltigen Vorgänge zu geben und nur eine subjektive Wahrheit zu erreichen vermag. Aber ich will zufrieden sein, wenn es mir gelingen sollte, in dieser Begrenzung die Erkenntnis der Ursachen und der inneren Zusammenhänge der großen Völkertragödie zu fördern und damit der Gesundung unseres armen deutschen Volkes zu dienen. * * * * * Der vorliegende Band war abgeschlossen und bereits gesetzt, als die in der Sitzung der Nationalversammlung vom 25. Juli 1919 vorgebrachten »Enthüllungen« über das angebliche englische Friedensangebot vom Herbst 1917 den Anlaß zu einer eingehenden Erörterung der Vorgänge jener Zeit gaben. Es war nicht mehr möglich, meine sehr kurze Darstellung jener Vorgänge auf den Seiten 170 bis 172 so zu erweitern, wie es auf Grund der jetzt veröffentlichten Aktenstücke und stattgehabten Diskussionen erwünscht gewesen wäre. Ich gebe deshalb eine ausführlichere Darstellung jener Episode in einem diesem Bande beigefügten Nachtrag. Dagegen hat das von der Reichsregierung der Nationalversammlung am 31. Juli 1919 vorgelegte Weißbuch über die Vorgänge zwischen dem 14. August 1918 und dem Abschluß des Waffenstillstandes meine Darstellung in allen wesentlichen Punkten bestätigt und mir keinen Anlaß zu nennenswerten Änderungen oder Ergänzungen gegeben. Berlin, im August 1919 =Karl Helfferich= * * * * * =Vom U-Bootkrieg bis zur Friedensresolution des Reichstags= Der U-Bootkrieg und die Neutralen Mit dem Scheitern der Friedensbemühungen und der Erklärung des uneingeschränkten U-Bootkriegs ist der Völkerkrieg in ein neues Stadium eingetreten. Der Anschluß der Vereinigten Staaten an unsere Feinde, der für eine Anzahl überseeischer Neutraler ein Vorbild zu gleichem Tun war, hat den Krieg eigentlich erst zum »Weltkrieg« gemacht. Wilson beantwortete die Mitteilung über die Eröffnung des uneingeschränkten U-Bootkriegs nicht sofort mit einer Kriegserklärung; dazu wäre er nach der Verfassung der Vereinigten Staaten ohne Zustimmung des Kongresses nicht berechtigt gewesen. Er antwortete zunächst nur mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Am 3. Februar 1917 machte er in einer Botschaft dem Kongreß von diesem Schritt Mitteilung. Er fügte hinzu, daß er sich bis zum Beweis des Gegenteils weigere, zu glauben, daß Deutschland seine Ankündigung, die mit seinen in der Note vom 4. Mai 1916 gegebenen feierlichen Versprechungen in Widerspruch stehe, tatsächlich wahr machen werde; sollte er sich darin irren, so werde er »den Kongreß um die Ermächtigung ersuchen, die Mittel anwenden zu können, die notwendig sind, um unsere Seeleute und Bürger bei der Verfolgung ihrer friedlichen und legitimen Unternehmungen auf dem offenen Meer zu schützen«. Am 26. Februar richtete Wilson an den Kongreß eine Botschaft, die sich auf den Boden der »bewaffneten Neutralität« stellte und die Bestätigung seiner Vollmachten zur Bewaffnung der amerikanischen Handelsschiffe und zur Inanspruchnahme der erforderlichen Kredite nachsuchte. In einer weiteren Botschaft vom 3. April 1917 erklärte er die »bewaffnete Neutralität« für »mehr als unnütz«. Es entspreche der gewöhnlichen Klugheit, die deutschen U-Boote zu zerstören, ehe sie die Absicht eines Angriffs erkennen ließen; zudem leugne die deutsche Regierung das Recht der Neutralen, in der Sperrzone überhaupt Waffen anzuwenden, um die Rechte zu verteidigen, die kein moderner Jurist jemals bestritten habe. Er schlug vor, der Kongreß möge beschließen, »den Kriegszustand anzunehmen«, der Amerika von Deutschland auferlegt sei, und sofort alle Maßnahmen zu ergreifen, nicht nur um das Land in vollen Verteidigungszustand zu setzen, sondern auch um Deutschland die Bedingungen zur Beendigung des Krieges aufzuerlegen. Die Erklärung des Kriegszustandes mit Deutschland wurde am 4. April vom Senat mit 82 gegen 6, am 5. April vom Repräsentantenhaus mit 374 gegen 80 Stimmen beschlossen. Mit ähnlich starken Mehrheiten wurde am 29. April von beiden Häusern des Kongresses ein Gesetz angenommen, das die allgemeine Wehrpflicht einführte. Gleichzeitig wurde ein Kriegskredit von 7 Milliarden Dollar bewilligt, aus dem sowohl die eigenen Kriegsausgaben gedeckt, wie auch die Alliierten finanziell unterstützt werden sollten. Niemand konnte mehr im Zweifel sein, daß die Vereinigten Staaten ihre volle Kraft aufbieten würden, um der Koalition unserer Feinde zu helfen, uns niederzuzwingen. So erfüllten sich die Befürchtungen derjenigen, die von der Eröffnung des uneingeschränkten U-Bootkriegs nicht nur den Abbruch der diplomatischen Beziehungen, sondern auch den Krieg mit Amerika, nicht nur eine Unterstützung der Entente mit Geld und Waffen, sondern auch das Einsetzen der ganzen amerikanischen Volkskraft erwartet hatten. Aber Herr Wilson ging noch weiter: er machte den Versuch, die ganze bisher noch neutrale Welt gegen die Mittelmächte mobil zu machen. Schon in seiner Botschaft vom 3. Februar 1917 hatte er verkündet, er nähme als ausgemacht an, daß alle neutralen Regierungen denselben Weg einschlagen würden wie die Vereinigten Staaten. Alsbald nach dem Abbruch der Beziehungen wandte sich die amerikanische Regierung an die Regierungen der neutralen Länder mit der Aufforderung, sich ihrem Vorgehen anzuschließen. Die europäischen Neutralen beschränkten sich jedoch darauf, unmittelbar bei der deutschen Regierung gegen den uneingeschränkten U-Bootkrieg Einspruch zu erheben, ohne weitere Konsequenzen zu ziehen. Am meisten gefährdet erschienen unsere Beziehungen zu Spanien; es gelang jedoch durch einige nicht unerhebliche Zugeständnisse, auch dieses Land so weit zu beschwichtigen, daß ein Bruch vermieden wurde. Die Aufforderung der Vereinigten Staaten zu einem gemeinsamen Vorgehen wurde am schärfsten von der schwedischen Regierung zurückgewiesen. Sie erinnerte die Regierung in Washington daran, daß sie, die schwedische Regierung, mehrfach Vorschläge zu einem Zusammenarbeiten der Neutralen zwecks Aufrechterhaltung des Völkerrechts gemacht habe (Vorschläge, die in der Hauptsache gegen die völkerrechtswidrige Seekriegführung Englands gerichtet waren). Mit Bedauern habe sie aber feststellen müssen, »daß die Interessen der Vereinigten Staaten ihnen nicht gestatteten, sich diesen Vorschlägen anzuschließen«. In dem Ziel der Abkürzung der Übel des Krieges sei die schwedische Regierung mit der amerikanischen einig. Aber das von der amerikanischen Regierung gewählte Verfahren stehe durchaus im Gegensatz zu den Prinzipien, die bisher die Politik der schwedischen Regierung geleitet hätten; diese wolle in der Zukunft wie in der Vergangenheit den Weg der Unparteilichkeit und Neutralität gegenüber den beiden kriegführenden Gruppen weiter verfolgen und ihn nur dann verlassen, wenn die Lebensinteressen des Landes und die Würde der Nation dazu zwängen. Auch in der Folgezeit bewahrten die europäischen Neutralen trotz der schwierigen Lage, in die sie durch den doppelten Druck des Handelskrieges unserer Feinde und des deutschen U-Bootkriegs gerieten, ihre Neutralität. Dagegen folgten eine Reihe überseeischer Länder dem Beispiel der Vereinigten Staaten. Den Reigen eröffnete China, das sich schon im Februar 1917 auf den amerikanischen Standpunkt stellte, Mitte März auch formell die Beziehungen zu Deutschland abbrach und uns später (Anfang Mai 1917) den Krieg erklärte. China wurde durch den U-Bootkrieg unmittelbar kaum berührt. Es folgte lediglich dem Druck der Vereinigten Staaten, in denen es gegenüber den Gefahren, die seinem Bestande von Japan und anderen Angehörigen der uns feindlichen Koalition drohten, den einzigen Beschützer sah. Eine unmittelbare Unterstützung konnten unsere Feinde aus dem Beitritt Chinas kaum ziehen. Aber die Kriegserklärung Chinas an Deutschland eröffnete die namentlich von England heiß gewünschte Möglichkeit, alles, was die Tüchtigkeit und Intelligenz deutscher Kaufleute in Jahrzehnten auf chinesischem Boden an Handelsniederlassungen und geschäftlichen Beziehungen aufgebaut hatten, in Grund und Boden zu zerstören. Ähnlich zu beurteilen ist auch das Abschwenken weiterer überseeischer Neutraler in das Lager unserer Feinde. Bolivia hatte sich schon gleich nach dem 3. Februar 1917 den Vereinigten Staaten angeschlossen. Cuba und Panama traten Anfang April der Erklärung des Kriegszustandes durch die Union bei. Kurz darauf, am 11. April, brach Brasilien aus Anlaß der Versenkung eines brasilianischen Dampfers die Beziehungen zu uns ab. Es folgten eine Reihe mittel- und südamerikanischer Republiken, so daß auf dem amerikanischen Erdteil schließlich nur noch Mexiko, Argentinien, Chile, Paraguay, Columbia, Venezuela und Salvador in der Neutralität verharrten. Auch das Königreich Siam, in dessen Häfen Deutschland seit langem bedeutende Handelsniederlassungen gegründet und entwickelt hatte, fügte sich dem Druck der Entente und erklärte uns ohne jeden Anlaß Ende Juli den Krieg. In Europa vermochte Griechenland der von der Entente ausgeübten Erpressung nicht zu widerstehen. Am 11. Juni 1917 sah sich König Konstantin, der mit bewundernswerter Unerschrockenheit an der Neutralität festgehalten hatte, zur Abdankung und zum Verlassen des Landes gezwungen. Damit war Griechenlands Übergang in das Lager unserer Feinde besiegelt. So stand schließlich gegen uns und unsere drei Verbündeten die ganze Welt im Kampf, bis auf die drei skandinavischen Staaten, die Niederlande, die Schweiz, Spanien, Persien, Mexiko und einige südamerikanische Republiken. Die russische Revolution Während die überseeische Welt mehr und mehr in den Krieg mit uns hineingezogen wurde, eröffnete der Ausbruch der Revolution in Rußland im März 1917 die Aussicht auf eine Durchbrechung der feindlichen Koalition. Erinnerungen an den Siebenjährigen Krieg wurden wach, in dem in der Stunde der höchsten Gefahr dem großen König die Kunde kam von dem Tod seiner unversöhnlichen Feindin, der Kaiserin Elisabeth, und von dem Entschluß des neuen Zaren, den Krieg mit Preußen alsbald einzustellen. Solche Hoffnungen sollten sich jedoch fürs nächste nicht erfüllen. Zwar waren die sozialistischen Massen, deren Aufstand das alte Regime gestürzt hatte, Gegner des Krieges. Aber die Regierung des Fürsten Lwoff, die sich auf den Trümmern der zaristischen Autokratie bildete, war eher eine Regierung der imperialistischen Liberalen als eine Regierung der den Frieden begehrenden Massen. Vor allem der neue Minister des Auswärtigen, Herr Miljukow, versicherte gegenüber den Ententebotschaftern und in öffentlichen Reden, daß Rußland den Krieg bis zum Endsieg über Deutschland fortsetzen werde. Am 22. März 1917 erklärte er vor den Vertretern der russischen Presse: »Für uns ist ein entscheidender Sieg unerläßlich; die Liquidierung des Deutschen Reichs, ohne die eine Festigung der Ideen, für die wir kämpfen, unmöglich ist, ist heute notwendiger und wichtiger denn je.« Die Entente suchte die Kriegsstimmung des revolutionären Rußland mit allen Mitteln zu steigern. Der Präsident Wilson sprach in seiner Kongreßbotschaft vom 2. April 1917 von den »wunderbaren und ermutigenden Ereignissen in Rußland«, durch die ein neuer würdiger Teilnehmer an dem »Ehrenbund« der Nationen entstanden sei. Jetzt, nachdem die Zarenherrschaft gestürzt war, die weder das demokratische England noch das republikanische Frankreich von dem Bündnis mit Rußland abgehalten hatte, ertönte in den Reihen unserer Feinde noch lauter als zuvor das heuchlerische Feldgeschrei »Demokratie gegen Autokratie«; den Russen wurde eingeredet, daß ein Sieg Deutschlands den Verlust ihrer neuen republikanischen Freiheit bedeute. Der Reichskanzler bezeichnete in seiner Reichstagsrede vom 29. März 1917 diese Ausstreuungen als »eitel Lüge und Verleumdung« und betonte, daß wir nicht beabsichtigten, uns in die inneren Angelegenheiten Rußlands einzumengen. Er fügte hinzu, daß wir nichts anderes begehrten, als möglichst bald wieder mit dem russischen Volk in Frieden zu leben, »in einem Frieden, der auf einer für alle Teile ehrenvollen Grundlage aufgebaut ist«. Einen Augenblick lang schien es, als ob die Friedenssehnsucht in Rußland die Oberhand gewinnen sollte. Unter dem Druck der in den Arbeiter- und Soldatenräten organisierten Massen beschloß die russische Regierung am 10. April eine Erklärung, in der es hieß: »Die Verteidigung unseres eigentlichen nationalen Vaterlandes bildet die hauptsächlichste Aufgabe unseres Krieges. Die provisorische Regierung überläßt es dem Willen des Volkes, in enger Gemeinsamkeit mit unseren Verbündeten alle den Weltkrieg und seine Beendigung betreffenden Fragen endgültig zu entscheiden, hält es aber für ihr Recht und ihre Pflicht, schon jetzt zu erklären, daß das freie Rußland nicht das Ziel hat, andere Völker zu beherrschen, ihnen ihr nationales Erbe wegzunehmen und gewaltsam fremdes Gebiet zu besetzen, daß es vielmehr einen dauerhaften Frieden auf Grund des Rechtes der Völker, ihr Schicksal selbst zu bestimmen, herbeiführen will. Das russische Volk erstrebt nicht die Steigerung seiner Macht auf Kosten anderer Völker, es hat nicht das Ziel, irgendein Volk zu unterjochen oder zu erniedrigen.« Aber obwohl die deutsche und die österreichisch-ungarische Regierung in offiziösen Erklärungen alsbald von dieser Kundgebung Akt nahmen und deren Übereinstimmung mit ihren eigenen Absichten feststellten, kam die Sache des Friedens nicht vom Fleck. Auch daß die deutschen Sozialdemokraten eine Resolution des russischen Kongresses der Arbeiter- und Soldatenräte, die am 14. April zugunsten eines allgemeinen Friedens ohne Annexionen und Entschädigungen gefaßt wurde, am 20. April mit einer Entschließung beantworteten, die sich für das gleiche Ziel aussprach, blieb ohne Wirkung; desgleichen die vom Reichskanzler am 15. Mai im Reichstag abgegebene Erklärung: »Wenn Rußland weiteres Blutvergießen von seinen Söhnen fernhalten will, wenn es alle gewaltsamen Eroberungspläne für sich aufgibt, wenn es ein dauerndes Verhältnis friedlichen Nebeneinanderlebens zu uns herstellen will -- ja dann ist es doch eine Selbstverständlichkeit, daß wir, die wir diesen Wunsch teilen, das dauernde Verhältnis der Zukunft nicht zerstören, seine Entwicklung nicht durch Forderungen unmöglich machen werden, die sich mit der Freiheit und dem Willen der Völker selbst nicht vertragen und die in das russische Volk selbst nur den Keim zu neuer Feindschaft legen würden.« Zwar erzwang der Arbeiter- und Soldatenrat Mitte Mai eine Umbildung des Kabinetts, bei der Miljukow ausschied und Kerenski das Kriegs- und Marineministerium übernahm. Zwar stellte sich die neue Regierung grundsätzlich auf den Boden eines Friedens ohne Annexionen und Entschädigungen und des Selbstbestimmungsrechts der Völker. Aber in derselben Kundgebung, die diese Grundsätze proklamierte, lehnte das neue russische Kabinett »jeden Gedanken an einen Sonderfrieden« ab und sprach die Erwartung aus, daß »das revolutionäre Heer Rußlands nicht die Vernichtung seiner westlichen Alliierten durch die deutschen Truppen gestatten wird, damit sich diese dann mit ganzer Macht auf Rußland werfen«. Daß die neue russische Regierung gleichzeitig Schritte in Aussicht stellte, um ihre Verbündeten für einen Frieden ohne Annexionen und Entschädigungen und des Selbstbestimmungsrechts der Völker zu gewinnen, konnte die Tatsache nicht aus der Welt schaffen, daß auch nach diesem Umschwung an einen Sonderfrieden mit Rußland, und damit an Frieden überhaupt, noch nicht zu denken war. Eine in der ersten Maihälfte aus den Kreisen des russischen Arbeiter- und Soldatenrates angeregte vertrauliche Aussprache mit deutschen Vertretern an der Dünafront verlief unter diesen Umständen ergebnislos. Ja es gelang dem Druck der Ententemächte, das neue russische Kabinett zu veranlassen, gegen Ende Juni 1917 die russischen Heere zu einer neuen großen Offensive gegen Deutschland vorzuschicken. Die Offensive war von Kerenski, der als Vertreter der revolutionären Massen in das Kabinett eingetreten war, vorbereitet und befohlen worden. Wenige Wochen nach ihrem Beginn ersetzte Kerenski den Fürsten Lwoff als Ministerpräsident. Die Auflehnung der Anhänger Lenins, der Bolschewisten, gegen die Kriegspolitik wurde blutig unterdrückt, Lenin selbst mußte sich längere Zeit hindurch verborgen halten. So war es um die Mitte des Jahres 1917 offenkundig, daß der Friede mit Rußland, den man von der Revolution erhofft hatte, nur durch einen neuen Schlag gegen die russische Armee gebracht werden konnte. Der Fortgang der militärischen Operationen Im Westen hatten sich unterdessen neue gewaltige Kämpfe abgespielt. Hindenburg war dem erwarteten großen Offensivstoß der Feinde ausgewichen, indem er unsere zwischen Arras und der Aisne in weitem Bogen vorspringende Front auf eine fast gerade Linie zurückgenommen hatte, die von der Gegend östlich Arras über St. Quentin nach den Höhen nördlich von Vailly führte. Die Zurücknahme unserer Truppen auf diese neue, stark befestigte Linie war Mitte März unbemerkt vom Gegner durchgeführt worden. Durch planmäßige Zerstörung aller Verkehrswege und Stützpunkte in dem geräumten Gebiet war für den Feind die Annäherung gegen die neue Front außerordentlich erschwert worden. Dafür unternahmen Engländer und Franzosen im April eine mit stärkstem Einsatz geführte Flügeloffensive. Die Engländer stießen vom 9. April an bei Arras vor, während die Franzosen etwa eine Woche später an der Aisne und in der Champagne nach sechstägiger stärkster Artillerievorbereitung zum Angriff auf breiter Front vorgingen. Die Offensiven hatten das Schicksal aller früheren: sie kamen über bescheidene Anfangserfolge nicht hinaus, unsere Truppen vermochten in heldenhafter Gegenwehr den Durchbruch zu verhindern. Anfang Juni holten die Engländer zu einem neuen wuchtigen Stoße aus, dieses Mal in Flandern. Ihr Ziel war, die Höhenkette um Ypern zu nehmen, die flandrische Ebene zu gewinnen und damit unsere Stellung an der flandrischen Küste, die als Basis für den U-Bootkrieg von der größten Wichtigkeit war, unhaltbar zu machen. Auch hier errangen die Engländer, vor allem durch gewaltige unterirdische Sprengungen im Wytschaetebogen, Anfangserfolge, die jedoch bald an dem eisernen Widerstand unserer Truppen ins Stocken kamen. Mit ungeheurer Zähigkeit setzten die Engländer hier ihre Angriffe fort bis in den November hinein. Gleichzeitig mit diesen schweren Kämpfen an der Westfront holten die Gegner auf allen übrigen Kriegsschauplätzen zu neuen Vorstößen aus. Die Italiener faßten ihre Kräfte zu neuen gewaltigen Angriffen am Isonzo zusammen, die abermals an den österreichischen Stellungen sich brachen. In Mazedonien versuchten die Verbündeten die bulgarisch-deutschen Linien zu sprengen, um doch noch unsere Verbindung mit der Türkei zu durchschneiden und den Rumänen, die sich in der Moldau noch tapfer wehrten, Entlastung und Hilfe zu bringen. Über die Halbinsel Sinai hinaus stießen die Engländer gegen Palästina vor, wurden jedoch im März und April in Gefechten bei Gaza von den Türken zurückgewiesen. Dagegen gelang ihnen die Erneuerung des im Jahre 1916 bei Kut-el-Amara so kläglich gescheiterten mesopotamischen Feldzuges. Nach gründlicher Vorbereitung nahmen sie mit Beginn des Winters 1916/17 den Vormarsch nach Norden wieder auf, schlugen die an dem Mangel rückwärtiger Verbindungen leidenden Türken in einer Anzahl von Gefechten, besetzten am 11. März 1917 Bagdad und drangen in den folgenden Wochen und Monaten weiter nach Norden hin vor. Dazu kam nun Ende Juni die neue Kerenskische Offensive, die sich in der Hauptsache gegen die österreichischen Stellungen in Ostgalizien und Wolhynien richtete. Mit Menschenopfern, die kaum hinter denjenigen der Brussilow-Offensive vom Juni 1916 zurückblieben, gelang es den Russen, nicht unerhebliche Anfangsvorteile zu erzielen, bis in der zweiten Julihälfte ein wuchtiger Gegenstoß der deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen einsetzte. Der U-Bootkrieg im ersten Halbjahr 1917 Diese höchste Steigerung des Ringens der Landheere wurde begleitet durch den Vernichtungskampf unserer U-Boote gegen die feindlichen Handelsflotten. Die Aussichten des U-Bootkrieges waren in wichtigen Punkten erheblich günstigere als in irgendeinem früheren Zeitpunkt. Am 1. Januar 1917 betrug die Anzahl der U-Boote (Torpedo- und Minen-U-Boote) 148 gegen nur 62 ein Jahr zuvor. Die neu hinzugekommenen Boote zeichneten sich vor dem alten Bestande aus einmal durch eine stärkere Bewaffnung mit Torpedos und Artillerie, dann durch einen erheblich größeren Aktionsradius. Die Leistungsfähigkeit unserer Tauchbootflotte war also im Laufe des letztverflossenen Jahres in noch weit stärkerem Maße als im Verhältnis von 62 zu 148 gestiegen. Für das erste Halbjahr 1917 wurde die Fertigstellung von weiteren 50 U-Booten erwartet. Die guten Ergebnisse des seit dem Monat Oktober wieder aufgenommenen Kreuzerkriegs der U-Boote in den britischen Gewässern waren ein Beweis der erheblich gesteigerten Leistungsfähigkeit unserer Tauchboote. Die monatlichen Versenkungen hatten seit dem November 1916 den Satz von 400000 Bruttotonnen überschritten. Das Ergebnis des U-Boot-Kreuzerkriegs war damit ein wesentlich besseres, als es jemals zuvor in den schärferen Formen des U-Bootkriegs erreicht worden war. Der »verschärfte U-Bootkrieg« hatte eine monatliche Höchstleistung von nur 225000 Bruttotonnen im April 1916 zu verzeichnen gehabt. Die im Dienst unserer Feinde fahrende Handelsflotte hatte im bisherigen Verlauf des Krieges und namentlich in den letzten vier Monaten vor dem Beginn des uneingeschränkten U-Bootkrieges eine immerhin merkbare Schwächung erfahren. Nach den Angaben unseres Admiralstabs waren vom Kriegsausbruch bis Ende Januar 1917 insgesamt etwa 5 Millionen Bruttotonnen versenkt worden, davon 1660000 Tonnen in den letzten vier Monaten. Der Bedarf an Handelstonnage für die Zwecke der Kriegführung war unausgesetzt stark. Die Neubauten blieben weit hinter denjenigen des Friedens zurück. Während England im letzten Friedensjahr rund 2 Millionen Bruttotonnen Schiffsraum vom Stapel hatte laufen lassen, erreichten seine Neubauten im Jahre 1916 nur etwa 580000 Tonnen. Der sich aus allen diesen Umständen ergebende starke Druck auf den britischen Seeverkehr kam in einem ansehnlichen Rückgang der in den Häfen Großbritanniens und Irlands ein- und auslaufenden Schiffe zum Ausdruck. Im letzten Friedensjahr hatte der Ein- und Ausgang beladener Schiffe in den britischen Häfen 117 Millionen Tonnen (netto) betragen, im Jahre 1916 stellte er sich nur noch auf 66 Millionen Tonnen. Der Eingang war allein von 49 auf 30 Millionen Tonnen gesunken. Insbesondere die letzten Monate zeigten einen scharfen Rückgang, von 2787000 Tonnen im August auf 2214000 Tonnen im Dezember 1916 und 2221000 Tonnen im Januar 1917. Der Monatsdurchschnitt des letzten Friedensjahres hatte 4090000 Tonnen betragen. Der Eingang beladener Schiffe in den britischen Häfen war also gegenüber der Friedenszeit um 45 vom Hundert abgedrosselt. Von dem uneingeschränkten U-Bootkrieg durfte man eine weitere scharfe Einschränkung erwarten. Dabei war, soweit es sich aus amtlichen Statistiken, Berichten von Sachverständigen, der britischen Fachpresse und anderen Quellen entnehmen ließ, die Versorgung der britischen Inseln mit Nahrungsmitteln, insbesondere mit Brotgetreide, knapper als in irgendeinem der früheren Kriegsjahre. Um die Mitte des Januar stellten sich nach dem ersten englischen Fachblatte, dem »Grain Seed and Oil Reporter«, die sichtbaren Bestände Englands an Weizen und Mehl auf 5258000 Quarters gegen 6336000 und 5882000 Quarters in den beiden Vorjahren. Infolge der schlechten Welternte, über die ich bereits früher gesprochen habe, waren die Zufuhren andauernd ungenügend. In den sechs Wochen von Anfang Dezember bis Mitte Januar hatten die Einfuhren von Weizen nur 2,1 Millionen Quarters erreicht, gegen 3,4 und 3,3 Millionen Quarters in den beiden Vorjahren. Wenn diese an sich schon knappen Zufuhren durch den uneingeschränkten U-Bootkrieg noch weiter eingeschränkt werden konnten, dann trat der Hungerkrieg gegen England aus dem Bereich der Phantasie heraus und wurde eine praktische Möglichkeit. Trotz dieser erheblich gebesserten Aussichten hatte ich die Eröffnung des uneingeschränkten U-Bootkriegs am 1. Februar 1917 bis zum letzten Augenblick mit allem Nachdruck bekämpft. Ich hatte es für notwendig gehalten, die volle Wirkung der Friedensaktion abzuwarten und nicht durch Überstürzung eine noch so schwache Möglichkeit, doch noch zum Frieden zu kommen, zu zerstören. Ich war ferner der Überzeugung, daß nichts versäumt werden dürfe, um Amerika draußen zu halten, und ich konnte schließlich die Befürchtung nicht überwinden, daß die allzurasch auf unseren Friedensschritt und die Friedensanregung Wilsons folgende Eröffnung des uneingeschränkten U-Bootkriegs den falschen, aber in seiner Wirkung auf die Neutralen für uns überaus nachteiligen Eindruck erwecken werde, als seien unsere Friedensbemühungen nicht ernst gemeint, sondern nur eine Maskierung unserer U-Bootkriegs-Absichten gewesen. Nachdem nun einmal die Entscheidung gefallen war und es kein Zurück mehr gab, stand unser Schicksal auf der Hoffnung, daß unter den verhältnismäßig günstigen Vorbedingungen die Wirkungen des U-Bootkriegs England innerhalb einer kürzeren Zeit friedensbereit machen würden, als sie Amerika brauchte, um das volle Gewicht seiner gewaltigen Hilfskräfte gegen uns in die Wagschale zu werfen. Ich konnte und wollte diese Hoffnung, die in den geschilderten Verhältnissen unserer eignen Tauchbootflotte, der Entwicklung des britischen Schiffsverkehrs und der Welternte eine starke Begründung hatte, nicht von mir weisen. In den Verhandlungen des Hauptausschusses des Reichstags vom 31. Januar und 1. Februar 1917 habe ich dieser Hoffnung Ausdruck gegeben und sie mit dem vorliegenden Tatsachenmaterial, das im wesentlichen oben wiedergegeben worden ist, begründet. Einen Termin für die Niederkämpfung Englands habe ich nicht genannt und hätte ich nach meiner Beurteilung der Sachlage auch nicht nennen können. Vorwürfe, die später von nicht uninteressierter Seite in diesem Punkte gegen mich erhoben worden sind, haben in meinen, in dem Stenogramm des Hauptausschusses festliegenden Ausführungen keine Begründung. Ich habe im Gegenteil dem Ausdruck meiner Hoffnung, daß es uns gelingen werde, England friedensbereit zu machen, bevor Amerika in der Lage sei, effektiv in den Krieg gegen uns einzutreten, im bewußten Gegensatz zu den von anderer Seite in Aussicht gestellten bestimmten Fristen den Zusatz hinzugefügt: »Eine Garantie kann natürlich niemand übernehmen.« Die Hoffnung wurde bestärkt durch die guten Anfänge des U-Bootkriegs. Zunächst übertrafen die Leistungen der U-Boote die Schätzungen. Statt der angenommenen 600000 Tonnen, die ja schon nach den Leistungen des U-Bootkreuzerkriegs als zu gering erscheinen mußten, erreichte nach den Angaben unseres Admiralstabs die Versenkung im Monat April 1091000 Tonnen und im Monat Juni 1016000 Tonnen. Das Gesamtergebnis der ersten sechs Monate des uneingeschränkten U-Bootkriegs war -- immer nach den Angaben unseres Admiralstabs -- 5-1/2 Millionen Tonnen. Auch die Abschreckung der neutralen Schiffahrt vom Verkehr mit England, auf die der Admiralstab so stark gerechnet hatte, schien Tatsache zu werden. Die Schiffsbewegung im »Neuen Wasserweg« (Rotterdam), die in der ersten Januarwoche 1917 noch einen Eingang von 79000 Nettotonnen aufgewiesen hatte, ging auf 6000 Tonnen in der dritten Märzwoche zurück. Die Entwicklung des britischen Schiffsverkehrs ließ sich leider nicht mehr unmittelbar verfolgen, da vom Februar 1917 die Veröffentlichung der Schiffsstatistik eingestellt wurde. Aber die starken Versenkungen, verbunden mit dem Fernbleiben eines großen Teils der neutralen Handelsschiffe, konnten nicht ohne Wirkung bleiben. Auch die Ziffern der britischen Einfuhr wurden vom Februar an nicht mehr in der alten Vollständigkeit veröffentlicht. Vor allem wurden für die Nahrungsmitteleinfuhr die Mengenangaben geheimgehalten. Aber die Daten, die noch publiziert wurden, zeigten eine sehr erhebliche Einschränkung fast auf der ganzen Linie. Die Einfuhr des Monats Februar 1917 betrug dem Werte nach nur noch 70 Millionen £ gegen 90 Millionen im Januar. Die Einfuhrmenge des Februar 1917 wies gegenüber derjenigen des Februar 1916 einen Rückgang auf: bei Wolle um 17%, bei Baumwolle um 27%, bei Eisen und Stahl um 59%, bei Holz um 42%, bei Rindfleisch um 17%, bei Butter und Schmalz um 21%, bei Eiern um 39%. Im März 1917 stellte sich der Rückgang der Einfuhrmenge: bei Wolle auf 33%, bei Baumwolle auf 53%, bei Eisen und Stahl auf 62%, bei Holz auf 64%. Über Fleisch, Butter und Eier wurden vom März ab Mengenzahlen nicht mehr bekanntgegeben. Die schwierige Lage der britischen Getreideversorgung ergab sich aus den knappen Beständen in dem Hauptbezugslande, den Vereinigten Staaten. Das Ackerbaudepartement schätzte am 1. März 1917 die noch in den Händen der Farmer befindlichen Bestände an Weizen auf nur 101 Millionen Bushels (= ca. 2-1/2 Millionen Tonnen) gegen 241 Millionen Bushels um die gleiche Zeit des Vorjahres. Die Ernteaussichten auch für das Jahr 1917 waren schlecht. Alle diese Ziffern erhielten ihren Hintergrund durch Äußerungen der britischen Staatsmänner und der britischen Zeitungen sowie durch Informationen der verschiedensten Art über den Stand der Dinge in England. Lloyd George hatte zu Anfang des Krieges als Schatzkanzler das geflügelte Wort von den »silbernen Kugeln« gesprochen, mit denen England siegen werde; er hatte dann als Munitionsminister alle Hoffnungen auf die Massenherstellung von Kriegsmaterial und Munition gesetzt; als er jetzt am 12. April 1917 eine Begrüßungsansprache an den neuen amerikanischen Bundesgenossen hielt, da lautete sein Hilferuf: »Schiffe, Schiffe und noch einmal Schiffe!« Schon im Februar 1917 hatte Lloyd George im Unterhaus bekannt, die britischen Getreidebestände seien »geringer als jemals seit Menschengedenken«. Im April erklärte der Unterstaatssekretär des britischen Kriegsernährungsamts, Captain Bathurst, der Verbrauch an Brotstoffen gehe um 50 vom Hundert über die noch vorhandenen und die noch zu erwartenden Vorräte hinaus; er stellte außerdem in Aussicht, daß die Kartoffelvorräte in vier Wochen aufgebraucht sein würden. Die englische Regierung griff zu tief einschneidenden Maßnahmen. Um die Zufuhr der für die Volksernährung und Kriegführung wichtigsten Güter nach Möglichkeit zu sichern, stellte sie die Einfuhr aller irgendwie entbehrlichen Dinge unter Verbot. Den gesamten britischen Schiffsraum stellte sie unter eine einheitliche Kontrolle; aus den nicht unmittelbar dem Verkehr mit England dienenden Linien zog sie so viel Schiffe für die Versorgung Englands heraus, daß nach dem Ausspruch des britischen Handelsministers von der internationalen Schiffahrt Großbritanniens nur noch ein Skelett verblieb. Der stärkste Druck wurde auf die Neutralen ausgeübt, um ihre Schiffahrt in den Dienst Großbritanniens zu zwingen. Überall, wo es gelang, einen neutralen Staat zur Kriegserklärung an Deutschland zu bewegen, wurden die in seinen Häfen liegenden deutschen Schiffe konfisziert. Nach jeder Möglichkeit wurde auf eine Hebung der Produktion im eigenen Lande hingearbeitet. Eine Steigerung der Förderung einheimischer Eisenerze sollte den Ausfall an fremden Zufuhren decken; gesteigerter Holzschlag in den eigenen, nicht sehr ausgedehnten Wäldern sollte Ersatz schaffen für den Ausfall in der Zufuhr fremden Grubenholzes; vor allem aber wurde ein großartiges landwirtschaftliches Programm aufgestellt, das durch die Umwandlung von Grasland in Ackerland die britischen Inseln von der ausländischen Getreidezufuhr unabhängig machen sollte. Natürlich wurden auch die größten Anstrengungen gemacht, um den während des Krieges so stark zusammengeschrumpften Bau von Handelsschiffen wieder hochzubringen. Die vorhandenen Lebensmittel wurden durch scharfe Vorschriften über die Ausmahlung und über Zusatzmittel gestreckt, der Verbrauch wurde durch eine knapp zugemessene Verteilung empfindlich eingeschränkt. Amerika suchte nach Möglichkeit zu helfen. Vor allem im Schiffbau, der nach anfänglichen Fehlschlägen, so mit dem massenhaften Bau von Holzschiffen, in der Tat einen großen Aufschwung nahm; dann aber auch mit der Zufuhr von Lebensmitteln. Hier geschah, was ich von Anfang an gefürchtet hatte. Die amerikanische Regierung ließ sich weitgehende Vollmachten für die Regelung der inneren Lebensmittelverteilung und der Lebensmittelausfuhr erteilen. Auf Grund dieser Vollmachten gelang es gegen die Mitte des Jahres 1917, für die Versorgung Englands größere Mengen von Getreide verfügbar zu machen. Von der zweiten Aprilhälfte an bis in den Juli hinein stieg die Besorgnis in England auf ihren Höhepunkt. Wir erhielten in jener Zeit aus einer unbedingt zuverlässigen Quelle Nachrichten, daß Lloyd George bei seinem Besuch in Paris sich geradezu verzweifelt über die Ernährungslage Englands ausgesprochen habe. Es schien in der Tat, als sei dem U-Bootkrieg der Erfolg beschieden. Wie nahe er damals seinem Ziele war, das werden wir zweifellos aus den englischen Darstellungen über die Entwicklung des Krieges bestätigt erhalten. Die amerikanische Hilfe brachte in letzter Stunde die Rettung. Es gelang, für die kritischen Monate Juni und Juli genügende Mengen von Brotgetreide im letzten Augenblick verfügbar zu machen. Amerika gab auf Grund der Einschränkung seines eigenen Verbrauchs aus seinen knappen Beständen Getreide für England ab und deckte die dadurch entstehende Lücke in der eigenen Versorgung zum Teil durch Zufuhren aus Australien. Der vorhandene Schiffsraum wurde unter Zurückstellung aller anderen Bedürfnisse auf die Getreidezufuhr konzentriert; sogar Schiffe mit Gefriereinrichtungen für den Fleischtransport wurden in die Getreidefahrt geworfen. Ziffern über die Getreideeinfuhr sind, wie erwähnt, seit dem Februar 1917 nicht mehr veröffentlicht worden; aber aus zuverlässigen Angaben privater Herkunft läßt sich schließen, daß die Getreideeinfuhr Englands in dem einen Monat Juni 1917 kaum viel niedriger gewesen sein muß, als in den fünf vorhergehenden Monaten zusammen. So gelang es England, den Zusammenbruch seiner Ernährungswirtschaft vor dem Hereinkommen der neuen Ernte zu verhindern. Ebensowenig wie alle die großen militärischen Aktionen zu Land hatte der U-Bootkrieg vermocht, eine rasche Entscheidung herbeizuführen. Die von mir immer bezweifelten und in den internen Beratungen wie in den Verhandlungen des Hauptausschusses des Reichstages bekämpften Berechnungen der wirtschaftlichen Sachverständigen des Admiralstabs, nach denen der uneingeschränkte U-Bootkrieg in fünf Monaten zum Ziel führen sollte, hatten sich als trügerisch erwiesen. So staunenswert die Leistungen unserer U-Boote waren, so sehr der von ihnen versenkte Schiffsraum den Voranschlag des Admiralstabs übertraf -- auch diese Leistungen genügten nicht, die Versorgung Englands so weit einzuschränken, daß innerhalb der fünf Monate seine Volksernährung oder seine Kriegstüchtigkeit entscheidend getroffen worden wäre. Auch im U-Bootkrieg konnte nur auf lange Sicht gearbeitet werden. Der U-Bootkrieg wurde zum aufregenden Wettlauf zwischen Neubau von U-Booten und Vervollkommnung der Sicherungs- und Abwehrmittel, zwischen Versenkung von Frachtraum und Neubau von Handelsschiffen, zwischen Herabminderung der britischen Zufuhren und Hebung der eigenen britischen Produktion, schließlich zwischen der Organisation des amerikanischen Millionenheeres und der Vernichtung der Widerstandsfähigkeit der feindlichen Armeen, denen wir an der Westfront gegenüberstanden. Es mußte ein zäher Kampf werden. Daß unsere Aussichten in diesem Kampf nicht ungünstig waren, dafür war eine Bestätigung eine halbamtliche Auslassung der britischen Regierung, die Anfang August 1917 ausgegeben wurde. Sie besagte im wesentlichen folgendes: England hatte bei Kriegsausbruch eine Handelsflotte von Ozeandampfern im Umfang von 17-18 Millionen Tonnen; davon waren über 15 Millionen Tonnen regelmäßig für das Mutterland beschäftigt, der Rest diente dem Verkehr zwischen fremden Ländern, Kolonien usw. Ein großer Teil dieses internationalen Verkehrs mußte den unmittelbaren Bedürfnissen des britischen Mutterlandes geopfert werden. Gegenwärtig besitzt Großbritannien einschließlich der weggenommenen feindlichen Schiffe etwas über 15 Millionen Tonnen, davon 14 Millionen im unmittelbaren Dienste des Mutterlandes. Von diesen 14 Millionen Tonnen ist aber nur etwa die Hälfte für den Handel verfügbar, da die andere Hälfte in den Dienst der Marine, des Heeres, der Verbündeten und der Kolonien hat gestellt werden müssen. -- Das bedeutete also, daß damals dem Handelsverkehr der britischen Inseln nur noch etwa 7 Millionen Tonnen Schiffsraum gegen 15 in Friedenszeiten zur Verfügung standen. -- Die britische Einfuhr im letzten Jahr vor dem Kriege habe 58 Millionen Gewichtstonnen betragen; im Jahre 1916 sei die Einfuhrmenge auf 43 Millionen Tonnen zurückgegangen, und im laufenden Jahre werde sie noch erheblich niedriger sein. Von den 58 Millionen Tonnen der Friedenseinfuhr seien weniger als ein Viertel auf Nahrungsmittel entfallen, der ganze Rest auf Bedürfnisse des Handels und der Industrie. Im Jahre 1916 dagegen habe die Einfuhr von Nahrungsmitteln, Munition und Materialien für die Herstellung von Kriegsbedarf nicht weniger als zwei Drittel der Gesamteinfuhr beansprucht. Einer Einfuhr von Industrie- und Handelswaren in Höhe von 40 Millionen Tonnen im Jahre 1913 habe also im Jahr 1916 nur eine Einfuhr in Höhe von 14 bis 15 Millionen Tonnen gegenübergestanden. Im laufenden Jahre könne man in keiner Weise hoffen, auch nur annähernd diese verkürzte Menge zu erhalten. Die »Frankfurter Zeitung« bemerkte damals zu dieser Veröffentlichung: »Was in aller Welt, so muß man sich fragen, will diese Offenheit? Damit wird doch Punkt für Punkt das bestätigt, was von ruhigen Beobachtern der englischen Verhältnisse längst gesagt, was aber fast in der ganzen englischen Presse bis vor kurzem leidenschaftlich bestritten wurde. Was will diese Darstellung? Will sie allmählich abbauen oder abwiegeln?« Aber auch wenn man die Aussichten auf den schließlichen Erfolg des U-Bootkriegs noch so hoffnungsvoll beurteilte -- die allzu bestimmten Voraussagen, daß der uneingeschränkte U-Bootkrieg innerhalb von fünf oder sechs Monaten zur Niederwerfung Englands führen werde, waren in zu weite und zu tiefe Kreise gedrungen, als daß nach Ablauf der genannten Zeit das Ausbleiben des entscheidenden Erfolges nicht eine Enttäuschung und einen Stimmungsrückschlag hätte hervorrufen müssen. Unser Verhältnis zu Österreich-Ungarn Die Stellung Deutschlands und Österreich-Ungarns zum Krieg Über den Beitritt Österreich-Ungarns zum uneingeschränkten U-Bootkrieg hat sich Graf Czernin in einer öffentlichen Rede vom 11. Dezember 1918, auf die ich in der weiteren Darstellung noch öfters zurückkommen werde, wie folgt geäußert: »Meine damaligen Ministerkollegen Tisza und Clam sowohl wie meine Wenigkeit waren mit Kaiser Karl in der Ablehnung dieses Vorschlages vollständig einig, und rückhaltlos zugestimmt hat dem Gedanken nur der damalige Admiral Haus. Es muß hier konstatiert werden, daß die deutsche Motivierung nicht so sehr darauf ging, England durch Hunger zu besiegen, sondern darin gipfelte, daß die Westfront nur zu halten sei, wenn die amerikanischen Munitionstransporte versenkt würden, daß also ein rein technisch-militärisches Moment in den Vordergrund geschoben wurde. Ich habe damals ernstlichst die Absicht ventiliert, uns in dieser Frage von Deutschland zu trennen, und die geringe Zahl unserer U-Boote hätte unser Nichtmitmachen kaum bemerkbar gemacht. Aber ein anderer Umstand fiel in die Wagschale. Sollte der U-Bootkrieg in den nördlichen Gewässern mit Erfolg geführt werden, dann mußte er gleichzeitig im Mittelmeer einsetzen. Blieb dieses frei, so wären die Transporte über Italien, Frankreich und Dover nach England gegangen und hätten den nördlichen U-Bootkrieg paralysiert. Um aber den U-Bootkrieg in der Adria führen zu können, mußten wir den Deutschen unsere Stützpunkte, wie Pola, Triest und Cattaro, überlassen. Taten wir dies, so machten wir de facto den U-Bootkrieg mit. Unterließen wir es, so fielen wir damit Deutschland in den Rücken und verhinderten seinen U-Bootkrieg, d. h. wir kamen in direkten Konflikt mit Deutschland. So gaben wir zu diesem Vorschlag mit schwerem Herzen unsere Einwilligung, nicht gewonnen durch Argumente, aber bezwungen durch die Ohnmacht, anders handeln zu können.« Diese Äußerung zeigt, mit welchem Widerstreben man sich in Wien zur Beteiligung an dem uneingeschränkten U-Bootkrieg entschloß; sie zeigt aber noch mehr: Die Bemerkung des Grafen Czernin, daß er damals ernstlich die Absicht ventiliert habe, sich in dieser Frage von Deutschland zu trennen, wirft ein Streiflicht auf die Gestaltung der Beziehungen zwischen den beiden Bundesgenossen. Das Verhältnis zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn stand seit dem Ausbruch des Krieges unter der Wirkung starker, sich teilweise widerstreitender Einflüsse. Der Krieg war entstanden aus einem Anlaß, der von den österreichisch-ungarischen Staatsmännern als eine unmittelbare Lebensfrage der Donaumonarchie aufgefaßt worden war, während er uns nur mittelbar dadurch berührte, daß die Erhaltung Österreich-Ungarns von der deutschen Politik als ein vitales Interesse auch für uns aufgefaßt wurde. Aber die Koalition, die alsbald gegen uns auf den Plan trat, richtete ihre Spitze in erster Linie gegen Deutschland, während sie Österreich-Ungarn gewissermaßen als Feind zweiten Grades behandelte. Graf Czernin sagte in seiner erwähnten Rede: »Wir hatten öfters den Eindruck, einen Separatfrieden ohne Deutschland schließen zu können, jedoch niemals wurden uns die Bedingungen genannt, unter welchen Deutschland seinerseits Frieden schließen könne. Niemals wurde uns vor allem erklärt, daß Deutschland seinen vorkriegerischen Besitzstand würde behalten können, und immer wurden wir dadurch in der Situation belassen, einen =Verteidigungskrieg für Deutschland= führen zu müssen. Wir waren durch unseren Vertrag zur gemeinsamen Verteidigung des vorkriegerischen Besitzstandes gezwungen; dadurch, daß die Entente niemals erklären wollte, daß sie mit einem Deutschland sprechen wolle, das keine Eroberungsabsichten habe, daß die Entente immer erklärte, sie wolle Deutschland vernichten, zwang sie uns gewaltsam den Verteidigungskrieg für Deutschland auf.« Aus dem Krieg, in dem der deutsche Bundesgenosse der in ihren Lebensgrundlagen bedrohten österreichisch-ungarischen Monarchie beisprang, war also, nicht etwa nur in dem Kopf des Mannes auf der Straße, sondern auch in der Vorstellung des die auswärtige Politik der Monarchie leitenden Staatsmannes ein österreichisch-ungarischer Verteidigungskrieg für Deutschland geworden! Auf der anderen Seite stand die militärische Gestaltung mit dieser politischen Auffassung des Krieges keineswegs im Einklang. Seit der Hilfe, die österreichisch-ungarische Truppen uns im Herbst 1914 für den Schutz von Schlesien geleistet hatten, war stets die deutsche Armee der gebende und helfende Teil. Nicht österreichisch-ungarische Truppen verteidigten die deutschen Grenzen, sondern deutsche Truppen wehrten wiederholt das Äußerste von Österreich-Ungarn ab. Nur mit deutscher Unterstützung wurden im Winter 1914/15 die Russen vom Einbruch über die Karpathen in die ungarische Tiefebene abgehalten. Nur der Einsatz einer großen deutschen Armee gewann im Frühjahr 1915 die Schlacht bei Gorlice und befreite Galizien. Nur die Hilfe deutscher Truppen warf im Herbst 1915 die Serben nieder und machte damit Österreich-Ungarn nach Südosten hin Luft. Nur deutsche Divisionen brachen im Sommer 1916 die Brussilow-Offensive und bewahrten so wenigstens Mittel- und Westgalizien vor erneuter Eroberung. Und schließlich hielt nur die aus den schwersten Kämpfen im Westen herübergeholte deutsche Armee im September 1916 den Vormarsch der Rumänen in Siebenbürgen auf, um dann das Land unseres Bundesgenossen abermals zu befreien und den neuen Feind auf seinem eigenen Boden niederzuwerfen. Mochte es also auch politisch eine gewisse Berechtigung haben, von einem Verteidigungskrieg Österreich-Ungarns für Deutschland zu sprechen, militärisch blieb Deutschland der Verteidiger Österreich-Ungarns. Die Hilfsbedürftigkeit der Donaumonarchie blieb nicht auf das militärische Gebiet beschränkt. Von Anfang an und dauernd sah sich Österreich-Ungarn auf die finanzielle Unterstützung Deutschlands angewiesen. Zwar brachten die österreichischen und ungarischen Kriegsanleihen recht gute Ergebnisse; aber für die Zahlungen an Deutschland und das neutrale Ausland bedurfte Österreich-Ungarn fortgesetzt erheblicher »Valutakredite«. Ebenso nahm auf dem Gebiet der Volksernährung die österreichische Reichshälfte wiederholt unsere Unterstützung in Anspruch, so knapp es auch mit uns selbst bestellt war. Wir haben getan, was wir konnten, um unserem Bundesgenossen in seinen Bedrängnissen zu helfen. Aber wir vermochten bei der bundesfreundlichsten Gesinnung und beim besten Willen nicht alle seine Wünsche zu erfüllen, und wir mußten im eigenen Interesse an unsere Hilfe Bedingungen knüpfen, die nicht immer als angenehm empfunden wurden. So mußten wir die Gewährung der Valutakredite davon abhängig machen, daß Österreich-Ungarn für seinen Zahlungsverkehr mit dem Auslande eine ähnlich strenge »Devisenordnung« erließ, wie wir sie erlassen hatten; ferner davon, daß Österreich-Ungarn sich bei seinen Einkäufen im Ausland dieselben Beschränkungen auferlegte wie wir; denn andernfalls wäre der von uns erstrebte Zweck, den Rückgang des Kurses der Reichsmark auf den neutralen Plätzen aufzuhalten, durch die österreichisch-ungarischen Verfügungen über die von uns gewährten Markkredite geradezu vereitelt worden. Und wenn in kritischen Augenblicken von den Österreichern unsere knappen Bestände an Brotgetreide und Mehl in Anspruch genommen wurden, so mußten wir darauf bestehen, daß in Österreich eine ähnlich straffe Organisation der Volksernährung durchgeführt wurde wie bei uns; denn wir konnten es vor dem eigenen Volke nicht verantworten, seine kargen Rationen noch weiter zu kürzen, um die Österreicher vor den Folgen ihres Wirtschaftens aus dem Vollen zu bewahren. Aber alles das ging natürlich nicht immer ohne Reibung und Verstimmung. Die polnische Frage Kompliziert wurde das Verhältnis vor allem durch die polnische Frage. An der Gestaltung der polnischen Dinge nahm Österreich-Ungarn ein ganz besonders lebhaftes Interesse. Im österreichischen Staatsleben spielten die Polen infolge des unüberbrückbaren Gegensatzes zwischen Deutschen und Tschechen eine hervorragende Rolle: die Unterstützung des Polenklubs war für jede verfassungsmäßige Führung der Staatsgeschäfte eine Notwendigkeit. Darüber hinaus hatte man in Wien die klare Erkenntnis, daß Erhaltung oder Verlust Galiziens von der Lösung der Frage abhänge, was aus Russisch-Polen werden solle. Die Wiener Politik zog daraus die Folgerung, daß sie sich für die Ordnung der polnischen Verhältnisse die Vorhand sichern müsse; es schwebte ihr dabei wohl von Anfang an eine Vereinigung Russisch-Polens mit Galizien und die Angliederung dieses neuen Gebildes in einer mehr oder weniger losen Form an Österreich-Ungarn vor. Als Baron Burian den Reichskanzler Mitte April 1916 in Berlin besuchte, äußerte er halb im Scherz, halb im Ernst, er werde erst nach Wien zurückreisen, wenn er Polen in seinem Handkoffer mitnehmen könne. Sein Handkoffer war für Polen doch etwas zu klein, und er hat es nicht mitgenommen. Die polnische Frage blieb zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn ungeklärt. Die Wiener Regierung benutzte diesen Zustand, um in Polen selbst für ihr Ziel eine rege Propaganda zu entfalten, und zwar nicht nur in dem von österreichisch-ungarischen Truppen besetzten südlichen Teil, dem Bezirk von Lublin, sondern auch in dem von unseren Truppen besetzten Generalgouvernement Warschau. Die sich aus diesem Zustand ergebenden Verhältnisse wurden allmählich unhaltbar. Nach der schweren Niederlage der Österreicher in Wolhynien und Galizien im Juni 1916 schien Herrn von Bethmann die Gelegenheit gekommen, eine Klärung herbeizuführen. Der Kanzler reiste mit Herrn von Jagow am 10. August 1916 nach Wien, um dort mit Baron Burian auf einer Grundlage ins Reine zu kommen, die vor allem die von Österreich beanspruchte Präponderanz in den polnischen Angelegenheiten beseitigen und uns Bewegungsfreiheit geben sollte. Die beiden Herren kamen zurück mit einer Vereinbarung, die ein autonomes Königreich Polen mit Anlehnung an die beiden Zentralmächte ins Auge faßte. In den militärischen Dingen sollte Deutschland den ausschlaggebenden Einfluß haben; über die Regelung der wirtschaftlichen Beziehungen Polens zu den beiden Zentralmächten sollte zunächst noch zwischen mir und der Wiener Regierung verhandelt werden. Ich hatte, ebenso wie der Unterstaatssekretär Zimmermann, ernstliche Bedenken gegen jede Festlegung auf die Errichtung eines autonomen und selbständigen Polen. Ich fürchtete, daß ein solches Polen für uns ein unzuverlässiger Nachbar sein werde, daß es seine Begehrlichkeit alsbald auch auf unsere teilweise polnisch bevölkerten Ostmarken richten werde, daß es notwendigerweise zum Zankapfel zwischen uns und unserem Verbündeten werden müsse und daß die geplante Autonomieerklärung der immerhin noch denkbaren Verständigung mit Rußland einen schweren Stein in den Weg rollen könne. Von der Idee, daß ein autonomes Polen noch während des Krieges für uns nutzbar gemacht werden könnte, die damals schon in manchen Köpfen spukte, hielt ich nichts. Es war mir eine Beruhigung, daß in Wien ein bestimmter Zeitpunkt für die Autonomieerklärung nicht festgelegt worden war und daß der Kanzler den Wert der Wiener Verständigung hauptsächlich in dem negativen Ergebnis sah, daß Polen der Wiener Regierung aus den Zähnen gezogen sei und wir bei allen künftigen Entschließungen an erster Stelle mitzusprechen hätten. Auch der Kaiser sprach sich in jener Zeit in einem Telegramm an den Kanzler, später auch persönlich mir gegenüber, sehr entschieden dahin aus, daß von jeder Proklamation einer polnischen Autonomie vorläufig abzusehen sei, hauptsächlich um nicht einen Frieden mit Rußland zu erschweren. Dagegen drängte das Wiener Kabinett unausgesetzt auf einen baldigen Erlaß der Autonomieerklärung. Es fand Unterstützung in deutschen politischen und parlamentarischen Kreisen, so bei gewissen Abgeordneten des Zentrums und der Freisinnigen Volkspartei -- ich nenne nur die Namen Freiherr von Rechenberg, Erzberger und Friedrich Naumann --, vor allem aber bei dem Generalgouverneur von Beseler. Der Generalgouverneur hoffte, auf Grund einer Autonomieerklärung in kurzer Zeit eine ansehnliche polnische Armee aufstellen, ausbilden und im Kampf für die Unabhängigkeit Polens Schulter an Schulter mit den Zentralmächten ins Feld stellen zu können. Angesichts der schweren Kämpfe, die uns für das kommende Frühjahr bevorstanden, war diese Aussicht für die Oberste Heeresleitung eine große Verlockung; die Oberste Heeresleitung schloß sich dem General Beseler an und forderte eine schleunige Entscheidung. Der Kanzler war zu der Überzeugung gekommen, daß ein Separatfriede mit Rußland auch von Stürmer, der im Juli Ssasonoff als Minister des Auswärtigen ersetzt hatte, nicht zu erlangen sei. Alle bisher dem Zaren und der russischen Regierung auf den verschiedensten Wegen gemachten Andeutungen, daß wir für einen billigen Frieden zu haben seien, auch die Andeutung, daß eine dem russischen Interesse Rechnung tragende Regelung der Meerengenfrage bei unserem türkischen Bundesgenossen zu erreichen sei, hatten kein Ergebnis gehabt. Insbesondere war eine im Frühjahr 1916 durch Vermittlung eines deutschen Großindustriellen und des japanischen Gesandten in Stockholm gemachte Sondierung entgegen der getroffenen Abrede von der russischen Regierung alsbald den Ententeregierungen mitgeteilt worden. Außerdem war Herr von Bethmann von der Notwendigkeit und Möglichkeit der Errichtung eines sich an die Mittelmächte anlehnenden polnischen Pufferstaates überzeugt. Er sah die große Zukunftsgefahr für Deutschland in der gewaltigen und auch künftighin weiter wachsenden russischen Masse, gegen deren Ansturm wir ein politisches und militärisches Vorfeld schaffen müßten. Den Ausschlag dafür, daß die im Grundsatz Mitte August in Wien vereinbarte Proklamation der beiden Kaiser über die Errichtung eines selbständigen Königreichs Polen nicht länger hinausgeschoben, sondern am 5. November 1916 verkündet wurde, gab jedoch das Drängen der militärischen Stellen. Mein Bestehen darauf, daß vorher zum mindesten zwischen Österreich und uns, womöglich aber auch zwischen der präsumptiven polnischen Regierung und den beiden Mittelmächten alle grundsätzlichen Fragen politischer, militärischer und wirtschaftlicher Art geregelt sein müßten, war erfolglos. Die Proklamation der beiden Kaiser war zunächst nur ein Programm und sollte nur ein Programm sein; sie schuf den polnischen Staat noch nicht, sondern stellte seine Errichtung als Ziel auf. Die Durchführung sollte zwischen den beiden Mittelmächten und einflußreichen polnischen Kreisen erst noch vereinbart werden. Die Wiener Regierung suchte sich sofort bei den Polen noch einen besonderen Stein im Brett zu sichern, indem sie gleichzeitig mit dem Zwei-Kaiser-Manifest über die Errichtung des polnischen Staates, aber ohne vorherige Verständigung der deutschen Regierung, ein Kaiserliches Manifest über die Gewährung einer erweiterten Autonomie an Galizien veröffentlichte. Auf der anderen Seite griff der Generalgouverneur von Beseler den weiteren Verhandlungen vor; er erließ, ohne vorherige Verständigung mit dem österreichisch-ungarischen Generalgouverneur in Lublin und mit den Berliner Stellen, am 13. November 1916 eine Verordnung über die Bildung eines Staatsrates und eines Vereinigten Landtages im Königreich Polen. Mit diesem nicht mehr rückgängig zu machenden Schritte, den der General von Beseler mit der Notwendigkeit erklärte, den Boden für die Werbung der polnischen Freiwilligen-Armee vorzubereiten, war der polnische Staat aus dem Stadium des Programms ohne weiteres in das Stadium der Durchführung hinübergeführt worden. Zu dem Nebeneinander der österreichischen Verwaltung im Lubliner Bezirk und der deutschen Verwaltung im Warschauer Bezirk kam nun noch das Kondominium der beiden Zentralmächte beim Staatsrat. Die Polen, die gar nicht genug auf dem einmal betretenen Weg des Ausbaues ihres Staates weiterdrängen konnten, hatten die schönste Gelegenheit, die deutschen und die österreichischen Vertreter gegeneinander auszuspielen. Die Verhältnisse waren bald so unerquicklich wie nur möglich. Es wurde im weiteren Verlauf der Dinge immer klarer, daß Österreich, trotz der bei den Verhandlungen vor dem Erlaß der Novemberproklamation gegebenen Zusagen, auch weiterhin darauf ausging, sich Polen in irgendeiner Form anzugliedern, und daß es für diese Lösung in Polen selbst eine umfangreiche Agitation entfalten ließ. Zunächst wurde von österreichischer Seite die Ernennung des Erzherzogs Karl Stephan zum Regenten und späterhin zum König von Polen eifrig propagiert. Über diesen Gedanken wurde in den ersten Apriltagen 1917 im deutschen Hauptquartier zwischen den beiden Kaisern eine Unterhaltung geführt. Nach Wien zurückgekehrt, suchte Kaiser Karl auf dem Wege telegraphischer Korrespondenz den Kaiser Wilhelm auf die alsbaldige Ernennung des Erzherzogs zum Regenten und seine Designation zum König von Polen festzulegen. Kaiser Wilhelm wiegelte jedoch ab mit dem Hinweis, daß nach seiner Ansicht jeder weitere Schritt vermieden werden müsse, der eine Verständigung mit dem neuen Rußland erschweren könne. Späterhin wurde von österreichischer Seite die sogenannte »austro-polnische Lösung« angeregt, nach der das neue aus Russisch-Polen und Galizien bestehende Königreich zum mindesten durch Personalunion mit der österreichisch-ungarischen Monarchie verbunden werden sollte; nachdem die österreichische Regierung das Gefühl gewonnen hatte, daß die deutsche Regierung diesen Gedanken nicht a limine abweisen würde, ging sie weiter und verlangte auch die wirtschaftliche, insbesondere die zollpolitische Angliederung Polens an die österreichisch-ungarische Monarchie. Die großen deutschen Interessen, die in der polnischen Frage auf dem Spiel standen, konnten bei aller Geneigtheit, dem Bundesgenossen in einer so tief in seine staatlichen Verhältnisse einschneidenden Frage Verständnis und Entgegenkommen zu zeigen, nicht mit einer leichten Handbewegung zur Seite geschoben werden. Österreich suchte seinen Wünschen den Boden zu bereiten vor allem durch eine eifrige Unterstützung der polnischen Forderungen auf einen beschleunigten Ausbau des polnischen Staatswesens. Wir hatten klüglich das entgegengesetzte Interesse. Nicht nur, daß wir uns die Möglichkeit einer Verständigung mit Rußland über Polen auch jetzt noch offenhalten mußten -- wir durften auch nicht übersehen, daß Polen, das für Österreich abseits seiner Etappenstraßen lag, für uns Etappengebiet war, das, solange der Krieg mit Rußland dauerte, im Interesse des Zentrums unserer Ostfront unter allen Umständen fest in unserer Hand bleiben mußte; wir durften ebensowenig übersehen, daß die Gesinnung der Polen gegenüber ihren deutschen »Befreiern« auch nach der Zwei-Kaiser-Proklamation keineswegs eine solche war, daß wir unser Haupt ruhig in ihren Schoß legen konnten. Die Werbung des Generals von Beseler war mehr als kläglich gescheitert; die große Masse der polnischen Bevölkerung sah in uns nach wie vor den Feind. Trotzdem fand das polnische und österreichische Drängen auf einen beschleunigten Ausbau des polnischen Staates im deutschen Reichstag eifrige Befürworter. Im August 1917, in einem Augenblick, in dem der polnische Staatsrat sich demonstrativ aufgelöst hatte, weil die zu mehr als drei Vierteln aus österreichischen Staatsangehörigen bestehende »Polnische Legion« Befehl zum Abmarsch an die russische Front erhalten hatte, brachten Zentrum, Freisinnige und Sozialdemokraten im Hauptausschuß des Reichstags einen Antrag ein, der u. a. die sofortige Schaffung eines polnischen Ministeriums und die unverzügliche Umwandlung des Staatsrates in eine Volksvertretung verlangte. Einer der Herren Antragsteller verlangte in seiner Begründung sogar die Übertragung der Polizei an die Polen; ein anderer, der heute ein hohes Staatsamt bekleidet, hatte sogar die Naivität, uns vorzuhalten, ein hervorragendes Mitglied des polnischen Staatsrates habe ihm gesagt, Graf Czernin habe erklärt, die Wiener Regierung sei zur Erfüllung der polnischen Wünsche bereit, wenn nur die deutsche Regierung nicht Widerstand leiste -- das alles noch dazu in Gegenwart der führenden Mitglieder der polnischen Fraktion des Reichstages! Eine Einigung zwischen Berlin und Wien über die polnische Frage wurde auch späterhin nicht erzielt. Die Meinungsverschiedenheiten erfuhren vielmehr in der kritischen Zeit des Krieges, wie ich weiter unten darstellen werde, eine erneute Zuspitzung. Die Bestrebungen auf wirtschaftliche Annäherung zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn Während die unselige polnische Frage eine Quelle von Reibungen und Verstimmungen zwischen den beiden Verbündeten war, schienen die Bestrebungen nach einem wirtschaftlichen Zusammenschluß ein neues und starkes Band um Deutschland und Österreich schlingen zu wollen. Das Naumannsche Buch über Mitteleuropa fand nicht nur in Deutschland, sondern wohl noch mehr in Österreich eine begeisterte Leserschaft. Als Naumann in Wien in einer großen Versammlung persönlich seine Gedanken entwickelte, wurde er von den Zuhörern wie der Künder einer neuen Zeit gefeiert. Der alte Kaiser Franz Joseph hat mir damals, im Februar 1916, über das Wirtschaftsbündnis ein nachdenkliches Wort gesagt: »Es wird über die Sache zu viel geredet, und das ist schade.« Das war in der Tat schade; denn die großen Schwierigkeiten, die in der Sache lagen, konnten mit den Mitteln der Beredsamkeit nicht überwunden, wohl aber gelegentlich noch vergrößert werden. Diese Schwierigkeiten erhellten schon aus der Tatsache, daß von dem gesamten Außenhandel Deutschlands nur etwa 9 Prozent auf den Handel mit Österreich-Ungarn kamen, von dem österreichisch-ungarischen Außenhandel dagegen nicht weniger als 42 Prozent auf den Handel mit Deutschland. Eine handelspolitische Einigung zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn ließ also für Deutschland die Sorge für neun Zehntel seines Außenhandels offen, für Österreich-Ungarn dagegen nur für zwei Fünftel. Für Deutschland war infolgedessen eine Einigung auf Grundlagen, die seine Handelsbeziehungen mit den übrigen Ländern erschweren mußten, also vor allem eine Einigung auf Grund eines Systems von Vorzugszöllen, schlechthin unannehmbar, während die österreichischen und ungarischen Anhänger des Gedankens der wirtschaftlichen Annäherung gerade auf ein System gegenseitiger Vorzugszölle hinarbeiteten. Mein eigener Gedanke, den ich den österreichisch-ungarischen Präferenzideen gegenüberstellte, kam hinaus auf die Schaffung einer weitgehenden wirtschaftlichen Gemeinschaft zwischen den beiden Reichen, die nicht nur das Zollwesen, sondern auch das Niederlassungsrecht, das Handelsrecht (einschließlich des Rechtes der Handelsgesellschaften) und das Verkehrswesen (Eisenbahnen und Binnenwasserstraßen) umfassen sollte. Speziell auf dem Gebiet des Zollwesens erstrebte ich ein einheitliches Zolltarifgesetz mit einem einheitlichen Zolltarifschema und mit im großen ganzen einheitlichen Zollsätzen nach außen und wenigen Ausgleichszöllen im Innern. Den starken Widerstand der österreichischen und der mit künstlichen Mitteln großgezogenen ungarischen Industrie hoffte ich durch Maßnahmen auf dem Gebiete der Syndizierung und Kartellierung überwinden zu können. Es ist mir schließlich auch gelungen, den Grafen Tisza, der vorher dem Gedanken der wirtschaftlichen Annäherung durchaus ablehnend gegenübergestanden hatte, für Verhandlungen auf dieser Grundlage zu gewinnen. Die Verhandlungen, bei denen die österreichischen und ungarischen Kommissare mit großer Hartnäckigkeit immer wieder auf das für uns schlechterdings unannehmbare Präferenzsystem zurückkamen, zogen sich lange über mein Ausscheiden aus meinen Ämtern hin und waren noch nicht abgeschlossen, als im Herbst 1918 die Katastrophe eintrat. Die österreichisch-ungarischen Friedensbestrebungen In diesem Nebeneinander von Interessengemeinschaften und Interessengegensätzen trat eines immer klarer zutage: die zunehmende Kriegsmüdigkeit unseres Verbündeten. Die Völker der österreichisch-ungarischen Monarchie litten infolge der laxeren Verwaltung und schlechteren Organisation noch stärker unter dem Druck des Krieges als das deutsche Volk. Ihre moralische Widerstandskraft gegenüber diesem Druck war geringer; denn für den Tschechen, Polen, Slowaken, Rumänen war der Krieg nicht, wie für das deutsche Volk, ein Kampf um das nationale Dasein. Dazu kam für die leitenden Kreise der Monarchie zweifellos das durch die Entwicklung des Krieges ausgelöste drückende Gefühl der Abhängigkeit von Deutschland. Der durch den U-Bootkrieg veranlaßte Eintritt Amerikas in den Kampf gegen die Mittelmächte, ferner die russische Revolution, die auf die österreichischen Slawen unmittelbarer einwirkte als auf die deutschen Massen, mußten die Kriegsmüdigkeit unseres Bundesgenossen noch steigern. Gegen Ende März 1917 war Graf Czernin für zwei Tage in Berlin. Er sprach bei dieser Gelegenheit sehr offen aus, daß Österreich-Ungarn den Krieg nicht mehr lange werde fortsetzen können; ein weiterer Winterfeldzug sei jedenfalls eine Unmöglichkeit. In den ersten Apriltagen kam Graf Czernin in Begleitung des Kaisers Karl und der Kaiserin Zita nach dem deutschen Hauptquartier, wohin sich auch der Kanzler und der Staatssekretär Zimmermann begaben. Kaiser Karl gab eine ähnliche Schilderung der Lage, wie sie Graf Czernin in Berlin gegeben hatte. Bestimmte Vorschläge machte er jedoch ebensowenig wie sein Minister des Äußern. Soweit ich unterrichtet bin, fiel nur in Form einer sondierenden Andeutung die Bemerkung: am besten wäre es, wenn wir Elsaß-Lothringen den Franzosen anböten, um auf diese Weise zum Frieden zu kommen; Österreich-Ungarn sei an sich bereit, ganz Galizien und auch das Trentino herzugeben, das habe aber keinen praktischen Zweck, denn der Friede könne nur im Westen gemacht werden. Die Kriegslage wurde bei uns, zumal da die russische Revolution uns die Befreiung von unserm großen östlichen Feinde in Aussicht stellte, in keiner Weise als derartig angesehen, daß die Preisgabe der Reichslande auch nur hätte in Erwägung gezogen werden können. Am 14. April ließ Kaiser Karl durch einen persönlichen Adjutanten an Kaiser Wilhelm ein Handschreiben überbringen, dem ein Bericht des Grafen Czernin vom 12. April beigefügt war. In diesem Berichte führte Graf Czernin im wesentlichen aus: Die militärische Kraft der Monarchie gehe ihrem Ende entgegen. Die Rohmaterialien für die Munitionserzeugung gingen zur Neige. Dumpfe Verzweiflung habe sich aller Volksschichten bemächtigt. Im Spätsommer oder Herbst müsse um jeden Preis Schluß gemacht werden. Der Krieg, der in der Weltgeschichte ohne Vorbild sei, habe für ganz Europa die revolutionäre Gefahr heraufbeschworen. Auf die österreichischen Slawen wirke die russische Revolution stärker als auf die Reichsdeutschen; aber auch die innere Situation Deutschlands sei nicht wesentlich anders als diejenige Österreich-Ungarns. Eine weitere Winterkampagne werde auch in Deutschland Umwälzungen hervorrufen, die dem verantwortlichen Verteidiger des dynastischen Prinzips viel ärger erscheinen müßten als ein von den Monarchen geschlossener schlechter Friede. Die amerikanische Kriegserklärung habe die Situation zweifellos wesentlich verschärft. Der Fortgang der russischen Ereignisse lasse sich noch nicht übersehen. Eine französisch-englische, wahrscheinlich auch eine italienische Offensive ständen unmittelbar bevor. Wenn es gelungen sei, in etwa zwei bis drei Monaten diese Angriffe abzuschlagen, »dann müssen wir, bevor Amerika das militärische Bild neuerdings zu unseren Ungunsten verschiebt, einen weitergehenden detaillierten Friedensvorschlag machen und uns nicht davor scheuen, eventuell große und schwere Opfer zu bringen«. Die deutschen Hoffnungen auf den U-Bootkrieg halte er für trügerisch. Admiral von Holtzendorff habe vorausgesagt, der verschärfte U-Bootkrieg werde England binnen sechs Monaten mattsetzen. Es seien seither zweieinhalb Monate vergangen, und an einen Niederbruch Englands sei auch nicht einmal zu denken. Auch in einigen Monaten werde England nicht gezwungen sein, die Waffen niederzulegen, aber es werde sich dann vielleicht die Rechnung stellen, »ob es klug und vernünftig sei, diesen Krieg à outrance zu führen, oder ob es nicht staatsmännischer sei, goldene Brücken zu betreten, wenn ihm dieselben von den Zentralmächten gebaut werden; dann wäre der Augenblick gekommen für weitgehende schmerzliche Opfer der Zentralmächte«. Der Kaiser Karl habe die wiederholten Versuche der Feinde, ihn von seinem Bundesgenossen zu trennen, abgelehnt; aber gleichzeitig habe der Kaiser ihn, den Grafen Czernin, beauftragt, den deutschen Staatsmännern zu sagen, daß Österreich-Ungarn am Ende seiner Kräfte sei und daß Deutschland über den Sommer hinaus nicht mehr auf Österreich-Ungarn werde rechnen können. Er habe diesen Befehl ausgeführt, und die deutschen Staatsmänner hätten ihm keinen Zweifel darüber gelassen, daß auch für Deutschland eine weitere Winterkampagne ein Ding der Unmöglichkeit sei. Wenn sich nicht in einigen Wochen die Möglichkeit ergäbe, mit Paris oder Petersburg zu sprechen, dann müsse noch rechtzeitig die letzte Karte ausgespielt und die angedeutete äußerste Proposition gemacht werden. Dieser Schritt des österreichischen Kaisers und des Grafen Czernin, der wie die Drohung einer befristeten Aufkündigung der Waffenbrüderschaft aussah, überraschte um so mehr, als die Befürwortung »weitgehender schmerzlicher Opfer« Hand in Hand ging mit den österreichischen Aspirationen auf Polen. Bei demselben Besuch im deutschen Großen Hauptquartier, bei dem Kaiser Karl den Deutschen Kaiser auf die sofortige Ernennung des Erzherzogs Karl Stephan zum Regenten und seine Designierung zum König von Polen festzulegen suchte, machte er uns mit dem Grafen Czernin die Zumutung, daß wir Elsaß-Lothringen herausgeben sollten. Und an demselben 13. April, an dem der Kaiser Karl die Denkschrift des Grafen Czernin an Kaiser Wilhelm abschickte, sandte er ihm ein Telegramm, in dem er die Zustimmung des Deutschen Kaisers erbat, dem Erzherzog Karl Stephan Mitteilung von den ihn betreffenden Absichten machen zu dürfen! Bekannt war uns ferner, daß seit einiger Zeit der frühere österreichisch-ungarische Botschafter in London, Graf Mensdorff, in der Schweiz weilte, um dort mit Vertrauensleuten der Entente Fühlung zu nehmen. Nicht bekannt dagegen war uns damals der im Frühjahr 1918 von der französischen Regierung veröffentlichte Brief des Kaisers Karl an seinen Schwager, den Prinzen Sixtus von Parma. In diesem Briefe hieß es nach der französischen Version, die zunächst von der Wiener Regierung als »verfälscht« bezeichnet worden ist, an deren Richtigkeit aber nach dem Verlauf der Auseinandersetzung zwischen Herrn Clemenceau und dem Grafen Czernin ein Zweifel wohl kaum mehr möglich ist: »Mein lieber Sixtus! -- Das Ende des dritten Jahres des Krieges, der so viel Trauer und so viel Schmerzen in die Welt brachte, rückt heran. Alle Völker meines Reiches sind enger als je vereint im gemeinsamen Willen, die Integrität der Monarchie selbst um den Preis der schwersten Opfer zu erhalten... Niemand dürfte die von meinen Truppen davongetragenen militärischen Vorteile bestreiten, besonders die auf dem Balkankriegsschauplatz. Seinerseits hat Frankreich eine prächtige Widerstandskraft und Begeisterung gezeigt. Wir alle bewundern rückhaltlos die wunderbare traditionelle Tapferkeit seiner Armeen und den Opfergeist des ganzen französischen Volkes. Deshalb ist es mir besonders angenehm, zu sehen, daß, obwohl wir augenblicklich Gegner sind, kein Auseinandergehen der Gesichtspunkte oder Aspirationen mein Reich von Frankreich trennt. Ich bin berechtigt, hoffen zu dürfen, daß meine lebhaften Sympathien für Frankreich, vereint mit jenen, die in der Monarchie herrschen, auf immerdar die Rückkehr eines Kriegszustandes vermeiden werden, für den mir keine Verantwortung zufällt. Zu diesem Zweck und um die Echtheit dieser Gefühle auf bestimmte Art kundzutun, bitte ich Dich, geheim und inoffiziell Herrn Poincaré, dem Präsidenten der französischen Republik, mitzuteilen, daß ich mit allen Mitteln und unter Aufbietung alles meines persönlichen Einflusses bei meinem Verbündeten die gerechten französischen Ansprüche hinsichtlich Elsaß-Lothringens unterstützen werde.« Der Brief sprach dann über Belgien, das wiederhergestellt und entschädigt werden müsse, und über Serbien, das gleichfalls wiederhergestellt werden und einen Ausgang nach der Adria erhalten solle, allerdings unter der Bedingung, daß es sich unter Garantie der Ententemächte zur Unterdrückung jeder gegen Österreich-Ungarn gerichteten Agitation verpflichte. Vorschläge über Rußland müßten bis zur Konstituierung einer gesetzlichen und endgültigen Regierung vorbehalten bleiben. Der Brief schloß: »Nachdem ich meine Gedanken dargelegt habe, bitte ich Dich, mir Deinerseits nach Besprechung mit den beiden Mächten zuerst die Meinung Frankreichs, dann diejenige Englands auseinanderzusetzen, um dergestalt eine Grundlage vorzubereiten, auf der offizielle Besprechungen begonnen werden können.« Dieser Brief wurde von dem Prinzen Sixtus dem Präsidenten Poincaré in Urschrift vorgelegt; mit Zustimmung des Prinzen wurde eine Abschrift an den französischen Ministerpräsidenten und Minister des Äußeren Herrn Ribot weitergegeben; er war vom 31. März 1917 datiert, war also geschrieben und abgesandt wenige Tage vor dem Besuch des österreichischen Kaiserpaares im deutschen Hauptquartier, bei dem die polnische Krone für den Erzherzog Karl Stephan gesichert werden sollte und bei dem Kaiser Karl und Graf Czernin beiläufig die Abtretung Elsaß-Lothringens als Mittel zur Beendigung des Krieges empfahlen; zwölf Tage vor der Übersendung der Denkschrift des Grafen Czernin, in der von »weitgehenden schmerzlichen Opfern« zwecks Herbeiführung des Friedens gesprochen wurde. Der Brief des Kaisers Karl läßt erkennen, daß dieser für sich die »Integrität der Monarchie« erhalten wollte, »selbst um den Preis der schwersten Opfer«; daß er sich andererseits gegenüber den Franzosen bereit erklärte, auf uns wegen der Herausgabe Elsaß-Lothringens den stärksten Druck auszuüben; dies, nachdem unsere Truppen ihm die Monarchie vor den Russen und Rumänen gerettet, Galizien und Siebenbürgen wiedererobert hatten! Aber der Kaiserbrief war damals noch nicht bekannt. Bei allem Mißtrauen, das auch schon aus dem für uns sichtbaren Verhalten des österreichischen Kaisers und seiner Umgebung sich ergeben mußte, erforderte die Denkschrift des Grafen Czernin eine sachliche Prüfung und eine sachliche Erwiderung. Auch bei uns war man von dem fortdauernden und zunehmenden Ernst der Lage durchdrungen, und gerade das zweifelhafte Verhalten unseres Bundesgenossen war dazu angetan, den Ernst der Lage noch zu verschärfen. Aber man sah bei uns weder die militärische, noch die maritime, noch die innere Lage so hoffnungslos an, wie Graf Czernin sie seinem Kaiser zum Zwecke des Druckes auf Deutschland gemalt hatte. Ich glaube auch nicht, daß irgendein deutscher Staatsmann dem Grafen Czernin gegenüber einen weiteren Winterfeldzug für ein »Ding der Unmöglichkeit« erklärt haben kann, so sehr wir alle mit dem Grafen Czernin darüber einig waren, daß man, wenn irgend möglich, den Krieg vor dem Winter zu Ende bringen müsse. Das erschien jedoch nur erreichbar, wenn es gelang, einen moralischen Zusammenbruch sowohl des eigenen Volkes wie des österreichisch-ungarischen Bundesgenossen zu verhindern und in der entscheidenden Zeit die Zuversicht aufrechtzuerhalten. Die oberste Heeresleitung hob in ihrer Stellungnahme zu der Denkschrift des Grafen Czernin die starke militärische Entlastung hervor, die damals schon die russische Revolution für die Ostfront bedeutete; im Westen sei es gelungen, die große Offensive der Feinde aufzufangen, unsere Position sei so stark und achtunggebietend, »daß wir jedem militärischen Ereignis mit vollem Vertrauen entgegensehen können und auch in der Lage sein werden, den Kampf auch ohne Österreich fortzusetzen«. Durch die Entlastung im Osten werde aber auch Österreich-Ungarn genügende Truppen für die Durchführung der Kämpfe an der italienischen Front bis zur Beendigung des Krieges haben. Der Ausgang des Krieges sei mehr wie je eine Nervenfrage geworden. Auch bei unseren Gegnern sei das Friedensbedürfnis stark; zeigten wir jetzt zu viel Entgegenkommen, so würden sie glauben, daß unser Friedensbedürfnis größer sei als das ihrige, und sich ablehnend verhalten. Nur indem wir unseren Willen zum Weiterkämpfen offen bekundeten, würden wir zu aussichtsvollen Friedensverhandlungen gelangen. Der Admiralstab wies auf die bis dahin erzielten großen Erfolge des uneingeschränkten U-Bootkriegs hin; in den zweieinhalb Monaten seit seiner Eröffnung seien 2 Millionen Tonnen, etwa ein Fünftel des auf England fahrenden Schiffsraums, versenkt worden. Ein Monat U-Bootkrieg vernichte mehr Tonnage, als England im ganzen Jahr 1916 ausgebaut habe. Die angekündigten tausend amerikanischen Holzschiffe würden nur den Verlust von vier Monaten decken, wenn sie schon da wären; sie würden aber zu spät kommen. Die aus England vorliegenden Nachrichten zeigten, daß Vorräte, die eine Lücke in der Zufuhr überbrücken könnten, nicht vorhanden seien. Schon jetzt, nach zweieinhalb Monaten, müsse den verantwortlichen Personen in England klar werden, daß der U-Bootkrieg die Lebenshaltung der Bevölkerung auf ein unerträgliches Maß herabdrücken und die Kriegsindustrie so beeinträchtigen werde, daß die Hoffnung, Deutschland durch Übermacht an Munition und Geschützen zu schlagen, aufgegeben werden müsse. Die Erwiderung des Reichskanzlers auf die Denkschrift des Grafen Czernin wurde am 4. Mai dem Kaiser vorgelegt. Sie stützte sich in ihren Ausführungen über die militärische Lage und den U-Bootkrieg auf die Äußerungen der Obersten Heeresleitung und des Admiralstabs und nahm außerdem Bezug auf eine Rede, die ich am 28. April im Hauptausschuß des Reichstages in Kenntnis der österreichischen Zweifel über die Wirkungen des U-Bootkriegs und nicht zum wenigsten in der Absicht, diesen Zweifeln entgegenzuwirken, gehalten hatte. Sie fügte hinzu: »Geheimen, aber sicheren Nachrichten zufolge hat Ministerpräsident Ribot kürzlich zum italienischen Botschafter in Paris geäußert, Frankreich ginge der Erschöpfung entgegen.« Unsere eigene innere Lage sei infolge des langen Krieges und der Abgeschlossenheit vom Weltmeer schwierig, aber er, der Kanzler, habe das feste Vertrauen, daß es gelingen werde, die Schwierigkeiten ohne dauernde Gefährdung der Volkskraft und ohne Bedrohung des staatlichen Gefüges zu überwinden. Gleichwohl stimme er mit dem Grafen Czernin voll überein in der Verfolgung des Zieles, »einen ehrenvollen, den Interessen des Reiches und unserer Bundesgenossen gerechtwerdenden Frieden so bald wie möglich herbeizuführen«. Er teile auch die Ansicht, »daß das wichtige Moment der Schwächung Rußlands ausgenutzt und daß eine erneute Friedensaktion zu einem Zeitpunkt eingeleitet werden muß, an dem die militärische und politische Initiative noch in unseren Händen ruht«. Graf Czernin selbst habe den Zeitpunkt hierfür in zwei bis drei Monaten ins Auge gefaßt, an dem die feindlichen Offensiven ihr Ende gefunden hätten. In der Tat würde gegenwärtig bei den weitgespannten Erwartungen der Franzosen und Engländer eine zu stark unterstrichene Friedensbereitschaft nicht nur zur Erfolglosigkeit verdammt sein, sondern auch durch den in ihr ruhenden Schein der hoffnungslosen Erschöpfung der Mittelmächte die Kräfte der Gegner neu beleben. Augenblicklich wäre ein allgemeiner Friede nur durch Unterwerfung unter den Willen unserer Feinde zu erkaufen. Ein solcher Friede aber würde vom Volke nicht ertragen werden und verhängnisvolle Gefahren für die Monarchie heraufbeschwören. Die Entwicklung der Ereignisse in Rußland dränge den Kampf der (russischen) Parteien immer mehr auf die Friedensfrage; diese Entwicklung müsse aufmerksam verfolgt und begünstigt, kommende russische Sondierungsversuche müßten zwar ohne zur Schau getragenes Empressement, aber doch sachlich so behandelt werden, daß sie zu tatsächlichen Friedensverhandlungen führten. Daß der hier gezeigte Weg -- unabhängig von der Frage des Erfolges des U-Bootkriegs -- unter den damaligen Verhältnissen der einzig mögliche war, hat die Entwicklung der nächsten Monate gezeigt; mehr noch die erst später bekanntgewordene und auch heute in deutschen Kreisen noch auffallend wenig bekannte Folge, die die französische Regierung mit ihren Verbündeten dem Brief des Kaisers Karl gegeben hat. Davon später! Graf Czernin selbst kam für längere Zeit nicht auf seine Anregung des mit weitgehenden und schmerzlichen Opfern anzubietenden Friedens zurück. Im Gegenteil, die Besprechungen, die er am 17. und 18. Mai 1917 erneut in unserem Hauptquartier zu Kreuznach führte, bewegten sich auf ganz anderen Grundlagen als denjenigen des Verzichtens und Opferns; es drehte sich bei ihnen um politische Kompensationen von sehr erheblichem Umfang, die für den Fall einer Erweiterung des deutschen Machtbereiches nach Osten die österreichisch-ungarische Monarchie für sich in Rumänien beanspruchte. Auch hat sowohl der Gang der militärischen Ereignisse wie die Entwicklung der inneren Verhältnisse in Deutschland und Österreich-Ungarn gezeigt, daß die Zentralmächte in ihren Heeren und Völkern damals noch sehr erheblicher Leistungen fähig und noch nicht darauf angewiesen waren, Hals über Kopf einen Frieden um jeden Preis zu schließen. Die militärische wie die innere Lage, so schwer sie war, gestattete, die Entwicklung in Rußland abzuwarten und die sich aus dieser ergebenden Vorteile wahrzunehmen. Sie gestattete auch noch die glänzende Herbstoffensive in Venetien, den von dem Grafen Czernin als Ding der Unmöglichkeit erklärten Winterfeldzug und darüber hinaus die gewaltige deutsche Frühjahrsoffensive im Westen. Es war also im Frühjahr 1917 noch kein Grund zu der von dem Grafen Czernin propagierten Panikstimmung vorhanden. Die Diplomatie hatte für ihre Betätigung zur Herbeiführung des Friedens noch einen reichlich bemessenen Spielraum. Es kam jetzt in der Tat alles darauf an, daß Regierende und Regierte die Nerven behielten und daß die Politik die sich ihr im weiteren Verlauf der Ereignisse bietenden Gelegenheiten klug und besonnen zur Herbeiführung eines erträglichen Friedens ausnutzte. Besonnenheit und Klugheit war für die deutsche Politik jetzt um so mehr geboten, als der Schritt des Grafen Czernin vom April 1917 zeigte, daß auf unseren österreichisch-ungarischen Bundesgenossen kein unbedingter Verlaß mehr war. Die innere Lage Der Verfall des Burgfriedens Als Ende Juli 1914 das gewaltige Schicksal des Krieges über Deutschland hereinbrach, fand es ein einiges Volk. Die Überzeugung, daß es gelte, Haus und Herd gegen einen frevelhaften Angriff zu verteidigen, war, ebenso wie der entschlossene Wille zur Verteidigung, Gemeingut aller Stände und Schichten. Alles Trennende trat hinter den einen Gedanken zurück, daß es gelte, das Vaterland aus schwerster Bedrängnis zu retten. Das Wort des Kaisers: »Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur Deutsche« war der Ausdruck der Stimmung, die das ganze Volk erfüllte. Der »Burgfriede« war das Kriegsgesetz der Heimat. Auch diejenige Partei, die unsere Staats- und Gesellschaftsordnung grundsätzlich bekämpfte und ihre Ziele auf internationaler Grundlage zu erreichen suchte, die Sozialdemokratie, stellte sich schützend vor das bedrohte Vaterland. Am 4. August 1914 erklärte der Abgeordnete Haase als Sprecher der Sozialdemokratischen Partei im Reichstag: »Es gilt, die Kultur und die Unabhängigkeit des eigenen Landes sicherzustellen. Da machen wir wahr, was wir immer betont haben: Wir lassen in der Stunde der Gefahr das eigene Vaterland nicht im Stich.« Der Kriegskredit und alle Kriegsgesetze wurden in jener Reichstagssitzung einstimmig angenommen. Der große Aufschwung vaterländischer Gesinnung verlor jedoch mit der Dauer des Krieges an Kraft. Die Enttäuschung der Hoffnungen auf ein rasches und gutes Ende des Krieges, die schweren Verluste, von denen kaum eine Familie verschont blieb, die Vernichtung zahlreicher Existenzen, die wachsenden Schwierigkeiten der Volksernährung, der Druck des Belagerungszustandes -- das alles wirkte zusammen, um die Geschlossenheit der »inneren Front« zu lockern. Als der Reichstag am 10. März 1915 den Etat für 1915 und den dritten Kriegskredit beriet, da kündigte die Sozialdemokratie bereits eine Reihe politischer Forderungen an; es kam auch aus Anlaß einer Rede des Abgeordneten Ledebour zu einem heftigen Auftritt. Aber Etat und Kriegskredit wurden schließlich dieses Mal noch ohne Widerspruch angenommen. Bei dieser Gelegenheit wurde vom Bundesratstisch aus zum erstenmal das Wort »Neuorientierung« ausgesprochen. Gegenüber den aus dem Hause geäußerten Wünschen nach politischen Reformen führte mein Vorgänger im Reichsamt des Innern, der Staatssekretär Delbrück, aus, der Reichskanzler und die verbündeten Regierungen erkannten an, »daß die großen Ereignisse, die der Krieg gebracht hat, uns vor die Notwendigkeit stellen werden, zu prüfen, inwieweit unsere innere Politik einer Neuorientierung bedarf. Aber« -- fügte er hinzu -- »es ist auch wiederholt darauf hingewiesen worden, daß der Herr Reichskanzler und die Verbündeten Regierungen der Meinung sind, daß eine solche Prüfung nicht wohl angängig ist während des Krieges, mit Rücksicht darauf, daß alle Gegensätze, die die einzelnen Teile und Parteien unseres Volkes bewegen und getrennt haben, soweit als möglich nicht diskutiert werden sollten, solange unsere Heere an den Grenzen kämpfen; und an diesem Grundsatz müssen die Verbündeten Regierungen festhalten.« Eine »Neuorientierung« wurde also in Aussicht gestellt, aber erst für die Zeit nach dem Kriege; solange der Krieg dauerte, sollte der »Burgfriede« allem andern vorgehen. Schon im Sommer 1915 verließ der Reichstag seinerseits diesen Standpunkt, indem er einem Initiativantrag auf Änderung des Vereinsgesetzes seine Zustimmung gab. Die Reichsleitung hatte sich gegen die bisherige Gepflogenheit an den Verhandlungen über diesen Initiativantrag beteiligt. Den Beschlüssen des Reichstages stimmten zwar die Verbündeten Regierungen nicht zu; aber sie brachten im Frühjahr 1916 ihrerseits eine Novelle zum Vereinsgesetz an den Reichstag, durch die vorgesehen wurde, daß die Gewerkschaften und die entsprechenden Vereine der Arbeitgeber nicht den für politische Vereine geltenden Beschränkungen unterliegen sollten. Die Bedeutung der Novelle war in erster Linie eine »deklaratorische«; denn es handelte sich darum, der ursprünglichen Absicht des Gesetzgebers gegenüber einer zu engen Auslegung des Vereinsgesetzes durch die Gerichte und Verwaltungsbehörden Geltung zu verschaffen. Dieser Gesetzentwurf war in parlamentarischer Behandlung, als ich am 1. Juni 1916 das Reichsamt des Innern übernahm. Ebenso war damals schon die Zustimmung der Verbündeten Regierungen zu einem schon vor Jahren vom Reichstag angenommenen Initiativantrag behufs Aufhebung des Jesuitengesetzes in die Wege geleitet. Der Reichstag drängte weiter. Ich kam schon am 5. Juni bei der zweiten Lesung der Novelle zum Vereinsgesetz in die Lage, zu diesem Drängen Stellung zu nehmen. Ich führte damals aus: Die Verbündeten Regierungen hätten zwar geglaubt, berechtigten Wünschen durch eine Deklaration des bestehenden Gesetzes Rechnung tragen zu können, aber sie glaubten nicht, auf umstrittenem Boden Änderungen bestehender Gesetze vornehmen zu sollen, solange der Krieg noch dauere. Bis dahin gehörten alle unsere Kräfte der Verteidigung des Vaterlandes und der Sicherstellung eines Friedens, der uns gestatte, unbehelligt von außen unser Haus neu zu bestellen und die Arbeit an der Hebung des gesamten Lebensstandes unseres Volkes wieder aufzunehmen. Die Neubestellung unseres Hauses werde sich vollziehen auf der Grundlage des Erlebnisses, das dieser Krieg für unser Volk und für jeden einzelnen von uns bedeute. Im brüderlichen Zusammenhalten, in der Gemeinsamkeit der Taten und Opfer müsse sich das gegenseitige Verhältnis der einzelnen Berufsstände, Klassen und Konfessionen wandeln und klären. Dem neuen Inhalt unseres militärischen und staatlichen Daseins würden sich neue Formen anpassen. »Die Aufgaben, die uns hier bevorstehen, sind so umfassend und so weitschichtig, sie hängen auch so eng miteinander zusammen, daß es nicht angeht, die eine oder die andere Frage, mag sie dem einzelnen auch noch so brennend und wichtig erscheinen, getrennt für sich vorweg zu behandeln.« Dieser Standpunkt wurde auch von der Mehrheit des Reichstags damals noch geteilt. Aber die großen Risse und Sprünge im »Burgfrieden« waren gleichwohl unverkennbar. Nicht etwa nur auf dem Gebiet der inneren Politik, sondern auch in der Frage der Kriegsziele und in der Frage der Kriegsmittel, namentlich des U-Bootkriegs. Von der einen Seite, die man sich gewöhnt hat als »alldeutsch« zu bezeichnen, wurden weitgesteckte Kriegsziele proklamiert, große territoriale Erwerbungen in West und Ost, zum mindesten die politische, militärische und wirtschaftliche Beherrschung wichtiger, unseren Grenzen vorgelagerter Gebiete. Vor allem wurde verlangt, daß wir, um uns zu sichern und um England jederzeit in Schach setzen zu können, Belgien und die flandrische Küste »fest in der Hand behalten« müßten; manche verlangten darüber hinaus, daß wir durch die dauernde Festsetzung in Calais und Boulogne die Ungunst der geographischen Lage Deutschlands zum Weltmeer verbessern, aus dem »nassen Dreieck« herauskommen und den freien Ausgang zum Kanal und Atlantischen Ozean gewinnen müßten. Es waren nicht die Schlechtesten der Nation, die für solche Ziele sich einsetzten; ich nenne nur den Grafen Zeppelin, der mir einmal sagte, der Krieg sei für uns verloren, wenn er uns nicht zum mindesten die belgische und französisch-flandrische Küste bis über Boulogne hinaus bringe. Es waren auch nicht etwa nur die »Alldeutschen«, die sich für so weitgehende Ziele einsetzten; unter anderen hat z. B. Herr Erzberger, später einer der schärfsten Bekämpfer der alldeutschen Kriegsziele, im September 1914 in einer an die Spitzen der Reichs- und Heeresleitung gerichteten Denkschrift nicht nur die Annexion des Erzgebietes von Longwy und Briey, die deutsche Oberherrschaft über Belgien und das französische Küstengebiet bis nach Boulogne, sondern auch den Übergang der Cherbourg vorgelagerten normannischen Inseln aus britischen in deutschen Besitz verlangt! Auf der anderen Seite wuchs in dem langen Krieg die Friedenssehnsucht. Die pazifistische Propaganda fand von Monat zu Monat einen aufnahmefähigeren Boden. Der einfache Mann aus dem Volke sah die glänzenden Siege unserer Heere, er sah, daß unsere Feinde von unseren Grenzen ferngehalten oder, wo sie eingebrochen waren, wieder vertrieben wurden; er sah, daß wir in Ost und West weit in Feindesland standen. Diese handgreiflichen Wahrnehmungen, die über unsere wirkliche Lage hinwegtäuschten, führten auf der einen Seite zu der Überspannung der Kriegsziele; auf der anderen Seite aber bereiteten sie den Boden für den Eindruck, unser ursprüngliches Verteidigungsziel sei erreicht, Deutschland könne jeden Augenblick einen ehrenvollen, seinen Bestand und seine Zukunft sichernden Frieden haben, wenn nur auf Eroberungspläne Verzicht geleistet werde. Der wahre Sachverhalt, daß unsere Feinde, trotz unserer Abwehr- und Angriffserfolge auf den verschiedenen europäischen Kriegsschauplätzen, in keinem Augenblick bereit waren, mit uns einen Frieden auf Grund unseres Standes vor dem Krieg zu machen -- dieser auch von dem Grafen Czernin in seiner bereits mehrfach angeführten Rede vom Dezember 1918 ausdrücklich bestätigte Sachverhalt --, war bei uns nur wenigen klar und wollte jedenfalls dem einfachen Manne aus dem Volke nicht in den Kopf. Verschärft wurde der Streit um die Kriegsziele unverkennbar dadurch, daß der Gegensatz von Unternehmertum und Arbeiterschaft in diese außenpolitische Frage stark hineinspielte. Die Führer und Verbände unserer großen Industrien, vor allem der »Schwerindustrie«, setzten sich mit Nachdruck für weitgespannte Kriegsziele ein, während die große Masse der Arbeiter vor allem den Frieden herbeisehnte. Eine häßliche Agitation brachte die Haltung des großindustriellen Unternehmertums in der Frage der Kriegsziele in Zusammenhang mit den Gewinnen der Industrie aus Kriegsaufträgen. Die Worte »Kriegsgewinnler« und »Kriegsverlängerer« begannen die öffentliche Erörterung der Kriegsziele zu vergiften. Der Streit um den U-Bootkrieg, der vom Frühjahr 1916 an immer schärfere Formen annahm, tat ein übriges, um den »Burgfrieden« zu erledigen. Diese Entwicklung mußte natürlich auch in den parlamentarischen Verhandlungen zum Ausdruck kommen. Das Jahr 1915 war auf diesem Felde im großen ganzen noch friedlich verlaufen. Aber schon am 24. März 1916 richtete bei der Beratung des Notetats für das Rechnungsjahr 1916 der Abgeordnete Haase -- wie im Verlauf der Sitzung durch den Abgeordneten Scheidemann festgestellt worden ist, ohne von der sozialdemokratischen Fraktion dazu beauftragt zu sein und ohne dieser auch nur Kenntnis von seiner Absicht zu geben -- die heftigsten Angriffe gegen die Reichsregierung und die »Kriegsverlängerer«; er erklärte, daß er mit einer Anzahl von Freunden den Notetat, ebenso wie später den Hauptetat, ablehnen werde. Das Auftreten Haases führte zu einem großen Tumult. Das Haus entzog ihm, von dem Präsidenten befragt, das Wort, und sein Fraktionskollege Scheidemann schüttelte ihn unter Beifall und Händeklatschen ab. Es kam zur Spaltung der sozialdemokratischen Fraktion: der linke Flügel, die heutigen »Unabhängigen Sozialdemokraten« schieden aus und schlossen sich als »Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft« zu einer besonderen Fraktion zusammen. Aber auch die alte sozialdemokratische Partei, die »Mehrheitssozialdemokraten« machten eine wichtige Schwenkung. Sie hatten schon gegen die Kriegssteuern gestimmt, soweit diese den Verbrauch und Verkehr belasteten. Nun erklärte am 7. Juni 1916 bei der dritten Lesung des Hauptetats für das Jahr 1916 der Abgeordnete Ebert namens der sozialdemokratischen Fraktion, daß die Aufnahme der neuen Steuern in den Etat sie veranlasse, gegen den Etat zu stimmen. Er fügte hinzu, mitbestimmend für diesen Entschluß der Etatsverweigerung sei gewesen, daß in der inneren Politik die notwendigsten Forderungen politischen und sozialen Fortschritts unberücksichtigt geblieben seien. In der ersten Periode des Krieges habe noch mit einem Schein von Berechtigung gesagt werden können, daß ein Ausbau der politischen Zustände mitten im Krieg allzu große Schwierigkeiten bereite. In den zweiundzwanzig Kriegsmonaten sei es jedoch sehr wohl möglich gewesen, die Bahn zum Neuen frei zu machen. Noch immer verlaute nichts von der Reform des Klassenwahlrechtes in Preußen und in anderen Bundesstaaten. Auf dem Gebiet der Volksernährung habe die Regierung nicht die nötige Entschlossenheit aufgebracht. Statt durch die Aufhebung des Belagerungszustandes und der Zensur dem deutschen Volke Vertrauen zu beweisen, dulde man Willkür und Ausschreitungen der Behörden. In der Entwicklung von Recht und Freiheit wie in der Besserung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse müsse dem Volke endlich ein weiteres Entgegenkommen bewiesen werden; da es die Regierung bisher daran habe fehlen lassen, ergäbe sich für seine Fraktion die Schlußfolgerung, den Etat abzulehnen. Die Mehrheitssozialdemokraten haben in der Folgezeit zwar den Kriegskrediten zugestimmt, freilich niemals mehr ohne Schwanken und ohne Verhandlungen; aber bei der Etatsverweigerung sind sie geblieben. Sie haben damit ihre grundsätzliche Oppositionsstellung wieder scharf unterstrichen. Diese Schwenkung der Sozialdemokratie mußte als ein ernstes Symptom genommen werden, zumal da bei ihr die Führer der Mehrheitssozialdemokraten allem Anschein nach weniger die Führenden als die von der Masse ihrer Partei Geschobenen waren. Die Wirkungen der Leiden und Entbehrungen des langen und sich immer weiter verlängernden Krieges auf die breiten Schichten des Volkes äußerten sich in wachsender Verdrossenheit und Unzufriedenheit. Wie immer in solchen Zeiten fanden sich Leute, die ihren Beruf darin erblickten, unbekümmert um das Wohl des Ganzen, die Mißstimmung zu schüren und die Massen aufzureizen. Die Führer der Mehrheitssozialdemokraten gaben zwar durch ihre Haltung gegenüber den Leuten um Haase und Ledebour zu erkennen, daß sie die Politik der Aufreizung nicht mitmachen wollten; auch die Haltung der sozialdemokratischen Gewerkschaften zeigte im großen ganzen Einsicht, guten Willen und vaterländische Gesinnung. Aber die Verweigerung des Budgets für 1916 und die von dem Abgeordneten Ebert gegebene Begründung bestätigte, daß diese Kreise es für notwendig hielten, in ihrem Verhalten zur Regierung und zu den anderen Parteien der Stimmung der den Aufwiegelungen der Radikalen unterliegenden Massen Konzessionen zu machen. Ich brauche kein Wort darüber zu verlieren, wie wichtig es für den Gang des Krieges und für das Schicksal Deutschlands war, die Millionen der sozialdemokratischen Arbeiterschaft bei der Fahne des Vaterlandes festzuhalten. Jedem denkenden Menschen mußte es als geradezu unmöglich erscheinen, den Krieg zu einem guten Ende zu führen, wenn ein großer und gut organisierter Teil des werktätigen Volkes grollend beiseite trat oder gar dem Durchkämpfen des Krieges sich feindlich widersetzte. Hier lag unsere größte Sorge. Vor allem Herr von Bethmann Hollweg war durchdrungen davon, daß die Erhaltung des guten Willens der Sozialdemokratie die Schicksalsfrage des deutschen Volkes sei. Mit dem Festhalten an starren Formeln und der grundsätzlichen Ablehnung einer jeden Forderung war diese große und entscheidende Aufgabe ebensowenig zu lösen wie mit hemmungsloser Nachgiebigkeit. Die Aufrechterhaltung des festen Gefüges unserer staatlichen Ordnung, die Erhaltung der Disziplin und der Kampfesfreudigkeit unseres Heeres, die Sicherung der Kriegsarbeit in der Heimat -- das waren die Grenzen, die jeder Nachgiebigkeit gezogen waren. Darüber, was innerhalb dieser Grenzen notwendig und möglich sei, konnten allerdings die Meinungen erheblich auseinandergehen. Innerpolitische Wünsche und Forderungen Als ich das Reichsamt des Innern übernahm und alsbald bei der Beratung der Novelle zum Vereinsgesetz vor weitgehende Anträge gestellt wurde, vertrat ich zwar den bisher von der Reichsleitung und den Verbündeten Regierungen eingenommenen Standpunkt, daß die von meinem Vorgänger mit dem ebenso unbestimmten wie verheißungsvoll klingenden Wort von der »Neuorientierung der inneren Politik« in Aussicht gestellten Reformen erst nach Sicherung des Friedens in Angriff genommen werden könnten. Aber eine ernste Prüfung war unausweichlich geworden, ob dieser Standpunkt sich bei einer längeren Dauer des Krieges aufrechterhalten lasse und was geschehen könne, um die großen Massen des Volkes angesichts der wachsenden Erschwerungen des täglichen Lebens und des immer zunehmenden physischen und psychischen Druckes des Krieges fähig und willig zu Kampf und Arbeit zu erhalten. Dieses Ziel war nur erreichbar, wenn sich die breitesten Schichten des Volkes davon überzeugten, daß der Friede nicht an uferlosen Eroberungsplänen scheiterte, sondern an dem Vernichtungswillen unsrer Gegner. Die Aufgabe war eine schwierige und heikle. Denn die Beruhigung des deutschen Volkes darüber, daß seine besten Söhne nicht für Eroberungs- und Unterjochungsziele bluteten, daß alle Leiden des Krieges um unserer Verteidigung und Erhaltung willen getragen werden müßten, durfte nicht zur Ermutigung des Feindes und zur Zermürbung der eigenen Kampfkraft werden, wenn anders sie nicht gerad kriegsverlängernd wirken sollte. Deshalb bedurfte das deutliche Abrücken von überspannten Kriegszielen als Gegengewicht eine ebenso kräftige Abweisung der übertriebenen Schwarzseherei und des Geistes der Niederlage. Die schwierige Lage der Reichsleitung, deren an das eigene Volk sich richtenden Worte stets auch vom Ausland gehört und dort geschickt ausgenutzt wurden, fand weder rechts noch links volles Verständnis. Der Kanzler sah sich bald in eine Kampfstellung gegenüber den ihn scharf angreifenden »Alldeutschen« gedrängt, während ich als Stellvertreter des Reichskanzlers in meinem Bestreben, hier ergänzend zu wirken, je länger desto mehr die Angriffe der pazifistisch gerichteten Gruppen, namentlich der Sozialdemokraten beider Richtungen, auf mich zog. Auf dem Gebiet der Volksernährung war angesichts der in ihrer Wirksamkeit sich steigernden Hungerblockade eine durchgreifende Verbesserung der Verhältnisse nicht zu erhoffen. Durch die mit meiner Übernahme des Reichsamts des Innern zusammenfallende Schaffung des Kriegsernährungsamts sollte die Organisation der Volksversorgung nach Möglichkeit vervollkommnet werden. In dem Oberpräsidenten von Batocki erhielt das neue Amt einen ungewöhnlich ideen- und kenntnisreichen, beweglichen und tätigen Mann als Leiter. Aber niemand machte sich eine Illusion darüber, daß auch die beste Organisation und die trefflichste Leitung kein Kornfeld auf der flachen Hand wachsen lassen kann und daß bis zum Ende des Krieges und darüber hinaus die Knappheit der Lebensmittel die Widerstandskraft unseres Volkes auf die härteste Probe stellen werde. Blieb das Gebiet der inneren Politik. Hier gingen die Beschwerden und Forderungen nach zwei verschiedenen Richtungen: einmal auf Aufhebung oder Milderung der auf Grund des Kriegszustandes verhängten Beschränkungen der persönlichen Freiheit und des politischen Lebens; dann auf eine freiheitliche Ausgestaltung unserer gesamten politischen und sozialen Verhältnisse. In ersterer Beziehung war es die Handhabung des Belagerungszustandes auf Grund des alten und veralteten preußischen Gesetzes von 1851, die starke Unzufriedenheit erregte, nicht nur bei den Sozialdemokraten, sondern auch bei den bürgerlichen Parteien. Besonders stark waren die Beschwerden über die Handhabung der Schutzhaft und der Zensur. Ich mußte mich überzeugen, daß hier in der Tat schwere Mißstände vorlagen, die Abstellung verlangten. Auf der anderen Seite war das -- übrigens nur von der äußersten Linken geforderte -- Radikalmittel der gänzlichen Aufhebung des Belagerungszustandes nicht anwendbar. Kein kriegführendes Land ist in diesem Weltkrieg, der alle nationalen Kräfte einspannte und auf alle Gebiete des Lebens übergriff, ohne Beschränkungen der persönlichen Freiheit und der politischen Rechte ausgekommen. Praktisch in Betracht kamen also nur Milderungen in der Handhabung. Darüber waren recht schwierige Verhandlungen mit den militärischen Stellen nötig, bei denen so gut wie ausschließlich die Handhabung des Belagerungszustandes lag. Solche Verhandlungen waren bereits unter meinen Vorgängern eingeleitet worden. Ich habe mich bemüht, sie zu einem guten Abschluß zu bringen. Schon in den ersten Tagen nach der Übernahme des Reichsamts des Innern habe ich mich im Reichstag bereit erklärt, auf einen allmählichen Abbau der Zensur hinzuwirken. Ich mußte mich allerdings bald überzeugen, wie schwer es war, eine halbwegs vernünftige Handhabung der Zensur zu erreichen. Bei allen Vorschriften über eine Einschränkung der Gebiete, auf denen die Zensur ihres Amtes walten sollte, und bei allen Verbesserungen der Organisation blieb die Durchführung abhängig von dem oft mangelhaften Urteil und dem mitunter gleichfalls mangelhaften guten Willen der zahlreichen ausführenden Organe. Als im Herbst 1916 im Reichstag Initiativanträge auf Milderung des Belagerungszustandes gestellt wurden, habe ich erklärt, daß die Tendenz der Anträge in der Richtung der Absichten der Verbündeten Regierungen liege. Zu den Ausschußberatungen über die Anträge habe ich Kommissare entsandt, und schließlich habe ich die Annahme des vom Reichstag beschlossenen Gesetzes über die Schutzhaft gegen starke Bedenken und Widerstände der militärischen Stellen bei der preußischen Regierung und im Bundesrat durchgesetzt. Aber auch nach dem Erlaß dieses Gesetzes bedurfte es großer und fortgesetzter Anstrengungen, um die in dem Gesetz gewährleistete mildere Handhabung und die neuen Rechtsgarantien auch tatsächlich zu verwirklichen. Besonders schwierig lagen in dieser Beziehung die Verhältnisse in Elsaß-Lothringen, das zum größten Teil Operationsgebiet war; hier bestanden die für die Operationen verantwortlichen militärischen Stellen auf unbedingter Bewegungsfreiheit für die von ihnen im militärischen Interesse für notwendig gehaltenen Maßnahmen. Meine Bemühungen, auf dem Gebiet des Belagerungszustandes eine Besserung herbeizuführen, wurden mir durch das Verhalten des Reichstags nicht gerade erleichtert. Als Ende Oktober 1916 der Abgeordnete Dittmann von der Unabhängigen Sozialdemokratie eine von Übertreibungen strotzende und sichtlich auf agitatorische Zwecke und aufreizende Wirkung berechnete Rede hielt und ich ihm mit einiger Schärfe entgegentrat, hielt es der nationalliberale Abgeordnete Dr. Paasche für angezeigt, mir unter dem Jubel der Sozialdemokraten und dem Beifall auch eines großen Teils der bürgerlichen Parteien in den Rücken zu fallen, weil ich ihm nicht genug Entrüstung über die unerwiesenen Vorgänge ausgesprochen und mich geweigert hatte, die beteiligten Beamten ungehört zu verurteilen. Die Unabhängigen Sozialdemokraten haben späterhin die Rede des Herrn Dittmann und dessen Unterstützung durch Herrn Paasche in vielen Tausenden von Druckheften für ihre Agitation verwendet, namentlich auch innerhalb der Marine. Hinter der zum Teil berechtigten Erregung über die Handhabung des Belagerungszustandes traten noch in der ersten Zeit meiner Wirksamkeit als Staatssekretär des Innern die Forderungen nach politischen und sozialen Reformen zurück. Das Wort von der »Neuorientierung« war allerdings zum Schlagwort geworden und spielte als solches in den politischen Diskussionen eine große Rolle. Aber wenn ich in Unterhaltungen mit politischen Persönlichkeiten zu ergründen versuchte, was man sich an konkreten Reformen unter der »Neuorientierung« denke, so stieß ich doch meistens auf ziemlich nebelhafte Vorstellungen. Der Krieg hatte das deutsche Volk und das Deutsche Reich nicht im Zustand der Stagnation und Verrottung, sondern im Zustand kräftigen Fortschritts auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens getroffen. Manche Schlacken der Vergangenheit hafteten unseren innerpolitischen Zuständen noch an, die abgestoßen werden mußten. Aber alles in allem erfreute sich bei uns der Staatsbürger derselben Rechtsgarantien für seine persönliche Freiheit wie der Franzose oder Engländer; wir hatten, wenigstens im Reich, ein freieres Wahlrecht als unsere westlichen Nachbarn; wir hatten, wenn man Reich, Einzelstaaten und Kommunen zusammennimmt, ein System der Besteuerung, das dem französischen an Gerechtigkeit weit überlegen war und dem England erst kurz vor dem Krieg durch die Reform seiner Einkommenbesteuerung sich angenähert hatte; wir marschierten schließlich in der Sozialpolitik unbestritten an der Spitze der europäischen Staaten. Das Deutsche Reich von 1914 war ein anderes Gebilde als das Preußen von 1806. Der unklare Vergleich dessen, was da kommen müsse, mit den Stein-Hardenbergschen Reformen hatte also keine innere Berechtigung. Damit will ich nicht sagen, daß nicht vieles und Wichtiges in unserem Staatsleben zu bessern gewesen wäre. Ein großer Teil davon lag auf dem Weg der ruhigen Fortentwicklung des bereits Vorhandenen; das gilt namentlich von den sozialpolitischen Problemen. In anderen Fragen waren gesetzgeberische Eingriffe und Verfassungsänderungen notwendig; so namentlich in der längst fälligen Reform des preußischen Wahlrechts. In manchen und nicht den unwichtigsten Dingen konnten entscheidende Besserungen auf Grund der geltenden Gesetze und Verfassungsbestimmungen im Wege der Handhabung herbeigeführt werden; so vor allem in dem Verhältnis von Regierung und Volksvertretung. Aber unter den unmittelbar drückenden Sorgen und Aufgaben des Krieges traten die nach diesen Richtungen gehenden Wünsche zunächst zurück, nicht nur bei der Reichsleitung, sondern auch bei den Parteien. Vielleicht sogar bei den Parteien noch mehr als bei der Reichsleitung. Wenigstens hat der Kanzler schon frühzeitig Vorarbeiten für eine gründliche Reform des preußischen Wahlrechts veranlaßt; ebenso hat er zum Zweck einer engeren Fühlung zwischen Reichsleitung und Reichstag die Berufung geeigneter Abgeordneter in die Regierung schon zu einer Zeit in Erwägung gezogen, als aus der Mitte des Reichstags noch keine Wünsche nach dieser Richtung hin laut geworden waren. Erst mit der russischen Revolution im März 1917 traten die innerpolitischen Fragen auch für Deutschland neben den bisher alles beherrschenden Kriegsfragen in den Vordergrund. Die Gestaltung der innerpolitischen Lage unter der Einwirkung der russischen Revolution Ein Zufall wollte es, daß der Kanzler in seiner Eigenschaft als preußischer Ministerpräsident am 14. März, an dem Tage, an dessen Abend die ersten Nachrichten über den Ausbruch der russischen Revolution bei uns eintrafen, und ehe er von diesem Ereignis Kenntnis hatte, im Abgeordnetenhaus erschien und dort ein ebenso überzeugtes wie überzeugendes Bekenntnis für die Notwendigkeit innerpolitischer Reformen ablegte. Veranlaßt wurde er zu diesem Auftreten durch Erörterungen, die kurz zuvor aus Anlaß der Diätenvorlage im Preußischen Herrenhaus stattgefunden hatten; dabei hatten die Sprecher der Rechten mit großem Nachdruck den altkonservativen Standpunkt hervorgekehrt, und zwar unter scharfen Angriffen auf die Bestrebungen nach parlamentarischer Machterweiterung und auf den Kanzler, der diesen Bestrebungen nicht den nötigen Widerstand entgegensetze. Der Kanzler sprach in seiner Erwiderung die unerschütterliche Überzeugung aus, daß das Erleben des Krieges zu einer Umgestaltung unseres politischen Lebens führen müsse, »allen Widerständen zum Trotz«. Er fügte hinzu: »Wären wir nicht gewillt, alle die Folgerungen, die sich aus dem Erleben dieses Krieges ergeben, entschlossen zu ziehen in allen Fragen des politischen Lebens, in der Regelung des Arbeitsrechtes, in der Regelung des preußischen Wahlrechts, bei der Ordnung des Landtags im ganzen -- wenn wir nicht das tun, dann gehen wir inneren Erschütterungen entgegen, deren Tragweite kein Mensch übersehen kann. Ich werde diese Schuld nicht auf mich laden.« Zwei Wochen später, am 29. März 1917, hatte der Reichstag seine erste große innerpolitische Aussprache seit dem Beginn des Krieges. Die Debatte stand sichtlich unter dem Eindruck der Vorgänge in Rußland. Nicht nur die Sozialdemokraten forderten eine sofortige Inangriffnahme innerer Reformen -- ihr Sprecher verlangte vor allem die Einführung des allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlrechts in den Bundesstaaten und eine Neueinteilung der Wahlkreise im Reich --, sondern auch die Freisinnigen und Nationalliberalen bekannten ihre Abkehr von der Ansicht, daß die »Neuorientierung« erst nach dem Abschluß des Krieges verwirklicht werden könne. Besonders fiel auf, daß der nationalliberale Abgeordnete Dr. Stresemann das preußische Wahlrecht als eine deutsche Frage bezeichnete und daß er sich, wenn auch nicht ausgesprochen für das parlamentarische System, so doch sehr entschieden für die Herstellung eines engeren Zusammenhanges zwischen Parlament und Regierung aussprach. Der Kanzler lehnte es in jener Reichstagssitzung ab, die innerpolitischen Reformen, und insbesondere die Reform des preußischen Wahlrechts, sofort aufzunehmen. Er bezeichnete es als »ein eigenes Ding«, ein staatliches Fundament wie das Wahlrecht in einer Zeit zu ändern, wo Millionen Männer, deren Wahlrecht geändert werden soll, in den Schützengräben lägen. Ein Wahlkampf um die Wahlreform sei unter diesen Verhältnissen praktisch unmöglich. Die Oktroyierung eines neuen Wahlrechts wies er mit Entschiedenheit zurück. Der Reichstag beschloß am Ende der Diskussion mit 228 gegen 33 Stimmen die Bildung eines aus 28 Mitgliedern bestehenden Verfassungsausschusses zur »Prüfung verfassungsrechtlicher Fragen, insbesondere der Zusammensetzung der Volksvertretung und ihres Verhältnisses zur Regierung«. Dem Verfassungsausschuß wurden alle die Verfassung berührenden Anträge überwiesen, darunter ein Antrag der Fortschrittlichen Volkspartei, den Reichskanzler zu ersuchen, unverzüglich dahin zu wirken, daß in allen deutschen Bundesstaaten eine konstitutionelle Verfassung geschaffen werde mit einer Volksvertretung, die auf allgemeinem, direktem, gleichem und geheimem Wahlrecht beruht. Damit war die Frage des preußischen Wahlrechts beim Deutschen Reichstag anhängig gemacht. Inzwischen hatte unsere innere Lage eine neue Erschwerung erfahren: Die Aufnahme der Getreidebestände hatte die Notwendigkeit ergeben, die Brotration von Mitte April an nicht unerheblich herabzusetzen. Bei den Beratungen über die zu treffenden Maßnahmen einigte man sich dahin, daß der Bevölkerung ein Ausgleich in einer Erhöhung der Fleischration gegeben werden müsse, und zwar zu Preisen, die durch Reichszuschüsse verbilligt werden sollten. Trotzdem war zu erwarten, daß die Bekanntgabe der Herabsetzung der Brotration die ohnedies vorhandene Erregung noch erheblich steigern werde. Schon seit einiger Zeit flammten in den Industriegebieten, bald hier, bald dort, lokale Streiks auf; stellenweise kam es auch zu Lebensmittelkrawallen; politische Forderungen liefen mit unter, und jedenfalls wurde überall unter der Arbeiterschaft mit politischen Beschwerden, namentlich mit Angriffen auf das Dreiklassenwahlrecht, agitiert. Dazu kam nun am 3. April die Erklärung des Kriegszustandes durch die Vereinigten Staaten, durch die der letzte Rest einer jeden Hoffnung auf baldigen Frieden beseitigt wurde. Präsident Wilson schloß seine Botschaft an den Kongreß über den Kriegszustand mit Wendungen, die bestimmt waren, das deutsche Volk gegen seinen Kaiser und die Bundesfürsten mobil zu machen. Der Krieg, so führte er aus, sei von den deutschen Machthabern ohne Kenntnis und Billigung des deutschen Volkes im Interesse der Dynastien und einer kleinen Gruppe ehrgeiziger Männer provoziert und geführt worden; Amerika stehe im Begriff, den Kampf mit den natürlichen Feinden der Freiheit aufzunehmen, um die Menschenrechte zu sichern. -- Bei der durch die russische Revolution hervorgerufenen Erregung der Geister lag die Gefahr vor, daß die durchsichtige Absicht unserer Feinde, unsere Widerstandskraft mit der Parole »Demokratie gegen Autokratie« von innen heraus zu sprengen, Erfolg haben könnte. Noch am Abend des 30. März 1917, an dem der Reichstag die Einsetzung des Verfassungsausschusses beschlossen hatte, fand beim Reichskanzler eine Besprechung mit den meistbeteiligten preußischen Ministern und Staatssekretären statt, bei der Herr von Bethmann sich dahin aussprach, daß angesichts der Zuspitzung der inneren Lage die nicht mehr zu umgehende Reform des preußischen Wahlrechts, ehe der Krone durch Parlamentsbeschlüsse die Initiative genommen werde, von dem König in feierlicher Form verkündet werden müsse. Er hoffte, daß eine solche vom König erlassene und vom Ministerpräsidenten gegengezeichnete Ankündigung Beruhigung schaffen, die Lage entlasten und die Stellung des Kaisers und Königs festigen werde. In den nächsten Tagen reiste der Kanzler zu der schon erwähnten Zusammenkunft mit dem Kaiser von Österreich in das Große Hauptquartier. Bei dieser Gelegenheit hielt er dem Kaiser eingehenden Vortrag auch über die innere Lage und schlug dem Kaiser den Erlaß einer Botschaft vor, die neben anderen Reformen eine Umbildung des preußischen Landtags und eine freiheitliche Gestaltung des Wahlrechts zum Abgeordnetenhaus ankündigen sollte. Der Kaiser ließ sich von der Notwendigkeit überzeugen und erfaßte den Gedanken der Ankündigung so lebhaft, daß er den Kanzler beauftragte, die Vorbereitungen so zu beschleunigen, daß die Botschaft bereits am Ostersonntag, den 8. April, veröffentlicht werden könne. Das preußische Staatsministerium beriet die Angelegenheit am Gründonnerstag und Karfreitag. Der Widerstand gegen die sofortige Ankündigung des gleichen Wahlrechts war stark; aber darüber herrschte Übereinstimmung, daß neben dem gleichen Wahlrecht nur ein sehr demokratisches Pluralwahlrecht mit Zusatzstimmen, die für jedermann erreichbar seien, in Frage kommen könne. Am Sonnabend, den 7. April, unterzeichnete der Kaiser die sogenannte »Osterbotschaft« an den Reichskanzler und Präsidenten des Staatsministeriums. Sie bekundete den Entschluß des Kaisers und Königs, »den Ausbau unseres inneren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens, sowie es die Kriegslage gestattet, ins Werk zu setzen«, und sprach den Wunsch aus, daß in Erwartung des Friedens und der Heimkehr unserer Krieger die Vorbereitungen unverweilt abgeschlossen würden. Der Passus über den preußischen Landtag lautete: »Mir liegt die Umbildung des Preußischen Landtags und die Befreiung unseres gesamten innerpolitischen Lebens von dieser Frage besonders am Herzen. Für die Änderung des Wahlrechts zum Abgeordnetenhause sind auf meine Weisung schon zu Beginn des Krieges Vorarbeiten gemacht worden. Ich beauftrage Sie nunmehr, mir bestimmte Vorschläge des Staatsministeriums vorzulegen, damit bei der Rückkehr unserer Krieger diese für die innere Gestaltung Preußens grundlegende Arbeit schnell im Wege der Gesetzgebung durchgeführt werde. Nach den gewaltigen Leistungen des =ganzen= Volkes in diesem furchtbaren Kriege ist nach meiner Überzeugung für das Klassenwahlrecht in Preußen kein Raum mehr. Der Gesetzentwurf wird ferner unmittelbare und geheime Wahl der Abgeordneten vorzusehen haben. Die Verdienste des Herrenhauses und seine bleibende Bedeutung für den Staat wird kein König verkennen. Das Herrenhaus wird aber den gewaltigen Anforderungen der kommenden Zeit besser gerecht werden können, wenn es in weiterem und gleichmäßigerem Umfange als bisher aus den verschiedenen Kreisen und Berufen des Volkes führende, durch die Achtung ihrer Mitbürger ausgezeichnete Männer in seiner Mitte vereinigt. -- Ich handle nach den Überlieferungen großer Vorfahren, wenn ich bei Erneuerung wichtiger Teile unseres festgefügten und sturmerprobten Staatswesens einem treuen, tapferen, tüchtigen und hochentwickelten Volke das Vertrauen entgegenbringe, das es verdient.« Die Osterbotschaft fand im großen ganzen eine gute Aufnahme und erreichte, wenigstens für den Augenblick, das Ziel, einige Beruhigung zu schaffen. Zwar ließ sich der schon vorher für den 16. April, den Tag der Herabsetzung der Brotration, beschlossene Streik nicht ganz verhindern; aber schon nach zwei Tagen kehrten die feiernden Rüstungsarbeiter fast vollzählig zur Arbeit zurück, ohne daß ein gewaltsames Einschreiten nötig geworden wäre. Bald jedoch spitzte sich die innerpolitische Lage von neuem zu. Am 2. Mai konstituierte sich der Verfassungsausschuß. Die Vertreter des Zentrums, der Nationalliberalen und der Fortschrittlichen Volkspartei, mit denen ich am folgenden Tage eingehende Besprechungen hatte, gaben mir beruhigende Zusicherungen. Man werde der Osterbotschaft Rechnung tragen durch Zurückstellung der das preußische Wahlrecht berührenden Fragen und zunächst nur einige Fragen von geringerer Bedeutung vornehmen. Als ich jedoch am Tage darauf zu der Sitzung des Ausschusses kam, fand ich einen langen gemeinschaftlichen Antrag des Zentrums, der Nationalliberalen und der Freisinnigen Volkspartei vor, der eine Anzahl von Punkten von grundsätzlicher Bedeutung enthielt, so den Ausbau der Verantwortlichkeit des Reichskanzlers und seiner Staatssekretäre gegenüber Bundesrat und Reichstag, die Errichtung eines Staatsgerichtshofs und vor allem die Gegenzeichnung des Kriegsministers für Offiziersernennungen, wodurch eine parlamentarische Verantwortlichkeit für diese Ernennungen begründet werden sollte. Ich war durch diesen Überfall der drei Parteien, mit deren Vertretern ich noch tags zuvor eine ebenso eingehende wie offene Aussprache gehabt hatte, auf das peinlichste berührt und beschränkte mich auf die Erklärung, daß ich der Stellungnahme der Verbündeten Regierungen in Fragen, die an die Grundmauern unserer Verfassung rührten und das Verhältnis der Verbündeten Regierungen zu der Reichsleitung wie zum Reichstag so nahe angingen, in keiner Weise vorgreifen könne; daß ich mich also für den Augenblick darauf beschränken müsse, von den Meinungsäußerungen des Ausschusses Kenntnis zu nehmen und durch meine Kommissare erforderlichenfalls sachliche Aufklärungen geben zu lassen. Den Parteiführern gegenüber machte ich aus meiner Beurteilung ihres Verhaltens kein Hehl. Ich wies sie außerdem darauf hin, daß die gänzlich überflüssige Aufrollung der die Kommandogewalt des Kaisers berührenden Frage der Gegenzeichnung der Offiziersernennungen in weiten Kreisen des Offizierkorps, das draußen vor dem Feinde sein Leben täglich in die Schanze schlage, ernstliche Verstimmung hervorrufen werde; daß außerdem durch diesen Antrag bekannte Empfindlichkeiten des Kaisers getroffen würden, die ohne Not zu verletzen gerade nach der Osterbotschaft mir wenig angebracht erscheine; daß schließlich die Stellung des Kanzlers, dessen Verhältnis zur Obersten Heeresleitung sich neuerdings verschärft hatte, durch solche Improvisationen ernstlich gefährdet werde. Die drei Parteien gossen nun in der Tat etwas Wasser in den Wein des Verfassungsausschusses. Als der Reichstag am 10. Mai für einige Zeit in Ferien ging, waren seine Arbeiten noch nicht abgeschlossen. Ich hatte den Eindruck, daß bei den drei Mittelparteien die ernsthafte Absicht bestehe, nichts zu überstürzen und den Verfassungswagen in ruhiger Fahrt zu halten. Der Kanzler faßte seinerseits in jener Zeit die Aufnahme von führenden Abgeordneten in die Reichsleitung ernstlich ins Auge und ließ wegen der dem Kaiser in Vorschlag zu bringenden Persönlichkeiten vertraulich sondieren. Ich konnte ihn in dieser Absicht nur bestärken. Denn die schweren Zeiten, die uns unter allen Umständen noch bevorstanden, waren nur von einer Regierung zu überwinden, die durch die Herstellung eines engen Vertrauensverhältnisses zur Volksvertretung die parlamentarischen Schwierigkeiten und Reibungen nach Möglichkeit ausschaltete, die uns im letzten Jahre so viel Zeit und Kraft gekostet, das Volk erregt und unseren Feinden die Hoffnung auf einen inneren Konflikt und Zusammenbruch gegeben hatten. Die Juli-Krisis Um die Mitte des Jahres 1917 schien sich die ungeheure Woge des Weltkriegs endlich überschlagen und brechen zu wollen. Die große flandrische Offensive, die England vom Druck des U-Bootkriegs entlasten sollte, war nach den ersten Anfangserfolgen steckengeblieben; die Franzosen verhielten sich nach dem Scheitern ihrer Aisne- und Champagne-Offensive verhältnismäßig ruhig; im Osten spielte die russische Kriegspartei unter Kerenski ihre offensichtlich letzte Karte aus. Eine wirksame Hilfe Amerikas war für die nächste Zeit noch nicht zu erwarten. Der U-Bootkrieg begann, wie oben (S. 39ff.) gezeigt, einen ernstlichen Druck auf England auszuüben. Unter der Wirkung dieser Verhältnisse schien ein Umschwung in dem bisher starren Kriegswillen der Entente sich vorzubereiten. Es wurden die ersten Fühler von dort zu uns und zu Österreich-Ungarn ausgestreckt (S. 145ff.) Mehr denn je kam es in diesen Wochen nach Hindenburgs Wort darauf an, die Nerven zu behalten und unseren Feinden die durch die Lebensmittelschwierigkeiten, Streiks und Krawalle im April erweckte Hoffnung auf unseren inneren Zusammenbruch zu nehmen. Es traf sich deshalb sehr unglücklich, daß der Reichsschatzsekretär Graf Roedern infolge der enormen Steigerung der monatlichen Kriegsausgaben in der zweiten Junihälfte erklären mußte, daß er mit seinen Kriegskrediten etwa Mitte Juli zu Ende sein werde und daß infolgedessen der Reichstag schon in der ersten Julihälfte wieder zusammenberufen werden müsse. Gerade der Verlauf der letzten Tagung hatte gezeigt, wie sehr auch der Reichstag und seine Parteien unter dem nervenzerrüttenden Einfluß der allgemeinen Hochspannung standen und wie sehr man, trotz aller Bemühungen um eine enge Fühlung, auf Unberechenbares gefaßt sein mußte. In meinen Besprechungen mit den Parteiführern in den letzten Junitagen setzte ich mich deshalb für eine möglichst kurze Tagung unter Ausschaltung aller innerpolitischen Streitfragen ein. Ich fand dafür beim Zentrum, bei den Nationalliberalen und der Rechten Verständnis. Dagegen machten die Vertreter der Fortschrittlichen Volkspartei einige Bedenken geltend, ob es möglich sein werde, sich einfach auf die Bewilligung des neuen Kriegskredits zu beschränken. Die Sozialdemokraten schließlich erklärten eine neue gründliche Erörterung sowohl der äußeren wie der inneren Fragen für unerläßlich. Was speziell den Verfassungsausschuß anlangt, so bestand bei den bürgerlichen Parteien Geneigtheit, auf die Wiederaufnahme seiner Beratungen während der Julitagung überhaupt zu verzichten. Die Sozialdemokraten schufen jedoch, ohne sich mit den anderen Parteien in Verbindung zu setzen, eine vollendete Tatsache: Der Abgeordnete Scheidemann lud in seiner Eigenschaft als Vorsitzender den Verfassungsausschuß für den 3. Juli zu einer Sitzung ein, auf deren Tagesordnung er die verschiedenen Wahlrechtsanträge setzte; gleichzeitig veröffentlichte er die Tatsache der Einberufung mit der Bezeichnung der Tagesordnung im »Vorwärts«. Es gelang mir nicht ohne Mühe, am Nachmittag des 2. Juli eine Einigung darüber herbeizuführen, daß die Erörterung der einzelstaatlichen Wahlrechte zurückgestellt werden sollte; dafür konnte ich auf Grund meiner inzwischen mit den Bundesregierungen geführten Verhandlungen eine entgegenkommende Erklärung hinsichtlich der Vermehrung der Mandate der großen Reichstagswahlkreise in Aussicht stellen. Der Hauptausschuß des Reichstags begann seine Beratungen über den neuen Kriegskredit am 3. Juli mit einer allgemeinen Aussprache. Gleich am ersten Tage machte der Abgeordnete Ebert Ausführungen, in denen er unsere Lage schwarz in schwarz malte; er erklärte klipp und klar, das deutsche Volk sei am Ende seiner Kraft, ein weiterer Winterfeldzug sei unmöglich, es müsse jetzt Frieden gemacht werden. Er wurde unterstützt von dem Abgeordneten Erzberger, der insbesondere den Nachweis zu erbringen versuchte, daß der U-Bootkrieg ein Fehlschlag sei und nicht zum Ziele führen könne. Die leider bekannt gewordenen Voraussagen des Admiralstabs, daß der U-Bootkrieg innerhalb von fünf bis sechs Monaten England friedensbereit machen würde, kamen ihm dabei zu Hilfe. Ich muß hier erwähnen, daß der Abgeordnete Erzberger mir bei den vertraulichen Vorbesprechungen seine Ansichten über den U-Bootkrieg bereits entwickelt hatte. Ich hatte dabei die Bemerkung gemacht, ich dürfe wohl annehmen, daß er nicht beabsichtige, seine Ansichten, die ich für zu pessimistisch halten müßte, im Hauptausschuß oder gar im Plenum des Reichstags zu entwickeln; denn solche Ausführungen müßten in einer Zeit, wo alles auf die Nerven gestellt sei, bei uns die Zuversicht erschüttern, bei unseren Gegnern die offenbar sinkende Stimmung neu beleben und sie in der Absicht, den Krieg bis zum bitteren Ende fortzusetzen, bestärken. Herr Erzberger hatte es weit von sich gewiesen, seine Kritik in einem weiteren Kreise darzulegen. Er hätte um so leichter auf seinen Vorstoß verzichten können, als ihm die Auffassung des Reichskanzlers über die Notwendigkeit, wenn irgend möglich, vor dem Winter zum Frieden zu kommen, genau bekannt war. Der Kanzler blieb den Sitzungen des Hauptausschusses fern. Er hatte sich in einer vertraulichen Besprechung mit den Fraktionsführern am Vormittag des 2. Juli eingehend über die gesamte Lage ausgesprochen und wollte es vermeiden, durch seine Anwesenheit im Hauptausschuß eine große politische Debatte zu provozieren, die auch bei Proklamierung der Vertraulichkeit angesichts der erfahrungsgemäß durchlässigen Wände des Sitzungssaals nur inopportun und schädlich sein konnte. Leider hat er mit seinem Fernbleiben diesen Zweck nicht erreicht. Die Aufgabe der Abwehr lag auf dem Staatssekretär Zimmermann, dem Staatssekretär v. Capelle und mir. Zimmermanns Position im Reichstag, die früher recht gut gewesen war, hatte einen bedenklichen Stoß erhalten durch den Optimismus, mit dem er die Möglichkeit eines Krieges mit den Vereinigten Staaten aus Anlaß unseres uneingeschränkten U-Bootkrieges behandelt hatte; ferner durch die unglückliche Affäre seines Bündnisangebots an den mexikanischen Präsidenten Carranza, das von den Amerikanern aufgefangen und dechiffriert worden war; schließlich durch die Angelegenheit der durch einen Kurier des Auswärtigen Amtes, aber ohne Vorwissen des Amtes, nach Christiania eingeschmuggelten Bomben. Der Admiral von Capelle hatte sich, ähnlich wie der Admiralstab, in den Voraussagen über die Wirkungen des U-Bootkriegs zu weit vorgewagt; er hatte vor allem amerikanische Munitions- und Truppentransporte größeren Stiles als unmöglich erklärt, »eine bessere Jagdbeute könnten sich unsere U-Boote nicht wünschen«. Auch mir wurde der Vorwurf gemacht, daß ich die für den Erfolg des U-Bootkriegs maßgebenden Verhältnisse falsch beurteilt und durch mein Votum den Ausschlag für die Eröffnung des uneingeschränkten U-Bootkriegs gegeben hätte. Ich konnte damals in Rücksicht auf die Sache die von mir bis zur Entscheidung über den U-Bootkrieg eingenommene Stellung nicht klarlegen. So hatte auch ich gegenüber dem Ansturm dieser Tage einen doppelt schweren Stand. Am 4. und 5. Juli wurden die von den Herren Ebert und Erzberger eingeleiteten Vorstöße mit gesteigerter Heftigkeit von den sozialdemokratischen Abgeordneten David, Noske und Hoch fortgesetzt, während die Sprecher der bürgerlichen Parteien sich eine anerkennenswerte Zurückhaltung auferlegten. Ich versuchte den Ansturm abzuwehren und den Mitgliedern des Ausschusses zum Bewußtsein zu bringen, daß nur Ruhe, Besonnenheit und Entschlossenheit uns zu einem erträglichen Frieden helfen könnten, daß dagegen ein Nervenzusammenbruch uns rettungslos dem Untergang ausliefern müsse. Schon am ersten Tage der Ausschußberatung führte ich gegenüber den Abgeordneten Ebert und Erzberger aus: »Wir sind nicht am Ende unserer Kraft. Wir sind es nicht, weil wir es nicht sein dürfen. Es steht für uns alles auf dem Spiel. Daß wir heute =keinen= Frieden haben können, keinen Hindenburg-Frieden und keinen Scheidemann-Frieden, das wissen wir alle. Wenn wir heute Frieden machen wollen, dann gibt es einen Kapitulationsfrieden, einen Unterwerfungsfrieden, der uns für ein Jahrhundert zu Sklaven unserer Feinde macht. Und weil das eine Unmöglichkeit ist, weil eine Nation eher zugrundegehen als ein solches Schicksal auf sich nehmen kann, darum fehlt uns die Kraft nicht, wenn es gilt, auch noch einen vierten Winter durchzuhalten...« Dem Abgeordneten Noske, der auf die schleunige Durchführung der inneren Reformen drängte und dabei mich als die Seele des Widerstands scharf angriff, entgegnete ich: »Ich stehe auf dem Boden dessen, was der Kanzler bei den verschiedensten Gelegenheiten wiederholt und eindringlich gesagt hat, und auf dem Boden der Osterbotschaft des Kaisers und Königs. Der Kaiser hat die Osterbotschaft mit den Worten geschlossen, er handele nach den Überlieferungen großer Vorfahren, wenn er einem treuen, tapferen, tüchtigen und hochentwickelten Volke das Vertrauen entgegenbringe, das es verdient. Meine Herren, erwidern Sie Vertrauen mit Vertrauen! Suchen Sie dazu beizutragen, daß dieses Vertrauen nicht erschüttert wird! Treten Sie den Zweiflern entgegen! Auf diesem Wege kommen wir zusammen und wird es uns gelingen, durch die schweren Zeiten, in denen wir leben, hindurchzukommen und unser Vaterland über die schweren Gefahren hinüberzuretten.« Am Tage darauf hatte ich einen Vorstoß des sozialdemokratischen Abgeordneten Hoch zu parieren, der noch schärfer als die Herren Ebert und Noske ein weiteres Durchhalten für unmöglich erklärte und deutlich mit der Revolution drohte. In meiner Antwort sagte ich: »Die jetzige Generation trägt in diesen Monaten und in den Monaten, die kommen werden, die Zukunft des deutschen Volkes für Jahrhunderte in ihrer Hand, und die jetzige deutsche Generation muß sich dieser Stunde gewachsen zeigen; sonst gehen wir unter... Unser Kaiser ist auch in diesem Krieg der Friedenskaiser geblieben, der den Frieden erstrebt, wie nur irgendeiner im deutschen Volk. Aber unser Kaiser wird nur einen Frieden machen, der das deutsche Volk erhält und seine Zukunft sichert, keinen Frieden, der unseren Untergang bedeutet. Weil die große Mehrheit des deutschen Volkes von den Worten, die ich gesprochen habe, ebenso durchdrungen ist wie ich selbst, schreckt es mich auch nicht, wenn der Abgeordnete Hoch mehrfach die Revolution an die Wand gemalt hat. Dieses Spielen mit der Revolution kann mich und die verantwortlichen Leute im Reich in ihrer Pflichterfüllung auch nicht einen Augenblick irremachen. Wir werden den schweren Weg gehen, den wir gehen müssen, mit der Aufopferung unserer Persönlichkeit bis zum Letzten, und alles, was Sie sagen, wird uns nur darin bestärken, unsere Pflicht zu tun.« Es schien, als ob die Bemühungen, die aufgeregten Gemüter zu beruhigen, Erfolg haben sollten. Da erhob sich in der Ausschußsitzung vom 6. Juli der Abgeordnete Erzberger zu einem neuen Vorstoß. Er begann mit der Behauptung, kein einziges Ausschußmitglied habe sich der Wucht der Ausführungen des Abgeordneten Hoch entziehen können oder vermöge die Richtigkeit seiner Ausführungen zu bestreiten. Unsere Lage schilderte er als so gut wie aussichtslos. Die Fronten würden mit Mühe und Not gehalten, aber auch das werde immer schwerer. Die Hoffnung auf den U-Bootkrieg sei erledigt. Unsere Verbündeten würden wohl nicht mehr lange mitmachen können. Auch er wolle keinen Unterwerfungsfrieden. Aber die entscheidende Frage sei für ihn, ob wir übers Jahr einen besseren Frieden bekommen könnten als jetzt, und diese Frage müsse er verneinen. Unter diesen Umständen bleibe nur die Rückkehr auf den Ausgangspunkt des Krieges, die Proklamierung des reinen Verteidigungskrieges und die Abweisung eines jeden Eroberungszieles. Die große Mehrheit des Reichstags müsse sich in einer Kundgebung auf den Boden des 4. August 1914 stellen. Während der Vorsitzende des Ausschusses, der Zentrumsabgeordnete Dr. Spahn, mich fragte, ob dieser Vorstoß seines Fraktionskollegen Erzberger etwa mit dem Reichskanzler vereinbart sei, was ich natürlich nur verneinen konnte, erhob sich der Abgeordnete Ebert und beantragte, die Sitzung zu vertagen, um den Fraktionen Gelegenheit zu geben, zu dem hochwichtigen Vorschlage des Abgeordneten Erzberger Stellung zu nehmen. Im Ausschuß entstand eine ungeheure Erregung, da offenbar außer einigen Sozialdemokraten niemand wußte, was den Abgeordneten Erzberger zu seinem Vorgehen bestimmt hatte und worauf er hinauswollte. Angesichts der bekannten Beziehungen Erzbergers zum Kanzler und zum Auswärtigen Amt hielten es viele, ebenso wie der Vorsitzende Dr. Spahn, geradezu für ausgeschlossen, daß Erzberger eine solche Aktion ohne vorherige Verständigung mit dem Reichskanzler unternommen haben könnte; man sah deshalb in seinen Ausführungen die Ankündigung eines vollständigen Niederbruches aller Hoffnungen auf einen guten Ausgang des Krieges. Ich hielt es für notwendig, dem Abgeordneten Erzberger sofort entgegenzutreten, um den geradezu niederschmetternden Eindruck nach Möglichkeit abzuschwächen. Zunächst wies ich darauf hin, daß der Boden des 4. August, auf den uns der Abgeordnete Erzberger zurückführen wolle, von der deutschen Politik niemals verlassen worden sei. Der Reichskanzler habe stets sich auf den Standpunkt gestellt: wir führen einen Verteidigungskrieg, keinen Eroberungskrieg. Niemals habe der Reichskanzler von Eroberungen gesprochen. Allerdings von »Sicherheiten«. Aber diese Sicherheiten seien eine Frage des Erreichbaren; sie würden abgewogen werden müssen gegen die Opfer, die gebracht worden und noch zu bringen seien. Ich wandte mich dann gegen Erzbergers Kritik der Ergebnisse und Aussichten des U-Bootkriegs, den wir uns nicht selbst entwerten dürften. Vor allem aber betonte ich, daß unsere Feinde das, was sie durch Berennen von außen nicht erreichen könnten, jetzt durch Sprengung von innen heraus zu erreichen suchten. Es gelte, die Engländer von unserer Entschlossenheit zu überzeugen, den Krieg bis zu einem für uns annehmbaren Frieden durchzukämpfen, ungeachtet aller inneren Meinungsverschiedenheiten. Dies sei die Voraussetzung unserer Zukunft. »Aber wenn das Umgekehrte eintritt, wenn die Engländer sehen: in Deutschland kommt die alte Uneinigkeit zum Durchbruch; während das Haus brennt, während der Feind vor den Toren steht, brechen in Deutschland schwere innere Krisen aus; während sie, die Engländer, die schwere Bedrohung, vor der sie stehen, mit einer bewunderungswürdigen Nervenkraft ertragen, kommt man in Deutschland ins Wanken, fangen uns in Deutschland die Knie an zu zittern und zu schlottern -- dann sind wir verloren. Dann können Sie jetzt machen, was Sie wollen. Einerlei welche Aktionen jetzt eingeleitet werden, einerlei welche Beschlüsse Sie jetzt fassen, -- keine Beschlüsse und keine Aktionen werden den Erfolg haben, den wir alle wünschen, wenn sie nicht nach außen von dem Bewußtsein der Stärke und dem Entschluß, durchzuhalten, getragen werden.« Die von dem Abgeordneten Ebert beantragte Vertagung wurde angenommen. Ich begab mich mit den Staatssekretären Zimmermann, von Capelle und Graf Roedern sofort zum Kanzler, um ihm über das Vorgefallene zu berichten und die einzunehmende Haltung zu besprechen. Der Kanzler war von Herrn Erzberger über die Absicht seines Vorstoßes, der auf ein Friedenspronunciamiento des Reichstags hinauskam, ebensowenig unterrichtet worden wie irgendein anderes Mitglied der Reichsleitung. Wir alle fanden es geradezu ungeheuerlich, daß ein Abgeordneter, der seit Beginn des Krieges fortgesetzt zu diplomatischen Aktionen herangezogen worden und vom Kanzler wie vom Auswärtigen Amt eines geradezu uneingeschränkten Vertrauens gewürdigt worden war -- übrigens gegen meine immer wiederholten Warnungen --, in der auf das schärfste zugespitzten internationalen Lage eine solche hochpolitische Aktion ohne Verständigung mit dem Kanzler öffentlich in die Wege leiten konnte. Über die Motive Erzbergers bestand damals Unklarheit. Glaubte er mit seinem Vorstoß den ihm bekannten päpstlichen Friedensbemühungen zu sekundieren? Oder waren es österreichische Einflüsse, die ihn zu seinem Vorstoß bestimmt hatten? Inzwischen hat Graf Czernin ausdrücklich diesen letzteren Zusammenhang bestätigt. In seiner Rede vom 11. Dezember 1918 sagte Graf Czernin: »Einer meiner Freunde hatte auf mein Ersuchen mehrere Unterredungen mit den Herren Südekum und Erzberger und bestärkte sie durch meine Schilderung unserer Lage in ihren Bestrebungen zur Erreichung der bekannten Friedensresolution. Es war auf Grund dieser Schilderungen, daß die beiden genannten Herren die Reichstagsresolution für einen Verständigungsfrieden durchsetzten... Ich hoffte damals einen Augenblick, im Deutschen Reichstag einen dauernden und kräftigen Verbündeten gegen die Eroberungspläne der Militärs zu finden.« Herr Erzberger hatte sich also nicht gescheut, mit sozialdemokratischer Unterstützung im Einvernehmen mit dem auswärtigen Minister der uns verbündeten Donaumonarchie und ohne Kenntnis und Zustimmung der eigenen Regierung eine große politische Aktion zu unternehmen, deren Tragweite zu übersehen er trotz seiner Vielgeschäftigkeit gar nicht in der Lage war; eine Aktion, die -- statt dem wankenden Verbündeten den Rücken zu stärken -- Verwirrung in die eigenen Reihen tragen und die Hoffnungen der Feinde auf unseren inneren Zusammenbruch neu beleben mußte. Der nächste Erfolg des Erzbergerschen Vorgehens, das alsbald in einem Teil unserer Presse zu einer großen Sensation aufgebauscht wurde, war -- gewollt oder ungewollt -- der Ausbruch der Kanzlerkrisis. Zwar besuchte Herr Erzberger am Nachmittag des 6. Juli den Kanzler und bestritt jede Spitze gegen diesen, ja behauptete, eine große Mehrheit auf eine dem Kanzler genehme Friedensresolution vereinigen zu wollen. Das hinderte ihn nicht, am Tag darauf einem führenden nationalliberalen Abgeordneten, dessen Gegnerschaft zu Herrn von Bethmann bekannt war, auf dessen Befragen zu erklären, daß er den Rücktritt Bethmanns für notwendig halte, und mit diesem Abgeordneten sowie einem Offizier aus dem Stabe der Obersten Heeresleitung in mehrfachen Zusammenkünften zu vereinbaren, daß alles getan werden müsse, um Bethmanns Abdankung zu erzwingen. Herr Erzberger sprach dabei die Zuversicht aus, bis zum nächsten Dienstag werde Herr von Bethmann »besorgt« sein. Der Kanzler empfing am Nachmittag des 6. Juli als Vertreter der Mittelparteien die Herren Dr. Spahn, Dr. Schiffer und von Payer. Er gewann aus der Unterhaltung mit den Herren den Eindruck, daß zur Aufrechterhaltung der Geschlossenheit der inneren Front ein offenes Bekenntnis des Kaisers zum gleichen Wahlrecht für Preußen unumgänglich sei. Am Abend nach neun Uhr erschien bei ihm eine Delegation der Mehrheitssozialdemokraten, bestehend aus den Herren Ebert, Scheidemann, David, Hoch und Hoffmann (Kaiserslautern), um das Bekenntnis zu einem Frieden ohne Annexionen und Entschädigungen und das gleiche Wahlrecht für Preußen zu verlangen. Der Kanzler erzählte mir, die Herren hätten nicht von Bedingungen für die Bewilligung des anstehenden Kriegskredites gesprochen, auch nicht die »Parlamentarisierung der Regierung«, von der in den Kreisen der Mittelparteien wieder eifrig gesprochen wurde, berührt; aber sie hätten keinen Zweifel daran gelassen, daß die Nichtberücksichtigung ihrer Forderungen den Sozialdemokraten eine weitere Unterstützung der Kriegspolitik der Regierung unmöglich machen würde. Am folgenden Tag, Sonnabend, den 7. Juli, beabsichtigte der Kaiser, von einem Besuch in Wien kommend, zu kurzem Aufenthalt in Berlin einzutreffen. Dort fanden sich auch der Generalfeldmarschall von Hindenburg und General Ludendorff ein, die sich auf die Vorgänge im Hauptausschusse hin zusammen mit dem Kriegsminister beim Kaiser zum Vortrag angesagt hatten, wovon dem Kanzler durch den Kriegsminister Mitteilung gemacht worden war. Der Kanzler bat den Kaiser telegraphisch um seine Zuziehung. Der Kaiser kam nachmittags um dreieinhalb Uhr an und fuhr vom Bahnhof direkt zum Kanzler, der ihm über die innerpolitische Lage Vortrag hielt; der Kaiser behielt sich seine Stellungnahme vor. Dann empfing der Kaiser im Schlosse Bellevue die Generale zur Entgegennahme eines Vortrages, der sich jedoch auf militärische Angelegenheiten beschränkte. Hindenburg und Ludendorff reisten am Abend nach dem Hauptquartier zurück. Auf einen weiteren Vortrag, den der Kanzler am Sonntag vormittag dem Kaiser hielt, setzte dieser für den Montag abend einen Kronrat über die Frage des gleichen Wahlrechts an. Am Abend fand im Kreise des Staatsministeriums eine Vorbesprechung statt, in der Herr von Bethmann erklärte, er halte die Notwendigkeit der Gewährung des gleichen Wahlrechts für so zwingend, daß er, falls die Entscheidung der Krone gegen das gleiche Wahlrecht ausfallen sollte, nicht mehr in der Lage sein würde, die Geschäfte weiterzuführen. Der Kronrat fand Montag, den 9. Juli, abends sechs Uhr, im Kongreßsaal des Reichskanzlerhauses unter Vorsitz des Kaisers statt. Außer den Staatsministern waren sämtliche Staatssekretäre des Reiches zugezogen worden. Der Kaiser beschränkte sich auf eine kurze Ansprache, in der er auf die Notwendigkeit einer ruhigen, von keiner Gewitterstimmung beeinflußten Prüfung der für das preußische Staatsleben so wichtigen Wahlrechtsfrage hinwies und von uns allen die offenste und rückhaltloseste Meinungsäußerung verlangte. In der Aussprache, die bis neuneinhalb Uhr dauerte, wurden alle Gründe für und gegen mit Lebhaftigkeit und Nachdruck ins Feld geführt. Ich trat mit dem Reichskanzler für die Ergänzung der Osterbotschaft durch das gleiche Wahlrecht ein. Aus allen Diskussionen und Unterhaltungen der letzten Zeit hatte ich den bestimmten Eindruck gewonnen, daß die innerpolitische Atmosphäre dringend dieser Entspannung bedurfte, daß ferner ein weiteres Zögern nur zur Folge haben werde, daß der Krone die Initiative -- und dann nicht nur die Initiative in der Wahlrechtsfrage -- aus der Hand gleiten werde. Außerdem hatte meine Prüfung der wahrscheinlichen Ergebnisse der verschiedenen Wahlsysteme mich zu dem Schluß geführt, daß der praktische Unterschied zwischen dem gleichen Wahlrecht und einem -- neben dem gleichen Wahlrecht allein in Frage kommenden -- stark demokratischen Pluralwahlrecht nicht groß genug sei, um in einer so entscheidungsschweren Zeit einen schweren inneren Konflikt zu rechtfertigen. Von den elf Staatsministern sprachen sechs für, fünf gegen die Gewährung des gleichen Wahlrechts. Der Kaiser folgte den Vorträgen mit der gespanntesten Aufmerksamkeit. Er selbst nahm keine Stellung, sondern behielt sich seine Entscheidung vor. In der auf den Kronrat folgenden zwanglosen Unterhaltung sagte mir der Kaiser: »Allen Respekt vor meinem Staatsministerium! Jeder einzelne von Ihnen hat seine Sache ausgezeichnet vertreten. Aber man muß mir Zeit lassen, mit mir selbst fertig zu werden.« Er fügte hinzu, daß er eine Entscheidung auch nicht wohl treffen könne, ohne in einer für das Staatsganze und die Dynastie so wichtigen Angelegenheit dem Kronprinzen Gelegenheit gegeben zu haben, Stellung zu nehmen. Der Kronprinz wurde noch in der Nacht telegraphisch aufgefordert, alsbald nach Berlin zu kommen. Der Hauptausschuß hatte Sonnabend und Montag in Gegenwart des Kanzlers weitergetagt, ohne daß über die Fragen gesprochen wurde, die jetzt mit einemmal ganz in den Vordergrund der Ereignisse gerückt waren. Der Kanzler verteidigte seine Politik gegen Angriffe von den verschiedenen Seiten, besonders gegen eine starke Offensive des Abgeordneten Dr. Stresemann; er sprach gut, fand aber keine Resonanz. Am Dienstag vormittag stellte zu Beginn der Sitzung der Abgeordnete Ebert die Anfrage, ob der Kanzler Mitteilungen über das Ergebnis des Kronrats machen könne; als der Kanzler verneinte, beantragte Herr Ebert die Vertagung, die angenommen wurde. Meinerseits veranlaßte ich die Vertagung des Verfassungsausschusses, der an dem gleichen Tage über die Wahlrechtsanträge abstimmen sollte. Die unterdessen geführten Besprechungen mit den Fraktionsführern über die Herstellung einer besseren Fühlung zwischen Reichsleitung und Parlament ergaben, daß die Besetzung wichtiger Reichsämter mit Vertrauensleuten der Parteien sich nicht ohne weiteres in einer die verschiedenen Wünsche befriedigenden und dabei der Sache gerecht werdenden Weise durchführen ließ. Ich hatte mein Amt dem Kanzler zur Verfügung gestellt, um in keiner Weise ein Hindernis für die Überwindung der inneren Schwierigkeiten zu sein; das gleiche hatten einige meiner Kollegen getan. Aber im allgemeinen zeigten die Parteiführer weder für sich selbst noch für ihre Kollegen ein allzu heißes Begehren nach verantwortungs- und dornenvollen Ämtern. Aus den Besprechungen ergab sich das Projekt der Errichtung eines »Reichsrates«, dem außer dem Reichskanzler und den Staatssekretären Vertrauensmänner der größeren Parteien und eine gleiche Anzahl von Bundesratsmitgliedern angehören sollten; der »Reichsrat« sollte über die wichtigeren Vorgänge der Politik auf dem Laufenden gehalten und vor wichtigeren Entscheidungen in der äußeren und inneren Politik gehört werden. Der »Reichsrat« wäre also ein Organ dauernder Fühlungnahme zwischen Reichsleitung, Bundesrat und Reichstag gewesen. Die Berufung einzelner geeigneter Parlamentarier in leitende Stellungen sollte dadurch nicht ausgeschlossen werden. Am Morgen des 11. Juli traf der Kronprinz in Berlin ein. Er hatte am Vormittag eine lange Aussprache mit dem Kaiser. Von dort begab er sich zum Kanzler. Während der Kronprinz noch unterwegs war, telephonierte der Kaiser an den Kanzler, der Kronprinz habe sich von der Notwendigkeit der Gewährung des gleichen Wahlrechts überzeugt, ebenso von der Notwendigkeit, daß der Kanzler, der dem Kaiser sein Amt unabhängig von der Entscheidung über die Wahlrechtsfrage zur Verfügung gestellt hatte, im Amte bleibe. Er bitte ihn, die Order wegen des gleichen Wahlrechts alsbald vorzulegen und die Geschäfte weiterzuführen. In der am Nachmittag stattfindenden Staatsministerialsitzung berichtete der Kanzler über die von dem Kaiser und König getroffenen Entscheidungen und legte den Entwurf einer Königlichen Order vor, laut welcher der dem Landtag vorzulegende Gesetzentwurf wegen Änderung des Wahlrechts zum Abgeordnetenhaus auf der Grundlage des gleichen Wahlrechts aufgestellt werden sollte. Der Vizepräsident des Staatsministeriums regte daraufhin an, daß angesichts der Tragweite dieser Entscheidung für das Verfassungsleben des Preußischen Staates die Staatsminister insgesamt ihre Ämter zur Verfügung stellen möchten, um die schwierige Aufgabe der kaum zu umgehenden Neugestaltung des Staatsministeriums zu erleichtern. Die sämtlichen Staatsminister erklärten, dieser Anregung entsprechen zu wollen, einige mit dem Hinzufügen, daß sie angesichts der von dem König getroffenen Entscheidung sich nicht imstande fühlten, die Verantwortung ihres Amtes weiterzutragen, und deshalb den König unter allen Umständen um ihre Entlassung bitten wurden. Die Order über das gleiche Wahlrecht wurde am Abend des 11. Juli vom König unterzeichnet und dem Ministerpräsidenten zugestellt. Sie wurde am nächsten Morgen veröffentlicht. Damit war in dem wichtigsten und umstrittensten Punkt der »Neuorientierung« das entscheidende Zugeständnis gemacht. Die große innerpolitische Forderung, um die jahrzehntelang erbittert gekämpft worden war, hatte ihre Erfüllung gefunden. Schon vorher, am 6. Juli, hatte ich im Reichstag namens der Verbündeten Regierungen die Vermehrung der Mandate für die großen Reichstagswahlkreise in aller Form zugesagt. Für die von allen Seiten als notwendig erkannte engere Fühlung zwischen Reichsleitung und Volksvertretung schien in dem »Reichsrat« eine praktische Lösung gefunden zu sein. Aber die großen Zugeständnisse auf dem Gebiet der inneren Politik, groß genug, um eine neue Ära heraufzuführen, genügten nicht mehr, um die erregten Gemüter zu beschwichtigen und das Reichsschiff wieder in ruhiges Fahrwasser zu steuern. Es blieb die Frage der »Friedensresolution« und neben ihr die Frage des Kanzlers. Über eine Resolution des Reichstags zur Friedensfrage beriet eine »interfraktionelle Kommission«, zu der sich Vertreter der Mehrheitssozialisten, der Fortschrittler und des Zentrums zusammengetan hatten. Die Nationalliberalen waren anfangs gleichfalls vertreten, schieden dann aber aus, da sie in Sachen der Friedensresolution sich mit den anderen Parteien nicht einigen konnten. Die beiden Rechtsparteien standen abseits. Auch Vertreter der Reichsleitung wurden nicht zugezogen. Die Parteien wollten jetzt selbst die Politik machen. Gleichzeitig wurde in allen Fraktionen, die bisher dem Kanzler ihr Vertrauen gewährt hatten, gegen Herrn von Bethmann Sturm gelaufen. Auch der sonst bei den Linksparteien nicht gerade beliebte »Militarismus« wurde als Sturmbock benutzt: überall wurde unter Berufung auf »Offiziere vom Großen Hauptquartier« verbreitet, daß Hindenburg und Ludendorff es ablehnten, mit Bethmann Hollweg weiter zusammenzuarbeiten. Daneben versicherte Herr Erzberger mit der Miene des Eingeweihten, daß Bethmann für Friedensverhandlungen »unmöglich« sei. In meinen Verhandlungen mit den Parteien suchte ich auch jetzt noch zu verhindern, daß die nach unseren Wahrnehmungen heranreifende Friedensmöglichkeit durch eine schwere innere Krisis und einen Kanzlerwechsel zerstört würde. Fast schien es, als ob ich damit Erfolg haben sollte. Noch am Mittwoch, 11. Juli, erklärten mir die Führer der Fortschrittlichen Volkspartei und der Sozialdemokraten, kein Interesse an einem Kanzlerwechsel zu haben. Für das Zentrum gab mir in Gegenwart des Abgeordneten Dr. Spahn der Abgeordnete Fehrenbach ein Resumé wieder, in dem er nach einer langen Aussprache in der Fraktion deren Meinung zusammengefaßt habe. Das Resumé lautete etwa: Das Zentrum sähe in seiner großen Mehrheit kein Bedenken gegen das Verbleiben des Kanzlers im Amte. Die Fraktion vertraue jedoch darauf, daß der Kanzler, falls sich herausstellen sollte, daß seine Person eine Erschwerung für Friedensverhandlungen sei, daraus die Konsequenzen ziehen werde. Sogar von den Konservativen, den erklärten Bethmann-Gegnern, gewann ich den Eindruck, daß sie für eine geräuschlose Erledigung der Kriegskredite unter Zurückstellung ihrer Wünsche nach einem Kanzlerwechsel zu haben sein würden. Mit den Vertretern der Nationalliberalen konnte ich erst am Donnerstag vormittag sprechen. Als deren Vertreter besuchten mich die Herren Dr. Schiffer, Dr. Stresemann und List (Eßlingen). Dr. Stresemann erklärte, ein großer Teil seiner Partei betrachte Bethmanns Abgang als eine Notwendigkeit. Dr. Schiffer machte nur den Einwand, daß nicht alle in der Partei so dächten. Auf meinen Hinweis auf die außenpolitischen Umstände, die im gegenwärtigen Moment gegen einen Kanzlerwechsel und für eine glatte Bewilligung des Kriegskredits sprächen, machte Herr Dr. Stresemann etwa folgende Bemerkung: Für die Haltung der nationalliberalen Fraktion gegenüber Herrn von Bethmann müsse doch auch die Stellungnahme der Obersten Heeresleitung von großer Bedeutung sein. Es könne auf seine Fraktion nicht ohne Eindruck bleiben, wenn er heute genötigt sei, ihr mitzuteilen, daß der General Ludendorff entschlossen sei, seinen Abschied zu nehmen, wenn Bethmann Kanzler bleibe. Jetzt sah ich allerdings jede Hoffnung schwinden, die Situation zu halten und in einer Lage, in der alles auf innere Festigkeit und Geschlossenheit ankam, einen Kanzlerwechsel zu vermeiden. Zunächst weigerte ich mich, an die Richtigkeit der Information des Herrn Dr. Stresemann zu glauben; im übrigen würde ich sofort den Kanzler veranlassen, sich mit dem General Ludendorff unmittelbar in Verbindung zu setzen. Als ich mich nach dieser Besprechung zum Kanzler begab, erfuhr ich, daß der Kronprinz an demselben Vormittag zu früher Stunde die Abgeordneten Graf Westarp, Mertin, Erzberger, Dr. Stresemann, von Payer und Dr. David der Reihe nach empfangen und sie über die politische Lage und die Stellung des Kanzlers eingehend befragt habe, ohne sich selbst zu äußern. Die Wahl der Abgeordneten Erzberger und David, die in ihren Fraktionen in der vordersten Reihe der Kanzlerstürzer standen, ließ eine geschickte Regie erkennen. Der Kronprinz hatte im weiteren Verlauf des Vormittags den österreichisch-ungarischen Botschafter Prinzen Hohenlohe und den bulgarischen Gesandten Rizoff besucht, die beide mit größtem Nachdruck für ein Verbleiben Bethmanns eintraten. Ferner erfuhr ich beim Kanzler, daß Herr von Payer berichtet hatte, ein »Offizier aus dem Großen Hauptquartier« habe einem seiner Fraktionskollegen gesagt, er möge in der Fraktion verbreiten, Hindenburg und Ludendorff könnten nicht länger mit Herrn von Bethmann zusammenarbeiten; den gleichen Auftrag hätten Erzberger, Dr. Stresemann und wohl auch Dr. David für ihre Fraktionen erhalten. Auf die telegraphische Mitteilung dieser Behauptungen ließ General Ludendorff am Abend desselben Tages an den Kanzler zurücktelegraphieren: »Ich habe keinen Offizier beauftragt, einem Abgeordneten zu übermitteln, daß ich mit dem Herrn Reichskanzler von Bethmann Hollweg nicht weiterarbeiten könne.« Das Dementi bezog sich jedoch nur auf die Beauftragung eines Offiziers mit einer solchen Mitteilung, nicht auf die Sache selbst. Denn zu der Stunde, als dieses Telegramm an die Reichskanzlei abgesandt wurde, war in der Sache der entscheidende Schritt bereits geschehen und Herrn von Bethmann bekannt: Generalfeldmarschall von Hindenburg und General Ludendorff hatten den Kaiser für den Fall des Verbleibens des Herrn von Bethmann im Laufe des Nachmittags telegraphisch um ihre Entlassung gebeten. Der unheilvolle Gegensatz, in den die beiden Generale, je länger desto mehr, zu Herrn von Bethmann geraten waren, kam so im ungeeignetsten Augenblick zur Explosion. Ohne Kenntnis von diesem Vorgang zu haben, verhandelte ich an demselben Nachmittag im Reichstag über die »Friedensresolution«. Dort erhielt ich ein Schreiben des Herrn Dr. Stresemann, der mir unter Bezugnahme auf die Unterhaltung vom Vormittag mitteilte, daß die nationalliberale Fraktion beschlossen habe, durch ihren stellvertretenden Vorsitzenden, den Prinzen Schönaich-Carolath, dem Chef des Zivilkabinetts des Kaisers mitteilen zu lassen, daß nach ihrer Ansicht eine Lösung der Krisis ohne den Rücktritt des Reichskanzlers nicht denkbar sei. Dann wurde mir durch den Abgeordneten Fehrenbach mitgeteilt, das Zentrum habe seine Stellung von gestern unter der Einwirkung gewisser Mitteilungen aus dem Großen Hauptquartier geändert und sich gegen eine kleine Minderheit dahin ausgesprochen, der Kanzler sei ein Friedenshindernis und müsse gehen. Der Fraktionsvorsitzende Dr. Spahn hatte während der Sitzung einen schweren Ohnmachtsanfall erlitten und mußte in ein Krankenhaus transportiert werden. Die inzwischen in der interfraktionellen Fraktion fertiggestellte Friedensresolution schickte ich an den Kanzler, der im Schloß Bellevue beim Kaiser zum Vortrag war, mit der dringenden Bitte, sich nicht auf diese Resolution festzulegen. Der Abgeordnete von Payer, der von den Mehrheitsparteien beauftragt war, die Resolution dem Kanzler zu überreichen, erklärte mir, es sei an der Resolution kein Wort zu ändern. Auch habe er den Auftrag, vom Kanzler zu verlangen, daß er in seiner im Reichstag abzugebenden Erklärung die Resolution glatt annehme, ohne irgendeinen erklärenden oder umschreibenden Zusatz, auch ohne jede Berufung auf seine bisherige Politik. Ich antwortete Herrn von Payer: »Wenn ich Kanzler wäre, würde ich unter keinen Umständen unter ein solches kaudinisches Joch gehen; da ich nur Stellvertreter des Kanzlers bin, werde ich meinen ganzen Einfluß bei dem Kanzler aufbieten, um ihn zu veranlassen, ein solches Ansinnen kategorisch zurückzuweisen.« Der Kanzler hatte sich Herrn von Payer für neun Uhr abends zur Verfügung gestellt. Es war halb neun Uhr, als meine Unterhaltung mit Herrn von Payer zu Ende war. Ich fuhr zum Kanzler. Dieser war gerade vom Kaiser zurückgekommen. Er teilte mir mit: Der Kaiser habe den Wortlaut der »Friedensresolution« an den Feldmarschall telephoniert. Dieser habe geantwortet, die Oberste Heeresleitung müsse von dieser Resolution eine Schädigung der Schlagkraft des Heeres befürchten, für die sie die Verantwortung nicht übernehmen könne. Der Kaiser habe ihn, den Kanzler, beauftragt, Herrn von Payer zu erklären, in der vorliegenden Fassung sei die Resolution aus den von der Obersten Heeresleitung angegebenen Gründen unannehmbar. Im übrigen habe der Kaiser Hindenburg und Ludendorff zu weiteren Besprechungen nach Berlin befohlen; sie würden am nächsten Vormittag eintreffen. Der Kanzler fügte hinzu, er habe dem Kaiser die Unhaltbarkeit seiner Stellung zu den Parteien und zur Obersten Heeresleitung auseinandergesetzt und erneut um seine Entlassung gebeten. Während des Vortrags habe der Chef des Militärkabinetts General von Lyncker bestätigt, daß Hindenburg und Ludendorff telegraphisch um ihre Entlassung nachgesucht hätten. Der Kaiser habe ihn zwar seines ungeminderten Vertrauens versichert und erklärt, gegenüber den beiden Generalen werde er die Sache am nächsten Tage in Ordnung bringen. Er sei aber unbedingt entschlossen, auf seinem Rücktritt zu bestehen. Ich konnte Herrn von Bethmann in diesem Entschluß nur bestärken. Man mochte über die sachliche Berechtigung und die Zweckmäßigkeit der Stellungnahme der Herren von der Obersten Heeresleitung gegen Herrn von Bethmann denken, wie man wollte -- eine weitere Zusammenarbeit war jetzt in der Tat unmöglich, und einen Rücktritt von Hindenburg und Ludendorff hätte weder die Armee noch das Volk vertragen. Inzwischen war Herr von Payer im Reichskanzlerhause eingetroffen, um sich des Auftrags der Mehrheitsparteien zu entledigen. Der Kanzler teilte ihm mit, daß die Resolution in der vorliegenden Fassung unannehmbar sei, und daß sich am nächsten Tage Gelegenheit geben werde, die Sache in Berlin unter Mitwirkung von Hindenburg und Ludendorff zu besprechen. Am nächsten Morgen -- Freitag, 13. Juli -- übersandte der Kanzler in aller Frühe dem Kaiser sein schriftliches Abschiedsgesuch, ohne die Ankunft der beiden Generale abzuwarten. Der Kaiser ließ mir im Lauf des Vormittags mitteilen, er habe Hindenburg und Ludendorff ersucht, sich mit mir und dem Chef der Reichskanzlei wegen einer Besprechung mit den führenden Abgeordneten in Verbindung zu setzen. Um 4 Uhr nachmittags besprach ich zusammen mit dem Unterstaatssekretär Wahnschaffe im Generalstabsgebäude mit den beiden Generalen die parlamentarische Lage. Von fünf Uhr ab wurden der Reihe nach die Vertreter der einzelnen Fraktionen empfangen. Der Feldmarschall machte seine Ausstellungen an der Resolution und bezeichnete die Stellen, die nach seiner Ansicht einer Änderung bedurften. Es wurde verabredet, daß bei mir am nächsten Tage weiter verhandelt werden sollte. Der Abgeordnete Scheidemann sagte mir beim Abschied: »Verhandeln können wir, aber geändert kann nichts mehr werden.« Ich entgegnete: »Das ist nicht das letzte Wort.« Die Besprechungen dauerten bis neun Uhr abends. Während der Besprechungen war Hindenburg abgerufen worden; er kam nach etwa einer halben Stunde wieder. Er war im Schloß Bellevue gewesen, wo inzwischen über den Kanzlerwechsel entschieden worden war. Von Herrn von Bethmann, zu dem ich mich vom Generalstab begab, erfuhr ich das Nähere. Der Kaiser hatte seine Entlassung genehmigt und den bisherigen Unterstaatssekretär im preußischen Finanzministerium und preußischen Staatskommissar für Volksernährung Herrn Dr. Georg Michaelis zu seinem Nachfolger ernannt. Herr Michaelis war mir als vorzüglicher Verwaltungsbeamter bekannt, aber zum Leiter der Reichspolitik, zumal in dieser schwierigen Zeit, fehlten ihm nach meiner Ansicht die wichtigsten Voraussetzungen. Ich fragte Herrn von Bethmann, ob er etwa Herrn Michaelis als seinen Nachfolger vorgeschlagen habe. Herr von Bethmann verneinte und fügte hinzu, er sei über die Nachricht genau so erstaunt gewesen wie ich. Volle Klarheit darüber, wer Herrn Michaelis beim Kaiser in Vorschlag gebracht hat, habe ich nie gewinnen können. Nur so viel steht fest, daß der Kaiser wünschte, in Zukunft die Reibungen zwischen der politischen Leitung und der Obersten Heeresleitung nach Möglichkeit vermieden zu sehen, und infolgedessen Wert darauf legte, einen auch der Obersten Heeresleitung genehmen Mann in das Amt des Reichskanzlers zu berufen. Ich fand das Vorgehen bei der Berufung des neuen Kanzlers unbegreiflich und brachte dies gegenüber dem Chef des Zivilkabinetts, Herrn von Valentini, der sich noch am späten Abend mit Herrn Michaelis im Reichskanzlerpalais einfand, mit einiger Heftigkeit zum Ausdruck. Ich sagte voraus, daß der neue Kanzler sich nicht bis Weihnachten werde im Amte halten können, und ersuchte Herrn von Valentini, dem Kaiser meine Bitte um Entlassung zu übermitteln. Auch dem neuen Kanzler, der mich bat, ihm meine Mitarbeit zu gewähren, erklärte ich meinen Entschluß, meine Entlassung zu nehmen; auf sein Drängen sagte ich ihm schließlich zu, für eine Übergangszeit, bis er selbst eingearbeitet sei und für mich einen geeigneten Nachfolger gefunden habe, die Geschäfte weiterzuführen. Unterdessen hatte Wolffs Telegraphisches Bureau der Reichskanzlei telephonisch mitgeteilt, es habe »aus dem Reichstag« den Wortlaut der »Friedensresolution« zur sofortigen Verbreitung erhalten. Da mit den Parteien verabredet worden war, daß am nächsten Tag über die Resolution weiter verhandelt werden sollte, lag hier ein offensichtlich illoyaler Akt und Gewaltstreich vor. Der neue Reichskanzler ordnete an, daß Wolff ersucht werden solle, die Verbreitung zu unterlassen und durch Rundruf die Presse zu bitten, von einer Veröffentlichung der Friedensresolution, falls ihr diese von anderer Seite zugehen sollte, Abstand zu nehmen. Trotzdem wurde der Text der Friedensresolution am nächsten Morgen im »Vorwärts« publiziert. In der Frühe des 14. Juli teilte mir der neue Kanzler mit, daß er versuchen wolle, die Friedensresolution durch eine eigene Erklärung überflüssig zu machen. Ebenso telephonierte mir der General Ludendorff, daß er trotz der illoyalen Veröffentlichung der Resolution im »Vorwärts« die für den Nachmittag in Aussicht genommene Besprechung mit den Vertretern der Mehrheitsparteien für zweckmäßig halte, um einige Änderungen durchzusetzen. Die Besprechung fand in zwangloser Form bei mir im Garten des Reichsamts des Innern statt. Ich suchte die Sache so zu führen, daß die Parteien im Falle einer sie befriedigenden Erklärung des Kanzlers auf die verschiedenen Resolutionen -- es lag auch eine der Konservativen und der Nationalliberalen vor -- verzichteten. Es schien einen Augenblick lang, als ob ich damit Erfolg haben sollte. Herr von Payer, der als Vertrauensmann des Mehrheitsblockes durch die vorzeitige Veröffentlichung der Resolution sich in einer sehr schiefen Position fühlte -- die Veröffentlichung war übrigens ohne sein Wissen geschehen --, suchte offensichtlich einen anständigen Ausweg; sogar Herr Erzberger schien für einen Augenblick schwankend zu werden und es für einen gangbaren Weg zu halten, nach der Rede des Kanzlers -- Verständigung über diese vorausgesetzt -- über alle vorliegenden Resolutionen zur Tagesordnung überzugehen. Aber die Sozialdemokraten blieben steif. Schließlich erklärte Herr Michaelis, er sehe ein, daß kaum mehr etwas zu machen sei, und er glaube sich mit der Resolution abfinden zu können. Damit war die Angelegenheit erledigt. Die für den nächsten Nachmittag in Aussicht genommene Zusammenkunft mit den Rechtsparteien und den Nationalliberalen konnte sachlich nichts mehr ändern. Am Donnerstag, 19. Juli, erschien der neue Kanzler zum erstenmal im Reichstag. In seiner Antrittsrede gab er einen kurzen Überblick über die Kriegslage und entwickelte dann in Sätzen, die den Mehrheitsparteien durch den Chef der Reichskanzlei vorher mitgeteilt worden waren, seine Stellung zur Friedensfrage. Deutschland habe den Krieg nicht gewollt. Es strebe nicht nach Eroberungen, nicht nach gewaltsamer Vergrößerung seiner Macht. Darum werde es nicht einen Tag länger Krieg führen, wenn ein ehrenvoller Friede zu haben sei. Das Gebiet des Vaterlandes sei für uns unantastbar. Der Friede müsse uns die Grenzen des Deutschen Reiches für alle Zeit sicherstellen. Wir müßten im Wege der Verständigung und des Ausgleichs die Lebensbedingungen des Deutschen Reiches auf dem Kontinent und über See garantieren. Der Friede müsse die Grundlage für eine dauernde Versöhnung der Völker bieten, der weiteren Verfeindung der Völker durch wirtschaftliche Absperrung vorbeugen und uns davor sichern, daß sich der Waffenbund unserer Gegner zu einem wirtschaftlichen Trutzbunde gegen uns auswachse. »Diese Ziele lassen sich im Rahmen Ihrer Resolution, wie ich sie auffasse, erreichen.« Die Worte »wie ich sie auffasse« waren eine Improvisation; sie standen nicht in dem vor der Sitzung den Mehrheitsparteien mitgeteilten Wortlaut und wurden späterhin dem Kanzler zum großen Vorwurf gemacht. * * * * * Wir hatten also einen neuen Kanzler, hatten die Friedensresolution und überdies die Zusage des gleichen Wahlrechts in Preußen. Das waren die sichtbaren Ergebnisse der Julikrisis. Sie waren in sich widerspruchsvoll, wie die ganze Krisis selbst. Die Koalition, der Herr von Bethmann Hollweg zum Opfer gefallen war, hatte mit der andern Koalition, die für die Friedensresolution und das gleiche Wahlrecht gekämpft hatte, nichts gemein als das der Führung Erzbergers folgende Zentrum. Diejenigen Elemente und Faktoren, die in der Frage des Kanzlerwechsels die Entscheidung herbeigeführt hatten, standen innerlich im schärfsten Gegensatz zu denjenigen, die für die Friedensresolution und das gleiche Wahlrecht eingetreten waren. Deshalb konnte die Lösung der Krisis niemanden befriedigen. Die Sozialdemokraten und Fortschrittler hatten zwar die Zusage des gleichen Wahlrechts und die Friedensresolution durchgesetzt, aber der neue Kanzler stand ihren außen- und innerpolitischen Auffassungen wesentlich ferner als Herr von Bethmann. Die Nationalliberalen, die Rechtsparteien und die Oberste Heeresleitung waren zwar mit dem Kanzlerwechsel zufrieden; aber die Nationalliberalen hatten infolge der Friedensresolution den Anschluß an den sich bildenden Block der Mehrheitsparteien nicht erreicht, die Rechtsparteien waren in den beiden Fragen des Wahlrechts und der Friedensresolution unterlegen, und die Oberste Heeresleitung mußte schließlich nicht nur die von ihr als schädlich erachtete Friedensresolution in Kauf nehmen, sondern mehr als das: die Bildung des in der Friedensresolution sein Glaubensbekenntnis findenden Mehrheitsblocks, der von nun an den Reichstag bis zu seinem wenig ruhmvollen Ende am 9. November 1918 beherrschen und den Gegensatz zwischen Heeresleitung und Reichskanzler mehr und mehr durch den Gegensatz zwischen Heeresleitung und Reichstagsmehrheit ersetzen sollte. Die Krisis hatte also nur eine Scheinlösung gefunden; die ihr zugrunde liegenden Gegensätze waren nicht ausgeglichen worden. Die Krisis war beendigt, aber der kritische Zustand dauerte fort. Die Kanzlerschaft des Herrn Michaelis Die Friedensresolution des Reichstags und ihre Wirkungen Die Friedensresolution des Reichstags, mit deren Annahme Herr Michaelis das Kanzleramt antrat, lautete: »Wie am 4. August 1914 gilt für das deutsche Volk auch an der Schwelle des vierten Kriegsjahres das Wort der Thronrede: 'Uns treibt nicht Eroberungssucht.' Zur Verteidigung seiner Freiheit und Selbständigkeit, für die Unversehrtheit seines territorialen Besitzstandes hat Deutschland die Waffen ergriffen. Der Reichstag erstrebt einen Frieden der Verständigung und der dauernden Versöhnung der Völker. Mit einem solchen Frieden sind erzwungene Gebietserwerbungen und politische, wirtschaftliche und finanzielle Vergewaltigungen unvereinbar. Der Reichstag weist auch alle Pläne ab, die auf eine wirtschaftliche Absperrung und Verfeindung der Völker nach dem Kriege ausgehen. Nur der Wirtschaftsfriede wird einem freundschaftlichen Zusammenleben der Völker den Boden bereiten. Der Reichstag wird die Schaffung internationaler Rechtsorganisationen tatkräftig fördern. Solange jedoch die feindlichen Regierungen auf einen solchen Frieden nicht eingehen, solange sie Deutschland und seine Verbündeten mit Eroberung und Vergewaltigung bedrohen, wird das deutsche Volk wie ein Mann zusammenstehen, unerschütterlich ausharren und kämpfen, bis sein und seiner Verbündeten Recht auf Leben und Entwicklung gesichert ist. In seiner Einigkeit ist das deutsche Volk unüberwindlich. Der Reichstag weiß sich darin eins mit den Männern, die in heldenhaftem Kampfe das Vaterland schützen. Der unvergängliche Dank des ganzen Volkes ist ihnen sicher.« Die Resolution wurde mit 212 gegen 126 Stimmen bei 17 Stimmenthaltungen angenommen. Dafür stimmten das Zentrum bis auf wenige Ausnahmen, die Fortschrittliche Volkspartei und die Mehrheitssozialdemokraten; dagegen die Konservativen, die Nationalliberalen und die unabhängigen Sozialdemokraten; die deutsche Fraktion war geteilt; die Stimmenthaltungen kamen in der Hauptsache auf die Polen. -- Die von den Vätern der Resolution gewünschte und erwartete Wirkung auf unsere Feinde blieb aus, ja es trat das Gegenteil dieser Wirkung ein. Die Resolution, und mehr noch die Begleiterscheinungen, unter denen sie zustande gekommen war, erweckten bei unseren Feinden den Eindruck der Kriegsmüdigkeit und der inneren Zerrüttung des deutschen Volkes. Von einer hervorragenden, uns durchaus wohlgesinnten neutralen Persönlichkeit fiel damals die Äußerung: »Die Entente kann Herrn Erzberger zum Ehrenmitglied ernennen.« Aus anderen neutralen Lagern wurde berichtet, daß die in unterrichteten englischen Kreisen vor kurzem noch herrschende unsichere und pessimistische Auffassung neuer Zuversicht gewichen sei; jetzt glaube man, Deutschland werde durch innerpolitische Kämpfe um die Regierungsform und durch eine zunehmende Kriegsmüdigkeit zum Frieden gezwungen sein, ehe England sich in der gleichen Zwangslage sehe. Was wir heute über gewisse tatsächliche Vorgänge im Lager unserer Feinde wissen, bestätigt dieses Urteil. Noch Anfang April 1917 war die Siegeszuversicht bei unseren Feinden, namentlich in Frankreich, offenbar sehr hochgestimmt gewesen. Das ergibt sich aus der Behandlung, die der Brief des Kaisers Karl von Österreich an den Prinzen Sixtus von Parma durch den Präsidenten der Französischen Republik und die französische Regierung erfuhr. In diesem Briefe[1] hatte der österreichische Kaiser dem Präsidenten Poincaré nicht mehr und nicht weniger angeboten, als daß er unter Aufbietung seines ganzen persönlichen Einflusses bei seinen Verbündeten die gerechten französischen Ansprüche hinsichtlich Elsaß-Lothringens unterstützen wolle. [1] Siehe oben S. 65ff. Herr Poincaré hatte über den Inhalt des Briefes mit dem Prinzen eine Aussprache, über die er brieflich an den Ministerpräsidenten und Minister des Äußern Herrn Ribot Mitteilung machte. Danach hat Herr Poincaré den Prinzen ersucht, dem Kaiser Karl mitzuteilen, daß es sich für Frankreich nicht um das Elsaß-Lothringen mit den Grenzen von 1870 handle, sondern um das Elsaß-Lothringen von 1814, d. h. Elsaß-Lothringen einschließlich des Saargebiets. Letzteres hatte im Lauf der letzten tausend Jahre nur während zweier ganz kurzer Episoden zu Frankreich gehört, nämlich zur Zeit des Hochstandes der französischen Eroberungspolitik Ludwigs XIV. von 1680 bis 1697 und Napoleons I. von 1801 bis 1815. Außerdem verlange Frankreich Wiedergutmachung und Entschädigungen, ferner Garantien auf dem linken Rheinufer. Von Paris reiste Prinz Sixtus nach London. Lloyd George erschienen seine Mitteilungen in hohem Maße beachtenswert, und er empfahl der französischen Regierung, sie in wohlwollende Erwägung zu ziehen. Es kam darüber zu Meinungsverschiedenheiten zwischen dem englischen Premier und dem französischen Präsidenten. Die Angelegenheit wurde am 17. April in der Konferenz der Ententemächte in St. Jean de Maurienne in persönlicher Aussprache behandelt. An dieser Aussprache nahm auch der auswärtige Minister Italiens, Herr Sonnino, teil. Er widersetzte sich auf das äußerste einem Friedensschluß, der nicht die italienischen Wünsche auf dem Boden der Londoner Abmachungen befriedige. Lloyd George vertrat die Ansicht, daß in diesem Augenblick eine Diskussion der österreichisch-italienischen Territorialfragen vermieden werden müsse, weil sich sonst unvermeidlich die Verhandlungen zerschlagen würden. Die Hauptsache sei, Deutschland zu erledigen; alles andere werde sich dann schon finden. Schließlich aber gab Lloyd George dem Verlangen Frankreichs auf Einbeziehung des Saargebiets und dem Drängen Italiens nach. Ob dann Herr Poincaré, wie der »Manchester Guardian« nach anscheinend guten Informationen später erzählte, dem österreichischen Kaiser in der Tat vorgeschlagen hat, das Trentino und Triest an Italien abzutreten und sich dafür an Schlesien schadlos zu halten, lasse ich dahingestellt; ebenso die dem Kaiser Karl zugeschriebene Antwort, es bestehe gegen diese Lösung das Bedenken, daß zwar die Monarchie das von ihr an Italien herauszugebende Gebiet in Händen habe, nicht aber Frankreich Schlesien; ebenso, ob Kaiser Karl, nachdem er den Bericht des Prinzen Sixtus über das Ergebnis seiner Besprechungen in Paris und London erhalten hatte, an diesen den von Wien aus später bestrittenen zweiten Brief geschrieben hat, in dem er die Überzeugung aussprach, daß, falls Frankreich seine territorialen Forderungen auf Elsaß-Lothringen beschränke, es ihm gelingen werde, Deutschland zum Friedensschluß zu bewegen. Wesentlich für die Beurteilung der Lage ist lediglich, daß Frankreich damals, Mitte April 1917, die Möglichkeit eines Friedens, der ihm =nur= Elsaß-Lothringen bringen sollte, zurückwies und die Erwerbung des Saargebietes sowie »Garantien« auf dem linken Rheinufer zur Voraussetzung von Friedensverhandlungen machte. Die Ablehnung der Anregung des Kaisers Karl erfolgte, ohne daß das französische Kabinett mit dem Kaiserbrief befaßt worden war; nur Herr Ribot wurde von Herrn Poincaré mit ausdrücklicher Zustimmung des Prinzen Sixtus unterrichtet. Desgleichen wurden weder Belgien, noch Rußland, noch die Vereinigten Staaten vor der Ablehnung über die Angelegenheit orientiert oder befragt. Was unter den »Garantien auf dem linken Rheinufer«, die Frankreich forderte, zu verstehen war, ergibt sich aus der im Februar 1917 getroffenen, von der Bolschewistenregierung veröffentlichten Abmachung zwischen der französischen und russischen Regierung. Nach dieser Abmachung sollte Frankreich Elsaß-Lothringen und das Saargebiet erhalten; der übrige Teil des linken Rheinufers sollte von Deutschland politisch und wirtschaftlich abgetrennt und zu einem neutralen Pufferstaat gemacht werden. Nachdem an so unerhörten Forderungen, wie sie nur einem gänzlich geschlagenen und wehrlos gemachten Deutschland zugemutet werden konnten, der private, in seinem springenden Punkte vor dem eigenen Minister des Auswärtigen geheimgehaltene Friedensversuch des österreichischen Kaisers gescheitert war, scheint allerdings in Frankreich ein Stimmungsumschwung eingetreten zu sein. Darauf deutet die oben (S. 71) erwähnte, schwer besorgte Äußerung Ribots zu dem italienischen Botschafter; ferner die Tatsache, daß nicht allzu lange nach der Ablehnung der kaiserlichen Anregung von französischer Seite Versuche gemacht wurden, nicht nur Unterhaltungen mit der österreichisch-ungarischen Regierung aufzunehmen, sondern auch mit einem Vertrauensmann der deutschen Regierung in Fühlung zu kommen. Aus einer ein Jahr später zwischen Herrn Clemenceau und dem Grafen Czernin entstandenen öffentlichen Polemik, auf die ich weiter unten noch zu sprechen komme, wurde bekannt, daß im Juli 1917 der österreichische Legationsrat Graf Revertera von einer neutralen Mittelsperson namens der französischen Regierung befragt wurde, ob er in der Lage sei, Eröffnungen dieser Regierung an die österreichisch-ungarische Regierung entgegenzunehmen. Graf Revertera wurde vom Grafen Czernin ermächtigt, die Besprechungen mit dem Vertrauensmann der französischen Regierung, dem Major Grafen Armand, aufzunehmen, um festzustellen, ob Grundlagen für die Herbeiführung eines allgemeinen Friedens geschaffen werden könnten. Daraufhin trafen sich die beiderseitigen Vertrauensleute im Lauf des Monats August -- also nach der Juliresolution -- in der Schweiz. Aber die Besprechungen führten zu keinerlei Ergebnis. Schon vorher hatte eine der ersten politischen Persönlichkeiten Frankreichs durch eine neutrale Mittelsperson bei einer mit den französischen Verhältnissen und Personen durch langjährige Tätigkeit in Paris besonders genau vertrauten deutschen politischen Persönlichkeit die Geneigtheit erkennen lassen, eine persönliche Aussprache über die Friedensmöglichkeiten in der Schweiz zu arrangieren. Die über Ort und Zeit des Zusammentreffens eingeleiteten Verhandlungen waren im Gang, als die Kanzlerkrisis ausbrach. Um dieselbe Zeit war auch bei maßgebenden belgischen Persönlichkeiten ein lebhaftes Interesse für die Aufnahme einer vertraulichen Fühlung über die Friedensmöglichkeiten festzustellen. Ich habe dem damaligen Führer der Zentrumspartei, Herrn Dr. Spahn, im Laufe der Verhandlungen über die Friedensresolution und die Kanzlerfrage -- soweit ich es angesichts des mir auf die Seele gebundenen Geheimnisses tun konnte -- angedeutet, daß bei einem unserer westlichen Gegner gewisse Zeichen des Einlenkens hervorgetreten seien, daß ich aber befürchten müsse, daß durch den Erzbergerschen Vorstoß und die Vorgänge, die sich an diesen anschlossen, sowie durch die sensationelle Behandlung dieser Vorgänge in einem Teil der deutschen Presse diese Friedensgeneigtheit im Keime erstickt und der Kriegswille unserer Gegner neu gestärkt werden würde. Diese Andeutung an Herrn Dr. Spahn habe ich einige Tage später Herrn Erzberger auf eine Anfrage schriftlich bestätigt. Es unterliegt heute für mich keinem Zweifel, daß bei unseren westlichen Gegnern auf die Ablehnung der Anregung des Kaisers Karl, der sich Lloyd George ohnedies nur ungern gefügt hatte, eine Reaktion eingetreten war; daß die großen Erfolge unseres U-Bootkriegs und namentlich die akute Bedrängnis, in die England für die Zeit bis zur neuen Ernte sich versetzt sah und der Lloyd George damals in Paris einen geradezu alarmierenden Ausdruck gab, bei unseren westlichen Feinden der Neigung für einen billigen Frieden der Verständigung Raum zu schaffen begannen. Auch die Kurie sah gerade zu jener Zeit die Aussichten für Friedensverhandlungen günstiger an. Der neuernannte Nuntius am Münchener Hof, Monsignore Pacelli, kam Ende Juni nach Berlin und knüpfte mit Herrn von Bethmann Besprechungen über eine Friedensaktion des Papstes an, wobei er andeutete, daß der Papst Grund habe, eine solche Aktion nicht für aussichtslos zu halten. Der Nuntius war von der Aussprache mit Herrn von Bethmann, wie er mir selbst erzählte, in hohem Maße befriedigt. Nach der Julikrisis und der Friedensresolution war die Lage merklich verändert. Die angebahnten Friedensgespräche kamen nicht zustande oder verliefen ergebnislos. Keine Hand rührte sich bei unseren Feinden, um in die vom Deutschen Reichstag ausgestreckte Friedenshand einzuschlagen. Alles was vom feindlichen Ausland zu uns herüberschallte, gab denjenigen recht, die als Wirkung der Friedensresolution das Gegenteil von Friedensbereitschaft bei unseren Feinden befürchtet hatten. So erklärte der englische Minister Carson am 20. Juli in Dublin, daß Verhandlungen mit Deutschland erst möglich seien, wenn die deutschen Truppen hinter den Rhein zurückgezogen seien. Am 25. Juli erklärte das britische Kabinett durch den Mund des Herrn Bonar Law, meines Wissens zum erstenmal, daß England mit Frankreichs Forderung der Rückgabe Elsaß-Lothringens solidarisch sei. An demselben 25. Juli wurde im Britischen Unterhaus eine von Mac Donald und Trevelyan eingebrachte »Friedensresolution« mit 148 gegen 19 Stimmen abgelehnt. Am 30. Juli bestätigte der französische Ministerpräsident Herr Ribot in der Französischen Kammer die aus Petersburg kommende Enthüllung, daß die französische Regierung nicht nur die Rückgabe Elsaß-Lothringens, sondern auch die Errichtung eines linksrheinischen Pufferstaates erstrebe; die Kammer selbst zeigte sich allerdings etwas bescheidener: sie wollte sich mit Elsaß-Lothringen und einer Kriegsentschädigung begnügen. An dem gleichen 30. Juli legte Balfour im Britischen Unterhaus England erneut auf das elsaß-lothringische Kriegsziel der Franzosen fest; außerdem verlangte er die Demokratisierung Deutschlands und sprach den Satz aus, daß die Sicherheit Europas nicht eher garantiert sei, als bis Deutschland machtlos oder frei gemacht sei. Am 11. August zwang Lloyd George den Arbeiterführer Henderson, aus dem Kabinett auszuscheiden, weil er sich für die Beschickung der Stockholmer Friedenskonferenz durch Delegierte der britischen Arbeiterschaft eingesetzt hatte. Selbst der »Vorwärts« mußte damals zugestehen, »daß die Westmächte eben die Entscheidung der Waffen wollen, und daß uns darum gar nichts anderes übrig bleibt«. Das war das Ergebnis der großen Friedensaktion des Deutschen Reichstags! Dazu kam, daß der Rücktritt des Herrn von Bethmann Hollweg, der angeblich das Friedenshindernis gewesen sein soll, von aufrichtigen Friedensfreunden im Auslande sehr bedauert wurde. Mir ist eine Äußerung des päpstlichen Nuntius in München, der -- wie erwähnt -- mit Herrn von Bethmann kurz vor dessen Abgang Fühlung über die Friedensmöglichkeiten genommen hatte, hinterbracht worden: ohne den Rücktritt des Kanzlers seien die Friedensaussichten damals gute gewesen. Und Herr Gerard, der Berliner Botschafter der Vereinigten Staaten, denen gegenüber Herr von Bethmann die Sache des Friedens besonders schwer kompromittiert haben soll, äußert in seinem Buche (S. 292): »It would have been easier for Germany to make peace with von Bethmann Hollweg at the helm. The whole world knows him and honours him for his honesty.« Zu deutsch: »Es würde für Deutschland leichter gewesen sein, Frieden zu machen mit Bethmann Hollweg an der Spitze. Die ganze Welt kennt ihn und achtet ihn wegen seiner Ehrenhaftigkeit.« Gerade diejenigen, welche am stärksten durchdrungen waren von dem Ernst der Lage und am stärksten bemüht waren, so bald wie möglich einen erträglichen Frieden herbeizuführen, mußten deshalb in dem von Herrn Erzberger im Verein mit den Sozialdemokraten unternommenen Vorstoß, der Bethmanns Kanzlerschaft ein Ende setzte und die »Friedensresolution« zeitigte, eine Störung der Friedensbemühungen und eine Beeinträchtigung der Friedensmöglichkeiten erblicken. Auch innerpolitisch konnte ich die Friedensresolution nur für schädlich halten. Die Resolution hatte ihren Boden in der falschen Meinung, daß unsere Gegner lediglich durch die Furcht vor übertriebenen deutschen Kriegszielen in ihrem Kriegswillen und ihrer Abneigung gegen Friedensverhandlungen bestärkt würden. Dabei hätte jeder, der die Dinge mit offenen Augen sah, sich darüber klar sein müssen, daß das einzige Friedenshindernis die für uns schlechthin unerträglichen Kriegsziele waren, von denen sich unsere Feinde nicht trennen wollten, es sei denn, daß sie sich von der Unmöglichkeit ihres Sieges überzeugten. Dies mußte in alle Köpfe gehämmert und der verhängnisvolle Irrtum mußte ausgerottet werden, als ob es nur der Bekundung eines aufrichtigen Friedenswillens von unserer Seite bedürfe, um den Frieden herbeizuführen. Ich habe mich darum bemüht, soweit mir die Möglichkeit dazu gegeben war. Nicht nur in geschlossenen Ausschußsitzungen, auch in den öffentlichen Reichstagsverhandlungen habe ich immer und immer wieder, wo sich die Gelegenheit dazu gab, das Meinige getan, um den Wahn von der Friedensbereitschaft unserer Feinde zu bekämpfen und das wahre Friedenshindernis ins Licht zu rücken. So habe ich am 5. Mai 1917 dem Abgeordneten Cohn auf eine seiner Friedensreden mit dem Ruf nach »Frieden, Freiheit und Brot« geantwortet: »Glaubt jemand ernstlich, daß der Friedensschluß heute eine Frage der Bedingungen ist? Nein! Er ist eine Frage des Siegeswillens, und der Siegeswille ist bei den anderen noch nicht gebrochen. Einen Frieden, wie =wir= ihn wollen und brauchen, schaffen Sie uns mit Ihren Reden nicht! Und der Friede, den Sie möchten, der bedeutet nicht Brot, sondern Hunger für unser Volk; er bedeutet nicht Freiheit, sondern er bedeutet Knechtschaft. Das spreche nicht ich aus; das sind die Worte unserer Feinde. Lesen Sie nur ihre Reden und Zeitungen! Ich habe neulich im Ausschuß einen Artikel des französischen Senators Humbert verlesen, der mit den Worten schließt: 'Zu Sklaven müssen wir diese Rasse von Sklaven machen, die von Weltherrschaft träumte.' -- So sieht der Friede aus, den unsere Feinde uns gönnen und geben wollen!« Das Vorgehen des Reichstagsausschusses und dann des Reichstags unter der Führung des Herrn Erzberger und der Sozialdemokraten mußte aber in unserem Volk den Irrtum über das wahre Friedenshindernis verstärken, statt ihn auszurotten. Es mußte den Eindruck erwecken, daß die Volksvertretung und ihre erleuchteten Führer, darunter Männer, denen man so viel Einblick in die Geheimnisse der internationalen Lage zutraute wie dem Abgeordneten Erzberger, das wahre Friedenshindernis in der mangelnden Friedensbereitschaft der deutschen Regierung erblickten; den Eindruck, daß der Reichstag es für zwingend nötig gehalten habe, hier nach dem Rechten zu sehen und die ungenügende Friedenswilligkeit der Regierung durch eine dieser aufzuzwingende eigene Kundgebung zu ersetzen. Je stärker dieser Eindruck wurde, desto größer wurde die Unzufriedenheit im deutschen Volke, desto stärker wurde die Gefahr des Auseinanderbrechens der inneren Front und die Lähmung des Kampfeswillens unserer Truppen. Wenn irgend etwas, außer dem völligen Versagen der Reichstagsresolution in ihrer Wirkung auf unsere Feinde, die Augen hätte öffnen können, dann war es das Schicksal der Stockholmer Sozialistenkonferenz, das sich um die gleiche Zeit erfüllte, in der im Reichstag um die Friedensresolution gekämpft wurde. Es war ein großer Gedanke, die internationale Macht des Sozialismus ins Feld zu rufen, um der leidenden und blutenden Menschheit den Frieden zu bringen. Wir und unsere Verbündeten haben diesem Versuch -- trotz mancher Bedenken -- kein Hindernis in den Weg gelegt. Die demokratischen Regierungen der Westmächte und Amerikas waren es, die ihren Sozialisten die Pässe nach Stockholm verweigerten; die Sozialisten dieser Länder waren es, die sich wohl oder übel dieser Weigerung fügten. Für jedermann, der Augen hatte zu sehen, erwies sich damit in diesen demokratischen Ländern der sozialistische Friedensgedanke schwächer als der nationale Kriegs- und Siegeswille. Aber auch aus diesem völligen Versagen der »internationalen Solidarität des Proletariats« hat man bei uns nichts gelernt. Immer eifriger wurde unser Volk in die Suggestion versetzt, das Friedenshindernis sei der Kriegswille der »Alldeutschen«, der »Militärpartei«, der »von den Militärs abhängigen Regierung«. Immer weiter fraß der Wahnsinn um sich: Wenn wir nur unsern Friedenswillen durch Handlungen zeigen, dann werden auch unsere Feinde die Waffen niederlegen und uns in die Arme fliegen. Die im Juli 1917 gelegte Saat ist im November 1918 fürchterlich aufgegangen. Die Bildung der Regierung des Herrn Michaelis Bei der ersten Besprechung mit führenden Reichstagsabgeordneten im Garten des Reichsamts des Innern hatte der neue Kanzler die Bemerkung gemacht, daß er »bisher als mehr oder weniger unbeteiligter Zeitgenosse neben dem Wagen der Reichspolitik hergelaufen sei«. Das war ehrlich, aber es wurde dem Kanzler, wie häufig im politischen Leben die Ehrlichkeit, von manchen Seiten als Zeichen von Ungewandtheit verdacht. Es mag erstaunlich erscheinen, daß ein Mann, der über seine mangelnde Erfahrung in politischen Dingen sich selbst durchaus im klaren war, den Mut aufbringen konnte, das Reichskanzleramt in jener schwierigen Zeit zu übernehmen. Ich selbst habe in jener nächtlichen Besprechung im Reichskanzlerhause, die unmittelbar auf seine Ernennung folgte, eine Andeutung meines Erstaunens nicht unterdrücken können. Herr Michaelis antwortete mir darauf, der Abgang des Herrn von Bethmann werde zweifellos eine starke Entspannung herbeiführen und ihm die Arbeit erleichtern; im übrigen vertraue er auf Gott, mit dessen Hilfe er die Aufgabe, zu der er berufen sei, auch bewältigen werde. Dieses starke Gottvertrauen mag es erklären, daß Herr Michaelis trotz seiner unzureichenden Vertrautheit mit dem großen Felde, auf das er nun gestellt war, von Anfang an eine große Selbständigkeit bei seinen Entschlüssen und eine auffallende Neigung zu Improvisationen entwickelte. Seine Mitarbeiter mußte er sich zu einem erheblichen Teil neu wählen. Dazu zwang ihn schon das innerpolitische Programm, das er am 19. Juli im Reichstag entwickelte. Er sagte damals nach einem kurzen Bekenntnis zu der Königlichen Botschaft über das gleiche Wahlrecht: »Ich halte es für nützlich und für notwendig, daß zwischen den großen Parteien und der Regierung eine engere Fühlung herbeigeführt wird, und bin bereit, soweit es möglich ist, ohne den bundesstaatlichen Charakter und die konstitutionellen Grundlagen des Reiches zu schädigen, alles zu tun, was dieses Zusammenarbeiten lebens- und wirkungsvoller machen kann. Ich halte es auch für wünschenswert, daß das Vertrauensverhältnis zwischen dem Parlament und der Regierung dadurch enger wird, daß Männer in leitende Stellen berufen werden, die neben ihrer persönlichen Eignung für den betreffenden Posten auch das volle Vertrauen der großen Parteien in der Volksvertretung genießen. Selbstverständlich ist alles das nur unter der Voraussetzung möglich, daß von der anderen Seite anerkannt wird, daß das verfassungsmäßige Recht der Reichsleitung zur Führung der Politik nicht geschmälert werden darf. Ich bin nicht willens, mir die Führung aus der Hand nehmen zu lassen.« Trotz des starken Wortes am Schluß war mit dieser Erklärung die »Parlamentarisierung« der Regierung zugesagt. Der Rücktritt fast der Hälfte der preußischen Staatsminister und die Bereitwilligkeit der übrigen, wie der sämtlichen Staatssekretäre des Reiches, auf ihre Ämter zu verzichten, gab Gelegenheit, mit der Parlamentarisierung einen Anfang zu machen. Der Gedanke des »Reichsrats« wurde zunächst nicht weiterverfolgt. Ich selbst hatte am 14. Juli mein Entlassungsgesuch eingereicht. Ich hatte es damit begründet, daß der neue Reichskanzler freie Hand brauche; daß ferner das Reichsamt des Innern in seiner bisherigen Gestalt nicht werde erhalten bleiben können und der Rücktritt des Staatssekretärs des Innern für die Umgestaltung und Aufteilung des Amtes freie Bahn schaffe; daß schließlich die Gegnerschaften in Parlament und Presse, die ich mir im Kampf des letzten Jahres zugezogen hatte, den neuen Kanzler auch nicht mittelbar belasten dürften. Der Kaiser lehnte die Entgegennahme meines Entlassungsgesuches ab. Von den verschiedensten Seiten, auch von den Vertretern der mit uns verbündeten Regierungen, wurden bei mir Schritte unternommen, um mich zum Bleiben zu bewegen; es wurde mir geradezu als Fahnenflucht ausgelegt, wenn ich mich jetzt zurückziehen wollte. Auch Herr Michaelis insistierte von neuem darauf, daß ich ihm meine Mitarbeit nicht vorenthalten dürfe. Dem Kaiser wie dem Kanzler kam es in erster Linie darauf an, daß ich für die Vorbereitungen der Friedensverhandlungen und später für die Mitwirkung bei den Verhandlungen selbst verfügbar bliebe. Als ich auf meinem Entschluß, unter keinen Umständen das Reichsamt des Innern oder einen Teil davon zu behalten, gegenüber allen Einwirkungen bestehen blieb, und als sich für die Besetzung des durch Zimmermanns Rücktritt frei werdenden Auswärtigen Amtes Schwierigkeiten ergaben, ließ mich der Kaiser fragen, ob ich bereit sei, das Auswärtige Amt zu übernehmen. Ich bat mir Bedenkzeit aus, kam aber zu dem Schluß, daß mir die Annahme der Friedensresolution durch den neuen Kanzler die Übernahme des Auswärtigen Amtes so gut wie unmöglich mache; daß überdies der Staatssekretär des Auswärtigen seiner schweren Aufgabe nur gerecht werden könne, wenn er in Parlament und Presse über einen stärkeren und einheitlicheren Rückhalt verfüge, als ich ihn erwarten durfte. Der Kanzler meinte zwar zu diesen letzteren Bedenken in scherzhaftem Tone, vielleicht könne ich einiges verbessern, wenn ich den Abgeordneten Erzberger darüber vergewissere, daß das Auswärtige Amt auch unter meiner Leitung in derselben Weise wie bisher von seinen Diensten Gebrauch machen werde; ich antwortete, und zwar nicht im Scherz, meine erste Handlung als Staatssekretär des Auswärtigen würde die Beseitigung des Herrn Erzberger aus allen auswärtigen Geschäften sein. Dies war am Montag, den 16. Juli. Wie recht ich hatte, zeigte schon der folgende Tag. Es war bereits etwas über die Absicht, mir das Auswärtige Amt zu übertragen, durchgesickert. In der interfraktionellen Kommission, die in Permanenz tagte, entstand große Erregung, als Herr Erzberger bestätigte, daß diese Absicht bestehe. Noch am gleichen Tage begann gegen mich in der Presse ein wahres Trommelfeuer. Mein Entschluß, auf das Auswärtige Amt zu verzichten, war ohnedies gefaßt. Die Kandidatur des Botschafters in Konstantinopel, Herrn von Kühlmann, trat in den Vordergrund. Ich bat, mich an seiner Stelle als Botschafter nach der mir wohlbekannten und vertrauten Türkei zu schicken. Aber Kaiser und Kanzler wünschten mich in Berlin zu halten. Die schließlich gefundene Lösung war, daß ich meinem Wunsche entsprechend von der Leitung des Reichsamts des Innern, sobald dessen ins Auge gefaßte Teilung durchgeführt sei, befreit werden, jedoch allgemeiner Stellvertreter des Reichskanzlers und Mitglied des preußischen Staatsministeriums bleiben sollte; als besondere Aufgabe war mir dabei die einheitliche Leitung der Vorbereitungen für die Friedensverhandlungen zugedacht. Mit dieser Lösung habe ich mich abgefunden; Freude habe ich nicht an ihr erlebt. Während meine eigene Angelegenheit noch schwebte, wurde die Neubesetzung der freigewordenen und freiwerdenden Reichsämter und preußischen Ministerien verhandelt. Dabei erhielt der Zentrumsführer Dr. Spahn das preußische Justizministerium, der nationalliberale Landtagsabgeordnete Dr. v. Krause das Reichsjustizamt; der nationalliberale Reichstagsabgeordnete Dr. Schiffer wurde Unterstaatssekretär im Reichsschatzamt; der der Fortschrittlichen Volkspartei nahestehende und ihr genehme Straßburger Bürgermeister Dr. Schwander wurde als Staatssekretär des aus dem Reichsamt des Innern auszuscheidenden Reichswirtschaftsamts ins Auge gefaßt, ebenso der dem Zentrum nahestehende Kölner Oberbürgermeister Wallraf als Staatssekretär für das verbleibende Reichsamt des Innern; der Sozialdemokrat August Müller wurde zum Unterstaatssekretär im Kriegsernährungsamt ernannt. Auch abgesehen von diesen mit der »Parlamentarisierung« zusammenhängenden Ernennungen gab es einen starken Wechsel: Herr von Kühlmann wurde Staatssekretär des Auswärtigen Amts; der Präsident des Kriegsernährungsamts von Batocki wurde durch den bisherigen Oberpräsidenten von Pommern, Herrn von Waldow, ersetzt; an die Stelle des Herrn Krätke wurde der Eisenbahndirektionspräsident Rüdlin an die Spitze des Reichspostamts berufen; das Finanzministerium übernahm an Stelle des Herrn Lentze der Regierungspräsident Hergt. Auch in seine allernächste Umgebung zog der Kanzler neue Leute. Vor allem ernannte er zum Unterstaatssekretär in der Reichskanzlei an Stelle des Herrn Wahnschaffe seinen früheren Mitarbeiter in der Reichsgetreidestelle, Herrn von Grävenitz. Der Chef der Reichskanzlei hat unter anderem die schwierige Aufgabe, den dauernden Kontakt zwischen dem Reichskanzler und den Parteien des Reichstags aufrechtzuerhalten, den Reichskanzler über Stimmungen und Verstimmungen; über Beschwerden und Wünsche des Parlaments zu unterrichten und den Absichten des Reichskanzlers bei den Parteien vorzuarbeiten. Für die Erfüllung dieser Aufgabe ist eine genaue Kenntnis des parlamentarischen Parketts und der parlamentarischen Persönlichkeiten erforderlich, zudem eine gute diplomatische Veranlagung. Herr von Grävenitz war, wie sein Herr und Meister selbst, ein guter preußischer Verwaltungsbeamter, brachte aber nicht die Eigenschaften mit, die ihn zum Chef der Reichskanzlei qualifiziert hätten. Dieser Mangel ist in der kurzen Zeit der Kanzlerschaft des Herrn Michaelis sehr fühlbar gewesen. Herr Michaelis stand mit dem Herzen zweifellos auf der Seite der rechtsgerichteten Minderheit des Reichstags. Trotzdem war er von dem ehrlichen Willen beseelt, loyal mit den aus Zentrum, Freisinnigen und Sozialdemokraten bestehenden, gelegentlich durch den Hinzutritt der Nationalliberalen verstärkten Mehrheitsparteien zusammenzuarbeiten. Später, bei seiner Abschiedsrede an die stimmführenden Bundesratsbevollmächtigten, hat er selbst bekannt, daß er während seiner ganzen Kanzlerschaft schwer unter diesem Zwiespalt gelitten habe. Zunächst hatte er mit seiner Unterwerfung unter die Friedensresolution und mit der Ankündigung der Parlamentarisierung einen gewissen Erfolg. Am Tag nach seiner Antrittsrede, am 20. Juli, wurde der Kriegskredit, an dessen Bewilligung sich alle die schweren Diskussionen angeknüpft hatten, mit allen Stimmen gegen diejenigen der Unabhängigen Sozialdemokraten bewilligt. An demselben Tag sah der Kaiser bei mir im Reichsamt des Innern in Gegenwart der Minister, Staatssekretäre und stimmführenden Bundesratsbevollmächtigten die Führer der einzelnen Reichstagsfraktionen einschließlich der Mehrheitssozialdemokraten. Es war das erstemal, daß der Kaiser in dieser Weise mit dem Reichstag in Berührung trat. Er unterhielt sich nahezu drei Stunden lang auf das angeregteste und unbefangenste mit den einzelnen Abgeordneten, ohne jedoch die akuten Fragen des Kanzlerwechsels, der Friedensresolution und der inneren Politik zu berühren. Es war das einzige Mal, daß der Kaiser mit dem heutigen Reichspräsidenten Ebert zusammentraf. Ich hatte ihm erzählt, daß Herr Ebert vor kurzem seinen zweiten Sohn auf dem Schlachtfelde verloren habe. Nach der allgemeinen Begrüßung und Vorstellung sprach der Kaiser als einen der ersten Abgeordneten Herrn Ebert an und drückte ihm in schlichten und herzlichen Worten seine Teilnahme aus. Nachträglich habe ich fast bedauert, dem Kaiser zu dieser Zusammenkunft geraten zu haben, die eine persönliche Fühlung zwischen Kaiser und Reichstag anbahnen und dadurch zum Ausgleich mancher Gegensätzlichkeiten beitragen sollte; denn es kam mir zu Ohren, daß Teilnehmer an der Zusammenkunft einige Äußerungen, die der Kaiser in seiner zwanglosen und burschikosen Art getan hatte, in vergröberter und entstellter Form verbreiteten, um Stimmung gegen den Kaiser zu machen. Die militärische und politische Entwicklung unter der Kanzlerschaft Michaelis In der Reichstagssitzung vom 19. Juli, in der Herr Michaelis sein Einverständnis mit der Friedensresolution erklärte, konnte er ein Telegramm des Feldmarschalls von Hindenburg vorlesen, in dem dieser über den erfolgreichen Beginn des Gegenstoßes gegen die in Galizien und Wolhynien vorgedrungenen Russen berichtete. In wenigen Tagen wuchs dieser Gegenstoß zu einem großen Siege. Schon am 25. Juli verloren die Russen Tarnopol, das sie ununterbrochen seit den ersten Wochen des Krieges gehalten hatten. Am 3. August wurde Czernowitz zurückerobert. In den folgenden Tagen und Wochen wurden die Russen fast überall über die ehemalige Reichsgrenze zurückgeworfen. So endete die Kerenski-Offensive in einer schweren Niederlage und in einer starken Demoralisation der russischen Südarmee. Durch tatkräftige deutsche Hilfe war abermals eine österreichische Niederlage gutgemacht, und die nordöstlichen Grenzlande unseres Verbündeten waren bis auf schmale Streifen vom Feinde befreit. In jener Zeit, am 14. August, erschien der Graf Czernin zu Besprechungen über die Lage und die zu fassenden Beschlüsse in Berlin. Er brachte einen neuen Vorschlag zur Beendigung des Krieges mit: Österreich sei bereit, Galizien an Polen zu geben und sich an Gesamtpolen zugunsten Deutschlands zu desinteressieren, in der Weise, daß Deutschland berechtigt sein solle, sich Gesamtpolen politisch, militärisch und wirtschaftlich in jeder uns gut scheinenden Form anzugliedern. Dafür sollte Österreich-Ungarn in Rumänien die Vorhand haben -- ein Gedanke, der schon bei den Kreuznacher Besprechungen im Monat Mai eine Rolle gespielt hatte --, und außerdem sollte -- darauf lag der Nachdruck -- Deutschland zugunsten Frankreichs auf Elsaß-Lothringen verzichten. Jedoch müsse eine solche Abmachung in Rücksicht auf die österreichischen Polen vorläufig streng geheim bleiben. Sowohl Herr Michaelis wie Herr von Kühlmann lehnten dieses quid pro quo ab. Der Verzicht auf Elsaß-Lothringen erschien bei der damaligen militärischen Lage als eine Ungeheuerlichkeit, für die kein Anlaß vorlag und die dem deutschen Volk nicht zugemutet werden konnte. Auch die polnische Versuchung, die uns Graf Czernin vorführte, konnte uns nicht beeindrucken. Wir alle waren der Überzeugung, daß Polen für uns in keiner Form eine wünschenswerte Erwerbung sein würde. Niemand gelüstete es danach, im Westen altes deutsches Land mit einer fast ausschließlich deutschen Bevölkerung preiszugeben, um dafür im Osten ein Mehrfaches an nichtdeutschem Land mit einer nichtdeutschen Bevölkerung einzutauschen. Graf Czernin war über die Ablehnung seines Vorschlags enttäuscht. Er richtete am Schlusse dieser Aussprache an uns die Frage, wie Deutschland sich stellen werde, wenn unsere Feinde uns den Status quo anbieten sollten. Der Reichskanzler erklärte seine Bereitwilligkeit, alsbald mit jedem feindlichen Staate in Verhandlungen einzutreten, der seine Forderungen auf deutsche Gebietsteile oder auf Gebietsteile unserer Bundesgenossen fallen lasse. Graf Czernin nahm von dieser Erklärung Akt. Am Tage der Ankunft des Grafen Czernin in Berlin war dort das vom 1. August 1917 datierte Rundschreiben des Papstes Benedikt XV. an die Staatsoberhäupter der kriegführenden Völker übergeben worden. Das war offenbar die Aktion, wegen der Monsignore Pacelli schon Ende Juni Herrn von Bethmann sondiert hatte. In diesem Rundschreiben richtete der Papst an »diejenigen, welche die Geschicke der Nationen in ihren Händen halten«, unter Berufung auf seine politische Uninteressiertheit eine dringende Mahnung zum Frieden. Seine Aufforderung beschränkte sich nicht auf allgemeine Wendungen; sie bezeichnete vielmehr bestimmte Punkte, deren Klärung ihm als notwendige Grundlage für einen gerechten und dauerhaften Frieden erschien. Voran stellte er den Grundgedanken, daß an die Stelle der materiellen Kraft der Waffen die moralische Kraft des Rechtes treten müsse; daraus folge ein billiges Einvernehmen zum Zweck gleichzeitiger und gegenseitiger Verminderung der Rüstungen, ferner die Einführung einer internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. Auf Grund dieser Vorherrschaft des Rechts sei jedes Hindernis für den Verkehr der Völker durch Sicherung der Freiheit und Gemeinsamkeit der Meere zu beseitigen. -- Von diesem Programm für das künftige Zusammenleben der Völker auf die Beendigung des gegenwärtigen Krieges übergehend, schlug das Rundschreiben vor, in der Frage der Kriegskosten den Grundsatz eines vollständigen und gegenseitigen Verzichts aufzustellen; ferner die beiderseitige Herausgabe der besetzten Gebiete zuzugestehen, was für Deutschland die Herausgabe Belgiens »mit Garantie seiner vollen politischen, militärischen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit gegenüber gleichviel welcher Macht« bedeute, desgleichen die Räumung von Nordfrankreich; ebenso für die anderen kriegführenden Parteien »eine ähnliche Herausgabe der deutschen Kolonien«. Das Rundschreiben wandte sich dann zu den »strittigen territorialen Fragen«, die zwischen Italien und Österreich, Deutschland und Frankreich schwebten; hier sprach es die Hoffnung aus, »daß die streitenden Parteien in Anbetracht der unermeßlichen Vorteile, die ein mit Abrüstung verbundener, dauerhafter Friede bringt, gewillt seien, diese Fragen aus einer versöhnlichen Gesinnung heraus zu prüfen, dabei den Bestrebungen der Völker nach Maßgabe des Gerechten und Möglichen Rechnung zu tragen und die Sonderinteressen dem Allgemeinwohl der großen menschlichen Gemeinschaft einzuordnen«. Derselbe Geist der Billigkeit und Gerechtigkeit werde die Prüfung der anderen territorialen und politischen Fragen leiten müssen, namentlich der armenischen, der balkanischen und der polnischen Frage; insbesondere dem ehemaligen Königreich Polen müßten seine edlen geschichtlichen Überlieferungen und die von ihm während des Krieges erduldeten Leiden gerechterweise das Mitgefühl der Nationen gewinnen. Das Rundschreiben war gewiß nicht von Parteinahme für den Bund der Mittelmächte eingegeben. Denn die Wiederherstellung des Status quo wurde nur zugunsten der Westmächte in der Forderung der unbedingten und vollständigen Rückgabe des von uns besetzten belgischen und nordfranzösischen Gebietes in vollem Umfang erhoben. Dagegen wurden Elsaß-Lothringen und das von Italien geforderte österreichische Gebiet als »strittige Fragen« behandelt, in denen ein versöhnliches und versöhnendes Entgegenkommen empfohlen wurde. Auch die polnischen Wünsche, die ohne Beeinträchtigung des österreichischen und auch des deutschen Besitzstandes nicht zu erfüllen waren, erhielten eine vorsichtige, aber unverkennbare Unterstützung. Im übrigen erwähnte das päpstliche Rundschreiben die Ostfragen nicht; das konnte als eine stillschweigende Andeutung aufgefaßt werden, daß Deutschland sich für Opfer im Westen Kompensationen im Osten suchen möchte. Trotz des für Deutschland und Österreich nicht unbedenklichen Inhalts der päpstlichen Vorschläge bestand in den Berliner Besprechungen mit dem Grafen Czernin Übereinstimmung darüber, daß man versuchen müsse, auf Grund der päpstlichen Vorschläge zu Friedensverhandlungen zu kommen. Es wurde vereinbart, daß eine Verständigung über Inhalt und Zeitpunkt der zu erteilenden Antwort zwischen den beiden Regierungen stattfinden sollte. Noch ehe die in Aussicht genommenen weiteren Besprechungen mit Wien über die Beantwortung der Papstnote eingeleitet werden konnten, bemächtigte sich der Hauptausschuß des Reichstags der Angelegenheit. Herr Dr. Südekum, der damals den Vorsitz führte, berief den Hauptausschuß -- soviel ich weiß, ohne vorherige Verständigung mit dem Reichskanzler -- auf den 22. August 1917. Ich erinnere daran, daß Graf Czernin in seiner Rede vom 11. Dezember 1918 Herrn Dr. Südekum neben Herrn Erzberger als denjenigen deutschen Abgeordneten bezeichnet hat, mit dem er vor der Friedensresolution des Reichstags Fühlung genommen hatte, um im Deutschen Reichstag einen »dauernden und kräftigen Verbündeten gegen die Eroberungspläne der Militärs« zu gewinnen. In der vertraulichen Vorbesprechung, die am 21. August stattfand, war die Papstnote und die auf sie von der deutschen Regierung zu erteilende Antwort natürlich der wichtigste Gegenstand. In der Ablehnung einer Preisgabe Elsaß-Lothringens bestand Einigkeit. Dagegen gingen die Meinungen in der belgischen Frage erheblich auseinander. Die Mehrheitsparteien stellten ferner den Kanzler wegen der Worte »wie ich sie auffasse« in seiner Reichstagserklärung vom 19. Juli zur Rede. Der Kanzler erklärte, daß diese Worte eine Augenblickseingebung gewesen seien und daß es ihm ferngelegen habe, die Loyalität gegenüber den Mehrheitsparteien zu verletzen. In der Sitzung des Hauptausschusses vom 21. August kam der Kanzler ohne zwingenden Anlaß auf diese Angelegenheit zurück, und zwar in Wendungen, die dahin verstanden wurden, er habe sich niemals vorbehaltlos auf den Boden der Friedensresolution des Reichstags gestellt und habe sich für verpflichtet gehalten, dies in seiner Erklärung zum Ausdruck zu bringen. Da er beim Verlesen seiner Erklärung das Gefühl gehabt habe, daß der den Mehrheitsparteien mitgeteilte Text dies vielleicht nicht genügend erkennen lasse, habe er jene beanstandeten Worte hinzugefügt. Von diesem Augenblick an war die Stellung des neuen Kanzlers bei den Mehrheitsparteien so schwer erschüttert, daß man die neue Kanzlerkrisis vom 22. August datieren kann. Mit Mühe und Not wurde die Angelegenheit am Nachmittag durch einen Austausch von Erklärungen für den Augenblick zurechtgezogen. Dagegen fand der neue Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Herr von Kühlmann, mit einer sehr geschickten und formgewandten Rede bei den Mehrheitsparteien großen Beifall. Sein in Anlehnung an die Papstnote formulierter Satz, daß in der Politik nicht nur die Macht, sondern auch das Recht eine Rolle spiele, und daß eine nur auf Macht begründete Politik zum Scheitern verurteilt sei, offenbarte zwar keine neue Weisheit, wurde aber von den Mehrheitsparteien als eine programmatische Absage an einen »Gewaltfrieden« und als ein grundsätzliches und klares Bekenntnis zu dem »Frieden der Verständigung und des Ausgleichs« der Reichstagsresolution aufgefaßt. An demselben 22. August machte der Reichskanzler dem Reichstag ein weitgehendes Zugeständnis: Er kündigte an, daß er beabsichtige, zum Zweck der Herstellung einer engeren Fühlung und eines besseren Vertrauensverhältnisses zwischen Reichsleitung und Reichstag in den Fragen der auswärtigen Politik einen aus Vertretern der Parteien bestehenden Beirat zu berufen, dessen Aufgabe es sein sollte, mit der Reichsleitung »Dinge, die im Werden sind, durchzuberaten und zu einer Lösung zu führen, die der Öffentlichkeit übergeben werden kann«. Als erste Aufgabe sollte diesem Beirat die Feststellung der Antwort auf die Papstnote zugewiesen werden. In dieser nicht unbedenklichen Form nahm also der Kanzler den Gedanken des »Reichsrats«, den er zunächst hatte fallen lassen, wieder auf. Den Parteien des Reichstags wurde damit auf die Leitung der auswärtigen Politik des Reiches grundsätzlich ein bestimmender Einfluß eingeräumt. Auf Grund dieser Zusage des Reichskanzlers wurde von den Reichstagsparteien die sogenannte »Siebenerkommission« eingesetzt, in der das Zentrum und die Sozialdemokraten durch je zwei, die Konservativen, Nationalliberalen und Freisinnigen durch je ein Mitglied vertreten waren. Zur dauernden Einrichtung ist die »Siebenerkommission« nicht geworden. Soviel ich weiß, wurde sie nur ein einziges Mal, eben zur Feststellung der Antwort auf die Papstnote, einberufen, und zwar auf Montag, 10. September 1917. Ich habe dieser Sitzung nicht beigewohnt, da ich am 5. September -- zum erstenmal, seit ich Anfang 1915 das Reichsschatzamt übernommen hatte -- in Urlaub gegangen war und das Telegramm des Kanzlers, das mich zu der Sitzung zurückrief, nicht mehr rechtzeitig erhalten hatte. Ich kam erst am Abend des 10. September in Berlin an und erfuhr, daß die Erörterung sich hauptsächlich um die Frage gedreht habe, ob in der Antwort an den Papst ein ausdrücklicher Verzicht auf Belgien ausgesprochen werden solle oder nicht. Der Kanzler und der Staatssekretär des Auswärtigen hatten erneut erklärt, und zwar auf Grund eines Vortrages beim Kaiser, daß keinerlei Erwerbung belgischer Gebietsteile beabsichtigt sei; aus taktischen Gründen empfahlen sie jedoch, von einer ausdrücklichen Erklärung dieses Standpunktes in der im übrigen allgemein gehaltenen Antwort an den Papst abzusehen, und sie fanden hierfür die Zustimmung der Mehrheit des Siebenerausschusses. Entscheidendes Gewicht legten dagegen die Mehrheitsparteien darauf, daß in der Antwort auf die Papstnote ausdrücklich auf die Friedensresolution des Reichstags Bezug genommen werde. Für den nächsten Tag hatte der Kaiser im Schloß Bellevue eine Beratung über die allgemeine Lage und insbesondere über die belgische Angelegenheit angesetzt, zu der außer dem Reichskanzler und mir die Staatssekretäre von Kühlmann und Graf Roedern, die Staatsminister von Breitenbach und von Waldow, der Generalfeldmarschall von Hindenburg, der General Ludendorff, der Chef des Admiralstabs von Holtzendorff, der Staatssekretär des Reichsmarineamts von Capelle und der Generalgouverneur von Belgien Generaloberst von Falkenhausen befohlen waren. Auch der Kronprinz nahm an der Beratung teil. Der Reichskanzler und Herr von Kühlmann machten geheimnisvolle Andeutungen über eine Friedensmöglichkeit, die sich neuerdings eröffnet habe, und zwar durch Mitteilungen eines von England beauftragten neutralen Vertreters. Voraussetzung für Friedensverhandlungen sei unser völliger und bedingungsloser Verzicht auf Belgien; sie befürworteten diesen Verzicht. Demgegenüber setzte sich der Chef des Admiralstabs dafür ein, daß jeder Friede uns die flandrische Küste bringen müsse. Die Herren von der Obersten Heeresleitung gaben zwar die flandrische Küste preis, General Ludendorff betonte jedoch die militärische Wichtigkeit einer Angliederung der Festung Lüttich und ihrer Umgegend. Der Kaiser entschied schließlich im Sinne des Kanzlers, mit dem Vorbehalt, daß die belgische Frage erneut geprüft werden müsse, wenn der Verzicht auf Belgien nicht bis zum Jahresende den Friedensschluß ermögliche. Der Kronprinz, der in der Sitzung selbst nicht das Wort ergriff, sprach sich nach der Beratung mir gegenüber dahin aus, daß nach seiner Ansicht jede Möglichkeit, zu einem anständigen Frieden zu kommen, ergriffen werden müsse, und daß der Friede an keiner an sich noch so wichtigen Einzelforderung scheitern dürfe. Die angebliche Friedensbereitschaft Englands entpuppte sich bald als ein »Mißverständnis«. Es entspann sich später ein Streit darüber, ob Deutschland oder England die Initiative zu einem neuen Friedensschritt ergriffen habe. Die englische Regierung lehnte es kategorisch ab, irgendeiner neutralen Regierung Andeutungen über ihre Friedensbereitschaft gemacht zu haben[2]. [2] Siehe die Mitteilungen von Wolffs Telegraphischem Bureau vom 13. und 17. Dezember 1917. -- Im =Nachtrag= komme ich eingehender auf diese Angelegenheit zurück. Unsere Antwort auf die Papstnote wurde am 21. September veröffentlicht. Sie betonte die in 26 Jahren segensreicher Regierung bewährte Friedensliebe des Deutschen Kaisers und den »werktätigen Willen zum Frieden« des deutschen Volkes; eine »unheilvolle Verkettung von Ereignissen« habe im Jahre 1914 einen hoffnungsvollen Entwicklungsgang jäh unterbrochen und Europa in einen blutigen Kampfplatz umgewandelt. Die Kaiserliche Regierung habe die in der Kundgebung des Papstes gegebenen Anregungen einer ernsten und gewissenhaften Prüfung unterzogen; die besonderen Maßnahmen, die sie in engster Fühlung mit der Vertretung des deutschen Volkes für die Beratung und Beantwortung der aufgeworfenen Frage getroffen habe -- gemeint war die Heranziehung des Siebenerausschusses --, legten davon Zeugnis ab, wie sehr es ihr am Herzen liege, im Einklang mit den Wünschen des Papstes und der Friedenskundgebung des Reichstags vom 19. Juli brauchbare Grundlagen für einen gerechten und dauerhaften Frieden zu finden. Mit besonderer Wärme eignete sich die Antwort die in der Note des Papstes ausgesprochene Überzeugung an, daß künftig an die Stelle der materiellen Macht der Waffen die moralische Macht des Rechts treten müsse. »Wir teilen die Auffassung Seiner Heiligkeit,« so hieß es weiter, »daß bestimmte Regeln und gewisse Sicherheiten für eine gleichzeitige und gegenseitige Begrenzung der Rüstungen zu Wasser, zu Land und in der Luft sowie für die wahre Freiheit und Gemeinsamkeit der hohen See diejenigen Gegenstände darstellen, bei deren Behandlung der neue Geist, der künftig im Verhältnis der Staaten zueinander herrschen soll, den ersten verheißungsvollen Ausdruck finden müßte. Es würde sich sodann ohne weiteres die Aufgabe ergeben, auftauchende internationale Meinungsverschiedenheiten nicht durch das Aufgebot der Streitkräfte, sondern durch friedliche Mittel, insbesondere auf dem Wege des Schiedsverfahrens, entscheiden zu lassen, dessen hohe friedenstiftende Wirkung wir mit Seiner Heiligkeit voll anerkennen. Die Kaiserliche Regierung wird dabei jeden Vorschlag unterstützen, der mit den Lebensinteressen des Deutschen Reiches und Volkes vereinbar ist.« Wenn die Völker zu ihrem Heil erkannt haben würden, daß es gelte, mehr das Einigende als das Trennende in ihren Beziehungen zu betonen, werde es ihnen gelingen, auch die einzelnen noch offenen Streitpunkte so zu regeln, daß jedem Volke befriedigende Daseinsbedingungen geschaffen würden und damit eine Wiederkehr der großen Völkerkatastrophe ausgeschlossen erscheine. »Diese ernste und aufrichtige Überzeugung« -- so schloß die Note -- »ermutigt uns zu der Zuversicht, daß auch unsere Gegner in den von Seiner Heiligkeit zur Erwägung unterbreiteten Gedanken eine geeignete Unterlage sehen möchten, um unter Bedingungen, die dem Geiste der Billigkeit und der Lage Europas entsprechen, der Vorbereitung eines künftigen Friedens näherzutreten.« Die deutsche Regierung nahm also, ohne in eine Erörterung der Einzelheiten einzutreten, die in der päpstlichen Note ausgesprochenen Gedanken als eine »geeignete Unterlage« für Verhandlungen über den Frieden an, obwohl die Vorschläge des Papstes in der elsaß-lothringischen Frage die Integrität des Deutschen Reiches, in der Südtiroler und Triestiner Frage die Integrität der österreichisch-ungarischen Monarchie als offene Fragen behandelten. Ja, indem unsere Antwortnote mit Bezugnahme auf das päpstliche Rundschreiben ausdrücklich von »noch offenen Streitpunkten« sprach, setzte sie sich der Deutung aus, daß sie ihrerseits die elsaß-lothringischen Forderungen Frankreichs und die Aspirationen Italiens auf österreichische Gebietsteile als offene Fragen anerkenne. Im übrigen wurde durch die Bezugnahme dieses diplomatischen Dokuments auf die Friedenskundgebung des Reichstags vom 19. Juli diese von der Reichsregierung in betonter Weise als maßgebend für ihre Friedenspolitik bestätigt. Trotzdem blieb die Papstnote, und ebenso unsere Antwort, ohne Widerhall bei den Regierungen unserer Feinde. Nur der Präsident Wilson gab -- schon Ende August -- eine formelle Antwort, die aber lediglich in einer heftigen Polemik gegen die deutschen »Machthaber« bestand. Diese Machthaber hätten erst heimlich ein Komplott der Unterjochung geschmiedet und dann ohne Achtung für Verträge, Recht und Ehre seine Durchführung versucht. Diese Macht könne nicht nach den Vorschlägen des Papstes behandelt werden. Das Wort der gegenwärtigen Machthaber Deutschlands könne keine Grundlage für einen dauernden Frieden der Gerechtigkeit und Menschlichkeit sein. »Wir müssen irgendeinen neuen Beweis der Ziele der großen Völker der Mittelmächte abwarten. Gott gebe, daß dieser Beweis bald erbracht werde!« Die Ententeregierungen gaben dem Papst überhaupt keine Antwort. In Frankreich lehnten die Herren Painlevé, der neue Ministerpräsident, und Ribot, der das Auswärtige in dem neuen Kabinett erhalten hatte, am 18. und 19. September jede Äußerung zur Papstnote ab, da die Ententemächte seinerzeit Wilsons Frage nach ihren Kriegszielen ausführlich beantwortet hätten, während die Antwort der Zentralmächte noch ausstehe. Im übrigen sprachen sie viel von der »Desannexion von Elsaß-Lothringen«, der neuen Formel, die das französische Begehren nach den Reichslanden mit der russischen Formel von dem »Frieden ohne Annexionen« in Einklang bringen sollte. In England äußerte sich zu der Papstnote nur der frühere Premierminister Asquith in einer Rede vom 26. September, die in ihrem positiven Inhalt kaum etwas anderes war als eine Umschreibung der Ententenote an den Präsidenten Wilson vom 10. Januar 1917. In Rußland wies der neue Minister des Auswärtigen, Herr Tereschtschenko, am 28. September in einer Erklärung an die Presse die deutsche Antwort auf die Papstnote als ungenügend zurück und sprach Deutschland den ehrlichen Willen zum Frieden ab. So führte der Schritt des Papstes nur zur Bestätigung der mit der Friedensresolution des Reichstags gemachten Erfahrung: Unsere eifrig dokumentierte Bereitwilligkeit, auf der vom Papst vorgeschlagenen, für uns nichts weniger als günstigen Grundlage in Friedensverhandlungen einzutreten, hatte auf der Gegenseite nur verstärkte Ablehnung und gesteigerten Kriegswillen zur Folge. Der Reichskanzler und auch der Staatssekretär des Auswärtigen hatten für die Gefahren dieser Wirkung noch ein gewisses Gefühl. Ihre Äußerungen in dem Ende September abermals zusammengetretenen Hauptausschuß des Reichstags zeigten immerhin insofern eine gewisse Zurückhaltung, als sie sich auf Einzelheiten nicht festlegten und es ausdrücklich ablehnten, daß unsere Antwort auf die Papstnote etwa ein neues Friedensangebot bedeuten solle. Der Reichskanzler erklärte in der Sitzung vom 28. September, daß die Reichsleitung für mögliche Friedensverhandlungen, auch hinsichtlich Belgiens, in jeder Weise freie Hand habe. Dies war ein Versuch, die unerwünschte Wirkung abzuschwächen, die das rückhaltlose Bekenntnis zur Friedensresolution des Reichstags bei unseren Feinden auslöste. Aber ein Versuch mit untauglichen Mitteln. Die Vorgänge in der Beratung mit dem Siebenerausschuß vom 10. September, ja sogar die wesentlichen Punkte aus der Beratung beim Kaiser am 11. September, waren sehr bald der deutschen und der internationalen Öffentlichkeit bekannt geworden. Jedermann, der sich mit den politischen Dingen beschäftigte, wußte, daß die »freie Hand«, von der Herr Michaelis sprach, im Falle ernsthafter Verhandlungen von dieser Freiheit nur den Gebrauch des Nachgebens gemacht hätte. Solche taktischen Vorbehalte konnten unsere Feinde um so weniger beeindrucken, als am 2. Oktober, wenige Tage nach den Ausführungen der Herren Michaelis und von Kühlmann im Hauptausschuß des Deutschen Reichstags, der österreichisch-ungarische Minister des Auswärtigen Graf Czernin in Budapest in Gegenwart des neuernannten ungarischen Ministerpräsidenten Dr. Wekerle in einer großes Aufsehen erregenden Tischrede ein Friedensprogramm entwickelte, das ein uneingeschränktes Bekenntnis zu einer neuen, auf internationalen Schiedsgerichten, Abrüstung und Freiheit der Meere aufgebauten Weltordnung und den erklärten Verzicht auf alle territorialen Sicherungen enthielt, und zwar in Formen, die nur als ein neues Friedensangebot aufgefaßt werden konnten. In alldem trat immer mehr das Fehlen einer klaren Linie in unserer eigenen Politik und das Abhandenkommen der einheitlichen Marschroute mit unserem größten Bundesgenossen hervor. Es konnte gar nicht anders sein, als daß unsere Feinde aus diesen Anzeichen der Unsicherheit und Uneinigkeit immer neuen Mut schöpften. Darin wurde auch nichts gebessert durch die Rede über unsere auswärtige Politik, die Herr von Kühlmann acht Tage nach der Czerninschen Kundgebung, am 9. Oktober 1917, im Plenum des Deutschen Reichstags hielt. Diese Rede war zunächst bemerkenswert durch das, was Herr von Kühlmann nicht sagte. Er sprach mit keinem Wort von den östlichen Fragen; ebensowenig von den Kriegszielen unserer Bundesgenossen. Scharf pointiert bezeichnete er die elsaß-lothringische Frage als das einzige Friedenshindernis, und in dieser Frage rief er ein stark betontes »Niemals!« in die Welt. Alle anderen Fragen, die in dem weitschichtigen Koalitionskrieg eine Rolle spielten, mochten sie uns angehen oder unseren Bundesgenossen, wurden damit als diskutabel bezeichnet, und gleichzeitig wurde der deutsch-französische Gegensatz für uns und unsere Mächtegruppe als der entscheidende Grund für die Fortführung des Krieges hingestellt. Herr von Kühlmann stellte sich also in der Beurteilung des entscheidenden Friedenshindernisses auf den seit dem Frühjahr 1917 von dem Grafen Czernin vertretenen Standpunkt, lehnte aber die von diesem gezogene Konsequenz des Verzichts auf Elsaß-Lothringen kategorisch ab. Frankreich, das um die Mitte des Jahres Zeichen von Verhandlungsbereitschaft gegeben hatte, wies jetzt jede Preisgabe seiner elsaß-lothringischen Forderungen weit von sich, England hatte sich auf Frankreichs elsaß-lothringische Forderung festgelegt, und auch die Vereinigten Staaten ließen erkennen, daß die Wiederangliederung Elsaß-Lothringens an Frankreich auch für sie eines der wesentlichen Kriegsziele sei. Ein Versuch, der elsaß-lothringischen Frage durch Zugeständnisse an die elsaß-lothringische Bevölkerung, etwa durch die Gewährung der bundesstaatlichen Autonomie die Spitze abzubrechen, lag nahe. Die Mehrheitsparteien des Reichstags drängten auf eine solche Lösung, und Herr Michaelis hatte auch bereits gegen Ende August zugesagt, daß er sich über diese Frage mit den Verbündeten Regierungen ins Benehmen setzen werde. Die in einem früheren Stadium des Krieges erörterte Aufteilung der Reichslande unter Preußen, Bayern und vielleicht einige anderen Bundesstaaten war damals abgetan. Herr von Kühlmann schien der Autonomiegewährung zuzuneigen. Die gesamte Kriegslage hatte sich so zugespitzt, daß in dieser Frage alle die nicht geringen Bedenken innerpolitischer und militärischer Natur hinter den Erfordernissen der auswärtigen Politik hätten zurücktreten müssen, wenn solche Erfordernisse mit Entschiedenheit geltend gemacht worden wären. Aber daran fehlte es, und so blieb auch diese Frage in Schwebe, nicht nur während der kurzen Kanzlerschaft des Herrn Michaelis, sondern darüber hinaus auch während der ganzen Regierung des Grafen Hertling. Unterdessen erneuerten die Westmächte ihre militärischen Anstrengungen. Die Anfang Juni eingeleitete, aber nach verhältnismäßig geringen Anfangserfolgen ins Stocken geratene Schlacht in Flandern lebte von neuem auf und erreichte Mitte August einen Höhepunkt. Um die gleiche Zeit setzte eine starke französische Offensive bei Verdun ein, in der die Franzosen örtliche Erfolge errangen. In Flandern ließen die englischen Angriffe vorübergehend nach. Die Offensive begann in der zweiten Septemberhälfte von neuem und dauerte mit kurzen Pausen bis in den November. Die Engländer gewannen in unsagbar blutigem Ringen Schritt für Schritt Boden, kamen aber schließlich auf den Höhen von Paschendaele zum Stehen. Um die Mitte des Oktober erfolgten starke französische Angriffe bei Soissons und am Chemin des Dames. Auch hier gelang es den Franzosen, in unsere Linien einzubrechen und uns vom Rücken des Damenweges herabzudrücken; aber unser System der »elastischen Verteidigung« vereitelte jeden entscheidenden Erfolg. In der gleichen Zeit erneuerte unser Ostheer den Druck auf die Russen. Anfang September wurden die russischen Truppen an der Düna geworfen; am 3. September fiel Riga in unsere Hand. Um die Mitte des Oktober wurden Ösel und die benachbarten Inseln des Rigaischen Meerbusens besetzt. Die russische Front zeigte eine fortschreitende Auflösung. Auch die aus dem Innern Rußlands kommenden Nachrichten ließen einen baldigen Zusammenbruch der russischen Widerstandskraft erwarten. Die zweite Kanzlerkrisis Ehe der russische Zusammenbruch eintrat, kam die in Deutschland seit dem 22. August unter der Oberfläche schwelende Kanzlerkrisis zum offenen Ausbruch. Schon in den Sitzungen des Hauptausschusses in den letzten Septembertagen hatten die Mehrheitsparteien zwar die Ausführungen des Staatssekretärs von Kühlmann mit großem und demonstrativem Beifall begrüßt, diejenigen des Reichskanzlers dagegen mit bemerkenswerter Kälte aufgenommen. Nicht nur, daß die Mehrheitsparteien Herrn Michaelis den mißglückten Versuch vom 22. August nachtrugen, die Fesseln der Friedensresolution zu lockern, -- es kam vielmehr hinzu, daß sie aus seinem bisherigen Auftreten den Schluß zogen, daß er dem schweren Amte des Reichskanzlers nicht gewachsen sei, und weiter, daß sich bei ihnen das zutreffende Gefühl verstärkt hatte, daß Herr Michaelis im Grunde seines Herzens den Rechtsparteien näherstehe als der Reichstagsmehrheit, mit der zu regieren er übernommen hatte. Die hieraus sich ergebenden Konfliktsmöglichkeiten wurden verschärft durch die Gegenwirkung, die sich gegen die in der Friedensresolution des Reichstags zum Ausdruck gekommene Politik eingestellt hatte. Die Gründung der »Vaterlandspartei«, die den Kampf gegen die »Resolutionsmehrheit« und den »Verzichtfrieden« auf ihre Fahnen schrieb, der starke Zulauf, den die Vaterlandspartei gleich nach ihrer Gründung zu verzeichnen hatte, ihre eifrige Propaganda und ihre scharfen Angriffe gegen die Träger der Mehrheitspolitik, -- das alles erhitzte die Gemüter. Der Verdacht der Begünstigung der Vaterlandspartei durch die Reichsleitung und die preußische Staatsregierung oder zum mindesten durch deren Organe, vor allem aber durch die oberste Heeresleitung und die Militärverwaltung gab der täglich heißer werdenden Kampfstimmung eine Richtung gegen den für die Leitung der Reichspolitik verantwortlichen und ohnedies in seiner Gesinnung nicht unverdächtigen Reichskanzler. In der Erregung der Mehrheitsparteien über die Agitation der Vaterlandspartei zeigte sich wieder einmal der unpolitische Sinn des Deutschen. Einer jeden Regierung, auch einer solchen, die einen Verständigungsfrieden, ja einen Verzichtfrieden zu machen entschlossen ist, kann eine starke nationale Bewegung nur willkommen sein. Sie steht bei allen Verhandlungen ungleich besser da, wenn sie dem anderen Teil vorhalten kann, wie schwer es ihr werden wird, Zugeständnisse vor dem eigenen Volke zu vertreten und zu rechtfertigen, als wenn der andere Teil in der Lage ist, sie darauf hinzuweisen, daß ihr Volk sich längst mit jedem Zugeständnis abgefunden habe, ja um des Friedens willen die weitestgehenden Zugeständnisse verlange. Angriffe, die aus einer, sei es auch überspannten nationalen Gesinnung kommen, müssen in solchen entscheidungsschweren Lagen hingenommen und ertragen werden, wenn sie die eigene Position gegenüber dem Verhandlungsgegner stärken; sie müssen hingenommen und ertragen werden nicht nur von den leitenden Staatsmännern, sondern auch von den Parteiführern, die den Ehrgeiz haben, die Politik mitzubestimmen. Darüber habe ich mich in den kritischen Tagen des Herrn Michaelis mehrfach mit leitenden Persönlichkeiten der Mehrheitsparteien ausgesprochen, um ihre Erregung gegen die Vaterlandspartei zu mildern und um ihnen begreiflich zu machen, daß der Kanzler, ohne der deutschen Sache zu schaden, gar nicht in der Lage sei, in der von ihnen gewünschten Weise gegen die Vaterlandspartei Stellung zu nehmen. Für den 6. Oktober 1917 waren auf die Tagesordnung des Reichstags zwei Interpellationen gesetzt worden, die sich auf die angebliche »Agitation durch Vorgesetzte im Heer zugunsten alldeutscher Politik« und auf Verordnungen von Stellvertretenden Generalkommandos bezogen, »durch die das Vereins- und Versammlungsrecht einseitig zugunsten alldeutscher Propaganda gehandhabt wird«. Es war zu erwarten, daß diese Interpellationen zu einer großen politischen Auseinandersetzung Anlaß geben würden, deren Ausgang für die Stellung des Reichskanzlers von entscheidender Bedeutung werden würde. Ich riet deshalb dem Reichskanzler auf das dringendste, die Beantwortung der Interpellationen selbst zu übernehmen. Herr Michaelis zeigte dafür keine Neigung. Er beabsichtigte, in der folgenden Woche über die auswärtige Politik zu sprechen, und blieb dabei, daß die Beantwortung der Interpellationen sich streng im Rahmen ihres lediglich das Verhalten militärischer Stellen betreffenden Wortlautes zu halten habe; deshalb müsse die Beantwortung in erster Linie durch den Kriegsminister erfolgen; nötigenfalls könne durch den als Staatssekretär des Innern in Aussicht genommenen, zunächst als Unterstaatssekretär im Reichsamt des Innern fungierenden Herrn Wallraf eine kurze ergänzende Erklärung abgegeben werden. Es gelang mir nicht, den Reichskanzler zu überzeugen, daß sich die Debatte nicht im Rahmen des Wortlauts der Interpellation werde halten lassen und daß sein persönliches Eingreifen um der Sache und um seiner selbst willen sich als notwendig herausstellen werde. Ich erreichte nur, daß Herr Michaelis zusagte, sich für alle Fälle während der Sitzung in seinem Arbeitszimmer im Reichstag bereithalten zu wollen. Es kam, wie ich vorausgesehen hatte. Der sozialdemokratische Abgeordnete Landsberg begründete die Interpellationen in einer langen Rede. Gegen die leitenden Männer der Vaterlandspartei richtete er Vorwürfe, wie den, daß sie »sich von einem Eintreten für Verlängerung des Krieges nicht dadurch abhalten lassen, daß der Krieg ihnen materielle Vorteile bringt«; daß sie ungeheure Mittel aufwendeten, »um diejenige Atmosphäre in Deutschland zu erzeugen, in der der richtige Kriegsgewinnler sich erst wohl fühlt«; er gestatte sich, die Männer, deren Vermögensverhältnisse durch eine Verlängerung des Krieges günstig beeinflußt würden, »zur Scham zu rufen«; es gelte diesen Herren, »dem Volke die Parteien zu verekeln, die erkannt haben, daß Staat und Volk eine Einheit bilden müssen«. Nach längeren Ausführungen über die Kriegsziele und über den Streit um die Friedensresolution des Deutschen Reichstags stellte er die Behauptung auf, daß die Agitation der Vaterlandspartei und ähnlicher Gebilde durch die militärischen und zivilen Behörden begünstigt werde. An einer Reihe von Einzelfällen, in denen tatsächlich Übergriffe und Verstöße vorgekommen sein mochten, versuchte er diese Behauptung zu begründen. Mit besonderer Schärfe wandte er sich gegen den seit längerer Zeit von der obersten Heeresleitung organisierten vaterländischen Aufklärungsdienst in der Armee, den er zu Unrecht mit der Agitation der Vaterlandspartei in Verbindung brachte. Als später im Hauptausschuß des Reichstags die für diesen Aufklärungsdienst ausgegebenen Richtlinien in ihrem vollen Umfang mitgeteilt und erläutert wurden, wurde diese Organisation bis in die Reihen der Sozialdemokraten hinein als zweckmäßig, ja als notwendig anerkannt; jede politische Agitation war in diesen Richtlinien ausdrücklich verboten. Aber der Abgeordnete Landsberg hielt sich auch hier an Einzelfälle, die im Augenblick größtenteils nicht nachzuprüfen waren. Zum Schluß wendete er sich an den abwesenden Reichskanzler, der sich durch die Antwort auf die Papstnote, die »gute Arbeit« gewesen sei, auf die Politik der Reichstagsmehrheit festgelegt habe; das Schwert dürfe nicht verderben, was die Feder gutgemacht habe. Die Wirkung der alldeutschen Agitation könne sein, daß man den Noten des Reichskanzlers jeden Wert abspreche und ihn der Zweideutigkeit beschuldige. Deshalb müsse der Reichskanzler in seinem Interesse und im Interesse des Reiches gegen diese Agitation einschreiten. Der Reichskanzler habe gesagt, daß er sich die Führung nicht aus der Hand nehmen lasse; jetzt möge und müsse er beweisen, daß er führen wolle und führen könne. Schon während der Rede des Abgeordneten Landsberg zeigte die Linke eine starke Erregung; mehrfach ertönten Rufe nach dem Reichskanzler. Während der Beantwortung der Interpellation durch den Kriegsminister von Stein wuchs die Erregung der Linken zu einem wahren Sturm an. General von Stein sprach in seiner kurzen, soldatischen, etwas barsch klingenden Art. Wiederholt wurde er minutenlang unterbrochen. Der Präsident mußte während seiner kurzen Darlegungen das Haus nicht weniger als achtmal zur Ruhe mahnen und zwei Ordnungsrufe an sozialdemokratische Zwischenrufer erteilen. Dabei sagte der Kriegsminister nichts, was auf eine normale Hörerschaft hätte herausfordernd wirken können. Aber der See raste wieder einmal. Den Höhepunkt erreichte die Szene, als der Kriegsminister von einem Flugblatt sprach, in dem selbst unsere toten Helden aus dem Deutsch-Französischen Kriege mit Schmutz beworfen würden. Als er über einen Zuruf, er solle das Flugblatt vorzeigen, mit Achselzucken hinwegging -- einfach weil er das Flugblatt im Augenblick nicht zur Hand hatte --, ertönten aus den sozialdemokratischen Reihen Rufe: »Er kneift! Er kneift!« Schon gegen Schluß der Rede des Abgeordneten Landsberg hatte ich dem Reichskanzler sagen lassen, daß die Notwendigkeit seines persönlichen Eintretens vorliege. Während der Rede des Kriegsministers ließ ich diese Mitteilung durch den Chef der Reichskanzlei wiederholen. Aber als der General von Stein unter allgemeinem Aufruhr seine kurzen Ausführungen beendet hatte, war weder der Reichskanzler erschienen noch der Chef der Reichskanzlei zurückgekommen. Ich hatte den Eindruck, daß es ganz unmöglich sei, in dieser Lage durch den Unterstaatssekretär Wallraf die vereinbarte Erklärung verlesen zu lassen. Wenn der Kanzler nicht kam, mußte sein Stellvertreter einspringen und den allerdings kaum aussichtsvollen Versuch machen, der Besinnung wieder zu ihrem Rechte zu verhelfen. Ich bat also an Stelle des bereits gemeldeten Herrn Wallraf ums Wort. Noch ehe ich anfing zu sprechen, wurde ich von der Linken mit lärmenden Zurufen und mit erneuten Rufen nach dem Reichskanzler begrüßt. Ich stellte in Kürze fest, daß der Reichskanzler mit dem Kriegsminister und allen militärischen Stellen darüber einig sei, daß die Politik nicht in die Armee hineingetragen werden dürfe; ich setzte aus gutem Grunde hinzu: »von keiner Seite, weder von rechts noch von links! Das unterstreiche ich mit allem Nachdruck.« Damit sei der Rahmen für den Aufklärungsdienst in der Armee gegeben; wo die Grenze überschritten werde, sei es Sache der vorgesetzten Stellen, einzuschreiten; daß dies geschehen solle, habe der Kriegsminister ausdrücklich und bestimmt zugesagt. Was die Beamten anlange, so wolle ich den Begründer der Interpellation nicht dahin verstehen, daß er beabsichtige, den Beamten die Freiheit der politischen Gesinnung und Betätigung abzusprechen; das würde ja auch im Widerspruch stehen zu den Traditionen seiner Partei. Den Beamten müsse es freistehen, innerhalb der Grenzen, die ihnen durch ihren Treueid, ihre Beamtenpflicht, ihren Takt und ihre Zugehörigkeit zu unserer staatsbürgerlichen Gemeinschaft gezogen seien, ihre politische Gesinnung zu betätigen. Eine weitere Grenze sei dieser Betätigung darin gezogen, daß kein Beamter seine amtliche Stellung durch Ausübung eines politischen Druckes auf die ihm unterstellten oder sonstwie von ihm abhängigen Personen mißbrauchen dürfe. Wo ein solcher Mißbrauch sich zeige, sei der Reichskanzler entschlossen, für Remedur zu sorgen. In dieser seiner Auffassung wisse sich der Reichskanzler einig auch mit den Bundesregierungen, speziell mit der preußischen Regierung. Zu der Stellung des Reichskanzlers gegenüber der Vaterlandspartei übergehend, lehnte ich es gemäß den Intentionen des Reichskanzlers ab, aus Anlaß der Interpellation in eine große politische Debatte über die Kriegsziele usw. einzutreten; zu dieser Debatte werde in der kommenden Woche in Gegenwart des Reichskanzlers Gelegenheit sein. Als ich am Schluß meiner fortgesetzt von Zwischenrufen unterbrochenen Ausführungen die Hoffnung aussprach, daß meine Erklärungen die Interpellanten beruhigen könnten, umtoste mich lärmender Widerspruch. Ich antwortete: »Meine Herren, wenn Sie in die Männer, die an der Spitze der Heeresverwaltung und an der Spitze der Reichsleitung stehen, nicht das Vertrauen haben, daß sie ihre Worte wahrmachen« -- abermals ertönten heftige »Nein!«-Rufe -- »dann hat es keinen Zweck, daß ich vor Ihnen Worte mache.« Ich hatte gegen meine Gewohnheit nicht von meinem Platz am Bundesratstische, sondern von der Tribüne aus gesprochen, wohin ich mich während der Rede des Kriegsministers begeben hatte, um in der herrschenden Unruhe besser verstehen zu können. Nachdem ich unter lebhaftem Beifall von rechts und lärmenden Zurufen von links geschlossen hatte, ging ich an meinen Platz zurück. Es wurde mir später nachgesagt, mein Abgang von der Tribüne sei mit einer Geste erfolgt, die an Götz von Berlichingen erinnert habe. Einer solchen Geste bin ich mir nicht bewußt; aber allerdings verließ ich die Tribüne stark degoutiert. Die Beschimpfungen des Kriegsministers, der als Heerführer in der Somme-Schlacht unter den schwierigsten Verhältnissen seinen Mann gestanden hatte und der als gerader und aufrechter Charakter auch gegenüber dem schärfsten politischen Gegner Anspruch auf persönliche Achtung hatte; die Unmöglichkeit einer sachlichen und ruhigen Behandlung innerer Fragen im Angesicht der äußeren Feinde und in einem Zeitpunkt, in dem draußen an der Flandernfront neue Kämpfe schwerster Art entbrannt waren; das wüste Schreien und Toben bei meinen in der Sache entgegenkommenden, in der Form ruhigen und in keiner Weise herausfordernden Ausführungen; die erbärmliche Heuchelei der linkssozialistischen Lärmmacher, die -- wie mir bekannt war -- in Heer und Flotte eine skrupellose Agitation betrieben und sich nun über die angebliche Förderung der alldeutschen Propaganda entrüsteten, -- das alles erfüllte mich mit Bitterkeit und Widerwillen. Der Vorfall wurde von den zahlreichen Gegnern, die ich auch außerhalb der Sozialdemokratie im Reichstag hatte, eifrig ausgenutzt; dazu kam, daß man die Diskussion in Gegenwart des Reichskanzlers zu Ende zu führen wünschte. Die Debatte über die Interpellation wurde deshalb nicht zu Ende geführt, sondern in verhältnismäßig früher Stunde vertagt. In der nächsten Sitzung am Montag, 8. Oktober, wurde der zur dritten Lesung anstehende Nachtragsetat, der die Teilung des Reichsamts des Innern und die Schaffung einer besonderen Stelle für mich als Stellvertreter des Reichskanzlers vorsah, an den Hauptausschuß zurückverwiesen. Man wollte sich dort darüber unterhalten, ob man nach dem Vorgefallenen die für mich bestimmte Stelle nun doch noch ablehnen sollte, und außerdem wollte man vor einer Fortsetzung der Interpellationsdebatte im Plenum weitere Mitteilungen vom Kriegsminister über den Aufklärungsdienst im Heer, vom Reichskanzler über seine Stellung zur alldeutschen Agitation. Die Aussprache in der Kommission verlief befriedigend. In meiner persönlichen Angelegenheit wurde anerkannt, daß sachlich an meiner Beantwortung der Interpellation kaum etwas auszustellen sei; aber es sei der Ton, der die Musik mache. Ich konnte meinerseits nur darauf hinweisen, daß in diesem Fall die von einem Teil des Reichstags gemachte Musik nicht ganz ohne Einfluß auf meinen Ton habe bleiben können. Der Nachtragsetat mit dem Vizekanzlerposten wurde schließlich vom Hauptausschuß erneut mit allen Stimmen gegen diejenigen der Sozialdemokraten angenommen. Der Weg für die Erledigung der Interpellation und des Nachtragsetats im Plenum schien auf das beste vorbereitet. Aber die Plenarverhandlung des folgenden Tages brachte einen neuen unerwarteten Zwischenfall, der für die Kanzlerschaft des Herrn Michaelis verhängnisvoll werden sollte. Zum Verständnis dieses Zwischenfalles muß ich vorausschicken, daß im Juli oder August unter den Mannschaften der Hochseeflotte eine Verschwörung entdeckt worden war, die darauf hinausging, in einem noch zu bestimmenden Augenblicke durch gemeinschaftliche Gehorsamsverweigerung die Flotte lahmzulegen und dadurch den Frieden zu erzwingen. Von den Rädelsführern wurden einige zum Tode verurteilt -- wenn ich mich recht erinnere, sechs, wovon drei begnadigt wurden; andere erhielten schwere Freiheitsstrafen. Die Untersuchung ergab, daß die Rädelsführer dieses Komplotts sämtlich Mitglieder der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei waren, und daß ihre Werbung für das Komplott Hand in Hand ging mit der Werbung für die Unabhängige Sozialdemokratie; daß ferner die Rädelsführer des Komplotts in persönliche Beziehungen zu führenden Mitgliedern der Unabhängigen Sozialdemokratie, insbesondere den Abgeordneten Haase, Dittmann und Vogtherr getreten waren und von diesen reichlich mit Agitationsmaterial versehen worden waren. Nicht schlüssig erwiesen war, daß die Rädelsführer des Marinekomplotts die genannten sozialistischen Abgeordneten auch in ihre aufrührerischen und landesverräterischen Pläne eingeweiht hatten und von diesen nicht nur für die Werbetätigkeit zugunsten der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei, sondern auch für jene verbrecherischen Pläne Aufmunterung und Unterstützung erhalten hatten. Der Reichsanwalt war infolgedessen zu der Ansicht gekommen, daß das Material zu einem strafrechtlichen Einschreiten gegen die drei Reichstagsabgeordneten nicht ausreiche. Der Reichskanzler hatte im Laufe des September Vertrauensleuten der Reichstagsfraktionen von den Vorkommnissen eingehende Mitteilungen gemacht und ihnen durch den Reichsanwalt die Akten vortragen lassen. Man war zu der Ansicht gekommen, daß vor allem Weiteren eine Vervollständigung der Untersuchung und bis zu deren Abschluß -- schon in Rücksicht auf das Ausland -- die strengste Geheimhaltung notwendig sei. Die Vervollständigung der Untersuchung stieß insofern auf große Schwierigkeiten, als die Todesurteile an den Haupträdelsführern, die mit den drei Abgeordneten in Verbindung getreten waren, bereits vollstreckt waren. Bis zu der Tagung des Reichstags im Oktober war neues belastendes Material jedenfalls nicht zutage gefördert worden. Für die Sitzung des Reichstags vom 9. Oktober war als erster Redner in der Fortsetzung der Interpellationsdebatte der Abgeordnete Dittmann vorgemerkt. Es war zu erwarten, daß er in der von ihm gewohnten scharfen Weise gegen das Hineintragen der alldeutschen Agitation in das Heer vorgehen werde, ohne sich dadurch beirren zu lassen, daß er selbst und seine Parteigenossen eine zum mindesten auf die Erschütterung der Disziplin und die Lähmung der Kampfeskraft gerichtete Agitation in die Marine hineingetragen hatten. Um hier vorzubeugen und zu warnen, hatte ich in meinen Ausführungen vom 6. Oktober ausdrücklich betont, daß die Politik von keiner Seite in die Armee hineingetragen werden dürfe, weder von rechts noch von links. Der Reichskanzler, der beabsichtigte, bei der Fortsetzung der Debatte seine in dem Hauptausschuß abgegebenen und dort als befriedigend anerkannten Erklärungen zu wiederholen, wollte nicht als erster das Wort ergreifen, sondern erst nach dem Abgeordneten Dittmann sprechen und diesem gegenüber den Standpunkt mit Nachdruck vertreten, daß der Abgeordnete Dittmann und seine Parteigenossen am allerwenigsten berechtigt seien, über politische Agitation im Heer Klage zu führen, und daß er, der Reichskanzler, am allerwenigsten eine politische Agitation in der bewaffneten Macht dulden werde, die auf eine Erschütterung des festen Gefüges und des guten Geistes von Heer und Flotte hinausgehe. Hätte der Kanzler sich darauf beschränkt, so wäre er sowohl von den Unabhängigen Sozialdemokraten wie auch von den übrigen Parteien, deren Führer ja über die Vorkommnisse in der Marine und die Rolle des Herrn Dittmann bei diesen Vorkommnissen unterrichtet waren, verstanden worden und der allgemeinen Zustimmung sicher gewesen. Der Kanzler ging jedoch über diese Linie hinaus. Dem Abgeordneten Dittmann, der in seiner Rede außer den erwarteten Maßlosigkeiten auch die Todesurteile und Zuchthausstrafen gegen Matrosen, die angeblich »wegen Bekundung ihrer politischen Gesinnung« gefällt worden seien, vorgebracht hatte, antwortete er, indem er einmal Mitteilungen des Staatssekretärs von Capelle ankündigte, die begründen sollten, daß Herr Dittmann der letzte sei, der über Agitation im Heer und in der Marine sprechen dürfe; dann, indem er erklärte, sein Wort, daß er allen Parteien mit voller Objektivität gegenüberstehen wolle, gelte nur mit der Einschränkung, sofern diese Parteien nicht staatsgefährdende Ziele verfolgten; die Partei der Unabhängigen Sozialdemokratie stehe für ihn »jenseits dieser Linie«. Nach dem Kanzler erhob sich der Staatssekretär von Capelle, um über die Vorkommnisse in der Marine zu sprechen. Er enthüllte die geplante Verschwörung und fügte hinzu: »Es ist eine Tatsache, daß diese Leute Beziehungen mit der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei angeknüpft haben. Es steht aktenmäßig fest, daß der Hauptagitator hier im Reichstag im Fraktionszimmer der Unabhängigen Sozialdemokraten den Abgeordneten Dittmann, Haase und Vogtherr seine Pläne vorgetragen und Billigung gefunden hat. Die Abgeordneten haben zwar auf das äußerst Gefährliche des Vorgehens hingewiesen und zur größten Vorsicht gemahnt, aber ihre volle Unterstützung durch Übermittlung von Agitationsmaterial zur Aufreizung der Flotte zugesagt.« Diese Erklärung mußte dahin verstanden werden, daß die Rädelsführer der Matrosenverschwörung den drei Abgeordneten ihren Plan der Lahmlegung der Flotte durch gemeinschaftliche Gehorsamsverweigerung mitgeteilt und für die Ausführung dieses Planes deren Billigung und Unterstützung erhalten hätten. Das war aber gerade der Punkt, für den auch jetzt noch ein schlüssiger Beweis nicht vorlag. Des Reichstags bemächtigte sich eine gewaltige Aufregung, die sich zunächst gegen die Unabhängigen Sozialdemokraten richtete, dann aber, als sich herausstellte, daß für den Hauptpunkt der schlüssige Beweis fehlte, gegen den Kanzler und den Staatssekretär des Reichsmarineamts. Die Erregung wurde dadurch verschärft, daß Herr Michaelis die von ihm im September über die Vorfälle in der Marine orientierten Parteien mit keinem Wort davon unterrichtet hatte, daß er im Gegensatz zu der damals mit ihnen vereinbarten Linie die Angelegenheit im Plenum des Reichstags vorbringen wolle. Es war wieder einmal eine unglückliche Improvisation. Der Kanzler hatte auch mir gegenüber, der ich noch unmittelbar vor der Sitzung mit ihm über die Entgegnung auf die zu erwartenden Dittmannschen Angriffe gesprochen hatte, kein Wort von einer Absicht gesagt, die Marineangelegenheit jetzt zu einem Vorstoß gegen die Unabhängigen Sozialdemokraten zu benutzen. Anderenfalls hätte ich ihm dringend abgeraten, die Angelegenheit in dieser Form und überhaupt ohne Vereinbarung mit den Parteien über eine gemeinschaftliche Stellungnahme im Reichstag zur Sprache zu bringen. Auf meine erstaunte Frage über den Anlaß zu diesem doch offenbar mit dem Staatssekretär des Reichsmarineamts verabredeten Vorstoß antwortete mir der Kanzler, auf dem Wege zu dem Sitzungssaale habe er Herrn von Capelle getroffen, der ihm gesagt habe, der Abgeordnete Dittmann werde die Verurteilungen in der Marine vorbringen, da müsse er doch klaren Wein einschenken; er habe sich damit einverstanden erklärt; seinerseits habe er es für richtig gehalten, in seiner Erwiderung auf die Dittmannsche Rede im voraus auf die Erklärungen des Herrn von Capelle hinzuweisen. Ich tat während des Fortgangs der Sitzung in Unterhaltungen mit Führern der bürgerlichen Parteien mein möglichstes, um diese davon abzuhalten, aus dem vorliegenden Anlaß einen neuen Sturm gegen den Reichskanzler zu inszenieren. Man mochte das Vorgehen des Reichskanzlers und des Staatssekretärs des Reichsmarineamts vom Standpunkt der Taktik, der Zweckmäßigkeit und der Rücksicht auf die Reichstagsparteien beurteilen wie man wollte, -- über die schweren Gefahren der Agitation der Unabhängigen Sozialdemokraten in der Marine und im Heer konnte sich kein politisch denkender Mensch einem Zweifel hingeben. Zudem sprach im vorliegenden Fall, wenn auch das letzte Glied in der Beweiskette fehlte, ein so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit mindestens für eine moralische Mitschuld der Unabhängigen Sozialdemokraten an der Marineverschwörung, daß es mir geradezu ungeheuerlich erschien, wenn jetzt ein großer Teil der bürgerlichen Parteien sich anschickte, die Unabhängigen Sozialdemokraten als die gekränkte Unschuld zu schützen und sich gegen den Reichskanzler und Herrn von Capelle zu wenden. Und doch ließ die Mehrheit des Reichstags auch diesen Anlaß, ihre politische Unreife zu zeigen, nicht vorübergehen. Den Reigen eröffnete namens des Zentrums Herr Trimborn, der es in noch verhältnismäßig milder Form als recht »bedenklich und nicht angängig« bezeichnete, die Partei der Unabhängigen Sozialdemokraten in ihrer Gesamtheit ohne weiteres mit den gegen die drei Abgeordneten erhobenen Beschuldigungen in Zusammenhang zu bringen; er sprach ferner die Erwartung aus, daß für diese Beschuldigungen hinreichend schlüssiges Material vorliege, das die Möglichkeit gebe, gegen die drei Abgeordneten wegen Hoch- und Landesverrats vorzugehen. Auch der Führer der Nationalliberalen, Dr. Stresemann, verlangte, daß gegen die drei Abgeordneten ein strafrechtliches Verfahren eingeleitet werde. Der Abgeordnete Naumann, der für die Fortschrittliche Volkspartei sprach, ging erheblich weiter. Er protestierte feierlich dagegen, »daß man aus einem nicht vollzogenen Verfahren hier entehrende Folgerungen gegen jemand zieht, der zur deutschen Reichs- und Volksvertretung gehört«, und daß ein Vorgehen einzelner, selbst wenn es bewiesen sei, auf eine ganze Partei ausgedehnt werde; er fügte hinzu: »Durch das, was der Herr Reichskanzler vorhin gesagt hat, sind wir alle genötigt worden, nun für diese Partei und ihre Existenz recht einzutreten.« Der Sprecher einer bürgerlichen Partei brachte es also zuwege, aus falsch verstandener Gerechtigkeit zu verlangen, daß der Reichstag, weil vom Regierungstisch eine Ungeschicklichkeit begangen worden war, für die Unabhängige Sozialdemokratische Partei eintreten müsse, deren Agitation in Heer und Flotte, wie die Marineverschwörung gezeigt hatte, zum mindesten den Boden bereitete für eine Bewegung, die uns mitten im Krieg wehrlos machen mußte. Vergeblich bemühte sich der Reichskanzler, der in jener Sitzung noch zweimal das Wort nahm, seine mißverständlichen und mißverstandenen Worte von der »außerhalb der Linie stehenden« Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei auf den ihnen zugedachten Sinn zurückzuführen; vergeblich hob er hervor, daß es sich bei der ganzen Debatte um die Frage der politischen Agitation in der bewaffneten Macht handele, und daß er angesichts des Nebeneinandergehens der Werbung für den Aufruhr und Kriegsverrat und der Werbung für die Unabhängige Sozialdemokratische Partei eine Agitation der Unabhängigen Sozialdemokraten in Heer und Flotte nicht dulden könne, -- es blieb dabei, daß die Reichstagsmehrheit den von der Regierungsbank gemachten taktischen Fehler weit übertrumpfte, indem sie, statt der Regierung beizuspringen, den Unabhängigen Sozialdemokraten als den zu Unrecht Angegriffenen Deckung gegen die Reichsregierung gewährte. Die, wenn auch der Mitwisserschaft und Mittäterschaft an dem Verbrechen des militärischen Aufruhrs und des Landesverrats nicht überführten, so doch immerhin schwer bloßgestellten und in ihrer Gefährlichkeit entlarvten Führer der Unabhängigen Sozialdemokratie standen dank des Versagens der bürgerlichen Mehrheitsparteien am Schluß jener verhängnisvollen Reichstagssitzung als die Triumphatoren da. Daß bei diesem Verhalten der bürgerlichen Mehrheitsparteien die Mehrheitssozialisten einen doppelten Eifer zeigten, für die gekränkte Unschuld ihrer feindlichen Brüder einzutreten, konnte nicht wundernehmen. Der Abgeordnete Ebert ging mit ungewöhnlicher Schärfe mit dem Reichskanzler ins Gericht. Es sei unerhört, ohne die Angeschuldigten vorher zu unterrichten, plötzlich mit so schweren Anklagen vor aller Öffentlichkeit im Parlament hervorzutreten. Nach dem vorgetragenen Material seien die erhobenen Anklagen nicht gerechtfertigt. Wenn die Heeresleitung selbst die Politik in das Heer hineintrage, dann dürfe sie sich nicht beschweren, wenn »andere Parteigruppen« ebenfalls im Heer Propaganda trieben. Der Reichskanzler habe mit seiner Erklärung der ganzen Sache die Krone aufgesetzt: er habe kurzerhand eine ganze Partei außerhalb des Rechts gestellt (wovon gar keine Rede war). Dies sei ein Rückfall in die Ausnahmegesetzgebung. Eine solche Erklärung habe nur von einer Regierung erfolgen können, die sich ihrer großen Verantwortung nicht bewußt und ihrer großen Aufgabe in keiner Weise gewachsen sei; »und ich spreche es weiter offen aus,« fügte er hinzu, »jeder Tag, der das deutsche Volk früher von dieser Regierung befreit, wird von uns begrüßt werden.« Das war eine Kampfansage in aller Form. Wer das Bestreben der bürgerlichen Mehrheitsparteien kannte, unter allen Umständen die geschlossene Front mit den Mehrheitssozialisten aufrechtzuerhalten, wer außerdem Bescheid wußte über die starken Kräfte, die in den bürgerlichen Mehrheitsparteien gegen die Kanzlerschaft des Herrn Michaelis am Werke waren, der konnte nicht im Zweifel sein, welche Stunde geschlagen hatte. Zwar wurde ein von den Sozialdemokraten beider Richtungen beantragtes Mißtrauensvotum gegen den Kanzler von den bürgerlichen Parteien abgelehnt, jedoch nur, weil man einen Kanzlersturz in offener Reichstagssitzung zu vermeiden wünschte; aber die bürgerlichen Mehrheitsparteien, einschließlich der Nationalliberalen, kamen überein, nach der unmittelbar bevorstehenden Vertagung des Reichstags Herrn Michaelis zu eröffnen, daß er nach ihrer Ansicht nicht Kanzler bleiben könne. Von Michaelis zu Graf Hertling Im November sollte der Reichstag zur Bewilligung eines neuen Kriegskredits abermals zusammentreten. Schon am 22. Oktober versammelte sich die interfraktionelle Kommission der Mehrheitsparteien, diesmal unter Hinzutritt der Nationalliberalen, um über die Kanzlerkrisis zu beraten. Am folgenden Tag besuchten die Vertreter der Mehrheitsparteien den Chef des Zivilkabinetts des Kaisers, Herrn von Valentini, um diesem ihre Auffassung über die Lage darzulegen. Der Rücktritt des Herrn Michaelis wurde dabei als etwas Unvermeidliches behandelt. Die Herren ließen Herrn von Valentini ein Schriftstück zurück, das folgendermaßen lautete: »Nach Rücksprache von Vertretern verschiedener Parteien des Reichstags mit dem Herrn Reichskanzler über die gesamte äußere und innere Lage sind wir gemeinschaftlich zu folgender Auffassung gelangt: Sollte Seine Majestät der Kaiser zu dem Entschlusse kommen, einen Kanzlerwechsel eintreten zu lassen, so dient es dem höchsten Staatsinteresse, für ruhige innerpolitische Entwicklung bis Kriegsende volle Gewähr zu schaffen. Nur hierdurch kann diejenige Geschlossenheit hergestellt werden, deren das Volk in Waffen und in der Heimat dringend bedarf. Der Weg zu diesem Ziel ist eine vertrauensvolle Verständigung über die äußere und innere Politik des Reiches bis zum Kriegsende. Die innerpolitischen Schwierigkeiten der letzten Monate sind auf den Mangel einer solchen Verständigung zurückzuführen. Seine Majestät den Kaiser bitten wir daher, vor der von ihm zu treffenden Entschließung die zur Leitung der Reichsgeschäfte in Aussicht genommene Persönlichkeit zu beauftragen, sich mit dem Reichstag zu besprechen.« In diesem Schriftstück wie in den mündlichen Unterhaltungen der Parteiführer mit Herrn von Valentini wurde der Versuch gemacht, die Personenfrage, die in dem Sinn der Verabschiedung des Herrn Michaelis ohne weiteres als entschieden angenommen wurde, gleichzeitig zu einer verfassungsrechtlichen Frage zu machen: Die Parteien wünschten bei der bevorstehenden Ernennung des neuen Reichskanzlers vor der Kaiserlichen Entscheidung mitsprechen zu dürfen, und zwar in Form einer Verhandlung mit dem neuen Reichskanzler über eine »vertrauensvolle Verständigung über die äußere und innere Politik des Reiches bis zum Kriegsende«. Dieser Wunsch war in die Form einer Bitte an den Kaiser gekleidet und trug so dem verfassungsmäßigen Rechte des Kaisers zur Ernennung des Reichskanzlers Rechnung. Auch sachlich war gegen den Wunsch, daß der neue Reichskanzler vor seiner endgültigen Ernennung mit den Parteien des Reichstags Fühlung nehmen möchte, nichts einzuwenden. Jeder, der in voller Kenntnis der Verhältnisse sich vor den Entschluß gestellt sah, die Leitung der Reichsgeschäfte zu übernehmen, mußte ohnedies aus sich heraus das Bedürfnis fühlen, vor seiner eigenen Entschließung über die Annahme des Kanzlerpostens sich darüber zu vergewissern, ob er mit dem Reichstag werde zusammenarbeiten können oder nicht. Immerhin wurde, wenn der Kaiser dem Wunsche der Führer der Mehrheitsparteien des Reichstags entsprechend die als neuen Reichskanzler in Aussicht genommene Persönlichkeit beauftragte, sich vor ihrer endgültigen Ernennung »mit dem Reichstag zu besprechen«, ein Vorgang geschaffen, der angesichts der großen Rolle, die Tradition und Übung im Verfassungsleben aller Völker spielen, künftighin als neues Recht in Anspruch genommen werden würde. Insofern war die Angelegenheit von nicht geringer Tragweite. Außerdem aber hatte der Kaiser sich erst noch zu entscheiden, ob er Herrn Michaelis, der noch kein Entlassungsgesuch eingereicht hatte und dazu auch keine Neigung zeigte, veranlassen wollte, um seinen Abschied zu bitten. Und auch diese letztere Frage lag keineswegs einfach. Es handelte sich nicht nur um die Eignung des Herrn Michaelis zur Führung der Reichsgeschäfte, sondern auch um die Frage, ob der Anlaß für die Verabschiedung des Herrn Michaelis ein geeigneter war. Ich vertrat gegenüber Herrn von Valentini, der mich am 24. Oktober besuchte, den Standpunkt, daß der Anlaß der denkbar ungeeignetste sei. Die »Krisis« war unmittelbar veranlaßt durch das Auftreten des Reichskanzlers gegen die in ihrer Gefährlichkeit gar nicht hoch genug einzuschätzende Agitation der Unabhängigen Sozialdemokraten in Heer und Flotte. Es war schon schlimm genug, daß die bürgerlichen Mehrheitsparteien, verstärkt durch die Nationalliberalen, zusammen mit den Mehrheitssozialisten in dieser Frage gegen den Reichskanzler Stellung genommen hatten; schon das war eine unverantwortliche Förderung dieser unsere nationale Existenz untergrabenden Wühlarbeit. Der Schaden mußte aber ins Unermeßliche gesteigert werden, wenn der Kaiser einen Kanzler in die Wüste schickte, weil dieser es gewagt hatte -- wenn auch in nicht ganz geschickter Form --, gegen diese Wühlarbeit aufzutreten. Bei aller Loyalität, die ich dem Reichskanzler schuldete, konnte ich Herrn von Valentini nicht verhehlen, was ich auch gegenüber dem Kanzler selbst offen ausgesprochen hatte, daß auf die Dauer Herr Michaelis als Kanzler nicht zu halten sein werde; aber ebenso bestimmt sprach ich mich dahin aus, daß Herr Michaelis nicht vor den Triumphwagen der Unabhängigen Sozialdemokraten gespannt werden dürfe. Bei einiger Besonnenheit auf seiten der Reichstagsparteien hätte sich ein erträglicher Ausweg finden lassen müssen. An der nötigen Besonnenheit aber fehlte es ganz und gar. Schon zwei Tage nach dem ersten Schritt der Mehrheitsparteien bei Herrn von Valentini erschien dort der Zentrumsabgeordnete Trimborn als Beauftragter der Mehrheitsparteien von neuem, um das Erstaunen auszusprechen, daß trotz der bei Herrn von Valentini erhobenen Vorstellungen behauptet werde, Herr Michaelis solle bleiben, und um zu fragen, ob und wann die Mehrheitsparteien überhaupt eine Antwort zu erwarten hätten. Herr von Valentini zeigte sich seinerseits erstaunt über das Drängen; nachdem man zwei Tage zuvor ausdrücklich betont habe, man wolle dem Kaiser die Freiheit der Entschließung lassen, müsse man ihm auch die Zeit für eine Entschließung gewähren. An dem Nachmittag desselben 25. Oktober besuchte mich der Abgeordnete Conrad Haußmann im Auftrag seiner in der interfraktionellen Besprechung vereinigten Kollegen, um folgende Anfragen an mich zu richten: 1. ob es richtig sei, daß ich mich dem Abgang des Herrn Michaelis widersetze, oder daß ich ihn jedenfalls noch bis zum Dezember halten wolle; 2. ob es richtig sei, daß ich einen Plan entworfen habe oder wenigstens befördere, der bezwecke, die Mehrheitssozialdemokraten aus Anlaß des nächsten Kriegskredits in die Opposition zu drängen und dann eine neue Mehrheit mit scharfer Frontstellung nach links zu bilden. Ich habe Herrn Haußmann, der diese Fragen sehr offiziell an mich richtete, zunächst privatim und persönlich -- ich stand mit ihm persönlich stets auf einem guten Fuß -- meine Meinung über den Takt und die Klugheit solcher Fragen gesagt und ihm dann offiziell erklärt: 1. daß ich es ablehnen müßte, als Stellvertreter des Reichskanzlers und Staatssekretär irgendwelche Erklärungen über meine Stellung zu dem Bleiben oder Gehen des Reichskanzlers abzugeben; 2. daß ich es stets als einen wesentlichen Erfolg der Politik des Herrn von Bethmann Hollweg angesehen hätte, daß es gelungen sei, die Massen der sozialdemokratischen Arbeiterschaft und ihre parlamentarische Vertretung in der vaterländischen Front zu halten; ich hoffte, daß dieses auch weiterhin möglich sein werde. Herr Haußmann gab sich die erdenklichste Mühe, mir die Unhaltbarkeit der Stellung des Herrn Michaelis und die unbedingte Einigkeit der Mehrheitsparteien und der Nationalliberalen in diesem Punkte klarzumachen. Als Reichskanzler empfahl er -- damals schon! -- in erster Reihe den Prinzen Max von Baden, an zweiter Stelle den Staatssekretär von Kühlmann. Gegen den Fürsten Bülow, für den von den Herren Erzberger und Stresemann starke Propaganda gemacht werde, seien der größte Teil des Zentrums, seine eigenen Parteifreunde und mit der größten Entschiedenheit die Sozialdemokraten. Herr Michaelis hielt unterdessen an der Hoffnung fest, daß es ihm gelingen werde, einen Umschwung in der Stimmung der Parteien herbeizuführen. Er rechnete dabei auf die Unterstützung sozialdemokratischer Gewerkschaftskreise, mit denen er glaubte in guter Fühlung zu stehen. Für Freitag, 26. Oktober, vormittag, wurden der Vizepräsident des Staatsministeriums von Breitenbach und ich zum Kaiser nach Potsdam zum Vortrag befohlen. Ich war auch jetzt noch entschlossen, dem Kaiser zu raten, Herrn Michaelis aus dem vorliegenden Anlaß nicht zu verabschieden, sich vielmehr Zeitpunkt und Umstände nach den Erfordernissen der äußeren und inneren Politik auszusuchen. Vor der Fahrt nach Potsdam besuchte ich den Reichskanzler, um diesen von der Tatsache, daß der Kaiser mich zum Vortrag befohlen habe, zu unterrichten. Ich fand Herrn Michaelis in seiner bisherigen Zuversichtlichkeit stark erschüttert. Dazu hatte beigetragen eine Zeitungsmeldung über eine Audienz des bayrischen Gesandten Grafen Lerchenfeld beim Kaiser, die in Wirklichkeit überhaupt nicht stattgefunden hatte. Herr Michaelis sagte mir, daß er kürzlich bei einer Unterredung mit dem Grafen Lerchenfeld den bestimmten Eindruck gehabt habe, daß auch dieser ihn für reif zum Abgang halte. Das war keine Täuschung; auch mir gegenüber hatte sich Graf Lerchenfeld sehr entschieden in diesem Sinne ausgesprochen. Herr Michaelis nahm an, daß Graf Lerchenfeld auch dem Kaiser in diesem Sinne vorgetragen haben werde. Vor allem aber war Herr Michaelis zu der Überzeugung von der Unhaltbarkeit seiner Stellung dadurch gekommen, daß seine Verhandlungen mit den Gewerkschaftlern sich zerschlagen hatten. Diese hatten ihm eine Liste von Forderungen präsentiert, die, wie Herr Michaelis mir sagte, außerordentlich weit gingen und auch, soweit sie an sich vielleicht annehmbar wären, nicht als Bedingung für das Verbleiben des Kanzlers aufgestellt werden dürften. Aus dieser Lage zog Herr Michaelis die Folgerung, indem er mich beauftragte, dem Kaiser den Vorschlag zu unterbreiten, daß der bayrische Ministerpräsident Graf Hertling zum Reichskanzler ernannt werden solle, während er, Herr Michaelis, als preußischer Ministerpräsident, wenigstens bis zur Erledigung der Wahlreform, auf seinem Posten bliebe. Ich hob gegenüber Herrn Michaelis die Bedenken der Trennung des Reichskanzleramtes und des preußischen Ministerpräsidiums hervor; aber ich konnte mich dem Argument nicht ganz verschließen, daß die Trennung als eine vorübergehende Ausnahmemaßregel, um den durch die Reichspolitik voll in Anspruch genommenen Kanzler von der Last der Durchbringung der preußischen Wahlreform zu befreien, schließlich hingenommen werden könne. Gegen den Grafen Hertling, der schon bei Bethmanns Abgang an erster Stelle in Betracht gezogen worden war, damals aber abgelehnt hatte, sprach sein hohes Alter. Für ihn sprach, daß er als Vorsitzender des Bundesratsausschusses für auswärtige Angelegenheiten in der auswärtigen Politik kein Neuling war; ferner daß er in den parlamentarischen Kreisen als alter und erfahrener Parlamentarier ein hohes Ansehen genoß und in dem Zentrum, der stärksten Partei des Reichstags, auf einen sicheren Rückhalt rechnen konnte, ein Umstand, der die dringend nötige Wiederkehr einigermaßen stabiler innerpolitischer Verhältnisse erhoffen ließ. Wenn Herr Michaelis als preußischer Ministerpräsident im Amte blieb, so war überdies der fatale Eindruck, als ob er den Unabhängigen Sozialdemokraten geopfert werde, wenigstens einigermaßen abgeschwächt. Der Kaiser erklärte sich nach einer Erörterung der inneren und äußeren Lage mit dieser Lösung einverstanden und beauftragte mich, Herrn Michaelis davon zu verständigen, während er Herrn von Valentini den Auftrag gab, durch den Grafen Lerchenfeld den Grafen Hertling alsbald nach Berlin bitten zu lassen. Graf Hertling kam am Sonntag, 28. Oktober, in Berlin an und hatte zunächst eine eingehende Aussprache mit Herrn Michaelis. Für den Nachmittag war er zum Kaiser befohlen. Ich sprach ihn vor der Audienz beim Grafen Lerchenfeld. Er war geneigt, den Kanzlerposten anzunehmen. Wegen der Fühlungnahme mit den Parteien riet ich ihm, sich beim Kaiser Bedenkzeit für seine endgültige Entschließung auszubitten und dann den Parteiführern zu sagen: Der Kaiser beabsichtigt, mich zum Reichskanzler zu ernennen; ich bin geneigt, anzunehmen, lege aber Wert darauf, mich vor meiner endgültigen Antwort an den Kaiser mit Ihnen über die Linien der zu verfolgenden Politik auszusprechen. Um dem Grafen Hertling keinen Zweifel daran zu lassen, daß ich nicht wünschte, ihm mit meiner Person irgendwie ein Hindernis zu sein, schrieb ich ihm den nachstehenden Brief, den er bei der Rückkehr von der Audienz beim Kaiser vorfand: Berlin, den 28. Oktober 1917. Euer Exzellenz bitte ich, in dem Augenblick, in dem Sie im Begriffe sind, sich über die Annahme des Reichskanzleramtes zu entscheiden, nachstehendes vortragen zu dürfen. Angesichts der schweren Euer Exzellenz bevorstehenden Aufgabe halte ich es für meine Pflicht, soweit es an mir liegt, jedes Hindernis, das einer gedeihlichen Wirksamkeit Eurer Exzellenz im Wege stehen könnte, beseitigen zu helfen. Meine Person in der Stellung als Stellvertreter des Reichskanzlers kann ein solches Hindernis sein. In den fast drei Jahren meiner Tätigkeit im Reichsdienst und namentlich in den siebzehn Monaten meiner Tätigkeit als Staatssekretär des Innern und allgemeiner Stellvertreter des Reichskanzlers habe ich mir in Parlament und Presse Gegnerschaften zugezogen, die bei meinem Verbleiben im Amte für Euer Exzellenz eine ebenso unerwünschte wie vermeidbare Belastung bilden können. Euer Exzellenz brauchen außerdem in der Auswahl Ihrer Mitarbeiter und namentlich Ihres ersten Mitarbeiters volle Bewegungsfreiheit. Ich stelle deshalb mein Amt Euer Exzellenz zur Verfügung und erkläre mich bereit, Seiner Majestät dem Kaiser mein Entlassungsgesuch einzureichen, sobald Euer Exzellenz sich überzeugt haben sollten, daß mein Ausscheiden im Interesse der Sache liegt und Euer Exzellenz die Bewältigung der neuen großen Aufgabe erleichtert. In der ausgezeichnetsten Hochachtung habe ich die Ehre zu sein Euer Exzellenz ergebenster Helfferich. Graf Hertling antwortete mir noch am gleichen Abend mit folgendem Schreiben: Berlin, 28. Oktober 1917. Euer Exzellenz hochgeschätztes Schreiben vom Heutigen habe ich zu erhalten die Ehre gehabt und beeile mich, Euer Exzellenz meinen herzlichsten Dank dafür auszusprechen. Die von Euer Exzellenz zum Ausdruck gebrachte Absicht, mir für den Fall der Übernahme des Reichskanzlerpostens die meiner harrenden Aufgaben in jeder Weise zu erleichtern, weiß ich im vollsten Maße aufs dankbarste zu würdigen. Wenn Euer Exzellenz dabei sogar an ein Ausscheiden aus Ihrer jetzigen Stellung denken, um dadurch etwaige Schwierigkeiten zu beheben, so möchte ich nicht säumen, Euer Exzellenz zu versichern, wie außerordentlich Wert ich darauf legen würde, die hervorragende Arbeitskraft Eurer Exzellenz nicht missen zu müssen oder sie jedoch für alle Fälle mir im Interesse des Reiches in irgendeiner Form erhalten zu wissen. In dem jetzigen Zeitpunkt, in dem die zur Entscheidung stehenden Fragen auch für mich noch vollkommen ungeklärt sind, bitte ich Euer Exzellenz nur nochmals, meinen alleraufrichtigsten Dank für die mir bezeugte wahrhaft freundschaftliche Gesinnung entgegenzunehmen. In der ausgezeichnetsten Hochachtung habe ich die Ehre zu sein Euer Exzellenz ergebenster Hertling. Ich sah den Grafen Hertling auf seinen Wunsch noch einmal an demselben Abend und wiederholte ihm nicht nur meine Bereitwilligkeit, sondern sprach ihm jetzt meinen dringenden Wunsch aus, von jeder amtlichen Stellung befreit zu werden. Sein Antwortschreiben hatte mich in dieser Absicht nur bestärkt. Er seinerseits ersuchte mich angelegentlich, keinen vorzeitigen Entschluß zu fassen und meine Geschäfte so weiterzuführen, als ob eine Änderung nicht in Betracht käme. Die Audienz beim Kaiser hatte den erwarteten Verlauf genommen. Insbesondere hatte Graf Hertling die Erlaubnis erhalten, sich vor seiner endgültigen Entscheidung mit den Parteiführern in Verbindung zu setzen. Die Unterhaltung mit den Parteiführern stieß zunächst auf die Schwierigkeit, daß die Vertreter der Mehrheitsparteien, trotz der von ihnen heraufbeschworenen Kanzlerkrisis, zum Teil von Berlin abwesend waren; vor allem war für das Zentrum nur der Abgeordnete Erzberger anwesend, dessen Verhältnis zu dem Grafen Hertling kein ungetrübtes war und der bisher offen für die Kandidatur des Fürsten Bülow eingetreten war. Die Nachteile der Trennung des Kanzlerpostens und des preußischen Ministerpräsidiums wurden in den Vordergrund geschoben. Am Dienstag, 30. Oktober, erklärte deshalb Graf Hertling Herrn von Valentini und mir, daß er seine Mission als gescheitert ansehe und am Abend nach München zurückreisen wolle. Die Berliner Abendblätter erklärten die Kandidatur Hertling auf Grund seiner Besprechungen mit den Parteiführern für erledigt. Graf Hertling ließ sich jedoch dazu bestimmen, zunächst noch die für den nächsten Tag in Aussicht genommene Unterredung mit dem Zentrumsführer Trimborn abzuwarten; außerdem übernahm es der Staatssekretär von Kühlmann im Einverständnis mit den Herren Michaelis und Graf Hertling, auf die Führer der Mehrheitsparteien einzuwirken. Herr Trimborn sagte dem Grafen Hertling die volle Unterstützung des Zentrums zu, sprach sich aber dabei mit Entschiedenheit gegen die Trennung des preußischen Ministerpräsidiums vom Amte des Reichskanzlers aus. Graf Hertling, der mir ursprünglich gesagt hatte, daß gerade die Entlastung von den Geschäften und Verantwortlichkeiten des preußischen Ministerpräsidiums ihm die Annahme des Reichskanzleramtes ermögliche, erklärte sich jetzt nach der Unterhaltung mit Herrn Trimborn bereit, Reichskanzler zu werden, wenn der Stein des Anstoßes beseitigt und ihm entsprechend den Wünschen der Mehrheitsparteien auch das preußische Ministerpräsidium übertragen werde. Sehr schweren Herzens entschloß sich der Kaiser, der angesichts der bevorstehenden Verfassungskämpfe in Preußen das Ministerpräsidium in preußische Hände zu legen wünschte, im Interesse einer glatten Erledigung der Kanzlerkrisis das Opfer seiner Überzeugung zu bringen und den Grafen Hertling auch als preußischen Ministerpräsidenten in Aussicht zu nehmen. Die Position des Grafen Hertling war nun sehr stark. Er hatte das Zentrum hinter sich, ohne das die »Mehrheitsparteien« keine Mehrheit mehr waren; Herrn Erzberger, der die Kandidatur Hertling nicht offen bekämpfen konnte und der zu den eifrigsten Vertretern der Unmöglichkeit der »Trennung der Gewalten« gehörte, war mit der Entschließung des Kaisers und Königs, dem Grafen Hertling auch das preußische Ministerpräsidium zu übertragen, der Wind aus den Segeln genommen. Den anderen Mehrheitsparteien hatte Graf Hertling die Erfüllung ihrer sachlichen Forderungen zugesagt, vor allem die alsbaldige Einbringung der preußischen Wahlrechtsvorlage, die Milderung der Handhabung des Belagerungszustandes in bezug auf Zensur und Beschränkungen der Versammlungsfreiheit, die Wiedereinbringung des vor einigen Jahren gescheiterten Arbeitskammergesetzes und die Aufhebung des den Gewerkschaften anstößigen § 153 der Gewerbeordnung; dazu in der äußeren Politik die Innehaltung der in der Antwortnote an den Papst festgesetzten Richtlinien. Am 1. November wurden mir die Allerhöchsten Orders über die Verabschiedung des Herrn Michaelis und die Ernennung des Grafen Hertling zum Reichskanzler zur Gegenzeichnung vorgelegt. Am gleichen Tage wurde die Ernennung des Grafen Hertling zum Präsidenten des Preußischen Staatsministeriums vollzogen. Die »Parlamentarisierung« Mit der Ernennung des Grafen Hertling war jedoch die Krisis nicht zu Ende. Denn nun präsentierten die Mehrheitsparteien, einschließlich der Nationalliberalen, mit großem Nachdruck ihre Forderungen auf »Parlamentarisierung« der Regierungen im Reich und in Preußen, indem sie sich auf Zusicherungen beriefen, die ihnen in den Verhandlungen über die Kandidatur des Grafen Hertling, insbesondere in den Besprechungen mit dem Staatssekretär von Kühlmann, gemacht worden seien. Herr von Kühlmann hatte allerdings am 30. Oktober den Auftrag erhalten, den Führern der Mehrheitsparteien die in der auswärtigen Politik liegenden Gründe für eine glatte und rasche Erledigung der Kanzlerkrisis und speziell für die Kanzlerschaft des Grafen Hertling klarzumachen. Er hatte keinerlei Auftrag, Fragen der inneren Politik und Fragen der Besetzung von Minister- und Staatssekretärsposten mit den Parteiführern zu besprechen. Es stellte sich heraus, daß Herr von Kühlmann sich gleichwohl in eine solche Erörterung eingelassen hatte, und zwar so weit, daß die Mehrheitsparteien behaupteten, von ihm bestimmte Zusicherungen empfangen zu haben. So beriefen sich die Nationalliberalen darauf, daß ihnen die Ernennung des preußischen Abgeordneten Dr. Friedberg zum Vizepräsidenten des Preußischen Staatsministeriums zugesagt worden sei, und die Sozialdemokraten wie die Fortschrittler wollten verstanden haben, daß der Wunsch, den Abgeordneten von Payer zum Vizekanzler ernannt zu sehen, auf keine Schwierigkeiten stoßen werde. Als mir das zu Ohren kam, bat ich erneut den Grafen Hertling, mein Abschiedsgesuch dem Kaiser zu unterbreiten, erhielt aber noch am 31. Oktober abends vom Grafen Hertling die Antwort, von meinem Rücktritt könne gar keine Rede sein; in seinen Verhandlungen mit den Parteiführern sei von meiner Person und einem Wechsel in dem Posten des Vizekanzlers überhaupt mit keinem Wort gesprochen worden. Auch der Kaiser ließ mich wissen, daß er fest auf mein Verbleiben in meinem Amt als Stellvertreter des Reichskanzlers rechne und nur in dieser Voraussetzung sich mit der Kombination Hertling einverstanden erklärt habe. In den folgenden Tagen beauftragte mich der nun zum Reichskanzler ernannte Graf Hertling mit der Leitung der Besprechungen über die östlichen Kriegsziele, die für den 2. und 3. November angesetzt waren und an denen außer den Chefs der sämtlichen Reichsämter und preußischen Ministerien auch der Generalfeldmarschall von Hindenburg und General Ludendorff teilnahmen. Die Besprechungen waren um so wichtiger, als für den 5. November Graf Czernin seinen Besuch angesagt hatte, um in erneute Verhandlungen über die polnische Frage, und zwar im Sinne der Angliederung Polens an die habsburgische Monarchie, einzutreten. Ebenso übertrug mir der Reichskanzler die Leitung der Besprechungen mit dem Grafen Czernin, die am 6. November im Beisein des Feldmarschalls von Hindenburg und des Generals Ludendorff stattfanden. Diese Verhandlungen führten zu keinem endgültigen Ergebnis. Zwar hatte der Kaiser in einem am Montag, 5. November, im Schloß Bellevue stattgehabten Kronrat unter gewissen Voraussetzungen, die sich auf Grenzregulierung und Sicherung unserer Wirtschafts- und Verkehrsinteressen in Polen bezogen, seine grundsätzliche Zustimmung zu der sogenannten austro-polnischen Lösung gegeben, in der Absicht, dadurch ernste Friktionen mit der Donaumonarchie zu vermeiden und Österreich-Ungarn für das herannahende letzte und schwerste Stadium des Krieges so fest wie möglich an uns zu binden. Aber über diese Voraussetzungen ließ sich in den Besprechungen mit dem Grafen Czernin, da dieser weder in den Fragen der militärischen Grenzsicherung noch in den Wirtschafts- und Verkehrsangelegenheiten eine endgültige Stellung nehmen konnte, eine Einigung nicht erzielen. Es wurden vielmehr weitere Verhandlungen unter Zuziehung auch der österreichisch-ungarischen militärischen Stellen und der Ministerpräsidenten der beiden Reichshälften ins Auge gefaßt. Unterdessen versteiften sich die Mehrheitsparteien immer mehr auf ihre Parlamentarisierungsforderungen. Schon am Sonntag, 4. November, teilte mir der Abgeordnete Haußmann mit, diese Wünsche, die auf Grund der Unterhaltungen mit Herrn von Kühlmann Gestalt angenommen hätten, müßten im Interesse eines ruhigen Zusammenarbeitens von Reichsleitung und Reichstag erfüllt werden. Die Fortschrittler hätten ursprünglich dem Verlangen nach Ministerposten kühl gegenübergestanden; als aber Dr. Friedberg nach Kühlmanns Erklärungen ernstlich als Vizepräsident des Preußischen Staatsministeriums in Betracht gekommen sei, und nachdem die Sozialdemokraten, für sich selbst auf einen Ministerposten verzichtend, den Fortschrittlern ihre Unterstützung für die Forderung nach einem preußischen Ministerposten und dem Posten des Vizekanzlers angeboten hätten, könne die Fortschrittliche Volkspartei nicht bei ihrer Zurückhaltung bleiben; seine Freunde wünschten aber, daß ich dem Reichsdienst erhalten bliebe, und ich müsse helfen, eine Lösung zu finden. Am Montag, 5. November, ermächtigte der Kaiser den Grafen Hertling, mit Herrn Dr. Friedberg wegen Übernahme des Vizepräsidiums des Preußischen Staatsministeriums in Verbindung zu treten. Am Abend des folgenden Tages teilte Graf Hertling in einer Besprechung, an der die meisten Staatssekretäre und preußischen Minister teilnahmen, mit, daß Herr Friedberg abgelehnt habe, und zwar weil ihm die inzwischen angemeldeten Ansprüche der Mehrheitsparteien zu weit zu gehen schienen und er sich nicht als Druckmittel für übertriebene Forderungen mißbrauchen lassen wolle. In dieser Besprechung erklärte ich dem Kanzler erneut, daß ich nichts sehnlicher wünschte als meinen Rücktritt; ich fügte aber hinzu, daß ich nicht daran dächte, ihn oder gar die Krone im Stich zu lassen; wenn man glaube, mich zu brauchen, stehe ich zur Verfügung; dann aber müßte ich für mich die ungeminderte Autorität meiner bisherigen Stellung als Vizekanzler beanspruchen. Einen Augenblick schien es so, als ob die Ablehnung des preußischen Ministerpräsidiums durch Herrn Friedberg und die scharf gegen links Front nehmende Begründung dieses Schrittes durch die »Nationalliberale Korrespondenz« ein Abrücken der Nationalliberalen von den Mehrheitsparteien zur Folge haben würde. Aber den Bemühungen einiger Parteifreunde des Herrn Friedberg, die unter allen Umständen die »Parlamentarisierung« herbeiführen wollten, gelang es, einen neuen Umschwung herbeizuführen. Am Tag nach seiner Ablehnung war Herr Friedberg bereit, das Vizepräsidium, falls die anderen schwebenden Fragen befriedigend erledigt würden, doch noch anzunehmen. Ich hatte am Nachmittag des gleichen Tages, des 7. November, abermals den Besuch des Abgeordneten Haußmann, der mir u. a. berichtete, daß in der interfraktionellen Kommission eine von ihm veranlaßte Erörterung über meine Person stattgefunden habe; dabei sei von allen Seiten, auch von den Sozialdemokraten, zum Ausdruck gebracht worden, daß keinerlei persönliche Animosität gegen mich vorliege, daß man meine Leistungen anerkenne und wünsche, daß ich auch unter der neuen Ordnung der Dinge an leitender Stelle im Reichsdienst bleibe. Da nun aber einmal Übereinstimmung darüber bestehe, daß Herr von Payer Vizekanzler werden müsse, sei man auf den Gedanken der Schaffung eines neuen Reichsamtes gekommen, dem die Bearbeitung der Angelegenheiten der besetzten Gebiete und der auf die Friedensverhandlungen bezüglichen Fragen zugewiesen werden solle. Dieses neue Reichsamt solle mir angeboten werden, und gleichzeitig sollte ich die Mitgliedschaft des Preußischen Staatsministeriums behalten. Die Mitglieder der interfraktionellen Kommission seien ausnahmslos mit diesem Vorschlage einverstanden gewesen, und der Vorschlag solle am Abend den vom Reichskanzler mit den weiteren Verhandlungen beauftragten Staatssekretären Graf Roedern und von Kühlmann überbracht werden. Ich antwortete Herrn Haußmann, daß mir das Einverständnis derjenigen Person zu fehlen scheine, auf die es doch in erster Linie ankomme, und das sei ich selbst. Ich sei bereit, zu gehen, wenn Kanzler und Kaiser mich gehen ließen; aber ich sei nicht bereit, ein anderes Amt zu übernehmen. Nach dem Besuch des Herrn Haußmann begab ich mich zum Grafen Hertling; ich bestand darauf, daß im Interesse der Sache wie auch meiner Person endlich in dem einen oder anderen Sinne Klarheit geschaffen werden müsse. Ich hätte nach wie vor in erster Linie den Wunsch, meinen Abschied zu erhalten; aber ich hätte keine Neigung, mich weiterhin in parlamentarischen Besprechungen und Verhandlungen zwischen meinen Kollegen und den Parteiführern als »corpus vile« behandeln und mich täglich dreimal in der Berliner Presse als lästigen Kleber hinstellen zu lassen. Ich könne mir auch nicht denken, daß die Autorität des Kanzlers und der Krone aus dieser Art der Behandlung der Besetzung wichtiger Reichs- und Staatsämter ohne starke Einbuße hervorgehen könne. Graf Hertling antwortete mir, er teile vollkommen meine Ansicht; es müsse unter allen Umständen jetzt Schluß gemacht werden; um sechs Uhr abends sollten die Staatssekretäre Graf Roedern und von Kühlmann die Parteiführer empfangen, aber lediglich, um sie anzuhören und ihnen für den nächsten Tag die endgültigen Entschließungen in Aussicht zu stellen. Ich möchte mich durch keine Zeitungsangriffe und Zwischenträgereien irremachen lassen; er wie der Kaiser rechneten unbedingt darauf, daß ich in meinem Amte ausharrte. Um sechs Uhr eröffneten die Vertreter der Mehrheitsparteien und der Nationalliberalen den Staatssekretären Graf Roedern und von Kühlmann, sie wünschten die Ernennung Friedbergs zum preußischen Vizepräsidenten und Payers zum Vizekanzler; beide Herren seien zur Übernahme dieser Posten bereit; die Besetzung eines preußischen Ministerpostens mit einem Fortschrittler sei einstweilen zurückgestellt, aber nicht aufgegeben; ich solle Staatssekretär für die besetzten Gebiete und die Friedensvorbereitungen werden. In diesen Forderungen seien Nationalliberale, Fortschrittler, Zentrum und Mehrheitssozialdemokraten solidarisch. Am Abend teilte mir Graf Roedern mit, der Kanzler habe ihn und Herrn von Kühlmann beauftragt, am nächsten Vormittag den Parteiführern folgende Lösung als endgültig mitzuteilen: Friedberg wird Vizepräsident des Preußischen Staatsministeriums; Helfferich bleibt Vizekanzler; von Payer wird Staatssekretär ohne Portefeuille mit der speziellen Aufgabe der Pflege der Beziehungen zwischen Reichsleitung und Parlament. Wenn die Fraktionsführer sich damit nicht befriedigt erklärten, so solle ihnen gesagt werden, daß der Kanzler die Wünsche des Parlaments nicht über die sachlichen Erwägungen stellen könne, die schließlich bei der Besetzung der wichtigsten Reichs- und Staatsämter ausschlaggebend bleiben müßten, und daß er unter den obwaltenden Umständen darauf verzichten müsse, jetzt überhaupt irgendwelche Personalveränderungen dem Kaiser und König vorzuschlagen. Graf Roedern schloß an diese Mitteilung die erneute dringende Bitte, ich möchte von der Einreichung eines Abschiedsgesuchs Abstand nehmen. Über Nacht jedoch besann sich Graf Hertling eines andern. Am nächsten Morgen ließ er mich zu sich bitten und sagte mir, es falle ihm furchtbar schwer, aber nach reiflicher Überlegung aller Umstände müsse er sich doch dazu entschließen, von meinem wiederholten Anerbieten, den Posten des Vizekanzlers freizugeben, Gebrauch zu machen. Er müsse, wenn wieder Ruhe einkehren solle, den Mehrheitsparteien das Zugeständnis machen, den Vizekanzlerposten an Herrn von Payer zu geben. Meine Person müsse aber dem Reiche erhalten bleiben, und er bitte mich deshalb, alle Bedenken und Empfindlichkeiten zurückzustellen und das neu zu schaffende Reichsamt für die besetzten Gebiete und die Friedensvorbereitungen zu übernehmen. Ich erklärte mich bereit zur sofortigen Einreichung meines Abschiedsgesuchs, das ich bisher nur auf den bestimmten Wunsch des Grafen Hertling zurückgehalten hatte, lehnte es aber ab, ein neues Amt zu übernehmen. Speziell die Vorbereitung der Friedensverhandlungen müsse angesichts des alle Ressorts umfassenden Arbeitsbereichs in den Händen des Kanzlers selbst oder des Vizekanzlers liegen; wenn ersterer durch seine anderen Geschäfte an der Wahrnehmung dieser Aufgabe verhindert sei und der Vizekanzler wegfalle oder aus anderen Gründen für die Vorbereitung der Friedensverhandlungen nicht in Betracht komme, so bliebe nach meiner Ansicht nur übrig, diese Aufgabe einer dem Auswärtigen Amt zu attachierenden Stelle zu übertragen. Als ich bei meiner bestimmten Ablehnung blieb, bat mich Graf Hertling, als Minister ohne Portefeuille Mitglied des Preußischen Staatsministeriums zu bleiben. Ich glaubte auch dieses Angebot ablehnen zu müssen, da eine Persönlichkeit, die weder ein preußisches Ressort noch ein Reichsamt vertritt, nach meiner Ansicht in dem Preußischen Staatsministerium nichts zu suchen und zu sagen habe. Außerdem aber gehe die jetzt vom Reichskanzler und Ministerpräsidenten ins Auge gefaßte Beendigung der über fast zwei Wochen hingeschleppten Verhandlungen so sehr gegen meine konstitutionelle Staatsauffassung, daß ich es ablehnen müsse, durch mein Verbleiben im Preußischen Staatsministerium eine Mitverantwortung für den Weg zu übernehmen, den die Krone geführt worden sei. Graf Hertling war etwas betroffen. Er bekannte, die Erledigung der Sache gehe auch gegen seine Staatsauffassung. Aber er sehe keinen anderen Weg als diesen, oder seinen Rücktritt mit der Konsequenz der Militärdiktatur. Deshalb glaube er, zu einem »sacrificio dell'intelletto« gezwungen zu sein. Er kam dann auf meine Person zurück und stellte die Form, in der ich bleiben wolle, ganz in meine freie Wahl. Ich bat erneut, mich rein und glatt gehen zu lassen. Er fragte, ob ich bereit sei, den Botschafterposten in Konstantinopel oder in Wien anzunehmen. Ich lehnte auch dieses ab mit dem Hinweis darauf, daß beide Posten besetzt seien und ich niemand verdrängen wolle. Ich könne nur wiederholen, daß, wie die Dinge sich entwickelt hätten, mein einziger Wunsch sei, ins Privatleben zurückzukehren; als freier Privatmann würde ich meinen Rat und meine Mitwirkung, wo sie verlangt würden, nicht versagen. Graf Hertling bat mich schließlich um die Ermächtigung, meinen an ihn gerichteten Brief vom 28. Oktober dem Kaiser vorlegen zu dürfen. Ich erklärte mich nicht nur damit einverstanden, sondern erklärte mich bereit, soviel an mir liege, den Kaiser von der Unhaltbarkeit meiner Stellung zu überzeugen. Eine halbe Stunde später hatte der Reichskanzler mein an den Kaiser gerichtetes Gesuch um Entlassung aus meinen Ämtern als Stellvertreter des Reichskanzlers und Mitglied des Preußischen Staatsministeriums in Händen. Dem Kaiser, der den Grafen Hertling am Nachmittag empfing, stellte dieser vor, daß er, falls Seine Majestät mein Gesuch um Enthebung von dem Amte des Vizekanzlers und die Berufung des Herrn von Payer auf diesen Posten ablehne, seine Mission als gescheitert ansehen und sein Amt als Reichskanzler niederlegen müsse. Graf Hertling hat mir später erzählt, der Kaiser habe erst, nachdem er von meinem Brief vom 28. Oktober Kenntnis genommen hatte, sich zu der Bewilligung meines Abschieds bereit gefunden. Der Kaiser teilte mir die Genehmigung meines Abschiedsgesuches in einem ungewöhnlich herzlichen Handschreiben mit, an dessen Schluß er die Erwartung ausdrückte, daß ich mich zur Erfüllung besonderer Aufgaben zu seiner Verfügung halten würde. Er hat mir diese Erwartung auch persönlich ausgesprochen mit dem ausdrücklichen Hinzufügen, daß er insbesondere für die Friedensverhandlungen auf meine Dienste rechne. Mit meiner Entlassung und der Ernennung des Herrn von Payer zu meinem Nachfolger als Stellvertreter des Reichskanzlers war die Krisis abgeschlossen. Der Übergang von dem sogenannten »konstitutionellen Regime« zum »parlamentarischen Regime« war in der Sache vollzogen. An der Spitze der Regierung des Reiches und Preußens stand als Reichskanzler und Ministerpräsident nunmehr ein Mann, der lange Jahre hindurch als Abgeordneter der Führer der Zentrumspartei gewesen war. Sein Vertreter im Reich war der anerkannte Führer der Fortschrittlichen Volkspartei und gleichzeitig der Mann des Vertrauens der Mehrheitssozialisten, die mehr noch als seine eigenen Parteigenossen auf seiner Ernennung zum Vizekanzler bestanden hatten. Vizepräsident des Preußischen Staatsministeriums war der nationalliberale Parteiführer Dr. Friedberg. Soweit das Reich in Betracht kam, stellte diese Kombination eine Vertretung der parlamentarischen Mehrheitsgruppierung dar, wie sie sich seit dem Beginn der Julikrisis entwickelt hatte. Für Preußen allerdings stand hinter dem »Kabinett Hertling« keine parlamentarische Mehrheit, zumal da weder die Nationalliberalen noch das Zentrum des Preußischen Abgeordnetenhauses geschlossen hinter dem wichtigsten Programmpunkte der neuen Regierung, dem gleichen Wahlrecht, standen. Die das parlamentarische System vertretenden Parteien gingen hier über das auf Grund des Dreiklassenwahlrechts gewählte Parlament zur Tagesordnung über und antizipierten die künftige, auf Grund des gleichen Wahlrechts zu wählende Volksvertretung, in der sie für sich die Mehrheit glaubten erwarten zu können. Ich weiß mich frei von persönlicher Empfindlichkeit und stehe nicht an zu bekennen, daß in den mehr als drei Kriegsjahren das alte »konstitutionelle Regime« versagt hatte. Mehr als jemals in Friedenszeiten war die Regierung in diesem Kriege, der vom deutschen Volke das Höchste und Letzte verlangte, auf die gutwillige und verständnisvolle Unterstützung durch die Volksvertretung angewiesen. In den ersten Kriegsjahren wurde ihr diese Unterstützung in dem Schwunge vaterländischer Begeisterung und in der Erkenntnis der Hochgefahr für Reich und Volk ohne Mäkeln und Markten gewährt. Aber allmählich wurde in der Empfindung des Volkes und seiner Vertretung das Außerordentliche zum Alltäglichen. Der erste Grundsatz des Burgfriedens, daß während des Krieges von keiner Seite eine Veränderung des innerpolitischen Status quo verlangt, geschweige denn erzwungen werden sollte, wurde preisgegeben, und damit wurde neben dem Krieg nach außen der Kampf im Innern entfesselt. Ein Kampf unter ungleichen Bedingungen. Denn in ihm waren diejenigen Volksteile und Parteien die stärkeren, die sich nicht scheuten, für die Durchsetzung ihrer Forderungen die Not- und Zwangslage auszunutzen, die der Krieg über das Reich verhängte. Die Sozialdemokratie war es, die -- treibend und getrieben -- hier voranging. Ihre Führer haben schon frühzeitig in dringlicher Form innerpolitische Forderungen präsentiert, sicherlich zum Teil in der guten und ehrlichen Absicht, die unter dem Druck des Krieges immer schwerer leidenden Massen gegenüber der gefährlichen Agitation der Unabhängigen Sozialdemokraten nicht nur bei der Partei, sondern auch bei der Sache des Vaterlandes festzuhalten. Die Fortschrittliche Volkspartei, das Zentrum und die Nationalliberalen folgten mehr oder minder zögernd, teils in der Überzeugung, daß nur eine Erweiterung der Volksrechte unser Volk moralisch zum Durchhalten befähigen könne, teils aber auch aus Parteikonkurrenz, vor allem aber aus dem Gesichtspunkt heraus, daß der Krieg verloren sei, wenn die Sozialdemokratie mit ihrer Gefolgschaft abschwenke und etwa die Kriegskredite verweigere. Mit dem Aufwerfen der innerpolitischen Streitfragen und dem Wiederaufleben des Parteikampfes hörte auch die reibungslose Unterstützung der Regierung durch den Reichstag auf. Die alte Übung der Friedenszeit trat wieder in Kraft, nach der die Reichstagsparteien in der Reichsleitung den natürlichen Gegner sahen, nach der jede Kritik und jeder Angriff gegen die Regierungsvertreter eine lobenswerte parlamentarische Tat war und der Abgeordnete es fast als eine Verlegenheit empfand, für die Regierung als »freiwilliger Regierungskommissar« eintreten zu müssen. Schon im Frieden ließ sich mit diesem System nur schwer regieren, im Krieg wurde es zur Unmöglichkeit. Eine Regierung, die den größten Krieg der Weltgeschichte zu führen hatte, durfte nicht durch Reibungen mit dem Parlament, oft der kleinlichsten Art, bis nahezu an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit in Anspruch genommen werden; sie durfte nicht fortgesetzt durch Angriffe aus der Volksvertretung heraus und von der an den Vorgängen in der Volksvertretung sich erregenden Presse und öffentlichen Meinung gegenüber dem Ausland in ihrer Autorität geschwächt werden. Beides aber trat mit der zunehmenden Dauer des Krieges in steigendem Maße ein. Es wurde mir mitunter als Unfreundlichkeit gegenüber dem Reichstag verdacht, wenn ich mir erlaubte, darauf aufmerksam zu machen, daß die Reichsleitung, und namentlich die Herren des wirtschaftlichen Reichsressorts, in diesem Kriege noch etwas anderes zu tun hätten, als tagaus tagein in meist recht fruchtlosen Verhandlungen im Reichstag und seinen Ausschüssen ihre Zeit zu verbringen. In Wirklichkeit ist durch die Zeit und Kraft, die der Reichstag mir und meinen Mitarbeitern überflüssigerweise entzogen hat, die wirtschaftliche Kriegführung immer empfindlicher geschädigt und beeinträchtigt worden. Und das gewohnheitsmäßige Betonen und Unterstreichen eines jeden Gegensatzes zur Reichsleitung, dazu der mit der Dauer des Krieges immer fühlbarer werdende Mangel an Selbstbeherrschung seitens großer Teile der Volksvertretung mußten dazu führen, im feindlichen Auslande nicht nur das Wort und die Handlungen unserer leitenden Staatsmänner zu entwerten, sondern auch das Bild unserer inneren Zerrüttung hervorzurufen und die Hoffnung zu erwecken, daß sich das deutsche Volk gegen seinen Kaiser, gegen seine Regierung und gegen eine angeblich herrschende Kaste werde ausspielen lassen. Wir haben dem Präsidenten Wilson sein gefährlichstes Stichwort selbst geliefert. Ich habe persönlich unter diesen Zuständen seit der Übernahme des Reichsamts des Innern auf das schwerste gelitten, zumal da für mich die Reibungen mit dem Parlament durch die im Verlauf dieser Darstellung angedeuteten Reibungen mit der Obersten Heeresleitung empfindlich verschärft wurden. Es war deshalb nicht eine Redensart, sondern mein bitterer Ernst, wenn ich schon gelegentlich der Verabschiedung des Herrn von Bethmann Hollweg den Kaiser bat, mir in Rücksicht auf die Gegnerschaften in Parlament und Presse, die ich mir zugezogen hatte, meine Entlassung zu gewähren, und wenn ich dem Grafen Hertling, als er zur Übernahme des Reichskanzleramtes nach Berlin berufen wurde, mündlich und schriftlich diese Gegnerschaft als eine für ihn ebenso unerwünschte wie vermeidbare Belastung bezeichnete. Es gab in der Tat nur zwei Wege: entweder den Konflikt mit der Mehrheit des Reichstags entschlossen aufzunehmen, oder den Versuch zu machen, durch die persönliche Zusammensetzung der Regierung ein möglichst reibungsloses Hand-in-Hand-Arbeiten von Reichsleitung und Volksvertretung zu sichern. Es mag sein, daß es überhaupt nicht zum Konflikt gekommen wäre, wenn es Kaiser und Kanzler ernstlich auf einen Konflikt hätten ankommen lassen. Aber das Wagnis eines ernstlichen Konfliktes in einem Krieg, in dem wir nicht nur auf die unbedingte Pflichterfüllung des Heeres, sondern auch auf die gutwillige Mitarbeit aller schaffenden Hände in der Heimat angewiesen waren, erschien zu groß. Man beschritt also den zweiten Weg. Von Anfang an habe ich auf das tiefste bedauert, daß sich die als notwendig erkannte Fortbildung unserer verfassungsmäßigen Zustände in Formen und unter Begleitumständen vollzogen hat, die unwürdig waren und die geradezu demoralisierend wirken mußten. Graf Hertlings Position war durch den Rückhalt, den er beim Zentrum hatte, stark genug, um die Möglichkeit zu haben, die Führung bei der parlamentarischen Ausgestaltung seiner Regierung in die eigene Hand zu nehmen. Er hatte es nicht nötig, sich und die Krone nach langem Hin und Her einfach dem Diktat der interfraktionellen Kommission zu unterwerfen. Aber zur eigenen Führung in schwierigen Lagen reichte die Kraft des alten Herrn offenbar nicht mehr aus. So wurde Entstehung, Verlauf und Ende dieser zweiten Kanzlerkrisis zu einer schweren Erschütterung der Staatsautorität, zu einer Ermutigung der radikalen, ja umstürzlerischen Elemente im eigenen Lande und zu einer neuen Hoffnung für unsere Feinde. Die Anfänge des Grafen Hertling Gleichwohl schien der Kanzlerschaft des Grafen Hertling in ihren Anfängen ein guter Stern zu leuchten. Innerpolitisch war nach der nahezu restlosen Befriedigung der sachlichen und persönlichen Wünsche der Mehrheitsparteien eine Beruhigung eingetreten. Als Graf Hertling am 29. November 1917 zum erstenmal als Reichskanzler im Reichstag erschien und sein mit den Mehrheitsparteien vereinbartes Programm entwickelte, da hörte er von allen Seiten freundliche Worte. Zwar betonte er, daß an den Grundlagen der Reichsverfassung, die recht eigentlich aus dem historisch gewordenen Charakter des deutschen Volkes und seiner verschiedenen Stämme hervorgewachsen sei, nichts geändert werden könne und solle. Aber man nahm seine Handlungen für gewichtiger als seine Worte. Zwar beachtete er in der Form die Grenzen der Kompetenz von Reich und Einzelstaaten so genau, daß er die preußische Wahlreform, die nach wie vor im Brennpunkte des innerpolitischen Interesses stand, überhaupt nicht beim Namen nannte, sondern vorsichtig umschrieb: »Sie alle wissen, in welch großzügiger Weise in dem mächtigsten deutschen Bundesstaat die Initiative zu einer weitgreifenden Reform von der höchsten Stelle aus ergriffen worden ist; ich habe jetzt und hier über diesen Gegenstand weiter nichts zu sagen.« Die Linksparteien konnten diese formelle Korrektheit hinnehmen; denn inzwischen hatten sie auf Grund der ihnen in den Verhandlungen über die Hertlingsche Kanzlerschaft gegebenen Zusagen den Erfolg erreicht, daß dem Preußischen Landtag das Gesetz über die Wahlreform zugegangen war. Aber nicht nur bei den Sprechern der Mehrheitsparteien fand Graf Hertling ein freundliches Willkommen, sondern auch der Wortführer der Konservativen, Graf Westarp, gab, bei allen Vorbehalten gegenüber den Vorgängen bei der Ernennung des Grafen Hertling, namens seiner politischen Freunde »der uneingeschränkten Wertschätzung für die Person des jetzigen Reichskanzlers« Ausdruck. Auffallend und bezeichnend war die Haltung der Mehrheitssozialdemokraten. Sie hatten am stärksten auf die »Parlamentarisierung« der Regierung gedrückt und, wenn sie auch für sich selbst auf eine Vertretung in der neuen Regierung verzichteten, darauf bestanden, daß Herr von Payer als Vertrauensmann der Mehrheitsparteien zum Vizekanzler ernannt wurde. Schon der Verzicht auf den Eintritt eines ihrer Führer in die neue Regierung hatte klar gezeigt, daß die Sozialdemokratie zwar einen entscheidenden Einfluß ausüben, jedoch keine Verantwortung für die neue Regierung mitübernehmen und sich für alles Weitere die Hände frei halten wollte. Wer das nicht begriffen hatte, dem wurde es jetzt durch die Rede des Herrn Scheidemann klar vor Augen geführt. Herr Scheidemann war so gütig, die neue Regierung als einen »Fortschritt« zu bezeichnen, mit dem Zusatz: »vorausgesetzt, daß sie ihr Programm hält«. Daß die neue Regierung die erste in der Hauptsache parlamentarische Regierung sei, das sei für die Sozialdemokratie ein Grund gewesen, ihr Zustandekommen zu fördern. Er fügte jedoch hinzu: »Es wäre aber sehr inkonsequent, wenn wir sagen würden, diese Regierung unterstützen wir, mit ihr gehen wir durch dick und dünn, weil sie in der Hauptsache eine parlamentarische Regierung ist. Gerade im Wesen des parlamentarischen Systems liegt es, daß eine Regierung in erster Linie aus den Parteien unterstützt wird, aus denen sie gebildet worden ist, und erst in zweiter Linie vielleicht auch von solchen Parteien, die an dem Fortbestand einer solchen Regierung ein sachliches Interesse haben, weil das Regierungsprogramm bis zu einem gewissen Grade mit ihren eigenen Wünschen und Auffassungen übereinstimmt.« Die Sozialdemokratie habe nicht die Absicht, der neuen Regierung Opposition um jeden Preis zu machen; sollten sich aber unüberbrückbare Meinungsverschiedenheiten herausstellen, so werde sie die Regierung entschieden bekämpfen müssen. »Wir wollen diesen Kampf gewiß nicht unnötigerweise suchen, und wenn die Politik der Regierung sich so gestaltet, daß wir ihn vermeiden können, dann wird das für unser Land zweifellos das Beste sein.« Die Sozialdemokratie, die den stärksten Druck auf die Umbildung der Regierung und den Übergang zum parlamentarischen System ausgeübt hatte, behielt sich also ihre Stellung zu der neuen, nach ihren Wünschen gebildeten parlamentarischen Regierung vor. Bei den Forderungen hatte sie sich den Mehrheitsparteien, die ohne sie überhaupt keine Mehrheit darstellten, zugezählt; bei der Übernahme von Verpflichtungen stellte sie sich außerhalb der Mehrheitsparteien. Das war der hippokratische Zug, der dem neuen parlamentarischen Regime von Anfang an aufs Gesicht geschrieben war. * * * * * Militärisch erhielt die Lage zur Zeit der zweiten Kanzlerkrisis und der ersten Wochen der Hertlingschen Kanzlerschaft ihr Gepräge durch die von uns und unserem österreichisch-ungarischen Bundesgenossen vereint durchgeführte glänzende Offensive an der italienischen Front. Am 24. Oktober hatte der Angriff an der Isonzofront begonnen. In wenigen Tagen waren den Italienern wieder alle Vorteile entrissen, die sie in zweiundeinhalb Kriegsjahren und in den elf blutigen Isonzoschlachten errungen hatten. Es folgte der Einbruch unserer Truppen in die italienische Ebene. Am 30. Oktober fiel Udine, am 5. November wurde der Tagliamento überschritten. Wenige Tage später standen unsere Truppen am Piave. Die italienische Armee war auf das schwerste erschüttert und durch große Verluste an Menschen und Material geschwächt. Italien mußte sich an seine Verbündeten um Hilfe wenden. Im Westen boten Engländer, Franzosen und ihre Hilfsvölker alle Kraft auf, um den Krieg vor dem Winter zur Entscheidung zu bringen. Aber die gewaltigen Vorstöße in Flandern, am Chemin des Dames und vor Verdun kamen über örtliche Erfolge nicht hinaus und liefen sich im Laufe des November tot. Die nicht unwesentlichen Vorteile, die gegen Ende November die Engländer in einem überraschend angesetzten, mit zahlreichen Tanks arbeitenden Angriff bei Cambrai errangen, wurden ihnen durch einen mächtigen deutschen Gegenstoß wieder entrissen. Als der Winter kam, hatte sich überall im Westen der gewaltige Anprall der feindlichen Massen und Maschinen unter den schwersten Verlusten an dem elastischen System unserer Verteidigung gebrochen. Wie unsere Oberste Heeresleitung die Lage im Westen beurteilte, ergab sich für mich aus einer Äußerung, die General Ludendorff, als ich im Laufe der zweiten Novemberhälfte das Große Hauptquartier besuchte, mir gegenüber tat. Er bezeichnete es als möglich, daß der Augenblick kommen werde, wo wir an der Westfront aus der Verteidigung zum Angriff übergehen und dadurch vielleicht die Entscheidung des Krieges herbeiführen könnten. In Frankreich äußerte sich die Erregung über die italienische Niederlage und die Erfolglosigkeit der gewaltigen eigenen Anstrengungen und Opfer in einer neuen Ministerkrisis, die an Stelle des Herrn Painlevé Herrn Clemenceau ans Ruder brachte. Bei der bekannten Stellung Clemenceaus zu den Kriegs- und Friedensfragen mußte man in diesem Wechsel den Ausdruck des zum Äußersten entschlossenen Willens der Franzosen sehen, den Krieg ohne Rücksicht auf Opfer und Gefahren mit allen Mitteln bis zum Äußersten durchzukämpfen. Ausgesprochen ungünstig war die Entwicklung der Dinge bei unserem türkischen Bundesgenossen, namentlich an der sogenannten »Sinaifront«. Noch im Frühjahr 1917 hatten die Türken starke englische Angriffe bei Gaza, an der Grenze zwischen der Halbinsel Sinai und Palästina, siegreich zurückgeschlagen. Jetzt, mit Beginn der günstigen Jahreszeit, griffen die Engländer nach großen Vorbereitungen erneut an. Schon Anfang November mußte die Sinaifront zurückgenommen werden. Die Engländer drängten scharf nach. Am 10. Dezember 1917 besetzten sie das von den Türken aufgegebene Jerusalem. Das wichtigste Ereignis jener Zeit spielte sich jedoch in Rußland ab. Dort war in den ersten Novembertagen die zweite Revolution, die Revolution der Bolschewisten, ausgebrochen. Am 8. November war Kerenski gestürzt und geflohen; der Kongreß der Arbeiter- und Soldatenräte konnte von Petersburg aus verkünden, daß er alle Gewalt in seine Hand genommen habe. Am Tage darauf veröffentlichte die neue Regierung ihr Programm, an dessen Spitze die sofortige Herbeiführung eines Waffenstillstands an allen Fronten und der Abschluß eines »demokratischen Friedens« stand. Die folgenden Wochen waren mit inneren Kämpfen ausgefüllt, in denen sich die Bolschewikiregierung mit Lenin als Präsident und Trotzki als Volkskommissar für die auswärtigen Angelegenheiten behauptete. Am 23. November teilte Trotzki den russischen Botschaftern telegraphisch, gleichzeitig mit der Konstituierung des »Rates der Volksbeauftragten« als der neuen Regierung, den Vorschlag mit, daß alle kriegführenden Völker sofort einen Waffenstillstand schließen und in Friedensverhandlungen eintreten möchten; als Grundlage für die Verhandlungen wurde bezeichnet die Unabhängigkeit der Völker und ihr Recht, ihre Entwicklung selbst zu bestimmen, sowie der Ausschluß von Annexionen und Kontributionen. An demselben Tage begann die neue russische Regierung die Geheimverträge zwischen Rußland und seinen Verbündeten zu veröffentlichen zugleich mit der Erklärung, daß diese Verträge für das russische Volk unverbindlich seien. Das war ein deutlicher Beweis der Entschlossenheit der neuen russischen Regierung, den Weg zum Frieden nötigenfalls ohne Rücksicht auf die Ententegenossen zu gehen. Am 29. November konnte Graf Hertling in seiner Antrittsrede dem Reichstag mitteilen: »Die russische Regierung hat gestern von Zarskoje-Selo aus ein von dem Volkskommissar für auswärtige Angelegenheiten, Herrn Trotzki, und dem Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare, Herrn Lenin, unterzeichnetes Funkentelegramm an die Regierungen und Völker der kriegführenden Länder gerichtet, worin sie vorschlägt, zu einem nahen Termin in Verhandlungen über einen Waffenstillstand und einen allgemeinen Frieden einzutreten. Ich stehe nicht an zu erklären, daß in den bisher bekannt gewordenen Vorschlägen der russischen Regierung diskutable Grundlagen für die Aufnahme von Verhandlungen erblickt werden können, und daß ich bereit bin, in solche einzutreten, sobald die russische Regierung hierzu bevollmächtigte Vertreter entsendet. Ich hoffe und wünsche, daß diese Bestrebungen bald festere Gestalt annehmen und uns den Frieden bringen werden.« Der Ost-Friede In jenen Novembertagen des Jahres 1917, in denen die Frieden heischenden Funksprüche der neuen Männer Rußlands in die Welt hinausgingen, schien sich endlich die Hoffnung zu erfüllen, die acht Monate zuvor mit dem Ausbruch der russischen Revolution aufgedämmert war: die Hoffnung auf das Zurückebben der blutigen Hochflut des Krieges. Damals war diese Hoffnung gescheitert. Das Rußland der Miljukow und Kerenski vermochte sich ebenso wenig von den Ideen des panslawistischen Imperialismus zu trennen, wie sich von der Furcht vor dem deutschen Imperialismus zu befreien und sich aus der Gebundenheit an die Entente zu lösen. Der Krieg nach Osten ging weiter, und der Eintritt der Vereinigten Staaten in den Krieg, der kurz auf den Ausbruch der russischen Revolution folgte, kündigte die größte Ausdehnung und höchste Steigerung des Völkerringens an. Jetzt aber sprachen alle Zeichen dafür, daß die Rückbildung des Krieges Ernst werden solle, daß zum erstenmal eine der ganz großen Mächte, dazu die Macht, die damals im Juli 1914 die Brandfackel in das Haus der Völker geschleudert hatte, die Waffen niederlegen werde. Alle Nachrichten von der russischen Front und aus dem Inneren Rußlands stimmten dahin überein, daß des russischen Volkes Kraft und Wille zum Krieg endgültig gebrochen sei, und daß nur eine Regierung sich werde halten und durchsetzen können, die dem russischen Volke den Frieden bringe. Endlich wurde die Aussicht auf die Sprengung des feindlichen Ringes, die Aussicht auf die Befreiung von dem ungeheuren russischen Druck und auf die Beendigung des »Zweifrontenkrieges« in greifbare Nähe gerückt. Und mehr als das! Nach dem furchtbaren Schlage, den unsere und unseres österreichisch-ungarischen Verbündeten Herbstoffensive dem italienischen Heere in Venetien versetzt hatte, war für uns auch an der Südfront die seit zweieinhalb Jahren drohende Gefahr abgewendet und freiere Hand gewonnen. Zum erstenmal seit Kriegsausbruch zeigte sich für uns die Möglichkeit, unsere Kraft im wesentlichen auf dem für das Schicksal des Krieges entscheidenden westlichen Kriegsschauplatz zu konzentrieren, wo uns fast die gesamte Macht der Franzosen und Briten mit ihren Hilfsvölkern gegenüberstand und wo wir das Eingreifen der Amerikaner zu erwarten hatten. Dazu versprach der Friede im Osten endgültig die Hungerblockade zu brechen, die immer schwerer auf unserem Volke lastete und unsere Kraft zum Kämpfen und Durchhalten empfindlich zu schwächen drohte. Diese Möglichkeiten mußten nicht nur unsere Aussichten für einen militärischen Endkampf erheblich verbessern; sie erschienen auch geeignet, unsere westlichen Feinde zum Nachdenken zu veranlassen und ihnen das Betreten des Weges einer billigen Verständigung nahezulegen. Der gute Geist unseres Volkes und der Menschheit schien den Weg zu weisen, der aus dem völkerzermalmenden Elend des Krieges herausführte. Der Waffenstillstand von Brest-Litowsk In dem Funkspruch der neuen russischen Regierung vom 28. November 1917 hieß es: »Der Friede, den wir beantragt haben, soll ein Völkerfriede sein, er soll ein Ehrenfriede des Einverständnisses sein, der einem jeden Volke die Freiheit der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung sichert... Wir haben die Geheimverträge des Zaren und der Bourgeoisie mit den Verbündeten veröffentlicht und diese Verträge für unverbindlich für das russische Volk erklärt. Wir beantragen, mit allen Völkern öffentlich einen neuen Vertrag auf der Grundlage des Einverständnisses und der Zusammenarbeit zu schließen. Unseren Antrag haben die offiziellen und offiziösen Vertreter der regierenden Klassen der verbündeten Länder mit der Weigerung beantwortet, die Räteregierung anzuerkennen und sich mit ihr ins Einvernehmen über die Friedensverhandlungen zu setzen. Die Regierung der siegreichen Revolution entbehrt die Anerkennung der professionellen Diplomatie; aber wir fragen die Völker, ob die reaktionäre Diplomatie ihre Gedanken und Bestrebungen zum Ausdruck bringt, ob die Völker ihrer Diplomatie erlauben, die große Friedensmöglichkeit, die durch die russische Revolution eröffnet wurde, fallen zu lassen.« Hierauf antwortete die österreichisch-ungarische Regierung am 29. November mit einem Telegramm, in dem sie die von der russischen Regierung bekanntgegebenen Richtlinien für den abzuschließenden Waffenstillstand und Friedensvertrag als geeignete Grundlagen für die Einleitung von Verhandlungen bezeichnete und sich bereit erklärte, in Verhandlungen über einen sofortigen Waffenstillstand und allgemeinen Frieden einzutreten. Die deutsche Regierung ließ die am gleichen Tage vom Reichskanzler im Reichstag abgegebene Erklärung gleichen Sinnes durch Funkspruch verbreiten. Bereits am 3. Dezember begannen in Brest-Litowsk, dem Hauptquartier des Oberbefehlshabers-Ost, des Prinzen Leopold von Bayern, die Verhandlungen zwischen Vertretern der Mächte des Vierbundes und der russischen Sowjetrepublik. Die russische Delegation versuchte zunächst, eine Diskussion über einen allgemeinen Frieden und einen Waffenstillstand an allen Fronten herbeizuführen. Da die Verbündeten Rußlands überhaupt nicht vertreten waren, konnte eine solche Diskussion kein praktisches Ergebnis haben. Die Delegationen des Vierbundes, deren Vollmachten nur auf den Abschluß eines Waffenstillstandes mit Rußland lauteten, bestanden deshalb auf dieser Beschränkung des Verhandlungsgebietes, die allein Erfolg versprach. Die russische Delegation fügte sich widerstrebend. Schon jene erste Besprechung ließ den Verdacht aufkommen, daß es den Russen mindestens ebenso sehr auf eine Propaganda für ihre revolutionäre Weltanschauung wie auf die Erzielung eines unmittelbar praktischen Ergebnisses im Sinne des Friedens ankam. Sie behielten sich das Recht vor, die Verhandlungsprotokolle unverkürzt zu veröffentlichen. Von diesem Recht haben sie den ausgiebigsten Gebrauch gemacht und ihre Ausführungen bei den Verhandlungen von vornherein weniger auf den unmittelbaren Verhandlungszweck als auf die propagandistische Wirkung zugeschnitten. In der Frage des Waffenstillstands selbst stellten die Russen zunächst übertriebene Bedingungen. Vor allem verlangten sie die Erstreckung des Waffenstillstands auf sechs Monate, womit ihnen jedes Interesse an dem baldigen Abschluß eines endgültigen Friedens genommen gewesen wäre. Außerdem forderten sie die Räumung der Inseln des Rigaischen Meerbusens durch unsere Truppen. Als sie mit diesen Forderungen bei unseren Verhändlern auf unüberwindlichen Widerstand stießen, begnügten sie sich zunächst mit dem Abschluß einer »Waffenruhe«, die vom 7. bis zum 17. Dezember laufen sollte, und reisten zur Einholung weiterer Instruktionen nach Petersburg zurück. Auch an der rumänischen Front wurde Waffenruhe vereinbart. Die Verhandlungspause wurde von der russischen Regierung ausgiebig benutzt, um im Weg der Funkspruchpropaganda die Arbeiter und Soldaten der kriegführenden Mächte zu bearbeiten. In einem Funkspruch »An Alle« vom 12. Dezember 1917 führte sie aus: Die Verantwortung für den Sondercharakter des Waffenstillstands treffe die Regierungen, die sich weigerten, sich an den Verhandlungen zu beteiligen. Der Friede dürfe keine gewaltsamen Annexionen bringen. Alle Völker, die sich unterdrückt fühlten, müßten die Möglichkeit erhalten, in freier Volksabstimmung über ihr ferneres Schicksal Bestimmung zu treffen. Dieser Grundsatz müsse auf die Gebiete aller kriegführenden Staaten ausgedehnt werden, sowohl auf die Mutterländer wie auch auf die Kolonien. Die Gebiete, die besonders schwer unter dem Krieg gelitten hätten, müßten aus einem internationalen Fonds entschädigt werden, der von den kapitalistischen Klassen der kriegführenden Länder aufzubringen sei. Die arbeitenden Klassen der mit Rußland verbündeten Länder seien jetzt durch die Geschichte berufen, ihre ganze Kraft in die Wagschale zu werfen, um ihre Teilnahme an den Friedensverhandlungen zu sichern. Eine nicht minder hohe Pflicht des Proletariats Deutschlands, Österreich-Ungarns, Bulgariens und der Türkei sei die Schaffung solcher Bedingungen, welche die tatsächliche Anerkennung der Grundlagen des demokratischen Friedens durch die Vertreter dieser Länder sicherten. Jetzt habe die Stunde geschlagen, in der die Völker selbst den Vertrag unterzeichnen sollten, der auf allgemeiner Zusammenarbeit und gegenseitiger Achtung begründet sei. Für die sozialistischen Parteien sei die Stunde gekommen, den vor siebzig Jahren verkündeten großen Ruf zu verwirklichen: Proletarier aller Länder, vereinigt euch! Am 13. Dezember wurden in Brest-Litowsk die Waffenstillstandsverhandlungen wieder aufgenommen. Die Russen kamen auf die Räumung der Rigaischen Inseln nicht mehr zurück. Hinsichtlich der Friedensfrage teilten sie lediglich mit, daß ihre Regierung wünsche, sofort nach Unterzeichnung des Waffenstillstandes in Friedensverhandlungen einzutreten, was sich mit unseren eigenen Wünschen durchaus deckte. In der Frage der Truppenverschiebungen während des Waffenstillstands, die bei den ersten Verhandlungen einige Schwierigkeiten gemacht hatte, wurde die Formel vereinbart, daß keine operativen Truppenverschiebungen stattfinden sollten, es sei denn, daß diese Verschiebungen im Augenblick der Unterzeichnung des Waffenstillstands bereits eingeleitet seien. In der Nacht vom 16. zum 17. Dezember wurde der Waffenstillstandsvertrag unterzeichnet. Der Waffenstillstand erstreckte sich danach auf die gesamte Landfront von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer sowie auf den türkisch-russischen Kriegsschauplatz in Asien, ferner auf das Schwarze Meer und auf die Ostsee östlich des 15. Längengrades. Der Waffenstillstand sollte vom 17. Dezember 1917, mittags 12 Uhr, bis zum 14. Januar 1918 dauern, vom 21. Tag an mit siebentägiger Frist kündbar sein und mangels Kündigung automatisch weiterlaufen. Die Friedensverhandlungen sollten sofort aufgenommen werden. Die Vorbereitungen für die Friedensverhandlungen Nachdem mein Abschiedsgesuch am 9. November bewilligt worden war, hatte ich mich als bayrischer Reserveoffizier a. D. dem bayrischen Kriegsministerium für eine militärische Verwendung zur Verfügung gestellt. Ehe jedoch hierüber eine Bestimmung getroffen war, trat Anfang Dezember der Reichskanzler Graf Hertling an mich heran und ersuchte mich, angesichts der durch die Novemberrevolution in Rußland in nahe Sicht gerückten Friedensverhandlungen die einheitliche Zusammenfassung der Vorarbeiten der einzelnen Ressorts für den wirtschaftlichen Teil der Friedensverhandlungen zu übernehmen. Ich stellte meine Bedenken gegen die Übernahme einer solchen Aufgabe durch eine nicht mit der Autorität des Reichskanzlers oder seines Vertreters ausgestattete Persönlichkeit zurück, nachdem mir auch von denjenigen meiner früheren Kollegen in der Reichsleitung und im Preußischen Staatsministerium, die am stärksten an den Vorarbeiten für die Friedensverhandlungen beteiligt waren, der dringende Wunsch ausgesprochen worden war, daß ich mich dem Ruf des Reichskanzlers nicht entziehen möchte, und nachdem ich mich überzeugt hatte, daß seit meinem Ausscheiden nichts mehr für die einheitliche Leitung dieser Vorarbeiten geschehen war. Ich sprach meinerseits den Wunsch aus, den neuen Auftrag im Ehrenamt und ohne irgendwelche Besoldung oder Vergütung übernehmen zu dürfen. Am 4. Dezember wurde mir der Auftrag der Zusammenfassung der wirtschaftlichen Friedensvorarbeiten der Ressorts durch einen Erlaß des Reichskanzlers erteilt. Auf Grund mündlicher Besprechungen mit den Ressortchefs machte ich dem Reichskanzler am 10. Dezember für die Gestaltung meiner Tätigkeit folgenden Vorschlag: »Ich denke mir die Ausführung des Auftrags so, daß ich mich über das in den einzelnen Ressorts vorliegende Material unterrichte, dieses Material bei mir sammle und ordne, daß ich ferner die Vorarbeiten auf ihre Vollständigkeit sowie daraufhin einer Durchsicht unterziehe, ob zwischen den Absichten und Wünschen der einzelnen Ressorts Übereinstimmung besteht. Anregungen und Vorschläge, die ich zur Erwägung nach beiden Richtungen hin etwa für notwendig erachte oder die sich sonst aus der sachlichen Zusammenfassung ergeben, beabsichtige ich dann, sei es im Wege des Schriftverkehrs, sei es im Wege der mündlichen Erörterung, mit den Herren Ressortchefs oder ihren Vertretern zur Erledigung zu bringen. Dadurch, daß ich mich auf Anregungen und Vorschläge dieser Art beschränke, wird von vornherein überflüssige Doppelarbeit und ein Eingriff in die sachliche Bearbeitung, die ausschließlich den beteiligten Ressorts gemäß ihrer Zuständigkeit überlassen bleibt, vermieden werden.« Ebenso wie die Vorbereitung der wirtschaftlichen Verhandlungen mit Rußland wurde mir später (25. Dezember 1917) der gleiche Auftrag für die Gesamtheit der Wirtschaftsfragen erteilt, die bei den Friedensverhandlungen mit allen gegen uns im Kriege stehenden Staaten zu regeln sein würden. Die Zeit, die von der Erteilung des Auftrags für Rußland bis zum Beginn der Friedensverhandlungen zur Verfügung stand, war außerordentlich knapp bemessen. Trotzdem gelang es, vor der Abreise unserer Unterhändler eine Einigung der Ressorts auf ein Programm für die Regelung der deutsch-russischen Wirtschafts- und Rechtsfragen herbeizuführen, das den schwierigen durch den Wirtschaftskrieg und die sozialistische Revolution in Rußland geschaffenen Verhältnissen Rechnung tragen sollte. Es war dies keine leichte Aufgabe; denn die Wiederherstellung der deutschen Rechte und des deutschen Eigentums und die Vereinbarung der Entschädigung für den Fall der Unmöglichkeit oder Untunlichkeit dieser Wiederherstellung, ferner die Wiederherstellung der vertragsmäßigen Grundlagen für die beiderseitigen Wirtschaftsbeziehungen erforderte angesichts der von der bolschewistischen Regierung Rußlands erstrebten und teilweise bereits in Angriff genommenen Sozialisierung von Unternehmungen sowie von Produktions- und Betriebsmitteln auf dem Gebiete der Landwirtschaft, des Bergbaues, der Industrie und des Handels das Einschlagen neuer Wege, für die es bisher kein Vorbild gab. Unser Programm fand in den wesentlichen Punkten die Zustimmung und später bei den Verhandlungen die Unterstützung unserer Bundesgenossen, namentlich Österreich-Ungarns. Dagegen stimmte es mich sehr bedenklich, als ich kurz vor der Abreise unserer Delegation gelegentlich einer am 17. Dezember beim Reichskanzler abgehaltenen Besprechung mich überzeugen mußte, daß in den wichtigsten politischen und territorialen Fragen eine klare Übereinstimmung weder zwischen uns und unseren Bundesgenossen, noch auch zwischen unserer politischen Leitung und der Obersten Heeresleitung vorlag. Die Anfang November noch von mir geleiteten Besprechungen mit dem Grafen Czernin, bei denen Polen im Vordergrund stand, hatten zu keinem Ergebnis geführt. Graf Czernin hatte damals die alsbaldige Mitteilung von Gegenvorschlägen und die Wiederaufnahme der Besprechungen im Beisein des österreichischen und des ungarischen Ministerpräsidenten und sachverständiger Berater für eine nahe Frist in bestimmte Aussicht gestellt. Ich erhielt nunmehr auf meine Anfrage die Auskunft, daß die Besprechungen bisher nicht wieder aufgenommen worden seien, da Graf Czernin einen geplanten weiteren Besuch in Berlin im letzten Augenblick infolge einer Erkrankung habe aufgeben müssen. Auch auf anderem Wege war eine Verständigung mit unserem Bundesgenossen über die Ostfragen und die Festlegung einer einheitlichen Marschroute für die Verhandlungen mit der russischen Regierung nicht erzielt worden. Wir hatten also damit zu rechnen, daß Österreich die Erreichung seines Zieles, das ehemals russische Polen für den Anschluß an die Donaumonarchie in irgendeiner Form zu gewinnen, durch ein Zusammenspielen mit den Russen und eventuell auch den Polen versuchen würde, ohne uns die von uns für nötig gehaltenen Sicherungen zu gewähren. Die Gefahr eines Zusammenspielens der österreichischen Diplomatie mit den Russen und Polen war um so größer, als die Österreicher davon überzeugt waren, ihr polnisches Ziel auf dem Wege der vorbehaltlosen Anerkennung des von den Russen wie von den Polen gewünschten Selbstbestimmungsrechts der Völkerschaften der besetzten russischen Gebiete erreichen zu können; denn man war in Österreich sicher, daß um den Preis Galiziens der Anschluß des neuen Polen an das Reich der Habsburger zu haben sein werde. Ich habe die undefinierte und damit uneingeschränkte Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der Nationalitäten stets für eine Gefahr gehalten, nicht nur für das Deutsche Reich hinsichtlich seiner Grenzmarken im Osten, Westen und Norden, sondern vor allem auch für die habsburgische Monarchie, für die es kein stärkeres Sprengpulver geben konnte. Der Gedanke, daß man die Anwendung des einmal in der Sache uneingeschränkt anerkannten Grundsatzes territorial auf die von uns und unseren Verbündeten besetzten russischen Gebiete werde beschränken können, war angesichts der Kundgebungen der neuen russischen Regierung und auch gewisser von dem Präsidenten Wilson aufgestellter Thesen, vor allem aber angesichts der in unverhüllter Deutlichkeit zutage tretenden Bestrebungen der Polen, der Tschechen und Slowenen, geradezu naiv. Unsere deutsche Politik hatte sich in ihrer Praxis auch nur mit starken Vorbehalten zu dem Selbstbestimmungsrecht der Völkerschaften der besetzten russischen Gebiete bekannt, indem sie das Recht, an der Gestaltung der Neuordnung der unmittelbar vor unserer Haustür liegenden Gebiete mitzusprechen, tatsächlich ausübte und in den Staatsräten, Landesversammlungen und Landesräten Polens, Litauens und Kurlands hatte Organe schaffen helfen, deren Beschlüsse sie als Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der Bewohner jener Gebiete anzusehen gewillt war. Man mag diese von unserer Regierung befolgte Politik hinsichtlich der russischen »Randstaaten« für richtig oder für falsch halten, -- falsch war es auf jeden Fall, in die Friedensverhandlungen mit Rußland hineinzugehen, ohne daß vorher wenigstens mit unserem österreichisch-ungarischen Bundesgenossen eine nochmalige Aussprache stattgefunden hatte und mit ihm eine klare Einigung über die in den Verhandlungen einzunehmende Haltung erzielt war. Auch zwischen dem Kanzler und dem Staatssekretär des Auswärtigen Amtes auf der einen Seite, der Obersten Heeresleitung auf der anderen Seite war, als am 17. Dezember die Besprechung im Reichskanzlerpalais stattfand, ein festes Einverständnis über die Linie, die bei den Verhandlungen über den Ostfrieden innegehalten werden sollte, noch nicht vorhanden. Kanzler und Staatssekretär reisten am Abend desselben Tages nach dem Großen Hauptquartier, um dort, unmittelbar vor der Abreise des Herrn von Kühlmann nach Brest-Litowsk, noch einmal die wichtigsten Fragen zu besprechen. Ich habe späterhin nicht den Eindruck gewonnen, daß in jener letzten Aussprache vor den Verhandlungen die nötige Klarheit und Einigkeit herbeigeführt worden wäre. Der Dualismus der Auffassungen und Ziele, der hier fortbestand, kam schon in einer Besonderheit unserer Vertretung bei der Friedenskonferenz in Brest zum Ausdruck. Der Kaiser erteilte dem Reichskanzler das Mandat zum Abschluß der Friedensverhandlungen und bestellte Herrn von Kühlmann zum bevollmächtigten Unterhändler. Neben Herrn von Kühlmann nahm aber an den Verhandlungen als »Vertreter der Obersten Heeresleitung« der Chef des Generalstabs des Oberbefehlshabers Ost, Generalmajor Hoffmann, teil, der mitunter ausdrücklich namens der Obersten Heeresleitung in die Verhandlungen eingriff und auch die Verträge als »Vertreter der Obersten Heeresleitung« unterzeichnete. Dieses Verhältnis ist sowohl bei den Verhandlungen selbst von dem Chef der russischen Delegation wie auch späterhin im Reichstag beanstandet worden, zweifellos mit Recht; denn bei Friedensverhandlungen zwischen zwei Staaten gibt es als zur Abgabe von Erklärungen und zur Unterzeichnung der Verträge berechtigte Personen nur bevollmächtigte Vertreter der einheitlichen Staatsgewalt. Es hätte nichts im Wege gestanden, daß der Kaiser neben Herrn von Kühlmann den Generalmajor Hoffmann als Unterhändler bevollmächtigt hätte; für einen »Vertreter der Obersten Heeresleitung« war jedoch bei der Verhandlung und bei der Unterzeichnung der Friedensverträge kein Raum. Aber diese kleine formale Unkorrektheit, infolge deren das Deutsche Reich bei den Verhandlungen in Brest zwiespältig vertreten war, hatte ihren tieferen Grund in der Zwiespältigkeit, die zwischen der politischen Leitung und der Obersten Heeresleitung nun einmal bestand und deren Ausgleich nicht restlos gelungen war. Mir blieb nichts übrig, als eindringlich auf die Gefahren des Fehlens einer einheitlichen Linie hinzuweisen. Ich überschritt damit, da die unausgeglichenen Meinungsverschiedenheiten auf politischem und territorialem Gebiet lagen, ohnedies schon den Rahmen meiner auf die wirtschaftlichen Vorbereitungen beschränkten Befugnisse. Zu meiner Sorge mußte ich auch hier wieder die Beobachtung machen, daß der Graf Hertling nicht mehr über die Kraft verfügte, um solcher Situationen Herr zu werden und das von ihm als richtig Erkannte durchzusetzen. Von Herrn von Kühlmann gewann ich den Eindruck, daß er sich zu sehr auf seinen guten Stern verließ und darauf rechnete, es werde sich schließlich doch alles zurechtziehen. Die erste Phase der Brester Friedensverhandlungen Am 22. Dezember 1917 fand in Brest die erste Verhandlung über den Frieden statt. Die Leiter der auswärtigen Politik sämtlicher beteiligten Staaten waren, abgesehen von dem russischen Volkskommissar für die auswärtigen Angelegenheiten, der sich durch Herrn Joffe, den späteren russischen »Botschafter« in Berlin, vertreten ließ, persönlich anwesend. In seiner Eröffnungsansprache führte Herr von Kühlmann u. a. aus: »Unsere Verhandlungen werden erfüllt sein von dem Geist versöhnlicher Menschenfreundlichkeit und gegenseitiger Achtung. Sie müssen Rechnung tragen einerseits dem historisch Gegebenen und Gewordenen, um nicht den festen Boden der Tatsachen unter den Füßen zu verlieren, andererseits aber auch getragen sein von jenen neuen und großen Leitgedanken, auf deren Boden die hier Versammelten zusammentreffen.« Mit dem Hinweis auf das »historisch Gegebene und Gewordene« waren die Vorbehalte angedeutet, die unsere Unterhändler in der Frage des Selbstbestimmungsrechts der Nationalitäten machen mußten, sobald die praktische Anwendung dieses Prinzips in Frage kam. Schon in jener ersten Sitzung entwickelte die russische Delegation ihr Programm. Sie schlug vor, folgende sechs Punkte den Verhandlungen zugrundezulegen: 1. Keine gewaltsame Angliederung von eroberten Gebieten; die Truppen werden die von ihnen besetzten Gebiete alsbald räumen. 2. Volle Wiederherstellung der politischen Selbständigkeit der Völker, die ihre Selbständigkeit im Kriege verloren haben. 3. Den nationalen Gruppen, die vor dem Kriege keine politische Selbständigkeit besaßen, wird die Möglichkeit gewährleistet, die Frage ihrer Zugehörigkeit zu diesem oder jenem Staat oder ihrer staatlichen Selbständigkeit durch freie Volksabstimmung zu entscheiden. 4. Gewährleistung der Rechte der nationalen Minderheiten in national gemischten Gebieten. 5. Keine Kriegsentschädigung. Privatschäden sind aus einem besonderen Fonds, zu dem alle kriegführenden Länder proportional beisteuern, zu entschädigen. 6. Die kolonialen Fragen werden unter Beachtung der in den Punkten 1-4 enthaltenen Grundsätze entschieden. Die russische Delegation schlug weiter vor, jede Art versteckter Bekämpfung der Freiheit schwächerer Nationen durch stärkere auszuschließen, so den wirtschaftlichen Boykott, die wirtschaftliche Unterjochung eines Landes durch ein anderes im Wege aufgezwungener Handelsverträge, die Verhängung von Seeblockaden, die nicht unmittelbare Kriegszwecke verfolgen. Die Vertreter der Mächte des Vierbundes erklärten ihre Bereitwilligkeit, in eine Prüfung der russischen Vorschläge einzutreten. Auch Graf Czernin hatte sein Programm für die Verhandlungen mitgebracht. Es kam demjenigen der russischen Delegation sehr nahe, insbesondere auch in der Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der Bewohner Polens, Litauens und des Baltikums und in der Frage der Räumung der besetzten Gebiete. Jetzt war also die Zwangslage da, in der die Vertreter des Deutschen Reiches und Österreich-Ungarns in der allerkürzesten Frist angesichts des Verhandlungsgegners die bisher versäumte Einigung wenigstens insoweit nachholen mußten, daß eine einheitliche Antwort auf die russischen Vorschläge formuliert werden konnte. Graf Czernin selbst hat in seiner Rede vom 11. Dezember 1918 über diese Lage wie folgt berichtet: »Bei Besprechung dieses (des österreichisch-ungarischen) Entwurfs mit den deutschen Unterhändlern ergaben sich besonders in zwei Punkten große Schwierigkeiten. Die eine betraf die Räumungsfrage. Die deutsche Heeresleitung erklärte kategorisch, daß sie einer Räumung der besetzten Gebiete vor Abschluß des allgemeinen Friedens unter keinen Umständen zustimmen könne. Der zweite Gegensatz tauchte in der Behandlung der besetzten Gebiete auf. Deutschland bestand nämlich darauf, es solle im Friedensvertrag mit Rußland bloß festgestellt werden, daß Rußland den Völkerschaften auf seinen Gebieten das Selbstbestimmungsrecht gewährt habe, und daß diese Nationen von diesem Rechte bereits Gebrauch gemacht hätten. Den in unserem Entwurf eingenommenen klaren Standpunkt vermochten wir nicht durchzusetzen, obwohl dieser auch von den anderen Verbündeten geteilt wurde. Immerhin kam bei Redigierung der dann am 25. Dezember 1917 auf die russischen Friedensvorschläge erteilten Antwort unter unserem beharrlichen Drängen eine Kompromißlösung zustande, die wenigstens vorerst den ablehnenden deutschen Standpunkt in diesen beiden Fragen nicht zum Durchbruch kommen ließ. In der Frage der Räumung der besetzten Gebiete wurde deutscherseits das Zugeständnis gemacht, daß über die Zurückziehung einzelner Truppenteile eventuell schon vor dem allgemeinen Frieden Vereinbarungen getroffen werden könnten. In der Annexionsfrage konnte eine befriedigende Formulierung dadurch erzielt werden, daß sie auf den Fall des allgemeinen Friedens abgestellt wurde. Wäre damals die Entente zu einem allgemeinen Frieden bereit gewesen, so wäre das Prinzip 'keine Annexionen' vollkommen durchgedrungen.« Am 25. Dezember 1917 verlas Graf Czernin in der Besprechung mit den russischen Bevollmächtigten namens des Vierbundes die also zustandegekommene Kompromißerklärung. Sie stellte voran die Bereitwilligkeit der Mächte des Vierbundes, unverzüglich einen allgemeinen Frieden ohne gewaltsame Gebietserwerbungen und ohne Kriegsentschädigungen zu unterschreiben; es müsse aber ausdrücklich darauf hingewiesen werden, daß sich sämtliche jetzt am Kriege beteiligten Mächte innerhalb einer angemessenen Frist ausnahmslos ohne jeden Rückhalt zur genauesten Beachtung der alle Völker in gleicher Weise bindenden Bedingungen verpflichten müßten, wenn die Voraussetzungen der russischen Delegation erfüllt sein sollten. Im einzelnen erklärte Graf Czernin zu den sechs Punkten des russischen Vorschlags: 1. Gewaltsame Aneignung von Gebieten, die während des Krieges besetzt worden sind, liege nicht in der Absicht der verbündeten Regierungen. Über die Truppen in den zurzeit besetzten Gebieten werde im Friedensvertrage Bestimmung getroffen werden, soweit nicht über die Zurückziehung an einigen Stellen vorher Einigkeit erzielt wird. 2. Es liege nicht in der Absicht der Verbündeten, eines der Völker, die in diesem Kriege ihre politische Selbständigkeit verloren haben, dieser Selbständigkeit zu berauben. 3. Die staatliche Zugehörigkeit nationaler Gruppen, die keine staatliche Selbständigkeit besitzen, könne nicht zwischenstaatlich geregelt werden, sondern sei von jedem Staat mit seinen Völkern selbständig auf verfassungsmäßigem Wege zu lösen. 4. Der Schutz des Rechtes der nationalen Minderheiten bilde einen wesentlichen Bestandteil des Selbstbestimmungsrechts der Völker. 5. Die verbündeten Mächte hätten mehrfach die Möglichkeit eines wechselseitigen Verzichtes auf Ersatz sowohl von Kriegskosten als auch von Kriegsschäden betont. Hiernach würden von jeder kriegführenden Macht nur die Aufwendungen für ihre in Kriegsgefangenschaft geratenen Angehörigen sowie die im eigenen Gebiet durch völkerrechtswidrige Gewaltakte den Zivilangehörigen des Gegners zugefügten Schäden zu ersetzen sein. 6. Die Rückgabe der während des Krieges besetzten Kolonialgebiete sei ein wesentlicher Bestandteil der deutschen Forderungen. Dagegen sei die Anwendung des Selbstbestimmungsrechts der Bewohner auf die Kolonien in den von der russischen Delegation vorgeschlagenen Formen zurzeit nicht durchführbar. Außerdem erklärte Graf Czernin die uneingeschränkte Zustimmung der Vierbundmächte zu den von der russischen Delegation vorgeschlagenen Grundsätzen der Ausschließung jedweder wirtschaftlichen Vergewaltigung. In Erwiderung auf diese Erklärung machte der Führer der russischen Delegation zwar einige Vorbehalte, erklärte jedoch zum Schluß, daß die in der Antwort der Vierbundmächte enthaltene offene Ablehnung aller aggressiven Absichten die Möglichkeit biete, sofort zu Verhandlungen über einen allgemeinen Frieden unter allen kriegführenden Staaten zu schreiten. Mit Rücksicht hierauf schlage er vor, eine zehntägige Unterbrechung der Verhandlungen eintreten zu lassen, um den übrigen kriegführenden Völkern die Möglichkeit zu geben, sich auf der jetzt gewonnenen Grundlage den Verhandlungen anzuschließen. Nach Ablauf dieser Frist müßten die Verhandlungen unter allen Umständen fortgesetzt werden. Auf den Vorschlag des Grafen Czernin und des Herrn von Kühlmann erklärte er sich jedoch bereit, sogleich in die Besprechung der Einzelfragen einzutreten, die auch im Falle eines allgemeinen Friedens zwischen Rußland und den vier Verbündeten zu regeln wären. Durch die von dem Grafen Czernin abgegebene Erklärung waren, soweit das Selbstbestimmungsrecht der Nationalitäten der besetzten Gebiete in Frage kam, die Meinungsverschiedenheiten nicht beseitigt, sondern nur verdeckt. Die künstlich aufgerichtete Kulisse mußte spätestens fallen, wenn -- wie vorauszusehen war -- aus den allgemeinen Friedensverhandlungen nichts wurde. Sie fiel aber schon vorher, und zwar auf Grund des Eingreifens der Obersten Heeresleitung. Diese fand die von dem Grafen Czernin abgegebene Erklärung nicht im Einklang mit den im Großen Hauptquartier mit dem Reichskanzler und Herrn von Kühlmann getroffenen Absprachen und übersah wohl auch nicht ganz die taktische Verhandlungslage. Sie remonstrierte scharf. »Der Leiter der deutschen Friedensdelegation,« so berichtet Graf Czernin, »geriet in Gefahr, gestürzt zu werden, in welchem Falle wahrscheinlich ein Exponent der schärfsten militärischen Auffassung die Leitung der deutschen auswärtigen Politik in die Hand bekommen hätte. Da dies aber auf den weiteren Gang der Friedensverhandlungen nur eine ungünstige Wirkung ausüben konnte, mußte unsererseits alles aufgeboten werden, Herrn von Kühlmann zu halten. Zu diesem Zweck wurde ihm zur Weitergabe nach Berlin mitgeteilt, daß, wenn Deutschland bei seiner scharfen Politik beharren werde, Österreich-Ungarn sich veranlaßt sehen würde, mit Rußland einen Separatfrieden abzuschließen. Diese Erklärung ist in Berlin nicht ohne Eindruck geblieben und hat wesentlich dazu beigetragen, daß Kühlmann sich damals behaupten konnte.« Die Wirkung des Eingreifens der Obersten Heeresleitung war, daß bei der Beratung über die mit Rußland zu regelnden Einzelfragen Herr von Kühlmann im Einverständnis mit dem Grafen Czernin am 27. Dezember 1917 einen Vorschlag für die Artikel 1 und 2 des mit Rußland abzuschließenden Friedensvertrages machte, der im wesentlichen besagte: 1. Rußland und Deutschland erklären die Beendigung des Kriegszustandes. Deutschland würde bereit sein, sobald der Frieden mit Rußland geschlossen und die Demobilisierung der russischen Streitkräfte durchgeführt ist, die besetzten russischen Gebiete zu räumen, soweit sich nicht aus 2 ein anderes ergibt. 2. Nachdem die russische Regierung für alle im Verband des Russischen Reiches lebenden Völker ein bis zur völligen Absonderung gehendes Selbstbestimmungsrecht proklamiert hat, nimmt sie Kenntnis von den Beschlüssen, worin der Volkswille ausgedrückt ist, für Polen, sowie für Litauen, Kurland, Teile von Estland und Livland die volle staatliche Selbständigkeit in Anspruch zu nehmen und aus dem russischen Reichsverbande auszuscheiden. Da in diesen Gebieten die Räumung nicht gemäß den Bestimmungen unter 1 vorgenommen werden kann, so werden Zeitpunkt und Modalitäten der nach russischer Auffassung nötigen Bekräftigung der schon vorliegenden Lostrennungserklärungen durch ein Volksvotum auf breiter Grundlage, bei dem irgendein militärischer Druck in jeder Weise auszuschalten ist, der Beratung und Festsetzung durch eine besondere Kommission vorbehalten. Demgegenüber hielt die russische Regierung an ihrem Standpunkt fest, daß als Ausdruck des Volkswillens nur das Ergebnis einer gänzlich freien, in Abwesenheit jeglicher fremden Truppen erfolgenden Volksabstimmung angesehen werden könne; sie erklärte sich jedoch damit einverstanden, daß zur Prüfung der technischen Bedingungen für die Verwirklichung eines derartigen Referendums sowie zur Festsetzung bestimmter Räumungsfristen eine Spezialkommission eingesetzt werde. Sodann wurde entsprechend dem russischen Vorschlage die Vertagung bis zum 4. Januar ausgesprochen, um Rußlands Verbündeten die Möglichkeit des Beitritts zu den Verhandlungen zu geben. Die sachliche Meinungsverschiedenheit zwischen dem deutschen und dem russischen Standpunkt in der Frage der Räumung des besetzten Gebietes und der Selbstbestimmung der Nationalitäten, die durch die vom Grafen Czernin am 25. Dezember vorgetragene allgemeine Formulierung verdeckt worden war, hatte nunmehr durch den Kühlmannschen Vorschlag vom 27. Dezember eine scharfe Beleuchtung erfahren. Immerhin war die Verhandlung bis zu dem am 28. Dezember gefaßten Vertagungsbeschluß in guten Formen geführt worden. In Petersburg dagegen schlug man sofort eine andere Tonart an. Durch die offiziöse Petersburger Telegraphenagentur wurde über die Sitzung vom 28. Dezember ein Bericht verbreitet, der dem Vorsitzenden der russischen Delegation im Wege freier Erfindung die schärfsten Worte der Kritik und des Protestes gegen die Kühlmannsche Formulierung in den Mund legte, in der Absicht, die deutsche Vertretung eines illoyalen und unanständigen Vorgehens zu beschuldigen. Außerdem ließ die Petersburger Regierung eine wahre Flut von Funksprüchen und Aufrufen los, die gröbliche Beschimpfungen der deutschen Heerführer und Heereseinrichtungen sowie Aufforderungen revolutionären Charakters an die deutschen Truppen und Arbeitermassen enthielten. Der schon bei Beginn der Waffenstillstandsverhandlungen durch das Verhalten der russischen Delegation und, mehr noch, der russischen Regierung entstandene Verdacht, daß es den führenden Männern des bolschewistischen Rußland in erster Linie auf die Propaganda für die Revolutionierung der breiten Massen und der Armeen der anderen kriegführenden Länder ankomme, wurde jetzt zur unabweisbaren Gewißheit. Wenn irgend etwas diese Gewißheit weiter verstärken konnte, so war es der am 2. Januar 1918, zwei Tage vor dem für den Wiederbeginn der Verhandlungen in Brest-Litowsk vereinbarten Termin, an die Regierungen der Vierbundmächte gefunkte Vorschlag, die Friedensverhandlungen nach Stockholm zu verlegen, zumal da dieser Vorschlag von der summarischen Feststellung begleitet war, daß die russische Regierung den vom Grafen Czernin am 25. Dezember 1917 gemachten Vorschlag -- also nicht etwa erst die Kühlmannsche Formulierung vom 27. Dezember -- als dem Grundsatz der freien Selbstbestimmung der Völker widersprechend ansehe. Graf Hertling teilte daraufhin in dem am 4. Januar 1918 zusammengetretenen Hauptausschuß des Reichstags mit, er habe Herrn von Kühlmann ermächtigt, die Verlegung der Friedensverhandlungen nach Stockholm abzulehnen; abgesehen davon, daß wir nicht in der Lage seien, uns von den Russen den Ort der Verhandlungen vorschreiben zu lassen, sprächen gegen Stockholm technische Schwierigkeiten der telegraphischen Verbindung mit den Hauptstädten der beteiligten Staaten sowie die Gefahr von Machenschaften der Entente. Graf Hertling konnte seiner Mitteilung hinzufügen, daß inzwischen bevollmächtigte Vertreter der Ukraine, die sich am 19. Dezember 1917 zur selbständigen Volksrepublik erklärt hatte, in Brest-Litowsk eingetroffen seien, und daß wir ganz ruhig mit den Vertretern der Ukraine weiterverhandeln würden. Die feste Haltung Deutschlands und seiner Verbündeten hatte zur Folge, daß bereits am 5. Januar die Petersburger Regierung mitteilte, daß angesichts des Eintreffens der Delegationen des Vierbundes am alten Verhandlungsort auch die russische Delegation, dieses Mal unter der Führung des Volkskommissars für die auswärtigen Angelegenheiten, des Herrn Trotzki selbst, nach Brest-Litowsk kommen werde in der Überzeugung, daß man sich dort über die Verlegung der Verhandlungen auf neutralen Boden unschwer einigen werde. Die zweite Phase der Brester Friedensverhandlungen In Erwartung der Ankunft Trotzkis und seiner Delegation wurden in Brest-Litowsk zunächst mit den Vertretern der ukrainischen Volksrepublik die Verhandlungen begonnen. Bei der Wiederaufnahme der Verhandlungen mit der russischen Delegation am 9. Januar erklärte Trotzki zunächst, angesichts der grundsätzlichen Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts jeder Nation bis zur völligen Lostrennung kein Hindernis für die Teilnahme der ukrainischen Delegation an den Friedensverhandlungen zu sehen. Die Frage, ob die ukrainische Delegation eine Unterabteilung der russischen Delegation darstelle oder ob sie in diplomatischer Beziehung als Vertretung eines selbständigen Staates zu behandeln sei, erklärte Herr Trotzki als erledigt, da die ukrainische Delegation als eine selbständige Vertretung erschienen sei, da diese Vertretung von der russischen Delegation anerkannt und von keiner Seite ein anderer Vorschlag gemacht worden sei. Am 12. Januar erklärte Graf Czernin namens der Vierbundmächte: »Wir erkennen die ukrainische Delegation als selbständige Delegation und als bevollmächtigte Vertretung der selbständigen ukrainischen Volksrepublik an. Die formelle Anerkennung der ukrainischen Volksrepublik als selbständiger Staat durch die vier verbündeten Mächte bleibt dem Friedensvertrag vorbehalten.« Herr Trotzki erklärte in der Sitzung vom 10. Januar ferner, daß Rußland die Friedensverhandlungen weiterführen werde, unabhängig davon, ob die Entente sich anschließe oder nicht. Er nahm Akt von einer Erklärung Kühlmanns, daß mit dem Nichtbeitritt der Entente die Erklärung des Grafen Czernin vom 25. Dezember 1917 hinfällig sei, und stellte dem das unbedingte Festhalten der russischen Delegation an den von ihr dargelegten Grundlagen eines »demokratischen Friedens« entgegen. Auf die Verlegung der Verhandlungen nach einem neutralen Platz verzichtete er, »um den Mächten des Vierbundes den Vorwand eines Abbruchs der Verhandlungen aus technischen Gründen zu entziehen«. In den folgenden Tagen entwickelte sich in der für die politischen territorialen Fragen gebildeten Kommission, an deren Sitzungen die Vorsitzenden der einzelnen Delegationen persönlich teilnahmen, ein hartnäckiger Zweikampf Kühlmann-Trotzki um die Fragen der Räumung und des Selbstbestimmungsrechts der besetzten Gebiete. Die Diskussion wurde von Herrn Trotzki in einer unverkennbar für die Außenwelt bestimmten aufreizend-agitatorischen Weise, dabei dialektisch sehr gewandt und in vollendeter Rabulistik geführt. Die innere Unaufrichtigkeit seines Eintretens für die reine und unverfälschte, vor jeder Beeinflussung und jedem Druck zu behütende, nur in freier und allgemeiner Volksabstimmung zu verwirklichende Selbstbestimmung der Nationalitäten der besetzten Gebiete wurde in das hellste Licht gesetzt durch das Verhalten des bolschewistischen Rußland gegenüber den dem Bolschewismus abgeneigten eigenen Landes- und Bevölkerungsteilen. Während Herr Trotzki in Brest-Litowsk den in freier Abstimmung sich bekundenden Volkswillen als die höchste Norm im Völkerleben proklamierte, jagte seine Regierung in Petersburg die aus freien Volkswahlen hervorgegangene verfassunggebende Nationalversammlung mit bewaffneter Hand am Tage nach ihrem Zusammentritt auseinander (20. Januar 1918). Abgesehen von dem unerhörten Terror, den die bolschewistischen Machthaber im Sowjetrußland selbst ausübten, versuchten sie in denjenigen Gebieten, die -- wie die russische Regierung selbst anerkennen mußte -- auf Grund einwandfreier Ausübung des Selbstbestimmungsrechts sich von dem bolschewistischen Rußland zu trennen wünschten, so in Finnland und der Ukraine, mit Feuer und Schwert, mit jedem Schrecken und jeder Gewalttat die Selbstbestimmung zu unterdrücken und gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung die bolschewistische Herrschaft aufrechtzuerhalten oder herzustellen. Am entsetzlichsten wüteten die Roten Garden und bolschewistischen Banden in den jenseits der deutschen Stellungen liegenden Teilen Livlands und Estlands. Ununterbrochen kamen von dort die herzergreifenden Hilferufe der auf das schwerste bedrückten und mißhandelten Einwohnerschaft, insbesondere des deutschstämmigen Teiles der Bevölkerung, auf dessen völlige Vernichtung und Ausrottung die bolschewistischen Machthaber Rußlands auszugehen schienen. Und inmitten der bedrohten und vergewaltigten Nationalitäten wagte es einer der Urheber aller dieser Schrecken, das Selbstbestimmungsrecht der Völkerschaften der von uns besetzten Gebiete Tag für Tag in stundenlangen Agitationsreden für seine weltrevolutionäre Propaganda auszuschlachten! Während Herr von Kühlmann mit Zähigkeit und einer geradezu phlegmatischen Ausdauer Herrn Trotzki an der Klinge blieb, riß dem General Hoffmann die Geduld. In der Sitzung vom 12. Januar ergriff er, nachdem die russische Delegation in reichlich anmaßendem Ton abermals ihre Forderungen formuliert hatte, das Wort und führte aus: Die russische Delegation spreche, als ob sie siegreich in unserem Lande stehe und uns die Bedingungen diktieren könne; die Tatsachen lägen umgekehrt. Die russische Delegation fordere für die besetzten Gebiete die Anwendung eines Selbstbestimmungsrechts, wie sie es im eigenen Lande nicht anwende. Die russische Regierung sei lediglich begründet auf Gewalt, die rücksichtslos jeden Andersdenkenden unterdrücke. Die deutsche Oberste Heeresleitung müsse eine Einmischung in die Angelegenheiten der besetzten Gebiete ablehnen. Für uns hätten deren Völker ihrem Wunsch der Lostrennung von Rußland bereits klar und unzweideutig Ausdruck gegeben. Am nächsten Tag versuchte Herr von Kühlmann auf Grund einer Verständigung mit dem Grafen Czernin, der nichts mehr fürchtete als den Abbruch, die Verhandlungen wieder in ein ruhigeres Geleise zu bringen. Er lehnte zwar namens der deutschen und der österreichisch-ungarischen Delegation die russischen Vorschläge als unannehmbar ab, machte jedoch Gegenvorschläge, die dem russischen Standpunkt immerhin entgegenkamen. Vor allem stellte die neue Formulierung fest, daß Deutschland und Österreich-Ungarn nicht die Absicht hätten, sich die jetzt von ihnen besetzten Gebiete einzuverleiben oder sie zur Annahme einer bestimmten Staatsform zu zwingen; allerdings müßten sie für sich und die Völker jener Gebiete freie Hand für den Abschluß von Verträgen aller Art behalten. Die Zurückziehung der Truppen sei zwar, solange der Weltkrieg andauere, unmöglich; aber die Verminderung der Truppen auf eine für die Aufrechterhaltung der Ordnung und die Weiterführung der technischen Betriebe nötige Zahl könne angestrebt werden. Außerdem wurde zugestanden, daß den gewählten Vertretern der Bevölkerung der besetzten Gebiete mit fortschreitender Annäherung an den allgemeinen Frieden in steigendem Umfang die Mitwirkung an den Verwaltungsaufgaben eingeräumt werden, sowie daß ein »Volksvotum auf breiter Grundlage« die Beschlüsse über die staatliche Zugehörigkeit der Bevölkerung der besetzten Gebiete sanktionieren solle. -- Diese Vorschläge wurden als der »äußerste Rahmen für eine friedliche Verständigung« bezeichnet. Die Verhandlungen waren mit diesen Vorschlägen auf einem toten Punkt angekommen. Graf Czernin hätte unsere Vertretung gern zu weitergehenden Zugeständnissen gedrängt, dies um so mehr, als es ihm, wie er selbst bekannt hat, »im allgemeinen und speziell auch wegen Polens durchaus erwünscht gewesen wäre, die Territorialfragen auf Grund des vollständigen Selbstbestimmungsrechts zu lösen«. Er wurde jedoch an der Ausübung eines stärkeren Druckes auf Deutschland durch den Ausbruch einer akuten Ernährungskrisis in Österreich verhindert, die ihn zwang, von Deutschland eine Ausfuhr an Lebensmitteln zur Errettung Wiens vor einer Hungerkatastrophe zu erbitten. »Unter diesen Verhältnissen,« so hat Graf Czernin ausgeführt, »konnte in diesem Zeitpunkt den deutschen Unterhändlern gegenüber der Gedanke nicht mehr ausgespielt werden, daß Österreich-Ungarn gegebenenfalls mit Rußland einen Separatfrieden schließen würde, wollte man nicht die deutsche Lebensmittelhilfe gefährden; dies um so weniger, als der Vertreter der deutschen Obersten Heeresleitung damals erklärte, es sei gleichgültig, ob Österreich-Ungarn Frieden mache oder nicht; Deutschland werde unter allen Umständen nach Petersburg marschieren, falls die russische Regierung nicht nachgebe.« Auf der anderen Seite will Graf Czernin damals Herrn Trotzki bewogen haben, die Ausführung der Absicht seiner Regierung, die russische Delegation wegen mangelnder Aufrichtigkeit auf deutscher und österreichisch-ungarischer Seite abzuberufen, in Schwebe zu lassen. Spannung zwischen der politischen Leitung und der Heeresleitung Das Auftreten des Generals Hoffmann am 12. Januar hat den Zustand schwerer Spannung bloßgelegt, die sich im Laufe der Verhandlungen mehr und mehr zwischen unserer politischen und militärischen Leitung herausentwickelt hatte. Eine unter dem Vorsitz des Kaisers am 2. Januar im Schloß Bellevue abgehaltene Beratung hatte die Gegensätze nicht ausgeglichen, sondern nur für den Augenblick überkleistert. Damals schon schwirrten Gerüchte über eine ernstliche Krisis durch die Luft, die sich bis zur Nachricht von dem Entlassungsgesuch des Generals Ludendorff verdichteten. Der Verlauf, den die Verhandlungen in Brest nach dem Eintreffen Trotzkis nahmen, entsprach in keiner Weise den Wünschen der Obersten Heeresleitung, die wegen der Notwendigkeit, für die Frühjahrsoperationen auf dem westlichen Kriegsschauplatz ihre Dispositionen zu treffen, auf eine rasche Entscheidung drängte und in der Trotzkischen Verhandlungsmethode nur den Versuch der Verschleppung und der revolutionären Propaganda erblickte. Am Sonntag, 13. Januar, am Tag nach der Hoffmannschen Erklärung in Brest, besuchte mich in der Frühe vor neun Uhr unangesagt der Kronprinz, der -- ebenso wie Hindenburg und Ludendorff -- in Berlin eingetroffen war. Er wollte offen und ungeschminkt meine Meinung über Herrn von Kühlmann hören, dem von der Obersten Heeresleitung die schwersten Vorwürfe wegen seiner Verhandlungsleitung gemacht würden. Ich legte dem Kronprinzen die außerordentlichen Schwierigkeiten dar, unter denen Kühlmann zu verhandeln hatte und die meines Erachtens von der Obersten Heeresleitung nicht in vollem Umfang erkannt und gewürdigt würden. Kühlmann habe im Kampf mit einem so gerissenen, skrupellosen und zielbewußten Gegner wie Trotzki stets auch unsere Bundesgenossen und unsere eigene innere Lage im Auge zu behalten. Ich machte kein Hehl daraus, daß nach meiner Ansicht der Kardinalfehler darin liege, daß wir in diese schwierigen Verhandlungen hineingegangen seien, ohne daß vorher eine klare Verständigung zwischen unserer politischen und militärischen Leitung und zwischen uns und Österreich-Ungarn herbeigeführt worden sei. Daraus müsse man für künftige Verhandlungen lernen; ich könne aber nur auf das dringendste widerraten, jetzt Herrn von Kühlmann abzuhalftern. Das Wesentlichste sei, daß Reichskanzler und Oberste Heeresleitung sich endlich aufrichtig und vollständig über das verständigten, was sie von den Russen wollten; nötigenfalls müsse der Kaiser ein Machtwort sprechen und eine klare Parole ausgeben. Der Kronprinz sagte mir am Schluß der zweistündigen Unterhaltung, er halte es für dringend geboten, daß ich mit Ludendorff über die Sache spräche. Als ich es ablehnte, meinerseits in einer Angelegenheit, die außerhalb meines Aufgabenkreises liege, einen Schritt bei dem General Ludendorff zu tun, antwortete er, dann werde er Ludendorff veranlassen, sich an mich zu wenden. Auf diese Weise hatte ich Gelegenheit, noch an dem gleichen Nachmittag dem General Ludendorff meine Ansichten über Sache und Personen darzulegen und so dazu beizutragen, daß damals in der kritischen Zuspitzung der Brester Verhandlungen ein Wechsel in der Leitung unserer auswärtigen Politik und in der Führung der Friedensdelegation vermieden wurde. Der Friedensvertrag mit der Ukraine In Brest-Litowsk wurden angesichts der Stockung, die in den Verhandlungen mit der russischen Delegation infolge der Unvereinbarkeit der beiderseitigen Formulierungen eintrat, Sonderverhandlungen mit der ukrainischen Delegation geführt. Eine am 13. Januar stattgehabte vertrauliche Aussprache zwischen der deutschen und der ukrainischen Delegation ergab, daß die ukrainische Delegation in Anwendung des Selbstbestimmungsrechts des ukrainischen Volkes auf die Regelung zweier Fragen einen besonders großen Wert legte: auf die Einbeziehung des früher zu Kongreßpolen gehörigen und erst im Jahre 1911 von der russischen Regierung aus dem Generalgouvernement Warschau ausgesonderten Gouvernements Cholm in das Gebiet der ukrainischen Volksrepublik; ferner auf Autonomie für den ganz vorwiegend von Ukrainern (Ruthenen) bevölkerten östlichen Teil Galiziens und nördlichen Teil der Bukowina. Hinsichtlich Ostgaliziens verlangte in jener Unterredung der ukrainische Staatssekretär Holubowitsch in erster Linie sogar eine Volksabstimmung über die Zugehörigkeit zum österreichischen oder zum ukrainischen Staat. Herr von Kühlmann behielt sich seine Stellungnahme zur Cholmer Frage vor; hinsichtlich Ostgaliziens erklärte er, jede Macht, die nicht die territoriale Integrität unserer Bundesgenossen als erste Voraussetzung jeder Verhandlung unbedingt annehme, erkläre damit, daß sie nicht den Frieden, sondern den Krieg wünsche. Die ukrainische Delegation kam bei den weiteren Verhandlungen auf den Wunsch einer Angliederung österreichischer Gebiete nicht zurück, bestand aber auf der Angliederung des größtenteils von Ukrainern bewohnten Gouvernements Cholm und auf besonderen Sicherungen für die nationalen und politischen Rechte der ukrainischen Bevölkerung des österreichischen Staatsgebietes. Graf Czernin lehnte zwar anfangs jede Einmischung in die inneren Verhältnisse der Monarchie ab, zeigte auch Neigung, das Cholmer Gouvernement für das künftige Polen zu beanspruchen, gab aber dann in beiden Punkten nach. Ausschlaggebend war offenbar für ihm die Hoffnung, durch einen raschen Friedensschluß mit der Ukraine der schwierigen Ernährungslage Österreichs wirksam abhelfen zu können. Dieser Gesichtspunkt war für ihn so wichtig, daß er um seinetwillen die sicher zu erwartende tödliche Feindschaft der in Österreich so einflußreichen Polen in Kauf nahm. Hinsichtlich des Gouvernements Cholm begnügte er sich mit der Kautel, daß die Grenze zwischen der Ukraine und Polen im einzelnen nach den ethnographischen Verhältnissen und unter Berücksichtigung der Wünsche der Bevölkerung durch eine gemischte Kommission festgesetzt werden solle. Hinsichtlich der ostgalizischen Frage schlug Graf Czernin eine Deklaration vor, nach der Österreich der innerhalb seiner Grenzen wohnenden ukrainischen Bevölkerung und die Ukraine den in ihren Grenzen bleibenden polnischen Minoritäten die freie nationale und kulturelle Entwicklung gewährleisteten. Er fügte hinzu, daß er sich diese Gewährleistung so denke, daß die Ukrainer Ostgaliziens eine eigene Provinz innerhalb Österreichs bilden würden. Auf dieser Grundlage kam die Einigung zustande. Die Vereinbarung über die Gewährung der Autonomie an die österreichischen Ukrainer sollte in Rücksicht auf den zu erwartenden heftigen Widerstand der galizischen Polen einstweilen geheimgehalten werden; sie wurde deshalb auch nicht in den öffentlichen Friedensvertrag aufgenommen. Außerdem wurde dieses Zugeständnis an einige wichtige Bedingungen gebunden, vor allem an das Zustandekommen des Friedensvertrages innerhalb einer kurzbemessenen Frist und an die Lieferung von mindestens einer Million Tonnen Getreide durch die Ukraine bis zum 1. August 1918. Das Wort »Brotfriede«, das Graf Czernin später für den Frieden mit der Ukraine prägte, war bezeichnend; denn soweit Österreich in Betracht kam, ging dieser Friede in der Tat nach Brot. Im übrigen war für den Friedensvertrag mit der Ukraine, namentlich für seinen wirtschaftlichen und seinen rechtlichen Teil, in den Kommissionsverhandlungen über den russischen Friedensvertrag bereits wertvolle technische Vorarbeit geleistet worden. Da außerdem auf beiden Seiten der gute Wille vorhanden war, rasch zu einem Abschluß zu kommen, wurde in der kurzen Zeit bis zum 20. Januar so weit Übereinstimmung über die Grundlagen des abzuschließenden Friedens erzielt, daß die Delegationen zur letzten Besprechung mit ihren Regierungen nach Hause reisen konnten. Als Ende Januar die Chefs der Delegationen nach Brest zurückgekehrt waren und die Verhandlungen wieder aufgenommen wurden, bot Trotzki alles auf, um das Zustandekommen des Friedens mit der Ukraine zu verhindern. Er führte zwei Vertreter der ukrainischen Arbeiter-, Bauern- und Soldatendeputierten, die sich inzwischen in Charkow als Gegenregierung gegen die Zentralrada in Kiew konstituiert hatten, als Mitglieder der russischen Delegation ein und erklärte, nachdem der größte Teil der Kiewer Garnison zur ukrainischen Sowjetregierung übergegangen sei, werde die Kiewer Rada, mit deren Delegierten die Vertreter des Vierbundes bisher verhandelt hatten, überhaupt nur noch wenige Tage existieren. Jedenfalls könnten nur solche mit der Ukraine getroffenen Abmachungen anerkannt werden, die durch die Regierung der föderativen russischen Republik ihre formelle Bestätigung erhielten. Demgegenüber erklärte die ukrainische Delegation, daß die ukrainische Volksrepublik sich ursprünglich bemüht habe, eine Föderation der verschiedenen auf dem Gebiet des früheren russischen Kaiserreiches entstandenen Republiken zu schaffen, daß aber, nachdem diese Versuche gescheitert seien, die ukrainische Zentralrada die ukrainische Volksrepublik am 24. Januar zu einem ganz selbständigen und von niemand abhängigen Staat proklamiert habe. Die Differenzen mit den ukrainischen Bolschewisten seien eine innere Angelegenheit der ukrainischen Volksrepublik, die auf deren völkerrechtliche Stellung keinen Einfluß haben könne. Die Unruhen in der Ukraine seien von der Petersburger bolschewistischen Regierung mit Hilfe nichtukrainischer Soldaten, die in einzelnen Städten Soldatenräte gebildet hätten, hervorgerufen worden. Die Wahlen zur russischen Konstituierenden Nationalversammlung hätten in der Ukraine eine Mehrheit von mehr als drei Vierteln zugunsten der ukrainischen Zentralrada ergeben, und eine Minderheit von nur zehn Prozent für die Bolschewisten. Graf Czernin erklärte im Namen der Delegationen der vier verbündeten Mächte, daß für diese kein Anlaß vorliege, die am 12. Januar ausgesprochene Anerkennung der ukrainischen Delegation als einer selbständigen Delegation und als einer bevollmächtigten Vertretung der ukrainischen Volksrepublik zurückzunehmen oder einzuschränken; die Regierungen des Vierbundes sähen sich vielmehr weiter veranlaßt, die ukrainische Volksrepublik schon jetzt als unabhängigen, freien, souveränen Staat anzuerkennen, der in der Lage sei, selbständig internationale Abmachungen zu treffen. Am 9. Februar morgens zwei Uhr wurde der Friedensvertrag zwischen den Regierungen des Vierbundes und der ukrainischen Volksrepublik unterzeichnet. Es war der erste Friedensschluß im Weltkrieg. Er betraf den wirtschaftlich wichtigsten Teil des Russischen Reiches; denn die Ukraine hatte in Friedenszeiten von der Getreideausfuhr Rußlands 40 vom Hundert, von seiner Zuckerausfuhr sogar 80 vom Hundert aufgebracht, und von der russischen Kohlenförderung und Eisengewinnung entfielen etwa zwei Drittel auf die ukrainischen Gruben und Werke. Die letzte Phase der Brester Friedensverhandlungen An dem gleichen Tag, in dessen ersten Morgenstunden der ukrainische Friedensvertrag unterzeichnet worden war, erklärte Herr Trotzki: Vom russischen Standpunkt sei die Anwendung, die von der Gegenseite dem Grundsatz der Selbstbestimmung der Völker gegeben werde, gleichbedeutend mit der Ablehnung dieses Grundsatzes. Außerdem sei eine neue Schwierigkeit entstanden durch die Stellungnahme des Vierbundes gegenüber der Ukraine. Er protestierte gegen den Abschluß des ukrainischen Friedensvertrages und bemerkte, die Handlungsweise des Vierbundes müsse Zweifel hervorrufen, ob die Mittelmächte zu einer Verständigung mit der Regierung des föderativen Rußland gelangen wollten. Noch einmal versuchte Graf Czernin durch einen Kompromißvorschlag die Fortsetzung der Verhandlungen zu retten. Aber auch die neue Formulierung, die Herr von Kühlmann im Einverständnis mit dem Grafen Czernin den russischen Delegierten vorschlug, fand nur Ablehnung. Schließlich führte Herr Trotzki in der Sitzung vom 10. Februar aus, daß nach Ansicht seiner Delegation jetzt die Entscheidungsstunde gekommen sei. Rußland wolle keinen Teil mehr am Krieg haben; deshalb führe Rußland sein Heer und Volk aus dem Kriege heraus. Unter Verzicht auf die Unterzeichnung eines Friedensvertrages erkläre Rußland den Kriegszustand mit Deutschland, Österreich-Ungarn, der Türkei und Bulgarien für beendigt und erteile gleichzeitig den Befehl zur völligen Demobilisation der russischen Streitkräfte an allen Fronten. Für die aus dieser Lage sich ergebenden weiteren Besprechungen zwischen den Mächten des Vierbundes und Rußland über die Gestaltung der wechselseitigen diplomatischen, konsularischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen verwies Herr Trotzki auf den Weg unmittelbaren Verkehrs zwischen den beteiligten Regierungen und auf die bereits in Petersburg befindlichen Kommissionen des Vierbundes. Herr von Kühlmann hatte die Geistesgegenwart, sofort die durch diese überraschende Erklärung geschaffene Situation zu präzisieren. Er stellte fest, daß der Vierbund mit der russischen Regierung im Kriege stehe, daß die Kriegshandlungen zwar durch den Waffenstillstand eingestellt seien, bei Wegfall dieses Vertrages aber wieder aufleben würden. Der Waffenstillstandsvertrag bezeichne als seinen Zweck den Abschluß des Friedens. Komme dieser Zweck des Waffenstillstandsvertrages in Wegfall, so würden die Kriegshandlungen nach Ablauf der vorgesehenen Frist wieder aufleben. Die Tatsache, daß die eine von den beiden Parteien demobilisiere, würde hieran weder tatsächlich noch rechtlich etwas ändern. Im Anschluß an diese Feststellung schlug er für den nächsten Tag eine Vollsitzung vor, in der die Stellungnahme der Verbündeten zu den neuesten Mitteilungen der russischen Delegation bekanntgegeben werden sollte. Herr Trotzki erwiderte, die russische Delegation habe jetzt alle ihre Vollmachten erschöpft und halte es für notwendig, nach Petersburg zurückzukehren. Die Mitteilungen, welche die Delegationen des Vierbundes machen würden, werde die Regierung der föderativen russischen Republik beraten und darauf die Antwort erteilen. Bei der auf diese Sitzung folgenden Aussprache zwischen den diplomatischen und militärischen Unterhändlern Deutschlands und Österreich-Ungarns stellte sich Graf Czernin auf den Standpunkt, daß der durch die Erklärung Trotzkis geschaffene Zustand, der den Frieden »via facti« herbeiführe, akzeptiert werden müsse. Er behauptete später, daß auch Herr von Kühlmann, trotz seines vorsichtigen Vorbehaltes in der Sitzung selbst, sich dieser Auffassung angeschlossen habe, und daß einzig und allein der General Hoffmann eine abweichende Haltung eingenommen und die Kündigung des Waffenstillstandes, den Vormarsch nach Petersburg und die militärische Unterstützung der Ukraine gefordert habe. In der Tat vertrat Herr von Kühlmann, der alsbald nach Deutschland zurückkehrte, gegenüber den Forderungen der Obersten Heeresleitung einen Standpunkt, der sich demjenigen des Grafen Czernin näherte. Demgegenüber verlangte das Große Hauptquartier, daß Trotzkis Erklärung als Kündigung des Waffenstillstandes behandelt und sofort nach Ablauf der siebentägigen Frist mit dem Vormarsch der deutschen Heere in Estland und Livland und dem Einmarsch in die von den Sowjettruppen auf das äußerste bedrängte Ukraine beantwortet werden müsse. Die offiziöse »Norddeutsche Allgemeine Zeitung« dagegen veröffentlichte eine Zuschrift eines Staatsrechtslehrers, in der ausgeführt wurde, die Erklärung Trotzkis habe hinsichtlich des Waffenstillstandes zur Folge, daß die Feindseligkeiten erst wieder aufgenommen werden könnten, wenn der Waffenstillstand unter Einhaltung der vertragsmäßigen Fristen ausdrücklich gekündigt worden sei. Die Entscheidung wurde in einer Beratung herbeigeführt, die am 13. Februar unter Vorsitz des Kaisers im Großen Hauptquartier zu Homburg stattfand. Sie fiel zugunsten der Auffassung und des Programms der Obersten Heeresleitung, nachdem auch der Reichskanzler Graf Hertling sich schließlich auf deren Standpunkt gestellt hatte. Herr von Kühlmann, der ursprünglich die Kabinettsfrage gestellt hatte, entschloß sich auf Drängen des Reichskanzlers zum Bleiben. Am 16. Februar veröffentlichte das Wolffsche Bureau eine offiziöse Note, die besagte: Durch die einseitige Erklärung Trotzkis sei selbstverständlich der Kriegszustand nicht beseitigt; vielmehr habe die Weigerung Trotzkis, einen Friedensvertrag zu unterzeichnen, die Herstellung des Friedens unmöglich gemacht. Gerade zur Herbeiführung des Friedens aber sei der Waffenstillstandsvertrag, wie seine Einleitung ausdrücklich hervorhebe, abgeschlossen worden. Der Verzicht auf den Frieden sei deshalb der Kündigung des Waffenstillstandes gleichzuachten; die Kündigung sei als am 10. Februar erfolgt anzusehen. Die deutsche Regierung müsse sich deshalb nach Ablauf der vertraglich vorgesehenen siebentägigen Frist freie Hand nach jeder Richtung vorbehalten. Am gleichen Tag überreichte die ukrainische Delegation in Brest-Litowsk der deutschen Regierung eine Botschaft an das deutsche Volk, in der sie die Hilfe des deutschen Heeres gegen die russischen Bolschewisten erbat, die in die Ukraine eingerückt waren. Ebenfalls an demselben Tag verließen die Kommissionen der verbündeten Regierungen, die nach Abschluß des Waffenstillstandes im Dezember 1917 zur Regelung des Austausches der Zivilgefangenen und dienstuntauglichen Kriegsgefangenen sowie zur Wiederherstellung des wirtschaftlichen Verkehrs nach Petersburg entsandt worden waren, die russische Hauptstadt. Bezeichnend war, daß ein Wiener Communiqué diesen Schritt mit der »durch die Anarchie bedingten Unsicherheit« begründete und hinzufügte: »Sobald die Sicherheitsverhältnisse in Petersburg es gestatten, wird sich die Kommission wieder dorthin zurückbegeben.« Am 17. Februar begannen die deutschen Truppen im Baltikum und in Wolhynien ihren Vormarsch. In wenigen Tagen war ganz Livland, fast ganz Estland und ein großer Teil Wolhyniens besetzt. Am 20. Februar ließ die russische Regierung einen Funkspruch ergehen, lautend: »Der Rat der Volkskommissare sieht sich veranlaßt, in Anbetracht der geschaffenen Lage sein Einverständnis zu erklären, den Frieden unter den Bedingungen zu unterzeichnen, die von den Delegierten des Vierbundes in Brest-Litowsk gestellt wurden.« Nun schwenkte auch Graf Czernin ein und ließ erklären: Die neue Wendung sei ausschließlich dem ohne Zögern erfolgten militärischen Vorgehen gegen die großrussische Republik zu danken; es sei selbstverständlich, daß diese Aktion auf dem Einvernehmen der beiden Mittelmächte beruhe; wenn bisher nur das Vorgehen deutscher Kräfte gemeldet werde, so ergebe sich das aus der Tatsache, daß das Schwergewicht der österreichisch-ungarischen Streitkräfte an dem südlichen Teil der Ostfront liege. -- Diese Begründung war natürlich nur ein durchsichtiger Vorwand; denn für die österreichisch-ungarischen Truppen hatte durchaus die Möglichkeit bestanden, sich an dem Einmarsch in die Ukraine zu beteiligen. Die deutsche Regierung beantwortete den russischen Funkspruch mit einem achtundvierzigstündigen Ultimatum, das die in Brest-Litowsk gestellten Bedingungen ergänzte und in einigen wesentlichen Punkten verschärfte. Insbesondere wurde neu verlangt, daß die aus der russischen Territorialhoheit ausscheidenden Gebiete in der Gegend von Dünaburg bis zur Ostgrenze Kurlands erweitert würden; ferner daß Livland und Estland von den russischen Truppen geräumt und von deutscher Polizeimacht besetzt werden sollten, bis Landeseinrichtungen die Sicherheit gewährleisteten und die staatliche Ordnung hergestellt sei. Außerdem hatte sich Rußland zu verpflichten, sofort Frieden mit der ukrainischen Volksrepublik zu schließen und sofort seine Truppen sowohl aus der Ukraine wie aus Finnland zurückzuziehen. Dieses Ultimatum wurde am 24. Februar von dem Vollzugsrat der großrussischen Sowjets mit 126 gegen 85 Stimmen bei 26 Stimmenthaltungen angenommen. Dagegen stimmten insbesondere die »linken Sozialrevolutionäre«. Am 2. März trafen die Delegationen Rußlands und der Vierbundmächte in Brest-Litowsk wieder zusammen. Bereits am folgenden Tag unterzeichneten die russischen Bevollmächtigten die ihnen vorgelegten Verträge unter ausdrücklichem Verzicht auf eine Durchberatung und auf Abänderungsanträge. Einen förmlichen Protest erhoben sie gegen einen von der türkischen Delegation mit Unterstützung der übrigen Vierbunddelegationen erst bei dieser neuen Zusammenkunft verlangten Zusatz, nach dem die kaukasischen Bezirke Erdehan, Kars und Batum ohne Verzug von den russischen Truppen geräumt werden sollten und Rußland sich zu verpflichten hatte, sich in die Neuordnung der staatsrechtlichen und völkerrechtlichen Verhältnisse dieser Bezirke nicht einzumischen, sondern es der Bevölkerung dieser Bezirke zu überlassen, die Neuordnung im Einvernehmen mit den Nachbarstaaten, namentlich der Türkei, durchzuführen. Aber die russische Delegation ließ es bei dem Protest bewenden und unterzeichnete auch diese Bestimmung. Der Führer der russischen Delegation, Herr Sokolnikow, erklärte: Rußland weiche der Gewalt, der Friede sei kein Verständigungsfriede. Die Randvölker würden unter dem Vorwand des Selbstbestimmungsrechts dem Einfluß des Gegners unterstellt, um die dort herrschenden Klassen gegen die Revolution zu schützen und die Kräfte der Gegenrevolution zu stärken. Auch in Finnland und der Ukraine schütze der Vierbund die revolutionsfeindlichen Bestrebungen. Rußland, durch den Bruch des Waffenstillstandes vergewaltigt, unterzeichne den Friedensvertrag ohne Verhandlung, nachdem es vergeblich an die deutschen Arbeiter appelliert habe. Der letzte Satz bestätigte erneut die Taktik Trotzkis und seiner Genossen in der russischen Regierung. Die bolschewistischen Machthaber brauchten den Frieden; denn durch das Friedensbedürfnis des völlig zerrütteten und erschöpften russischen Volkes waren sie zur Macht gekommen, und nur durch die -- wenigstens scheinbare -- Erfüllung des Friedensbedürfnisses konnten sie sich an der Macht halten. Das russische Heer lief ihnen unter den Händen auseinander. Es demobilisierte von selbst, längst ehe Trotzki am 10. Februar die Demobilisation ankündigte. Aber die Lenin und Trotzki hofften die Friedensverhandlungen so führen zu können, daß ihnen in den deutschen Mannschaften und Arbeitermassen eine Hilfstruppe erwüchse und daß die von ihnen erstrebte Weltrevolution Deutschland erfasse. Später, Anfang Juli 1918, hat Lenin auf dem Sowjetkongreß in Moskau gesagt: »Zwischen dem Sieg der Oktoberrevolution und der internationalen sozialistischen Revolution ist ein weiter Weg. Die Ausbrüche müssen in anderen Ländern beginnen. Wir haben während der Verhandlungen von Brest alles Mögliche getan, um diese Ausbrüche zu beschleunigen.« Die Bolschewisten sind in ihrer Hoffnung durch gewisse Vorgänge in Deutschland und Österreich-Ungarn zweifellos bestärkt worden. Die »Sozialistische Korrespondenz« berichtete Anfang Januar 1918, es sei ihr aus Stockholm aus einer vollkommen unanfechtbaren Quelle die Mitteilung zugegangen, daß die Bolschewiki in den Tagen vor Weihnachten von Führern der deutschen Unabhängigen Sozialdemokratie die dringende Mahnung erhalten hätten, die Friedensverhandlungen zu verschleppen, da die Entwicklung in Deutschland sich in ihrem, d. h. im revolutionären Sinn vollziehe; der Abschluß eines Separatfriedens zwischen Deutschland und Rußland wäre verwerflich, weil er diese Entwicklung in Deutschland beeinträchtigen und die herrschenden Schichten stärken würde. -- Eine Bestätigung solcher Aussichten mochten die Bolschewistenführer vor allem in der Streikbewegung erblicken, die in der letzten Januarwoche zuerst in Wien und den österreichischen Industriegebieten zum Ausbruch kam und alsbald auf Berlin übersprang. Der Streik in Berlin entstand gegen den Willen der Gewerkschaften und der alten Sozialdemokratie; aber die Sozialdemokraten traten in die Streikleitung ein, um die Führung zu gewinnen und den Streik »in geordnete Bahnen zu leiten«. Die Streikenden erhoben nicht nur wirtschaftliche, sondern auch weitgehende politische Forderungen. Die Reichsleitung, vertreten durch den Staatssekretär des Innern Wallraf, erklärte sich bereit, über die politischen Forderungen der Streikenden zwar mit den sozialdemokratischen Abgeordneten, nicht aber mit der »Streikleitung« oder dem »Arbeiterrat« zu verhandeln, und hielt diesen Standpunkt auch aufrecht. Der verschärfte Belagerungszustand wurde verfügt, ein Verbot von Versammlungen, auch von solchen der Streikleitung und des Arbeiterrats, wurde erlassen. Eine Anzahl von Agitatoren wurde verhaftet, darunter auch der Reichstagsabgeordnete Dittmann. Die Provinz verhielt sich in der Hauptsache ablehnend. Am 4. Februar war der Streik im wesentlichen zu Ende. Auch in Österreich, wo auf Grund der Nahrungsmittelkrisis die Streikbewegung einen größeren Umfang und einen bedenklicheren Charakter annahm, gelang es, ihrer Herr zu werden. Als Trotzki am 10. Februar die Verhandlungen abbrach, hatte er wohl noch eine letzte Hoffnung, daß die deutschen Truppen gegen das revolutionäre Rußland nicht marschieren würden. Der rasche Vormarsch belehrte die Petersburger Machthaber eines anderen. Die bisher für unmöglich gehaltene Besetzung Petersburgs rückte mit einemmal in nahe Sicht. Sie hätte, wie die Dinge damals lagen, voraussichtlich den Zusammenbruch der Bolschewistenherrschaft gebracht und damit die Hoffnungen auf die Weltrevolution vernichtet. Unter diesem Druck entschlossen sich die Bolschewisten auf das Drängen Lenins, auf jede Bedingung hin einzulenken, nicht in der Absicht, zu einem dauernden Frieden zu kommen, sondern um, wie Lenin selbst sich ausdrückte, eine »Atempause« zu gewinnen. Auch der schärfste Gegner der Bolschewisten kann der Politik der Lenin und Trotzki starkes Zielbewußtsein, zähe Tatkraft und verschlagene Gewandtheit nicht absprechen. Inmitten des katastrophalen russischen Zusammenbruchs vermochten sie in den Verhandlungen mit den militärisch siegreichen Gegnern sich zunächst die Initiative zu sichern. Sie vermochten ihr Programm zur Grundlage der Brester Verhandlungen zu machen und damit ihre siegreichen Gegner von vornherein in eine Verteidigungsstellung zu zwingen. Ja, sie fanden die Kraft zu einer aggressiven Bedrohung des Rückens ihrer Verhandlungsgegner, indem sie deren Völker zum Kampf gegen deren Staats- und Gesellschaftsordnung aufriefen und indem sie den Versuch machten, den Krieg zwischen den Völkern durch den Klassenkampf des internationalen Proletariats gegen den »Kapitalismus« zu beendigen. Wenn auch dieser kühne Versuch im Augenblick durch den Gegenzug des Friedensschlusses mit der Ukraine und unser entschlossenes militärisches Vorgehen durchkreuzt wurde, so war dieser Versuch doch keineswegs vereitelt. Er wurde vielmehr auch während der »Atempause« mit Zähigkeit und in stiller Arbeit weitergeführt; die Ereignisse seit dem November 1918 haben gezeigt, mit welchem Erfolg. Der Friede von Bukarest An den Schlußverhandlungen in Brest-Litowsk hatten Herr von Kühlmann und Graf Czernin nicht mehr teilgenommen. Sie hatten sich noch im Februar nach Bukarest begeben, um dort in Friedensverhandlungen mit der rumänischen Regierung einzutreten. Die rumänische Armee hatte gleichzeitig mit der russischen Anfang Dezember 1917 Waffenruhe und Waffenstillstand mit der Heeresleitung der Vierbundmächte abgeschlossen. Aber bald war es zwischen den rumänischen Truppen, denen sich der russische Oberbefehlshaber an der rumänischen Front, General Tscherbatscheff, mit einem Teil seiner Truppen anschloß, und den bolschewistisch gesinnten, nach der Heimat zurückflutenden russischen Verbänden zu Streitigkeiten und Feindseligkeiten gekommen, die zu scharfen russischen Noten an die rumänische Regierung, vorübergehend zur Verhaftung des rumänischen Gesandten in Petersburg, schließlich zu Ultimaten und Ende Januar 1918 zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Sowjetrußland und Rumänien führten. General Tscherbatscheff wurde zum »Feind des Volkes« erklärt und außerhalb des Gesetzes gestellt. Die Haltung der rumänischen Regierung und des rumänischen Heeres zu Deutschland und seinen Verbündeten war in jener Zeit undurchsichtig. Eine Zeitlang schien es, als ob die auf die Moldau zusammengedrängte, zwischen die Heere des Vierbundes und Rußlands eingekeilte rumänische Armee den Kampf wieder aufnehmen wolle. Nach dieser Richtung arbeitete insbesondere die rumänische Königin, unterstützt von General Tscherbatscheff und den Militärmissionen der Entente. Gegen diese Politik machte sich in Rumänien selbst eine starke Gegenströmung geltend. Eine Gruppe angesehener rumänischer Politiker, die sich um den alten Peter Carp und den langjährigen Gesandten in Berlin, Herrn Beldiman, scharte, hatte das Eintreten Rumäniens in den Krieg gegen Deutschland stets verurteilt und nahm jetzt scharfe Front gegen das rumänische Königshaus, dessen verräterische Politik all das Unglück über das Land gebracht hatte. Diese Gruppe trat mit der deutschen Regierung in Fühlung, um sich darüber zu vergewissern, ob Deutschland geneigt sei, mit einer neuen rumänischen Regierung, die den König und sein Haus für des Thrones verlustig erklären würde, in Verhandlungen einzutreten und einen für Rumänien erträglichen Frieden abzuschließen. Die nach dieser Richtung gehenden Pläne wurden jedoch durchkreuzt durch einen Schritt der österreichisch-ungarischen Politik. Kaiser Karl schickte, soviel ich weiß, ohne die Berliner Regierung zu befragen oder auch nur zu benachrichtigen, Ende Januar 1918 den früheren Militärattaché in Bukarest, den Obersten Randa, in geheimer Mission zu dem König von Rumänien und ließ diesen seiner Bereitwilligkeit versichern, Rumänien einen ehrenvollen Frieden zu bewilligen. Graf Czernin hat in seiner Rede vom 11. Dezember 1918 den Versuch gemacht, diesen auffallenden Schritt wie folgt zu begründen: »Mit der Möglichkeit, zu Friedensverhandlungen mit Rumänien zu gelangen, wurde schon damals gerechnet, als die Verhandlungen mit der russischen Friedensdelegation in Brest-Litowsk ihren Anfang nahmen. Um zu verhindern, daß auch Rumänien sich diesen Verhandlungen anschließe, ließ man deutscherseits die rumänische Regierung wissen, daß man mit dem gegenwärtigen König und der gegenwärtigen Regierung nicht verhandeln wolle. Dieser Schritt hatte jedoch nur den Zweck, gesonderte Verhandlungen mit Rumänien zu ermöglichen, da Deutschland befürchtete, daß die Einbeziehung Rumäniens in die Brester Verhandlungen die Chancen des Friedens gefährden könnte. Daraufhin schien der Gedanke Rumäniens, den Krieg dennoch fortführen zu wollen, die Oberhand zu gewinnen. Ende Januar wurde daher seitens Österreich-Ungarns die Initiative ergriffen, um die Verhandlungen mit Rumänien zu ermöglichen.« Diese Darstellung ist durchaus schief. Das ergibt sich schon daraus, daß bei dem sich bis zum Abbruch der Beziehungen und Kriegsdrohungen steigernden schlechten Verhältnis zwischen Sowjetrußland und dem offiziellen Rumänien eine gemeinschaftliche Verhandlung in Brest-Litowsk, auf deren Verhinderung es der deutschen Regierung angeblich ankam, außerhalb des Bereiches der Möglichkeit lag. Die Frage der rumänischen Dynastie und der rumänischen Regierung wurde von der deutschen Regierung lediglich von dem sachlichen Gesichtspunkte aus behandelt, ob eine aufrichtige Verständigung und ein dauernder Friede mit Rumänien unter der schwer kompromittierten Dynastie und der verräterischen, von Grund aus deutschfeindlichen Regierung der Bratianu und Take Jonescu überhaupt möglich sei. Die österreichisch-ungarische Politik hatte es um so weniger nötig, deutsche Verschleppungsabsichten zu durchkreuzen, als -- wie Graf Czernin feststellt -- die deutsche Oberste Heeresleitung in Rücksicht auf ihre geplante Offensive auf dem westlichen Kriegsschauplatz auf einen raschen Abschluß mit Rumänien drängte. Die wirklichen Motive der österreichisch-ungarischen »Initiative« bei König Ferdinand mögen einmal in gewissen dynastischen Erwägungen bestanden haben; man sprach damals von der Befürchtung, daß die Absetzung des rumänischen Königs eine weitere Erschütterung des monarchischen Gedankens zur Folge haben und nicht ohne Rückwirkung auf die Stellung der Dynastien in den Mittelmächten bleiben werde. Ferner mag mitgespielt haben die alte Eifersucht Österreich-Ungarns auf Deutschlands Position in Rumänien, die durch eine neue Regierung einer ausgesprochen deutschfreundlichen Gruppe und durch die Einsetzung einer neuen, Deutschland zugeneigten Dynastie eine Stärkung hätte erfahren müssen. Wie dem aber auch sei -- nachdem der Kaiser von Österreich und mit ihm die österreichisch-ungarische Politik sich auf die Erhaltung der rumänischen Dynastie festgelegt hatte, ließ man auf deutscher Seite -- zur großen Enttäuschung und Verstimmung, ja Erbitterung der deutschfreundlichen rumänischen Politiker, die sich bereits stark gegen die Dynastie engagiert hatten -- die Bedingung der Abdankung des Königs fallen. Ein Boden für aussichtsreiche Verhandlungen war aber erst vorhanden, nachdem am 10. Februar das Kabinett Bratianu demissioniert hatte und durch eine neue Regierung unter dem Vorsitz des Generals Avarescu ersetzt worden war; und erst, nachdem späterhin, am 19. März, der den Mittelmächten zuneigende konservative Führer Marghiloman als Ministerpräsident an die Stelle von Avarescu getreten war, kamen die Verhandlungen in rascheren Fluß. Die Verhandlungslage war von Anfang an eine äußerst schwierige, da deutsche, österreichisch-ungarische, bulgarische und türkische Interessen kreuz und quer durcheinanderliefen und vielfach miteinander in Widerstreit standen. Deutschland war territorial nicht interessiert. Dagegen war es für uns von Wichtigkeit, uns sowohl für die Fortdauer des Krieges mit den Westmächten und Amerika, wie auch für die Eventualität eines »Wirtschaftskrieges nach dem Kriege« den Bezug von Getreide und Futtermitteln sowie von Petroleum aus Rumänien nach jeder Möglichkeit zu sichern. Außerdem mußte unserem Interesse an den durch Rumänien nach der Levante führenden Verkehrswegen, sowohl an den Eisenbahnen wie an dem Donauwege, Rechnung getragen werden. Die Frage der Bahn von Cernavoda nach Constantza und der dem Zug dieser Bahn folgenden Röhrenleitung für Petroleum, ebenso die Frage des Hafens von Constantza waren in dieser Beziehung besonders wichtig, und zwar sowohl für Deutschland und Österreich-Ungarn als auch für Rumänien. Denn wenn die Dobrudscha, wie Bulgarien dies wünschte, an Bulgarien kam, beherrschte dieses die gesamten Eisenbahnwege der Mittelmächte nach dem Schwarzen Meer und war Rumänien von jeder eigenen Bahnverbindung nach dem Meere abgeschlossen. Es mußten deshalb hier besondere Abmachungen zur Sicherung des Verkehrsinteresses der Mittelmächte und Rumäniens vorgesehen werden. Österreich-Ungarn war an den rumänischen Verkehrswegen sowie an der Sicherung des Bezugs von rumänischem Getreide in ähnlicher Weise interessiert wie wir. In der Petroleumfrage war die Position der Donaumonarchie insofern von der unsrigen verschieden, als Österreich-Ungarn in Galizien über eigene große Petroleumvorkommen verfügte, die mit den rumänischen in Konkurrenz standen, und als österreichisch-ungarisches Kapital in der rumänischen Petroleumindustrie, in der große deutsche Kapitalien investiert waren, bisher nicht interessiert war. Aber die österreichisch-ungarische Regierung suchte die Friedensverhandlungen zu benutzen, um auch ihrerseits einen starken Einfluß in der Gewinnung und Verwertung des rumänischen Petroleums zu gewinnen. Ihre Wünsche und Interessen und diejenigen Deutschlands gingen in nicht unwesentlichen Punkten auseinander. Außerdem aber erschien Österreich-Ungarn, dessen Staatsmänner Deutschland gegenüber nie genug Enthaltsamkeit predigen konnten, mit sehr erheblichen territorialen Wünschen auf dem Plan. Die ungarische Regierung, das ungarische Parlament und die ungarische öffentliche Meinung verlangten, angeblich aus strategischen Gründen, sehr umfangreiche »Grenzrektifikationen«, durch die eine Anzahl von Städten, wie Turn-Severin, Sinaia und Ocna, außerdem wertvolle Erdölgebiete in der Moldau an Ungarn gekommen wären. Graf Czernin erhob zwar gegen diese außerordentlich weitgehenden Forderungen Widerspruch, sah sich aber infolge des starken ungarischen Druckes genötigt, diese Forderungen zu präsentieren und zu vertreten. Erst nachdem Marghiloman, der vorher dem Grafen Czernin befriedigende Zusagen über seine Politik gegenüber der Donaumonarchie gegeben hatte, an die Spitze der rumänischen Regierung getreten war, ließ Czernin einen großen Teil seiner territorialen Forderungen gegen das Zugeständnis des immer noch erheblichen Restes fallen. Für dieses Zugeständnis sicherte Graf Czernin der rumänischen Regierung seine diplomatische Unterstützung der rumänischen Wünsche auf Bessarabien zu. Bulgariens Forderungen gingen auf Angliederung der ganzen Dobrudscha. Zugesagt worden war Bulgarien von den beiden Mittelmächten vor seinem Eintritt in den Krieg gegen Rumänien, daß es den ihm von Rumänien im zweiten Balkankrieg abgenommenen südlichen Teil der Dobrudscha mit einer Grenzberichtigung zurückerhalten solle. Deutschland und Österreich-Ungarn waren nun bereit, für die Überlassung der ganzen Dobrudscha an Bulgarien einzutreten; die deutsche Regierung knüpfte jedoch daran die Bedingung, daß eine befriedigende Einigung über die Eisenbahn Cernavoda-Constantza und den Häfen Constantza erfolge, sowie daß die deutschen wirtschaftlichen Interessen in den Bulgarien auf Kosten Serbiens zufallenden Gebieten berücksichtigt und sichergestellt würden. Durch den Anspruch Bulgariens auf die Dobrudscha entstanden ferner erhebliche Schwierigkeiten mit der Türkei. Die Türkei hatte ein nicht unbeträchtliches Kontingent zu der Armee gestellt, die im Laufe des rumänischen Feldzuges die Dobrudscha erobert hatte. Darauf gestützt, verlangte die türkische Regierung für den Fall der Überlassung der Dobrudscha an Bulgarien nicht nur die Rückgabe des Gebietes, das sie im Jahre 1915 an Bulgarien als Preis für dessen Eintreten in den Krieg hatte herausgeben müssen, sondern darüber hinaus noch einen Teil der Bezirke, die sie in den Balkankriegen an Bulgarien verloren hatte. Bulgarien seinerseits setzte diesen Forderungen den stärksten Widerstand entgegen. Diese Lage barg so starke und gefährliche Konfliktsmöglichkeiten, daß mir angesichts des Fortganges des Krieges mit der Koalition unserer Feinde, die auch nach dem Ausscheiden Rußlands und Rumäniens eine erdrückende Übermacht darstellte, die rasche und glatte Beilegung der rumänischen Fragen als eine zwingende Notwendigkeit erschien. Dazu kam, daß einmal die Oberste Heeresleitung die noch an der rumänischen Front stehenden Truppen für die Durchführung der von ihr im Westen geplanten Offensive dringend benötigte und auf einen raschen Abschluß mit Rumänien hindrängte; daß ferner die Vorteile, die man sich für Deutschland und namentlich auch für Österreich-Ungarn auf dem Gebiet der Volksernährung von dem Friedensschluß mit der Ukraine versprach, nur dann voll ausgenutzt werden konnten, wenn durch den Friedensschluß mit Rumänien der Weg über die Moldau nach den wichtigsten ukrainischen Getreidebezirken freigemacht wurde. Außerdem schien es mir geboten, den Frieden so zu gestalten, daß für die Zukunft ein gutes Verhältnis zwischen Deutschland und Rumänien wieder möglich gemacht würde. Wir hatten, wenn erst der Friede wiederhergestellt war, mangels direkter Grenzen mit Rumänien keine Möglichkeit, mit militärischen Machtmitteln auf Rumänien zu drücken, und waren deshalb, mehr als Österreich-Ungarn, darauf angewiesen, die Sicherung unserer großen wirtschaftlichen und auch politischen Interessen in Rumänien in der Herstellung von Beziehungen zu suchen, bei denen auch Rumänien seinen Vorteil finden konnte. Mit diesen Gesichtspunkten schien mir ein erheblicher Teil der Forderungen, die für die Friedensverhandlungen mit Rumänien aufgestellt worden waren, nicht in Einklang zu stehen. Vor allem schienen mir die teilweise von dem Auswärtigen Amt, teilweise von der Obersten Heeresleitung ausgearbeiteten Vertragsbestimmungen über die Petroleumfrage und das Eisenbahnwesen über das Ziel hinauszuschießen. Der Entwurf der handelspolitischen Abteilung des Auswärtigen Amtes verlangte nichts weniger als die Überlassung des gesamten Bergregals, natürlich einschließlich der Schürf- und Ausbeuteberechtigungen auf Petroleum, an das Deutsche Reich. Außerdem sollte Rumänien sein ganzes Eisenbahnnetz an eine von Deutschland zu kontrollierende Gesellschaft abtreten. Wenn daneben die Oberste Heeresleitung die heikle Frage der Bahn Cernavoda-Constantza und des Hafens Constantza durch den territorialen Erwerb der Bahn und des Hafens und eines Geländestreifens zu beiden Seiten der Bahn regeln wollte, so mußte das einen schweren Konflikt mit Bulgarien und, wenn wir für den Augenblick diese Forderung durchsetzten, eine dauernd schwere Belastung unseres Verhältnisses zu diesem Balkanstaat bilden. Nachdem ich mir eine Übersicht über die Wünsche der einzelnen deutschen Stellen hinsichtlich des rumänischen Friedens verschafft hatte, veranlaßte ich deshalb den Reichskanzler, die Ressortchefs zu einer Besprechung der beim Friedensschluß mit Rumänien zu verfolgenden Richtlinien einzuladen. Ich erklärte in dieser Besprechung, die mir übertragene Aufgabe der einheitlichen Zusammenfassung der Vorarbeiten für den wirtschaftlichen Teil der Verhandlungen nicht durchführen zu können, wenn nicht der Reichskanzler eine klare Parole ausgebe. Meinerseits sprach ich mich mit den oben angedeuteten Gründen für eine billige Verständigung unter Vermeidung jeder überflüssigen Härte aus. Der Reichskanzler schloß sich meinem Standpunkt an. Infolgedessen wurden die Absichten, Rumänien seine Bodenschätze und seine Eisenbahnen wegzunehmen und den Verkehrsweg Cernavoda-Constantza mit dem Hafen Constantza durch eine territoriale Erwerbung zu sichern, aufgegeben und vereinbart, daß die Sicherung unserer sehr wichtigen Petroleuminteressen durch ein Petroleumhandelsmonopol erfolgen solle, an dem die rumänische Regierung uns eine maßgebende Mitwirkung und Beteiligung zuzugestehen hätte; daß hinsichtlich der rumänischen Eisenbahnen lediglich vertragsmäßige Abmachungen über die Tarifpolitik usw. getroffen werden sollten; daß schließlich der Hafen von Constantza zum Freihafen gemacht und der Betrieb dieses Freihafens sowie der Betrieb der Eisenbahn Cernavoda-Constantza an eine das Durchfuhrinteresse der Mittelmächte und Rumäniens sichernde Betriebsgesellschaft übertragen werden sollte. Die für die Verhandlungen mit Rumänien bestimmten Vertreter reisten ab, ehe die neuen Richtlinien im einzelnen durchgearbeitet waren. Das galt insbesondere für die schwierige Regelung der Petroleumfrage. Da auch die Vertreter der an der rumänischen Petroleumindustrie beteiligten deutschen Unternehmungen sich nach Bukarest begaben, wurde vereinbart, daß die weitere Durcharbeitung und endgültige Feststellung unserer in Sachen des Petroleums zu machenden Vorschläge in Bukarest in Fühlungnahme mit den deutschen Interessenten und Sachverständigen erfolgen solle. Leider hat diese Fühlungnahme nicht, oder jedenfalls nicht in dem im Interesse der Sache gebotenen Umfange, stattgefunden. Meine eigene Einwirkung auf das, was in Bukarest vorging, war -- ebenso wie das schon bei den Brester Verhandlungen der Fall war -- nur gering. Ich sah mich im Laufe der Verhandlungen genötigt, bei dem Reichskanzler nachdrücklich darauf hinzuweisen, daß die von mir im Rahmen meines Auftrages geleistete Arbeit durch die ungenügende Art der Berichterstattung über den Gang der Verhandlungen und die mangelhafte Beachtung der in Berlin unter meiner Leitung getroffenen Vereinbarungen größtenteils entwertet werde und daß ich für meine Person eine Verantwortung für das Ergebnis der Verhandlungen ablehnen müsse. Vor allem aber litten die Bukarester Verhandlungen unter dem gleichen Fehler, der vor dem Beginn der Verhandlungen mit Rußland gemacht worden war: es war auch hier versäumt worden, vor dem Eintritt in die Verhandlungen mit Rumänien eine Einigung mit unseren Verbündeten herbeizuführen. Die Folge war, daß die Bukarester Verhandlungen auf das schwerste beeinträchtigt wurden durch die unausgeglichen gebliebenen starken Interessenkonflikte zwischen den Bundesgenossen. Insbesondere die bulgarisch-türkischen Differenzen spitzten sich in einer für den Bestand des Bündnisses geradezu gefährlichen Weise zu. Die Lage wurde dadurch verschärft, daß auch hier zwischen unserer politischen Leitung und der Obersten Heeresleitung keine Übereinstimmung bestand; die Oberste Heeresleitung trat für eine sehr weitgehende Unterstützung der türkischen Wünsche auf Herausgabe bulgarischen Gebiets gegen Überlassung der Dobrudscha an Bulgarien ein, während das Auswärtige Amt der Überzeugung war, daß der von der Obersten Heeresleitung gewünschte Druck auf Bulgarien den Rücktritt des Ministeriums Radoslawow und seine Ersetzung durch ein deutschfeindliches Kabinett, damit die unmittelbare Gefahr eines Ausscheidens Bulgariens aus dem Vierbund zur Folge haben werde. Diese Gefahr wurde dadurch erhöht, daß die Oberste Heeresleitung auch in anderen Punkten die Überlassung der Dobrudscha an Bulgarien an Bedingungen knüpfen wollte, gegen die sich in Bulgarien eine starke Opposition regte. Auf der anderen Seite wollten die Bulgaren die Lage benutzen, um sich von der Rückzahlungspflicht für die von uns gewährten sehr erheblichen Vorschüsse ganz oder wenigstens zu einem großen Teil zu befreien. In diesem Punkt entstanden Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Auswärtigen Amt, dem Reichsschatzamt und der Obersten Heeresleitung. Die Lage hatte sich gegen Ostern so stark verwirrt und verschärft, daß Herr von Kühlmann, um eine Klärung zu versuchen, nach Berlin zurückreiste und die Ankunft des bulgarischen Finanzministers Tontschew ankündigte, der von seiner Regierung beauftragt wurde, in Berlin in direkter Verhandlung mit der Reichsregierung eine Verständigung herbeizuführen. Zu meiner Überraschung übertrug mir der Reichskanzler am Ostersamstag, 30. März, auf Antrag des Staatssekretärs von Kühlmann schriftlich die Leitung der Verhandlungen mit dem bulgarischen Bevollmächtigten, dessen Eintreffen bereits für die nächsten Tage erwartet wurde: Ich begab mich alsbald zum Kanzler und erklärte ihm zunächst, diesen Auftrag nicht übernehmen zu können, da ich in die mit Bulgarien streitigen Fragen nur teilweise eingeweiht sei. Der Kanzler bestand darauf, daß ich mich nicht versagen dürfe, zumal da die maßgebenden Männer der bulgarischen Regierung, denen ich von früheren Verhandlungen her bekannt war, auf meine Person ein besonderes Vertrauen setzten und eine durch mich herbeigeführte Vermittlung auch auf die gleichfalls in mich Vertrauen setzende türkische Regierung nicht ohne Einfluß bleiben werde. Ich erklärte mich schließlich bereit, den Auftrag zu übernehmen, jedoch unter der ausdrücklichen Voraussetzung, daß mir in den Stand der Streitfragen alsbald voller Einblick gegeben werde und daß ferner vor dem Beginn meiner Verhandlungen mit Herrn Tontschew eine klare politische Direktive festgestellt und ein einheitliches Verhalten sämtlicher an den Streitfragen mit Bulgarien beteiligten deutschen Stellen, einschließlich der Obersten Heeresleitung, gesichert werde. Die Prüfung der Sachlage zeigte, wie scharf die Meinungsverschiedenheiten zwischen Reichskanzler und Auswärtigem Amt einerseits, der Obersten Heeresleitung andererseits sich zugespitzt hatten. Unglücklicherweise wurde der Kanzler am Ostersonntag von einem Unwohlsein befallen, das ihn für einige Tage von allen Geschäften ausschaltete; der Staatssekretär des Auswärtigen hatte sich zu einem Vortrag beim Kaiser nach Süddeutschland begeben. Als gegen Ende der Woche nach Ostern ein gemeinschaftlicher Vortrag beim Kanzler wieder möglich wurde, empfahl ich auf das dringendste, vor der Einleitung irgendwelcher materieller Verhandlungen mit dem inzwischen in Berlin eingetroffenen Herrn Tontschew die zu verfolgende Linie durch eine persönliche Aussprache mit Hindenburg und Ludendorff herbeizuführen, eventuell Herrn Tontschew gleich mit nach dem Großen Hauptquartier zu nehmen. Nach meiner Erfahrung war in solchen Lagen die unmittelbare Aussprache der einzige Weg zur Einigung; mit mehr oder weniger gereizten Telegrammen verhandelte man sich nur immer weiter auseinander. Man stimmte mir zu; aber weder der Kanzler, der ohnedies im Lauf der folgenden Woche nach Spa reisen wollte, noch auch Herr von Kühlmann zeigten Neigung, ihrerseits die notwendige Besprechung mit den Herren von der Obersten Heeresleitung zu führen; Herr von Kühlmann meinte resigniert, wenn er einen Vorschlag mache, sei dies für die andere Seite schon ein genügender Grund zur Ablehnung. Unter diesen Umständen bestand der Kanzler darauf, daß ich zu Hindenburg und Ludendorff reisen und eine Einigung versuchen solle. Dieser Vorgang beleuchtete mir grell die Unhaltbarkeit der Verhältnisse in unserer politischen Leitung: Wir hatten in der schwersten Zeit unserer Geschichte einen Kanzler, der zum mindesten körperlich seinem Amte in keiner Weise mehr gewachsen war und der geistig jedenfalls nicht mehr die Spannkraft besaß, schwierige Fragen aufzunehmen und durchzukämpfen. Wir hatten einen Staatssekretär des Auswärtigen, der resigniert den Kampf mit der Obersten Heeresleitung für die von ihm für richtig gehaltene Politik aufgegeben hatte. Die taktisch geschickte Behandlung der Reichstagsparteien, in der Graf Hertling Meister geblieben war, und Kühlmanns wiederholte Bekenntnisse zu den Ideen der Reichstagsmehrheit täuschten die deutsche Öffentlichkeit über diesen unmöglichen Zustand hinweg; ja ich habe aus den Kreisen unserer Volksvertreter mitunter die lobende Feststellung gehört, daß unter dem Grafen Hertling die unter Herrn von Bethmann nie aufhörenden ärgerlichen Reibereien mit der Obersten Heeresleitung glücklicherweise ein Ende gefunden hätten, und daß jetzt eine erfreuliche Harmonie zwischen den drei großen politischen Faktoren, Reichsleitung, Reichstag und Oberster Heeresleitung bestehe! Diese »Harmonie« bestand nur auf der Oberfläche, und auch da nur um einen allzu hohen Preis. Ich kam im Großen Hauptquartier mit Hindenburg und Ludendorff zu einer nach meiner Ansicht sowohl für Bulgarien, wie für die Türkei und auch für uns erträglichen Einigung. Aber der Mangel an Einheitlichkeit in unserer Politik hatte bei den Bulgaren und bei den Türken Hoffnungen geweckt, die miteinander schlechthin unausgleichbar waren; und in dem wochenlangen Hin- und Herzerren hatten sich beide Teile so sehr auf ihre Forderungen festgerannt, daß der Vermittlungsversuch jetzt auf beiden Seiten eine starke Unnachgiebigkeit fand. Zwar konnte unser Gesandter in Sofia berichten, daß die Darlegungen des Herrn Tontschew über seine Berliner Verhandlungen im bulgarischen Ministerrat eine gewisse Entspannung der Lage herbeigeführt hätten; aber in Rücksicht auf die erregte öffentliche Meinung lehnten schließlich Herr Radoslawow und sein Kabinett in der mit den Türken streitigen territorialen Frage auch das bescheidene Maß von Entgegenkommen ab, das unser Vermittlungsvorschlag ihnen zumutete, während auf der anderen Seite der türkische Widerstand gegen jede Einschränkung der territorialen Forderungen sich erheblich versteift hatte. Bei der Fortsetzung der Verhandlungen in Bukarest gelang es unserem Staatssekretär des Auswärtigen nicht, diese Widerstände zu überwinden. So mußte der Friedensvertrag mit Rumänien schließlich am 7. Mai 1918 unterzeichnet werden, ohne daß die Streitfrage zwischen Bulgarien und der Türkei geregelt war. Infolgedessen konnte der bulgarische Wunsch, die ganze Dobrudscha im Friedensvertrag zu erhalten, nicht erfüllt werden. Der Vertrag gab vielmehr Bulgarien nur die von ihm im zweiten Balkankriege an Rumänien verlorene Süddobrudscha mit einer ansehnlichen Grenzberichtigung nach Norden hin, also das, was Bulgarien auf Grund der im September 1915 getroffenen Vereinbarungen zu beanspruchen berechtigt war. Der nördliche Teil der Dobrudscha mit Constantza und Cernavoda wurde an die vier verbündeten Mächte zu gemeinsamer Hand abgetreten, wobei mit Bulgarien Einverständnis darüber bestand, daß alsbald nach Behebung des türkischen Widerstands auch dieser Teil mit den für Constantza-Cernavoda vereinbarten Sicherungen an Bulgarien übergeben werden sollte. Sachlich konnte sich Bulgarien mit dieser Lösung abfinden. Aber während des unglücklichen Laufes der Verhandlungen hatte die Forderung der sofortigen Überlassung der ganzen Dobrudscha sich so fest in den bulgarischen Gemütern als nationale Ehrensache festgesetzt, daß jetzt die öffentliche Meinung Bulgariens in der vorläufigen Lösung nur einen enttäuschenden Mißerfolg sah. Als auch in den auf die Unterzeichnung des rumänischen Friedensvertrags folgenden Wochen die Zustimmung der Türkei zur Überlassung der nördlichen Dobrudscha an Bulgarien nicht herbeigeführt wurde und als zudem die Unzufriedenheit in Bulgarien durch ernstliche Ernährungsschwierigkeiten vermehrt wurde, sah sich das Kabinett Radoslawow genötigt, zurückzutreten. Radoslawow wurde Mitte Juni 1918 durch den in seinen Gesinnungen für Deutschland zum mindesten zweifelhaften Führer der Opposition Malinow ersetzt. So fanden die Bukarester Verhandlungen ihren Ausklang in einer offenkundigen Erschütterung der bulgarischen Bundesfreundschaft, die für den Ausgang des Krieges verhängnisvoll werden sollte. Ergebnis und Folgen der östlichen Friedensschlüsse Die Friedensverträge mit der ukrainischen Volksrepublik vom 9. Februar 1918, mit Rußland vom 3. März 1918 und mit Rumänien vom 7. Mai 1918, die durch einen am 7. März 1918 zu Berlin unterzeichneten Friedensvertrag mit Finnland ergänzt wurden, brachten die offizielle Beendigung des Kriegszustandes auf unserer ganzen Ostfront. Die Verträge verkündigten den Grundsatz, daß die vertragschließenden Nationen fortan miteinander »in Frieden und Freundschaft« leben wollten. Sie trafen Bestimmung über die Demobilmachung der feindlichen Streitkräfte, über die Wiederaufnahme der diplomatischen und konsularischen Beziehungen, über das Wiederaufleben der durch den Kriegszustand außer Kraft gesetzten Staatsverträge, über die Wiederherstellung der während des Krieges aufgehobenen oder beeinträchtigten Privatrechte, über die Herausgabe der während des Krieges in die Gewalt des Gegners geratenen Handelsschiffe, über den Austausch der Kriegsgefangenen und der Zivilinternierten. Sie stellten fest, daß mit der Beendigung der Feindseligkeiten der Krieg auch auf dem Gebiet der Wirtschaft und der Finanzen sein Ende gefunden habe, untersagten jede direkte oder indirekte wirtschaftliche oder finanzielle Kriegsmaßnahme und vereinbarten die sofortige Wiederaufnahme des Handelsverkehrs. Um diesem eine feste Grundlage zu geben, wurden die alten Handelsverträge mit gewissen Änderungen und Ergänzungen wiederhergestellt, und zwar für die Ukraine, für Rußland und Finnland für eine Übergangszeit, für Rumänien unter Verlängerung der ursprünglichen Geltungsdauer bis zum Ende des Jahres 1930. Über den Rahmen der bisher üblichen Handelsverträge hinaus wurden Vereinbarungen über Warenaustausch und Warenlieferung getroffen, durch die uns gegenüber dem Wirtschaftskrieg der Entente eine Erleichterung verschafft werden sollte. Hierher gehörten insbesondere die von der ukrainischen Volksrepublik in dem Geheimabkommen übernommene Verpflichtung, an die Mittelmächte bis Ende Juli 1918 mindestens eine Million Tonnen Getreide zu liefern, ferner einige wichtige Bestimmungen in dem Friedensvertrag mit Rumänien, die uns die Verfügung über die rumänische Petroleumproduktion und die rumänischen Überschüsse der Erzeugung von Lebens- und Futtermitteln geben sollten. Abmachungen über die Verkehrsmittel (Eisenbahnen, Post und Telegraph, Donauschiffahrt usw.) ergänzten die handelspolitischen Vereinbarungen. Von einer eigentlichen Kriegskostenentschädigung wurde abgesehen. Die Frage der Kriegsschäden wurde verschieden behandelt. Mit der Ukraine, Rußland und Finnland wurde neben dem Verzicht auf den Ersatz der Kriegskosten auch ein gegenseitiger Verzicht auf den Ersatz der Kriegsschäden vereinbart, wobei die Kriegsschäden als solche Schäden definiert wurden, die den kriegführenden Staaten und ihren Angehörigen in den Kriegsgebieten durch militärische Maßnahmen mit Einschluß aller in Feindesland vorgenommenen Requisitionen entstanden sind. Vorbehalten blieb jedoch einmal die Erstattung der Kosten des Unterhalts der Kriegsgefangenen; ferner der Ersatz der Schäden, die den beiderseitigen Angehörigen aus der Durchführung von Kriegsgesetzen erwachsen waren; desgleichen der Schäden, die Zivilangehörigen jedes Teiles während des Krieges außerhalb der Kriegsgebiete von den staatlichen Organen oder der Bevölkerung des anderen Teiles durch völkerrechtswidrige Gewaltakte an Leben, Gesundheit oder Vermögen zugefügt worden waren. Rußland gegenüber wurde außerdem eine weitere Vereinbarung über den Ersatz der deutschen Vermögenswerte, die nicht durch Kriegsgesetze, sondern durch revolutionäre Enteignungsgesetze geschädigt worden waren, ausdrücklich vorbehalten. Während der grundsätzliche Verzicht auf Erstattung der Kriegskosten und Kriegsschäden gegenüber der Ukraine, Rußland und Finnland ein gegenseitiger war, verzichtete Rumänien im Bukarester Frieden einseitig auf den Ersatz der auf seinem Gebiet durch militärische Maßnahmen der Gegenpartei mit Einschluß aller Requisitionen und Kontributionen verursachten Schäden, während es sich gleichzeitig verpflichtete, den Angehörigen der anderen Parteien alle Schäden zu ersetzen, die ihnen auf seinem Gebiet durch militärische Maßnahmen eines der kriegführenden Staaten entstanden waren. Ebenso übernahm Rumänien die Einlösung der Noten der Banca Generala Romana, deren Ausgabe in der Hauptsache durch die in Rumänien zu deckenden Bedürfnisse der Operations- und Besetzungstruppen notwendig geworden war. Über die territorialen Fragen habe ich bereits bei der Darstellung der Friedensverhandlungen ausführlich gesprochen. Rumänien mußte Österreich-Ungarn eine nicht unerhebliche »Grenzregulierung« zugestehen und verlor die ganze Dobrudscha; dafür suchte es Ersatz durch die Angliederung Bessarabiens, deren Förderung ihm bei den Friedensverhandlungen von den Mittelmächten in Aussicht gestellt worden war. Aber diese Gebietsveränderung trat in den Hintergrund gegenüber dem gewaltigen Ereignis des Auseinanderbrechens des in mehrhundertjähriger Politik und Kriegführung aufgebauten russischen Kolosses. Es ist nicht der Brester Friede, der den russischen Koloß zerschlagen hat. Das ursächliche Verhältnis ist umgekehrt: Der Brester Friede ist in seinen die territorialen Fragen behandelnden Teilen erst möglich geworden und in seinem wichtigsten Inhalt bestimmt worden durch das Auseinanderfallen des Russenreiches. Und dieser Zerfall hat sich von innen heraus vollzogen als Wirkung der Revolution. Wenn irgendein staatliches Gebilde, dann war das Rußland, wie es bis zum März 1917 bestand, ein Gebilde der Autokratie und des Militarismus, deren eiserne Reifen alle die Rand- und Fremdvölker, die den großrussischen Kern umgeben, mit schwerem Druck zusammenhielten. Die Revolution, die das zaristische Selbstherrschertum zertrümmerte und das unter den deutschen Schlägen zusammenbrechende russische Heer vollends auflöste, hat die zentrifugalen Kräfte freigemacht, die der russische Reichskörper trotz aller zusammenhaltenden geographischen Momente in sich barg. Der Sieg des Bolschewismus in Petersburg und Moskau hat die zentrifugalen Kräfte um einen wichtigen Faktor vermehrt: um die Auflehnung der nicht großrussischen Reichsteile gegen das bolschewistische Gewalt- und Schreckensregiment. Die bolschewistische Herrschaft in Großrußland erwies sich als das stärkste Hindernis für den Neuaufbau des Russischen Reiches auf föderativer Grundlage. Ein solcher Neuaufbau lag ursprünglich ebensosehr in der Absicht der bolschewistischen Machthaber in Petersburg und Moskau, wie in der Absicht wichtiger Reichsteile, insbesondere der ukrainischen Volksrepublik. Aber die terroristische Unduldsamkeit des großrussischen Bolschewismus, der trotz aller schönen Redensarten von der »Selbstbestimmung der Völker bis zur völligen Absonderung« überall gewaltsam die »Diktatur des Proletariats«, in Wirklichkeit die Gewaltherrschaft bolschewistischer Minderheiten, aufzurichten suchte, dazu die Zerstörung der wirtschaftlichen Organisation und der wirtschaftlichen Arbeit, die sich aus der Anwendung der bolschewistischen Grundsätze ergab, haben den föderativen Gedanken im Keim erstickt, vielleicht nicht für alle Zeiten, aber jedenfalls für den Zeitraum, mit dem wir für die Fortsetzung und Beendigung des Krieges zu rechnen hatten. Wir haben gesehen, wie die ukrainische Zentralrada, die ursprünglich den bundesstaatlichen Zusammenschluß der auf dem Boden des früheren russischen Kaiserreichs entstandenen Freistaaten angestrebt hatte, während der Brester Verhandlungen in der Gegenwehr gegen die bolschewistischen Machenschaften sich zur völligen Lossagung von Großrußland und zur Proklamation ihrer uneingeschränkten staatlichen Selbständigkeit entschloß. Ein ähnlicher Prozeß spielte sich in Finnland ab. Die Unabhängigkeit Finnlands wurde von seiner Volksvertretung im Dezember 1917 proklamiert und zunächst auch von der bolschewistischen Regierung in Petersburg formell anerkannt; in Wirklichkeit aber griff die Petersburger Regierung alsbald in die inneren Verhältnisse Finnlands ein und suchte mit militärischer Gewalt den Bolschewismus auch dort zur Herrschaft zu bringen mit dem Erfolg, daß in Finnland selbst Bürgerkrieg und Anarchie genährt wurden und daß zwischen der sich auf die Mehrheit der Volksvertretung stützenden finnischen Regierung und Sowjetrußland der Kriegszustand eintrat. Im Süden und Südosten Rußlands setzte sich das Dongebiet unter der Führung von Kosakengeneralen gegen das bolschewistische Großrußland zur Wehr und erklärten die Völkerschaften des Kaukasus ihre Unabhängigkeit. Im Osten weigerte sich Sibirien, die Herrschaft der großrussischen Bolschewisten anzuerkennen; auch hier kam es schließlich zur Autonomieerklärung und zur Bildung einer eigenen Regierung. Der Zerfall des Russischen Reiches war also ein allgemeiner. In diesem Zusammenhange muß die Frage der westlichen Randstaaten betrachtet werden, an denen Deutschland als unmittelbarer Angrenzer ein besonderes Interesse nehmen mußte. Die deutsche Politik konnte an der Tatsache des allgemeinen Zerfalls des Russischen Reiches unmöglich achtlos vorübergehen; auch solche Politiker, denen nichts ferner lag als ein Eintreten für gewaltsame Gebietserwerbungen und die Angliederung fremdstämmiger Bevölkerungsteile an das Deutsche Reich, verschlossen sich nicht der Notwendigkeit, bei der Neugestaltung der Verhältnisse in den unserer Ostgrenze vorgelagerten Gebieten der Tatsache des Auseinanderfallens des Russischen Reiches Rechnung zu tragen. So schrieb die »Frankfurter Zeitung«, die gewiß annexionistischer Bestrebungen unverdächtig ist, unmittelbar nach Unterzeichnung des Brester Friedens am 3. März 1918: »Sieht man genauer zu, so ergibt sich, daß der Zerfall Rußlands sich vollzogen hat zwar unter der Einwirkung des Krieges, aber doch von innen heraus als eine Wirkung der Revolution. Worauf die russische Regierung jetzt verzichtet, das haben nicht die Mittelmächte weggenommen, das hat sich von selbst losgelöst im Verlauf eines Prozesses, den vermutlich die gleiche Revolution auch ohne diesen Krieg ausgelöst hätte. Ein Rußland, das auf den Imperialismus des Zarenreiches verzichtet, braucht die Loslösung der Außengebiete nicht als eine Verstümmelung anzusehen.« Und weiter in demselben Artikel: »Was Deutschland braucht, ist Ruhe und Stetigkeit an seinen Ostgrenzen. Eine Zone unruhiger und miteinander hadernder Völker wäre die denkbar unglücklichste Lösung der großen Probleme, die an diesen Gebieten hängen. Die Klärung und Beruhigung wird sich erst allmählich vollziehen können. Es wird wesentlich von unserer künftigen Ostpolitik abhängen, ob sie sich rasch und sicher vollzieht.« In ähnlicher Richtung bewegten sich die Ausführungen des Abgeordneten Friedrich Naumann bei der ersten Beratung des Brester Friedensvertrags im Reichstag am 18. März 1918. Er führte aus: »... Nachdem in Rußland einmal der Zustand der Zerbröckelung und Anarchie vorhanden ist, jener Zustand des Kampfes aller gegen alle, muß irgendwo eine Linie gezogen sein, an der dieser anarchistische Zustand aufhört und ein Zustand der Ordnung -- ganz gleichgültig ob sozialistischer oder bürgerlicher Ordnung usw. -- eintritt. Es ist eine unmittelbar zwingende Notwendigkeit, eine solche Grenze zu setzen... Wenn wir uns um die neue Lage der russischen Hinterlassenschaft nicht kümmern, so wird damit die Entwicklung nicht stillstehen. Wohin wir nicht kommen, dahin kommt England. Beispielsweise werden ohne unser Eingreifen die Ostseeküsten englisch oder amerikanisch besetzt. Erst wenn man sich diesen Zustand des allgemeinen Drängens der menschlichen Energie an den Platz der ausgeschalteten Energie ganz verdeutlicht hat, dann wird man ohne Rücksicht auf Parteistandpunkte, die unter uns vertreten sind, den Boden einer reellen Zustimmung gegenüber dem Frieden bekommen können, der hier geschieht. Wir verwahren uns gegen diejenigen Meinungen, als ob wir etwa bloß aus beliebiger Annexionslust alldeutscher Färbung zur Aneignung von Land übergegangen sind, nur weil es uns so gefällt und weil es der Machttradition entspricht. Nein, diese Organisationsaufgabe, die heute drüben vor uns liegt, wird als unentrinnbare Entwicklung später auch von den Russen instinktiv begriffen werden.« Auch die Sozialdemokraten stellten sich bei aller Kritik der bei den Brester Verhandlungen angewandten Methoden und der im Brester Friedensvertrag vereinbarten Abmachungen über die Randstaaten nicht auf den Standpunkt, daß Deutschland sich an der künftigen Gestaltung der Randstaaten völlig hätte desinteressieren können. Allerdings ist es richtig, daß die deutsche Politik schon vor der russischen Revolution und der durch diese herbeigeführten Sprengung des Russischen Reiches auf eine aktive Anteilnahme an der künftigen Gestaltung der im Laufe des Krieges von unseren Truppen besetzten westrussischen Randgebiete gerichtet war. Schon am 5. April 1916 hatte der Reichskanzler von Bethmann Hollweg im Reichstag unter Berufung auf das damals von Herrn Asquith verkündigte Prinzip der Nationalitäten die Frage gestellt, ob Herr Asquith annehmen könne, »Deutschland würde jemals freiwillig die von ihm und seinen Bundesgenossen befreiten Völker zwischen der Baltischen See und den Wolhynischen Sümpfen der Herrschaft des reaktionären Rußland wieder ausliefern, -- mögen sie nun Polen, Litauer, Balten oder Letten sein«. Und am 5. November war mit der Zweikaiserproklamation über die Errichtung eines selbständigen polnischen Staates ein positiver Eingriff in die Verhältnisse der westrussischen Randvölker geschehen. Auf dieser Grundlage konnte später, am 25. Januar 1918, Herr von Kühlmann mit einem gewissen Recht von der »Zwangsläufigkeit und Bedingtheit« der deutschen Ostpolitik »durch das, was vorher geschaffen und getan worden ist«, sprechen. Aber abgesehen von Polen, hinsichtlich dessen wir durch offizielle Akte und durch Vereinbarung mit unserem österreichisch-ungarischen Bundesgenossen festgelegt waren, hatte die deutsche Politik bis zum Beginn der russischen Revolution sich ihrer Bewegungsfreiheit nicht entäußert; das ausschlaggebende Moment war hier die Auflösung des Russischen Reiches, die uns die schon bisher von der deutschen Politik beabsichtigte Anteilnahme an der künftigen Gestaltung der Randgebiete geradezu als Notwendigkeit auferlegte. Die Frage der Randstaaten war, als wir in die Brester Verhandlungen eintraten, zu einem für uns besonders wichtigen Teil, aber immerhin zu einem Teil des weit größeren Problems geworden, wie sich die deutsche Politik zu verhalten habe zu dem Auseinanderfallen Rußlands, zu den Kräften und Strömungen, die in dem Chaos des russischen Zusammenbruchs zutage traten, zu den neuen Gebilden, die sich auf den Trümmern des alten Russischen Reiches zu formen begannen. Die Lage war äußerst schwierig und verwickelt. Nicht nur, daß die Entwicklung der Dinge in Rußland selbst undurchsichtig und unübersehbar war, daß die Nachrichten über die tatsächlichen Vorgänge und die Urteile über die für die weitere Gestaltung bestimmenden Kräfte auseinandergingen und sich in den wichtigsten Punkten widersprachen, -- auch unsere eigenen Interessen an den russischen Fragen waren vielgestaltig und schwer auf eine einheitliche Linie zu bringen. Das dringende Gebot, das sich aus der Fortdauer des Krieges gegen unsere westlichen Feinde ergab, war die möglichst ausgiebige militärische Entlastung im Osten und die möglichst wirksame wirtschaftliche Hilfe aus dem Osten. Eine über den Krieg hinausdenkende Politik mußte auf die künftige Sicherung unserer Ostgrenzen und gleichzeitig auf ein politisch und wirtschaftlich gutes Verhältnis zu Rußland oder den an seiner Stelle entstehenden Gebilden Bedacht nehmen; in welchem Maße, darüber gingen die Meinungen allerdings erheblich auseinander: Die Anhänger der »östlichen Orientierung«, die in einem starken, zu Deutschland in freundschaftlichen Beziehungen stehenden Rußland für die Zukunft ein notwendiges Gegengewicht gegen das Angelsachsentum erblickten, standen zu der Frage, ob wir das Auseinanderfallen des Russischen Reiches und die innere Schwächung Großrußlands begünstigen oder hemmen sollten, naturgemäß anders als diejenigen Politiker, die in dem Wiedererstehen des russischen Kolosses die größte Gefahr für Deutschland erblickten und die Solidarität der westeuropäischen Kultur gegenüber dem halbasiatischen Russentum hochhielten. Dazu kamen die völkischen Verpflichtungen, die uns die Stammesverwandtschaft der Deutschbalten auferlegte. Außerdem hatte unsere Politik in den russischen Fragen Rücksichten zu nehmen auf unsere Bundesgenossen, von denen vor allem Österreich-Ungarn, aber auch die Türkei ihre eigenen unmittelbaren Interessen an der Lösung des russischen Problems wahrnahmen. Schließlich wurden die Ostfragen überschattet von dem ganz neuen Problem des russischen Bolschewismus, der nach seinen eigenen Kundgebungen sich in seiner Auswirkung nicht auf Rußland beschränken wollte, sondern die Revolutionierung der Welt erstrebte. Der Brester Friede hat nichts weniger als eine endgültige Lösung dieser Probleme gebracht. Er konnte sie nicht bringen, weil für eine endgültige Lösung die Entwicklung der Dinge in Rußland selbst noch nicht reif war und weil die endgültige Lösung der östlichen Fragen nicht außer Zusammenhang gestellt werden konnte mit der noch ausstehenden Entscheidung nach Westen hin und mit der Gestaltung unseres künftigen Verhältnisses zu den übrigen Großmächten. Er konnte sie aber auch nicht bringen, weil -- wie ich an einer anderen Stelle ausgeführt habe -- unsere Verhändler, als sie in die Brester Verhandlungen hineingingen, mangels einer Einigung sowohl zwischen den maßgebenden Faktoren in Deutschland, als auch zwischen den einzelnen Teilhabern des Vierbundes, ein klares Programm überhaupt nicht mitbrachten, auch nicht in den konkreten Punkten, in denen ein solches einheitliches Programm möglich und notwendig gewesen wäre. So schuf der Brester Friede gerade in denjenigen territorialen Fragen, die Deutschland am nächsten angingen, nur einen unfertigen Übergangszustand. Er beschränkte sich auf die Feststellung, daß die Gebiete westlich einer genauer bezeichneten Linie -- es handelte sich um Polen, Litauen, Kurland und einen Teil von Livland -- der russischen Staatshoheit nicht mehr unterstehen und daß diesen Gebieten aus der ehemaligen Zugehörigkeit zu Rußland keinerlei Verpflichtungen gegenüber Rußland erwachsen sollten. Rußland verzichtete auf jede Einmischung in die inneren Verhältnisse dieser Gebiete. Über das Verhältnis der Mittelmächte zu den so von Rußland abgetrennten Gebieten wurde lediglich gesagt: »Deutschland und Österreich-Ungarn beabsichtigen, das künftige Schicksal dieser Gebiete im Benehmen mit deren Bevölkerung zu bestimmen.« Außerdem verpflichtete sich Rußland auf Grund der Bedingungen, die nach Abbruch der Verhandlungen durch Trotzki in dem deutschen Ultimatum gestellt wurden, das gesamte Gebiet von Estland und Livland, dessen Grenze näher bezeichnet wurde, ohne Verzug durch Zurückziehung der russischen Truppen und der Roten Garde zu räumen. Estland und Livland sollten von einer deutschen Polizeimacht besetzt werden, bis dort die Sicherheit durch eigene Landeseinrichtungen gewährleistet und die staatliche Ordnung wiederhergestellt sein würde. Polen, Litauen und Kurland wurden also endgültig von Rußland abgetrennt; aber über die künftige Gestaltung dieser Gebiete wurde im Friedensvertrag nur festgesetzt, daß sie durch die Mittelmächte im Benehmen mit der Bevölkerung dieser Gebiete bestimmt werden sollte. Das »Wie?« der künftigen Gestaltung ließ der Friedensvertrag offen. Estland und Livland wurden, im Gegensatz zu Polen, Litauen und Kurland, nicht von dem russischen Staatsgebiet abgetrennt. Diese Gebiete sollten nur für einen Übergangszustand von deutschen Polizeitruppen besetzt werden. Mit der Schaffung »eigener Landeseinrichtungen« und der Wiederherstellung der staatlichen Ordnung sollte dieser Übergangszustand sein Ende finden. Wie die »eigenen Landeseinrichtungen« gedacht waren, vor allem, wie sie sich zu der russischen Staatsgewalt verhalten sollten, darüber enthielt der Friedensvertrag nichts. Jedenfalls blieb hinsichtlich Estlands und Livlands die russische Regierung als Inhaberin der Staatshoheit über jene Gebiete berechtigt, bei der künftigen Gestaltung mitzusprechen, während das Recht Deutschlands auf eine Mitwirkung bei dieser Gestaltung nicht vorgesehen war; allerdings mußte in einem künftigen Zeitpunkt eine Verständigung zwischen Rußland und Deutschland darüber nötig werden, ob die Voraussetzungen der Räumung Estlands und Livlands von der deutschen »Polizeimacht« gegeben seien. Der Brester Vertrag schuf also für die uns benachbarten Randgebiete nur einen Rahmen, der vorläufig noch des Bildes entbehrte. Die Politik der Mittelmächte und insbesondere Deutschlands hatte es in der Hand, wann und wie sie diesen Rahmen ausfüllen wollte; sie hatte durchaus die Möglichkeit, sich dabei der weiteren Gestaltung der Dinge in Rußland und der weiteren Entwicklung des Krieges anzupassen. Über die uns benachbarten Randgebiete hinaus nahm die deutsche Politik während der Brester Verhandlungen positiv Stellung zu der Frage der Lostrennung Finnlands und der Ukraine vom russischen Reichskörper. Schon Ende Dezember 1917 hatte der Reichskanzler eine finnische Delegation empfangen, die um die Anerkennung der Unabhängigkeit Finnlands nachsuchte. Der Reichskanzler hatte bei diesem Empfang sich darauf beschränkt, die Sympathien des deutschen Volkes und der deutschen Regierung für die Bestrebungen des finnländischen Volkes zum Ausdruck zu bringen und darauf aufmerksam zu machen, daß die Anerkennung der Selbständigkeit Finnlands durch Deutschland von der Verständigung Finnlands mit der russischen Regierung abhängig sei, mit der Deutschland sich in Friedensverhandlungen befinde. Er konnte dabei hinzufügen, daß der russische Volkskommissar für das Auswärtige den deutschen Delegierten in Brest-Litowsk auf eine Anfrage hin habe erklären lassen, daß Rußland den finnischen Wünschen entgegenkommen werde, wenn sich Finnland an die russische Regierung wenden würde. Nachdem die finnische Regierung den erforderlichen Schritt in Petersburg unternommen hatte und nachdem die französische Regierung mit der Anerkennung der Unabhängigkeit Finnlands vorausgegangen war, erklärte der Reichskanzler der finnischen Delegation bei einem erneuten Empfang am 6. Januar 1918 im Namen des Deutschen Reiches die Anerkennung der Unabhängigkeit. Der Abschluß eines besonderen Friedensvertrags mit Finnland war die notwendige Konsequenz dieser Anerkennung. Unter welchen Umständen während der Verhandlungen in Brest-Litowsk die Anerkennung der Unabhängigkeit der ukrainischen Volksrepublik durch die Mächte des Vierbundes und der Abschluß des Friedens zwischen Vierbund und Ukraine erfolgte, ist bei der Schilderung der Brester Verhandlungen bereits dargelegt worden. Die Anerkennung der Selbständigkeit der ukrainischen Volksrepublik und der Abschluß des Friedens mit deren Regierung erfolgte nicht zum wenigsten als taktische Kampfmaßnahme gegen die Regierung Sowjetrußlands in einem Augenblick, als Trotzki die ursprüngliche Anerkennung der Selbständigkeit der Delegation der Kiewer Zentralrada bereits zurückgezogen hatte, und gegen den erklärten Einspruch der russischen Vertreter. Bei der Ukraine handelte es sich nicht mehr um ein »Randgebiet«, sondern um ein an Bevölkerung und mehr noch an natürlichen Hilfsquellen hochbedeutendes Stück des Zentrums des Russischen Reiches. Deshalb war die Anerkennung der Selbständigkeit der Ukraine und der Abschluß eines Sonderfriedens mit diesem neuen Staatswesen in viel höherem Maße als die Abtrennung der westlichen Randländer einschließlich Polens eine aktive Beteiligung der Mittelmächte an der Zertrümmerung des russischen Kolosses. Der russischen Regierung selbst wurde die Anerkennung der also geschaffenen Rechts- und Sachlage in dem Brester Vertrag ausdrücklich auferlegt. Rußland mußte sich verpflichten, sofort Frieden mit der ukrainischen Volksrepublik zu schließen, den Friedensvertrag zwischen der Ukraine und den Mächten des Vierbundes anzuerkennen, das ukrainische Gebiet unverzüglich zu räumen und jede Agitation oder Propaganda gegen die Regierung oder die öffentlichen Einrichtungen der ukrainischen Volksrepublik einzustellen. Die gleiche Verpflichtung der Räumung und des Unterlassens jeder Propaganda wurde der russischen Regierung hinsichtlich Finnlands auferlegt. * * * * * Aber die Entwicklung blieb nicht bei diesen vertragsmäßigen Abmachungen stehen. Die Bevölkerung des Baltikums und Litauens drängte auf die Schaffung endgültiger Verhältnisse, und weder die Ukraine noch auch Finnland vermochten aus eigener Kraft die von ihnen verkündigte Unabhängigkeit zu erhalten. Wenige Tage nach Abschluß des deutsch-russischen Friedensvertrags, am 8. März 1918, faßte der kurländische Landesrat einen Beschluß, der unter Bezugnahme auf frühere Beschlüsse der allgemeinen Landesversammlung vom 21. September 1917 folgende Wünsche aussprach: 1. Der Deutsche Kaiser und König von Preußen möchte für sich und seine Nachfolger die Herzogskrone Kurlands annehmen. 2. Durch Konventionen über Militär-, Zoll-, Verkehrs-, Maß- und Gewichtswesen und weitere Verträge möchte eine möglichst enge militärische und wirtschaftliche Verbindung Kurlands mit dem Deutschen Reiche hergestellt werden. 3. Das gesamte Baltenland, also Kurland, Estland und Livland, möchte zu einer staatlichen Einheit zusammengefaßt und dem Deutschen Reiche dauernd angegliedert werden. Der Beschluß wurde durch eine Delegation des Landesrats am 15. März 1918 dem Reichskanzler Grafen von Hertling überreicht. In seiner Antwort äußerte sich dieser zur Frage der Personalunion dahin, daß die Allerhöchste Entscheidung nach Anhörung der zur Mitwirkung berufenen Stellen getroffen werden würde. Er sprach ferner namens des Kaisers die Anerkennung der Freiheit und Unabhängigkeit Kurlands aus, sagte Schutz und Beistand des Deutschen Reiches bei der Einrichtung des Staatswesens und dem Ausbau der Verfassung Kurlands zu, wobei er ausdrücklich erwähnte, daß die Verfassung eine »Landesvertretung auf breiter Grundlage« vorsehen müsse; wegen der Festlegung und Formulierung der vom Landesrat beschlossenen engen Verbindung mit dem Deutschen Reiche sei er vom Kaiser beauftragt, das Weitere zu veranlassen. Hinsichtlich des dritten Punktes, der Zusammenfassung des gesamten Baltenlandes zu einer an das Deutsche Reich anzugliedernden staatlichen Einheit, drückte sich der Kanzler sehr vorsichtig aus: er wies darauf hin, daß die deutsche Anteilnahme an dem Schicksal der übrigen baltischen Gebiete bereits im deutsch-russischen Friedensvertrag zum Ausdruck gekommen sei, und versicherte, »daß die Gestaltung der Verhältnisse in diesen Gebieten auch weiterhin von der ganzen Anteilnahme Seiner Majestät des Kaisers und Königs getragen sein werde«. Diese vorsichtige Zurückhaltung hinsichtlich der Lostrennung des ganzen Baltenlandes bis hinauf nach Narwa von Rußland und seiner Angliederung an Deutschland war geboten nicht nur durch den Brester Friedensvertrag, der Estland und den größten Teil von Livland bei Rußland beließ, sondern auch durch die Erwägung, daß Rußland zwar die Abtrennung Kurlands würde verschmerzen können, daß aber die Abtrennung des gesamten Baltenlandes dem russischen Hinterland den Zugang zur Ostsee in einer kaum erträglichen Weise blockieren würde. Noch am 25. Februar 1918 hatte Graf Hertling im Reichstag mit der größten Bestimmtheit erklärt: »Wir denken nicht daran, uns in Estland oder Livland festzusetzen.« Aber die einmal ausgelöste Bewegung drängte weiter. Nationale Bestrebungen, wirtschaftliche Bedürfnisse und der bolschewistische Schrecken wirkten zusammen in der Richtung der Erhaltung der Einheit des Baltenlandes und der Anlehnung an Deutschland. In Deutschland fanden diese Bestrebungen einen lebhaften Widerhall. Im April trat zu Riga ein Vereinigter Landesrat von Livland, Estland, Riga und Ösel zusammen und faßte den Beschluß, an das Deutsche Reich die Bitte zu richten, die baltischen Länder dauernd unter seinem militärischen Schutz zu behalten und sie bei der endgültigen Durchführung ihrer Loslösung von Rußland zu unterstützen. Der Beschluß sprach ferner den Wunsch aus, daß die sämtlichen baltischen Gebiete zu einem einheitlichen monarchisch-konstitutionellen Staat zusammengeschlossen, durch Personalunion mit Preußen und durch militärische und wirtschaftliche Konventionen mit dem Deutschen Reiche verbunden werden möchten. Der Kaiser antwortete dem Vorsitzenden des Vereinigten Landesrats auf die Mitteilung dieses Beschlusses am 14. April 1918, die Bitte um Anschluß an das Deutsche Reich unter seinem Zepter werde mit Wohlwollen geprüft werden; er nehme sie als ein Zeichen des Vertrauens zu seiner Person, zu seinem Hause und zu Deutschlands Zukunft. Am 21. April 1918 wurde eine Deputation des Vereinigten Landesrates vom Grafen Hertling empfangen. Graf Hertling teilte mit, der Kaiser sei bereit, den baltischen Ländern den Schutz des Deutschen Reiches zu gewähren, sie bei der Durchführung ihrer Loslösung von Rußland wirksam zu unterstützen und sie nachher auch formell als selbständige Staaten anzuerkennen. Die kaiserliche Zusage einer wohlwollenden Prüfung des Wunsches nach Anschluß an das Deutsche Reich und Preußen wurde durch den Mund des Reichskanzlers wiederholt. Diese Antwort trug dem Umstande Rechnung, daß eine Anerkennung der Selbständigkeit Estlands und Livlands und die Durchführung des Anschlusses dieser Gebiete an das Deutsche Reich ohne Verletzung des Brester Friedens so lange nicht möglich war, als Rußland sich nicht mit dem Ausscheiden dieser Gebiete aus dem Verband des Russischen Reiches einverstanden erklärt hatte. Die Unterstützung, die Kaiser und Kanzler dem Vereinigten Landesrat für die Durchführung seiner Bestrebungen zugesagt hatten, mußte also in erster Linie eine diplomatische Unterstützung bei der russischen Regierung sein, an die sich die Balten verwiesen sahen. Für diese Unterstützung ergab sich bald eine Gelegenheit. Am 13. Mai 1918 erschienen Vertreter der baltischen Provinzen bei dem diplomatischen Vertreter der russischen Sowjetrepublik in Berlin, Herrn Joffe, um ihm eine Note zu übergeben, in der mitgeteilt wurde, daß die Bevölkerung Livlands und Estlands durch die Erklärung ihrer Vertretungen von dem Recht der Selbstbestimmung Gebrauch gemacht und die Loslösung von Rußland vollzogen hätten. Herr Joffe verweigerte die Entgegennahme dieser Note und verwies die Abordnung auf den Weg einer direkten Mitteilung nach Moskau oder auf die Vermittlung des deutschen Auswärtigen Amtes. Die Abordnung wählte den letzteren Weg, und das Auswärtige Amt fand sich bereit, die Note der baltischen Abordnung Herrn Joffe amtlich zu übermitteln. In seiner Antwort an den Staatssekretär des Auswärtigen Amtes erinnerte Herr Joffe an einen bereits früher erhobenen Einspruch dagegen, daß über das Schicksal Estlands und Livlands ohne vorheriges Einvernehmen mit der russischen Regierung entschieden werden könne; er sprach außerdem der baltischen Delegation, die er als »Vertreter der Ritterschaft« bezeichnete, das Recht ab, im Namen des estnischen und lettischen Volkes zu sprechen. Unter voller Wahrung dieses Standpunktes habe er seiner Regierung die ihm vom Auswärtigen Amt zugestellten Schriftstücke übermittelt. Im weiteren Verlauf wurde die Angelegenheit in die Ende Mai von der russischen Regierung angeregten Verhandlungen über gewisse mit der Auslegung und Durchführung des Brester Friedens zusammenhängende Fragen einbezogen, auf die ich weiter unten zu sprechen kommen werde. In Litauen hatte der Landesrat schon am 11. Dezember 1917 die Wiederherstellung eines unabhängigen litauischen Staates mit der Hauptstadt Wilna proklamiert und den Schutz und die Hilfe des Deutschen Reiches erbeten. Der Beschluß hatte sich ferner für ein ewiges, festes Bundesverhältnis des litauischen Staates mit dem Deutschen Reiche ausgesprochen, das seine Verwirklichung hauptsächlich in einer Militär- und einer Verkehrskonvention sowie in einer Zoll- und Münzgemeinschaft finden sollte. Mitte Februar 1918 befaßte sich der litauische Landesrat abermals mit der Errichtung des litauischen Staates. Er proklamierte erneut »die Wiederherstellung eines auf demokratischer Grundlage aufgebauten unabhängigen litauischen Staates mit der Hauptstadt Wilna und seine Abtrennung von allen staatlichen Verbindungen, die mit anderen Völkern bestanden haben«. Die Grundlagen dieses Staates und seine Beziehungen zu den anderen Staaten sollten durch eine von allen Einwohnern auf demokratischer Basis zu wählende konstituierende Versammlung endgültig festgelegt werden. Der Beschluß wurde durch den obersten Litauischen Nationalrat in Bern allen in der Schweiz beglaubigten diplomatischen Vertretungen übermittelt. Auf deutscher Seite vermißte man in diesem Beschluß die ausdrückliche Wiederholung des Wunsches einer engeren militärischen und wirtschaftlichen Verbindung mit dem Deutschen Reiche. Nachdem von litauischer Seite anerkannt worden war, daß der Beschluß vom Februar denjenigen vom Dezember nicht aufhebe, empfing der Reichskanzler am 23. März 1918 eine Abordnung des litauischen Landesrats und sprach vor dieser auf Grundlage der Erklärung des Landesrats vom 11. Dezember 1917 namens des Deutschen Reiches die Anerkennung Litauens als eines freien und unabhängigen Staates aus. Mit dieser Formulierung war die enge militärische und wirtschaftliche Verbindung des neuen litauischen Staatswesens mit dem Deutschen Reiche zur Voraussetzung der Anerkennung der litauischen Unabhängigkeit gemacht. Die deutsche Politik arbeitete also im Anschluß an den Brester Frieden auf eine militärische und wirtschaftliche Angliederung sowohl Litauens als auch der baltischen Provinzen an das Deutsche Reich. Man ging dabei über die Widerstände hinweg, die sich sowohl in Litauen wie auch teilweise bei den Letten und Esten gegen eine solche Lösung zeigten. Die Angliederung dieser Randstaaten wurde bei uns namentlich auch von den militärischen Stellen betrieben, die in dieser Lösung am einfachsten einen besseren Grenzschutz nach Osten hin zu erreichen hofften und für den Fall des Unterbleibens der Angliederung nicht unerhebliche Grenzregulierungen zugunsten Deutschlands für notwendig erklärten. Gleichzeitig gestalteten sich die Dinge in Polen sehr unerfreulich. Die Selbständigkeit Polens mit Anlehnung an die beiden Kaiserreiche war seit dem Zwei-Kaiser-Manifest vom 5. November 1916 ein erklärter Grundsatz der deutschen und österreichisch-ungarischen Politik. Aber während die Polen immer stürmischer auf den Ausbau ihrer Selbständigkeit und ihrer eigenen staatlichen Einrichtungen noch während des Krieges drängten und dabei von der Wiener Politik wie von der deutschen Reichstagsmehrheit unterstützt wurden, verflüchtigte sich die Anlehnung an die Mittelmächte mehr und mehr. Noch unter der Kanzlerschaft des Herrn Michaelis war den Polen in dem Patent vom 12. September 1917 ein Regentschaftsrat, ein Ministerium und ein erweiterter Staatsrat mit gesetzgeberischen Befugnissen zugestanden worden; dagegen blieb das künftige Verhältnis Polens zu den Zentralmächten nach wie vor ungeklärt. Während Berlin und Wien sich über die Gestaltung dieses Verhältnisses nicht einigen konnten und die von Wien nach wie vor mit Hartnäckigkeit vertretene austro-polnische Lösung diskutierten, entfachte der Abschluß des Friedens mit der Ukraine bei den Polen einen Sturm der Entrüstung, der deutlicher, als es bisher geschehen war, deren wahres Gesicht zeigte. Die Bestimmungen des Friedensvertrags über das Gouvernement Cholm veranlaßten das polnische Ministerium zur Demission und den polnischen Regentschaftsrat zu einem Manifest an das polnische Volk, das in heftigen Worten gegen die »neue Teilung« protestierte und verkündete, daß der Regentschaftsrat das Recht zur Ausübung der obersten Staatsgewalt, das er wenige Monate zuvor aus den Händen der beiden Kaiser entgegengenommen hatte, aus dem Willen des Volkes herleite in der Überzeugung, daß das polnische Volk ein Symbol der Unabhängigkeit haben wolle und sich um dieses zu scharen beabsichtige. Schon kurz zuvor, am 22. Januar, hatte der Polenklub im österreichischen Abgeordnetenhaus eine Resolution eingebracht, die erklärte, daß sich das Selbstbestimmungsrecht der Polen auf alle Polen ohne Rücksicht auf die politischen Grenzen beziehen müsse und daß die einzig mögliche Lösung der polnischen Frage die Vereinigung aller polnischen Gebiete mit Zutritt zum Meere sei. Jetzt, nach dem Abschluß des Friedens mit der Ukraine, erklärte das Präsidium des Polenklubs, daß der ganze Polenklub sich genötigt sehe, im Reichsrat und in der österreichischen Delegation zur Opposition überzugehen. Auch eine nachträgliche für Polen günstige Modifikation der das Cholmer Gebiet betreffenden Bestimmung des Friedensvertrags brachte keine Beschwichtigung der kochenden polnischen Volksseele. Dieses edle Volk, das lediglich den Waffenerfolgen Deutschlands und seiner Verbündeten und dem Blute vieler Tausender von Deutschen und Österreichern die Aussicht auf seine staatliche Wiederauferstehung verdankte, das für dieses große nationale Ziel keine Hand gerührt und keinen Tropfen Blut vergossen, sondern in diesem größten Krieg aller Zeiten abwartend beiseitegestanden hatte, wandte sich, nachdem es von Rußland nichts mehr zu befürchten hatte, immer deutlicher gegen seine Befreier. Die polnische Frage, das schwierigste aller östlichen Probleme, wurde also durch die Brester Friedensverträge nicht nur nicht gelöst, sondern geradezu verschärft. Auch hinsichtlich der Ukraine und Finnlands schuf der Brester Friede keine endgültigen Verhältnisse. Die Ukraine hatte, wie oben dargestellt ist, alsbald nach Abschluß ihres Friedens mit den Mittelmächten diese um Hilfe gegen Sowjetrußland bitten müssen. Deutschland hatte seine Truppen sofort in die Ukraine einrücken lassen; österreichisch-ungarische Truppen waren gefolgt, nachdem der deutsche Vormarsch und das deutsche Ultimatum die russische Regierung gezwungen hatten, ihre Vertreter wieder nach Brest-Litowsk zu schicken. Aber auch nach Abschluß des Friedens mit Rußland hörten die Kämpfe in der Ukraine nicht auf, obwohl Rußland sich zur Zurückziehung seiner Truppen, einschließlich der Roten Garden, hatte verpflichten müssen. Unsere Militärs vertraten nachdrücklich die Ansicht, daß die Ukraine den von ihr übernommenen Verpflichtungen wirtschaftlicher Art, von deren Erfüllung die Mittelmächte eine wesentliche Entlastung ihrer schwierigen Ernährungslage erwarteten, wenn überhaupt, so nur dann würde nachkommen können, wenn durch eine Säuberung des Landes von den bolschewistischen Unruhestiftern Ordnung und Sicherheit wiederhergestellt werden würden. Im Laufe der Monate März, April und Mai wurde in häufigen Kämpfen mit bolschewistischen Truppen und Banden das ganze Gebiet der Ukraine bis zum Don, einschließlich der Halbinsel Krim, von unseren Truppen, zu deren Oberbefehlshaber Anfang April der Feldmarschall von Eichhorn ernannt wurde, durchzogen und besetzt. Schließlich sah sich der deutsche Oberbefehlshaber veranlaßt, auch in die inneren Verhältnisse der Ukraine mit bewaffneter Hand einzugreifen. Die Zentralrada erwies sich immer mehr als unfähig, ihre Autorität durchzusetzen; vor allem gelang es ihr weder die von ihr übernommenen Getreidelieferungen sicherzustellen noch auch für eine ausreichende Frühjahrsbestellung zu sorgen. Es kam zu starken Reibungen mit der Zentralrada, ja zu Anschlägen gegen das Leben der deutschen Offiziere und zu scharfen Maßnahmen des deutschen Oberbefehlshabers, unter anderem zur Verhaftung einzelner kompromittierter Radamitglieder aus einer Sitzung dieser Körperschaft heraus. Gleichzeitig kam es zu einer Auflehnung der Bauernschaft, die mit den kommunistischen Enteignungsgesetzen der Rada, nicht einverstanden war. Eine Versammlung von Bauerndelegierten in Kiew sagte sich von der Rada los und rief den General Skoropadski zum Hetman und Diktator der Ukraine aus. Der Hetman erhielt die deutsche Anerkennung und die tatkräftige Unterstützung des in der Ukraine stehenden deutschen Militärs. Für unser Verhältnis zu Sowjetrußland war dieser Umschwung in der Ukraine von großer Bedeutung. Der russische General und ehemalige Flügeladjutant des Zaren Skoropadski galt dort als Vorkämpfer der großrussischen Gegenrevolution; die ihm von Deutschland gewährte Unterstützung wurde namentlich von den »Linken Sozialrevolutionären«, die in der Ukraine den Hauptteil ihrer Anhängerschaft hatten, voller Erbitterung als eine feindselige Handlung Deutschlands gegen die russische Revolution hingestellt und zu einer erneuten Aufpeitschung der Volksstimmung gegen Deutschland benutzt. Ebensowenig wie in der Ukraine fanden in Finnland die Kämpfe der von den Mittelmächten anerkannten einheimischen Regierung mit den russischen Truppen und Roten Garden durch den Abschluß des Friedensvertrags ein Ende. Wenige Tage vor der Unterzeichnung des Friedensvertrags zwischen den Vierbundmächten und Sowjetrußland, der diesem die sofortige Räumung Finnlands auferlegte, hatte die finnische Regierung durch ihre Berliner Bevollmächtigten ein offizielles Hilfegesuch an die deutsche Regierung gerichtet. Nachdem trotz der von Rußland im Brester Frieden übernommenen Verpflichtung die Kämpfe in Finnland unter Mitwirkung russisch-bolschewistischer Truppen fortdauerten, landeten Anfang April deutsche Truppen in Hangö. Mit deren Unterstützung gelang es der finnischen Regierung, der Rotgardisten Herr zu werden. Mitte Mai waren alle wichtigen Plätze Finnlands in den Händen der von den Deutschen unterstützten finnischen Regierungstruppen; aber an eine völlige Zurückziehung der deutschen Truppen war hier, wenn nicht der erzielte Erfolg sofort wieder aufs Spiel gesetzt werden sollte, ebensowenig zu denken wie in der Ukraine. Ganz besonders schwierig gestalteten sich die Verhältnisse im Kaukasusgebiet. Türkische Truppen bemächtigten sich alsbald nach dem Abschluß des Friedens der nach dem Brester Vertrag von den russischen Truppen zu räumenden Bezirke Erdehan, Kars und Batum. Sie machten auch an den Grenzen dieser Bezirke nicht halt; es bedurfte eines fortgesetzten starken Druckes von deutscher Seite, um die türkischen Armeeführer, die sich auf strategische Notwendigkeiten, namentlich in Rücksicht auf den Fortgang der Kämpfe mit den Engländern im mittleren Mesopotamien, beriefen, einigermaßen zurückzuhalten. Aus dem Völkergewirr des Kaukasus entstanden nach der Auflösung der russischen Herrschaft neue Gebilde. Georgier, Armenier und Tataren suchten eigene Freistaaten zu bilden und sich dann zu einer transkaukasischen Republik zusammenzuschließen. Eine festere Form nahm jedoch von diesen Gebilden nur Georgien an, dessen Unabhängigkeit gegen Ende Mai 1918 durch den in Tiflis zusammengetretenen georgischen Landtag proklamiert wurde. Der neue georgische Staat suchte alsbald durch die Entsendung seines auswärtigen Ministers nach Berlin freundschaftliche Beziehungen mit Deutschland anzuknüpfen, die deutsche Anerkennung seiner Unabhängigkeit zu erlangen und sich die deutsche Unterstützung zu sichern. Herr von Kühlmann teilte am 24. Juni 1918 im Reichstag mit, daß das Deutsche Reich den Staat Georgien »durch diplomatischen Notenwechsel als de facto bestehend anerkannt« habe; für seine »juristisch-diplomatische Anerkennung« gälten dieselben Grundsätze wie hinsichtlich Estlands und Livlands. Das deutsche Interesse an Georgien wurde dadurch betont, daß der General von Kreß mit einer starken Schutzwache in diplomatischer Mission nach Tiflis entsandt wurde. In der Tat waren die Petroleumvorkommen von Baku, die durch eine durch Georgien führende Röhrenleitung mit Batum am Schwarzen Meer in Verbindung standen, vor allem aber die reichen georgischen Lager von Manganerz sowohl unmittelbar für die Fortsetzung des Krieges wie auch späterhin für die Übergangs- und Friedenszeit für Deutschlands Versorgung mit diesen beiden wichtigen Produkten von besonderer Bedeutung. Das Interesse, das unsere Regierung und Heeresleitung an den kaukasischen Dingen nahm, brachte uns Reibungen nicht nur mit Sowjetrußland, sondern auch mit unserem türkischen Bundesgenossen, der geneigt war, das ganze Gebiet Kaukasiens als seine besondere Interessensphäre zu betrachten und zu behandeln. Der ganze mit den kaukasischen Angelegenheiten zusammenhängende Fragenkomplex wurde schließlich einer Konferenz überwiesen, die im Juni in Konstantinopel zusammentreten sollte. Nimmt man hinzu, daß der Bukarester Friede die Dobrudschafrage und die Maritzafrage offengelassen hatte und daß die Durchführung wichtiger seiner Bedingungen die Fortdauer der Besetzung der Walachei durch eine ansehnliche Truppenmacht zur Voraussetzung hatte, so liegt zutage, daß die östlichen Friedensschlüsse den Krieg nach Osten weder diplomatisch noch militärisch vollständig liquidiert hatten. Schwierige Fragen, die nicht nur unser Verhältnis zu den bisherigen Feinden, sondern auch zu den neu entstehenden staatlichen Gebilden und vor allem auch zu unseren Bundesgenossen betrafen, blieben offen, wurden zum Teil erheblich verschärft oder tauchten neu auf. Wenn auch die kriegerischen Aktionen großen Ausmaßes ihr Ende gefunden hatten, so nahm doch der Kleinkrieg seinen Fortgang und erstreckte sich von Finnland bis zur Krim und dem Kaukasus, über erheblich weitere Gebiete als vorher die eigentlichen Feldzüge. Wohl konnte schon vor den Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen und erst recht nach den Friedensschlüssen die große Masse der bisher im Osten kämpfenden Truppen für die Entscheidungskämpfe im Westen freigemacht werden; aber was in den weit ausholenden Expeditionen zu Kampfzwecken und in den kaum übersehbaren Gebieten zu Besatzungszwecken gebunden blieb, stellte immer noch eine stattliche Armee dar. Dazu kam, daß auch jetzt noch, nach dem Ausscheiden Rumäniens aus der Reihe unserer kriegführenden Feinde, das durch die griechische Armee verstärkte Ententeheer in Saloniki als dauernde Bedrohung unseres in hohem Maße erschöpften und auf unsere Hilfe angewiesenen bulgarischen Bundesgenossen verblieb und daß die gleichfalls stark erschöpfte türkische Armee in Syrien wie in Mesopotamien einen schweren Stand gegen die Engländer hatte und, ebenso wie das bulgarische Heer, auf unsere Hilfe Anspruch machte. Auch wirtschaftlich brachten uns die östlichen Friedensschlüsse keineswegs in vollem Umfang die erwartete Entlastung. Die Ukraine blieb mit den vertragsmäßig zugesagten Getreidelieferungen erheblich im Rückstand. Nicht nur, daß die von der Zentralrada mit Hartnäckigkeit versuchte Verstaatlichung des Handels es nahezu unmöglich machte, das bei den Bauern noch vorhandene Getreide herauszuholen, daß die Zeit in endlosen Verhandlungen über die Gestaltung des Austausches verloren wurde, daß die Wiederherstellung der Verkehrsmittel große Schwierigkeiten machte und daß die politischen und sozialen Unruhen einen geregelten Wirtschaftsverkehr nicht aufkommen ließen, -- es stellte sich auch heraus, daß die ukrainischen Vertreter bei den Friedensverhandlungen die noch vorhandenen Bestände an Lebensmitteln bedeutend überschätzt hatten. Der vierjährige Krieg und schließlich die Revolution hatten die landwirtschaftliche Erzeugung selbst der wunderbaren »Schwarzen Erde« stark herabgedrückt. Der ukrainische »Brotfriede« erwies sich als eine Illusion. In Rumänien standen die Dinge nicht viel günstiger. Der Feldzug hatte die Ernte des Jahres 1916 großenteils aufgebraucht und die Bestellung für das Jahr 1917 beeinträchtigt. Die Ernteaussichten für 1918 waren infolge anhaltender Trockenheit ausgesprochen schlecht. Die andere große Hilfe, auf die wir bei Rumänien rechneten, das Petroleum und seine Erzeugnisse, stand zunächst auch nur in beschränktem Umfang zur Verfügung; denn die Rumänen hatten die Anlagen und Vorrichtungen zur Gewinnung und Verarbeitung des Petroleums mit Hilfe englischer und amerikanischer Fachleute mit einem solchen Raffinement und einer solchen Gründlichkeit zerstört, daß die Wiederherstellung lange Zeit erforderte. Am wenigsten befriedigend gestalteten sich die wirtschaftlichen Beziehungen zu Sowjetrußland. Die von dort erwartete Hilfe in Nahrungs- und Futtermitteln wie in kriegswichtigen Rohstoffen blieb völlig aus. Es gelang nicht, auch nur den bescheidensten Warenaustausch in Gang zu bringen. Die inneren, in den Verhältnissen selbst begründeten Schwierigkeiten wurden gesteigert durch eine passive Obstruktion, die unverkennbar von den Männern der bolschewistischen Regierung, so sehr diese fortgesetzt ihren guten Willen betonte, unterstützt und geleitet wurde. Die weitere Entwicklung der Dinge in Rußland erforderte unsere größte Aufmerksamkeit. Die Friedensschlüsse im Osten hatten zwar den militärischen Zusammenbruch unseres auf dem Kontinent stärksten Gegners besiegelt. Aber an Stelle der gewaltigen Militärmacht des Zaren war uns ein neuer gefährlicher Feind erstanden: der Bolschewismus. In Finnland und der Ukraine standen wir mit ihm in offenem Kampf, in Sowjet-Rußland verhinderte er die Auswirkung des Friedensschlusses, im eigenen Lande zehrte er als schleichendes Gift an den Wurzeln unserer Kraft. Mit diesem Feinde im Rücken hatten wir im Westen die Entscheidung herbeizuführen. Die Entscheidung Diplomatisches Zwischenspiel Zu derselben Zeit, als Rußland endgültig zusammenbrach und die bolschewistische Regierung sich zu Friedensverhandlungen bereit erklärte, richtete Lord Lansdowne, der Leiter der britischen Außenpolitik in dem letzten konservativen Kabinett, einen Brief über Krieg und Frieden an die »Times«, der einen Umschwung in der Gesinnung der politischen Kreise Englands anzukündigen schien. Die »Times« verweigerten den Abdruck des Briefes. Lord Lansdowne ließ ihn daraufhin im »Daily Telegraph« veröffentlichen. Der Brief war eine besorgte Warnung vor der Überspannung der Kriegsziele und der Parole des Krieges bis zum Äußersten. Der Wirtschaftskrieg sei als Kriegsmittel gerechtfertigt; aber kein Vernünftiger könne auf die Dauer die feindlichen Mächte vom Welthandel ausschließen wollen. Von den territorialen Kriegszielen sei manches, was früher an erster Stelle gestanden habe, in die zweite Reihe gerückt; an erster Stelle stehe die Wiederherstellung Belgiens. »Wir werden den Krieg nicht verlieren, aber seine Weiterführung würde den Untergang der Kulturwelt herbeiführen. Der Krieg muß zu Ende gebracht werden, um die Welt vor einer Katastrophe zu bewahren.« Solche Worte aus der Feder eines britischen konservativen Führers, eines Mannes, dem pazifistische Gedankengänge fernlagen, der auf den Grundsätzen des britischen Imperialismus stand und praktisch-imperialistische Politik gemacht hatte, erregten natürlich in der ganzen Welt das größte Aufsehen. Beifall und Widerspruch waren in den alliierten Ländern geteilt. Am heftigsten griff die französische Presse Lord Lansdowne an, da sie ein Abrücken der britischen Politik von den französischen Eroberungszielen befürchtete. Bei uns und unseren Verbündeten erweckten die Äußerungen des Lords neue Hoffnung auf einen gerechten Verständigungsfrieden. Der Staatssekretär von Kühlmann äußerte im Hauptausschuß des Reichstags am 30. November 1917, vielleicht könne der Lansdowne-Brief »als ein hoffnungsvolles Zeichen dafür aufgefaßt werden, daß auch in England gemäßigte Stimmen Boden gewinnen«. Aber bald erwies sich der Brief Lansdownes als die Stimme eines Predigers in der Wüste. In England selbst wurde er, ohne Widerspruch bei seinem Urheber zu finden, in einer Weise zurechtkommentiert, die den ursprünglichen Eindruck nahezu in sein Gegenteil verkehrte. Am 15. Dezember erklärte Lloyd George in öffentlicher Rede, der Brief Lansdownes sei bei Freund und Feind mißverstanden worden und habe auf der Pariser Konferenz der Alliierten, die zur Zeit seiner Veröffentlichung tagte, eine peinliche Überraschung hervorgerufen. In Wirklichkeit habe Lord Lansdowne nichts anderes sagen wollen als etwa Asquith oder Wilson. Der Hinweis auf Wilson zielte auf die Botschaft, die Wilson am 5. Dezember 1917 an den Kongreß gerichtet hatte mit dem Antrag, der Kongreß möge auch gegenüber Österreich-Ungarn, mit dem bisher nur die diplomatischen Beziehungen abgebrochen worden waren, den Kriegszustand erklären. Dieser Schritt, für den ein besonderer Anlaß auf der Seite Österreich-Ungarns nicht vorlag, war offenbar auf das Drängen Frankreichs und Italiens zurückzuführen, die durch eine solche amerikanische Demonstration -- mehr war die formelle Erklärung des Kriegszustandes seitens der Union an die Adresse der Donaumonarchie nicht -- ein moralisches Gegengewicht gegen den bedenklichen Eindruck der italienischen Niederlage in Venetien und des russischen Friedensschrittes schaffen wollten. Als unmittelbare Begründung für seinen Antrag gab Wilson an, es sei eine unbestreitbare Tatsache, daß Österreich-Ungarn im Augenblick nicht Herr seiner selbst, sondern lediglich ein Vasall der deutschen Regierung sei. In derselben Botschaft machte der Präsident Ausführungen allgemeiner Art, die sich in der schon in seiner Kundgebung aus Anlaß der Erklärung des Kriegszustandes gegen Deutschland und in seiner Antwort auf die Friedensnote des Papstes eingeschlagenen Richtung bewegten und für die Auffassungen und Ziele dieses für die weitere Entwicklung des Krieges so wichtigen Mannes in hohem Maße bezeichnend waren. Er sprach von der »unerträglichen Erscheinung, deren häßliches Gesicht die Herren Deutschlands uns zeigen«, von der »Drohung durch Intrige, verbunden mit Gewalt, als welche wir die deutsche Macht jetzt deutlich sehen, ohne Gewissen, Ehre oder Eignung für einen durch Vertrag geschlossenen Frieden«. Es gelte, diese Macht zu Boden zu schlagen und, wenn nicht völlig aus der Welt zu schaffen, so doch von dem friedlichen Verkehr der Völker auszuschließen. Wenn aber diese Erscheinung besiegt sei und das deutsche Volk Sprecher habe, deren Worten man trauen könne, wenn ferner diese Sprecher bereit sein würden, namens ihres Volkes ein allgemeines Urteil der Nationen darüber anzunehmen, was künftig Grundlage für Gesetz und Verträge unter den Völkern sein solle, dann werde man freudig bereit sein müssen, den vollen Preis für den Frieden zu zahlen. Dieser Preis sei »die volle und unparteiische Gerechtigkeit, Gerechtigkeit in jeder Beziehung und für jedes Volk«. Er ergänzte diese Ausführungen durch den Ausdruck der Bewunderung für Deutschlands Wissenschaft und Industrie und durch die Versicherung, niemand wolle sich in Deutschlands innere Angelegenheiten einmischen, niemand bedrohe Deutschlands Existenz, Unabhängigkeit und friedliche Entwicklung. Aber für die edle und gerechte Sache, für die Amerika seinen Traditionen gemäß in den Krieg eingetreten sei, werde es sich schlagen, bis der letzte Schuß verhallt sei. Wie schon in seiner Antwort auf den Friedensvorschlag des Papstes, so suchte der Präsident Wilson bei dem deutschen Volke, für dessen Ohren diese Botschaft mindestens ebensosehr bestimmt war wie für die Ohren seiner unmittelbaren Zuhörerschaft, den Eindruck zu erwecken, als gelte der Krieg Amerikas nur den »Herren Deutschlands«, und diesen in aller Unerbittlichkeit, nicht aber dem deutschen Volke selbst, für das er seine Sympathie und Bewunderung ausdrückte; als hänge es nur von dem deutschen Volk ab -- in dessen innere Angelegenheiten er sich beileibe nicht einmischen wolle! --, durch Davonjagen seiner »Herren« zu einem Frieden der unparteiischen, Freund und Feind mit gleichem Maße messenden Gerechtigkeit zu kommen. In späteren Reden und Botschaften hat er denselben Faden weitergesponnen. Das hart geprüfte, unter den Opfern und der Last des Krieges schwer leidende deutsche Volk horchte allmählich auf. Nicht nur in einfältigen Gemütern fanden die verführerischen Worte Wilsons Eingang; auch ein großer Teil der »Intelligenz« und derjenigen Leute, die bei uns die Rolle von Politikern spielten, sich selbst für Politiker hielten und dafür halten ließen, kam allmählich dazu, in Wilsons Worten Offenbarungen zu hören. Mit besonderer Aufdringlichkeit spielte sich Herr Maximilian Harden, einer der schlimmsten Verderber des deutschen Geistes, als Wilsons Prophet auf. Immer kleiner wurde die Schar derjenigen, die in Wilsons Ausführungen nichts anderes erblickten als den entschlossenen Willen der Fortsetzung des Krieges bis zur Niederwerfung Deutschlands und die mit Doktrinarismus und Unkenntnis europäischer Verhältnisse gepaarte Absicht der Bemäntelung dieses Kriegswillens mit völkerbeglückenden Ideen, dazu den Versuch, das deutsche Volk in sich selbst zu entzweien und es gegen die Monarchie und ihre Träger aufzuwiegeln. Nichts anderes als dieser Wilson hatte nach Lloyd Georges Bekundung Lord Lansdowne in seinem Briefe sagen wollen. Und Lloyd George selbst? -- Er machte in seiner Rede vom 15. Dezember aus seinem Herzen wahrhaft keine Mördergrube. Er warnte eindringlich vor den Pazifisten, die auf allerhand Schleichwegen England zu einem voreiligen Frieden zu bewegen suchten. Er erklärte es für einen Wahn, man könne den Krieg durch einen Völkerbund beenden. Das sei zwar eine gute Sache nach dem Siege, aber jetzt klinge der Vorschlag wie ein Scherz. Wolle man ohne Sicherheit gegen die Wiederholung des von Deutschland begangenen Vertragsbruches ein neues Abkommen schaffen, so sei das aber kein Witz mehr, sondern ein Trauerspiel. Er gebe nichts auf Worte ohne die Kraft und Macht des Sieges. Die »Preußen« -- er sprach mit Absicht nicht von den »Deutschen« -- bezeichnete er als »Verbrecher und Banditen«. Die sichere Hoffnung auf den Sieg trotz des Ausscheidens Rußlands begründete er mit dem Hinweis darauf, daß an die Stelle Rußlands, das sich als der am schlechtesten organisierte Staat erwiesen habe, jetzt die Vereinigten Staaten mit ihrer ganzen Kraft getreten seien. Einige Tage später, am 21. Dezember, nahm Lloyd George Gelegenheit, sich im Unterhaus in einer großen Rede über die Lage auszusprechen. Er verhehlte nicht die Gefahren: Der Lebensmittelmangel bei den Alliierten sei größer als erwartet. Die zu Anfang des Jahres gehegten militärischen Hoffnungen seien nicht in Erfüllung gegangen; zwar hätten die Deutschen auf dem westlichen Kriegsschauplatz Niederlagen erlitten und hätten die Engländer Bagdad und Jerusalem erobert; aber die Lage sei bedrohlicher geworden durch die unerwartete Niederlage Italiens, dem seine Verbündeten hätten zu Hilfe kommen müssen, und durch Rußlands Eintritt in Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen. Die kommenden Wochen würden die sorgenvollsten des ganzen Krieges sein. Auf Grund dieser Lage kündigte er Maßregeln zur Vergrößerung des Heeres an. Von Friedensbereitschaft war auch aus dieser Rede nicht der leiseste Klang herauszuhören. Zwar wies er den Gedanken als lächerlich weit von sich, England habe am Krieg teilgenommen, um Gebietsteile zu erwerben. Aber er blieb dabei, der Krieg sei verursacht worden durch die »ruchlose Arroganz der deutschen Militärkaste«, und solange der Geist dieser Kaste nicht gebrochen sei, werde kein Friede in der Welt sein. Der Sieg sei das einzige Mittel, den Friedensbedingungen Kraft zu verleihen. Nun kam die Unterbrechung der Brester Friedensverhandlungen auf zehn Tage mit der ausdrücklichen Begründung, daß Rußlands Verbündeten Gelegenheit gegeben werden solle, den Verhandlungen beizutreten und so den Weg zum allgemeinen Frieden zu öffnen. Für diesen Fall hatten die Mächte des Vierbundes ausdrücklich die Grundlage: »Keine gewaltsamen Gebietserwerbungen, keine Kriegsentschädigungen, Selbstbestimmungsrecht der Völker« durch die Erklärung des Grafen Czernin vom 25. Dezember als maßgebend angenommen. Die russische Regierung wandte sich mit ihrer Aufforderung, den allgemeinen Frieden auf diesem Boden herbeizuführen, an die Völker. Es konnte kaum mehr zweifelhaft sein, daß im Falle einer Weigerung der alliierten Regierungen, den Friedensverhandlungen beizutreten, Rußland mit den Mächten des Vierbundes in kürzester Zeit einen Sonderfrieden abschließen würde. Wir wissen bereits, daß die Ententeregierungen es ablehnten, sich auf Friedensverhandlungen einzulassen. Am meisten beeilte man sich mit der Ablehnung in Paris. Der Minister des Auswärtigen, Herr Pichon, teilte bereits am 27. Dezember in der Kammer mit, daß die Vertreter der Alliierten in Petersburg erklärt hätten, an dem Tage, an dem in Rußland eine regelrecht konstituierte Regierung bestehen werde, seien sie bereit, mit dieser ihre Kriegsziele und die eventuellen Bedingungen eines dauerhaften und gerechten Friedens zu besprechen. Herr Pichon erging sich dann auf eigene Rechnung in Beschuldigungen gegen Deutschland, das Rußland von seinen Verbündeten trennen, es zerstückeln und berauben, schließlich die Revolution niederwerfen und das autokratische Regime unter preußischer Hegemonie wieder aufrichten wolle. Er wiederholte ferner Frankreichs Ansprüche auf Elsaß-Lothringen und schloß mit Clemenceaus Parole: »Zuerst siegen!« In Rom lehnte der Ministerpräsident Orlando in einer Rede vor dem Senat die Friedensgrundlagen, wie sie in Brest-Litowsk präzisiert worden waren, ab, da sie Frankreich Elsaß-Lothringen und Italien die unerlösten Provinzen vorenthielten. Es handle sich bei den Mittelmächten nicht um ein aufrichtiges Streben nach Frieden, sondern um eine hinterlistige Friedensoffensive, die den Geist der kriegführenden Völker zersetzen und vergiften wolle. Nicht ganz einfach war die Lage für die britische Regierung. Der Ernst der Situation, von dem Lloyd George am 21. Dezember im Unterhause offen und freimütig gesprochen hatte, und die Notwendigkeit noch stärkerer Anstrengungen, gegen die in der Arbeiterschaft sich Widerstände geltend machten, verstärkten sichtlich die Geneigtheit großer Teile der Bevölkerung, einen billigen Frieden anzunehmen. Hochfahrende Worte, wie sie Lloyd George noch vor kurzem gegen Deutschland, das Land der »Verbrecher und Banditen«, gebraucht hatte, waren in dieser Lage nicht ganz angebracht. Der Reichskanzler hatte in einem Interview geantwortet, nach jenen Schmähungen des britischen Premiers sei klar, daß für uns ein Verhandeln mit Männern derartiger Gesinnung ausgeschlossen sei. Lloyd George mußte sich in Rücksicht auf Strömungen in seinem eigenen Lande hüten, den Bogen zu überspannen. Als er am 5. Januar vor den Vertretern der Gewerkschaften erschien, um bei diesen Stimmung für die geplanten großen militärischen Neuforderungen zu machen, dämpfte er merklich den Ton. Seiner Rede gab er besonderen Nachdruck durch die Erklärung, daß sie das Ergebnis von Besprechungen mit Vertretern der Arbeiterpartei, ferner mit Asquith und Grey sowie mit Vertretern der großen Dominions sei, also nicht nur die Meinung der Regierung, sondern des ganzen Britischen Reiches wiedergebe. Er führte aus: Mit dem größten Widerstreben sei England in den Krieg eingetreten, nur um die Verträge aufrechtzuerhalten, auf denen die Ordnung Europas beruhe und die Deutschland zertreten habe. Es sei nicht Englands Absicht, Deutschlands Stellung in der Welt zu erschüttern und zu vernichten; nur Deutschlands Streben nach einer militärischen Vorherrschaft müsse gebrochen werden. Auch sei England nicht in den Krieg gegangen, um die monarchische Verfassung Deutschlands zu zerstören; es sei allerdings seine Meinung, daß die Annahme eines wahrhaft demokratischen Systems durch Deutschland der überzeugendste Beweis vom Verschwinden des alten Geistes militärischer Vorherrschaft wäre und es leichter machen würde, einen auf breiter demokratischer Grundlage beruhenden Frieden zu schließen. -- Lloyd George blies also in diesem Punkte dieselbe Melodie wie Wilson. -- Als Kriegsziele bezeichnete er: die vollkommene Wiederherstellung Belgiens und Schadenersatz für seine verwüsteten Städte und Provinzen; die Wiederherstellung Serbiens, Montenegros und der besetzten Teile Frankreichs, Italiens und Rumäniens. Er fügte hinzu, England werde die französische Demokratie bis in den Tod unterstützen bei ihrer Forderung auf eine »reconsideration« (Wiedererwägung oder Wiedergutmachung?) des großen Unrechtes von 1871. Er sprach sich ferner für ein unabhängiges Polen aus, das alle Gebiete umfasse, die sich ihm anzuschließen wünschten. Österreich-Ungarn solle nicht zerrissen werden, müsse aber seinen Nationalitäten Selbstregierung gewähren. Das Türkische Reich mit Konstantinopel als Hauptstadt könne bleiben, aber die Meerengen müßten neutralisiert werden, und Armenien, Arabien, Mesopotamien und Syrien müßten das Recht auf Anerkennung ihrer besonderen nationalen Verhältnisse erhalten. Über die deutschen Kolonien müsse eine Konferenz entscheiden, die in erster Linie die Wünsche und Interessen der Eingeborenen zu berücksichtigen habe. Schließlich müsse ein ernsthafter Versuch gemacht werden, eine friedliche Regelung internationaler Fragen an die Stelle des Krieges, dieses Restes alter Barbarei, zu setzen. Auf diese Rede Lloyd Georges erfolgte am 8. Januar eine Botschaft des Präsidenten Wilson an den Kongreß, die in ihrem Gedankengang eine auffallende Übereinstimmung mit der drei Tage zuvor gehaltenen Rede Lloyd Georges zeigt. Diese Botschaft sollte späterhin dadurch eine besondere historische Bedeutung erlangen, daß die deutsche Regierung Anfang Oktober 1918 bei ihrem Ersuchen um Waffenstillstand und Frieden auf die in ihr entwickelten 14 Programmpunkte des Weltfriedens zurückgriff und daß die alliierten Regierungen diese 14 Punkte mit zwei Vorbehalten als Grundlage des abzuschließenden Friedens annahmen. Wilson ging sehr geschickt aus von den inneren Unstimmigkeiten, die aus dem Verhalten der Vertreter der Zentralmächte bei den Brester Verhandlungen zutage traten. Er stellte die Frage: »Wem haben wir nun eigentlich zugehört? Denen, die den Geist und die Absicht der Resolution des Deutschen Reichstags vom 19. Juli 1917, den Geist und die Absicht der liberalen Führer Deutschlands verkündeten, oder denen, die diesem Geist und dieser Absicht Widerstand leisten, sie verachten und auf Eroberung und Unterwerfung bestehen? Oder hören wir am Ende beide unversöhnt und in offenem und hoffnungslosem Widerspruch?« Aber einerlei, wie diese Frage sich beantworte, es bestehe kein Grund, die Aufforderung der Mittelmächte nach Bekanntgabe der Kriegsziele nicht mit der äußersten Offenheit zu beantworten. Die Vereinigten Staaten seien in den Krieg eingetreten, weil Rechtsverletzungen vorgekommen seien, die an ihren Lebensnerv rührten. Sie verlangten in diesem Kriege nichts für sich selbst; sie verlangten nur, daß das Leben in der Welt würdig und sicher gemacht werde, und dieses Interesse sei allen Völkern gemeinsam. Das Programm der Vereinigten Staaten sei daher das Programm des Weltfriedens, und dieses einzig mögliche Programm enthalte die folgenden Punkte: 1. Offene und öffentlich zustandegekommene Friedensverträge, nach deren Zustandekommen es keine geheimen internationalen Abmachungen irgendwelcher Art mehr geben solle; vielmehr solle die Diplomatie immer offen und vor aller Welt getrieben werden. 2. Vollkommene Freiheit der Schiffahrt auf den Meeren außerhalb der territorialen Gewässer sowohl im Frieden wie im Krieg, soweit nicht etwa die Meere durch eine internationale Aktion zwecks Durchsetzung internationaler Verträge ganz oder teilweise geschlossen werden sollten. 3. Die Beseitigung, soweit sie möglich ist, aller wirtschaftlichen Schranken und die Errichtung einer Gleichheit der Handelsbedingungen unter allen Nationen, die sich dem Frieden anschließen und sich zu seiner Aufrechterhaltung zusammenfinden. 4. Es sollen geeignete Garantien gegeben und genommen werden, daß die nationalen Rüstungen auf das niedrigste mit der inneren Sicherheit verträgliche Maß herabgesetzt werden. 5. Eine freie, offenherzige und unbedingt unparteiische Regelung aller kolonialen Ansprüche, beruhend auf der strikten Beobachtung des Grundsatzes, daß bei der Entscheidung solcher Souveränitätsfragen die Interessen der betroffenen Bevölkerung ein ebensolches Gewicht haben sollen wie die berechtigten Ansprüche der Regierung, deren Rechtstitel bestimmt werden sollen. 6. Räumung aller russischen Gebiete und eine Regelung aller Rußland betreffenden Fragen, die Rußland die beste und freieste Mitwirkung aller anderen Nationen der Welt zum Zweck der Erlangung einer unbehinderten und unbeeinträchtigten Möglichkeit der unabhängigen Bestimmung der eigenen politischen Geschicke und der nationalen Politik sichert und Rußland eine herzliche Aufnahme in die Gesellschaft der freien Nationen gewährleistet, desgleichen jede Hilfe, die Rußland nötig haben und wünschen sollte. 7. Belgien muß geräumt und wiederhergestellt werden, und zwar ohne jeden Versuch der Beschränkung seiner Souveränität, deren es sich in gleicher Weise wie alle anderen freien Nationen erfreuen soll. 8. Alles französische Gebiet müßte befreit werden, und das besetzte Gebiet und das im Jahre 1871 Frankreich in Sachen Elsaß-Lothringens von Preußen zugefügte Unrecht, das nahezu fünfzig Jahre lang den Weltfrieden in Frage gestellt hat, müßte in Ordnung gebracht werden, damit im Interesse aller noch einmal Friede gemacht werden kann[3]. [3] Der englische Text lautet reichlich unklar: All french territory should be freed, and the invaded portions and the wrong done to France by Germany in 1871 in the matter of Alsace-Lorraine -- which has unsettled the peace of the world nearly fifty years -- should be righted in order that peace may once more be made in the interest of all. 9. Eine Berichtigung der italienischen Grenzen sollte bewirkt werden nach den klar erkennbaren Linien der Nationalität. 10. Den Völkern Österreich-Ungarns, dessen Platz wir unter den Nationen gewahrt und gesichert zu sehen wünschen, müßte die erste Gelegenheit einer autonomen Entwicklung gegeben werden. 11. Rumänien, Serbien und Montenegro müßten geräumt, die besetzten Gebiete wiederhergestellt werden, Serbien müßte einen freien und sicheren Zugang zum Meere erhalten, und die gegenseitigen Beziehungen der Balkanstaaten müßten durch freundschaftliche Beratung gemäß den geschichtlich gewordenen Grundlinien von Zusammengehörigkeit und Nationalität bestimmt werden; außerdem müßten internationale Garantien für die politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit und die territoriale Integrität der einzelnen Balkanstaaten geschaffen werden. 12. Den türkischen Teilen des gegenwärtigen Ottomanischen Reiches müßte eine sichere Souveränität gewährleistet werden. Aber die anderen Nationalitäten, die jetzt unter türkischer Herrschaft stehen, müßten eine unzweifelhafte Sicherheit des Lebens und eine vollkommen unbeeinträchtigte Möglichkeit der autonomen Entwicklung erhalten; die Dardanellen müßten unter internationalen Garantien dauernd als freie Durchfahrt für die Schiffe und den Handel aller Nationen geöffnet werden. 13. Ein unabhängiger polnischer Staat müßte errichtet werden, der die von einer unbestreitbar polnischen Bevölkerung bewohnten Gebiete einschließen, einen freien und gesicherten Zugang zum Meer erhalten und dessen politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit und territoriale Integrität durch internationalen Vertrag garantiert werden sollte[4]. [4] Englischer Text: An independent Polish State should be erected which should include territories inhabited by indisputably Polish population, which should be assured a free and secure access to sea, and whose political and economic independance and territorial integrity should be garanteed by international covenant. 14. Es muß eine allgemeine Vereinigung der Nationen unter bestimmten Vertragsbedingungen gebildet werden zum Zweck gegenseitiger Garantie politischer und territorialer Unabhängigkeit auch für kleine Staaten. Wilson erklärte, daß die Vereinigten Staaten mit ihren Verbündeten bis zur Erfüllung dieser Forderungen kämpfen würden, lediglich aus dem Wunsche, das Recht zum Siege zu führen und einen gerechten und dauerhaften Frieden herbeizuführen. Er betonte erneut, daß den Vereinigten Staaten jede Eifersucht auf Deutschlands Größe fernliege und daß diese durch nichts in seinem Programm beeinträchtigt werde. »Wir neiden Deutschland keine Errungenschaft oder Auszeichnung in der Wissenschaft oder in friedlichen Unternehmungen. Wir wollen Deutschland nicht schädigen oder irgendwie seinen rechtmäßigen Einfluß oder seine Macht beschränken. Wir wünschen nicht, Deutschland zu bekämpfen, sei es mit den Waffen, sei es mit wirtschaftlichen Kriegsmaßnahmen, wenn es bereit ist, sich mit uns und anderen friedliebenden Nationen der Welt in Verträgen über Recht, Gerechtigkeit und anständigen Handel (fair trading) zu einigen. Wir wünschen nur, daß Deutschland einen Platz der Gleichberechtigung unter den Völkern der Welt einnimmt -- der neuen Welt, in der wir leben -- statt eines Herrscherplatzes. Ebensowenig vermessen wir uns, Deutschland irgendeine Änderung seiner Staatseinrichtungen vorzuschlagen; aber es ist notwendig -- wir müssen das offen aussprechen -- und notwendig als Voraussetzung für jedes vertrauensvolle Verhandeln von unserer Seite, daß wir wissen, für wen seine Wortführer sprechen, wenn sie mit uns reden, ob für die Reichstagsmehrheit oder für die Militärpartei und die Leute, deren Credo imperialistische Herrschaft ist.« Ebenso wie die Rede Lloyd Georges vom 5. Januar unterschied sich diese Botschaft Wilsons im Ton vorteilhaft von früheren Kundgebungen. Dem Inhalt nach mußte jedoch das Wilsonsche Programm bei dem damaligen Stande des Krieges in wichtigen Punkten unannehmbar, ja undiskutierbar erscheinen. Deutschland, das jetzt gerade mit seinem unter gewaltigen Anstrengungen und Opfern zu Boden geworfenen russischen Nachbarn verhandelte, sollte seine Ostmarken, die durch mehr als ein Jahrhundert deutscher Kulturarbeit zur Blüte gebracht und mit dem Reiche zusammengewachsen waren, an den durch die deutschen Siege erst wieder möglich gewordenen und durch die Proklamation der beiden verbündeten Kaiser erst wieder ins Leben gerufenen polnischen Staat herausgeben? Deutschland, das einen großen Teil von Nordfrankreich besetzt hielt, das jetzt nach dem Ostfrieden ein Heer von nie gesehener Stärke auf dem westlichen Kriegsschauplatz vereinigte, sollte Elsaß-Lothringen, ein Land mit 87% deutschsprechender Bevölkerung, an Frankreich ausliefern? Ein unbesiegtes Deutschland sollte seine Bundesgenossen treulos im Stich lassen, sich mit der Zertrümmerung der Türkei und der Einmischung der Westmächte in die inneren Verhältnisse der Donaumonarchie einverstanden erklären? Das alles angesichts der Tatsache, daß der Grundsatz des Selbstbestimmungsrechts der Nationalitäten in dem Wilson-Programm lediglich zum Nachteil Deutschlands und seiner Verbündeten angewendet wurde, nicht aber auf das britische Weltreich, für das seine Anwendung ebenso verhängnisvoll wirken mußte wie für Österreich-Ungarn und die Türkei, und angesichts Irlands jedenfalls verhängnisvoller als für das im großen ganzen national geschlossene Deutschland. Die Erkenntnis der gewaltigen Kluft, die auch bei gutem Willen zwischen den beiden Mächtegruppen lag, fehlte auch auf der anderen Seite nicht. Balfour sprach am 11. Januar in Edinburgh aus, die Kriegsziele der beiden Parteien seien offenbar nicht miteinander zu versöhnen. Deutschland führe seine Jugend zur Schlachtbank, nur um zu verhindern, daß das Unrecht von 1871 rückgängig gemacht, daß Belgien wieder in seinen früheren Zustand gebracht, daß das Werk der Einheit Italiens vollendet, daß die Missetat der Teilung Polens wieder gutgemacht werde; Deutschland wolle, daß Mesopotamien, Arabien und Jerusalem wieder unter die Gewalt der Türken kämen; die Wunden Serbiens, Montenegros und Rumäniens sollten nicht geheilt, und Griechenland solle denen ausgeliefert werden, die es verraten hätten. -- Das war durch die britische Brille gesehen und für den Gebrauch der öffentlichen Meinung der Ententestaaten gefärbt. Aber wenn man von den tendenziösen Behauptungen über Belgien und die Balkanstaaten absieht -- Fragen, über die wir zu verhandeln bereit waren und an denen von uns aus, wie Balfour wissen konnte, niemals der Friede gescheitert wäre --, was blieb dann als die Feststellung, daß Deutschland und seine Verbündeten einen Verteidigungskrieg für ihren Bestand führten, daß aber die Alliierten Elsaß-Lothringen und die Ostmark vom Deutschen Reich, die Gebiete der Irredenta und Galizien von Österreich, Mesopotamien, Arabien und Syrien von der Türkei losreißen wollten? Und dabei gestand Balfour nur einen Teil der wirklichen Kriegsziele der Alliierten ein. Von Englands Absicht der Zerstörung aller weltwirtschaftlichen Beziehungen und Stützpunkte Deutschlands -- einer Absicht, die es seit dem ersten Tag des Krieges überall, wohin sein Arm reichte, hatte zur Tat werden lassen, -- war mit keinem Wort die Rede. In diesem Konflikt zwischen den Verteidigungszielen des Vierbundes und den Eroberungs- und Vernichtungszielen der Alliierten lag immer und immer wieder das Friedenshindernis! War dieser Konflikt unlösbar? Durfte auf den Versuch verzichtet werden, den Frieden vor neuen furchtbaren Kämpfen durch eine Fortsetzung der Friedensgespräche anzubahnen? Die neuesten Kundgebungen Lloyd Georges, Balfours und Wilsons schienen wenigstens in ihrem Ton nicht alle Aussichten zu verschließen. Außerdem sprachen gewisse Anzeichen für eine weitere Zunahme der Schwierigkeiten der Alliierten, Schwierigkeiten, von denen man eine Förderung der friedensfreundlichen Tendenzen vielleicht erwarten konnte. Vor allem steigerten sich infolge des U-Bootkriegs auch für die Entente erneut die Ernährungssorgen, die nach der Einbringung der neuen Ernte zunächst behoben schienen. Die amerikanische Regierung sah sich genötigt, unerwartet starken Anforderungen ihrer Verbündeten zu entsprechen. Reuter meldete am 12. Januar 1918 aus Washington, daß die Höchstmenge der normalen Weizenausfuhr der Union schon gegen Ende Dezember verladen gewesen sei, daß aber gleichwohl die Unionsregierung angesichts des bei den Alliierten herrschenden Mangels Vorbereitungen für die Lieferung von weiteren 90 Millionen Bushels (gleich 2-1/2 Millionen Tonnen) treffe. Zu diesem Zweck seien weitere Einschränkungen des amerikanischen Verbrauches geplant. Reuter fügte hinzu: »Die Entscheidung, ob das Abkommen mit den Alliierten über den Transport amerikanischer Truppen nach Europa dadurch berührt wird, bleibt den Alliierten überlassen. Einzelne amerikanische Beamte sind der Ansicht, daß die Alliierten vorerst der Lieferung von Getreide den Vorzug geben werden.« Daneben machte der Heeresersatz der britischen Regierung fortgesetzt große Schwierigkeiten. Sir Auckland Geddes teilte am 15. Januar dem Unterhause mit, daß die Mittelmächte durch das Ausscheiden Rußlands einen Kräftezuwachs von mindestens 1-1/2 Millionen Mann erhalten hätten, von denen sie die Mehrzahl an die Westfront werfen könnten; demgegenüber müsse England sofort 400-500000 Mann aus denjenigen Gruppen ausheben, die jetzt noch im bürgerlichen Leben ständen. Lloyd George sah sich genötigt, an die Gewerkschaften, deren Zustimmung und Mitwirkung für das Aufbringen des Heeresersatzes unerläßlich war, am 19. Januar einen neuen dringenden Appell zu richten. »Wir stehen vor der Alternative,« sagte er, »entweder den Kampf mit allen Kräften fortzusetzen, oder es zu machen wie das russische Heer und nach Hause zu gehen... Wenn wir nicht bereit sind, mit aller Macht Widerstand zu leisten, werden die Deutschen die Herrschaft über die Welt antreten, und die Demokratie Englands, Frankreichs, ja ganz Europas wäre der grausamsten Militärautokratie ausgeliefert. Resolutionen machen auf Hindenburg keinen Eindruck; das tuen nur Kanonen.« Der Kampf gegen die preußische Militärkaste, so fuhr Lloyd George fort, sei derselbe, den er mit den Arbeitern in England gegen die Aristokratie und die Privilegierten geführt habe, und er hoffe, daß sie auch in Zukunft zusammen gegen alle Privilegien kämpfen würden. Er schloß mit den Worten: »Wenn jemand irgendeine gerechte und ehrenhafte Lösung zu finden weiß, um aus diesem Krieg ohne weiteren Kampf herauszukommen, so mag er dies um Gottes willen sagen. Meine Überzeugung ist, daß wir nur die eine Wahl haben: Weiterkämpfen oder unterliegen.« Noch niemals hatte man bisher im Laufe des Krieges solche Worte von dem den Mund leicht etwas voll nehmenden Walliser gehört. Bemerkenswert wie diese Rede war auch die sich daran anschließende Debatte. So erklärte Lloyd George auf eine Anfrage, die elsaß-lothringische Frage müsse Frankreich entscheiden, aber England müsse auf der Seite Frankreichs stehen. Das war eine etwas mattherzige Unterstützung des französischen Kriegsziels. Auf eine weitere Anfrage erklärte er, sobald die Deutschen die geringste Geneigtheit zeigten, über einen Frieden auf billiger Grundlage zu verhandeln, werde auf englischer Seite nicht der geringste Widerspruch gegen die Anbahnung von Friedensverhandlungen vorhanden sein. Das klang wesentlich weicher als die harten Worte des Hohnes, mit denen die britische Regierung den deutschen Friedensvorschlag zurückgewiesen hatte. Dazu kamen Anzeichen von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Alliierten. Während die Kundgebungen Wilsons und Lloyd Georges genau aufeinander abgestimmt waren, kamen aus Frankreich andersklingende Töne. Am 12. Januar hatte Herr Pichon in der französischen Kammer eine Interpellation über die Kriegsziele der Alliierten und über die Verweigerung der Pässe an die französischen Sozialisten, die in Petersburg mit der Sowjetregierung Fühlung nehmen wollten, zu beantworten. Während Herr Wilson Worte hoher Sympathie für Sowjetrußland und die von Trotzki proklamierten Friedensgrundsätze gesprochen hatte, erklärte Herr Pichon, die bolschewistische Regierung werde von den Alliierten nicht anerkannt; sie habe die Verträge mit ihren Verbündeten für nichtig erklärt und Friedensbedingungen aufgestellt, denen zuzustimmen sowohl Pflicht wie Interesse verböten. Weiter teilte er mit, er habe nach seiner -- obenerwähnten -- Rede vom 27. Dezember bei den Alliierten angefragt, ob es nicht angezeigt sei, eine zu vereinbarende gemeinschaftliche Erklärung über die Kriegsziele abzugeben. Die Antwort habe verneinend gelautet. Die Forderung auf Veröffentlichung der Antworten könne er nicht erfüllen. -- Die feindlichen Staatsmänner hatten gesprochen. Jetzt hatten die Leiter unserer politischen Geschicke das Wort. An einem und demselben Tag, am 24. Januar, sprachen Graf Czernin in Wien vor dem österreichischen Delegationsausschuß, Graf Hertling in Berlin vor dem Hauptausschuß des Reichstags. Graf Czernin sprach die Überzeugung aus, daß nicht nur die Brester Verhandlungen zu einem guten Ende kommen würden, sondern daß auch der allgemeine Friede im Reifen sei. In dieser Überzeugung sei er bestärkt worden durch Wilsons Friedensangebot, in dem er eine bedeutende Annäherung an den österreichisch-ungarischen Standpunkt erblicke. Allerdings werde die Donaumonarchie ihre Bündnispflichten getreu erfüllen und den vorkriegerischen Besitzstand ihrer Bundesgenossen verteidigen wie den eigenen; ferner lehne er Ratschläge, wie Österreich im Innern zu regieren sei, höflich, aber entschieden, ab. Er äußerte sich dann großenteils zustimmend zu den einzelnen Punkten des Wilsonschen Programms. Hinsichtlich der auf Italien und die Balkanstaaten bezüglichen Punkte bemerkte er, daß er sich weigere, als Assekuranz für feindliche Kriegsabenteuer zu figurieren und einseitig Konzessionen zu machen, die nur den Feinden ermöglichten, den Krieg ins Endlose fortzuschleppen. Italien habe vor seinem Eintritt in den Krieg Gelegenheit gehabt, ohne Schwertstreich einen großen territorialen Erwerb zu machen; es habe abgelehnt und Hunderttausende an Toten und Milliarden an Werten verloren, nur um das, was es umsonst haben konnte, auf immer zu verlieren. In bezug auf das polnische Problem nähere er sich den Auffassungen Wilsons, ebenso in anderen Punkten, so daß die Erwägung nahe liege, ob nicht ein »Gedankenaustausch zwischen Österreich-Ungarn und den Vereinigten Staaten den Ausgangspunkt für eine allgemeine versöhnliche Aussprache bilden könne«. Graf Hertling erkannte in seiner Rede an, daß sowohl Lloyd George als auch Wilson den Ton ihrer Ausführungen geändert hätten. Aber dem Optimismus, wie er sich daraufhin namentlich in manchen Stimmen des neutralen Auslandes zeige, könne er nicht ganz folgen. Nach allgemeinen Ausführungen über die Friedfertigkeit der deutschen Politik besprach er der Reihe nach die 14 Punkte des Wilson-Programms. Mit den Punkten 1, 2, 3 und 4 -- Ausschluß der Geheimdiplomatie, Freiheit der Meere, Wirtschaftsfreiheit, Rüstungsbeschränkung -- erklärte er sich grundsätzlich einverstanden. Zu Punkt 5, betreffend die kolonialen Fragen, bemerkte er, daß die praktische Durchführung des von Wilson aufgestellten Grundsatzes in der Welt der Wirklichkeit einigen Schwierigkeiten begegnen werde; zunächst könne es jedenfalls dem großen Kolonialreiche England überlassen bleiben, wie es sich mit dem Vorschlage seines Verbündeten abfinden wolle. Bei der unbedingt auch von Deutschland geforderten Neugestaltung des Weltkolonialbesitzes werde von diesem Programmpunkt seinerzeit die Rede sein. Zu Punkt 6, der Räumung der besetzten russischen Gebiete, stellte er fest, daß die Ententestaaten es abgelehnt hätten, sich den Verhandlungen zwischen den Vierbundmächten und Rußland anzuschließen, und daß er deshalb eine nachträgliche Einmischung ablehnen müsse; er halte an der Hoffnung fest, daß es unter Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der westlichen Randvölker des ehemaligen russischen Kaiserreiches gelingen werde, zu einem guten Verhältnis sowohl mit den neuen Randstaaten als auch mit dem übrigen Rußland zu gelangen. Zu Punkt 7, der belgischen Frage, sei von seinen Amtsvorgängern wiederholt erklärt worden, daß zu keiner Zeit während des Krieges die gewaltsame Angliederung Belgiens an Deutschland einen Programmpunkt der deutschen Politik gebildet habe. Die belgische Frage gehöre zu dem Komplex der Fragen, deren Einzelheiten durch die Friedensverhandlungen zu ordnen sein würden. Solange unsere Gegner sich nicht rückhaltlos auf den Boden stellten, daß die Integrität des Gebietes der Verbündeten die einzig mögliche Grundlage von Friedensverhandlungen bilden könne, müsse er an dem bisher stets eingenommenen Standpunkt festhalten und eine Vorwegnahme der belgischen Angelegenheit aus der Gesamtdiskussion ablehnen. Punkt 8. Die besetzten Teile Frankreichs seien ein wertvolles Tauschpfand in unserer Hand. Auch hier bilde die gewaltsame Angliederung keinen Teil der deutschen Politik. Die Bedingungen und Modalitäten der Räumung, die den vitalen Interessen Deutschlands Rechnung tragen müßten, seien zwischen Deutschland und Frankreich zu vereinbaren. Er könne nur nochmals ausdrücklich betonen, daß von einer Abtretung von Reichsgebiet nie und nimmer die Rede sein könne. Die Punkte 9, 10 und 11 -- italienische Grenzen, Nationalitätsfragen der Donaumonarchie, Balkanstaaten -- berührten Fragen, bei denen zum größten Teil die politischen Interessen Österreich-Ungarns überwögen; er möchte deshalb die Beantwortung dieser Punkte in erster Linie dem auswärtigen Minister Österreich-Ungarns überlassen. Ebensowenig wolle er hinsichtlich der in Punkt 12 behandelten türkischen Angelegenheiten der Stellungnahme der türkischen Staatsmänner vorgreifen. Unsere Verbündeten könnten bei der Wahrnehmung ihrer berechtigten Ansprüche auf unsern nachdrücklichsten Beistand rechnen. Zu Punkt 13, Polen, führte der Reichskanzler aus, nicht die Entente, sondern das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn hätten Polen von dem seine nationale Eigenart unterdrückenden zaristischen Regiment befreit; so möge man denn auch Deutschland, Österreich-Ungarn und Polen es überlassen, sich über die zukünftige Gestaltung dieses Landes zu einigen. Zu Punkt 14, Völkerbund, erklärte er, daß er jedem Gedanken sympathisch gegenüberstehe, der für die Zukunft die Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit von Kriegen ausschalte. Wenn der vom Präsidenten Wilson stammende Gedanke des Völkerbundes bei näherer Ausführung und Prüfung ergebe, daß er wirklich im Geiste vollkommener Vorurteilslosigkeit gefaßt sei, so sei die Kaiserliche Regierung gern bereit, wenn alle anderen schwebenden Fragen geregelt sein würden, einer Prüfung der Grundlagen eines solchen Völkerbundes näherzutreten. Im Anschluß an diese Stellungnahme zu den Einzelpunkten des Wilson-Programms erkannte Graf Hertling an, daß Wilsons und Lloyd Georges Ausführungen Grundsätze für einen allgemeinen Weltfrieden enthielten, denen wir zustimmen und die Ausgangs- und Zielpunkte für Verhandlungen bilden könnten; aber in den konkreten Punkten sei der Friedenswille weniger bemerkbar. Unsere Gegner erklärten zwar, sie wollten Deutschland nicht vernichten, aber sie schielten begehrlich nach Teilen des Reichs und unserer Verbündeten; sie sprächen mit Achtung von Deutschlands Stellung, aber dazwischen dringe immer wieder die Auffassung durch, als seien wir die Schuldigen, die Buße tun und Besserung geloben müßten. »So spricht der Sieger zum Besiegten; so spricht derjenige, der alle unsere früheren Äußerungen von Friedensbereitschaft als bloße Zeichen der Schwäche deutet.« Von dieser Täuschung müßten sich die Führer der Entente frei machen. »Unsere militärische Lage war niemals so günstig, wie sie jetzt ist. Unsere genialen Heerführer sehen mit unverminderter Zuversicht in die Zukunft. Durch die ganze Armee, durch Offiziere und Mannschaften geht ungebrochene Kampfesfreude.« Wenn die Führer der feindlichen Mächte wirklich zum Frieden geneigt seien, so möchten sie ihr Programm nochmals revidieren. »Wenn sie mit neuen Vorschlägen kommen, dann werden wir sie auch ernstlich prüfen; denn unser Ziel ist kein anderes als die Wiederherstellung eines dauernden allgemeinen Friedens. Aber dieser dauernde allgemeine Friede ist so lange nicht möglich, als die Integrität des Deutschen Reiches, als die Sicherung unserer Lebensinteressen und die Würde unseres Vaterlandes nicht gewahrt bleibt.« Die Ausführungen der beiden leitenden Staatsmänner des Zweibundes stellten also den Programmpunkten Wilsons nur dort ein glattes Nein entgegen, wo diese mit der Erhaltung der territorialen Integrität und der Souveränität unverträglich waren. In allen anderen Punkten stimmten sie ausdrücklich zu oder wiesen sie wenigstens eine Erörterung nicht von vornherein ab. Das gilt namentlich auch von Hertlings Erklärung zur belgischen Frage. Der Reichskanzler stellte fest, daß die gewaltsame Angliederung Belgiens an Deutschland niemals Ziel der deutschen Politik gewesen sei. Die positive Ordnung der belgischen Frage wollte er aber nicht aus dem Gesamtkomplex der Friedensfragen herausnehmen lassen, solange die Gegner die Integrität des Gebietes der Vierbundmächte nicht ihrerseits als Grundlage für die Friedensverhandlungen anerkannten. Damit war wieder einmal für jeden, der hören wollte, hinreichend klargestellt, daß einer ernsthaften und konkreten Friedensdiskussion als einziges Hindernis die Eroberungs- und Zerstückelungswünsche unserer Feinde entgegenstanden. Es handelte sich darum, ob unsere Feinde sich würden entschließen können, auf diese gegen den Bestand und die Unabhängigkeit der Vierbundmächte gerichteten Wünsche zu verzichten, oder ob Deutschland und seine Verbündeten, die gerade jetzt die russische Flanke frei bekamen, nach dreieinhalb Jahren heldenhafter Gegenwehr in dem Augenblick der stärksten Erleichterung, die ihnen der Krieg bisher gebracht hatte, die Waffen niederlegen, alle errungenen Vorteile aufgeben und freiwillig Gebiete ausliefern würden, die unsere Feinde uns mit der Gewalt der Waffen nicht hatten entreißen können. Letzteres war eine offensichtliche Unmöglichkeit. Aber auch unsere Feinde konnten sich nicht entschließen, ihre Kriegsziele einzuschränken. Vom 30. Januar bis 2. Februar 1918 tagte in Versailles der Oberste Kriegsrat der Entente. Über das Ergebnis seiner Beratungen wurde eine amtliche Note veröffentlicht, in der es hieß: Der Oberste Kriegsrat habe die jüngsten Erklärungen des deutschen Reichskanzlers und des österreichisch-ungarischen Ministers des Äußern sorgfältig geprüft; er habe in diesen Erklärungen keinerlei Annäherung an die von sämtlichen Regierungen der Alliierten formulierten maßvollen Bedingungen zu erkennen vermocht. Der Eindruck, den der Kontrast zwischen den angeblich idealen Zielen, zu deren Verwirklichung die Mittelmächte die Verhandlungen von Brest-Litowsk eröffnet haben, und ihrem nun offen zutage liegenden Streben nach Raub und Eroberung hervorrufe -- wie soll man heute nach diesen Worten die Versailler Friedensbedingungen der Alliierten kennzeichnen? --, sei nur geeignet, diese Überzeugung zu befestigen. Unter diesen Umständen erachte es der Oberste Kriegsrat als seine unmittelbare Pflicht, die Fortdauer des Krieges mit äußerster Energie und durch die straffste und wirksamste Vereinheitlichung der militärischen Aktion der Alliierten sicherzustellen. »Diese Kundgebung bedeutet die denkbar schroffste Abweisung jedes Friedensgedankens,« schrieb damals die demokratische »Frankfurter Zeitung«, und sie hatte recht. Die Intransigenten hatten in Versailles triumphiert. Der Präsident Wilson antwortete auf die Reden des Grafen Czernin und des Grafen Hertling am 11. Februar in einer neuen Ansprache an den Kongreß. Da auch diese Ansprache als eine der von uns und den Feinden angenommenen Grundlagen des abzuschließenden Friedens von Bedeutung ist, sei das Wesentliche ihres Inhalts wiedergegeben. Er machte zunächst eine Unterscheidung zwischen den beiden gegnerischen Staatsmännern. Graf Czernin bekam eine gute Zensur: Er habe in freundlichem Ton gesprochen, scheine die Grundlagen des Friedens mit klarem Blick zu erkennen und fühle offenbar, daß Österreich auf die von den Vereinigten Staaten aufgestellten Kriegsziele leichter als Deutschland eingehen könne; er würde wahrscheinlich noch weitergegangen sein, wenn er nicht auf Österreichs Bündnis und seine Abhängigkeit von Deutschland Rücksicht hätte nehmen müssen. Graf Hertling bekam eine schlechte Zensur: Seine Antwort sei sehr unbestimmt und sehr verwirrend; sie sei voll von zweideutigen Sätzen; es sei unklar, worauf sie hinauswolle; aber sicher sei, daß sie in einem ganz anderen Ton als diejenige des Grafen Czernin gehalten sei, und offensichtlich verfolge sie auch einen entgegengesetzten Zweck. Die Rede bestätige den unglücklichen Eindruck der Brester Verhandlungen. Hertlings Erörterung und Annahme von Wilsons allgemeinen Grundsätzen führe ihn nirgends zu einer greifbaren Folgerung; er weigere sich, sie auf die wesentlichen Punkte anzuwenden, die den Inhalt einer jeden endgültigen Regelung bilden müßten. Er sei mißtrauisch gegenüber einer internationalen Aktion und einer internationalen Beratung. Die von dem Kanzler vorgeschlagenen Methoden seien diejenigen des Wiener Kongresses. Dahin gebe es keine Rückkehr. Der Kampf gehe um eine neue internationale Ordnung, aufgebaut auf den weiten und allumfassenden Grundsätzen von Recht und Gerechtigkeit, nicht um einen bloßen Flickfrieden. Der Weltfrieden hänge von der gerechten Schlichtung eines jeden der verschiedenen von ihm formulierten Probleme ab. Diese Probleme könnten nicht getrennt für sich und in verschiedenen Ecken behandelt werden; was den Frieden berühre, das berühre die Menschheit. Auf die Reichstagsresolution vom 19. Juli 1917 hinweisend, erklärte er: Es soll keine Annexionen geben, keine Kriegsentschädigungen, keinen strafweisen Schadenersatz. Kein Volk soll durch eine internationale Konferenz oder durch Abmachungen zwischen Rivalen und Gegnern von einer Staatshoheit an eine andere ausgeliefert werden. Nationale Ansprüche müssen beachtet werden, die Völker dürfen nur noch mit ihrer eigenen Zustimmung beherrscht und regiert werden. Das »Selbstbestimmungsrecht« ist nicht eine bloße Redensart. Es ist ein gebieterischer Grundsatz des Handelns, den die Staatsmänner künftig nur noch auf eigene Gefahr mißachten werden. Auf die auffallende Anregung des Grafen Czernin, ob nicht ein Meinungsaustausch zwischen Österreich-Ungarn und der Union den Weg zu allgemeinen Friedensverhandlungen bereiten könne, antwortete Präsident Wilson: Die Prüfung, ob es für die beiden Regierungen möglich sein werde, in dem Austausch der Meinungen irgendwie weiter zu gehen, sei einfach und klar. Die anzuwendenden Grundsätze seien folgende: 1. Jeder Teil der endgültigen Regelung müsse beruhen auf der wesentlichen Gerechtigkeit des besonderen Falles und auf einem solchen Ausgleich, von dem es am wahrscheinlichsten sei, daß er einen dauerhaften Frieden bringen werde. 2. Völker und Provinzen dürften nicht von einer Staatshoheit in die andere herumgeschoben werden, als wenn es sich um Figuren oder Steine in einem Spiel handle, auch wenn dieses Spiel das große, aber jetzt für immer diskreditierte Spiel des Gleichgewichts der Kräfte sei; vielmehr müßte. 3. jede Gebietsfrage, die durch diesen Krieg aufgeworfen worden sei, im Interesse und zum Vorteil der betreffenden Bevölkerung gelöst werden und nicht als ein Teil eines bloßen Ausgleichs oder Kompromisses zwischen rivalisierenden Staaten. 4. Allen klar umschriebenen nationalen Ansprüchen müsse die weitestgehende Befriedigung gewährt werden, die ihnen gegeben werden könne, ohne Elemente der Zwietracht und Feindschaft zu verewigen oder neu einzuführen, die geeignet wären, den Frieden Europas und damit den Frieden der Welt bald wieder zu stören. Diese als fundamental zu betrachtenden Grundsätze seien, soweit er sehe, bereits überall als zwingend anerkannt außer von den Wortführern der deutschen Annexionisten und Militaristen. Der tragische Zustand sei, daß diese eine Partei in Deutschland gewillt und imstande sei, Millionen von Männern in den Tod zu senden, um zu verhindern, was alle Welt jetzt als gerecht anerkenne. Die Union sei in den Krieg nicht wegen eines geringen Anlasses eingetreten und könne auf dem eingeschlagenen Wege nicht umkehren. Die ganze Kraft der Vereinigten Staaten würde eingesetzt werden in diesem Krieg der Befreiung von der Drohung der Herrschaftsgelüste selbstsüchtiger Gruppen und autokratischer Herrscher. Auch diese Kundgebung war ein merkwürdiges Gemisch von Doktrinarismus und Parteilichkeit, von Unkenntnis europäischer Verhältnisse und Verschlagenheit. Sie stellte allgemeine Grundsätze auf und verlangte deren Anwendung nur zu Lasten der Vierbundmächte. Sie ignorierte die historisch gewordenen Verhältnisse und die Gemengelage der Nationalitäten im deutschen Osten, in Österreich-Ungarn, auf dem Balkan und in der Türkei, die eine praktische Anwendung der Grundsätze unmöglich machten. Sie suchte die in höchstem Maße selbstsüchtigen Ziele der Ententemächte mit dem Mantel eines großen menschenfreundlichen Prinzips zu verhüllen. Sie bewies alles in allem den Mangel an gutem Willen und an Fähigkeit, den Auffassungen und Lebensnotwendigkeiten der Mittelmächte Verständnis zu zeigen und ihnen gerecht zu werden. Erneut zeigte sich, daß der »arbiter mundi« trotz seiner hohen Worte dem hohen Beruf nicht gewachsen war, zu dem ihn das Schicksal geführt hatte. Was wollte es angesichts der Sachlage bedeuten, wenn vereinzelte Stimmen bei unseren Gegnern sich für einen Frieden im Wege der Verständigung erhoben, wenn nach Lansdowne z. B. der frühere britische Minister Runciman sich für einen unmittelbaren Gedankenaustausch zwischen Vertretern der kriegführenden Parteien als den einzigen Weg aussprach, der den Weg zum Frieden erschließen könne! An der Sachlage wurde auch nichts dadurch geändert, daß Graf Hertling am 25. Februar im Reichstag den vier von dem Präsidenten Wilson in seiner Kongreßansprache vom 11. Februar formulierten Sätzen ausdrücklich und grundsätzlich beistimmte und unter Bewegung des Hauses erklärte, daß ein allgemeiner Friede auf solchen Grundlagen erörtert werden könne. Er machte allerdings einen Vorbehalt, daß diese Grundsätze nicht nur von dem Präsidenten der Union vorgeschlagen, sondern von allen Staaten und Völkern tatsächlich anerkannt werden müßten. Die Aussichtslosigkeit der Sache des Friedens wurde drei Tage nach dieser Erklärung durch eine Erörterung im britischen Unterhaus bestätigt. Auf eine Anfrage aus dem Hause, die von der grundsätzlichen Zustimmung des Grafen Czernin zu den vierzehn Punkten des Wilson-Programms ausging, erklärte Balfour, die Rede des Grafen Czernin sei offenbar mißverstanden worden; man könne sich kein Polen denken ohne die ihm von Deutschland entrissenen Provinzen, aber deren Rückgabe werde sicherlich nicht in den Absichten des Grafen Czernin liegen. -- Mit dieser Wendung erkannte Balfour an, daß für gewisse Punkte des Wilson-Programms eine Annahme seitens der Mittelmächte überhaupt nicht erwartet werden konnte. -- Weiter führte Balfour aus, daß auch die letzte Rede des Grafen Hertling keine Grundlage für Verhandlungen biete. Wenn man Verhandlungen beginnen wolle, bevor man die Aussicht auf ihre erfolgreiche Durchführung habe, so wäre das das größte Verbrechen gegen den Weltfrieden. Mit anderen Worten, die Entente-Staatsmänner waren sich klar darüber, daß ihre Kriegsziele nicht durch Verhandeln mit einem unbesiegten Gegner, sondern nur durch Diktieren nach errungenem Siege erreichbar seien; und deshalb waren sie entschlossen, in dem Vertrauen auf die allmählich wirksam werdende amerikanische Hilfe weiterzukämpfen. Kein anderes Ergebnis als die öffentlichen Friedensgespräche der leitenden Staatsmänner hatten vertrauliche Sondierungen und Unterhaltungen. Durch spätere Mitteilungen des Grafen Czernin -- in einer Rede vom 2. April 1918 -- ist bekannt geworden, daß die im August 1917 ergebnislos verlaufenen Besprechungen zwischen dem Major Grafen Armand und dem Grafen Revertera[5] im Februar 1918 in der Schweiz wiederaufgenommen worden sind; Graf Czernin hat behauptet, auf Initiative des Herrn Clemenceau. Herr Clemenceau hat nicht die Tatsache dieser neuen Verhandlungen und deren vom Grafen Czernin dargestellten Verlauf, aber seine Initiative auf das heftigste bestritten und den Grafen Czernin einen Lügner genannt. Im weiteren Verlauf dieses Streites hat dann Herr Clemenceau den Brief des Kaisers Karl an den Prinzen Sixtus von Parma vom 31. März 1917 veröffentlicht und dadurch den kaiserlichen Herrn des Grafen Czernin und diesen selbst in eine so schwierige Lage gebracht, daß Graf Czernin sich genötigt sah, am 14. April 1918 seinen Abschied zu nehmen. [5] Siehe oben S. 145. Aber die Frage der Initiative ist hier gleichgültig. Wesentlich ist lediglich die nicht bestrittene Tatsache, daß Graf Czernin im Einvernehmen mit der deutschen Regierung die Anfrage des Grafen Armand, die er als im Auftrage Clemenceaus gestellt ansah, in den letzten Tagen des Februar 1918 zum Zweck der Mitteilung an Herrn Clemenceau dahin beantworten ließ, Graf Czernin sei zu einer Aussprache mit einem Vertreter Frankreichs bereit und halte ein Gespräch mit Aussicht auf Erfolg für möglich, sobald Frankreich nur auf seine Eroberungsabsicht betreffs Elsaß-Lothringens verzichte. Dem Grafen Revertera wurde hierauf namens des Herrn Clemenceau erwidert, dieser sei nicht in der Lage, die vorgeschlagene Verzichtleistung Frankreichs auf die »Desannexion« anzunehmen. Unter diesen Umständen erschien auf beiden Seiten jede weitere Verhandlung zwecklos. So hatte sich abermals das Wort als ohnmächtig erwiesen, dem Kriege ein Ziel zu setzen, sowohl das öffentliche Wort der leitenden Staatsmänner, wie die vertrauliche Aussprache von Mittelspersonen. Nun lag die letzte Entscheidung beim Schwert. Auf beiden Seiten wurden alle Kräfte angespannt zu dem größten und schwersten Völkerringen, unter dessen Wucht jemals die Erde erzitterte. Deutschlands Heerführer vermochten, wenn auch eine nicht unbeträchtliche Truppenmacht infolge der mangelhaft geklärten Verhältnisse im Osten gebunden blieb, auf dem westlichen Kriegsschauplatz ein Heer zu versammeln, wie es niemals in der Geschichte ein einziges Volk ins Feld gestellt hat. Lloyd George hat später -- am 10. April 1918 -- im Unterhaus erklärt, noch im Spätherbst sei das Verhältnis der deutschen Truppen zu denen der Alliierten auf dem westlichen Kriegsschauplatz wie 2:3 gewesen; diese zahlenmäßige Überlegenheit der Alliierten sei infolge der Heranziehung deutscher Truppen aus dem Osten nahezu ausgeglichen worden. Seit der Marneschlacht hatten wir in Frankreich einem weit überlegenen Gegner in der Verteidigung standhalten müssen. Zum erstenmal stand jetzt wieder die Partie auf dem westlichen Kriegsschauplatz zahlenmäßig annähernd gleich auf gleich. Auch in der Ausrüstung mit Kriegsgerät aller Art waren wir aus dem Zustand unbedingter Unterlegenheit herausgekommen; einmal dadurch, daß das Hindenburg-Programm, nach den anfänglichen Übertreibungen, der Leistungsfähigkeit der deutschen Arbeit und der deutschen Hilfsquellen besser angepaßt worden war; ferner ohne Zweifel auch dadurch, daß der U-Bootkrieg die Ausstattung der feindlichen Heere mit Kriegsgerät empfindlich beeinträchtigte. Die Nahrungssorgen konkurrierten scharf mit dem Heeresbedarf an Munition. Die britischen Staatsmänner richteten dringende Hilferufe an Amerika, zur Ersparung von Frachtraum »Stahl statt Erz und Granaten statt Stahl« zu schicken. Wie weit damals, unmittelbar vor unserer großen Offensive, die Schiffsraumnot bei unseren Feinden gestiegen war, das zeigte sich in dem Verhalten der Entente und der Vereinigten Staaten gegen die Niederlande. In der ersten Märzhälfte verlangte die Entente von den Niederlanden, daß sie ihren Schiffsraum den Zwecken der Alliierten dienstbar machen sollten. Es wurde nicht nur die Auslieferung der sämtlichen in den Häfen Amerikas und der Ententeländer liegenden niederländischen Schiffe verlangt, sondern darüber hinaus noch die Auslieferung von 300000 Bruttotonnen in Schiffen, die in den Niederlanden selbst aufgelegt worden waren. Um dieser unerhörten Forderung Nachdruck zu geben, drohten die Alliierten den Niederlanden mit der Requisition aller in ihren Häfen liegenden und auf hoher See befindlichen holländischen Schiffe sowie mit einer Sperrung der Zufuhr von Lebensmitteln für die niederländische Bevölkerung. Die niederländische Regierung zeigte sich zunächst entschlossen, sich diesem Zwang nicht zu fügen. Die Knappheit von Brotgetreide und die dadurch bedingte Abhängigkeit von auswärtigen Zufuhren erschwerten ihr jedoch ihre Stellung im höchsten Maße. Sie wandte sich an die deutsche Regierung mit der Anfrage, ob Deutschland in der Lage und bereit sei, mit Getreide auszuhelfen. Die Zusage von 100000 Tonnen Getreide hätte damals genügt, um Holland das Durchhalten gegenüber dem Druck der Alliierten zu ermöglichen. Zwar wären auch in diesem Fall die in den feindlichen Häfen liegenden und die auf hoher See schwimmenden holländischen Schiffe in der Gewalt der Alliierten gewesen; aber die 300000 Bruttotonnen Schiffsraum, die in den Niederlanden selbst lagen, wären unseren Feinden vorenthalten worden. Die 100000 Tonnen Getreide, die Holland als Rückendeckung von uns verlangte, hätten für unsere Bevölkerung, verteilt auf die nahezu fünf Monate bis zur neuen Ernte, etwa 10 g auf den Kopf und Tag ausgemacht. Gewiß angesichts der ohnehin schmalen Kopfrate eine empfindliche Einschränkung. Aber auf der anderen Seite stand die Möglichkeit, unseren Feinden in jener entscheidenden Zeit den Schiffsraum vorzuenthalten, dessen Wichtigkeit, ja Unentbehrlichkeit sie gerade durch ihr brutales Vorgehen gegen die Niederlande anerkannten. Ich habe mich damals an den Reichskanzler gewendet und ihm auf das dringendste geraten, die von den Niederlanden erbetene Zusage zu geben. Sie wurde jedoch nach Befragen des Kriegsernährungsamts abgelehnt, und nun blieb den Niederlanden nichts anderes übrig, als vor den Alliierten unter Protest zu kapitulieren. Am 18. März nahm die holländische Regierung das von den Alliierten gestellte Ultimatum an und gab den von diesen verlangten Schiffsraum für deren Zwecke frei. Zwar machte sie dabei den Vorbehalt, daß die Schiffe keine Truppen oder Kriegsmaterial transportieren dürften und nicht bewaffnet werden sollten; aber die englische und amerikanische Regierung gingen auch über diesen Vorbehalt zur Tagesordnung über. So schloß der letzte Versuch, vor dem Anheben des großen Endkampfes vielleicht doch noch zu einem Frieden des Ausgleiches und der Verständigung zu kommen, mit der brutalen Vergewaltigung eines Staates, der in diesem Kriege keinen anderen Wunsch hatte, als seine Neutralität auf das peinlichste zu bewahren. Dieser Gewaltakt bekundete und bestätigte mit einer Deutlichkeit, die alle Reden übertönte, die unbeugsame, vor keinem Opfer und keiner Gewalttat zurückschreckende Entschlossenheit unserer Feinde, bis ans Ende zu gehen und alles an den Sieg ihrer Sache zu setzen. Nur die Verderber der öffentlichen Meinung in Deutschland wollten nicht sehen noch hören. Die große Offensive Während die Staatsmänner beider Parteien über Land und Meer hinweg von Krieg und Frieden redeten, rollten im Westen auf beiden Seiten der großen Grabenlinien Tag und Nacht die Eisenbahnzüge zur Front mit Hunderttausenden von Kriegern und mit ungezähltem Material. In gespannter Erwartung, wie kaum je seit Kriegsbeginn, harrten die Armeen und harrten die Völker des Erdenrundes des gewaltigen Sturmes. Tiefes Geheimnis lag über den Plänen derer, die berufen waren, die größte Schlacht aller Zeiten zu lenken. Zwar stand das deutsche Heer allein -- nur hier und dort stand österreichische Artillerie zwischen seinen Reihen -- fast der gesamten Macht der Franzosen, Engländer, Belgier mit ihren Hilfsvölkern und den sich allmählich in größerer Zahl einfindenden Amerikanern gegenüber. Aber niemand bei Freund und Feind, der nicht gefühlt hätte, daß dieses Mal der Deutsche auf dem weiten Kampfgelände Frankreichs nach dreieinhalb Jahren des Abwartens und der Verteidigung den ersten Schlag führen und das Gesetz des Handelns vorschreiben würde. In der Nacht zum 21. März begannen zwischen Scarpe und Oise auf der 80 Kilometer langen Front gegenüber den Engländern die deutschen Geschütze zu donnern. Es war nicht die Einleitung zu einem tage- und wochenlangen Trommelfeuer, wie es unsere Gegner ihren Angriffen vorauszuschicken liebten; es war ein einziger ungeheuerer Feuerschlag, der acht Stunden lang die Erde schüttelte. Inzwischen war es Tag geworden. Aber in dichten Schwaden lag der Nebel noch über der bebenden Erde, als kurz vor zehn Uhr von Arras bis La Fère die deutschen Sturmkolonnen aus ihren Gräben aufstanden und gegen die zerfetzten feindlichen Linien losbrachen. Die ersten Stellungen wurden genommen und überrannt. Unsere Batterien folgten der vorwärtsstürmenden Infanterie. Zäher Kampf um die zweiten Stellungen. Auch hier wurden die Engländer geworfen. Die folgenden Tage ließen den Einbruch zum Durchbruch werden. Die in aller Eile herangeholten englischen und französischen Reserven wurden geschlagen. Im Fluge wurde das ein Jahr zuvor im Rückzug preisgegebene Schlachtgelände an der Somme zurückgewonnen. Péronne und Bapaume, Ham und Nesle, Roye und Noyon, Albert und Montdidier wurden mit stürmender Hand genommen. Bis 20 Kilometer vor Amiens wurde der Angriff vorgetragen. Gegen 100000 Gefangene und mehr als 1300 Geschütze wurden erbeutet. Der Bann des Stellungskriegs schien nun auch im Westen gebrochen, die feindlichen Verbände schienen auf das schwerste erschüttert. Durch das deutsche Volk ging ein großes Aufatmen von langem und starkem Druck. Auch die Zweifler begannen zu glauben, nun könne es möglich werden, den langen und überlangen Krieg mit kurzen und wuchtigen Schlägen dem Ende zuzuführen. Nach einigen Tagen des Vorwärtsstürmens kam jedoch die Bewegung ins Stocken. Die Kräfte von Mann und Roß begannen nach der ungeheueren Anspannung zu ermüden, die Schwierigkeiten des Nachschubs von Material, Munition und Proviant wuchsen mit jeder Meile, die nach vorwärts gewonnen wurde. Die Eignung der modernen Waffen, namentlich des Maschinengewehrs, zur Verteidigung und zum Aufhalten eines nachdrängenden Feindes, bewährte sich aufs neue. So gelang es Engländern und Franzosen, sich in dem weiten Bogen Arras-Montdidier-La Fère zu setzen. Ein am 28. März von unseren Truppen gegen die starken englischen Stellungen bei Arras unternommener Vorstoß, der diesen wichtigen Stützpunkt dem Feinde entreißen und damit den nördlichen Flügel der feindlichen Stellung aus den Angeln heben sollte, schlug fehl und wurde alsbald abgebrochen. Die Pause, die unsere Heeresleitung den Gegnern gönnte, war nicht von langer Dauer. Schon am 6. April wurde ein Angriff auf die feindlichen Stellungen südlich der Oise angesetzt, der uns in kurzer Zeit in den Besitz der Höhen zwischen Oise und Aisne mit dem festungsartig ausgebauten Schloß von Coucy brachte. Der Hauptschlag wurde jedoch dieses Mal im Norden an der Front gegenüber Lille geführt. Am 9. April warfen unsere Truppen nach kurzer Artillerievorbereitung in überraschendem Angriff die Engländer und Portugiesen aus ihren Stellungen zwischen Armentières und dem La-Bassée-Kanal und drängten ihnen über die von der Lys durchströmte wasserreiche Niederung nach. Bereits am 11. April mußte Armentières, von drei Seiten eingeschlossen, kapitulieren. Am 16. April wurden die Höhen des Wytschaetebogens und Paeschendaele gestürmt und die wichtige Stadt Bailleul genommen. In wenigen Tagen war die ganze Gegend um Ypern, die uns Engländer und Belgier in den fünfmonatigen Kämpfen der zweiten Hälfte des Jahres 1917 mit ungeheuren Opfern Schritt für Schritt abgerungen hatten, wieder in unseren Händen. Am 25. April stürmten preußische und bayrische Truppen die beherrschende Höhe des Kemmelberges und das Dorf Kemmel. Aber auch hier kam jetzt in dem schwierigen Gelände die Bewegung ins Stocken. Es gelang den Feinden, den Bogen Ypern-Hazebrouck-Béthune zu halten. Die überschwenglichen Hoffnungen, die nach dem glänzenden Anfangserfolge auf einen Durchbruch bis zur Küste und ein Aufrollen der flandrischen Front gesetzt wurden, erfüllten sich nicht. Auch eine Flankierung der feindlichen Stellungen bei Arras, wie sie wohl im Plane unserer Obersten Heeresleitung gelegen haben mag, mit der Wirkung, daß dieser Frontteil ins Wanken gebracht und damit die Einheit der Aktion mit dem großen Vorstoß zwischen Scarpe und Oise hergestellt worden wäre, wurde nicht erreicht. Auch hier gelang es dem Feind, sich in rückwärtigen Stellungen festzusetzen und rechtzeitig ausreichende Reserven heranzuholen. Abermals zeigte sich, daß die Masse unserer Feinde noch stark genug war, um mit Hilfe der Verteidigungskraft der modernen Waffen auch eine schwere Zerreißung der Front auszugleichen und den beginnenden Bewegungskrieg wieder in die starren Formen des Stellungskriegs zu zwingen. Alles spitzte sich darauf zu, ob die moralische Widerstandskraft und die Reserven des Feindes einem neuen wuchtigen Schlag gewachsen seien, und ob die Offensivkraft des deutschen Heeres ausreichen werde, um in neuen Schlägen die Lockerung des Gefüges der feindlichen Front zur völligen Zerreißung, die Schwächung der feindlichen Verbände zur Zertrümmerung auszugestalten. In dieser schweren Bedrängnis wandte sich der Appell der englischen und französischen Staatsmänner in erster Linie an die amerikanische Hilfe. Am 28. März gab der britische Botschafter in den Vereinigten Staaten, Lord Reading, ein Telegramm Lloyd Georges bekannt, in dem es hieß: »Wir wurden in der Krisis des Krieges von einer überwältigenden Überzahl deutscher Truppen angegriffen und gezwungen, uns zurückzuziehen. Der Rückzug geht planmäßig vor sich unter dem ununterbrochenen Druck immer frischer deutscher Reserven, die gewaltige Verluste erleiden.« Der Sturmlauf der Deutschen sei augenblicklich zum Stillstand gebracht. Aber die Schlacht, die größte und wichtigste der Weltgeschichte, stehe erst in ihrem Anfang; denn England und Frankreich wüßten, daß die große Republik im Westen keinen Kraftaufwand sparen werde, um Truppen und Schiffe so rasch wie möglich nach Europa zu senden. »Zeit ist alles in diesem Krieg. Es ist unmöglich, die Bedeutung zu überschätzen, die das Heranführen amerikanischer Verstärkungen über den Atlantischen Ozean in der kürzestmöglichen Zeit hat.« Anfang April konnte als Ergebnis der Verhandlungen zwischen den Staatsmännern und Generalen der Westmächte und der Vereinigten Staaten mitgeteilt werden: Amerika werde nicht nur eine große Anzahl von Bataillonen während der nächsten Monate auf den europäischen Kriegsschauplatz werfen, sondern es sollten auch die amerikanischen Regimenter, die nicht zu eigenen Divisionen vereinigt werden könnten, als Brigaden in die französischen und englischen Formationen eingereiht werden. Dies solle geschehen vor allem mit denjenigen amerikanischen Truppen, die für ein selbständiges Auftreten noch nicht hinlänglich geschult seien. Wilson erklärte sich zu jeder möglichen moralischen und materiellen Hilfe bereit. Schärfer denn jemals bisher betonte er die Entschlossenheit Amerikas, Deutschland niederzuwerfen. In einem Brief an den methodistischen Bischof Henderson, der in allen methodistischen Kirchen der Union verlesen wurde, sagte Wilson: »Die deutsche Macht, ohne Gewissen, Ehre und Verständnis für einen Verständigungsfrieden, muß zerschmettert werden. Unsere dringendste und brennendste Pflicht ist es, den Krieg zu gewinnen, und nichts wird uns erlahmen lassen, ehe dieses Ziel erreicht ist.« Und am 6. April hielt er in Baltimore bei der Jahresfeier des Eintritts der Vereinigten Staaten in den Krieg jene Rede, die mit den Worten schloß: »Deutschland hat noch einmal gesagt (wer, wo und wann?), daß die Macht allein entscheiden soll, ob das Recht, wie Amerika es auffaßt, die Geschicke der Menschheit bestimmen soll, oder die Oberherrschaft, wie Deutschland sie auffaßt. Wir können deshalb nur eine Antwort geben, und die ist: Gewalt, Gewalt bis zum Äußersten, Gewalt ohne Maß und Grenzen, triumphierende Gewalt, die die Gesetze der Welt wieder zur Geltung bringt und jede selbstsüchtige Oberherrschaft in den Staub schleudert.« Aber England und Frankreich verließen sich nicht nur auf die amerikanische Hilfe, sie spannten auch ihre eigenen Kräfte bis zum Äußersten an. Zunächst wurde unter dem Druck der höchsten Gefahr die seit langem angestrebte, schon oft angekündigte, aber niemals wirklich durchgeführte Einheit des Oberbefehls endlich verwirklicht. Die französische und britische Regierung kamen dahin überein, den General Foch zum Oberbefehlshaber ihrer Heere an der Westfront »für die Dauer der jetzigen Operationen«, wie es in der Bekanntgabe einschränkend hieß, zu ernennen. Die amerikanische Regierung trat für ihre Truppen diesem Beschlusse bei. Ferner wurden sowohl in England wie in Frankreich energische Maßnahmen zur Schaffung neuer Reserven ergriffen. Die britische Regierung machte Ernst mit ihren Plänen, durch »Auskämmen« der Betriebe neue Reserven verfügbar zu machen. Sie benutzte die durch die Niederlage zwischen Scarpe und Oise plötzlich handgreiflich gewordene Gefahr, um die Arbeiterorganisationen für ihre Pläne zu gewinnen. Die britische Regierung beantragte ferner die Erhöhung der Altersgrenze für die Dienstpflicht auf 50 und in besonderen Fällen auf 55 Jahre, sowie die Ausdehnung der Dienstpflicht auf Irland unter gleichzeitiger Gewährung von Home-Rule. In der Begründung dieses Antrags, die Lloyd George am 10. April im Unterhaus gab, führte er u. a. aus: Die Amerikaner hätten erwartet, im Frühjahr ein großes Heer in Europa einsetzen zu können; die Ausbildung habe aber mehr Zeit gekostet, als man angenommen habe. »Wir wurden von einem starken Bundesgenossen verlassen, und ein anderer noch stärkerer Bundesgenosse ist noch nicht bereit, alle seine Kräfte einzusetzen. Wenn wir künftige Kriege vermeiden wollen, müssen wir diesen Krieg gewinnen. Dazu müssen wir aber die notwendigen Opfer auf uns nehmen.« Der Antrag auf Ausdehnung der Dienstpflicht auf Irland stieß auf starken Widerstand, nicht nur bei den Iren selbst, sondern auch bei den Liberalen. Asquith und seine Anhänger enthielten sich der Abstimmung. Trotzdem wurde das Gesetz im Unterhaus mit großer Majorität, im Oberhaus sogar einstimmig angenommen. Der Widerstand in Irland war jedoch über alle Erwartungen stark. Die irischen Bischöfe beschlossen, ihren Gemeinden das Gelöbnis abzunehmen, daß sie sich mit den stärksten Mitteln der Dienstpflicht widersetzen würden. Schließlich wurde Ende April die Ausführung des Dienstpflichtgesetzes für Irland durch ein königliches Dekret aufgeschoben. Man wollte ein Home-Rule-Gesetz vorlegen und zunächst dessen Wirkung abwarten; inzwischen wollte man durch Werbung Freiwilliger die Kräfte Irlands ausnutzen, was nur in engen Grenzen gelang. Immerhin erwartete die englische Regierung von der Ausdehnung der Dienstpflicht einen Zugang von rund 500000 Mann. In Frankreich hatten die Erfolge der deutschen Offensive die Wirkung, daß die Deputiertenkammer am 29. März unter Zurückstellung aller Interpellationen und aller anderen Vorlagen das von der Regierung eingebrachte Gesetz über die sofortige Einstellung des Rekrutenjahrgangs 1919 annahm. Die Sozialisten erklärten, daß sie im Gegensatz zu ihrer früheren Haltung dieses Mal für die vorzeitige Einstellung der Rekruten stimmen würden, weil sie anerkennen müßten, daß diese Maßnahme für die Rettung des Vaterlands nötig sei. Das Gesetz wurde mit 490 gegen 7 Stimmen angenommen. In diesem Maße schärfte der Rückschlag und die Gefahr unseren Feinden das nationale Gewissen und die Tatkraft. Natürlich konnten auch die größten Kraftanstrengungen der Franzosen, Engländer und Amerikaner die Lage auf dem Kriegsschauplatz nicht sofort entscheidend beeinflussen. Sie brauchten Zeit für ihre Auswirkung. Zunächst waren jedenfalls die Heere unserer Feinde so stark mitgenommen, daß sie in der langen Pause, die nach dem Festlaufen unserer flandrischen Offensive eintrat, keinen ernstlichen Versuch machten, die Initiative wieder an sich zu reißen oder wenigstens durch stärkere Angriffsaktionen die deutsche Heeresleitung in der Vorbereitung eines neuen Offensivschlages ernstlich zu stören. Auch die deutschen Heere waren durch die beiden großen Angriffe geschwächt. Die Verbände mußten aufgefüllt werden und sich erholen, Material und Munition mußten ergänzt werden. Jeder neue Schlag bedurfte zudem der sorgfältigsten Vorbereitung, um einen dem großen Aufwand und den unvermeidlich großen Opfern entsprechenden Erfolg nach Möglichkeit zu sichern. So kam das Ende des Monats Mai heran, ohne daß seit der Erstürmung des Kemmelbergs eine der beiden Parteien eine größere Kampfhandlung unternommen hätte. Dann aber brach der Sturm von neuem los, dieses Mal mit einer Wucht, die selbst den furchtbaren Anprall der Märzoffensive übertraf. In der Frühe des 27. Mai zerhämmerten die deutschen Geschütze mit gewaltigem Feuerschlag die französisch-englischen Stellungen zwischen Laon und Reims. Dem Feuerschlag folgte unmittelbar der Angriff unserer Infanterie. Der Feind wurde im ersten Ansturm überrannt. Der Ailettegrund wurde überschritten, der langgestreckte Rücken des Chemin des Dames, um den jahrelang gekämpft worden war, wurde in wenigen Stunden gestürmt, der Übergang über die Aisne erzwungen, die südlichen Höhen genommen und der Feind bis an den Veslebach zurückgeworfen. Das alles in einem einzigen Tag. Die folgenden Tage erweiterten den Erfolg. Schon am 29. Mai wurde Soissons genommen, ebenso die Forts der Nordwestfront von Reims. Am 30. Mai erreichten unsere Truppen südlich von Fère-en-Tardenois die Marne. Am 1. Juni wurde der auf dem Nordufer der Marne gelegene Teil von Château-Thierry vom Feinde gesäubert. Der Kampf dehnte sich nach Westen hin bis in die Gegend von Noyon aus. Auch hier wurde der sich tapfer wehrende Feind zurückgedrückt: am 2. Juni standen unsere Truppen am Ostrand des Waldes von Villers-Cotterets. Ergänzt wurde der Erfolg durch einen am 9. und 10. Juni durchgeführten Angriff auf der west-östlich verlaufenden Front zwischen Montdidier und Noyon, der die wichtigen Höhenstellungen zwischen Oise und Matz in unsere Hand brachte und uns bis auf 9 Kilometer an Compiègne heranführte. Abermals war es gelungen, einen großen und während des Krieges geradezu festungsartig ausgebauten Teil des feindlichen Stellungssystems zu zertrümmern und zu durchbrechen, in wenigen Tagen eine klaffende Lücke in die feindliche Front zu schlagen und in raschem Vordringen großen Raumgewinn zu erzielen, dem Feinde schwere Verluste an Toten, Verwundeten und Gefangenen zuzufügen und ihm nahezu unübersehbare Mengen an Material, Munition und Vorräten aller Art abzunehmen. Von der 250 Kilometer langen Frontlinie zwischen Dünkirchen und Reims hatten jetzt die deutschen Offensiven seit dem 21. März etwa vier Fünftel zerschlagen. Nur noch die kurzen Linien zwischen Arras und dem Kanal von La Bassée und von der See bis nördlich Ypern waren intakt. Tausende von Quadratkilometern an Bodenfläche, teilweise vom Krieg bisher noch unberührtes Land von großer Fruchtbarkeit, waren dem Feinde entrissen, wichtige Straßen und Eisenbahnen waren durchbrochen oder lagen unter dem Feuer unserer Geschütze; bei Château-Thierry war unsere Stellung auf wenig mehr als 60 Kilometer an Paris herangerückt, das schon seit dem Beginn unserer Frühjahrsoffensive aus einem weittragenden Geschütz beschossen wurde. Allein an Gefangenen hatten unsere Feinde seit Beginn der Offensive mehr als 200000 Mann eingebüßt; die von uns eroberten Geschütze erreichten die Zahl von 2800. In Paris stieg die Erregung auf einen Siedepunkt, wie er seit den ersten Septembertagen des Jahres 1914 nicht mehr erreicht worden war. Zum erstenmal wieder hörten die Pariser das dumpfe Rollen des Schlachtendonners, zum erstenmal wieder brachten Tausende von Flüchtlingen aus den neuen Kriegsgebieten den Jammer des Krieges und die Nähe der Gefahr unmittelbar vor die Augen der Pariser Bevölkerung. Aber gegenüber dem Sturm tödlicher Besorgnis bewahrte die französische Regierung und, ihr folgend, die große Mehrheit des Parlaments und des Volkes auch in dieser schweren Lage ruhige Nerven und feste Entschlossenheit. Clemenceau selbst reiste sofort nach Eingang der ersten Hiobsbotschaften zur Front und entging mit knapper Mühe der Gefangennahme durch eine deutsche Kavalleriepatrouille. Von der Kammer, die ihn über die militärische Lage interpellieren wollte, verlangte er Mut und Vertrauen. Er könne keine Erklärungen über die militärische Lage abgeben. Der Augenblick sei furchtbar, aber der Heldenmut der französischen Soldaten stehe auf der Höhe der Lage. Die Regierung werde nicht die Feigheit begehen, Befehlshaber zu strafen, die sich für das Vaterland verdient gemacht hätten. Die französischen und englischen Kräfte erschöpften sich, aber das gleiche gelte auch von den Deutschen. Die amerikanische Hilfe sei jetzt der entscheidende Faktor, und die Amerikaner seien entschlossen, ihre ganze Kraft an den Sieg zu setzen. Clemenceau schloß mit den Worten: »Wenn ich meine Pflicht nicht getan habe, dann jagen Sie mich fort. Wenn ich aber Ihr Vertrauen besitze, dann lassen Sie mich das Werk unserer Toten vollenden!« Die Kammer bestätigte ihm ihr Vertrauen und beschloß mit 377 gegen 110 Stimmen, die Interpellation auf unbestimmte Zeit zu vertagen. An der Front selbst begann die amerikanische Hilfe sich fühlbar zu machen. Marschall Foch hat später einige interessante Zahlen über das Eintreffen der amerikanischen Truppen in Frankreich gegeben. Danach zählte die in Frankreich stehende amerikanische Armee Anfang März 1918 erst etwa 300000 Mann, die größtenteils noch in der Ausbildung begriffen waren. Im März kamen 69000 Mann, im April 94000 Mann hinzu. Der eine Monat Mai brachte jedoch bereits einen Zugang von nicht weniger als 200000 Mann, der Juni sogar einen solchen von 245000 Mann. In den vier Monaten von Anfang März bis Ende Juni wurde also das in Frankreich stehende amerikanische Heer von 300000 Mann auf rund 900000 Mann verstärkt! Soweit die amerikanischen Truppen noch nicht unmittelbar an der Front verwendet werden konnten, machten sie hinter der Front bisher gebundene Kräfte der Franzosen und Engländer frei. Zum großen Teil aber konnten sie jetzt bereits in die Front eingesetzt werden, nicht nur eingesprengt in englische und französische Divisionen, sondern bereits als selbständige Formationen. Wenn ihre Ausbildung auch nicht auf der Höhe war, so zeichneten sie sich doch durch unverbrauchtes Draufgängertum aus und schlugen sich vorzüglich. Der amerikanischen Hilfe hatte die Entente schon damals ihre Rettung zu verdanken. Sie allein machte es dem General Foch möglich, dem deutschen Vordringen nach den überraschenden Erfolgen der ersten Angriffstage in dem Bogen Noyon-Château-Thierry-Reims nicht nur zähen Widerstand entgegenzustellen, sondern auch zu energischen, wenn auch zunächst erfolglosen Gegenangriffen zu schreiten. Bei diesen Gegenangriffen trat an der neuen Front nordwestlich von Château-Thierry am 7. Juni zum erstenmal eine geschlossene amerikanische Division in Erscheinung. Die Gegenangriffe des Feindes verstärkten sich nach unserem Vorstoß vom 9. Juni südlich von Noyon. Schon am 11. Juni führten hier die Franzosen mit starkem Aufgebot und großem Einsatz auch von Tanks und Schlachtfliegern einen wuchtigen Gegenschlag, der uns am 12. Juni stellenweise zurückdrängte und uns Gefangene und Geschütze abnahm, jedoch alsbald zum Stocken gebracht wurde. Die Lage blieb also auch nach dem gewaltigen Schlag der dritten Offensive unentschieden. Das Ziel und der Zweck unseres Angriffs -- Ziel und Zweck, die allein dieser größten militärischen Aktion aller Zeiten und den ungeheuren Opfern, die sie uns auferlegte, Sinn und Berechtigung geben konnten -- waren auch mit der Erstürmung des Damenweges und unserem Vorstoß von der Ailette bis zur Marne nicht erreicht. Weder war die moralische Widerstandskraft unserer Gegner gebrochen, noch war es gelungen, ihre Reserven aufzuzehren, das langgestreckte Band der feindlichen Linien endgültig zu zerreißen und die feindlichen Heere zu Paaren zu treiben. Im Gegenteil, ein Vergleich des Auslaufens der neuen Offensive mit derjenigen vom März zeigte bei unseren Feinden eher eine verstärkte Kraft in Abwehr und Gegenstoß. Diese trotz der großen Einzelerfolge für uns schwierig gewordene Lage wurde nicht verbessert durch die Angriffsunternehmung, die von der österreichisch-ungarischen Armee am 15. Juni gegen die Italiener begonnen wurde. Zwar gelang es den Truppen unseres Bundesgenossen, den Piave zu überschreiten und sich in dem Höhenblock des Montello festzusetzen; aber die gleichzeitigen Angriffe an der Gebirgsfront beiderseits der Brenta und in den »Sieben Gemeinden« blieben in den Anfängen stecken und lösten Gegenangriffe der Italiener aus, deren sich die österreichischen Truppen nur mit Mühe erwehrten. Bald setzten auch an der Piavefront heftige Gegenangriffe ein. Am 23. Juni mußte der Wiener Heeresbericht melden, daß der durch gewaltige Wolkenbrüche zu einem reißenden Strom gewordene Piave den Verkehr zwischen den beiden Ufern auf das schwerste behindere und den Nachschub an Proviant und Munition zu den jenseits des Flusses im Kampfe stehenden Truppen nahezu unmöglich mache. Am folgenden Tage wurde die Räumung des Montello und der anderen auf dem rechten Piaveufer erkämpften Stellungen mitgeteilt. Die Italiener gingen ihrerseits zum Angriff an der ganzen Piave- und Gebirgsfront über und fügten den österreichisch-ungarischen Truppen große Verluste an Menschen und Material zu. Wenn auch der italienische Gegenstoß ohne nennenswerten Geländegewinn östlich des Piave und am Gebirgsrand zum Stehen kam, so war doch der moralische Eindruck der Niederlage bei unseren Bundesgenossen doppelt stark angesichts des Zusammentreffens der Unglücksnachricht mit einer sehr schweren Zuspitzung der Ernährungslage. Der Aufschwung an Mut und Vertrauen, den der große Erfolg der Isonzo-Offensive in der Donaumonarchie herbeigeführt hatte, war schon längst verblaßt; er brach jetzt, beim ersten Rückschlag, gänzlich in sich zusammen. Die Gestaltung der militärischen Lage mußte ernstliche Zweifel daran erwecken, ob das Ziel unserer großen Angriffsaktion, die Niederkämpfung der feindlichen Armeen, mit den uns zur Verfügung stehenden Kräften überhaupt erreichbar sei. Unsere Truppen waren stark gelichtet und ermüdet. Vor allem war ein großer Teil unserer besten Offiziere und Unteroffiziere gefallen oder verwundet, ohne daß ausreichender und gleichwertiger Ersatz hätte beschafft werden können. Auch der Mannschaftsersatz machte immer größere Schwierigkeiten; außerdem waren die jetzt von Osten herübergeholten Truppen zum Teil bolschewistisch verseucht, und auch der Ersatz aus der Heimat ließ in seinem Geiste sehr zu wünschen übrig. Unseren Feinden dagegen führte Amerika ständig neue, unverbrauchte und kampflustige Kräfte zu, deren Zahlen man zwar bei uns nicht kannte und wohl auch unterschätzte, deren Anwesenheit und Eingreifen auf den Schlachtfeldern sich aber für die militärischen Operationen bereits fühlbar machte. Jedenfalls mußten wir mit weiteren erheblichen Verstärkungen des Feindes durch amerikanischen Zuzug rechnen, nachdem sich gezeigt hatte, daß die U-Boote, entgegen den Voraussagungen der Marineautoritäten, nicht in der Lage waren, den gut gesicherten Truppen- und Materialtransporten nennenswerten Eintrag zu tun. Auch abgesehen von dem Versagen in der Verhinderung amerikanischer Militärtransporte hatte der U-Bootkrieg enttäuscht. Die Monatsleistung an versenkter Tonnage hatte in den Monaten April und Juni 1917 mit mehr als 1 Million Bruttotonnen ihren Höhepunkt erreicht. Die Vervollkommnung der Abwehrmaßnahmen verringerte die monatliche Versenkung erheblich. Im Juni 1918 wurden nach den Angaben unseres Admiralstabs nur noch wenig mehr als 600000 Bruttotonnen versenkt, im Juli 1918 nur noch 550000 Tonnen. Nach den britischen Angaben waren die Versenkungen noch erheblich niedriger. Dagegen nahm die Fertigstellung von Schiffen auf den Werften unserer Gegner jetzt sehr beträchtlich zu. Während in den Jahren 1915 und 1916 in England nur 651000 und 542000 Bruttotonnen neu gebaut wurden, stiegen die Ablieferungen im Jahre 1917 auf 1123000 Tonnen und im ersten Halbjahr 1918 allein auf 763000 Tonnen. Noch viel stärker war die Steigerung des Schiffsbaues in den Vereinigten Staaten. Das dort aufgestellte Schiffsbauprogramm sah nicht weniger als 2693 Einheiten mit einem Raumgehalt von insgesamt 16305000 Bruttotonnen vor. Davon wurden in den ersten acht Monaten des Jahres 1918 277 Schiffe mit 1637000 Bruttotonnen abgeliefert, während der gesamte Schiffsbau der Vereinigten Staaten im Jahre 1913 erst 31 Schiffe mit 190000 Bruttotonnen geliefert hatte. Im ganzen Jahr 1918 lieferten die Werften der Welt 1866 Schiffe mit einem Raumgehalt von 5557000 Bruttotonnen ab, also eine Flotte, die derjenigen Deutschlands vor Kriegsausbruch gleichkam. Von den Neubauten des Jahres 1918 kamen mehr als 3 Millionen Tonnen auf die amerikanischen Werften und 1628000 Tonnen auf die englischen Werften. Nachdem der U-Bootkrieg nicht innerhalb des ersten Jahres die von ihm erwartete Wirkung herbeigeführt hatte, war es unseren Gegnern gelungen, mit diesen gewaltigen Anstrengungen der Schiffsbautätigkeit ein beachtenswertes Gegengewicht zu schaffen. Die Behinderung und Schädigung, die Wirtschaft und Kriegführung unserer Feinde durch den U-Bootkrieg erlitten, fiel auch jetzt noch schwer ins Gewicht; abgesehen von der empfindlichen Einschränkung der Zufuhren an Nahrungsmitteln, Rohstoffen und Kriegsmaterial jeder Art für England und seine europäischen Verbündeten, nahm die durch den U-Bootkrieg erzwungene Steigerung des Schiffsbaues gewaltige Mengen von Material und Hunderttausende von Arbeitskräften in Anspruch, die sonst der Herstellung von Kriegsgerät und der kämpfenden Front unmittelbar zugutegekommen wären und die Überlegenheit unserer Feinde noch weiter gesteigert hätten; ebenso band die Notwendigkeit der immer weiteren Ausdehnung der U-Boot-Abwehr ungezählte Fahrzeuge, Flugzeuge, Geschütze und sonstiges Gerät aller Art, nicht zum mindesten auch ein umfangreiches Personal, das der unmittelbaren Verwendung auf den Schlachtfeldern entzogen wurde. Niemand kann sagen, wie die Dinge gelaufen wären, wenn nicht der U-Bootkrieg seit dem Beginn des Jahres 1917 diese einschränkende und brachlegende Wirkung auf die Kräfte unserer Feinde ausgeübt hätte. Aber alle diese Erwägungen konnten die Tatsache nicht aus der Welt schaffen, daß der U-Bootkrieg die von ihm erwartete kriegsentscheidende Wirkung nicht gebracht hatte und daß sich nach der Entwicklung der technischen Momente des U-Boot-Neubaues und der U-Boot-Verluste, des Neubaues von Handelsschiffen und der Versenkung von Handelsschiffen, von dem U-Bootkrieg eine kriegsentscheidende Wirkung kaum mehr erwarten ließ. Die Entwicklung der militärischen Aktionen zu Lande und zu Wasser stellte also sowohl unsere Kriegführung wie auch unsere Politik gegen die Mitte des Jahres 1918 vor neue Erwägungen und Entscheidungen schwerster Art. Neue innere Krisen Im Juni 1918, gleich nach der Offensive vom Damenwege bis zur Marne, veröffentlichte die »Kreuzzeitung« einige L. H. gezeichnete Artikel, in denen zur Unterstützung der militärischen Operationen von der deutschen politischen Leitung eine »Friedensoffensive« gefordert wurde. Die Artikel erregten erhebliches Aufsehen schon deshalb, weil sie in einem Blatte erschienen, das bisher sich in scharfer Kampfstellung gegen jede Art von Friedensaktionen und Friedensangeboten befunden hatte. Die Redaktion der »Kreuzzeitung« betonte allerdings, daß die Artikel nicht redaktionellen Ursprungs seien, aber sie unterstrich damit nur, daß sie von einer auch für die »Kreuzzeitung« und ihren Kreis hochangesehenen Seite herrührten. Das Aufsehen wurde gesteigert durch einen schweren Angriff, den die »Kölnische Zeitung« gegen die »Lethargie« der politischen Leitung richtete, die auf dem diplomatischen Kampffelde die Initiative nach wie vor den Feinden überlasse. Ich hatte am 17. Juni zufällig Gelegenheit zu einer Unterhaltung mit einem der Obersten Heeresleitung nahestehenden höheren Offizier. Ganz im Sinne der Kreuzzeitungsartikel setzte mir dieser auseinander, die politische Ausnutzung unserer militärischen Erfolge sei gleich Null; wir würden den Krieg nie beendigen, geschweige denn gewinnen können, wenn in diesem unmöglichen Zustand nicht Wandel geschaffen werde. Die für die Sicherung eines guten Friedens unbedingt notwendige Zusammenarbeit zwischen der militärischen und politischen Leitung habe aber einen Personenwechsel zur Voraussetzung. Graf Hertling sei infolge seines Alters und seiner Kränklichkeit aktionsunfähig, und zwischen Herrn von Kühlmann, dem damit die politische Leitung zufalle, und den Herren von der Obersten Heeresleitung sei ein vertrauensvolles und enges Zusammenarbeiten, wie es die Lage mehr denn je erfordere, von beiden Seiten her unmöglich. Wie mehrfach in der letzten Zeit, so trat mir auch bei dieser Unterhaltung die Frage entgegen, ob ich nicht geneigt sein würde, gegebenenfalls das Auswärtige Amt zu übernehmen. Auf diese letztere Frage antwortete ich mit dem Hinweis darauf, daß Parlament und Presse bei der Gegnerschaft, die sich seit meinem Rücktritt nicht abgeschwächt, sondern eher noch verstärkt hatte, mir eine gedeihliche Führung der auswärtigen Politik unmöglich machen würden. Über den Inhalt der Unterhaltung selbst erstattete ich am folgenden Tage dem Grafen Hertling Bericht, ohne in dem springenden Punkte, daß die Oberste Heeresleitung selbst die Hoffnung auf eine rein militärische Beendigung des Krieges offenbar aufgegeben habe, und daß diese neue Lage alsbald eine auf den Grund der Dinge gehende Aussprache zwischen den beiden Faktoren erfordere, auf volles Verständnis zu stoßen. Ein von der Obersten Heeresleitung dem Auswärtigen Amt zugeteilter Offizier hatte in diesen Tagen dem Staatssekretär von Kühlmann eine schriftliche Ausarbeitung übergeben, in der er die Aussichtslosigkeit einer rein militärischen Beendigung des Krieges und die Notwendigkeit einer die Kriegführung unterstützenden diplomatischen Aktion darlegte. Es liegt auf der Hand, daß diese Denkschrift nicht ohne die Billigung der Obersten Heeresleitung, insbesondere auch des Generals Ludendorff, überreicht wurde. Die Kritik an der Passivität unserer politischen Leitung war berechtigt. Seit den diplomatischen Distanzgesprächen in den ersten beiden Monaten des Jahres 1918 war, soweit ich sehen kann, nach Westen hin von unserer Diplomatie überhaupt nichts mehr geschehen. Das lag zum großen Teil daran, daß die Leiter der politischen Geschicke der Zentralmächte vom Dezember an bis in den Mai hinein sich so gut wie ausschließlich durch die Verhandlungen über die östlichen Friedensschlüsse in Anspruch nehmen ließen und in jener Zeit nur zu seltenen und kurzen Besuchen aus Brest-Litowsk und Bukarest an dem Sitz der politischen Leitung erschienen. Ich habe es von Anfang an für einen Fehler gehalten, daß die Herren von Kühlmann und Graf Czernin, statt sich auf die Erteilung allgemeiner Direktiven und Instruktionen für die östlichen Friedensverhandlungen zu beschränken, sich persönlich als Unterhändler nach Brest und Bukarest begaben und sich dort für viele Monate in langwierigen Einzelverhandlungen festhalten ließen. Obwohl ich mich dem Verdacht aussetzte, die Leitung der Friedensdelegationen für mich selbst zu erstreben, habe ich diese meine Bedenken schon im Dezember 1917 sowohl dem Grafen Hertling wie Herrn von Kühlmann dargelegt. Als die Friedensverhandlungen mit Rumänien im Februar 1918 in Fluß kamen, habe ich bei beiden Herren angeregt, die Rumänen und die anderen Beteiligten nach Berlin kommen zu lassen. Aber ich drang nicht durch; man setzte mir vor allem entgegen, daß Graf Czernin fest entschlossen sei, die Verhandlungen für Österreich-Ungarn persönlich zu leiten und zu diesem Zweck nach Brest und Bukarest zu gehen, was uns keine Wahl lasse, als den Staatssekretär des Auswärtigen gleichfalls dorthin zu entsenden. Wie erschwerend überdies die Zuspitzung des persönlichen Verhältnisses zwischen Herrn von Kühlmann und den maßgebenden Männern der Obersten Heeresleitung für jede intimere Aussprache war, hatte sich schon anläßlich der türkisch-bulgarischen Schwierigkeiten gezeigt. Auch jetzt, nachdem der Reichskanzler und der Staatssekretär des Auswärtigen deutlich auf die Notwendigkeit einer militärisch-politischen Zusammenarbeit hingewiesen worden waren, geschah nicht das einzige, was in dieser Lage hätte geschehen müssen: eine sofortige Aussprache zwischen den leitenden militärischen und politischen Persönlichkeiten über den Stand des Krieges und die zu fassenden Entschlüsse. Dagegen löste die Herrn von Kühlmann übergebene Denkschrift eine andere Wirkung aus: die Reichstagsrede des Staatssekretärs vom 24. Juni, die den Anlaß zu seiner Verabschiedung gab. Für Montag, den 24. Juni, war der Etat des Reichskanzlers und des Auswärtigen Amtes auf die Tagesordnung des Reichstags gesetzt worden. In der Woche zuvor hatte die erste Beratung des Friedensvertrags von Bukarest stattgefunden; es hatte dabei in den Kreisen der Reichstagsabgeordneten einiges Mißfallen erregt, daß weder Graf Hertling noch Herr von Kühlmann den Vertrag in einer einleitenden Rede dem Hause präsentiert hatten, daß vielmehr Herr von Kühlmann erst, nachdem die Vertreter der Parteien gesprochen hatten, einige Ausführungen machte. Die Parteiführer legten nun dem Grafen Hertling nahe, er möchte am 24. Juni bei der Beratung seines Etats Gelegenheit nehmen, über die politische Lage, wie sie durch die östlichen Friedensschlüsse und die militärischen Operationen sich gestaltet habe, sich auszusprechen. Der Reichskanzler hatte für seine Person keine Neigung, diesem Wunsche zu entsprechen; als jedoch die Parteiführer auf ihrem Verlangen bestanden, beauftragte er im letzten Augenblick Herrn von Kühlmann, an seiner Stelle zu sprechen, und zwar -- wie mir damals gesagt wurde -- unter Beschränkung auf Tatsächliches und unter Vermeidung irgendwelcher allgemeiner und programmatischer Ausführungen. Kühlmann gab in seiner sichtlich zum großen Teil improvisierten Rede zunächst eine kurze Darlegung unserer Beziehungen zu unseren Verbündeten sowie zu Rußland und den sich auf dem Boden des alten Kaiserreichs neu entwickelnden Staatswesen und ging dann mit wenigen Worten auf unser Verhältnis zu den europäischen Neutralen ein. Im Anschluß daran sagte er über die militärische Lage, daß infolge des glänzenden Verlaufs der Operationen in Frankreich die Initiative vollkommen bei unserer Obersten Heeresleitung liege, und daß wir hoffen könnten, der Sommer und der Herbst würden unseren Waffen neue Erfolge bringen. An dieses zuversichtliche Urteil knüpfte er eine Bemerkung, die Bewegung und großes Aufsehen erregte: Man müsse sich fragen, ob der Krieg noch über den Herbst und Winter und über das nächste Jahr hinaus dauern werde. Der Feldmarschall Graf Moltke habe im Jahre 1890 ausgeführt, der nächste Krieg könne ein siebenjähriger, ja ein dreißigjähriger Krieg werden; nach seiner -- Kühlmanns -- Ansicht sei es unmöglich, mit Sicherheit irgendeinen Augenblick für das Ende des Krieges ins Auge zu fassen. »Das Auge muß nach den politischen Motiven ausspähen, welche eventuell Friedensmöglichkeiten eröffnen könnten, und nach dieser Richtung hin muß ich sagen, daß trotz der glänzenden Erfolge unserer Waffen auf seiten unserer Gegner Friedenswilligkeit, an maßgeblichen Stellen Friedensbereitschaft noch nirgends klar erkennbar hervorgetreten sind.« Er ließ eine Polemik mit Balfour folgen, der kurz zuvor wieder einmal die »alte Legende erneuert habe, daß Deutschland den Krieg entfesselt habe, um die Weltherrschaft an sich zu reißen«. Diese Legende werde durch fortgesetzte Wiederholung nicht wahrer. Der Krieg zeichne sich immer deutlicher ab »als das Werk Rußlands«; daß Frankreich dabei »als Kriegshetzer auf das schlimmste mitgespielt«, daß die englische Politik »sehr dunkle Seiten in dieser Beziehung aufzuweisen habe«, dafür gebe es Beweise genug. Er halte es für nützlich und notwendig, gegenüber den feindlichen Behauptungen über Deutschlands angebliche Kriegsziele nicht in der Negation zu verharren, sondern »ganz einfach und leicht verständlich für alle« zu sagen, was wir positiv wollten: »wir wollen auf der Welt für das deutsche Volk -- und das gilt mutatis mutandis auch für unsere Verbündeten -- innerhalb der Grenzen, die uns die Geschichte gezogen hat, sicher, frei, stark und unabhängig leben, wir wollen über See den Besitz haben, welcher unserer Größe, unserem Reichtum und unseren bewiesenen kolonialen Fähigkeiten entspricht, wir wollen die Möglichkeit und die Freiheit haben, auf freier See unseren Handel und unseren Verkehr in alle Weltteile zu tragen.« Die Unversehrtheit des Grundgebiets des Deutschen Reiches und seiner Verbündeten sei nach wie vor eine notwendige Voraussetzung für die Aufnahme irgendwelcher Friedensgespräche oder Friedensverhandlungen; darüber hinaus könnten sämtliche Fragen Gegenstand der Beratung und Einigung sein. Der englische Vorwurf, daß wir nicht bereit seien, in der belgischen Frage öffentlich Stellung zu nehmen, sei unberechtigt, wir betrachteten aber im Gegensatz zu der englischen Auffassung Belgien als eine der Fragen im Gesamtkomplex der Fragen und müßten es ablehnen, in der belgischen Frage, »sozusagen als Vorleistung«, Erklärungen abzugeben, die uns binden würden, ohne die Gegner auch nur im geringsten festzulegen. Was unsere Friedensbereitschaft anlange, so könnten wir uns genau die Worte des Herrn Asquith zu eigen machen, daß die Tür für Schritte in der Richtung eines ehrenvollen Friedens nicht zugeschlagen sei. Aber die Vorbedingung für einen Gedankenaustausch sei ein gewisses Maß von Vertrauen in die gegenseitige Anständigkeit und Ritterlichkeit; solange jede Eröffnung von der anderen Seite als »Friedensoffensive« und als Falle aufgefaßt und denunziert werde, sei nicht abzusehen, wie ein zum Frieden führender Gedankenaustausch eingeleitet werden könne. »Ohne solchen Gedankenaustausch wird bei der ungeheuren Größe dieses Koalitionskrieges und bei der Zahl der in ihm begriffenen auch überseeischen Mächte durch rein militärische Entscheidungen allein ohne alle diplomatischen Verhandlungen ein absolutes Ende kaum erwartet werden können.« Der aus dieser Rede haftenbleibende Eindruck war: Der Staatssekretär hat bekannt, daß trotz der glänzenden Erfolge unserer Offensive ein Ende des Krieges nicht abzusehen ist, daß rein militärisch der Krieg überhaupt nicht zu Ende geführt werden könne, daß hierzu vielmehr diplomatische Verhandlungen notwendig seien, zu denen aber auf der anderen Seite bisher noch keinerlei Geneigtheit sich zeige. Ein Bekenntnis von vollständiger Trostlosigkeit und Resignation ohne die leiseste Andeutung, was die deutsche Politik tun wolle, um sich einen Weg zu bahnen. Nach dem Staatssekretär sprachen die Herren Gröber und Dr. David, letzterer an die zwei Stunden lang. Sie hielten, wie das im Reichstag üblich war, ihre vorbereiteten Monologe, die an Kühlmanns Äußerungen vorübergingen, wie wenn der Staatssekretär überhaupt nicht gesprochen hätte. Dagegen ging der Führer der Konservativen zum Angriff gegen Herrn von Kühlmann vor, dessen Ausführungen unser Vertrauen in den Sieg, die erste Voraussetzung für ein gutes Ende, in Zweifel zu stellen und den Geist unserer Truppen nachteilig zu beeinflussen geeignet seien. Am nächsten Vormittag ließ mich Graf Hertling aus einer anderen Veranlassung zu sich bitten. Er äußerte sich ungehalten über Kühlmanns Rede; er selbst habe nichts von Kühlmanns Absicht gewußt, Ausführungen dieser Art zu machen; ebensowenig habe sich Kühlmann mit der Obersten Heeresleitung über seine das militärische Interesse doch stark berührenden Ausführungen in Verbindung gesetzt; die Oberste Heeresleitung habe bereits einen scharfen Protest erhoben. -- In der Pressekonferenz desselben Vormittags ließ die Oberste Heeresleitung auf Anfrage erklären, daß sie durch die Rede des Staatssekretärs »auf das peinlichste überrascht« worden sei. Am Nachmittag erschien Graf Hertling zur Fortsetzung der Debatte im Reichstag und nahm alsbald das Wort. Er habe zunächst nicht die Absicht gehabt, unter den gegenwärtigen Verhältnissen zu sprechen, und zwar wegen der Erfahrungen mit dem Erfolg der bisherigen Reden bei den feindlichen Staatsmännern. Am 25. Februar habe er seine grundsätzliche Zustimmung zu den in der Botschaft des Präsidenten Wilson vom 11. Februar aufgestellten vier Punkten erteilt; irgendeine Antwort sei darauf nicht erfolgt; ja die aus Amerika herübergedrungenen Auslassungen hätten erkennen lassen, daß der wahre Zweck des propagierten Völkerbundes sei, das unbequeme, aufstrebende Deutschland zu isolieren und ihm durch wirtschaftliche Abschnürung den Lebensodem auszulöschen. Es habe also keinen Zweck gehabt, den damals angesponnenen Faden weiterzuspinnen. Dagegen habe er es für angemessen gehalten, daß der Staatssekretär des Auswärtigen Mitteilungen über die Einzelheiten unserer politischen Lage im Osten machen möge; dieser Aufgabe habe sich der Staatssekretär nach seiner Ansicht in durchaus sachgemäßer Weise unterzogen; dagegen hätten einige seiner Äußerungen zu seinem, des Kanzlers, Bedauern in weiten Kreisen eine mehr oder minder unfreundliche Aufnahme erfahren. Auf die von dem Staatssekretär gestreifte Schuldfrage wolle er nicht eingehen; man könne diese getrost der Geschichte überlassen. Er wolle ein Mißverständnis ausräumen, das in der Auffassung des zweiten Teiles der Ausführungen des Staatssekretärs augenscheinlich obgewaltet habe. Die Tendenz dieser Ausführungen sei lediglich gewesen, die Verantwortung für die Fortsetzung und unabsehbare Verlängerung des entsetzlichen Krieges den Feinden zuzuschieben; denn von einem Erlahmen unseres energischen Abwehrwillens, von einer Erschütterung unserer Siegeszuversicht könne doch selbstverständlich nicht die Rede sein. Nach dem Kanzler erhob sich Herr von Kühlmann zu einer Abwehr der Angriffe, die Graf Westarp tags zuvor gegen ihn gerichtet hatte; auch er habe den Schwerpunkt auf die militärischen Entscheidungen gelegt und die diplomatischen Verhandlungen als das Sekundäre und Nachfolgende klar gekennzeichnet. Der Verlauf werde immer sein: der militärische Erfolg ist die Voraussetzung und Grundlage der diplomatischen Verhandlungen. Herr von Kühlmann war nach der Rede des Kanzlers und nach seinen eigenen Ausführungen als Staatssekretär des Auswärtigen erledigt. Was im Reichstag und in der Presse weiter folgte, war nur noch ein Kampf um seine politische Leiche. Herr von Kühlmann selbst gab sich über die Unhaltbarkeit seiner Stellung keiner Täuschung hin; aber er wünschte noch den Bukarester Frieden im Reichstag unter Dach und Fach zu bringen. Am 6. Juli wurde er jedoch nach dem Hauptquartier gerufen, wohin der Kanzler bereits vorher gereist war. Dort fiel am 8. Juli die Entscheidung. Der Kaiser nahm Herrn von Kühlmann gegenüber die Initiative, indem er ihm rundheraus erklärte, nach dem Vorgefallenen werde man sich wohl trennen müssen. Daraufhin stellte Herr von Kühlmann natürlich sofort sein Amt zur Verfügung. Der Admiral a. D. von Hintze, zuletzt Gesandter in Norwegen, der sich bereits im Großen Hauptquartier befand, wurde zu seinem Nachfolger ernannt. * * * * * Diese Vorgänge fielen zusammen mit einer ohnedies nicht unbedenklichen Zuspitzung der inneren Lage. Graf Hertling hatte bei den Verhandlungen, die er vor der endgültigen Annahme des Kanzleramts mit den Mehrheitsparteien geführt hatte, bestimmte Zusagen innerpolitischer Art gemacht: vor allem die Milderung des Belagerungszustandes und der Zensur, die Beseitigung des § 153 der Gewerbeordnung und die Einbringung eines Gesetzes über Arbeitskammern, die Vermehrung der Mandate der großen Reichstagswahlkreise und schließlich die alsbaldige Einbringung einer Vorlage über das allgemeine, direkte, geheime und gleiche Wahlrecht in Preußen. Die Versprechungen waren weniger leicht zu verwirklichen, als sie gemacht worden waren. Einigermaßen glatt vonstatten ging nur die Aufhebung des § 153 der Gewerbeordnung und das Gesetz über die großen Reichtagswahlkreise. Dagegen stieß das Arbeitskammergesetz schon im preußischen Staatsministerium und dann im Bundesrat auf große Schwierigkeiten; als es glücklich an den Reichstag kam, wurde es zum Gegenstand scharfer Auseinandersetzungen, die den Entwurf schließlich auf ein totes Gleis brachten. Ganz unerquicklich gestaltete sich die Frage des preußischen Wahlrechts. Zwar wurden die Vorlagen, die an Stelle des Dreiklassenwahlrechts das allgemeine und gleiche Wahlrecht setzen und in Verbindung damit auch das Herrenhaus reformieren sollten, im Herbst 1917 an den Landtag gebracht. Aber der Erledigung dieser Vorlagen türmten sich Hemmnisse entgegen, die zu überwinden die Regierung nicht stark genug war. Ich hatte, als im Staatsministerium die Reform des preußischen Wahlrechts vor der Osterbotschaft des Kaisers und Königs diskutiert wurde, mich dahin ausgesprochen, daß das gleiche Wahlrecht, wenn es jetzt von König und Regierung als Ziel aufgestellt werde, auch so bald wie möglich durchgesetzt werden müsse; denn es erschien mir im höchsten Maße bedenklich, bei einer längeren Dauer des Krieges diese einmal von oben aufgenommene Frage auf unabsehbare Zeit den Gegenstand scharfer innerpolitischer Kämpfe bilden zu lassen. Die Richtigkeit dieser Empfindung ist leider durch den Verlauf der Dinge bestätigt worden. In endlosen Verhandlungen beschäftigten sich erst das Abgeordnetenhaus und seine Kommission, dann auch das Herrenhaus mit den Reformvorlagen, ohne zu einem Schluß zu kommen. Nicht nur die Konservativen und der größte Teil der Freikonservativen, sondern auch ein Teil des Zentrums und der Nationalliberalen, die man durch die Ernennung des Herrn Dr. Friedberg zum Vizepräsidenten des Staatsministeriums hatte gewinnen wollen, blieben in der Opposition gegen das gleiche Wahlrecht. Als die zweite Lesung im Abgeordnetenhause zu einem ungünstigen Schluß zu kommen schien, empfing der Kanzler eine Delegation von Vertretern der Arbeiterorganisationen und gab ihnen die beruhigende Zusicherung, daß er mit dem gleichen Wahlrecht stehe und falle. Das war am 27. April. Am 2. Mai lehnte das Abgeordnetenhaus das gleiche Wahlrecht ab. Die dritte Lesung hatte kein besseres Ergebnis; sie kam mit 236 gegen 185 Stimmen zur Ablehnung, brachte aber auch keine Mehrheit für irgendeinen anderen Antrag, so daß der wichtigste Punkt der Vorlage offen blieb. Herr Dr. Friedberg erklärte, die Staatsregierung halte am gleichen Wahlrecht unverrückbar fest und sei entschlossen, zu seiner Durchführung alle verfassungsmäßigen Mittel in Anwendung zu bringen; aber auch das Herrenhaus müsse noch Stellung nehmen; sollte dieses dem Gang der Gesetzgebung entsprechende Verfahren innerhalb angemessener Frist nicht zum Ziel führen, so werde die Auflösung des Abgeordnetenhauses zu dem ersten Zeitpunkt erfolgen, zu dem dies nach dem pflichtgemäßen Ermessen der Staatsregierung mit der Kriegslage vereinbar sei. Auch diese Erklärung brachte die Sache nicht vorwärts. Am 11. Juni wurde das gleiche Wahlrecht in vierter Lesung abermals abgelehnt; und zwar war dieses Mal die Minderheit für das gleiche Wahlrecht noch weiter -- von 185 auf 164 Stimmen -- zusammengeschmolzen. Es war den Männern des Kabinetts Hertling nicht gegeben, die widerstrebenden Parteien und Parteigruppen davon zu überzeugen, daß das einmal auf Grund einer feierlichen Ankündigung der Krone eingebrachte gleiche Wahlrecht unter keinen Umständen abgelehnt werden könne und daß jede Verzögerung in seiner Annahme die ohnedies schwierige innere Lage noch weiter belasten müsse. Zu alldem kam der immer schwerer werdende Druck der Knappheit an den Gegenständen des dringendsten Bedarfs und der immer krasser zutagetretende Unfug des Schleichhandels und des Preiswuchers. Die Agitation der Unabhängigen Sozialdemokraten fand in diesen Verhältnissen einen günstigen Boden. Sie nahm nicht nur in der heimischen Bevölkerung überhand, sondern griff auch mehr und mehr auf die Armee und Marine über. Die Regierung hätte durch die Vorkommnisse in der Flotte im August 1917 gewarnt sein können. Aber sie ließ die Dinge gehen, offenbar nicht nur in einer Unterschätzung der tatsächlichen Gefahr, sondern auch weil sie die Harmonie mit den Mehrheitsparteien als ein politisches Aktivum ansah, das nicht durch ein scharfes Zugreifen auf Grund des ohnedies so stark angefochtenen Belagerungszustandes gefährdet werden sollte. Aber auch das Ziel, die Mehrheitsparteien zusammenzuhalten und damit den Burgfrieden auf einer neuen Grundlage zu sichern, wurde nicht erreicht. Die Mehrheitssozialisten hatten sich, wie ich oben dargestellt habe, trotz ihrer intensiven Mitwirkung bei der Bildung des »Kabinetts Hertling« freie Hand vorbehalten. Von dieser freien Hand machten sie jetzt Gebrauch. Die Konkurrenz mit ihren »unabhängigen« Brüdern um die Seele der Massen drängte sie erneut in die Opposition. Noch vor dem Rücktritt Kühlmanns hielt Herr Scheidemann bei der dritten Lesung des Reichsetats am 3. Juli eine Rede, die nur als eine Absage an die Regierung Hertling-Payer aufgefaßt werden konnte. Er richtete heftige Beschwerden gegen die Handhabung der Zensur und des Belagerungszustandes; der Verfassungszustand, in dem wir lebten, sei doch nur »der militärische Absolutismus, gemildert durch die Furcht vor dem parlamentarischen Skandal«. Das darbende Volk fühle sich im Zustand der allerbittersten Not und Knechtschaft. In den kritischsten Wochen der Volksernährung erlebten wir das Trauerspiel der preußischen Wahlreform; dieses Zusammentreffen nicht durch rechtzeitige Auflösung des Abgeordnetenhauses verhindert zu haben, sei einer der schwersten Vorwürfe, die sich gegen die Regierung richteten. »Einer Regierung, die den Belagerungszustand nach vier Kriegsjahren immer noch nicht hat beseitigen können, vermögen wir nicht einmal den Etat zu bewilligen.« Für Herrn von Payer, der auf das kategorische Verlangen der Sozialdemokraten die Stellvertretung des Reichskanzlers übernommen hatte, entstand nun die Aufgabe, dem Wortführer dieser selben Sozialdemokraten entgegenzutreten. Er tat das mit tapferen und aufrichtigen Worten. Aber es blieb dabei: die erste parlamentarische Regierung Deutschlands sah sich bei der Durchbringung des Reichsetats von der zweitgrößten Partei der »Mehrheit«, die ihre parlamentarische Existenzgrundlage bildete, verlassen; und zwar wurde die Ablehnung des Etats von dem Wortführer dieser Partei in einer Weise begründet, die nichts anderes als ein Mißtrauensvotum darstellte. Das Zustandekommen des Etats war abhängig geworden von der Zustimmung der rechtsstehenden Parteien, die gegen die Regierung in der Opposition standen und von der Regierung ängstlich in der Opposition gehalten worden waren. In jedem wirklich parlamentarisch regierten Lande hätte ein solcher Vorgang zum Rücktritt und zur Neubildung der Regierung geführt. Bei uns nicht. Denn die Regierung Hertling-Payer war entschlossen, die Fiktion der »Mehrheitsparteien« auch gegen die handgreifliche Tatsache der Etatsverweigerung durch die Sozialdemokraten aufrechtzuerhalten. In diese Lage fiel der Rücktritt Kühlmanns, desjenigen Mitglieds der Regierung Hertling, das in den kritischen Tagen des November 1917 mehr als jedes andere die Herrschaft der Mehrheitsparteien hatte errichten helfen und das nicht nur als erster Vorkämpfer des parlamentarischen Regimes, sondern auch als erster Vorkämpfer des »Verständigungsfriedens« galt. Die Nachricht von der Entlassung des Herrn von Kühlmann und seiner Ersetzung durch Herrn von Hintze, dem alldeutsche Neigungen nachgesagt wurden, schlug in den Kreisen der Mehrheitsparteien wie eine Bombe ein. Man erregte sich nicht nur über den Wechsel an sich, sondern auch darüber, daß die Mehrheitsparteien vor der Ernennung des neuen Staatssekretärs nicht gehört worden seien. Diesen Verstoß gegen den Geist des Parlamentarismus versuchte man zu reparieren, indem man in der offiziellen Ankündigung des Wechsels die endgültige Entscheidung über die Ernennung des Herrn von Hintze als noch nicht erfolgt bezeichnete. Die Ernennung wurde in der Tat formell erst vollzogen, nachdem Herr von Hintze den Parteiführern vorgestellt worden war und der Reichskanzler im Hauptausschuß des Reichstags Aufklärungen gegeben hatte. Der Reichskanzler führte bei dieser Gelegenheit aus, er habe sich von Herrn von Kühlmann, dessen politische Erfahrung und diplomatische Gewandtheit er lobend anerkannte, trennen müssen, da das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Kühlmann und »anderen Faktoren« nicht bestanden habe, ein Vertrauensverhältnis, das für eine reibungslose Führung der Geschäfte nicht entbehrt werden könne. Herr von Hintze sei ein sehr genauer Kenner der russischen Verhältnisse, sei lange als Militärbevollmächtigter in Petersburg gewesen und habe große Reisen durch Rußland gemacht. »Aber es versteht sich von selbst,« so fuhr der Kanzler fort, »daß ich meine Gegenzeichnung zu der Ernennung des Herrn von Hintze nur gebe, wenn Herr von Hintze =meine= Politik und nicht seine eigene verfolgt. Dafür habe ich aber bereits in den Zusagen des Herrn von Hintze -- die Ernennung ist noch nicht erfolgt -- meinerseits die feste Bürgschaft. =Ich= mache die Politik.« Stolze Worte. Die Auguren lächelten und gaben sich zufrieden. Nur Herr Scheidemann erklärte, er könne nach den Ausführungen des Reichskanzlers, nach denen sich in unserer Politik nichts geändert habe, nicht verstehen, warum Herr von Kühlmann den Abschied erhalten habe. Aber die Mehrheitsparteien, einschließlich der Mehrheitssozialisten, wollten keine offene Krisis. Sie wollten, ebenso wie die Regierung, trotz der Etatsverweigerung seitens der Sozialdemokraten und der Verabschiedung Kühlmanns, die ihnen erwünschte und bequeme Fiktion einer Mehrheitsregierung aufrechterhalten und ließen infolgedessen einen Zustand bestehen, der in sich selbst unmöglich geworden war. Der Wendepunkt Die durch die drei Offensiven an der Westfront geschaffene Lage drängte auf eine Klärung. Unsere Front, die vor dem 21. März von der Nordsee bis Verdun einen gleichmäßig geschwungenen flachen Bogen gezeigt hatte, verlief jetzt in grotesken Kurven. Keilartig markierten sich die Erfolge unserer Offensiven gegen Hazebrouck, gegen Amiens, gegen die Marne, und keilartig sprangen die von den Feinden gehaltenen Stellungsteile in unsere neue Front hinein, zusammengehalten von wichtigen und starken Stützpunkten, wie Ypern, Arras, Compiègne, Reims. Schon daß unseren Frontkeilen solche Stützpunkte und die nach diesen zusammenlaufenden günstigen Eisenbahnverbindungen fehlten, gab dem Feind einen Vorsprung. Außerdem aber mußte die Verlängerung der Front für uns ungünstig wirken angesichts der Tatsache, daß die zahlenmäßige Überlegenheit des Feindes, die wir niemals ganz hatten ausgleichen können, durch die amerikanischen Verstärkungen immer größer wurde. Untätiges Abwarten verbot sich in dieser Lage von selbst. Die Oberste Heeresleitung stand vor der Wahl, entweder den Versuch zu machen, durch einen neuen großen Angriff eine Verbesserung der Front nach vorwärts herbeizuführen und womöglich die Entscheidung zu erzwingen; oder die Offensiven abzubrechen, durch Verkürzung der Front nach rückwärts in die Defensive überzugehen, in günstigeren Stellungen den Feind anlaufen und womöglich verbluten zu lassen. Die Oberste Heeresleitung entschloß sich für die Fortsetzung der Offensive. Der neue Angriff wurde am frühen Morgen des 15. Juli auf langgestreckten Frontteilen beiderseits Reims angesetzt, von unseren Stellungen an der Marne an bis westlich Reims und von dem Fort La Pompelle im Südosten von Reims bis zu den seit Jahren heftig umstrittenen Höhen von Massiges. Die Überraschung glückte dieses Mal nicht. Der Feind hatte den Angriff erwartet und umfangreiche Maßnahmen zur Abwehr getroffen. Vor allem hatte die feindliche Heeresleitung, die in den drei Offensiven des Frühjahrs die Unwiderstehlichkeit unserer Feuerwalze kennengelernt hatte, den Schwerpunkt ihrer Verteidigung von vornherein in ihre zweiten Stellungen verlegt und die ersten Stellungen nur schwach besetzt. So stieß unser Angriff auf die erste feindliche Linie gewissermaßen in die Luft, während der Feind in seinen durch unser Zerstörungsfeuer nur wenig mitgenommenen zweiten Stellungen unserem weiteren Vordringen die ganze Wucht seiner Verteidigungsmittel entgegenstellte. Es gelang uns zwar, im ersten Anlauf einige wichtige Stellungen der Fronten östlich und südwestlich von Reims zu nehmen und die Marne an mehreren Stellen zu überschreiten; aber die Versuche, den Angriff weiterzutragen, scheiterten und wurden in richtiger Erkenntnis der Sachlage nicht fortgesetzt. Die nach umfangreichen Vorbereitungen und mit großen Mitteln unternommene Operation, von deren Gelingen so unendlich viel abhing, endete mit einem unverkennbaren und empfindlichen Mißerfolg. Drei Tage nach dieser mißlungenen Offensive holte der Feind zu einem gewaltigen Gegenschlag aus. Aus dem Waldgebiet von Villers-Cotterets heraus brachen am 18. Juli Franzosen, Engländer, Amerikaner und Italiener auf der etwa 45 Kilometer langen Front zwischen Aisne und Marne zum Angriff gegen den nord-südlich verlaufenden Teil des durch unsere dritte Offensive geschaffenen Stellungsbogens vor. Gegen ihre sonstige Gewohnheit hatte die feindliche Heeresleitung dieses Mal auf eine langwierige Artillerievorbereitung verzichtet; dagegen wurde der Vorstoß ihrer Infanteriemassen gedeckt und begleitet von bisher unerhörten Massen von Schlachtfliegern und leichtbeweglichen Tanks. Der Angriff traf mit voller Wucht die nicht sehr starke rechte Flanke unserer Angriffsfront vom 15. Juli. Unsere vordersten Linien wurden im ersten Anlauf überrannt, und der Feind gelangte bis in unsere Artilleriestellungen. In zähem Ringen gelang es hier, ihn aufzuhalten. Aber die folgenden Tage brachten nicht nur eine unverminderte Fortsetzung des Ansturms auf dem Frontteil Soissons--Château-Thierry, sondern auch heftige Angriffe auf unsere Stellungen südwestlich von Reims. Unser über die Marne hinausreichender Stellungskeil wurde so auf beiden Seiten an seinen Wurzeln zwischen die Zange genommen. Unter dem Druck dieser gewaltigen Angriffsaktion entschloß sich unsere Oberste Heeresleitung, in dem gefährdeten Marnebogen die Front zu verkürzen. Erst wurden in der Nacht auf den 20. Juli die über die Marne vorgedrungenen Truppenteile über den Fluß zurückgenommen. Dann wurde noch im Verlauf des 20. Juli Château-Thierry preisgegeben. Vor den Angriffen, die auch in der folgenden Woche mit ungebrochenem Nachdruck weitergeführt wurden, gingen wir auf die Linie Fère-en-Tardenois--Ville-en-Tardenois zurück. Am 3. August mußte Soissons aufgegeben werden. Die Zurücknahme unserer Front hinter den Vesle-Abschnitt war damit zur Notwendigkeit geworden. Damit war an diesem Teil der Front unsere Rückwärtsbewegung zunächst abgeschlossen. Der Feind hatte in rücksichtslosem Einsatz seiner Truppenmassen zweifellos beträchtliche Einbußen erlitten; aber auch unsere Verluste an Toten, Verwundeten und Gefangenen sowie an Kriegsmaterial waren groß. Noch größer aber war der moralische Eindruck auf Front und Heimat bei Freund und Feind. Unsere in den ersten Anfängen steckengebliebene Offensive und der mit furchtbarer Wucht angesetzte und mit großer Zähigkeit in dreiwöchigen Kämpfen durchgeführte feindliche Gegenangriff machten aller Welt deutlich, daß es den Feinden gelungen sei, unsere unwiderstehlich scheinende Angriffskraft zu brechen und die Initiative an sich zu reißen. Jedem deutschen Herzen mußte sich die bange Frage aufdrängen, ob es dem Genie unserer großen Heerführer und der Spannkraft unserer Truppen gelingen werde, noch einmal das Schicksal zu wenden, oder ob wir an der ganzen Westfront aufs neue in eine die Hoffnungen auf ein baldiges Kriegsende gänzlich zerstörende Defensive zurückgeworfen werden würden. Diese bange Frage erhielt eine niederschmetternde Antwort, als zwei Tage nach der Zurücknahme unserer Truppen hinter die Vesle, am 8. August, die Engländer beiderseits der Somme in einem wuchtigen Überraschungsangriff, der durch dichten Morgennebel begünstigt wurde, in unsere Stellungen eindrangen und den ganzen in der Märzoffensive gewonnenen, gegen Amiens vorspringenden Frontbogen zwischen Arras und Soissons ins Wanken brachten. Mit ungezählten Panzerwagen überrannte der Feind unsere Linien. Eine ganze Anzahl von Stäben wurde weit hinter den Gräben von Tanks überrascht und gefangengenommen; die planmäßige Leitung der Abwehroperationen wurde dadurch unmöglich gemacht, schwere Verwirrung wurde in unsere Reihen getragen. Der Feind schlug gleich am ersten Tage eine klaffende Lücke von großer Breite und Tiefe in unsere Front südlich der Somme. Zahlreiche Gefangene und große Mengen von Geschützen und sonstigem Kriegsmaterial fielen in seine Hand. Sein Erfolg wurde vervollständigt, als am folgenden Tage der Franzose auf der Front südöstlich des von uns bereits geräumten Montdidier gleichfalls zum Angriff überging. Erst in der geraden Linie Albert--Roye--Lassigny, die bis zu 30 Kilometer hinter unserer ursprünglichen Stellung lag, gelang es, die Schlacht einigermaßen zum Stehen zu bringen und die Verteidigung wieder zu organisieren. Aber die Notwendigkeit einer weiteren Rückwärtsbewegung, etwa auf die alte Siegfriedstellung, von der unsere Märzoffensive ausgegangen war, wurde schon um die Mitte des Monats August von der Obersten Heeresleitung als unvermeidlich ins Auge gefaßt. Im ganzen bisherigen Verlauf des Krieges hatten die Ereignisse, die sich vom 18. Juli bis etwa 12. August 1918 zwischen Arras und Reims abspielten, nur in der Marneschlacht vom September 1914 annähernd ihresgleichen. Der im März 1918 mit dem stärksten Aufgebot an Mannschaften und Material so glänzend eingeleitete Feldzug war verloren. Wir waren nach übermenschlichen Anstrengungen und beispiellosen Waffentaten unter maßlos erschwerten Verhältnissen in die Verteidigung zurückgeworfen. Die Wagschale des Schicksals hatte sich gegen uns geneigt. Meine Moskauer Mission Auch im Osten hatten sich inzwischen die Dinge äußerst unerfreulich gestaltet. Nach der Ratifikation des Friedens von Brest-Litowsk war Herr Joffe als »Diplomatischer Vertreter der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik« in Berlin eingezogen und hatte nach einigem Hin und Her in dem Palast der ehemals Kaiserlich Russischen Botschaft Unter den Linden sein Quartier aufgeschlagen. Eine große blutrote Fahne wehte über dem Gebäude, dessen neue Bewohner alsbald im intimsten Verkehr mit unseren ihre revolutionären Absichten kaum mehr verhüllenden Unabhängigen Sozialdemokraten und Liebknecht-Anhängern standen. Als »Diplomatischer Vertreter des Deutschen Reiches« wurde Graf Mirbach nach Moskau entsandt. Der Graf war vor dem Krieg lange Jahre hindurch Botschaftsrat in Petersburg gewesen, und er hatte nach Abschluß des Waffenstillstandes an der Spitze der Kommission für die Wiederherstellung des wirtschaftlichen Verkehrs, den Austausch der Zivilinternierten usw. in Petersburg gewirkt. Es wurde ihm jetzt ein umfangreicher Stab von Mitarbeitern, Sachverständigen, Kommissaren und Kommissionen beigegeben. Seine Aufgabe war nicht nur die Wiederherstellung normaler diplomatischer Beziehungen, die Beobachtung der weiteren Entwicklung und die Wahrnehmung der deutschen politischen Interessen, sondern auch die Sorge für die möglichst rasche Zurückführung unserer Kriegsgefangenen und Zivilinternierten, für die Sammlung und den Abtransport der »Rückwanderer« aus den zahlreichen deutschen Niederlassungen in Rußland, schließlich die Sorge für die Herstellung guter, für Deutschland wie für Rußland vorteilhafter wirtschaftlicher Beziehungen und die Nutzbarmachung der Warenbestände und Hilfsquellen Rußlands für das wirtschaftlich schwer kämpfende Deutschland. Die Lage, die Graf Mirbach vorfand, als er Ende April 1918 in Moskau eintraf, war äußerst schwierig und verworren. Die Bolschewikiregierung konnte, wie der Ausfall der Wahlen zu der Konstituierenden Duma gezeigt hatte, nur auf eine bescheidene Minderheit der russischen Bevölkerung -- auch der großrussischen -- als ihre unmittelbare Anhängerschaft zählen. Allerdings leistete ihr auch die Partei der »Linken Sozialrevolutionäre« zunächst Gefolgschaft. Aber schon in der Frage: Annahme oder Ablehnung des Brester Friedens? war es zwischen den beiden verbündeten Parteien zu Meinungsverschiedenheiten gekommen, die sich in der Folgezeit verschärften. An Machtmitteln standen der Sowjetregierung zur Verfügung vor allem eine Anzahl gut disziplinierter und kampferprobter lettischer Regimenter; die sogenannte »Rote Garde« war in der Hauptsache noch ein bunt zusammengewürfelter Haufen, der erst noch organisiert und ausgebildet werden mußte. Nach außen stand die Sowjetrepublik im Kampf mit Finnland, mit der Ukraine, mit den Donkosaken, den Stämmen des Kaukasus und einem großen Teil Sibiriens. Außerdem tauchten als neue Gefahr die tschecho-slowakischen Truppen auf, Kriegsgefangene und Überläufer, die im März 1918 von der russischen Regierung die Erlaubnis erhalten hatten, bewaffnet über Wladiwostok zur französischen Front zu gehen, es dann aber -- im Laufe des Mai -- unter der Einwirkung von Entente-Einflüssen vorzogen, sich an der Sibirischen Bahn festzusetzen und ihre Waffen gegen Sowjetrußland zu kehren. Ferner drangen die Türken im Kaukasusgebiet weit über die Grenzen der Kreise von Kars, Erdehan und Batum vor; sie bedrohten vor allem das für die Versorgung Rußlands mit Brennstoff außerordentlich wichtige Erdölgebiet von Baku. Schließlich zeigten sich im Laufe des Monats Juni Ententetruppen an der Murmanküste. Deutschland hatte gegenüber Sowjetrußland für die Finnen und Ukrainer offen Partei genommen und diesen Waffenhilfe geleistet; auch durch den offiziellen Friedensschluß, der Rußland die Anerkennung Finnlands und der Ukraine auferlegte, waren diese Kämpfe nicht beendet. Denn im Innern dieser Länder ging der Kampf zwischen Regierungsgewalt und Bolschewisten weiter, wobei wir der Regierungsgewalt, Sowjetrußland den Bolschewisten Hilfe gewährten. Außerdem unterstützten die in Südrußland stehenden deutschen Truppen die unter dem General Krasnow gegen Sowjetrußland kämpfenden Donkosaken. Schließlich förderte Deutschland die Selbständigkeitsbestrebungen der Georgier und Grusinier. Die Tatsache, daß wir mit den Bolschewiki und ihrer Roten Garde außerhalb der noch ganz flüssigen territorialen Grenzen Großrußlands nach wie vor die Waffen kreuzten, mußte natürlich die Aufgabe, gute Beziehungen zu dem unter der Sowjetregierung stehenden Großrußland zu schaffen und dadurch die Nutzbarmachung seiner Hilfsquellen und Vorräte für Deutschland zu ermöglichen, in einer ganz besonderen Weise erschweren. Aber abgesehen von dieser Komplikation mußte es von Anfang an zweifelhaft erscheinen, ob die Erreichung unseres Zieles in Großrußland überhaupt möglich wäre mit einer Regierung, die den von ihr mit uns abgeschlossenen Frieden ganz offen nur als »Atempause« bezeichnete und immer wieder die Weltrevolution, beginnend mit der Revolutionierung Deutschlands, als ihr Ziel proklamierte. Jedenfalls zeigte sich bald, daß die Durchführung des Brester Vertrages und die erstrebte Anbahnung von wirtschaftlichen Beziehungen auf die größten Schwierigkeiten stieß. Unser Bestreben, die russischen Warenvorräte für uns nutzbar zu machen, scheiterte, und zwar nicht nur hinsichtlich der Nahrungsmittel, die in Sowjetrußland selbst außerordentlich knapp waren, sondern auch hinsichtlich der tatsächlich vorhandenen und brachliegenden kriegswichtigen Rohstoffe, wie Kupfer, Nickel, Gummi, Öle usw. Nach außen erschienen die Schwierigkeiten in der Hauptsache als Folge der von den Bolschewiki in Angriff genommenen »Sozialisierung« der Betriebe und Warenvorräte, durch die der freie Handel so gut wie unmöglich gemacht wurde. Die inneren Widerstände aber zeigten sich in der Tatsache, daß die geschäftlichen Verhandlungen mit der Bolschewikiregierung, die für sich die Verfügung über die in Rußland vorhandenen Bestände in Anspruch nahm, von dieser ausnahmslos dilatorisch behandelt wurden und steckenblieben. In diesem ungeklärten und unerquicklichen Stand der Dinge kam am 6. Juli 1918 die Nachricht, daß Graf Mirbach in dem Hause der deutschen Vertretung ermordet worden sei und daß im unmittelbaren Anschluß an das Attentat die Linken Sozialrevolutionäre versucht hätten, durch einen Aufstand, der indessen rasch niedergeworfen wurde, sich der Gewalt zu bemächtigen. Die Nachrichten aus den verschiedenen Quellen über die Zusammenhänge lauteten zunächst widerspruchsvoll und gaben kein klares Bild; aber die Tatsache des Verbrechens warf für sich allein schon ein blitzartiges Licht auf die prekären, ja unhaltbaren Verhältnisse, mit denen wir in Rußland zu rechnen hatten. Mich hatte die Sorge um die Gestaltung unserer Beziehungen zu dem Osten seit den Brester Verhandlungen nicht einen Augenblick verlassen. Sie war gesteigert worden durch alle Nachrichten, die von unseren Missionen in Moskau, in Helsingfors, in Kiew und im Kaukasus zu uns herüberkamen; noch mehr durch die Beobachtung, daß unserer Politik nach dem Osten jede einheitliche Linie fehlte, daß sie in sich widerspruchsvoll war und nur zu einer Festlegung und Zersplitterung wertvoller Kräfte, dagegen zu keinem irgendwie gearteten positiven Nutzen führte. Der alte Fehler, der die Verhandlungen in Brest-Litowsk so maßlos erschwert und den Brester Frieden so unglücklich beeinflußt hatte -- der Mangel an Übereinstimmung zwischen der politischen und der militärischen Leitung --, erwies sich auch weiterhin als das Grundübel. Graf Mirbach und seine Mitarbeiter hatten nach allem, was ich damals wahrnehmen konnte und später auch bestätigt fand, sich für die richtige Politik eingesetzt und versucht, für eine einheitliche Marschroute im Sinne der Vorbereitung eines allmählichen Umschwenkens und Abbauens zu wirken. Das Auswärtige Amt, dessen Chef wohl die Auffassungen des Grafen Mirbach teilte, vermochte jedoch nicht, diesen Standpunkt durchzusetzen, ja es hat schließlich selbst die Hand zu einer wesentlichen Verschärfung des Brester Friedens geboten. Die Klärung der östlichen Fragen erschien mir in doppeltem Maße als eine gebieterische Notwendigkeit, seitdem der Verlauf unserer militärischen Operationen im Westen die Hoffnung auf den entscheidenden Sieg auf dem westlichen Kriegsschauplatz schwinden ließ und seitdem ich wußte, daß unsere Oberste Heeresleitung für die Beendigung des Krieges diplomatischen Sukkurs verlangte. Das Bedürfnis, über die Ostfragen durch eigenen Augenschein Klarheit zu gewinnen und meine Person für eine uns nach Osten hin Luft und Rückendeckung schaffende Politik einzusetzen, war in mir so stark, daß ich mich dem Reichskanzler als Nachfolger für den Grafen Mirbach zur Verfügung stellte. Dieser Schritt wurde mir um so leichter, als ich nach den bisherigen Erfahrungen, namentlich während der Verhandlungen in Brest-Litowsk und Bukarest, wenig Neigung hatte, die mir übertragene Aufgabe der Zusammenfassung der Vorarbeiten für die wirtschaftlichen Friedensverhandlungen fortzusetzen. Ich hatte noch einen Versuch gemacht, den künftigen Verhandlungen eine bessere Grundlage zu geben durch eine planmäßige Heranziehung der sachverständigen Kreise unseres Wirtschaftslebens. Zu diesem Zweck hatte ich die Veranstaltung einer umfassenden Enquete beantragt. Auf Grund sorgfältig ausgearbeiteter Fragebogen sollten kompetente Vertreter der einzelnen Zweige unserer Volkswirtschaft über ihre bei den kommenden Friedensschlüssen zu berücksichtigenden Wünsche und Bedürfnisse in kontradiktorischem Verfahren gehört werden, und zwar in Gegenwart und unter Mitwirkung der für die wirtschaftlichen Friedensverhandlungen in Aussicht zu nehmenden Persönlichkeiten. Im Vordergrund standen dabei die Bestimmungen und Maßnahmen, die zur Sicherung unseres Bezuges von ausländischen Rohstoffen und Nahrungsmitteln und zur Wiederherstellung unserer Ausfuhrmöglichkeiten angesichts der sowohl durch die selbsttätigen Wirkungen des Krieges, als auch durch die Kriegsmaßnahmen unserer Gegner geschaffenen Verhältnisse getroffen werden mußten. Nachdem ich die Veranstaltung dieser Enquete durchgesetzt und das Reichswirtschaftsamt als das zuständige Ressort deren Durchführung übernommen hatte, schien mir eine sachliche Notwendigkeit für die Aufrechterhaltung des mir erteilten besonderen Auftrages nicht mehr zu bestehen. Es erschien mir im Gegenteil zweckmäßig, die Aufgabe der Zusammenfassung der Vorarbeiten für die Friedensverhandlungen derjenigen Behörde zu übertragen, in deren Hand die Friedensverhandlungen selbst lagen und künftig liegen sollten. Nur auf diese Weise ließen sich die Schwierigkeiten und Reibungen vermeiden, die während der Brester und Bukarester Verhandlungen zum Schaden der Sache entstanden waren. Ich empfahl deshalb die Eingliederung des von mir geschaffenen Bureaus mit seinem Personal in das Auswärtige Amt. Mein Angebot, den Moskauer Posten zu übernehmen, wurde vom Reichskanzler beim Kaiser befürwortet und von diesem angenommen, nachdem auch der neuernannte Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Herr von Hintze, nach seiner Rückkehr aus Christiania, wo er sein Abberufungsschreiben überreicht hatte, am 20. Juli seine Zustimmung erklärt hatte. Die Lage hatte sich inzwischen weiter kompliziert. Auf Veranlassung des russischen Volkskommissars für das Auswärtige waren in Berlin Besprechungen eingeleitet worden, um gewisse mit dem Brester Frieden zusammenhängende Fragen zu klären. Die Verhandlungen waren von deutscher Seite von dem Leiter der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes, Ministerialdirektor Dr. Kriege, geführt worden, den ich als scharfsinnigen und unübertroffen kenntnisreichen Völkerrechtler stets ebensosehr geschätzt habe, wie ich in die Sicherheit seines politischen Blickes Zweifel setzen mußte. Soweit es sich um rein finanzielle Angelegenheiten handelte, hatte mich Herr Kriege, schon ehe meine Entsendung nach Moskau in Betracht kam, in großen Zügen unterrichtet. In die Gesamtheit der geplanten Abmachungen, die neben finanziellen und wirtschaftlichen Vereinbarungen auch sehr wichtige politische und territoriale Abänderungen des Brester Friedensvertrags enthielten, bekam ich erst jetzt Einblick. Der wesentliche Inhalt dieser »=Zusatzverträge=« war der folgende: 1. Politische und territoriale Bestimmungen Deutschland sollte sich verpflichten, sich künftighin in die Beziehungen zwischen Rußland und seinen Teilgebieten in keiner Weise einzumischen, also insbesondere die Bildung selbständiger Staatswesen in diesen Gebieten weder zu veranlassen noch zu unterstützen. An Ausnahmen wurden jedoch vorgesehen: Rußland, das im Brester Vertrag auf die Staatshoheit über Kurland, Litauen und Polen verzichtet hatte, sollte nunmehr den gleichen Verzicht auch für ganz Livland und Estland aussprechen. Das künftige Schicksal von Estland und Livland sollte von Deutschland im Einvernehmen mit der Bevölkerung bestimmt werden. Rußland sollte sich mit der Anerkennung Georgiens als selbständiges Staatswesen einverstanden erklären. Dafür sollte sich Deutschland verpflichten, die von seinen Truppen besetzten Gebiete östlich von Estland und Livland alsbald nach Festlegung der Grenzen dieser Länder zu räumen; desgleichen die Gebiete östlich der Beresina nach Maßgabe der Leistung der Barzahlungen, die Rußland in den Zusatzverträgen übernehmen sollte. Ebenso sollte Deutschland seine Truppen aus den russischen Schwarzmeergebieten nach der Ratifikation des zwischen Rußland und der Ukraine abzuschließenden Friedensvertrags zurückziehen. Deutschland sollte sich ferner verpflichten, Operationen der türkischen Streitkräfte in Kaukasien außerhalb des im Brester Vertrag von Rußland preisgegebenen Gebietes nicht zu unterstützen, und es sollte die Gewähr übernehmen, daß türkische Truppen in einen gewissen um Baku gezogenen Kreis nicht einmarschierten. 2. Finanzielle und wirtschaftliche Bestimmungen Rußland sollte seine sämtlichen aus dem Brester Vertrag sich gegenüber dem Deutschen Reich und deutschen Staatsangehörigen ergebenden finanziellen Verpflichtungen durch die Zahlung einer festen Pauschalsumme von sechs Milliarden Mark abgelten, die teilweise in Gold, in Rubeln und in Warenlieferungen, teilweise durch eine neue von Deutschland an Rußland zu gewährende Anleihe beglichen werden sollte. Eingeschlossen in die auf diese Weise abzugeltenden russischen Verpflichtungen sollten sein die Zins- und Amortisationsraten der in deutschem Besitz befindlichen russischen Anleihen, deren grundsätzliche Annullierung von der Sowjetregierung gleich nach der Novemberrevolution ausgesprochen worden war; ferner die Entschädigungen für die vor einem bestimmten Termin erfolgte Enteignung deutschen Vermögens irgendwelcher Art. Die bis dahin erfolgten Enteignungen wurden damit von uns anerkannt; weitere Enteignungen sollten nur in der gleichen Weise wie gegen russische Landeseinwohner und dritte Staatsangehörige und nur gegen bare Entschädigung erfolgen dürfen. Außerdem sollten Bestimmungen getroffen werden über die Herausgabe der beiderseitigen Bankdepots und Bankguthaben, über die Rechtsverhältnisse aus Wechseln, Schecks und Valutageschäften, über gewerbliche Schutzrechte, über Verjährungsfristen und über die Errichtung eines Schiedsgerichts für zivil- und handelsrechtliche Streitigkeiten. In der juristischen Technik zeichneten sich die in der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes ausgearbeiteten Entwürfe durch sorgfältige Genauigkeit und Präzision aus. Auch materiell konnte ich mich mit einem wesentlichen Teil ihres Inhalts einverstanden erklären. Insbesondere erschien mir die Pauschalierung der russischen finanziellen Verpflichtungen, die unendliche Einzelverhandlungen mit der russischen Regierung und damit eine unabsehbare Verzögerung der Abwicklung in glücklicher Weise vermied, als ein guter Gedanke, soweit sich die Pauschalierung auf Verpflichtungen bezog, die zur Zeit des Beginns der Verhandlungen bereits bestanden oder durch bereits durchgeführte Maßnahmen der russischen Regierung auf dem Gebiet der Enteignung bereits begründet waren. Ich warnte damals schon vor der von den russischen Unterhändlern angeregten Ausdehnung der Pauschalierung auf die Entschädigungspflicht auch für solche Enteignungen deutscher Betriebe oder Vermögenswerte, die =künftighin= bis zu einem noch festzusetzenden Zeitpunkt etwa noch durchgeführt werden sollten; denn eine solche Pauschalierung =pro futuro= erschien mir geradezu als eine Prämie auf die radikale und überstürzte Enteignung der in Rußland noch vorhandenen deutschen Unternehmungen und Werte. Bedenklich erschienen mir aber vor allem die Bestimmungen über die endgültige Lostrennung Livlands und Estlands vom Russischen Reich. In Verbindung mit der Unabhängigkeitserklärung Finnlands mußte der Verlust von Livland und Estland das Russische Reich bis auf den schmalen, im Winter nicht schiffbaren Zugang bei Petersburg gänzlich von der Ostsee abschnüren. Keine Vereinbarung über freie Durchfahrt auf den baltischen Eisenbahnen und über freie Benutzung der baltischen Häfen konnte nach meiner Ansicht das künftige Rußland, einerlei welche Gestalt es annehmen sollte, diesen Verlust verschmerzen lassen. Mit Naturnotwendigkeit hätte das künftige Rußland auf die Gebiete, die es von der Ostsee abriegelten, und auf Deutschland, das diesen Riegel in der Hand hielt, den stärksten Druck ausüben müssen. Die Herstellung eines guten Verhältnisses zu dem künftigen Rußland, die durch den Brester Frieden schon stark erschwert war, mußte durch die Lostrennung von Estland und Livland geradezu unmöglich gemacht werden. Ich konnte eine solche Führung unserer Politik nur für verhängnisvoll halten. Die notwendige Sicherung der deutschen Bewohner jener Gebiete und ihrer materiellen, nationalen und kulturellen Interessen ließ sich nach meiner Ansicht auch auf anderen Wegen erreichen. Bei der einzigen Besprechung über den Inhalt der geplanten Zusatzverträge, die ich -- kurz vor meiner Abreise nach Moskau -- mit dem neuen Staatssekretär hatte, gewann ich den Eindruck, daß Herr von Hintze in diesem wichtigen Punkte im Grunde seines Herzens der gleichen Meinung sei wie ich, und daß die Angelegenheit nur auf Wunsch der Obersten Heeresleitung betrieben werde. Da alles noch im Flusse war, brauchte ich die Hoffnung nicht aufzugeben, von Moskau aus im Sinne meiner Auffassung einen entscheidenden Einfluß auf die endgültige Gestaltung der Zusatzverträge ausüben zu können. Ich habe mir nachträglich allerdings den Vorwurf gemacht, daß ich den Moskauer Posten überhaupt angetreten habe, ehe dieser Punkt einwandfrei im Sinne meiner Auffassung geklärt und entschieden war. Nicht minder bedenklich wie die Lostrennung von Estland und Livland erschien mir die Gewähr, die das Deutsche Reich Rußland gegenüber für das Fernhalten türkischer Streitkräfte von dem Gebiet um Baku übernehmen sollte. Ich machte darauf aufmerksam, daß die Übernahme dieser Gewähr, falls sie ohne vorherige Verständigung mit der Türkei und ohne deren ausdrückliche Zustimmung erfolge, uns gegebenenfalls zu einem aktiven Vorgehen gegen unsere türkischen Bundesgenossen im Bunde mit dem bisherigen gemeinsamen Feinde zwingen könne. Auch abgesehen von der ausdrücklichen Garantieübernahme für Baku erschien es mir bedenklich, in den kaukasischen Angelegenheiten mit Rußland irgendwelche Abmachungen hinter dem Rücken der Türkei und mit einer Spitze gegen die Türkei zu treffen. Ich bezweifelte, ob unser Bündnis mit der Türkei nach all dem Druck, den wir in der bulgarisch-türkischen Streitfrage hatten ausüben müssen, einer solchen Belastung gewachsen sein würde. Diesen Bedenken ist bei den weiteren Verhandlungen des Auswärtigen Amtes mit der russischen Delegation wenigstens insoweit Rechnung getragen worden, als in dem endgültigen Text von der Übernahme einer »Gewähr« nicht mehr gesprochen, sondern die mildere Form gewählt wurde: Deutschland wird »dafür eintreten«, daß in Kaukasien Streitkräfte einer dritten Macht die näher bezeichnete Linie nicht überschreiten. Aber auch in dieser Fassung blieb die Vereinbarung nach meiner Ansicht, die sich späterhin bestätigen sollte, eine bedenkliche Belastung unseres Bundesverhältnisses mit der Türkei. Während in Berlin zwischen dem Auswärtigen Amt und der russischen Delegation friedlich über die Zusatzverträge verhandelt wurde, hatten sich in Moskau, wo nach der Ermordung des Grafen Mirbach die Geschäfte unserer diplomatischen Vertretung von dem Geheimen Legationsrat Dr. Riezler geführt wurden, die Verhältnisse einigermaßen zugespitzt. Die beiden Personen, die den Grafen Mirbach ermordet hatten, Blumkin und Andrejew, waren bekannte Mitglieder der Partei der Linken Sozialrevolutionäre und Angestellte der »Außerordentlichen Kommission zur Bekämpfung der Gegenrevolution«, die stark mit Anhängern dieser Partei durchsetzt war. Unmittelbar vor dem Attentat war in Versammlungen der Linken Sozialrevolutionäre unter Berufung auf die Unterstützung, die Deutschland in der Ukraine dem gegenrevolutionären Hetman Skoropadski gewähre, sowie auf die Lebensmittel- und Warenlieferungen, die Deutschland dem russischen Volke abpresse, stark gegen die deutsche Vertretung gehetzt worden. Am Tage vor dem Attentat hatten auf dem allrussischen Rätekongreß namhafte Führer der Partei, vor allem Frau Spiridonowa, leidenschaftliche und aufreizende Reden gegen Deutschland gehalten und tosende Kundgebungen gegen den Grafen Mirbach hervorgerufen. Jetzt, nach dem Attentat hatten sich die Mörder des Grafen Mirbach in das Hauptquartier der Linken Sozialrevolutionäre, in die große Kaserne am Pokrowski-Boulevard, geflüchtet, waren dort mit einer Anzahl ihrer Gesinnungsgenossen eingeschlossen und belagert worden, aber schließlich unter einigermaßen rätselhaften Begleitumständen entkommen. Die russische Regierung zeigte zwar großen Eifer in der Entschuldigung für das Attentat, jedoch wesentlich geringeren Eifer in der Verfolgung der Täter und der Anstifter. Zwar überreichte sie schließlich unserem Geschäftsträger eine Liste von mehr als hundert Leuten, die wegen angeblicher Beteiligung an dem Attentat erschossen worden seien; aber die Täter und Hauptanstifter waren nicht darunter. Die Lage erfuhr eine weitere Verschärfung durch Vorgänge an der tschecho-slowakischen Front. Dort hatte der Oberbefehlshaber der Roten Garden, General Murawiew, den Versuch gemacht, seine Truppen zum Abfall von der Sowjetregierung und zum Übertritt auf die Seite der Gegner zu veranlassen. Eine Zeitlang schien es, als ob dieser Versuch Erfolg haben sollte. Murawiew wandte sich mit einem Teil seiner Truppen gegen Moskau und proklamierte den Wiederbeginn des Krieges gegen Deutschland. An der Front entstand eine heillose Verwirrung, unter deren Eindruck auch die Sowjetregierung in Moskau ihre letzte Stunde gekommen glaubte. Der Versuch scheiterte jedoch schließlich an der Haltung der lettischen Truppen, und Murawiew wurde von seinen eigenen Leuten am 8. Juli erschossen. Aber immerhin zeigte auch dieser Vorfall, wie die Verhältnisse auf des Messers Schneide standen. Angesichts der ungeklärten Lage und der fortdauernden Bedrohung des Personals der deutschen Vertretung stellte der deutsche Geschäftsträger im Einverständnis mit dem Auswärtigen Amt bei der russischen Regierung den Antrag auf Zulassung eines kriegsstarken deutschen Bataillons als Gesandtschaftswache. Die russische Regierung zeigte über diesen Antrag große Erregung. Herr Joffe intervenierte beim Auswärtigen Amt in Berlin, das den Antrag fallen ließ und sich mit der Zusage der Zulassung von dreihundert deutschen Soldaten -- aber in Zivil! -- als Schutzwache für die Gesandtschaft begnügte. Dem geschickten und energischen Auftreten des deutschen Geschäftsträgers gelang es, bei dieser Gelegenheit wenigstens die Entfernung der Militärmissionen der Entente, die bisher immer noch in Moskau ihr Unwesen getrieben hatten, durchzusetzen. Das alles war geschehen, ehe über meine Ernennung entschieden war; ich habe von diesen Vorgängen das Wesentliche erst erfahren, als ich in den wenigen Tagen von meiner Ernennung bis zu meiner Abreise nach Moskau mich im Auswärtigen Amt zu informieren suchte. Dabei erfuhr ich auch, daß während der durch den Abfall Murawiews entstandenen Krise der Geschäftsträger mit Unterstützung des Militärattachés die Ermächtigung erbeten hatte, im Falle der Not mit dem gesamten Personal der Mission Moskau zu verlassen. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes hat damals diese Ermächtigung erteilt und, als die Moskauer Vertretung angesichts der raschen Niederwerfung der Murawiewschen Revolte keinen Gebrauch von ihr machte, sie für künftige Eventualitäten aufrechterhalten. Dagegen erfuhr ich erst in Moskau aus den Mitteilungen des Geschäftsträgers, daß die Moskauer Vertretung in der Ermordung des Grafen Mirbach den wichtigen Anlaß hatte sehen wollen, um uns aus der doch unhaltbaren Verbindung mit dem Bolschewismus zu befreien und den Weg zu einer einheitlichen Politik der Verständigung mit dem nichtbolschewistischen Rußland freizumachen. Diese Politik hatte in Berlin kein Verständnis gefunden. Der Staatssekretär von Hintze suchte mir gegenüber die offenbar schwebenden Differenzen durch eine übertriebene Nervosität der Moskauer Herren zu erklären; die anderen an den Zusatzverträgen mit besonderem Eifer arbeitenden Herren erweckten mir indessen schon damals den Eindruck, daß sie in den Moskauer Berichten nur eine unerwünschte und lästige Störung ihrer Verhandlungen über die Zusatzverträge sahen. Die Verträge selbst waren, wie ich später in Moskau feststellte, der dortigen Vertretung trotz mehrfach wiederholter Reklamationen nicht mitgeteilt worden. Das Exemplar der Entwürfe, das ich nach Moskau mitbrachte, war das erste, das die dortigen Herren überhaupt zu sehen bekamen. Über die schweren Bedenken, die bei der Moskauer Vertretung gegen wesentliche Punkte der Zusatzverträge bestanden, konnte man im Berliner Auswärtigen Amt nicht im Zweifel sein. Jedenfalls wünschte der Staatssekretär, daß ich meine Abreise nach Moskau nach jeder Möglichkeit beschleunigen möchte, um mir so bald wie möglich an Ort und Stelle ein Urteil zu bilden. Die über die Verlegung des Sitzes der deutschen Vertretung zu treffende Entscheidung gab er dabei ganz in meine Hand. So reiste ich bereits wenige Tage nach meiner Ernennung, am 26. Juli, von Berlin nach Moskau ab. Ich hatte mir vorbehalten, nach Gewinnung eines Überblicks zur Berichterstattung und zur Ordnung meiner persönlichen Verhältnisse nach Berlin zurückkommen zu dürfen. An der Militärgrenze, Bahnhof Orscha, erwartete mich ein Vertreter des Volkskommissariats für das Auswärtige mit einem Extrazug und einer schwer bewaffneten lettischen Schutzwache. Die Reise auf russischem Gebiet ging glatt und rasch vonstatten. Wir hätten bequem zwischen sieben und acht Uhr abends in Moskau sein können: Etwa hundert Kilometer vor Moskau erhielt jedoch der Zugführer die Weisung, der Zug dürfe unter keinen Umständen vor zehn Uhr in Moskau einlaufen. Wir fuhren dementsprechend im Schneckentempo. Kurz vor Kunzewo, etwa vierzehn Kilometer vor Moskau, erhielt der Zug Haltesignal. Dr. Riezler erschien an meinem Wagen und forderte mich auf, mit meinem Begleiter, dem der Moskauer Vertretung zugeteilten Legationsrat Grafen Bassewitz, den Zug zu verlassen. Man wolle es vermeiden, mich im Moskauer Bahnhof aussteigen zu lassen. Auf der Straße erwartete uns Herr Radek, damals Chef der mitteleuropäischen Sektion des Volkskommissariats für das Auswärtige, mit seinem Auto und brachte uns unbemerkt nach der Stadt hinein zu der am Djeneshnij, einer ruhigen Seitenstraße des Arbat, gelegenen Villa Berg, in der unsere Vertretung ihren Sitz genommen hatte. Herr Radek erwähnte, es liege zwar nichts Besonderes vor, aber meine Ankunft könne bekannt geworden sein, und Vorsicht könne nichts schaden. Ich hatte noch am gleichen Abend und am nächsten Vormittag Gelegenheit, meine wichtigsten Mitarbeiter kennenzulernen, mir von ihnen über den Stand ihrer Geschäfte berichten zu lassen und ihre Ansicht über die Lage zu hören. Alle, Militär und Zivil, stimmten darin überein, daß die Bolschewikiregierung von innen und außen schwer bedroht sei; daß es ihr an jeder Spur von gutem Willen fehle, aufrichtig mit Deutschland zusammenzugehen; daß sie zwar in der ernsten Lage, in der sie sich befinde, einen Bruch mit uns vermeiden, ja nach Möglichkeit sich unsere moralische und materielle Unterstützung sichern wolle, jedoch jede Deutschland zugutekommende Maßnahme unter dem Anschein und dem Versprechen des Entgegenkommens durch den zähesten passiven Widerstand vereitele; daß das offensichtliche Bestreben gewisser im Auswärtigen Amt einflußreicher Leute, mit der Bolschewikiregierung intim zusammenzuarbeiten und namentlich mit ihr die Zusatzverträge abzuschließen, das ganze nichtbolschewistische Rußland geradezu gegen Deutschland aufpeitsche, ohne uns den geringsten greifbaren Vorteil zu bringen; daß schließlich die deutsche Vertretung in Moskau, trotz verstärkter Bewachung durch ein Lettenkommando, nach wie vor ernstlich bedroht und ein gedeihliches Arbeiten nicht möglich sei. Die von Berlin in Aussicht genommene Entsendung von dreihundert Mann in Zivil wurde von den Militärs als ein gänzlich unzureichender Schutz bezeichnet. Mein erster Besuch galt dem Volkskommissar für das Auswärtige, Herrn Tschitscherin, der sein Quartier im Hotel Metropol am Theaterplatz aufgeschlagen hatte. Dem Drängen meiner Berater folgend, besuchte ich ihn unangesagt; auch benutzte ich nicht das Gesandtschaftsauto, sondern ein Dogcart. Nach wenigen Minuten verlor das Pferd ein Eisen. Ich ging mit Dr. Riezler, der mich begleitete, unerkannt und unbeobachtet zu Fuß durch die gefährliche Stadt, die kaum einen anderen Eindruck machte als später das revolutionäre Berlin. Herr Tschitscherin, in seinem Äußeren ein verhärmter und verschüchterter Gelehrter mit schwermütigen, traurigen Augen, sprach mir sofort von seinen Sorgen um Baku, das von den türkischen Truppen unmittelbar bedroht sei, und berief sich auf die Zusagen, die von unserer Regierung Herrn Joffe wegen des Schutzes von Baku gemacht worden seien. Ich bezweifelte auf Grund meiner Berliner Informationen, daß die Türken einen Schlag gegen Baku beabsichtigen könnten, und gab die Versicherung, daß die deutsche Regierung von den mit ihrem Bundesverhältnis zur Türkei verträglichen Mitteln Gebrauch machen werde, um die Türken zur Zurückhaltung zu veranlassen. Über die Zusatzverträge sagte Tschitscherin, daß er noch nicht im Besitz der in Berlin zwischen den beiderseitigen Delegationen vereinbarten Redaktion sei; daß nach deren Eingang die Verträge von dem Rat der Volkskommissare einer eingehenden Prüfung unterzogen werden müßten, bevor er Stellung nehmen könne. Warm wurde er, als er auf die inneren Verhältnisse zu sprechen kam. Die Industrieproletarier hätten die Revolution gemacht; aber sie seien in Rußland der Zahl nach eine geringe Minderheit. Deshalb hänge das Schicksal der Revolution vom Dorfe ab, das sich bisher indolent oder gar feindlich gezeigt habe. Sie seien jetzt dabei, die »Dorfarmen« gegen die »Dorfreichen« zu mobilisieren. Überall auf dem Dorfe würden jetzt Sowjets gebildet und in die Macht eingesetzt. Zu diesen Sowjets dürften natürlich nur die Besitzlosen wählen. Auf diese Weise werde es der Sowjetregierung gelingen, auch das Land in ihre Gewalt zu bekommen. In den folgenden Tagen suchte ich mir in intensivster Arbeit und in Besprechungen mit meinen Mitarbeitern wie mit anderen für mich erreichbaren landeskundigen Personen ein genaues Bild von der Lage und den sich aus ihr für die deutsche Politik eröffnenden Möglichkeiten zu machen. Das Bild, das sich für mich ergab, war folgendes: Sowjetrußland stand in einer schweren äußeren und inneren Krisis. Im Osten machten die Tschecho-Slowaken und die mit ihnen kooperierenden Sibirier bedrohliche Fortschritte. Sie bemächtigten sich der mittleren Wolga mit den wichtigen Städten Kasan, Simbirsk, Samara, Sysran und bedrohten Saratow. Gerade in der Zeit, in der ich in Moskau eintraf, kam von der Ostfront eine Hiobspost nach der anderen. Im Südosten waren die Kosaken unter Alexejew, Dutow, Denikin und Krasnow im Vordringen. Die Gefahr war groß, daß sie sich bei Zarizyn am Wolgaknie mit den Tschecho-Slowaken vereinigen und so das bolschewistische Rußland von der Verbindung mit dem Kaspischen Meer und Baku abschneiden könnten. Mit Baku selbst waren die Verbindungen unterbrochen. Genaues über das Schicksal der Stadt war nicht zu erfahren. Bald hieß es, die Armenier hätten sich der Herrschaft bemächtigt und die Engländer, die in Rescht, an dem persischen Südufer des Kaspischen Meeres standen, herbeigerufen, bald sollten die Türken unmittelbar vor Baku stehen oder gar Baku bereits genommen haben. Im Norden rückten Ententetruppen von der Murmanküste aus in Richtung Petrosawodsk und Petersburg vor. Anfang August besetzten die Engländer Archangelsk am Weißen Meer und setzten sich von dort in Marsch gegen Wologda. Die Rote Garde schlug sich fast überall schlecht. Aus Petersburg und Moskau wurden die Lettenregimenter abgezogen und als »Korsettstangen« zwischen den Rotgardisten eingesetzt. Unter den Letten selbst herrschte zunehmende Unzufriedenheit mit dem bolschewistischen Regiment, dessen stärkste und treueste Stütze sie bisher gewesen waren. Die Unzufriedenheit ging so weit, daß angesehene Lettenführer bei uns Fühlung suchten und sich bereit erklärten sich mit ihren Truppen zu unserer Verfügung zu stellen, wenn wir ihnen für später die Rückkehr in das von uns besetzte Lettland gestatteten und sie in ihren Grundbesitz wieder einsetzten. Wie ernst die Sowjetregierung selbst die Lage ansah, ergab sich mir aus Eröffnungen, die mir Herr Tschitscherin, unangesagt und direkt aus einer Beratung im Kreml kommend, am Abend des 1. August im Auftrag des Rates der Volkskommissare machte. Zunächst teilte er mir mit, daß angesichts des Vormarschs der Ententetruppen von Murmansk und der Landung der Engländer in Archangelsk seine Regierung kein Interesse mehr an ihrem in Berlin ausgesprochenen Wunsch habe, ein deutsch-finnisches Eingreifen in Karelien gegen die Murmanküste möchte aufgeschoben werden. Ein offenes militärisches Bündnis mit uns sei allerdings in Rücksicht auf die öffentliche Meinung unmöglich; möglich aber sei eine tatsächliche Parallelaktion. Seine Regierung beabsichtige, ihre Truppen um Wologda zu konzentrieren, um Moskau zu decken. Bedingung für eine Parallelaktion sei allerdings, daß wir Petersburg nicht besetzten; auch Petrosawodsk sei besser zu vermeiden. -- Tatsächlich bedeutete diese Eröffnung, daß die Sowjetregierung, um Moskau zu schützen, genötigt war, uns um die Deckung von Petersburg zu bitten. Das wurde bestätigt, als mir Tschitscherin am 5. August mitteilte, daß seine Regierung ihre Truppen auch von Petrosawodsk nach Wologda abziehen müsse, so daß der Weg von Murman nach Petersburg frei und ein schleuniges Eingreifen unsererseits erwünscht sei; daß ferner in Wologda der Kriegszustand erklärt sei und er mich bitten müsse, unsere Unterkommission für Kriegsgefangene von dort zurückzuziehen. Nicht minder Sorge machte ihm der Südosten. Seine Regierung habe sich entschlossen, auf der bisher von ihr mit allem Nachdruck verlangten Räumung von Rostow und Taganrog durch unsere Truppen nicht zu bestehen, sondern sich mit der von uns angebotenen freien Benutzung der Bahnlinien zu begnügen, vorausgesetzt, daß sie durch uns »von Krasnow und Alexejew befreit« würde. Beide Generale spielten unter einer Decke, obwohl Alexejew ententefreundlich sei und Krasnow sich den Anschein gebe, zu uns zu halten, und von uns Unterstützung annehme. Auf meine Fragen präzisierte er schließlich unser von ihm gewünschtes Eingreifen dahin: »Aktives Eingreifen gegen Alexejew, keine weitere Unterstützung an Krasnow.« Auch hier komme aus denselben Gründen wie im Norden kein offenes Bündnis, sondern nur eine tatsächliche Kooperation in Frage; diese aber sei notwendig. -- Mit diesem Schritt erbat also die Bolschewikiregierung die bewaffnete deutsche Intervention auf großrussischem Gebiet. Ein schlagender Beweis dafür, wie hoch ihr das Wasser stand. Nicht tröstlicher war die Lage für die Sowjetregierung im Innern. Die kommunistischen Experimente der Bolschewikiregierung hatten zu einer völligen Desorganisation und Lähmung des russischen Wirtschaftslebens geführt. Eine neue Ordnung zu schaffen war den Bolschewiki nicht gelungen. Ein großer Teil der industriellen Betriebe stand still. Die Weiterarbeitenden konnten sich nur mit Hilfe großer Zuschüsse des Staates halten. Auch die landwirtschaftliche Produktion war schwer beeinträchtigt. Außerdem machten die Bauern schon seit langer Zeit Schwierigkeiten, ihre Erzeugnisse gegen das entwertete Papiergeld abzugeben. Der Versuch der Einrichtung eines systematischen Austauschs von gewerblichen Erzeugnissen gegen landwirtschaftliche Produkte war gescheitert. Zwischen den hungernden Städten und dem Land, das seine keineswegs reichlichen Nahrungsmittel zurückhielt, bestand eine starke Spannung. Vielfach zog das Industrieproletariat nach dem Lande, um sich dort gewaltsam in den Besitz von Nahrungsmitteln zu setzen. Das Land setzte sich zur Wehr; an zahlreichen Stellen flammten Bauernunruhen auf. Die Bolschewisierung des Landes durch die Organisation der »Dorfarmen« hatte erst begonnen. Der alte Verwaltungsapparat war zerbrochen. Ein neuer war noch nicht aufgebaut. Die Macht der Moskauer Zentralregierung war eng begrenzt. Die lokalen Sowjets, die sich überall gebildet hatten, taten und ließen, was ihnen gefiel. In Moskau selbst stand die Bolschewikiherrschaft auf schwachen Füßen. Das Verhältnis der Bolschewiki zu den Linken Sozialrevolutionären war nach wie vor ungeklärt. Die Sowjetregierung wagte augenscheinlich nicht, gegen diese Gruppe vorzugehen. In der Verfolgung der an dem Attentat gegen den Grafen Mirbach beteiligten Personen dieses Kreises blieb sie trotz meines Drängens untätig. In Deutschland wurde allerdings aus den Kreisen des Herrn Joffe verbreitet, die Sowjetregierung habe auf Verlangen Deutschlands Kamkow und Frau Spiridonowa, die öffentlich zu dem Attentat aufgefordert hatten, verhaften und erschießen lassen. Graf Harry Keßler, der mit Herrn Joffe intime Beziehungen unterhielt, hatte mich noch am Abend vor meiner Abreise in Berlin besucht und mir diese angebliche Tatsache als Beweis des guten Willens der Sowjetregierung vorgeführt. Als aber deutsche Zeitungen diese Nachricht brachten, ließ das Volkskommissariat für das Auswärtige in der russischen Presse eine Note veröffentlichen, diese Nachricht sei selbstverständlich erfunden, die deutschen Zeitungen weigerten sich aber, unter dem Druck der deutschen Zensur, ein Dementi zu bringen. Ich teilte diese Note nach Berlin mit und bat um Aufklärung. Das Auswärtige Amt antwortete, daß keine deutsche Stelle ein solches Dementi verhindert habe. Als ich nun Herrn Radek auf diese merkwürdige Sache stellte, bekannte er sich als Verfasser der Note; auf eine Verhinderung des Dementis durch die deutsche Zensur habe er daraus geschlossen, daß auf den nach Berlin gerichteten Auftrag, die Nachricht von der Erschießung des Kamkow und der Spiridonowa zu dementieren, die Antwort gekommen sei, dem Dementi ständen »unüberwindliche Hindernisse« entgegen. Nach meiner Rückkehr nach Berlin habe ich von deutschen Journalisten erfahren, daß Herr Joffe selbst ersucht habe, die Nachricht nicht zu dementieren, und daß auch von einer Stelle des Auswärtigen Amtes ein Dementi als unerwünscht bezeichnet worden war! Man wollte bei uns im Interesse des Zustandekommens der Zusatzverträge augenscheinlich die durch die Nichtverfolgung der Attentäter gegen die Bolschewikiregierung erregte öffentliche Meinung beschwichtigen. Erst auf mein Eingreifen hat das Wolffsche Telegraphenbureau ein Dementi veröffentlicht. Die Sowjetregierung nahm aber nicht nur Abstand von jedem ernsthaften Schritt gegen die in das Attentat verwickelten Linken Sozialrevolutionäre, sondern sie nahm auch in den ersten Tagen meines Moskauer Aufenthalts die Mitglieder dieser Gruppe, die sie unmittelbar nach dem Attentat und dem Putsch aus der »Außerordentlichen Kommission« und anderen wichtigen Körperschaften entfernt hatte, wieder in Gnaden auf. Dagegen übte sie gegen alle weiter rechts stehenden Parteien und Gruppen eine wahre Schreckensherrschaft aus. An Zeitungen wurden nur bolschewistische und links-sozialrevolutionäre Organe geduldet; alle anderen wurden schonungslos unterdrückt. Jede Art von Versammlungen, die nicht von Bolschewisten oder Linken Sozialrevolutionären veranstaltet wurden, waren verboten. Die »Außerordentliche Kommission zur Bekämpfung der Gegenrevolution«, deren Befugnisse über Leib und Leben unbeschränkt waren, wütete gegen alles, was nicht zur Partei der Bolschewisten und der Linken Sozialrevolutionäre gehörte, in einer geradezu entsetzlichen Weise. In der Provinz waren es die lokalen »Sowjets«, die den Terror ausübten. Die Mitte Juli erfolgte Hinrichtung des Zaren durch den Sowjet von Jekaterinburg, die von dem Zentralexekutivkomitee in Moskau nachträglich gebilligt wurde, war nur ein durch die Person des Betroffenen Aufsehen erregender Einzelfall. Trotzdem, oder vielleicht gerade infolge dieses unerträglichen Terrors, machten die gemäßigteren Elemente einen letzten Versuch, sich zusammenzuschließen. Es hatte damals den Anschein, als ob es einer Koalition der bürgerlichen Parteien bei der zweifelhaften Haltung der bolschewistischen Kerntruppen, der tiefgehenden Erbitterung der hungernden Arbeiter in den Städten und der von gewaltsamen Requisitionen bedrohten Bauernschaft gelingen könnte, die zersprengten Ordnungselemente um sich zu sammeln. Die Sowjetregierung selbst war ernstlich in Sorge. Sie traf in den ersten Augusttagen umfassende Vorkehrungen gegen eine gegenrevolutionäre Erhebung. Die oberen Stockwerke in den Quartieren um den Kreml, in dem Lenin und der Rat der Volkskommissare ihren Sitz hatten, wurden größtenteils geräumt und mit Maschinengewehren zur Verteidigung eingerichtet. Die Razzias nach gegenrevolutionären Elementen, vor allem nach Offizieren, wurden Tag und Nacht mit verdoppeltem Eifer betrieben. Schließlich wurde für den 7. August eine Registration der sämtlichen Offiziere angeordnet; bei dieser Gelegenheit wurden Tausende der sich Meldenden in Haft genommen. Wie viele von diesen erschossen worden sind, wird man wohl niemals erfahren. Die Sowjetregierung hatte allen Grund, ihre Lage für gefährdet zu halten; denn ihre eigenen Machtmittel in Moskau waren in jenen Tagen schwach und die Bevölkerung war gleichgültig oder schwankend. Um den äußeren Feind abzuwehren, hatte die Regierung die Lettenregimenter fast restlos zu den Fronten schicken müssen; auch meine Lettenwache, deren Belassung mir ausdrücklich zugesagt worden war, wurde vorübergehend abgezogen und durch ziemlich übel aussehende Rotgardisten ersetzt. Die Bevölkerung litt auf das schwerste unter dem Mangel an Lebensmitteln. Es herrschte in Moskau die nackte Hungersnot. Was an Nahrungsmitteln überhaupt hereinkam, wurde großenteils von der Roten Garde für sich in Anspruch genommen. Brot gab es überhaupt nicht mehr. Das Brot für das Personal der deutschen Vertretung mußten wir uns durch den Kurier aus Kowno bringen lassen. Die stärkste Stütze der Bolschewikiregierung in jener kritischen Zeit war, wenn auch unbewußt und unbeabsichtigt -- die deutsche Regierung. Schon die Tatsache, daß die deutsche Regierung mit den Bolschewisten den Frieden abgeschlossen und die diplomatischen Beziehungen aufgenommen hatte, war in den nichtbolschewistischen Kreisen Rußlands als eine moralische Unterstützung des bolschewistischen Regiments aufgefaßt worden. Das offenkundige Bestreben der Berliner Politik, in Großrußland mit den Bolschewisten loyal zusammenzuarbeiten, die Leichtigkeit, mit der die Herren, die in Berlin mit Herrn Joffe verhandelten, sich mit der Schädigung und Vernichtung deutschen Eigentums und deutscher Betriebe durch die kommunistischen Maßnahmen der Bolschewisten abfanden, die Leichtfertigkeit, mit der gewisse deutsche Publizisten den Gedanken propagierten, Deutschland müsse durch Förderung des Bolschewismus das Russische Reich endgültig zertrümmern und ohnmächtig machen, das alles erzeugte und verstärkte in Rußland den an sich unzutreffenden Eindruck, daß Deutschland entschlossen sei, das bolschewistische Regime in Großrußland zum Zwecke der endgültigen Zerstörung der russischen Kraft aufrechtzuerhalten. Man hielt in den russischen Kreisen diese Politik im eigensten Interesse Deutschlands für verkehrt; denn man sah als ihre Folge an, daß der Bolschewismus schließlich gegen uns selbst schlagen werde -- eine Warnung, die ich während meines kurzen Aufenthalts in Moskau wiederholt und eindringlich von russischer Seite gehört habe --; aber man rechnete mit unserer Unterstützung des bolschewistischen Regimes als mit einer Tatsache, die schwer auf jeden Gedanken einer eigenen Erhebung drückte. Die Ermordung des Grafen Mirbach und die daraufhin von dem deutschen Geschäftsträger unternommenen Schritte erweckten die Hoffnung auf ein Umschwenken der deutschen Politik. Die antibolschewistischen, und zwar nicht nur die reaktionären Elemente suchten Anlehnung und Ermutigung bei uns. Herr Miljukow, der früher zu den schärfsten Gegnern Deutschlands gehört und noch als Minister des Auswärtigen in der revolutionären Regierung des Fürsten Lwoff in der entschiedensten Weise Stellung gegen jede Verständigung mit Deutschland genommen hatte, sprach sich jetzt öffentlich für ein Zusammengehen mit Deutschland aus. Die Enttäuschung war groß, als die Berliner Regierung die Forderung auf Zulassung eines kriegsstarken deutschen Bataillons fallen ließ und sich mit dem laxen Vorgehen gegen die Mörder des Grafen Mirbach zufriedengab. Sie wurde noch größer, als in Rußland Einzelheiten über die Berliner Verhandlungen zwischen dem Auswärtigen Amt und Herrn Joffe bekannt wurden. In der geplanten Abtrennung Estlands und Livlands vom russischen Reichskörper sah man eine Bestätigung dafür, daß Deutschland zur Ausführung seines Vernichtungswillens gegen Rußland sich mit den Bolschewisten verbündet habe. Die gleiche Bestätigung sah man in den wirtschaftlichen und finanziellen Vereinbarungen, die der Bolschewikiregierung, auch soweit deutsches Eigentum und deutsche Rechte in Betracht kamen, gegen eine Pauschalvergütung freie Hand für die Durchführung ihrer ruinösen Enteignungs- und Sozialisierungsideen gaben. Dieser Anschein mußte um so mehr erweckt werden, als seit meiner Abreise von Berlin Herr Joffe durchgesetzt hatte, daß die uns zu gewährende Pauschalsumme auch die Entschädigung für diejenigen Enteignungen enthalten sollte, die durch ein nach Beginn der Verhandlungen rasch noch erlassenes Gesetz vom 28. Juni 1918 zwar generell angeordnet, aber im einzelnen noch nicht durchgeführt waren. Das Zugeständnis, das der Sowjetregierung gestattete, mit der Enteignung deutschen Besitzes =à discretion= zu schalten, war gegen meine ausdrückliche, schon in Berlin ausgesprochene und von Moskau aus telegraphisch wiederholte Warnung vor einer solchen Pauschalierung =pro futuro= gemacht worden. Es wurde in Rußland geradezu als eine Ermunterung der Enteignungs- und Sozialisierungspolitik der Bolschewisten aufgefaßt. Darüber habe ich in Moskau nur eine Stimme gehört, daß der Abschluß der Zusatzverträge auf der in Berlin in Aussicht genommenen Grundlage uns das ganze nichtbolschewistische Rußland für absehbare Zeit zum bittersten Feinde machen müsse. Hatten wir mit dem nichtbolschewistischen Rußland ernsthaft zu rechnen, oder konnten wir es für unsere Politik als =quantité négligeable= behandeln? Die Bolschewikiherrschaft stand gerade damals sichtbarlich auf zu schwachen Füßen, als daß die Möglichkeit eines Umschwungs, auch eines nahen Umschwungs, als nicht vorhanden betrachtet werden durfte. Auch heute noch, nachdem gegen alles Erwarten und auch gegen meine damals gewonnene Ansicht die Lenin und Trotzki -- nicht zuletzt dank der von den maßgebenden Personen in Berlin verfolgten Politik! -- sich an der Herrschaft gehalten haben, kann ich eine Politik nicht für richtig halten, die Rußland und den Bolschewismus identifizierte und das im Augenblick unterdrückte nicht bolschewistische Rußland glaubte ignorieren zu können. Kam aber der Umschwung, ohne daß wir vorher das Tischtuch zwischen uns und den Bolschewiki zerschnitten hatten, dann kam er gegen uns, und zwar unter unmittelbarer Führung der Entente, die offensichtlich auf eine solche Entwicklung hinarbeitete, um uns vor eine neue Ostfront zu stellen. Die Meinung von der schwer gefährdeten Stellung der Bolschewikiherrschaft erfuhr für mich eine Bestätigung in dem Ersuchen Tschitscherins um unsere bewaffnete Hilfe. Nur wenn die Sowjetregierung selbst zu der Ansicht gekommen war, daß sie ohne unsere Hilfe verloren sei, konnte sie sich zu einem solchen Schritt entschlossen haben. Sollten wir ihr diese Hilfe leihen, nicht nur gegen die Entente im Norden, sondern auch gegen die Kosaken im Südosten, und uns damit auf Gedeih und Verderb mit den Bolschewiki verbinden? Oder sollten wir sie fallen lassen und den Anschluß, der von dem nichtbolschewistischen Rußland bei uns gesucht wurde, gewähren? Die weit überwiegenden Gründe schienen mir für die letztere Alternative zu sprechen. Wir mußten endlich aus der Zwiespältigkeit heraus, daß wir in den von uns besetzten baltischen Gebieten, in Finnland, in der Ukraine, im Dongebiet und im Kaukasus die Bolschewiki bekämpften und in Großrußland gemeinschaftliche Sache mit ihnen machten. Wir durften unser Verhältnis zu dem künftigen Rußland nicht durch ein Kleben an den Bolschewiki aufs Spiel setzen. Nur wenn es gelang, in Großrußland selbst die Bolschewikiherrschaft zu überwinden, konnten wir auf ruhigere Verhältnisse im Osten und auf das Freiwerden eines großen Teiles der dort verzettelten Divisionen rechnen. Nur wenn an die Stelle des Bolschewikiregiments eine neue Ordnung der Dinge trat, die das von den Bolschewiki in Grund und Boden ruinierte russische Wirtschaftsleben wieder aufrichtete und uns die von den Bolschewiki fortgesetzt sabotierte Möglichkeit der Anknüpfung von Handelsbeziehungen gab, konnten wir hoffen, aus den russischen Hilfsquellen und Vorräten Erleichterungen für unsere Wirtschaft und unsere Kriegführung zu gewinnen. Bisher war alle Arbeit der zahlreichen wirtschaftlichen Sachverständigen, die unserer Vertretung in Moskau zugeteilt waren, ebenso alle Bemühungen der Kaufleute, die wir herangeholt oder zugelassen hatten, in allen den Monaten seit dem Abschluß des Brester Friedens gänzlich fruchtlos gewesen. Nicht eine einzige Sendung von Nahrungsmitteln, Rohstoffen oder sonstigen Waren irgendwelcher Art war für Deutschland frei zu bekommen. Die ganze Tätigkeit unseres großen Wirtschaftsstabes war nichts als ein Leeres-Stroh-Dreschen. Niemand sah eine Aussicht, daß sich unter der Herrschaft der Bolschewiki hieran etwas ändern würde. Dazu kam schließlich, daß die Bolschewiki nach wie vor mit einer kaum zu übertreffenden Offenheit ihre Absicht verkündigten -- auch mir persönlich gegenüber --, Deutschland mit allen Mitteln zu revolutionieren, und daß wir nach den bisherigen Proben, die Lenin, Trotzki, Radek und Konsorten an Zielbewußtsein und Tatkraft abgelegt hatten, in keiner Weise berechtigt waren, diese Ankündigungen in den Wind zu schlagen. Freilich, wenn wir von den Bolschewiki abrücken und nicht ins Leere fallen wollten, dann mußten wir uns rechtzeitig mit den Elementen verständigen, die für den Aufbau der neuen Ordnung in Betracht kamen. Voraussetzung dafür war allerdings -- das trat uns überall entgegen --, daß wir nicht nur diejenigen Teile der Zusatzverträge fallen ließen, die eine weitere territoriale Verstümmelung Rußlands bedeuteten und als eine wirtschaftliche Ausplünderung und Sabotierung Rußlands aufgefaßt wurden, sondern daß wir darüber hinaus unsere grundsätzliche Bereitwilligkeit aussprachen, über einzelne Bestimmungen des Friedens von Brest-Litowsk mit uns reden zu lassen. Vor allem wurde die Loslösung von Estland und Livland sowie die Aufrechterhaltung der Trennung der Ukraine von Großrußland als unmöglich, dagegen eine Verständigung über Polen, Litauen und Kurland als möglich bezeichnet. Im übrigen war man der Ansicht, daß bei der akuten Zuspitzung der Lage ein deutliches Abrücken unsererseits von den Bolschewiki genügen werde, um die Bewegung in Fluß zu bringen; gegebenenfalls würde eine militärische Demonstration unserer Streitkräfte in der von den Bolschewikitruppen fast gänzlich geräumten Gegend von Petersburg genügen, um den Sturz der Bolschewiki zu besiegeln. Ich berichtete über meine Eindrücke und meine Auffassung an das Auswärtige Amt und bat um die Ermächtigung, mit den Letten, Sibiriern und den Anschluß an uns suchenden politischen Gruppen auf Grund der von diesen als notwendig angedeuteten Zugeständnissen Verhandlungen zu führen und der Sowjetregierung zu dem mir als richtig erscheinenden Zeitpunkt die Verlegung der deutschen Vertretung nach Petersburg oder einem anderen nahe an der Grenze gelegenen Platz anzukündigen. Ich hielt es für notwendig, die Ermächtigung für die Verlegung unserer Vertretung von Moskau in diesem Zusammenhang noch einmal ausdrücklich zu erbitten, obwohl mir der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes vor meiner Abreise von Berlin in diesem Punkt freie Hand gegeben hatte. Denn damals wurde in der Besprechung zwischen dem Staatssekretär und mir die Frage der Wegverlegung nur vom Standpunkt der persönlichen Sicherheit des Personals der Mission betrachtet, während nunmehr der politische Zweck eines solchen Schrittes -- das demonstrative Abrücken von den Bolschewiki --, der bei den Anträgen der Moskauer Mission in Berlin bisher überhört worden war, wieder in den Vordergrund rückte. Das Auswärtige Amt erteilte mir die nachgesuchte Ermächtigung zu den von mir empfohlenen Verhandlungen nicht, machte vielmehr das rasche Zustandekommen der Zusatzverträge zum Angelpunkt seiner Politik; ferner wiederholte es das Anheimstellen, Moskau mit dem Personal der Vertretung zu verlassen, wenn mir das aus Sicherheitsgründen angezeigt erscheine. Ich antwortete, daß nach meiner Ansicht die Zusatzverträge mitsamt dem Brester Friedensvertrag bei der Fortsetzung der von Berlin befohlenen Politik Makulatur werden würden; ein Verlassen Moskaus durch mich und das engere Personal der Mission werde, auch wenn mit Sicherheitsgründen motiviert, als Abrücken von den Bolschewiki wirken; nur aus persönlichen Sicherheitsgründen würde ich deshalb Moskau nicht verlassen. Auch gegenüber meinen erneuten Vorstellungen beharrte das Auswärtige Amt auf seinem Standpunkt; in der Frage des Wegganges von Moskau erteilte es mir jedoch jetzt die formelle Weisung, im Falle der Lebensgefahr für mich oder das Personal der Mission Moskau zu verlassen und einen gesicherteren Ort aufzusuchen. Schließlich erhielt ich am 5. August die telegraphische Weisung, alsbald zur mündlichen Berichterstattung nach Berlin zu kommen und die Geschäfte an Dr. Riezler zu übertragen, für den hinsichtlich des weiteren Verbleibens oder des Verlassens von Moskau die in dem obenerwähnten Telegramm erteilte Weisung in Kraft bleibe. Durch meine Berufung nach Berlin war die Frage meiner persönlichen Sicherheit ausgeschaltet. Es blieb mir aber die mir durch das Auswärtige Amt ausdrücklich auferlegte Verantwortung für die Sicherheit meines umfangreichen Personals. Bisher hätte man mir bei einer Wegverlegung der Mission von Moskau den Vorwurf machen können, daß ich mich bei einem Entschluß von politischer Tragweite durch Gründe meiner persönlichen Sicherheit hätte beeinflussen lassen. Allein schon dieser Gedanke hatte mich bestimmt, dem Drängen meiner Mitarbeiter, sowohl der Offiziere wie auch der Zivilbeamten, ebenso den gutgemeinten Ratschlägen anderer Personen, wie meines mit den Moskauer Verhältnissen gut vertrauten bulgarischen Kollegen Tschapratschikoff, zu widerstehen, obwohl die Dinge, wie sich aus folgender Tagesübersicht ergibt, sich stark zugespitzt hatten. Am Montag, 29. Juli, dem Tag nach meiner Ankunft in Moskau, beschloß das Zentralkomitee der Linken Sozialrevolutionäre in öffentlicher Versammlung eine Resolution, die die Ermordung des Grafen Mirbach billigte und zur Nachahmung aufforderte; die Resolution wurde am folgenden Tage in dem Moskauer Organ der Linken Sozialrevolutionäre, der »Znamja Borby«, veröffentlicht. Am Mittwoch, 31. Juli, erhielt ich am frühen Morgen die Nachricht von der Ermordung des Generalfeldmarschalls von Eichhorn in Kiew mit dem Zusatz, daß der unmittelbar nach der Tat festgenommene Mörder angebe, von dem Moskauer Komitee der Linken Sozialrevolutionäre zu der Tat bestimmt worden zu sein. Ich besuchte am Mittwoch nachmittag Herrn Tschitscherin, um ihn auf den unerhörten Beschluß der Linken Sozialrevolutionäre aufmerksam zu machen sowie um ihm von der Aussage des Mörders Eichhorns Kenntnis zu geben und ihm die notwendigen Konsequenzen anheimzustellen. Herr Tschitscherin sprach zunächst formell sein Bedauern über den Tod des Generalfeldmarschalls aus. Im übrigen hatte er nur ein Achselzucken: Rußland sei ein revolutionärer Staat mit Preß- und Versammlungsfreiheit; er habe keine Mittel, um gegen Resolutionen der Linken Sozialrevolutionäre einzuschreiten. Er konnte sich dabei nicht die Bemerkung versagen, es habe dem Generalfeldmarschall von Eichhorn nichts genützt, daß in Kiew eine große deutsche Garnison stehe; ich könne daraus entnehmen, was das von uns ursprünglich verlangte Bataillon für Moskau bedeute. Am Vormittag des gleichen Tages hatte ich meinen türkischen Kollegen Ghalib Kemal Bey besucht und ihm zugesagt, daß ich den Abend bei ihm in einem kleineren Kreise verbringen werde. Wir hatten auf seinen Vorschlag verabredet, die Tatsache, daß ich zu ihm kommen würde, geheimzuhalten. Kurz vor der verabredeten Zeit erhielt ich von einer russischen Seite die Mitteilung, es sei bekannt, daß ich zur türkischen Gesandtschaft fahren wolle; unterwegs werde ein Anschlag auf mich verübt werden. Die Herren meiner Umgebung baten mich dringend, die Warnung ernst zu nehmen. Ich fügte mich widerstrebend und blieb zu Hause. Gleich nach elf Uhr knallten Gewehrschüsse und wurde Alarm geschlagen. Es war ein Überfall auf den Lettenposten am Garteneingang unseres Gebäudes versucht worden. Etwa eine Stunde später wurde aus der gleichen Ursache nochmals alarmiert. In den nächsten Tagen häuften sich die Mitteilungen, daß ein Anschlag auf mich persönlich und auf das Gebäude der deutschen Vertretung geplant sei. Die Sowjetregierung verstärkte nicht nur ihre Wachen -- allerdings durch zweifelhafte Rotgardisten, da die Lettenregimenter nach der Front abgezogen wurden --, sondern entzog mir auch mit peinlicher Sorgfalt jede Veranlassung, dienstlich meinen Bau zu verlassen. Herr Tschitscherin besuchte mich, sooft ein Anlaß zu einer Besprechung vorlag, statt -- wie es der Übung entspricht -- meinen Besuch zu erwarten oder zu erbitten. Als ich ihm vorstellte, daß mir dies nicht konveniere, entgegnete er: »Ich denke, Sie sind gewarnt worden.« Die Überreichung meines Beglaubigungsschreibens an den Vorsitzenden des Vollzugsausschusses der Sowjets, Swerdloff, sollte nach der bei meinem ersten Besuch getroffenen Verabredung im Kreml in Gegenwart der sämtlichen Volksbeauftragten stattfinden. Die Zeremonie wurde schließlich auf Montag, 5. August, verschoben; im letzten Augenblick jedoch ließ mich Herr Tschitscherin bitten, mich mit der Überreichung noch weiter zu gedulden. Die Sowjetregierung getraue sich nicht, die Verantwortung zu übernehmen, daß ich von meiner Wohnung nach dem Kreml führe! Die Lage fing an, unwürdig und unmöglich zu werden. Sie wurde verschärft dadurch, daß die »Znamja Borby« ungehindert die Ermordung des Feldmarschalls von Eichhorn in fetten Lettern als eine Großtat der Moskauer Linken Sozialrevolutionäre feiern konnte. Ich remonstrierte bei Herrn Tschitscherin gegen diesen Zustand auf das nachdrücklichste. Ich tat dies auf meine eigene Initiative und Verantwortung; denn von Berlin erhielt ich trotz meiner Berichte keinerlei Auftrag, wegen der auf Moskau zurückweisenden Bluttat und ihrer offenen Glorifikation irgendwelche Schritte zu unternehmen. Die Ermordung eines österreichischen Erzherzogs hatte die Veranlassung zu dem Krieg gegeben. Der Ermordung eines deutschen Feldmarschalls durften sich jetzt die Täter ungestraft rühmen! Wenn ich jetzt nach Berlin berufen wurde, so vermochte ich nicht den von allen meinen Beratern als notwendig erachteten Entschluß der Verlegung unserer diplomatischen Vertretung meinem Vertreter zu überlassen. Ich wäre mir vor mir selbst als Feigling erschienen, wenn ich die Verantwortung für diesen Entschluß nicht auf mich selbst genommen hätte, gerade weil für mich persönlich jetzt mit meiner Abreise das Moment der persönlichen Sicherheit wegfiel. Ich habe später in Berlin mit einigem Erstaunen den Vorwurf gehört: »Nachdem Sie nach Berlin gerufen waren, hätten Sie die Sache doch ruhig in Schwebe lassen können.« Ich habe darauf geantwortet, daß ich nicht gewohnt sei, nach dem Vers zu handeln: »Wär' ich mit guter Art davon, könnt' Euch der Teufel holen.« Ich betrachtete es allerdings nicht nur als meine Pflicht, entsprechend der mir vom Auswärtigen Amt ausdrücklich erteilten Weisung für die Sicherheit meines Personals zu sorgen, sondern es kam mir auch darauf an, unserer Regierung für alle etwa von ihr zu fassenden Entschlüsse dadurch freie Hand zu schaffen, daß ich die zahlreichen bei unserer Vertretung beschäftigten Personen aus der Moskauer Mausefalle, in der sie einfach Geiseln der Bolschewiki waren und aus der es im Ernstfall kein Entrinnen gab, rechtzeitig entfernte. Dagegen lag mir der mir später vielfach zugeschriebene Gedanke fern, einen »Staatsstreich« zu machen und den Entschlüssen meiner Regierung durch die Schaffung der vollendeten Tatsache eines Bruches mit der Sowjetregierung vorzugreifen. Ich einigte mich deshalb mit Herrn Tschitscherin in aller Güte über die Verlegung der Mission nach Petersburg, die ich mit der offenkundigen Unhaltbarkeit der Situation des deutschen Vertreters in Moskau begründete; auch wies ich auf die Tatsache hin, daß die sämtlichen Botschafter und Gesandten der neutralen Mächte nach wie vor ihren Sitz in Petersburg hätten. Ich verständigte mich ferner mit ihm über die zur Erleichterung des Geschäftsverkehrs zwischen Petersburg und Moskau zu treffenden Maßnahmen und Einrichtungen. Herr Tschitscherin nahm meine Eröffnung ohne Überraschung auf und äußerte nur einigen Zweifel, ob die Sicherheitsverhältnisse in Petersburg besser seien als in Moskau. Darin mag er recht gehabt haben, soweit die Attentatsgefahr für einen Einzelnen in Betracht kam; dagegen war für die Gesamtheit des Personals die unmittelbare Nähe unserer Grenzposten an der auf eine Autostunde an Petersburg heranreichenden finnischen und estländischen Grenze gegenüber der sechshundert Kilometer langen Entfernung, die Moskau von der deutschen Militärgrenze trennte, eine entschiedene Erleichterung. Ich reiste am Abend des 6. August von Moskau mit dem Kurierzug ab. Es war mir ein besonderer Wagen zur Verfügung gestellt und ein Kommando von Rotgardisten beigegeben worden. Die Reise verlief nicht ganz programmgemäß. Am Nachmittag des 7. August hatte der Zug in Jarzewo, der Station vor Smolensk, einen langen Aufenthalt. Plötzlich machten sich Eisenbahnarbeiter daran, meinen Wagen, den Wagen der Bedeckungsmannschaft und den Kurierwagen, die als letzte dem langen Zug angehängt waren, abzukoppeln. Auf meine Anfrage erhielt ich vom Stationsvorstand die Antwort, es sei aus Smolensk der Befehl gekommen, diese Wagen zurückzuhalten. Als ich über die Gründe keine Auskunft erhielt, erhob ich Einspruch. Der Kommandant meiner Wache stellte sich auf meine Seite und erklärte, er werde das Abkoppeln der Wagen mit Gewalt verhindern. Nach längerem Parlamentieren und einer telegraphischen Anfrage in Moskau erhielt der Stationsvorstand ein Telegramm des Volkskommissars für Eisenbahnen, die Wagen seien abzukoppeln und nach Wiasma zurückzubringen; dort würden sie weitere Befehle zu erwarten haben. Ich bestand nun darauf, durch den Bahntelegraphen mit dem Volkskommissar für das Auswärtige in Verbindung gesetzt zu werden. Nach längerem Warten erschien der Stellvertreter Tschitscherins, Herr Karachan, am Telegraphen und teilte mir mit: der Befehl zur Zurückführung der Wagen sei im Einverständnis mit dem deutschen Geschäftsträger erteilt worden, da in Orscha, der Grenzstation, Militärunruhen ausgebrochen seien, die eine Weiterfahrt gefährlich erscheinen ließen; in Wiasma werde mich Radek erwarten, mit dem ich das Weitere besprechen könne. In der Tat hatte die russische Garnison von Orscha, die Befehl zum Abmarsch nach der Tschecho-Slowaken-Front erhalten hatte, gemeutert, die bolschewistischen Behörden teils erschossen, teils verjagt, eine sozialrevolutionäre Republik erklärt und den deutschen Grenztruppen mitgeteilt, sie betrachte sich als mit Deutschland im Kriegszustand befindlich. Die Sowjetregierung sandte sofort Truppen aus Smolensk und Witebsk, um die Ordnung wiederherzustellen. Über die weitere Entwicklung der Dinge lagen angeblich Nachrichten noch nicht vor. Ich verlangte von Herrn Radek, gleichwohl nach Orscha gebracht zu werden. Bei unserer Ankunft hatten sich die meuternden Truppen aus der Stadt zurückgezogen und auf einer benachbarten Höhe eingegraben. Auf der deutschen Seite hatte man sich über mein Verbleiben beunruhigt und bereits Vorkehrungen getroffen, um mich nötigenfalls herauszuhauen. Als ich am Morgen des 10. August in Berlin eintraf, erfuhr ich zu meinem nicht geringen Erstaunen, daß der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, ohne meine Ankunft abzuwarten, die Weiterverlegung unserer Vertretung von Petersburg nach dem hinter der deutschen Militärgrenze liegenden und von unseren Truppen besetzten Pleskau angeordnet hatte, da nach seiner Ansicht auch Petersburg keine Gewähr für größere Sicherheit als Moskau biete. Auf meine Meldung ließ mir der Staatssekretär sagen, daß er mich, da er unwohl sei, erst am nächsten Nachmittag um fünf Uhr empfangen könne. Im Amt erfuhr ich, daß der Staatssekretär beabsichtigte, am nächsten Abend nach Spa zum Vortrag beim Kaiser und Reichskanzler zu reisen. Ich teilte daraufhin dem Staatssekretär mit, daß ich mich gleichfalls nach Spa begeben würde. Ich erfuhr ferner, daß die Zusatzverträge fertiggestellt seien und daß Herr Kriege beabsichtige, sie im Laufe des Nachmittags mit Herrn Joffe zu paraphieren. Der Weggang der deutschen Vertretung von Moskau hatte offenbar die russische Delegation stark beunruhigt und sie bestimmt, alles zu tun, um durch das sofortige Zustandekommen der Zusatzverträge den anscheinend wankenden Rückhalt bei der deutschen Regierung neu zu befestigen. Herr Joffe übernahm es, alsbald nach der Paraphierung mit den Verträgen nach Moskau zu reisen, um dort ihre sofortige und unveränderte Annahme durchzusetzen. Auch der Sowjetregierung in Moskau, die ursprünglich den Weggang der deutschen Vertretung von Moskau ruhig aufgenommen hatte, kamen die ernstlichsten Sorgen wegen der Aufrechterhaltung der damals für sie unentbehrlichen Rückendeckung durch die deutsche Politik. Sie entschloß sich, Herrn Radek in besonderer Mission nach Berlin zu entsenden, um jedes etwa mögliche Mißverständnis zu beseitigen. Nachdem jedoch Herr Radek auf der Fahrt nach Berlin in Orscha mit Herrn Joffe zusammengetroffen war, der mit den paraphierten Zusatzverträgen in der Tasche seine Besorgnisse ohne weiteres zerstreuen konnte, brauchte sich Herr Radek nicht weiter zu bemühen und konnte mit Herrn Joffe nach Moskau zurückreisen. Mein Einspruch gegen die Paraphierung, ehe ich Gelegenheit gehabt hätte, meinen Standpunkt zu vertreten, war vergeblich gewesen. Die Verträge waren in der Tat am Abend des 10. August paraphiert worden. Meine Unterhaltung mit Herrn von Hintze am nächsten Nachmittag war gleichfalls ergebnislos. Der Staatssekretär blieb auf seinem Standpunkt, daß die Zusatzverträge unter allen Umständen zustandekommen und daß wir uns mit den Bolschewiki verhalten müßten. Dieses »Verhalten mit den Bolschewiki« ging so weit, daß das Auswärtige Amt Berichte deutscher Korrespondenten über die Zustände in Rußland und über das wahre Gesicht des Bolschewismus unterdrückte. Ebensowenig gelang es mir, im Großen Hauptquartier meinen Standpunkt durchzusetzen, obwohl der General Ludendorff erklärte, er nehme an dem Zustandekommen der Zusatzverträge und insbesondere auch an der Abtrennung Estlands und Livlands nach der Entwicklung der Gesamtlage kein Interesse mehr. Der Kanzler behielt sich formell seine Entscheidung vor bis zu seiner für den 26. August in Aussicht genommenen Rückkehr nach Berlin. Ich ließ keinen Zweifel daran, daß ich bei der -- kaum mehr zweifelhaften -- Entscheidung gegen mich meinen Abschied nehmen würde. Den Kaiser bat ich, eine schriftliche Darlegung meiner Gesichtspunkte geben zu dürfen. Ich sandte diese Denkschrift am 20. August an den Kanzler mit der Bitte um Weitergabe an Seine Majestät, habe aber Grund zu der Annahme, daß die Denkschrift dem Kaiser niemals vorgelegt worden ist. Der Kanzler kam erst am 29. August nach Berlin zurück. Am Tage vorher waren die am 10. August paraphierten Verträge unterschrieben worden. Ich übergab dem Kanzler am 30. August mein eingehend begründetes Abschiedsgesuch. In diesem hob ich noch einmal die Gefahren hervor, die ich in wichtigen Punkten der entgegen meinem dringenden Abraten unterzeichneten Zusatzverträge für die Gestaltung unseres künftigen Verhältnisses zu Rußland und für unser eigenes Bündnissystem erblicken müsse. Ich begründete ferner die Unmöglichkeit eines gedeihlichen, uns tatsächliche Entlastung und Erleichterung verschaffenden Zusammengehens mit der Bolschewikiherrschaft und fügte hinzu: »Ich sehe die Rückschläge kommen, nicht nur in außenpolitischer Beziehung, sondern auch innerpolitisch. Die systematisch- schönfärberischen Darstellungen des in seinen Ausschreitungen kaum von den Jakobinern übertroffenen Bolschewistenregimes in der deutschen Presse, die ostensible Behandlung dieses Regimes auf gleichem Fuße, die Solidarisierung oder mindestens der Anschein der Solidarisierung mit diesem Regime bis zur Duldung der laxen Verfolgung, richtiger Nichtverfolgung der an der Ermordung des Grafen Mirbach und des Feldmarschalls von Eichhorn beteiligten Personen und Gruppen, -- das alles kann auf die deutsche Volksseele und unsere eigenen innerpolitischen Verhältnisse nicht ohne gefährlichen Einfluß bleiben.« Die Genehmigung meines am 30. August eingereichten Entlassungsgesuchs wurde mir erst am 22. September zugestellt. Aus bestimmten Andeutungen hatte ich den Eindruck, daß man es für zweckmäßig hielt, mich solange wie möglich unter dem Druck des »Arnim-Paragraphen« zu halten, um mir eine öffentliche Bekämpfung der von mir für verhängnisvoll gehaltenen Regierungspolitik unmöglich zu machen. Meinem Wunsch, daß bei der Veröffentlichung meiner Verabschiedung offen die unüberbrückbare Meinungsverschiedenheit über die Fragen unserer Ostpolitik als Grund angegeben werden möchte, wurde nicht entsprochen. Gleichzeitig wurden vom Auswärtigen Amt den führenden Reichstagsabgeordneten und der Presse Informationen über die Vorgänge in Moskau erteilt, die geeignet waren, mein Verhalten in ein falsches Licht zu setzen. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes äußerte in einer Besprechung mit Journalisten unter anderem, ich hätte ihn zum »Verrat« an der Bolschewikiregierung anstiften wollen! In einer Anzahl von Zeitungen, die sich offen auf Mitteilungen der zuständigen Stelle beriefen, wurde mir vorgeworfen, ich hätte aus Gründen meiner persönlichen Sicherheit den Moskauer »Schützengraben« verlassen. Das Stichwort wurde von Blättern, die mir von meiner früheren Tätigkeit her ihr Wohlwollen bewahrt hatten, mit Behagen aufgenommen. Die persönlichen Angriffe berührten mich nicht; ich war abgebrüht. Aber ich litt auf das schwerste unter dem Verhängnis, das ich kommen sah und das ich mit allen meinen Warnungen nicht abwenden konnte. So endete meine Moskauer Mission für mich nicht nur mit einer starken persönlichen Enttäuschung, sondern mit dem niederdrückenden Gefühl, daß die Götter unser Verderben wollten. Der Zusammenbruch Unser Verhältnis zu Sowjetrußland und unseren Bundesgenossen Die deutsche Politik hatte in eigensinniger Verkennung der Sachlage dem Bolschewismus über seine schwerste Krisis hinausgeholfen. In Rußland begriff jedermann, daß die deutsche Regierung ihren Moskauer Vertreter der Freundschaft mit dem Bolschewistenregime geopfert hatte. Das gab der wankenden Sowjetregierung einen starken Rückhalt und schmetterte im Lager der Nichtbolschewisten alle Hoffnungen nieder. Die »Außerordentliche Kommission« konnte jetzt ungestört ihres Amtes walten und die Träger des Gedankens einer Erhebung gegen den Bolschewismus einzeln ausrotten. Der Terror erfuhr eine grauenhafte Steigerung nach dem mißglückten Attentat auf Lenin und der Ermordung des Petersburger Sowjetgewaltigen Uritzky Ende August 1918. Das bolschewistische Heer, das einen Augenblick lang der Auflösung nahe zu sein schien, konsolidierte sich. Nachdem die Lettenführer bei uns den gesuchten Rückhalt nicht gefunden hatten, betrachteten sie sich erneut als mit den Bolschewiki auf Gedeih und Verderb verbunden. Trotzki entfaltete als Kriegsminister eine gewaltige Werbetätigkeit, und mehr als das: es gelang ihm, Organisation und Disziplin in die Rote Armee zu bringen. Die Gefahr des Ententevormarschs von Norden her trat in den Hintergrund, und die Tschecho-Slowaken erlitten einige Rückschläge. Kurz, die Bolschewikiherrschaft, zu deren Sturz es Anfang August nur eines leichten Anstoßes zu bedürfen schien, war aufs neue befestigt. In Berlin legte man augenscheinlich Wert darauf, die Trübung, die durch mich dem guten Verhältnis zu der Bolschewikiregierung gedroht hatte, durch eine demonstrativ-freundschaftliche Behandlung des Herrn Joffe und seiner Leute wieder gutzumachen. Die bisher noch geübte gesellschaftliche Zurückhaltung gegenüber den Herren der russischen Vertretung wurde aufgegeben; Herr Joffe wurde durch Frühstücke und Diners gefeiert. Mehr denn je hielt man sich an das Wort, das Graf Hertling im Hauptausschuß des Reichstags ausgesprochen hatte: »Wir sind geneigt, an die Loyalität der russischen Regierung uns gegenüber zu glauben; wir sind insbesondere geneigt, an die Loyalität des Vertreters der russischen Regierung hier in Berlin zu glauben.« Vergeblich mahnte ich zur Vorsicht. Vergeblich brachte ich zum Ausdruck, daß ich nach meinen Wahrnehmungen nicht daran zweifeln könne, daß unter Herrn Joffe die russische Botschaft Unter den Linden das exterritoriale Hauptquartier unserer deutschen Revolutionäre geworden sei. Vergeblich bat ich, den auffallend starken Kurierverkehr der russischen Vertretung zu überwachen. Das alles galt nur als Gespensterseherei. Erst kurz vor Ausbruch der Berliner Revolution gab die mit revolutionären Aufrufen und Flugschriften gefüllte Kiste des russischen Kuriergepäcks, die im Bahnhof Friedrichstraße den Aufzug hinunterfiel und platzte, den Anlaß, Herrn Joffe zu entlarven und mit der Sowjetregierung die Beziehungen abzubrechen. Es war zu spät. Wir wissen heute, daß in der Tat in der Berliner russischen Botschaft von dem »loyalen« Herrn Joffe alles geschehen ist, um die deutsche Revolution vorzubereiten und zu organisieren, daß dort unsere Unabhängigen und Spartakisten sich Rat, Belehrung und Geld holten, daß dort erfahrene russische Agitatoren und Konspiratoren zur Verfügung gestellt wurden. Unter der blinden und unbegreiflich vertrauensseligen Duldung der deutschen Regierung ist so das bolschewistische Gift, das schließlich unsern Zusammenbruch so verhängnisvoll beeinflußt hat, durch die russische Botschaft in den deutschen Volkskörper planmäßig eingeführt worden. Der russische Bolschewismus hat sich für die rettende Hilfe der deutschen Regierung durch die revolutionäre Unterwühlung Deutschlands bedankt. Aber nicht nur, daß wir um der Zusatzverträge und des guten Verhältnisses zu der Bolschewikiregierung willen achtlos über die uns von dem Bolschewismus drohenden inneren Gefahren hinweggingen, -- wir gefährdeten auch ernstlich unsere Beziehungen zu unseren Bundesgenossen. An sich schon erschien mir die Übertreibung des Brester Friedens durch die Zusatzverträge geradezu als eine verblendete Hybris, als eine unverantwortliche Herausforderung des Schicksals zu einer Zeit, in der die Entwicklung der Dinge im Westen die dringlichste Mahnung war, abzubauen, sich in den Zielen zu bescheiden und die Kräfte zu konzentrieren. Diese Herausforderung des Schicksals wurde in einer mir geradezu unbegreiflichen Weise gesteigert durch die Behandlung, die das Auswärtige Amt in Ansehung der Zusatzverträge unseren Bundesgenossen zuteil werden ließ, mit denen wir nun doch einmal den Brester Frieden gemeinschaftlich abgeschlossen hatten. Das Auswärtige Amt hielt es zunächst nicht für nötig, den Bundesgenossen von den Verhandlungen über die Ergänzung und Abänderung des gemeinschaftlich abgeschlossenen Brester Vertrags irgendwelche Kenntnis zu geben. Ja, als Österreich-Ungarn und die Türkei gegen gewisse Bestimmungen der trotzdem zu ihrer Kenntnis gekommenen Verträge Bedenken erhoben, glaubte man, über diese ohne weiteres hinweggehen zu können. Die Türkei, die an den Kaukasien berührenden Punkten der Zusatzverträge ein großes Interesse hatte, nahm die Angelegenheit so ernst und wichtig, daß der Großwesir Talaat Pascha seinen Besuch in Berlin ankündigte, um die Dinge vor der Ratifikation der Verträge persönlich zu besprechen. Als er am Morgen des 7. September in Berlin eintraf, las er in den Zeitungen, daß die Ratifikationsurkunden der Zusatzverträge am Abend vorher ausgetauscht worden waren. Er wollte sofort, ohne den Kanzler und den Staatssekretär des Auswärtigen überhaupt zu besuchen, nach Konstantinopel zurückreisen und konnte nur mit großer Mühe bewogen werden, von diesem einen offenen Bruch markierenden Schritt Abstand zu nehmen. Aber eine schwere Verstimmung blieb. Auch der österreichisch-ungarische Botschafter hatte noch unmittelbar vor dem Austausch der Ratifikation gegen die Zusatzverträge beim Auswärtigen Amt remonstriert. Daß man darüber glaubte hinweggehen zu können, ist um so unbegreiflicher, als schon bei den Besprechungen, die Mitte August gelegentlich des Besuchs des Kaisers Karl und des Grafen Burian im Großen Hauptquartier stattgefunden hatten, es nur mit Mühe gelungen war, Österreich-Ungarn noch einmal bei der Stange zu halten und ihm einen gesonderten Friedensschritt auszureden; als ferner unsere abermalige Ablehnung der polnischen Wünsche des österreichischen Kaisers eine sichtliche Verstimmung hervorgerufen hatte. Noch bedenklicher standen unsere Beziehungen zu Bulgarien. Die Verärgerung über die Vorenthaltung der nördlichen Dobrudscha wirkte fort und richtete sich -- ebenso wie die Verstimmung über die Ansprüche der Türken auf das Maritzagebiet, die wir nicht rechtzeitig eingedämmt hatten -- in der Hauptsache gegen uns. Die bedenkliche Zuspitzung der Ernährungsverhältnisse verstärkte die Kriegsmüdigkeit. Die Armee wurde unter der Duldung des unzuverlässigen Kabinetts Malinoff parteipolitischer Zersetzung preisgegeben, während sich der Druck der durch die griechischen Truppen verstärkten Ententestreitkräfte an der Saloniker Front immer mehr steigerte. Die bulgarischen Hilferufe um Brot und Truppen glaubte man bei uns nicht erfüllen zu können. Als am 12. September der Vizekanzler von Payer in einer öffentlichen Rede die Wiederherstellung des territorialen Standes vom 1. August 1914 nicht nur für uns, sondern ausdrücklich auch für alle unsere Bundesgenossen als Kriegsziel erklärte, bemächtigte sich das bulgarische Mißtrauen auch dieser Äußerung, in der es ein Abrücken Deutschlands von den Bulgarien vor seinem Eintritt in den Krieg gemachten Zusicherungen territorialer Art (Bulgarisch-Mazedonien und Morawatal) erblicken wollte. Die Entscheidungskämpfe im Westen Wir hielten und hätschelten unsern Todfeind, den Bolschewismus, und verprellten in jeder Weise unsere eigenen ohnedies kriegsmüden und schwankenden Bundesgenossen zu einer Zeit, in der auf dem Hauptkriegsschauplatz des Westens die Aussicht auf den Sieg endgültig verlorenging, die Übermacht der Feinde immer schwerer auf uns drückte und die Widerstandskraft von Heer und Volk bedrohliche Zeichen des Verfalls verriet. Ich hatte in Spa am 15. August eine Unterhaltung mit dem Feldmarschall von Hindenburg und im Anschluß daran eine lange Aussprache mit dem General Ludendorff. Die unmittelbare Gefahr der Katastrophe, die aus der schweren Niederlage des 8. August zu erwachsen drohte, war fürs nächste abgewehrt. Der beginnenden Desorganisation unserer Verbände war Einhalt geboten, unsere Truppen standen wieder, und die Oberste Heeresleitung hatte die Zügel wieder in die Hand bekommen. Aber die Generale rechneten mit neuen schweren Anstürmen der Feinde und vermochten diesen nicht die alte Zuversicht gegenüberzustellen. Weitere Rückwärtsbewegungen waren notwendig, um eine einigermaßen gesicherte Verteidigungsfront wiederherzustellen, Rückwärtsbewegungen unter dem unmittelbaren Druck des Feindes. Und wenn diese Bewegungen ohne allzu großen Verlust an Menschen und Material gelangen, so war damit nach den Erfahrungen des 8. August noch keineswegs eine Garantie gegen die Wiederholung eines solchen überraschenden Einbruchs geschaffen. Ludendorff machte mir die bezeichnende Bemerkung: »Es war am 8. August, wie wenn alles sich gegen uns verschworen hätte. Wir haben alles getan, was wir können, damit so etwas sich so leicht nicht wiederholen kann. Aber -- was einmal möglich war, wer sagt mir, daß das nicht auch ein zweites Mal passieren kann!« An den beiden vorhergehenden Tagen hatten eingehende Besprechungen zwischen den beiden Generalen, dem Reichskanzler und Herrn von Hintze stattgefunden, am 14. August unter Vorsitz des Kaisers. Ich war, obwohl in diesen Konferenzen die gesamte militärische und politische Lage einschließlich der Ostfragen erörtert werden sollte, ebensowenig zugezogen worden, wie der gleichfalls in Spa anwesende Staatssekretär des Reichswirtschaftsamts Freiherr von Stein. Ich bin damals auch weder von dem Grafen Hertling oder Herrn von Hintze, noch von den beiden Generalen über den Verlauf der Besprechungen unterrichtet worden. Nach den inzwischen erfolgten amtlichen Veröffentlichungen haben in jenen Besprechungen die beiden Generale dargelegt, daß es nicht mehr möglich erscheine, den Krieg militärisch zu gewinnen, und daß daher eine Verständigung mit den Feinden herbeigeführt werden müsse. Der Kaiser hat damals entschieden: »es müsse auf einen geeigneten Zeitpunkt geachtet werden, wo wir uns mit dem Feinde zu verständigen hätten«. (Weißbuch über die Vorgeschichte des Waffenstillstands.) Ohne Kenntnis von diesen Eröffnungen unserer Heerführer zu haben, hielt ich mich für verpflichtet, unmittelbar nach meiner Unterhaltung mit General Ludendorff zum Reichskanzler zu fahren und ihm über diese Unterhaltung zu berichten, mit dem eindringlichen Hinzufügen, daß ich nach meiner Kenntnis der Art Ludendorffs, sich über solche Dinge zu äußern, den Eindruck gewonnen habe, daß die militärische Lage außerordentlich ernst sei. Mein Eindruck war, daß Graf Hertling meine Auffassung für übertrieben hielt. Die von der Obersten Heeresleitung erwarteten neuen Angriffe setzten am 16. August beiderseits Roye ein. Der Feind vermochte hier in mehrtägigen erbitterten Kämpfen keine nennenswerten Vorteile zu erzielen. Den Erfolg, der ihm bei diesem Frontalangriff versagt blieb, erkämpfte er sich jedoch am 20. August in den zwischen der Oise und Aisne und tags darauf in der Gegend Bapaume--Arras einsetzenden Flügelangriffen. An beiden Stellen wurden wir in schweren Kämpfen zurückgedrückt. Der flache Frontbogen Bapaume--Chaulnes--Roye--Noyon kam dadurch in Gefahr. Unsere Heeresleitung entschloß sich, um dieser Gefahr vorzubeugen, diesen Frontteil zurückzunehmen. In den letzten Augusttagen wurden deshalb die viel umkämpften Städte Roye, Noyon, Bapaume und Péronne dem nachdrängenden Feinde überlassen. Gleichzeitig wurde der in der Apriloffensive gewonnene, auf Hazebrouck vorspringende Keil zwischen Ypern und La Bassée, mit ihm auch der Kemmelberg, aufgegeben. Während diese Rückwärtsbewegungen in leidlicher Ordnung vor sich gingen, gelang den Engländern am 2. September ein mit großer Wucht geführter Schlag gegen unsere Front an der Straße Arras--Cambrai. Sie drangen hier in das nördliche Schulterstück der alten Siegfriedstellung ein, um das sie im Jahre 1917 vergeblich mit dem stärksten Einsatz gekämpft hatten. Der Keil, den sie nördlich des Senséebaches vortrieben, war eine empfindliche Flankendrohung sowohl für die sich nördlich anschließende, zunächst unverändert gebliebene Front Arras--Lens--La Bassée als auch für die sich nach Süden erstreckende Siegfriedstellung, in die unsere Truppen im Begriff waren einzurücken. Am 8. September meldete der Bericht der Obersten Heeresleitung, daß unsere Truppen an der Schlachtfront überall ihre neuen Stellungen bezogen hätten. Seit dem unheilvollen 8. August, der die Zurücknahme unserer Streitkräfte veranlaßt hatte, war also genau ein Monat vergangen. Engländer, Franzosen und Amerikaner hatten, trotz ihrer gewaltigen Überlegenheit an Menschen und Material, einen vollen Monat gebraucht, um uns über das Gelände zurückzudrängen, das wir im März im Lauf von sechs Tagen ihnen abgenommen hatten. Rückzug bleibt Rückzug, und die Notwendigkeit der Preisgabe des in den Märzoffensiven erstrittenen Gewinnes wurde in Heer und Heimat als ein großes Unglück empfunden. Der Rückzug vollzog sich auch nicht ohne große Verluste an Menschen und Material. Aber die Tatsache, daß es gelang, diesen Rückzug unter dem ständigen Druck eines weit überlegenen Feindes Schritt für Schritt und planmäßig durchzuführen, war ein glänzendes Zeugnis für Truppe und Führung. Während aber unsere Feinde in den Amerikanern immer neuen und frischen Zuzug erhielten -- im August kamen allein 335000 amerikanische Soldaten in Frankreich an --, wurde bei uns der Ersatz für die großen Lücken, die durch die schweren Angriffe in unsere Verbände gerissen wurden, immer spärlicher und immer schlechter. Die große zahlenmäßige Überlegenheit an Menschen und Material hatte dem Marschall Foch eine Möglichkeit in die Hand gegeben, die unseren Heerführern, die mit beschränkteren Mitteln rechnen mußten, nie gewährt worden ist: eine große Offensive gleichzeitig an mehreren Stellen anzusetzen. Die Ausnutzung dieser Möglichkeit -- die gleichzeitige Offensive im Raume zwischen der Oise und der Aisne und im Raume Arras--Bapaume -- hatte ihm den Erfolg unseres Rückzugs auf die Siegfriedlinie eingebracht. Jetzt gab ihm die Fülle seiner Reserven an Menschen und Material eine zweite Möglichkeit, die gleichfalls den deutschen Heerführern in ihrer Offensive auf dem westlichen Kriegsschauplatz nie zuteil geworden ist: die Möglichkeit, einem kaum abgeschlossenen Angriff alsbald neue Schläge von nicht geringerer Wucht folgen zu lassen. Schon wenige Tage, nachdem wir in die Siegfriedstellung eingerückt waren, ging der Engländer beiderseits der von Arras und Péronne nach Cambrai führenden Straßen mit neuen Angriffen schwerster Art vor und machte der Franzose einen neuen heftigen Vorstoß zwischen Ailette und Aisne in der Richtung auf Allemant, der einen Keil zwischen die Siegfriedstellung und unsere Linien am Chemin des Dames zu treiben drohte. Gleichzeitig führten -- am 12. September -- Amerikaner und Franzosen einen starken Angriff gegen unseren östlich der Maas auf St. Mihiel vorspringenden Frontteil aus. Die feindlichen Berichte sprachen hier zum erstenmal von einer Beteiligung einer »amerikanischen Armee«; nicht weniger als tausend Tanks sollen hier gegen uns eingesetzt worden sein. Die schon seit langer Zeit von unserer Heeresleitung ins Auge gefaßte Räumung der vorspringenden »Michelstellung« erfolgte nun unter dem Druck dieses Angriffs, und wenn auch der feindliche Plan, die in dem Bogen von St. Mihiel stehenden Truppen durch den Angriff von beiden Seiten her in die Zange zu nehmen und abzukneifen, nicht gelang, so konnten die Feinde die Eroberung dieser seit dem September 1914 von uns gehaltenen Stellung als großen Sieg verkünden und sich einer großen Beute an Gefangenen und an Material rühmen. Am 18. September begannen dann die entscheidenden Kämpfe um die Siegfriedstellung in ihrer ganzen Ausdehnung zwischen Cambrai und La Fère. In immer wiederholtem Ansturm trieben Engländer und Franzosen, verstärkt durch amerikanische Truppenteile, ihre von ungezählten Tanks und Kampfflugzeugen begleiteten Massen gegen unsere Linien vor. In dem ununterbrochenen Ringen, bei dem der Feind immer wieder frische Reserven einsetzen konnte, erlahmte allmählich die Widerstandskraft der Verteidiger. In den letzten Tagen des September erzielte der Feind den entscheidenden Erfolg: es gelang ihm, unmittelbar südlich von Cambrai und nördlich von St. Quentin den Scheldekanal zu forcieren und damit schwere Breschen in unsere Stellung zu schlagen. St. Quentin wurde in der Nacht zum 1. Oktober geräumt. In den folgenden Tagen erweiterten die Engländer den Einbruch durch neue wuchtige Vorstöße in Richtung Le Cateau. Sie durchbrachen das ganze ausgebaute Stellungssystem und gewannen das freie Feld. So wurde in zwei Wochen der schwersten Kämpfe das Hauptstück unserer Westfront, die Siegfriedstellung, zerbrochen, die während des ganzen Jahres 1917 allen feindlichen Anstürmen getrotzt hatte. Als dieses Ringen um unsere Zentralstellung seinen Höhepunkt noch nicht erreicht hatte, holten unsere Feinde zu Flügelangriffen größten Stiles aus. Am 26. September kam die ganze Front zwischen Reims und der Mosel in Bewegung. Der Schwerpunkt des Angriffs lag an der alten Champagnefront in der Gegend Somme-Py bis Tahure und nordwestlich von Verdun zwischen Argonnen und Maas. Hier setzten die Amerikaner, dort die Franzosen die volle Wucht ihrer Massen und Kriegsmittel ein. Gleichzeitig erneuerten die Franzosen ihren Angriff zwischen Ailette und Aisne gegen die Westflanke des Chemin des Dames und begannen im Norden Engländer und Belgier einen neuen Ansturm gegen unsere flandrische Front. Von der Nordsee bis zu den Vogesen schüttelte jetzt ein einziger Orkan die in ihrem Mittel- und Hauptstück bereits wankenden deutschen Stellungen. Unsere zum großen Teil übermüdeten, vielfach auch bereits in ihrem Geist erschütterten Truppen schlugen sich ungleichmäßig. Zwischen den Argonnen und der Maas gelang es, die Amerikaner nach einigen nicht unerheblichen Anfangserfolgen zum Stehen zu bringen; ebenso die Franzosen in der Champagne. Dagegen gelang es den Engländern und Belgiern in den letzten Septembertagen, unsere flandrische Front im Ypernbogen zu überrennen. Zwei Kampftage brachten ihnen hier den Erfolg, den sie während des Jahres 1917 in fünf Monaten des schwersten und opferreichsten Ringens nicht zu erreichen vermochten: den Durchbruch durch unsere Höhenstellungen um Ypern bis in die flandrische Ebene. Wenn durch diese Einbrüche und Durchbrüche im Zentrum und auf den Flügeln unsere Front nicht in hilflose Teile auseinandergerissen und unser Heer nicht zersprengt und zertrümmert werden sollte, war jetzt eine energische Konzentration nach rückwärts notwendig. Diese wurde in den ersten drei Oktoberwochen Schritt für Schritt durchgeführt. Zunächst wurde der infolge des Einbruchs im Ypernbogen im Norden und in der Gegend Cambrai im Süden weit vorspringende Bogen Armentières--Lens in der Nacht zum 2. Oktober geräumt und unsere Front in jener Gegend hart an Lille herangelegt. Dann wurden vom 3. Oktober ab unsere Stellungen bei Reims, in der Champagne, am Damenwege, bei La Fère und Laon zurückgenommen. Um den 9. Oktober wurde das zur Deckung der Rückwärtsbewegung lange zäh verteidigte Cambrai geräumt und unsere Front auf Le Cateau zurückgelegt. Nachdem Engländer und Belgier um die Mitte des Oktober ihre Angriffe östlich Ypern erneut aufgenommen und über Roussellaere hinaus vorgestoßen waren, wurde in den folgenden Tagen die seit längerer Zeit vorbereitete Räumung sowohl des flandrischen Küstengebietes mit Ostende, Zeebrügge und Brügge, als auch des Gebietes von Lille und Douai durchgeführt. Um den 20. Oktober verlief unsere Front von Ecloo an der belgisch-holländischen Grenze in südlicher Richtung über Tournai, Valenciennes, Le Cateau, dann in flachem Bogen nach Rethel, von da östlich mit leichter Abbiegung nach Süden über Vouziers nach Sivry an der Maas, um schließlich nach Südosten an Verdun vorbei in der Gegend von Pont-à-Mousson Anschluß an unsere alte Vogesenlinie zu gewinnen. In diesem gegenüber der alten Front stark verkürzten flachen Bogen kam die Bewegung zu einer Ruhepause. Auch dem Laien leuchtete ein, daß sie damit nicht abgeschlossen war, daß vielmehr eine weitere Zurücknahme -- zunächst auf die Linie Antwerpen--Namur--Maas, später vielleicht auf die noch wesentlich kürzere Linie Lüttich--Metz -- in der Konsequenz der strategischen Entwicklung lag, die uns die Verteidigung des vaterländischen Bodens auf einer möglichst kurzen Front zum Gebot machte. Daß die Durchführung einer solchen Verteidigung auf absehbare Zeit hinaus auch jetzt noch keineswegs aussichtslos war, uns vielmehr noch immer die Möglichkeit bot, das Schlimmste von unserm Vaterland abzuwenden, hatte die Tatsache gezeigt, daß es gelungen war, unsere Truppen, die um die Wende des September und Oktober auseinandergerissen und durcheinandergeworfen waren, auf einer einheitlichen Linie zu ordnen und zum Stehen zu bringen. Die weitere Rückwärtsbewegung auf die Antwerpen-Maas-Linie wurde Anfang November eingeleitet, nachdem die Engländer und Belgier mit neuen Angriffen gegen unsere Scheldestellung zwischen Gent und Tournai einige Erfolge erzielt hatten und den Amerikanern und Franzosen am 31. Oktober ein Schlag gegen unsere Stellungen zwischen Aisne und Maas gelungen war. Als am 11. November der Waffenstillstand in Kraft trat, verlief unsere Front die Maas entlang von nördlich Verdun bis Charleville, dann weiter nordwestlich nach dem Gebiet von Mons, von dort nördlich über Gent nach der holländischen Grenze. Der Zusammenbruch Bulgariens und der Türkei Um die Mitte des September, als im Westen die entscheidenden Kämpfe um die Siegfriedstellung neu einsetzten und sich zu unseren Ungunsten wandten, verließ das Kriegsglück auch unsere östlichen Bundesgenossen. Die bulgarische Armee hatte nach der Niederwerfung Rumäniens und dem Abschluß des Bukarester Friedens nur noch einen Feind zu bekämpfen: die durch Serben und Griechen verstärkte Ententearmee, der sie seit langer Zeit in wenig veränderten Stellungen in der Linie Struma-- Doiransee--nördlich Monastir--Ochridasee gegenüberstand. Die bulgarische Stellung war von Natur stark und in den wichtigsten Punkten gut ausgebaut. Dagegen war der Kampfwert und die Widerstandskraft des bulgarischen Heeres unterwühlt; die Zersetzung des Geistes der Truppen hatte seit der Übernahme der Regierung durch Malinoff zweifellos starke Fortschritte gemacht. Am 15. September begannen die Alliierten einen wuchtigen Vorstoß gegen die starke Zentralstellung der Bulgaren auf den hohen Bergen zwischen dem Doiransee und Monastir in dem durch den Zusammenfluß der Tscherna und des Vardar gebildeten Dreieck. Die Bulgaren hielten dem überraschend geführten Schlage nicht stand. Die schwachen zwischen den bulgarischen Truppen noch eingesetzten deutschen Bataillone versuchten vergeblich, die Lage zu retten. In wenigen Tagen wurde der Einbruch zum Durchbruch. Unter Zurücklassung ihres Kriegsmaterials gaben die Bulgaren in ungeordnetem Rückzug den ganzen Tscherna-Vardar-Bogen preis. Die Ententetruppen rissen den östlichen und westlichen Teil der bulgarischen Front auseinander; sie durchschnitten talaufwärts der Vardar-Enge von Demirkapu die wichtigste rückwärtige Verbindung der östlich von Doiran stehenden Struma-Armee, desgleichen in der Gegend von Prilep die wichtigsten nach dem westlichen Frontteil führenden Straßen. Die bulgarische Armee, deren Oberbefehlshaber Schekow um jene Zeit krank in Wien lag, geriet in völlige Auflösung. Im Laufe einer Woche war, obwohl die deutsche Heeresleitung auf die ersten Nachrichten von der Niederlage sieben Divisionen nach der bedrohten Front auf den Weg brachte, der Zusammenbruch besiegelt. Die Ententetruppen drangen bis zu der mazedonischen Hauptstadt Ueskueb vor und brachen in altbulgarisches Gebiet ein. Im bulgarischen Hauptquartier selbst kam es zu revolutionären Ausbrüchen. Die bulgarische Regierung sah sich durch diese Gestaltung der Dinge am 25. September, also zehn Tage nach Beginn der Offensive, veranlaßt, ein Gesuch um Waffenstillstand und Einleitung von Friedensverhandlungen an den Oberbefehlshaber der Entente-Streitkräfte in Saloniki zu richten, und zwar ohne sich über diesen Schritt mit ihren Verbündeten ins Benehmen zu setzen. Eine kaum minder schwere Katastrophe als das bulgarische Heer traf die türkische Armee in Syrien. Nach der Einnahme Jerusalems im Dezember 1917 waren die britischen Operationen im Laufe des Frühjahrs 1918 etwa in der Linie von Jaffa östlich nach dem Jordan zum Stehen gekommen. Die heiße Jahreszeit benutzten die Engländer zu Vorbereitungen eines neuen großen Schlages. In der Nacht zum 19. September gingen die britischen Truppen auf der ganzen Linie zum Angriff vor. Während das türkische Zentrum und der sich an den Jordan anlehnende linke Flügel standhielten, brach der an der Küste stehende rechte Flügel zusammen. Britische Kavallerie drängte scharf nach und schwenkte südlich des Sees Tiberias nach Osten ein, um das Zentrum der türkischen Armee im Rücken zu fassen. Dazu wurde die Lage im Ostjordanland durch Aufstände der Araberstämme gefährdet. Ende September erzwangen die Engländer den Übergang über den oberen Jordan und vereinigten sich mit den Arabertruppen des von ihnen zum König von Hedschas ausgerufenen Scheiks Hussein. Die türkische Niederlage wurde zum Zusammenbruch. Während sich die deutschen Abteilungen zum großen Teil mit Aufgebot aller Kraft durchschlugen, ergab sich der größte Teil der türkischen Verbände in sein Schicksal und kapitulierte. Am 2. Oktober konnten die Engländer die Einnahme von Damaskus melden. Dem weiteren Vormarsch nach Norden stand kein Hindernis mehr entgegen. In der letzten Oktoberwoche besetzten die Engländer ohne Kampf Aleppo und durchschnitten damit die einzige Eisenbahnverbindung zwischen Kleinasien und Mesopotamien. Auch die in Mesopotamien stehenden türkischen Truppen erlitten gleichzeitig eine vernichtende Niederlage. Unter der Wirkung der Katastrophe war schon am 9. Oktober der deutschfreundliche Großwesir Talaat Pascha mit seinem Kabinett zurückgetreten und hatte dadurch den Weg für Verhandlungen mit der Entente freigemacht. Der österreichisch-ungarische Friedensschritt Unser nächster und stärkster Bundesgenosse, Österreich-Ungarn, hatte in den schicksalsschweren Wochen des August und September an seiner einzigen Front, der venezianischen, keine Großkämpfe zu bestehen. Zwar griffen die Italiener immer wieder sowohl an der Gebirgsfront als am Piave an, ohne jedoch ihren Vorstößen einen besonderen Nachdruck zu geben. Die österreichisch-ungarische Armee stand seit ihrer verunglückten Piave-Offensive auf dem Ostufer des Flusses in guten Stellungen und konnte -- ebenso wie dies seitens der Italiener geschah -- einzelne Verbände für den westlichen Kriegsschauplatz abgeben. Dort haben sich österreichisch-ungarische Regimenter namentlich in den Kämpfen vom 12. September um den Stellungskeil bei St. Mihiel ausgezeichnet. Trotz seiner verhältnismäßig gesicherten und günstigen militärischen Lage nahm Österreich-Ungarn mit einem aufsehenerregenden Schritt für sich allein und ohne Verbindung mit seinen Bundesgenossen die Initiative zu einer neuen Friedensaktion. Am 14. September richtete der österreichisch-ungarische Minister des Auswärtigen, Graf Burian, an die Regierungen der sämtlichen Kriegführenden, Freund wie Feind, eine gleichlautende Note, in der er vorschlug, »zu einer vertraulichen und unverbindlichen Aussprache über die Grundprinzipien des Friedensschlusses an einem Ort des neutralen Auslandes und zu einem nahen Zeitpunkt, über den man noch Vereinbarungen zu treffen hätte, Delegierte zu entsenden, die beauftragt wären, die Auffassungen ihrer Regierungen über ihre Prinzipien bekanntzugeben, analoge Mitteilungen entgegenzunehmen, sowie offene und freimütige Aufklärungen über alle jene Punkte, die der Präzisierung bedürfen, zu erbitten und zu erteilen«. Mit einer besonderen Note wurde dieser Friedensschritt auch zur Kenntnis des Papstes gebracht; ebenso wurden die Regierungen der neutralen Staaten verständigt. Die Note wurde am gleichen Tage von der Wiener Regierung veröffentlicht, zugleich mit einem umfangreichen Promemoria, dessen Gedankengang war: Alle Völker ersehnten das baldige Ende des blutigen Kampfes. Trotzdem sei es bisher nicht gelungen, die Kluft, die die Kriegführenden noch trenne, zu überwinden. Der Friedensschritt der Mittelmächte vom Dezember 1916 habe nicht zu dem erhofften Erfolg geführt, habe aber wenigstens bewirkt, daß die Friedensfrage seither nicht mehr von der Tagesordnung verschwunden sei. Wenn auch die seither vor dem Tribunal der Öffentlichkeit geführte Diskussion die Gegensätzlichkeit bewiesen habe, die jetzt noch die Auffassung der kriegführenden Mächte von den Friedensbedingungen trenne, so habe sich doch eine Atmosphäre gebildet, welche die Erörterung des Friedensproblems nicht mehr ausschließe. Ohne übertriebenen Optimismus könne man aus den Äußerungen verantwortlicher Staatsmänner mindestens so viel konstatieren, daß der Wille, zu einer Verständigung zu gelangen und den Krieg nicht ausschließlich durch die Macht der Waffen zur Entscheidung zu bringen, auch bei den alliierten Staaten allmählich doch durchzudringen beginne. Der Schritt des Grafen Burian wirkte als Sensation. Er wurde allgemein dahin gedeutet, daß Österreich-Ungarn nicht mehr in der Lage oder nicht mehr gewillt sei, weiterzukämpfen, und daß es sich, um zum Frieden zu kommen, entschlossen habe, ohne Rücksicht auf seine Bundesgenossen selbständig den Weg zum Frieden zu gehen. Der Staatssekretär von Hintze war noch in der Woche zuvor zu Besprechungen mit dem Grafen Burian in Wien gewesen. Es war ihm weder gelungen, den Sonderschritt, den Graf Burian schon Mitte August in Spa angekündigt hatte, abermals zu verhindern, noch ihm eine für Deutschland erträglichere Form zu geben. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß der von uns bei dem Abschluß der Zusatzverträge mit Rußland gezeigte Mangel an Rücksicht auf unsere österreichisch-ungarischen Bundesgenossen nicht ganz ohne Rückwirkung auf das Verhalten der Wiener Regierung uns gegenüber in dieser Frage geblieben ist. Am 6. September war der Austausch der Ratifikationen der Zusatzverträge über die Wiener Vorstellungen hinaus erfolgt; am 14. September ließ Graf Burian seine Note ergehen. * * * * * In Berlin hatten sich einige Tage vor der Veröffentlichung der Burianschen Note die Führer der Mehrheitsparteien erneut zu interfraktionellen Besprechungen zusammengefunden. Es wehte wieder einmal ausgesprochene Krisenluft. Außerhalb des Zentrums war die Empfindung, daß die Regierung des Grafen Hertling der schwierigen Lage des Reiches nicht gewachsen sei, wohl allgemein. Im Zentrum selbst hatte Graf Hertling nach wie vor einen starken Rückhalt; aber der Einfluß der Erzbergerschen Gegenarbeit war doch auch hier unverkennbar. In diese Krisenstimmung hinein fiel die Buriansche Note. Die Parteiführer wurden, noch ehe die Note in den deutschen Blättern zur Veröffentlichung freigegeben wurde, am Abend des 14. September nach dem Auswärtigen Amt eingeladen, wo der Staatssekretär von Hintze ihnen vom Text der Note Kenntnis gab und sie zu beruhigen versuchte. Die Beruhigung gelang nur mangelhaft. Die Tatsache, daß es in der schweren Lage, in die wir durch die militärischen Rückschläge versetzt waren, zu einem die Festigkeit unseres Bündnissystems diskreditierenden Sonderschritt hatte kommen können, gab dem wankenden Vertrauen in die Reichsleitung einen neuen Stoß. Zunächst begnügte man sich mit dem Beschluß der alsbaldigen Einberufung des Hauptausschusses des Reichstags. Noch ehe der Hauptausschuß zusammentrat, gab die Reichsregierung eine offizielle Antwort auf die Wiener Friedensnote; sie ging dahin, daß die Aufnahme früherer Friedensschritte bei unseren Gegnern nicht ermutigend sei, daß aber die Kaiserliche Regierung den neuen Versuch mit dem aufrichtigen Wunsch begleite, daß er dieses Mal den erhofften Erfolg finden möchte; Deutschland sei bereit, an dem vorgeschlagenen Gedankenaustausch teilzunehmen. Sehr eilig mit seiner Stellungnahme hatte es der Präsident Wilson. Schon am 17. September ließ er durch den Staatssekretär Lansing die Antwort an die Wiener Regierung veröffentlichen. Sie lautete: Er habe wiederholt die Bedingungen bekanntgegeben, auf Grund deren die Vereinigten Staaten einen Frieden in Erwägung ziehen wollten. Die Unions-Regierung könne und wolle keinen Vorschlag zur Abhaltung einer Konferenz annehmen in einer Angelegenheit, in der sie ihre Haltung und ihre Absichten deutlich zu erkennen gegeben habe. Auch Herr Clemenceau säumte nicht. Er hielt am 18. September im Senat eine Rede, in der er erklärte, es gebe keine Straffreiheit für die von den Mittelmächten begangenen Verbrechen; eine schreckliche Rechnung sei aufgelaufen und müsse bezahlt werden. Dem schweizerischen Gesandten in Paris stellte Herr Pichon eine Nummer des »Journal Officiel«, das diese Rede enthielt, mit dem Bemerken zu, das sei die Antwort der Republik auf die Note des Wiener Kabinetts. In London hatte Herr Balfour schon am 17. September in öffentlicher Rede erklärt, die Buriansche Note sei nichts als ein Versuch, die Alliierten zu spalten und zu schwächen, sie bringe den Frieden um keinen Schritt näher. Der gänzliche Mißerfolg des von dem Wiener Kabinett unternommenen Sonderschrittes stand also bereits fest, als sich der Hauptausschuß des Reichstags am 24. September versammelte. Kritische Zuspitzung in Berlin Es war bezeichnend, daß der Ausschuß, der wegen der so bedrohlich gewordenen auswärtigen Lage des Reiches früher als geplant zusammengerufen worden war, nach den einleitenden Erklärungen und Mitteilungen des Reichskanzlers, des Vizekanzlers, des Staatssekretärs des Auswärtigen und eines Vertreters des Kriegsministers den Schwerpunkt seiner Erörterungen alsbald auf das Gebiet der inneren Politik verlegte. Schon am Tage vor seinem Zusammentritt hatte die Fortschrittliche Volkspartei eine Fraktionssitzung abgehalten, deren wesentliches Ergebnis Übereinstimmung darüber war, daß der Eintritt der Sozialdemokratie in die Regierung, von dem seit einiger Zeit viel gesprochen wurde, zu begrüßen sei, daß eine weitere Verschleppung der preußischen Wahlreform nicht mehr geduldet werden dürfe und daß der Artikel 9 der Reichsverfassung, der verbot, daß jemand gleichzeitig Mitglied des Bundesrats und Mitglied des Reichstags sein dürfe, aufzuheben sei. Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion hatte am gleichen Tag beschlossen, den Eintritt von Sozialdemokraten in eine etwa neu zu bildende Regierung unter einer Reihe von Bedingungen zu billigen, die zu einem großen Teil gleichfalls auf dem Gebiet der inneren Politik lagen. In diesem Rahmen bewegte sich auch, was die Fraktionsführer im Hauptausschuß vorbrachten. Die Reden der Wortführer der Mehrheitsparteien waren, bei aller Schonung der Person des Grafen Hertling, eine einzige Anklage gegen die Versäumnisse, namentlich die innerpolitischen Versäumnisse, der von ihnen selbst vor nicht ganz einem Jahr gekürten und mit ihren Vertrauensmännern durchsetzten Regierung. Der Einfluß der Militärs auf die Politik, die Handhabung der Zensur und des Vereinsrechts unter dem Belagerungszustand, die Verschleppung der preußischen Wahlreform waren die wichtigsten Beschwerdepunkte. Von derjenigen inneren Frage, die in Wirklichkeit alles Interesse in Anspruch nahm, von der Bildung einer neuen Regierung durch die Mehrheitsparteien, sprach man im Hauptausschuß auffallenderweise nicht, wohl deshalb, weil über das Los des Grafen Hertling zwischen dem Zentrum, das ihn halten wollte, und den anderen Mehrheitsparteien, die seinen Kopf verlangten, noch keine Übereinstimmung bestand. Da traf am 26. September die Nachricht von dem Ersuchen Bulgariens an die Entente um Waffenstillstand und Einleitung von Friedensverhandlungen in Berlin ein. Die Bestürzung über diesen offenen Abfall des bulgarischen Verbündeten war groß. Herr von Hintze gab zwar im Hauptausschuß am 27. September Erklärungen ab, daß weder für Bulgarien noch für uns ein Anlaß vorliege, das Spiel bereits verlorenzugeben; die militärische Lage in Mazedonien lasse sich durch die alsbald entsandten deutschen und österreichisch-ungarischen Verstärkungen nach dem Urteil der militärischen Sachverständigen wiederherstellen; auch stehe noch nicht fest, ob Herr Malinoff den König, die bulgarische Heeresleitung und die Sobranje hinter sich habe, oder ob er auf eigene Faust vorgegangen sei; eine Gegenaktion der bundestreuen Elemente in Sofia scheine bevorzustehen. -- Aber die Klarheit ließ nicht lange auf sich warten. König Ferdinand, der gewillt war, an dem Bündnis festzuhalten, sah sich gezwungen, zugunsten seines Sohnes abzudanken und den Dingen ihren Lauf zu lassen. Der Abfall des bulgarischen Bundesgenossen gab der Kanzlerschaft des Grafen Hertling den Gnadenstoß. Auch das Zentrum gab ihn preis. Der Reichstagspräsident Fehrenbach gab dem Kanzler am 28. September, unmittelbar ehe dieser mit Herrn von Hintze zur Besprechung der Lage nach dem Großen Hauptquartier reiste, zu verstehen, daß auch im Zentrum die Auffassung an Boden gewonnen habe, daß die Lösung der Krisis durch seinen freiwilligen Rücktritt erleichtert werden könne. Aber dieses Mal wollten die Mehrheitsparteien gründliche Arbeit machen. Ein Personenwechsel genügte ihnen nicht mehr, sie wollten einen Systemwechsel: die volle Verwirklichung des parlamentarischen Regimes. Es ist eine Gewohnheit der Völker, daß sie für schwere Schicksale Sündenböcke brauchen. Zum Sündenbock machte man jetzt bei uns nicht nur Personen, nicht einmal in erster Linie Personen, sondern das »System«. Darin kam das große Maß der vom Persönlichen abstrahierenden Objektivität des Deutschen zum Ausdruck, und gleichzeitig auch das große Maß des dem Deutschen eigenen Doktrinarismus. Denn der Systemwechsel wurde jetzt als Allheilmittel und als Rettung aus der Not des Vaterlands von denselben Mehrheitsparteien -- und ihnen folgend von ihren Anhängern im Lande -- verlangt, die seit einem Jahr in der Reichsregierung durch ihre Vertrauensmänner vertreten waren und die Sünden der Reichsregierung im Begehen und Unterlassen mitgemacht, geduldet und gedeckt hatten. Der »Obrigkeitsstaat« sollte jetzt durch den »Volksstaat« ersetzt werden. Vom Volksstaat und seiner »Volksregierung« erwartete der Idealismus der deutschen Demokratie das große Wunder. Ich setze, um diesen Gedankengang deutlich zu machen, eine bezeichnende Stelle aus einem Artikel der »Frankfurter Zeitung« vom 27. September 1918 hierher: »Die Lage Deutschlands, unseres Staates und unseres Volkes, ist heute so ernst und so schwer wie niemals zuvor. Niemand darf sich darüber täuschen, niemand auch die Pflicht verkennen, die ihm daraus erwächst. Spannen wir jetzt nicht alle Kräfte bis zum Äußersten, in stoischem Ertragen und in heroischer Leistung, dann kann es kommen, daß die Gegner doch noch ihr Ziel erreichen. Was bringt unser Volk jetzt zu so höchster Krafthergabe? -- Nur das Volk selbst aus eigenem, innerstem Impulse kann sich dazu erheben! Nur indem es endgültig sein Schicksal in die eigene Hand nimmt, wird es das ungeheure Maß von Verantwortungsgefühl und Opferbereitschaft finden, das jetzt nottut. Der Masse, der eine Obrigkeit zuredet und befiehlt, wird das nicht abzuringen sein; dem Volke, das die Entscheidung über seine Gegenwart und seine ganze Zukunft sich selbst anvertraut fühlt, wird und muß es gelingen. Das ist der gewaltige Sinn der Demokratie und der ungeheure Kraftstrom, der aus ihr fließt. Und diesen Kraftstrom gilt es jetzt zu entfesseln.« Von diesem Gedanken waren jetzt manche durchdrungen, die an sich der demokratischen Weltanschauung fernerstanden. Zu seinem Anwalt machten sich jetzt im Großen Hauptquartier nicht nur Graf Hertling selbst, der dem Kaiser seine Entlassung anbot, sondern auch der Staatssekretär des Auswärtigen von Hintze und der gleichfalls zu den Beratungen zugezogene Reichsschatzsekretär Graf Roedern. Auch die Generale der Obersten Heeresleitung schlossen sich diesem Gedanken an. Und in der Tat, wer wollte leugnen, daß jetzt, wo die schwersten Stunden des Vaterlandes nahten, alles darauf ankam, alle Kraft des deutschen Volkes aufzurufen und der einen großen Sache dienstbar zu machen? Nur genügt es in solchen Zeiten der höchsten Not nicht, Kräfte zu entfesseln; die Kräfte müssen auch geführt werden. Dazu gehören Persönlichkeiten. Persönlichkeiten aber haben die Parteien, die sich jetzt anschickten, als Mandatare des deutschen Volkes die Regierung in die Hand zu nehmen, weder hervorgebracht noch vertragen. Die Lage im Großen Hauptquartier Im Großen Hauptquartier trafen die am Vormittag des 29. September aus Berlin ankommenden Herren eine überaus schwere Lage. Die Entwicklung der letzten Wochen hatte die Aussicht auf eine siegreiche Beendigung des Krieges zerstört. Eine neue Wendung des Kriegsglücks zu unseren Gunsten war nicht mehr zu erwarten. Das sich immer mehr verstärkende Übergewicht unserer Feinde war nicht mehr auszugleichen. Unter dem Druck dieser Erkenntnis, der auch der letzte Mann sich nicht verschließen konnte, und unter den üblen Einwirkungen aus der Heimat, die durch eine mit den raffiniertesten Mitteln betriebene Propaganda des Feindes in unseren Reihen verstärkt wurden, begann der Geist der Truppe sich greifbar zu verschlechtern. Die Fälle, daß unsere Leute auch gegenüber schwachen Angriffen nicht mehr hielten oder gar kampflos zum Feinde überliefen, hatten sich gemehrt; ja es kam vor, daß den neu eingesetzten Verbänden aus den Reihen der zurückflutenden Truppen das böse Wort »Streikbrecher« zugerufen wurde. Gerade in jenen letzten Septembertagen war die militärische Lage in einer akuten Krisis. Der Kampf um die Siegfriedstellung war auf seinem Höhepunkt: es ging um die Kanalstellungen, die wir vergeblich vor einem Durchbruch zu bewahren suchten. Außerdem hatte am 28. September die englisch-belgische Offensive in Flandern unsere Stellungen um Ypern durchbrochen und damit eine schwere Bedrohung für unsere Positionen an der flandrischen Küste und in der Gegend von Lille geschaffen. Schließlich nötigte uns die Offensive der Franzosen und Amerikaner, unsere Stellungen zwischen Reims und der Maas nicht unerheblich zurückzunehmen. Die ganze Front, die wir vom Herbst 1914 an bis zum Beginn unserer eigenen Offensive im Frühjahr 1918 gegen die stärksten Angriffe gehalten hatten, war auf das schwerste erschüttert und drohte zusammenzubrechen. Dazu kam der Abfall Bulgariens, der den Zusammenbruch der Türkei beschleunigen mußte, und die zweifelhafte Haltung Österreich-Ungarns. Die Heeresleitung stand vor den schwersten Entschlüssen. Sie stand gleichzeitig vor der Frage, ob die Fortsetzung eines nicht mehr zu gewinnenden Krieges noch zu verantworten sei und ob die Lage nicht dazu zwinge, die sofortige Herbeiführung des Friedens selbst unter großen Opfern zu versuchen. Die ersten Hinweise der Obersten Heeresleitung auf die Notwendigkeit politischen Handelns zur Herbeiführung des Friedens gehen, wie ich oben dargestellt habe, auf den Monat Juni 1918 zurück. Sie hatten leider nur die Wirkung gehabt, daß Herr von Kühlmann von der Tribüne des Reichstags herab erklärte, der Krieg könne rein militärisch nicht zu Ende gebracht werden. Zum zweitenmal hatte die Oberste Heeresleitung bei den Besprechungen im Großen Hauptquartier Mitte August auf den Ernst der militärischen Lage hingewiesen und die Aussichtslosigkeit einer rein militärischen Beendigung des Krieges betont. Es ist mir nicht bekannt, was darauf unsere politische Leitung zur Herbeiführung eines Friedens getan hat, der allerdings auch damals schon, wie überhaupt während des ganzen Krieges, nur um den Preis empfindlicher Zugeständnisse unsererseits, namentlich in der elsaß-lothringischen Frage, zu haben gewesen wäre. Auch für den Nahestehenden trat sichtbar nur in Erscheinung die Forcierung der Zusatzverträge zum Brester Frieden, damit verbunden die Markierung unseres guten Verhältnisses zur Bolschewikiregierung und die Belastung unseres Bundesverhältnisses zu Österreich-Ungarn und der Türkei. Auch das Weißbuch über die Vorgeschichte des Waffenstillstands gibt keinen genauen Aufschluß. Unter dem österreichischen Druck und angesichts der immer bedenklicher werdenden militärischen Lage wurde am 11. September im Großen Hauptquartier die sofortige Einleitung einer Friedensdemarche bei einer neutralen Macht beschlossen. Es wurde der Versuch gemacht, Österreich-Ungarn und die anderen Bundesgenossen zum Anschluß an einen solchen Schritt zu gewinnen. Dieser Versuch wurde durch den österreichisch-ungarischen Sonderschritt vom 14. September erledigt. Nun waren seit jener Besprechung am 13. und 14. August sechs schwere Wochen in die Welt gegangen; wir waren militärisch und politisch an den Rand des Abgrundes gedrängt. In dieser Lage trug General Ludendorff am 28. September dem Feldmarschall von Hindenburg vor, daß der Zeitpunkt gekommen sei, an die Reichsregierung die Forderung zu stellen, in sofortige Friedensverhandlungen einzutreten und zu diesem Zweck der Entente einen Waffenstillstand vorzuschlagen. Als Graf Hertling und die Staatssekretäre Graf Roedern und von Hintze am 29. September im Großen Hauptquartier mit ihren Sorgen eintrafen, sahen sie sich vor den Antrag der Obersten Heeresleitung auf sofortige Herbeiführung eines Waffenstillstands und Einleitung von Friedensverhandlungen gestellt. Graf Hertling, der mit dem Entschluß angekommen war, vom Kaiser seinen Abschied zu erbitten, trat bei den weiteren Besprechungen nicht mehr in Tätigkeit. Die beiden Staatssekretäre, die den Reichskanzler begleitet hatten, um den Kaiser von der Notwendigkeit der Neubildung der Regierung auf breitester parlamentarischer Grundlage sowie der Reform der Reichsverfassung im Sinne der demokratischen Forderungen zu überzeugen, wurden in ihrer Auffassung und Absicht durch die Eröffnungen der Obersten Heeresleitung nur bestärkt. Sie erklärten, daß ein Friedensangebot, wie es die Oberste Heeresleitung verlangte, nur von einer neuen Regierung, die vom Vertrauen des ganzen Volkes und seiner Vertretung, des Reichstages, getragen sei, gemacht werden könne; der verhängnisvolle Rückschlag, den dies von niemand in Deutschland erwartete plötzliche Ersuchen um Waffenstillstand und Frieden in der Stimmung des deutschen Volkes hervorrufen werde, könne nur ausgeglichen werden durch weitgehende demokratische Reformen, die »Revolution von unten« könne nur vermieden werden durch eine »Revolution von oben«. Die Oberste Heeresleitung und der Kaiser schlossen sich dieser Auffassung an. Am Montag, 30. September, wurde ein an Graf Hertling gerichteter Erlaß des Kaisers bekanntgegeben, in dem der Kaiser den Rücktritt des Grafen Hertling genehmigte und dann fortfuhr: »Ich wünsche, daß das deutsche Volk wirksamer als bisher an der Bestimmung der Geschicke des Vaterlands mitarbeite. Es ist daher mein Wille, daß Männer, die von dem Vertrauen des Volkes getragen sind, in weiterem Umfang teilnehmen an den Rechten und Pflichten der Regierung.« Das Reichskabinett des Prinzen Max von Baden Graf Roedern, der am Abend des 29. September zusammen mit Herrn von Hintze und einem Vertreter der Obersten Heeresleitung nach Berlin zurückreiste, erhielt vom Kaiser den Auftrag, in Berlin die für die Bildung der neuen Regierung erforderlichen Schritte zu tun. Die Initiative ging jedoch sofort in die Hände der »Mehrheitsparteien« des Reichstags über. Die den Intentionen des Kaisers entsprechende Anregung des Grafen Roedern, in der äußersten Not des Vaterlands alle Parteigegensätze zurückzustellen und durch die Bildung eines die sämtlichen großen Parteien umfassenden Koalitionskabinetts die Einheit des deutschen Volkes zum Ausdruck zu bringen, wurde kurzerhand und schroff abgelehnt. Die Mehrheitsparteien machten sich daran, ein Kabinett aus ihren Mitgliedern zu bilden. Als neuer Kanzler wurde von ihnen zunächst der bisherige Vizekanzler von Payer in Aussicht genommen. Dieser lehnte jedoch ab, sei es, weil er sich der ungeheuren Aufgabe nicht gewachsen fühlte, sei es, weil aus den Reihen seiner eigenen Parteifreunde heraus Stimmung für einen anderen Kandidaten gemacht wurde: für den Prinzen Max von Baden. Dieser war mir schon in den letzten Tagen der Kanzlerschaft des Herrn Michaelis von dem Abgeordneten Conrad Haußmann als der gegebene Reichskanzler bezeichnet worden. Er war inzwischen durch einige Reden, die er als Präsident der Badischen Ersten Kammer gehalten hatte, in der politischen Welt als ein Anhänger eines Versöhnungsfriedens und als ein Mann von liberalen Anschauungen bekannt geworden. Schon im Dezember 1917 hatte er das Wort von dem »Weltgewissen« gesprochen, das hinter unserer Kraft stehen müsse, um die Welt mit uns zu versöhnen. In einer seiner späteren Reden rief er das »Verantwortungsgefühl gegenüber der Menschheit« an, das erfordert hätte, »daß man die Hölle dieses Krieges nicht noch einmal losließ, bevor der ehrliche Versuch gemacht wurde, ob nicht die Differenzen zwischen den Kriegführenden schon so weit geschwunden sind, daß Verhandlungen sie überbrücken könnten«. Und in seiner Rede aus Anlaß der Jahrhundertfeier der badischen Verfassung bezeichnete er die »Demokratisierung« als das Ziel unserer politischen Entwicklung, mit dem Hinzufügen: »Heute enthält die Forderung nach äußerer Kraftentfaltung zugleich die Forderung nach innerer Freiheit.« Solche Worte waren eine starke Empfehlung bei den Führern der Mehrheitsparteien, die hier Geist von ihrem Geist zu spüren glaubten. In den persönlichen Unterhaltungen, die der alsbald nach Berlin gerufene Prinz mit den Parteiführern hatte, verstärkte er diesen Eindruck durch seine gewinnende Liebenswürdigkeit. Sogar die Sozialdemokraten setzten sich über ihre anfänglichen Bedenken gegen die Inaugurierung der demokratischen Epoche durch einen Prinzen und Thronfolger hinweg. Ob der Prinz die Kraftnatur sei, der allein in dem schwersten Sturm das Steuerruder des Vaterlands anvertraut werden durfte, danach fragte niemand; im Gegenteil, die sich beim ersten Gespräch aufdrängende Wahrnehmung, daß der liebenswürdige und wohlmeinende Prinz alles eher sei als eine Kraftnatur, hat wohl nicht unwesentlich dazu beigetragen, die Begeisterung für seine Kandidatur bei gewissen Führern der Mehrheitsparteien zu erhöhen. Am 3. Oktober wurde Prinz Max von Baden zum Reichskanzler und zum preußischen Minister der Auswärtigen Angelegenheiten ernannt. Der Posten des preußischen Ministerpräsidenten blieb unbesetzt! Beigegeben wurden ihm als Staatssekretäre ohne Portefeuille die Zentrumsführer Gröber und Erzberger sowie der Sozialdemokrat Scheidemann, derselbe, der vor Jahren den Verrat als die Familientradition der Hohenzollern bezeichnet hatte. Einige Tage später wurde auch der fortschrittliche Abgeordnete Conrad Haußmann, nachdem er den Posten des Unterstaatssekretärs in der Reichskanzlei abgelehnt hatte, zum Staatssekretär ohne Portefeuille ernannt. Die Staatssekretäre ohne Portefeuille, die kein bestimmtes Arbeitsbereich und damit um so mehr Zeit zum Reden und Raten hatten, bildeten zusammen mit dem Vizekanzler von Payer und dem Vizepräsidenten des preußischen Staatsministeriums, Dr. Friedberg, die ihre Ämter beibehielten, unter dem Vorsitz des Reichskanzlers das »Kriegskabinett«, das jetzt in dunkler Stunde das Schicksal Deutschlands in seine Hand nahm. Auch sonst gab es einigen Wechsel. Vor allem wurde in der Leitung des Auswärtigen Amtes Herr von Hintze, der auch durch die lebhafte Befürwortung der »Demokratisierung« in den entscheidenden Besprechungen im Großen Hauptquartier das nun einmal gegen ihn bestehende Mißtrauen nicht hatte überwinden können, durch den bisherigen Staatssekretär des Reichskolonialamts, Dr. Solf, ersetzt, der für dieses Amt manche Qualität mitbrachte, nur die eine nicht, die zur Ergänzung des neuen Kanzlers für den deutschen Außenminister in dieser Zeit doppelt nötig gewesen wäre: harte Kraft. Herrn Dr. Solf wurde als Unterstaatssekretär der sozialdemokratische Abgeordnete Dr. David beigegeben. Der Kriegsminister von Stein räumte seinen Platz dem General Scheüch. Das Reichsamt des Innern übernahm an Stelle des zurücktretenden Herrn Wallraf der Zentrumsführer Trimborn. An die Spitze des von dem Reichswirtschaftsamt abgetrennten Reichsarbeitsamts wurde ein Sozialdemokrat gestellt, der heutige Reichsministerpräsident Bauer. Zum Statthalter von Elsaß-Lothringen, dessen bundesstaatliche Autonomie einen der Punkte des zwischen dem Prinzen Max und den Mehrheitsparteien vereinbarten Programms bildete, wurde der altelsässische Bürgermeister von Straßburg, Dr. Schwander, zum Staatssekretär von Elsaß-Lothringen der elsässische Abgeordnete Hauß ernannt. Wo noch ein Nichtparlamentarier an der Spitze eines Reichsamts blieb, wurde ihm ein parlamentarischer Unterstaatssekretär zur Seite gestellt. Zu dem Programm der neuen Regierung hatten die Sozialdemokraten vorausschauend schon am 23. September das Konzept gemacht, als sie die Bedingungen festlegten, unter denen sie den Eintritt ihrer Parteimitglieder in die Regierung billigen wollten. Das Programm, zu dem Prinz Max in seiner ersten Rede vor dem Reichstag sich Punkt für Punkt ausdrücklich bekannte, enthielt: 1. Das Festhalten an der Antwort der Reichsregierung auf die Papstnote vom 1. August 1917 und das uneingeschränkte Bekenntnis zur Friedensresolution des Reichstags vom 19. Juli 1917. 2. Erklärung der Bereitschaft, einem Völkerbund beizutreten, dessen Zweck die Sicherung eines dauernden Friedens und der freien wirtschaftlichen Entfaltung der Völker sein sollte. 3. Einwandfreie Erklärung über die Wiederherstellung Belgiens und Verständigung über Entschädigung. 4. Die bisher geschlossenen Friedensverträge (Brest-Litowsk und Bukarest) dürfen kein Hindernis für den allgemeinen Friedensschluß bilden. Im Baltikum, in Litauen und Polen sind alsbald Volksvertretungen auf breitester Grundlage zu schaffen, die ihre Verfassung und ihre Beziehungen zu den Nachbarstaaten regeln. 5. Schaffung eines selbständigen Bundesstaates Elsaß-Lothringen. 6. Unverzügliche Durchführung der Wahlreform in Preußen; gleiches Anstreben solcher Reformen in denjenigen Bundesstaaten, die sie noch entbehren. 7. Einheitlichkeit der Reichsleitung, Berufung von Regierungsvertretern aus dem Parlament zur Durchführung einer einheitlichen Reichspolitik, strenge Einhaltung aller verfassungsmäßigen Verantwortlichkeiten, Beseitigung aller militärischen Einrichtungen, die der politischen Beeinflussung dienen. 8. Zum Schutze der persönlichen Freiheit, des Versammlungsrechts und der Pressefreiheit sofortige Änderung der Bestimmungen über den Belagerungszustand, Beschränkung der Zensur, Einrichtung einer politischen Kontrolle für alle Maßnahmen, welche auf Grund des Belagerungszustandes verhängt werden. Diesem Programm trat auch die nationalliberale Reichstagsfraktion nachträglich bei und gewann damit wieder ihren zeitweilig unterbrochenen Anschluß an die »Mehrheitsparteien«. Abseits standen die Konservativen und die Deutsche Fraktion auf der Rechten, die Unabhängigen Sozialdemokraten auf der Linken und schließlich die polnische Fraktion, die sich in Erwartung der kommenden Dinge alles vorbehielt. Die Bildung der neuen Regierung aus der Initiative und nach dem Willen der Reichstagsmehrheit und der Inhalt des zwischen Reichsregierung und Mehrheitsparteien festgelegten Programms sind als eine »unblutige Revolution« bezeichnet worden. Der Umschwung war in der Tat gewaltig: die Krone hatte auf die Ausübung ihrer wichtigsten politischen Befugnisse zu Händen der Parlamentsmehrheit verzichtet. Eine »Revolution« war der Umschwung zwar nicht; denn er hielt sich noch in den Bahnen des Gesetzes. Aber er war das unmittelbare Vorspiel zur wirklichen Revolution; denn er brachte Männer an die Spitze der Reichsgeschäfte, von denen ein ernstlicher Widerstand gegen den drohenden Aufruhr und Umsturz nicht zu erwarten war. Das Ersuchen um Waffenstillstand und Frieden Für den deutschen Patrioten trat jedoch dieser gewaltige Umschwung im Innern, so bedeutungsvoll und folgenschwer er sich darstellte, noch zurück hinter der alles überschattenden Schicksalsfrage: Wie sichern wir in der furchtbaren Zwangslage, in die wir durch die militärischen Ereignisse gebracht worden sind, annehmbare Bedingungen für Waffenstillstand und Frieden? Ich kam am 1. Oktober von einer kurzen Reise nach Berlin zurück. Was ich am Vormittag im Auswärtigen Amt, am Nachmittag vom Grafen Roedern über die militärische und politische Lage und über die im Werden begriffenen Entschlüsse hörte, erschütterte mich auf das tiefste. Die Darstellung ging dahin, daß wir nach den Erklärungen der Obersten Heeresleitung auf dem westlichen Kriegsschauplatz vor einer Katastrophe stünden, daß jeder Augenblick den Durchbruch des Feindes und die völlige Zertrümmerung unseres Heeres bringen könne. Unter diesen Umständen bleibe nur das von Ludendorff ungestüm verlangte sofortige Ersuchen um Waffenstillstand. Der Zusammenbruch im Innern könne nur durch die sofortige und völlige Demokratisierung unserer staatlichen Einrichtungen verhindert werden. Um auf dem sichersten und raschesten Wege den Waffenstillstand herbeizuführen, sei ein Schritt bei dem Präsidenten Wilson geplant, der unter grundsätzlicher Annahme der 14 Programmpunkte seiner Rede vom 8. Januar 1918 um seine Vermittlung gebeten werden solle. Alles in mir lehnte sich gegen den Gedanken auf, daß Hindenburg und Ludendorff mit ihrem Stab es dahin hätten kommen lassen können, daß wir jetzt unter dem Druck eines unmittelbar bevorstehenden Zusammenbruchs zum Ersuchen um sofortigen Waffenstillstand, das unter diesen Verhältnissen nur die Einleitung zur schmählichsten Kapitulation sein konnte, gezwungen sein sollten. Ich verwies auf Ludendorffs heftiges Temperament, dem er starken und mitunter übertreibenden Ausdruck zu geben liebe. Ich beschwor meine Freunde, dahin zu wirken, daß nicht unter einem vielleicht falschen Eindruck, wie ihn Ludendorffs Art bei Leuten, die ihn nicht genau kannten, leicht hervorrufen könne, in einer Panikstimmung Entschlüsse gefaßt würden, die das Verderben unentrinnbar machten. Wenn aber Ludendorff es wirklich habe dahin kommen lassen, daß wir jetzt mit dem Rücken am Abgrund um sofortigen Waffenstillstand betteln müßten, dann habe er einen solchen Mangel an Augenmaß gezeigt, daß auch sein Urteil über die jetzige Situation nicht maßgebend sein könne für die schwersten Entschlüsse, die je von der Reichspolitik zu fassen waren; dann müßten sofort und vor allem weiteren die Armeeführer darüber gehört werden, wie sie die Möglichkeit einer weiteren schrittweisen Verteidigung während der für die Verhandlungen nötigen Zeit beurteilten. Auch heute noch bin ich der Meinung, daß eine Politik, die uns vor dem Schlimmsten bewahrt hätte, damals noch möglich gewesen wäre. Der Feldmarschall von Hindenburg hat sich nach den Mitteilungen des Obersten Bauer -- was das Weißbuch vom 31. Juli 1919 nicht erwähnt -- bei den am 3. Oktober 1918 in Berlin stattgehabten Beratungen dahin ausgesprochen: »Gegenwärtig steht das deutsche Heer fest. Gezwungen wird es von Abschnitt zu Abschnitt, sich zäh an den feindlichen Boden klammernd, ausweichen. Die Dauer solcher Rückwärtsbewegungen ist nicht genau vorher zu bestimmen. Man kann aber hoffen, daß sie bis zum nächsten Frühjahr deutsches Gebiet schützen werden.« Gleichwohl blieb auch der Feldmarschall auf der Forderung der »sofortigen Herausgabe eines Friedensangebotes« bestehen; es sei keine Aussicht mehr, den Feinden den Frieden aufzuzwingen; die Lage verschärfe sich täglich und könne die Oberste Heeresleitung zu schwerwiegenden Beschlüssen zwingen; unter diesen Umständen sei es geboten, den Kampf abzubrechen, um dem deutschen Volke nutzlose Opfer zu ersparen; jeder versäumte Tag koste Tausenden von tapferen Soldaten das Leben. -- Vor allem warnte ich vor der Anrufung der Vermittlung des Präsidenten Wilson. Ich konnte diesem Manne nach allen bisher mit ihm gemachten Erfahrungen nicht das für eine solche Rolle erforderliche Maß von Unvoreingenommenheit und gutem Willen zutrauen; die 14 Punkte bedeuteten zudem für uns die sofortige Opferung Elsaß-Lothringens und unserer Ostmarken, ohne daß diese Opfer wirksam zugunsten eines sofortigen Waffenstillstandes oder Friedensschlusses ins Spiel gesetzt wurden. Im Gegenteil, die geplante Form des Ersuchens an Wilson mußte notwendigerweise Rückfragen bei uns und Rückfragen bei den Ententestaaten veranlassen und so gerade das Ziel, das die Oberste Heeresleitung anscheinend in allererster Linie erstrebte, den Abschluß eines Waffenstillstandes in den allernächsten Tagen, vereiteln. Wenn die Lage tatsächlich so aussichtslos sei, daß sie schmerzliche Opfer von uns erfordere, z. B. Zugeständnisse in bezug auf Elsaß-Lothringen, so müsse ich es für den einzig richtigen Weg halten, diese Opfer unmittelbar gegenüber den an erster Stelle interessierten Kriegführenden möglichst wirksam ins Spiel zu setzen; das habe allerdings zur Voraussetzung, daß hinter das Angebot solcher Zugeständnisse von vornherein die unbeugsame Entschlossenheit gestellt werde, nötigenfalls auf jede Gefahr hin weiterzukämpfen und unsere Feinde für alles, was sie über unsere Zugeständnisse hinaus von uns erkämpfen wollten, einen Preis von Blut und Trümmern zahlen zu lassen, dessen Höhe ihren Völkern die Augen öffnen müsse. In der Nacht zum 4. Oktober ließ der neue Reichskanzler an die Schweizer Regierung folgende Note zur Übermittlung an die Regierung der Vereinigten Staaten abgehen: »Die deutsche Regierung ersucht den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, die Herstellung des Friedens in die Hand zu nehmen, alle kriegführenden Staaten von diesem Ersuchen in Kenntnis zu setzen und sie zur Entsendung von Bevollmächtigten zwecks Aufnahme der Verhandlungen einzuladen. Sie nimmt das von dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika in der Kongreßbotschaft vom 8. Januar 1918 und in seinen späteren Kundgebungen, namentlich vom 27. September, aufgestellte Programm als Grundlage für die Friedensverhandlungen an. Um weiteres Blutvergießen zu vermeiden, ersucht die deutsche Regierung, den sofortigen Abschluß eines allgemeinen Waffenstillstandes zu Lande, zu Wasser und in der Luft herbeizuführen.« Die besondere Bezugnahme auf Wilsons Rede vom 27. September 1918 in der um Waffenstillstand und Friedensverhandlungen bittenden Note macht es nötig, darauf hinzuweisen, daß der Präsident in dieser Rede unter anderem gesagt hatte: »Wir sind uns alle einig darüber, daß es keinen Frieden geben darf, der durch irgendeine Art von Handel oder Kompromiß mit den Regierungen der Mittelmächte erreicht wird... Sie haben uns davon überzeugt, daß sie ohne Ehre sind und nicht Gerechtigkeit wollen. Sie beobachten keine Verträge und erkennen keinen Grundsatz an als den der Gewalt und ihres eigenen Interesses... Dem deutschen Volk muß jetzt klar geworden sein, daß wir nicht den Worten derjenigen trauen können, die uns diesen Krieg aufgezwungen haben.« Faustschläge in das deutsche Gesicht! Aber die neue deutsche Regierung nahm in ihrer Note an den Mann, der diese Faustschläge ausgeteilt hatte, ausdrücklich auch die Rede vom 27. September als »Grundlage für Friedensverhandlungen« an. Man kann sich ausmalen, in welchen Respekt sie sich damit bei dem Empfänger der Note setzte! Prinz Max brachte die Note an den Präsidenten Wilson in seiner Rede vom 5. Oktober zur Kenntnis des Reichstags und des deutschen Volkes. Zur Begründung führte er aus, er habe diesen Schritt bei dem Präsidenten Wilson getan, weil das von diesem aufgestellte Programm für den allgemeinen Frieden von uns als Verhandlungsgrundlage angenommen werden könne, und weil die »auf das künftige Glück der Völker« gerichteten Gedanken, die Herr Wilson verkünde, »sich völlig mit den allgemeinen Vorstellungen im Einklang befinden, in denen sich auch die neue deutsche Regierung und mit ihr die weit überwiegende Mehrheit des deutschen Volkes bewegt«. Er machte einen Versuch, mit dem Ersuchen an Wilson einen Anschein der Entschlossenheit zu verbinden: Er wisse, daß das Ergebnis seiner ersten Handlung, wie es auch ausfallen möge, Deutschland fest entschlossen und einig finden werde sowohl zu einem redlichen Frieden als auch zu dem Endkampf auf Leben und Tod, zu dem unser Volk ohne eigenes Verschulden gezwungen wäre, wenn die Antwort der mit uns im Kriege stehenden Mächte von dem Willen, uns zu vernichten, diktiert sein sollte. Noch am 22. Oktober sprach der Reichskanzler Prinz Max im Reichstag die Worte: »Wer sich ehrlich auf den Boden des Rechtsfriedens gestellt hat, der hat zugleich die Pflicht übernommen, sich nicht kampflos einem Gewaltfrieden zu beugen. Eine Regierung, die hierfür kein Empfinden hat, wäre der Verachtung des kämpfenden und arbeitenden Volkes preisgegeben.« Auch der Führer der Sozialdemokraten, Herr Ebert, bekannte sich in der gleichen Reichstagssitzung angesichts der Möglichkeit, daß »die Herrschenden der feindlichen Länder uns einen bedingungslosen Frieden aufzwingen wollten«, zu der »Politik der Landesverteidigung, heute, wie am 4. August 1914, getreu uns selbst, getreu unserem Volke und seiner Zukunft«. Aber hinter diesen Worten des Kanzlers und des Sozialistenführers wie hinter ähnlichen Worten der anderen Mehrheitsparteiler stand keine Kraft und keine Tat. Alle die wunderbaren Volkskräfte, die nach den Worten der »Frankfurter Zeitung« durch die demokratischen Reformen entfesselt werden sollten, entfesselt zur Rettung des Vaterlandes, blieben ungenutzt. Die neue Volksregierung tat nichts, um das Volk aufzurütteln, nichts, um das Volk zur Verteidigung seiner höchsten Güter zu führen. Im Gegenteil! Die neuen Herren wendeten ihr ganzes Interesse den »inneren Reformen« zu, und die Leitung unserer auswärtigen Politik tat das Schlimmste, was sie tun konnte: in einer Lage, in der nur eine rasche Entscheidung uns die Möglichkeit wahren konnte, Volk und Heer zusammenzuhalten und zu einem letzten Kampf um Freiheit und Dasein zu entflammen, setzte sie Volk und Heer fünf lange Wochen hindurch der Zermürbung aus, indem sie mit Wilson einen Notenaustausch führte, der an Kläglichkeit in der Weltgeschichte wohl kaum seinesgleichen hat. Die unerhörtesten Demütigungen wurden höflich quittiert und Schritt für Schritt wurde in ständigem Zurückweichen als Voraussetzung für Waffenstillstands-Verhandlungen alles zugestanden, was äußerstenfalls Inhalt des Waffenstillstandsvertrages hätte sein dürfen; ja mehr als das! Ganz besonders verheerend auf die moralische Kraft des Volkes mußte die Tatsache wirken, daß die Organe der jetzt die Geschicke des Reiches lenkenden Mehrheitsparteien sich zur eigenen Deckung öffentlich darauf beriefen, daß die Oberste Heeresleitung die militärische Lage als aussichtslos ansehe und mit allem Nachdruck auf der sofortigen Herbeiführung des Waffenstillstandes bestehe. Der Notenwechsel mit Wilson Schon in seiner ersten Antwort auf unser Ersuchen, die am 8. Oktober erteilt wurde, verlangte Herr Wilson die Bestätigung dafür, daß die deutsche Regierung die in seiner Kongreßbotschaft vom 8. Januar 1918 und seinen folgenden Kundgebungen aufgestellten Bedingungen in dem Sinne annehme, daß der Zweck der Verhandlungen nur die Verständigung über die praktischen Einzelheiten ihrer Anwendung sein würde. Diese Bestätigung wurde von der deutschen Regierung in ihrer Antwort vom 12. Oktober gegeben. Damit war die Illusion zerstört, daß Herr Wilson mit der Benutzung seines Programms als »Grundlage der Friedensverhandlungen« zufrieden sein und über einzelne Punkte mit sich reden lassen werde. Ja, nach der von Herrn Wilson verlangten Bestätigung mußte man damit rechnen, daß er auch das Recht der Auslegung seiner sich keineswegs durch kristallene Klarheit auszeichnenden Leitsätze für sich allein beanspruchen werde. Der Präsident verlangte ferner in seiner Antwort vom 8. Oktober als Voraussetzung für die Weitergabe des Vorschlags eines Waffenstillstandes an seine Verbündeten die Räumung der sämtlichen von den Truppen der Mittelmächte noch besetzten Gebiete. Die deutsche Regierung erklärte sich auch hierzu bereit. Die elementarste Klugheit hätte erfordert, diese Räumung nicht als Voraussetzung für Waffenstillstandsverhandlungen, sondern höchstens als Bedingung des Waffenstillstandes zuzugestehen. Hätten wir unsere Feinde damals noch vor die Wahl zwischen der kampflosen Preisgabe der besetzten Gebiete und deren Verwüstung durch einen im zähesten Ringen erfolgenden Rückzug gestellt, so hätte sich auch bei unseren Feinden manche Stimme für einen billigen Waffenstillstand geregt, die sich jetzt gestatten konnte, zu schweigen. Der Präsident fragte schließlich an, ob der Kanzler nur für diejenigen Gewalten des Reiches spreche, die bisher den Krieg geführt hätten. Gemeint waren offenbar der Kaiser und die Oberste Heeresleitung. Die deutsche Antwort verwies auf den parlamentarischen Charakter der Regierung des Prinzen Max. Der Reichskanzler spreche im Namen der deutschen Regierung und des deutschen Volkes. Der Deutsche Kaiser, der doch immerhin auch noch ein Faktor im deutschen Verfassungsleben war, wurde unterschlagen. Herr Wilson nahm zu der deutschen Antwort vom 12. Oktober in einer weiteren Note seines Staatsdepartements vom 14. Oktober Stellung. Er stellte zunächst die »uneingeschränkte Annahme« der von ihm in seinen Botschaften niedergelegten Bedingungen fest. Er erklärte ferner, daß die Modalitäten der Räumung der besetzten Gebiete sowie die Bedingungen des Waffenstillstandes Angelegenheiten seien, die »dem Urteil und dem Rat der militärischen Berater der Regierung der Vereinigten Staaten und der Alliierten überlassen werden müßten« und daß er und die mit ihm verbündeten Regierungen keine Regelung annehmen würden, »die nicht völlig befriedigende Sicherheiten und Bürgschaften für die Fortdauer der gegenwärtigen militärischen Überlegenheit der Armeen der Vereinigten Staaten und der Alliierten an der Front schafft«. Weiter verlangte er als Voraussetzung für einen Waffenstillstand die Einstellung des U-Bootkriegs und das Unterlassen der angeblichen »unmenschlichen Handlungen, Plünderungen und Verwüstungen«, die sich die deutschen Heere auf ihrem Rückzuge in Flandern und Frankreich zuschulden kommen ließen. Schließlich wurde der Präsident deutlicher in seinen den Deutschen Kaiser und die deutsche Verfassung betreffenden Forderungen. Er verwies auf seine Worte vom 4. Juli 1918, in denen er als Programmpunkt für den Frieden aufgestellt hatte: »Die Vernichtung jeder willkürlichen Macht überall, die für sich, geheim und nach eigenem Belieben den Frieden der Welt stören kann, oder -- wenn sie jetzt nicht vernichtet werden kann -- mindestens ihre Herabminderung zu tatsächlicher Machtlosigkeit.« Die Macht, die bisher die deutsche Nation beherrscht habe, so führte er jetzt aus, sei von der hier beschriebenen Art. Die deutsche Nation habe die Wahl, dies zu ändern. Das sei natürlich eine Bedingung, die vor dem Frieden erfüllt sein müsse, wenn der Friede durch das Vorgehen des deutschen Volkes selbst kommen solle. Diese Note erklärte uns also klipp und klar, daß uns die Waffenstillstandsbedingungen von den militärischen Autoritäten unserer Feinde diktiert werden würden, und zwar in einem Sinne, daß sie uns wehrlos machten. Als weitere Vorleistung unsererseits neben der bereits zugesagten Räumung der besetzten Gebiete verlangte sie die Einstellung des U-Bootkriegs, natürlich ohne dafür die Einstellung der völkerrechtswidrigen Handels- und Hungerblockade, die den U-Bootkrieg herausgefordert hatte, in Aussicht zu stellen. Schließlich verlangte sie die Abschaffung oder völlige Entrechtung der kaiserlichen Gewalt; dies als Forderungen eines Präsidenten, der erheblich mehr an Machtbefugnissen besaß, als dem Deutschen Kaiser nach den inzwischen durchgeführten oder eingeleiteten Verfassungsänderungen noch verblieb. Wir standen vor dem Biegen oder Brechen. Wenn jetzt die deutsche Regierung weiter nachgab und sich weiter demütigte, dann war Volk und Heer nicht mehr zu halten, dann mußte auch der Tapferste sich fragen: Wofür noch kämpfen und wofür noch leiden? Ich versuchte in jenen entscheidenden Tagen wiederholt, den Prinzen Max und den Staatssekretär des Auswärtigen zu sprechen und ihnen meine Ansicht vorzutragen. Als mir dies nicht gelang, wandte ich mich schriftlich an Herrn Dr. Solf und schlug ihm vor, Herrn Wilson etwa in folgendem Sinn zu antworten: Nachdem über die Friedensbedingungen auf Grund des von Herrn Wilson selbst verkündeten Programms eine grundsätzliche Einigung erzielt sei, habe die Fortsetzung des Menschenmordens jede Rechtfertigung verloren; sie sei unsinnig und verbrecherisch. Der deutschen Regierung, die ihre Hände frei von diesem Verbrechen zu halten wünsche, komme es darauf an, zu erfahren, ob die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten auf Grund der über die Friedensbedingungen erzielten Einigung und der sonstigen von der deutschen Regierung gegebenen Zusagen und Aufklärungen bereit seien, alsbald in Waffenstillstandsverhandlungen einzutreten oder nicht. Sie müsse Wert darauf legen, auf diese Frage ohne Verzug eine klare Antwort zu erhalten, um danach ihre Dispositionen zu treffen. Über die an Herrn Wilson zu erteilende Antwort wurden im Kriegskabinett unter Zuziehung des Generals Ludendorff und des Chefs des Admiralstabs, des Admirals Scheer, eingehende Beratungen gepflogen. Bei diesen Beratungen erklärte General Ludendorff, daß sich die militärische Lage gebessert habe, daß er die Gefahr einer unmittelbaren Katastrophe nicht als gegeben erachte, daß die Verteidigung mit Aussichten auf Erfolg fortgesetzt werden könne und daß eine bedingungslose Unterwerfung unter allen Umständen abgelehnt werden müsse. Gegen die von Wilson verlangte Einstellung des U-Bootkriegs sprach sich Ludendorff mit Entschiedenheit aus; ebenso der Admiral Scheer. Aber von der Mehrzahl der Mitglieder des Kriegskabinetts wurde die Besserung der militärischen Lage, die übrigens auch von unseren Feinden zugegeben werden mußte, mit starken Zweifeln aufgenommen. Noch lange hinterher wurde gegen den General Ludendorff der Vorwurf erhoben, daß er bei jenen Beratungen nun mit einem Mal die Situation an der Westfront günstiger dargestellt habe als drei Wochen zuvor. Jedenfalls kam das Kriegskabinett über das Votum Ludendorffs und Scheers hinaus zu dem Beschluß, auch den neuen Forderungen Wilsons zu entsprechen. Auch eine eindringliche Vorstellung, die der Feldmarschall von Hindenburg noch in der Nacht zum 20. Oktober unternahm und in der er insbesondere seine Zustimmung zu der Einstellung des U-Bootkriegs ausdrücklich verweigerte, vermochte den Entschluß des Kriegskabinetts nicht zu ändern. Vergeblich hatte Hindenburg die Frage gestellt: »Will das deutsche Volk um seine Ehre nicht nur in Worten, sondern tatsächlich bis zum letzten Mann kämpfen und sich damit die Möglichkeit des Widerstehens sichern, oder will es sich zu der Kapitulation und damit zum Untergang =vor= der äußersten Kraftanstrengung drängen lassen?« Die deutsche Antwortnote vom 20. Oktober enthielt die erneute Bitte, Herr Wilson möchte zur Regelung der Einzelheiten der Räumung der besetzten Gebiete Gelegenheit schaffen, und sprach dabei das Vertrauen aus, der Präsident werde keine Forderung gutheißen, »die mit der Ehre des deutschen Volkes und der Anbahnung eines Friedens der Gerechtigkeit unvereinbar sein würde«. Daß die =deutsche Regierung= keine solche Forderung gutheißen würde, wagte man bereits nicht mehr auszusprechen. Die Note enthielt ferner eine lahme Verwahrung gegen den von Wilson gegen die deutschen Land- und Seestreitkräfte erhobenen Vorwurf ungesetzlicher und unmenschlicher Handlungen. »Wo trotzdem Ausschreitungen vorkommen, werden die Schuldigen bestraft.« Die deutsche Regierung schlage vor, den Sachverhalt durch neutrale Kommissionen aufklären zu lassen. »Um alles zu verhüten, was das Friedenswerk erschweren könnte, sind auf Veranlassung der deutschen Regierung an sämtliche U-Bootkommandanten Befehle ergangen, die eine Torpedierung von Passagierschiffen ausschließen.« -- In Wirklichkeit war die völlige Einstellung des U-Bootkriegs gegen Handelsschiffe angeordnet worden. -- Die Note machte ferner dem Präsidenten Wilson Mitteilungen über den »grundlegenden Wandel«, der im deutschen Verfassungsleben eingetreten sei; die neue Regierung sei in völliger Übereinstimmung mit den Wünschen der Volksvertretung aus den Führern der großen Reichstagsparteien gebildet, und auch künftig werde keine Regierung ihr Amt antreten oder weiterführen können, ohne das Vertrauen der Mehrheit des Reichstags zu besitzen. Die Verantwortung des Reichskanzlers gegenüber der Volksvertretung werde gesetzlich ausgebaut und sichergestellt. Die erste Tat der neuen Regierung sei eine Vorlage gewesen, die zur Entscheidung über Krieg und Frieden die Zustimmung der Volksvertretung erforderlich mache. Das Friedens- und Waffenstillstandsangebot gehe also aus von einer Regierung, die, frei von jedem willkürlichen und unverantwortlichen Einfluß, getragen werde von der Zustimmung der überwältigenden Mehrheit des deutschen Volkes. Nun endlich erklärte der Präsident Wilson in einer weiteren Note vom 23. Oktober, daß er auf Grund der von der deutschen Regierung abgegebenen Erklärungen glaube, es nicht ablehnen zu können, mit den Regierungen seiner Verbündeten die Frage eines Waffenstillstandes aufzunehmen. Mit Zugeständnissen von kaum hoch genug zu veranschlagendem Gewicht, die wertvolle Trümpfe in den Verhandlungen über die Bedingungen eines Waffenstillstandes hätten sein können, und um den Preis von Demütigungen, die im deutschen Volk die letzte Widerstandskraft zerstören mußten, hatte die deutsche Regierung nun also erreicht, was sie am ersten Tage hätte haben können, wenn sie sich mit bestimmten Vorschlägen direkt an die Kriegführenden gewandt hätte. Aber Herr Wilson legte Wert darauf, jede Illusion gründlich zu zerstören. Er eröffnete uns, daß nur ein Waffenstillstand in Frage kommen könne, der unsere Feinde »in der Lage beließe, jede zu treffende Vereinbarung zu erzwingen und eine Erneuerung der Feindseligkeiten deutscherseits unmöglich zu machen«. Das hieß Übergabe auf Gnade und Ungnade. Es war bitterer Hohn, wenn der Präsident hinzufügte, die Annahme eines solchen Waffenstillstandes durch Deutschland werde der beste Beweis dafür sein, daß Deutschland die Grundbedingungen und Grundsätze der ganzen Friedensaktion unzweideutig annehme. Im übrigen zeigte sich der Präsident mit den ihm notifizierten deutschen Verfassungsänderungen noch nicht befriedigt; er müsse es offen aussprechen, daß die Völker der Welt kein Vertrauen in die Worte derjenigen setzten, die bisher die Herren der deutschen Politik gewesen seien, und daß beim Friedensschluß die Vertreter der Vereinigten Staaten einzig und allein mit echten Vertretern des deutschen Volkes würden verhandeln können. »Wenn die Vereinigten Staaten jetzt mit den militärischen Beherrschern Deutschlands und monarchischen Autokraten verhandeln sollen, werden sie nicht Friedensverhandlungen, sondern Übergabe verlangen.« Als Antwort schlugen Hindenburg und Ludendorff den Abbruch der Verhandlungen vor. Unser Heer stehe unbesiegt auf feindlichem Boden und dürfe nicht kapitulieren. Hindenburg erklärte in einer Besprechung am 25. Oktober: »Wir sind über den Berg gekommen.« Die deutsche Antwort vom 27. Oktober lautete jedoch: »Der Präsident kennt die tiefgreifenden Wandlungen, die sich in dem deutschen Verfassungsleben vollzogen haben und vollziehen. Die Friedensverhandlungen werden von einer Volksregierung geführt, in deren Händen die entscheidenden Machtbefugnisse tatsächlich und verfassungsmäßig ruhen. Ihr sind auch die militärischen Gewalten unterstellt. Die deutsche Regierung sieht nunmehr den Vorschlägen für einen Waffenstillstand entgegen, der einen Frieden der Gerechtigkeit einleitet, wie ihn der Präsident in seinen Kundgebungen gekennzeichnet hat.« Das Schlußstück in diesem Notenwechsel war die Rückäußerung des Präsidenten Wilson in der Note vom 5. November. Der Präsident teilte mit, daß er den Notenwechsel den mit den Vereinigten Staaten verbundenen Regierungen mitgeteilt habe; darauf habe er ein Memorandum der alliierten Regierungen erhalten, in dem es heiße: »Die alliierten Regierungen erklären mit den folgenden Einschränkungen ihre Bereitschaft zum Friedensschluß mit der deutschen Regierung auf Grund der Friedensbedingungen, die in der Ansprache des Präsidenten Wilson an den Kongreß vom 8. Januar 1918, sowie der Grundsätze, die in seinen späteren Ansprachen niedergelegt sind.« Die Einschränkungen bezogen sich auf Wilsons Forderung der Freiheit der Meere, hinsichtlich deren sich die alliierten Mächte alles vorbehalten müßten; ferner auf die Wiederherstellung der besetzten Gebiete, worunter sie verstehen wollten, »daß Deutschland für allen durch seinen Angriff zu Land, zu Wasser und in der Luft der Zivilbevölkerung und ihrem Eigentum zugefügten Schaden Ersatz leisten soll«. Der Präsident fügte hinzu, daß nunmehr der Marschall Foch von der Regierung der Vereinigten Staaten und den alliierten Regierungen ermächtigt worden sei, »Vertretern der deutschen Regierung die Waffenstillstandsbedingungen mitzuteilen«. Am 6. November reisten die deutschen Bevollmächtigten unter Führung des Staatssekretärs Erzberger nach dem Großen Hauptquartier, um sich von dort an den von dem General Foch zu bestimmenden Verhandlungsort zu begeben. Inzwischen hatte der General Ludendorff seinen Abschied eingereicht und war am 26. Oktober zur Disposition gestellt worden. Zu seinem Nachfolger war der General Gröner ernannt worden, der sich bei den Beratungen über das Hilfsdienstgesetz das besondere Wohlwollen der Mehrheitsparteien erworben hatte. Die Kapitulation unserer Verbündeten Österreich-Ungarn und die Türkei hatten sich unserm Schritt vom 5. Oktober bei dem Präsidenten Wilson angeschlossen. Herr Wilson hatte jedoch den weiteren Notenwechsel ausschließlich mit Deutschland geführt und bekanntgeben lassen, daß er mit unseren Bundesgenossen einzeln und für sich die Friedensangelegenheit behandeln werde. Ehe Herr Wilson überhaupt an Österreich-Ungarn eine Antwort erteilte, hatte Kaiser Karl sich veranlaßt gesehen, einen Schritt zu tun, der die Auflösung der Donaumonarchie einleitete. Am 17. Oktober hatte er ein Manifest erlassen, überschrieben: »An meine getreuen österreichischen Völker.« In diesem Manifest führte er aus, der Neuaufbau Österreichs müsse auf zuverlässigen Grundlagen in Angriff genommen und dabei müßten die Wünsche der Völker untereinander in Einklang gebracht werden; er sei entschlossen, dieses Werk unter Mitwirkung der Völker und im Geiste des Friedensangebots der Mittelmächte durchzuführen. Demgemäß solle Österreich in einen Bundesstaat umgewandelt werden; dem Anschluß der polnischen Gebiete an ein unabhängiges Polen solle damit nicht vorgegriffen werden; Triest mit seinem Gebiet werde eine Sonderstellung erhalten. Der österreichische Kaiser beeilte sich also, Herrn Wilsons möglichen Wünschen in bezug auf die Selbstbestimmung der Völker zuvorzukommen. Aber er wurde grausam enttäuscht. Einmal waren seine »getreuen Völker« so wenig mehr getreu, daß ihre Vertreter zu der Obmännerkonferenz, in der das Programm des Manifestes durch den Ministerpräsidenten erläutert werden sollte, größtenteils überhaupt nicht erschienen: die Tschechen, Polen und Südslawen blieben fern. Dann aber sandte der Präsident Wilson um dieselbe Zeit, in der Kaiser Karl sein Manifest erließ, endlich seine Antwortnote auf das österreichisch-ungarische Friedensersuchen ab: das Todesurteil für die Donaumonarchie. Er, der Präsident Wilson, könne auf die Vorschläge der Wiener Regierung nicht eingehen; denn seit seiner Kongreßbotschaft vom 8. Januar habe die Regierung der Vereinigten Staaten die Tschecho-Slowaken als kriegführende Macht und den tschecho-slowakischen Nationalrat als kriegführende Regierung anerkannt; desgleichen habe sie in der weitestgehenden Weise die Gerechtigkeit der nationalen Bestrebungen der Jugoslawen anerkannt. Die bloße Autonomie der österreichischen Völker sei mithin als Grundlage für den Frieden überholt. Diese Völker selbst müßten jetzt Richter darüber sein, wie ihre Aspirationen als Mitglieder der Familie der Nationen befriedigt werden könnten. Die folgenden Tage brachten die Proklamation selbständiger Staaten der Tschecho-Slowaken, der Südslawen und der Ruthenen. Die Deutsch-Österreicher folgten dem Beispiel und proklamierten in einer Vollversammlung aller deutschen Reichsratsabgeordneten am 21. Oktober den Staat Deutsch-Österreich. Die Auflösung und das Chaos waren da. In Budapest legte Herr Wekerle, in Wien Herr von Hussarek das Ministerpräsidium nieder. Ebenso trat Graf Burian als Minister des Auswärtigen zurück. Zu seinem Nachfolger ernannte der Kaiser den Grafen Julius Andrassy, obwohl für einen »gemeinsamen Minister des Äußeren« bei dem offenkundigen Zerfall der Monarchie kein Raum mehr war. Die einzige Amtshandlung des Grafen Andrassy war der Verrat an dem deutschen Bundesgenossen. In einer Note vom 28. Oktober an die Regierung der Vereinigten Staaten teilte er die Zustimmung der »österreichisch-ungarischen Regierung« zu der Auffassung Wilsons über die Rechte der Völker Österreich-Ungarns, speziell der Tschecho-Slowaken und der Jugoslawen, mit und schloß daran die Erklärung der Bereitwilligkeit, »ohne das Ergebnis anderer Verhandlungen abzuwarten«, in Verhandlungen über den Frieden und über einen sofortigen Waffenstillstand an allen Fronten Österreich-Ungarns einzutreten. Dieses Angebot eines Sonderfriedens und eines Sonderwaffenstillstandes wurde ohne vorherige Vereinbarung mit Deutschland, ja ohne vorherige Verständigung des deutschen Botschafters und der Reichsregierung abgesandt. So wurde das von dem Vater Andrassy gezeichnete Bündnis zwischen den beiden Reichen durch den Sohn Andrassy in der Stunde höchster Not, die höchste Treue gefordert hätte, zerrissen. Die Donaumonarchie wurde durch diesen Verrat nicht gerettet, ihr Untergang wurde nur besiegelt. Überall flammte die Revolution auf. Arbeiter- und Soldatenräte wurden gebildet, die sich der öffentlichen Gewalt zu bemächtigen suchten. In Budapest wurde am 31. Oktober die Republik ausgerufen und der frühere Ministerpräsident Graf Tisza, der stärkste Mann der ehemaligen Donaumonarchie, ermordet. Am 3. November kam der von dem Grafen Andrassy nachgesuchte Waffenstillstand zwischen Österreich-Ungarn und den Alliierten zustande. Er war in der Sache eine bedingungslose Kapitulation. Die Unterwerfung ging so weit, daß den Alliierten das unbedingte Recht eingeräumt wurde, alle Straßen, Wasserwege, Eisenbahnen und Transportmittel Österreich-Ungarns für die freie Bewegung ihrer Truppen zu benutzen, also auch zu einem Aufmarsch gegen Deutschland; daß ferner die Internierung der deutschen Truppen zugestanden wurde, die Österreich-Ungarn nicht innerhalb der unmöglich einzuhaltenden Frist von fünfzehn Tagen verlassen haben sollten. Die Türkei war mit der Kapitulation um drei Tage, Bulgarien um mehrere Wochen vorangegangen. Das Ende Deutschland war jetzt auf sich allein gestellt. Aber auch Deutschland war in seinen Grundfesten erschüttert. Die seit den schwarzen Tagen am Ende des September verflossenen fünf Wochen hatten im deutschen Volke in Heer und Heimat den letzten Rest von Widerstandskraft gebrochen. Zwar wurden jetzt im Sturmwind der Zeit alle Blütenträume der Demokraten Wirklichkeit. Das gleiche Wahlrecht in Preußen war gesichert, nachdem auch die konservativen Parteien in Rücksicht auf die Lage des Vaterlands ihren Widerstand aufgegeben hatten. Die Reichstagsabgeordneten durften ohne Verlust ihres Mandats Mitglieder der Reichsleitung werden. Die Verantwortlichkeit des Reichskanzlers und seiner Stellvertreter, der Staatssekretäre, gegenüber dem Reichstag wurde unzweideutig und einwandfrei festgelegt. Dem Reichstag wurde das volle Mitbestimmungsrecht bei den Entscheidungen über Krieg und Frieden gegeben. Die mit der Handhabung des Belagerungszustandes betrauten militärischen Befehlshaber wurden in ihren Maßnahmen und Anordnungen an die Zustimmung des Reichskanzlers oder dessen für diese Geschäfte bestellten Stellvertreters gebunden. Die verfassungsmäßige Verantwortlichkeit der Kriegsminister für die Verwaltung ihrer Kontingente wurde festgelegt. Darüber hinaus wurde eine weitgehende Amnestie für die wegen politischer Verbrechen oder Vergehen verurteilten Personen erlassen. Unter anderen wurden Karl Liebknecht und der Abgeordnete Dittmann in Freiheit gesetzt. »Manchem von ihnen« -- sagte der Prinz Max am 22. Oktober im Reichstag -- »hat die Regierung die Gnade erst nach Überwindung ernster vaterländischer Sorgen vermittelt. Die Überzeugung von der Heilkraft einer Politik des Vertrauens hat den Ausschlag gegeben.« Diese »Politik des Vertrauens« hat nach innen nicht minder Schiffbruch gelitten wie nach außen. Denn diese »Politik des Vertrauens« war nach innen wie nach außen nichts anderes als eine Politik der Schwäche und der Illusionen. Für die nationale Verteidigung, das höchste Gebot der Stunde, wurde durch alle diese Volksrechte nichts gewonnen; ja es wurde von den neuen Machthabern durch ihre Behandlung der innen- und außenpolitischen Dinge geradezu jeder patriotische Aufschwung im Keim erstickt. Dagegen wurden die letzten Dämme gegen die revolutionäre Flut, die bereits die Grundmauern des Reiches unterspülte, hinweggeräumt und allen zerstörenden Kräften die Bahn freigemacht. Die aus den Gefängnissen befreiten Propheten des gewaltsamen Umsturzes begaben sich, umstrahlt von der Glorie des Märtyrertums, erneut an ihre Arbeit und predigten öffentlich die Revolution. Der rote Generalstab in der russischen Botschaft entfaltete mit russischen Agitatoren und russischem Gelde eine fieberhafte Tätigkeit. Das Bewußtsein, daß niemand mehr es wagen würde, einem revolutionären Ausbruch tatkräftig entgegenzutreten, drang in die Massen des Volkes und der bewaffneten Macht. Der Boden war für die revolutionäre Saat auf das beste bereitet. Die schweren Opfer und Leiden des Krieges, die Überspannung der Kräfte gegen eine Welt hatten das Volk moralisch und physisch mehr und mehr zermürbt. Das Vertrauen in die staatlichen Autoritäten, die sich den unerhört schweren Anforderungen der Zeit nicht gewachsen gezeigt hatten, war schwer erschüttert. Die bewußt revolutionäre Wühlarbeit hatte auch bei Parteien, die auf dem Boden der Staatsordnung standen, allzu bereite Unterstützung gefunden. Die allzu oft deutlich herausgekehrte scharfe Kritik der Männer der Obersten Heeresleitung an den Personen und Maßnahmen der Zivilregierung hatte zweifellos dazu beigetragen, die Achtung vor den staatlichen Behörden zu untergraben. Nun kam, für die große Masse des Volkes wie der Blitz aus heiterem Himmel, der Sturz von der Höhe unserer militärischen Erfolge in den Abgrund der Niederlage. Volk und Heer waren gegenüber diesem Sturz völlig unvorbereitet. Die Heeresberichte hatten zwar für den Urteilsfähigen, der sie Tag für Tag in Kenntnis der Verhältnisse auf der Karte verfolgte, nicht aber für die große Masse des Volkes den verhängnisvollen Umschwung in seiner ganzen Schwere erkennen lassen. Die große Masse des Volkes aber lebte noch in den Hoffnungen der großen Siege des Frühjahrs, und es klangen jedermann noch die stolzen und zuversichtlichen Worte im Ohr, die er bis in die letzte Zeit von unseren Heerführern gehört hatte. Mit dem plötzlichen und furchtbaren Rückschlage sank die einzige große Autorität in den Staub, auf die das Volk während des ganzen Krieges ein unbeschränktes Vertrauen gesetzt hatte. Dazu machte sich jetzt die verheerende Wirkung der Friedenspropaganda geltend, wie sie unter der Führung der Mehrheitsparteien des Reichstags -- von den Unabhängigen Sozialdemokraten ganz zu schweigen! -- seit der Mitte des Jahres 1917 betrieben worden war. Mit allen Mitteln war in Volk und Heer der Wahn großgezüchtet worden, wir könnten längst einen ehrenhaften Frieden haben, wenn nicht die übertriebenen Kriegsziele der Alldeutschen und der Militärs, denen der Kaiser sich anschließe und die Reichsleitung sich unterwerfe, hindernd im Wege ständen. Ein Erzberger, dessen Kredit durch den militärischen Rückschlag stark gehoben wurde, hatte sich anheischig gemacht, in einer kurzen Unterredung mit Lloyd George den Frieden herbeizuführen. Da mußte es doch wohl an der Untüchtigkeit oder dem bösen Willen der Regierenden liegen, wenn der Friede trotzdem nicht gekommen war! Der ganze Groll des leidenden und hungernden Volkes war von den Einbläsern der öffentlichen Meinung, statt gegen die Unerbittlichkeit unserer Feinde, gegen die Unersättlichkeit der Annexionisten und Kriegsgewinnler des eigenen Landes gelenkt worden. Diese verhängnisvolle Stimmung wurde dadurch noch gesteigert, daß gewissenlose Agitatoren und verblendete Flagellanten das Gift des Zweifels an der Reinheit und Gerechtigkeit unserer Sache in die Herzen des Volkes träufelten. In Handzetteln und Flugblättern, in durchsichtigen Andeutungen und allmählich auch in offener Rede wurde die deutsche Regierung und wurde vor allem der Kaiser beschuldigt, den Krieg herbeigeführt zu haben. Der Elende, der bald nach Kriegsbeginn in feiger Anonymität und im sicheren Schutz eines neutralen Landes mit seinem »J'accuse« als falscher Ankläger gegen das eigene Vaterland aufgetreten war, fand immer mehr Nachahmer und Gläubige. Das alles erzeugte den verhängnisvollen Wahn, daß wir uns nur zur deutschen »Schuld« zu bekennen, die Hand gegen die »Schuldigen« zu erheben und die Waffen niederzulegen brauchten, um unsere Feinde zu versöhnen und einen gerechten Frieden herbeizuführen. Die feindlichen Staatsmänner und die feindliche Presse wußten diesen Wahn vortrefflich zu nähren und zu züchten. Vor allem waren die Worte des Präsidenten Wilson raffiniert darauf berechnet, das deutsche Volk gegen seine »Machthaber« aufzureizen und ihm den Frieden der Völkerversöhnung zu verheißen, wenn es sich nur seiner »militärischen Herren und monarchischen Autokraten« entledigen, seine Waffen niederlegen und seine Sache vertrauensvoll dem hohen Gerechtigkeitssinn seiner Feinde übergeben wollte. Es verschlug nichts, daß die Taten mit diesen gleißenden Worten nicht im Einklang standen; es verschlug nichts, daß seit unserem Ersuchen um Waffenstillstand vom 5. Oktober Woche auf Woche verging, ohne daß unsere Feinde sich beeilten, dem sinnlos gewordenen Morden ein Ende zu machen; es verschlug nichts, daß jene edlen Menschenfreunde das deutsche Heer, dessen kampfloser Rückzug hinter die Reichsgrenze ihnen angeboten war, Stunde für Stunde mit einem unaufhörlich niederprasselnden Hagel von Geschossen aller Kaliber überschütteten, daß sie Woche auf Woche durch hinhaltende Rückfragen den Zeitpunkt hinausschoben, der den verderbenspeienden Feuerschlünden Einhalt gebieten sollte. Unser Volk war in seinen blind gewordenen Massen auch durch diesen handgreiflichen Beweis des Kriegs- und Vernichtungswillens unserer Feinde nicht mehr zu belehren. Im Gegenteil, statt daß jenes Hinauszögern von Waffenstillstand und Friedensverhandlungen und die offenbar absichtliche Verlängerung des Menschenmordens unserem Volk die Augen über die wahre Gesinnung und die wahren Pläne unserer Feinde geöffnet hätte, vollendete der über Heimat und Heer verhängte Druck der Ungewißheit im Verein mit der hilflosen und jammervollen Haltung unserer »Volksregierung« gegenüber den uns von Herrn Wilson mit jeder seiner Noten angesonnenen Demütigungen das Werk der Zermürbung und des Zusammenbruchs. Der Kaiser, der alsbald nach der Verabschiedung des Grafen Hertling zur Beratung des Weiteren in Berlin eingetroffen war, hatte gegenüber dem stürmischen Verlangen der Mehrheitsparteien und ihrer Regierung nach Änderungen der Verfassung, die den größten und wichtigsten Teil der Kronrechte auf die Volksvertretung übertrugen und das Deutsche Reich aus einem konstitutionell-monarchischen Staate zu einer radikal-demokratischen Schattenmonarchie machten, keinerlei Widerstand geleistet. Er hatte die Verfassungsänderungen nicht nur hingenommen und gebilligt, er war auch -- niemand zweifelte daran -- gewillt und entschlossen, sie loyal durchzuführen und sich ehrlich und aufrichtig dem neuen Zustand anzupassen. Bei der Vollziehung der Reformgesetze am 28. Oktober richtete er an den Prinzen Max einen Erlaß, in dem er dies zum Ausdruck brachte. In diesem Erlaß sagte er: »Vorbereitet durch eine Reihe von Regierungsakten tritt jetzt eine neue Ordnung in Kraft, welche grundlegende Rechte von der Person des Kaisers auf das Volk überträgt. Damit wird eine Periode abgeschlossen, die vor den Augen künftiger Geschlechter in Ehren bestehen wird. Trotz aller Kämpfe zwischen überkommenen Gewalten und emporstrebenden Kräften hat sie unserem Volke jene gewaltige Entwicklung ermöglicht, die sich in den wunderbaren Leistungen dieses Krieges unvergänglich offenbart. In den furchtbaren Stürmen der vier Kriegsjahre aber sind alte Formen zerbrochen, nicht um Trümmer zu hinterlassen, sondern um neuen Lebensgestaltungen Platz zu machen. Nach dem Vollbringen dieser Zeit hat das deutsche Volk den Anspruch, daß ihm kein Recht vorenthalten wird, das ihm eine freie und glückliche Zukunft verbürgt. Dieser Überzeugung verdanken die jetzt vom Reichstag angenommenen und erweiterten Vorlagen der verbündeten Regierungen ihre Entstehung. Ich aber trete diesen Beschlüssen der Volksvertretung mit meinen hohen Verbündeten bei, in dem festen Willen, was an mir liegt, an ihrer vollen Auswirkung mitzuarbeiten, überzeugt, daß ich damit dem Wohle des deutschen Volkes diene. Das Kaiseramt ist Dienst am Volke.« Dieser am 28. Oktober vom Kaiser unterzeichnete Erlaß ist aus Gründen, die noch der Aufklärung bedürfen, erst fünf Tage später, am 2. November, veröffentlicht worden, in einem Zeitpunkt, zu dem sich der Kaiser wieder in das Große Hauptquartier begeben hatte und zu dem im Anschluß an die nicht mehr verhüllten Ausführungen der Wilsonschen Note vom 23. Oktober die Frage der Abdankung des Kaisers unter Duldung der Reichsregierung bereits zum Gegenstand einer heftigen Erörterung in voller Öffentlichkeit geworden war. Die Abdankung des Kaisers und der Thronverzicht des Kronprinzen wurden mit der Begründung verlangt, daß durch einen solchen Schritt die dem deutschen Volke drohenden Friedensbedingungen erleichtert werden würden. Die Frage der Staatsform wurde geflissentlich beiseitegelassen; ja die Befürworter der Abdankung des Kaisers behaupteten, daß allein die Erfüllung ihrer Forderung die Dynastie der Hohenzollern und die Monarchie retten könne. Es waren nicht einmal die Sozialdemokraten gewesen, die mit der öffentlichen Behandlung der Kaiserfrage vorangegangen waren, sondern demokratische Blätter, wie die »Frankfurter Zeitung« und das »Berliner Tageblatt«. Die Mehrheitssozialisten scheinen sogar anfänglich geschwankt zu haben, ob eine Abdankung des Kaisers unter den obwaltenden Verhältnissen erwünscht und nützlich sei. Erst nachdem bürgerlich-demokratische Blätter und bürgerlich-demokratische Versammlungen -- so am 31. Oktober in München -- laut und ungestraft nach der Abdankung des Kaisers und des Kronprinzen gerufen hatten, scheint der Sozialdemokratie voll zum Bewußtsein gekommen zu sein, was sie jetzt wagen könne. Sie übernahm nun in dieser neuen Umsturzbewegung die Führung. Herr Scheidemann brachte die Abdankungsfrage vor das Kriegskabinett. Ehe noch das Kriegskabinett zu einem Entschluß kam, vollzogen sich in der Flotte die Ereignisse, die zur offenen Revolution führten. In den letzten Oktobertagen sollte die Hochseeflotte auslaufen, um die durch die Einstellung des U-Bootkriegs gegen Handelsschiffe für rein militärische Zwecke freigewordene Tauchbootflotte bei einer Aktion gegen die britische Kriegsflotte zu unterstützen. Auf einem Teil der Schiffe verweigerten die durch die revolutionäre Propaganda aufgewiegelten Mannschaften die Ausfahrt. Es war die Ausführung des Programms, das schon dem Komplott vom Sommer 1917 zugrundegelegen hatte. Der Versuch, gegen die meuternden Mannschaften vorzugehen, führte zu dem Aufruhr in Kiel, der alsbald auch auf andere Seestädte, vor allem auf Hamburg und Bremen, übersprang. Nach russischem Muster wurden Soldaten- und Arbeiterräte gebildet, die sich der politischen Gewalt bemächtigten. Auch die in jenen Städten garnisonierenden Landtruppen erwiesen sich als unzuverlässig. Die Regierung verlegte sich gegenüber den Meuterern und Aufständischen auf das Verhandeln; sie wählte damit den sichersten Weg, um aus Revolten die Revolution entstehen zu lassen. Am 7. November kam es in München zum gewaltsamen Umsturz. Soldaten-, Arbeiter- und Bauernräte proklamierten die Absetzung des Königs und die Errichtung einer demokratisch-sozialistischen Republik. Auch aus anderen Städten des Reiches kamen Nachrichten von Tumulten und Revolten. Berlin selbst war verhältnismäßig ruhig. Der Oberstkommandierende in den Marken suchte die Bewegung durch seine Maßnahmen -- Verbot der für den 7. November von den Unabhängigen Sozialdemokraten angekündigten Massenversammlung und Verbot der Bildung von Arbeiterräten -- im Keim zu ersticken. Die Zivilregierung, der er seit Inkraftsetzung der neuen Ordnung unterstellt war, desavouierte ihn jedoch. Die Parteileitung der Mehrheitssozialisten fürchtete jetzt offenbar, den Anschluß an die Revolution zu versäumen. Sie beauftragte am 7. November den Staatssekretär Scheidemann, im Kriegskabinett zu fordern, daß die Versammlungsverbote aufgehoben und daß Polizei und Militär zur äußersten Zurückhaltung angehalten würden; ferner verlangte sie die sofortige Umbildung der preußischen Regierung im Sinne der Reichstagsmehrheit, die Verstärkung des sozialdemokratischen Einflusses in der Reichsregierung und die Abdankung des Kaisers sowie den Thronverzicht des Kronprinzen bis zum nächsten Mittag. Dieses Ultimatum, bei dessen Nichterfüllung die Mehrheitssozialisten mit ihrem »Austritt aus der Regierung«, d. h. ihrem Übergang zur Revolution drohten, wurde am folgenden Tage verlängert, und zwar bis zum Abschluß des Waffenstillstandes, dessen Unterzeichnung für die nächsten Tage erwartet wurde und dessen Zustandekommen die Sozialdemokraten durch ihren Austritt aus der Regierung zu gefährden fürchteten. Ein Zufall ließ mich dem Staatssekretär Scheidemann am Abend des 8. November im Vestibül des Reichskanzlerhauses begegnen. In sichtlicher Erregung sagte er mir: »Wenn nur der Kaiser endlich einen Entschluß faßt und abdankt -- heute noch! Sonst kann ich keine Garantie übernehmen.« Auf meine Frage: »Und wenn der Kaiser abdankt, welche Garantie können Sie dann übernehmen?« -- war ein Achselzucken die einzige Antwort. Der nächste Tag brachte die Revolution in Berlin. Als am Vormittag des 9. November die Nachricht an das unter dem Vorsitz des Prinzen Max im Reichskanzlerhaus versammelte Kriegskabinett gelangte, daß sich demonstrierende Arbeiterzüge nach dem Innern der Stadt bewegten und daß ein Teil der in Berlin garnisonierenden Truppen, vorwiegend Ersatzbataillone, sich der revolutionären Bewegung angeschlossen habe, da ließ der Reichskanzler Prinz Max von Baden die Abdankung des Kaisers und Königs und den Thronverzicht des Kronprinzen öffentlich bekanntmachen, obwohl die Verhandlungen mit dem Kaiser über seine Abdankung noch nicht abgeschlossen waren und eine Abdankungserklärung noch nicht vorlag, und obwohl mit dem Kronprinzen wegen eines Thronverzichtes überhaupt noch nicht Fühlung genommen worden war. Gleichzeitig faßte das Kriegskabinett, wie mir von einem seiner Mitglieder am Nachmittag mitgeteilt worden ist, den später angezweifelten Beschluß, daß den Demonstranten und Aufrührern kein bewaffneter Widerstand entgegengesetzt werden dürfe. Schon vorher hatte der Oberstkommandierende in den Marken aus eigener Initiative einen ähnlichen Befehl ausgegeben. So kapitulierten die bürgerlichen und militärischen Behörden kampflos, ja ohne jeden Versuch eines Widerstandes. Prinz Max hatte noch in seiner Bekanntmachung über die angebliche Verzichtleistung des Kaisers und des Kronprinzen erklärt, er werde als Reichskanzler so lange im Amte bleiben, bis die mit dieser Verzichtleistung und der Einsetzung der Regentschaft verbundenen Fragen geregelt seien; er beabsichtige, dem Regenten die Ernennung des Abgeordneten Ebert zum Reichskanzler und die Vorlage eines Gesetzentwurfs wegen der sofortigen Ausschreibung allgemeiner Wahlen für eine verfassunggebende deutsche Nationalversammlung vorzuschlagen, der es obliegen würde, die künftige Staatsform des Deutschen Reiches endgültig festzustellen. Der Vizekanzler von Payer, den ich am Nachmittag besuchte, sprach sich mir gegenüber dahin aus, daß eine Änderung der Reichsverfassung nicht beabsichtigt sei und nur die Ernennung eines Regenten und die Bildung eines neuen Reichskabinetts unter sozialdemokratischer Führung in Frage komme; es sei nur noch die Frage offen, ob in dem neuen Kabinett auch die Unabhängigen Sozialdemokraten vertreten sein würden, die ihren Eintritt von der Bedingung abhängig zu machen schienen, daß die Regierung unter Ausschluß aller bürgerlichen Elemente lediglich aus Sozialdemokraten zusammengesetzt werden solle. Inzwischen aber hatte Herr Scheidemann um zwei Uhr nachmittags von der großen Freitreppe des Reichstags herab die Republik proklamiert. Prinz Max hatte die Wahrnehmung der Geschäfte des Reichskanzlers, ohne die Einsetzung der am Vormittag von ihm angekündigten Regentschaft zu betreiben, dem Abgeordneten Ebert übertragen und schickte sich an, Berlin zu verlassen, um sich nach seiner badischen Heimat zu begeben. Die beiden sozialdemokratischen Gruppen einigten sich und bildeten für die Regierung des Reiches einen »Rat der Volksbeauftragten«, der aus je drei Mehrheitssozialisten und Unabhängigen zusammengesetzt wurde. Der »Sieg der Revolution« wurde durch den offiziellen Telegraphen alsbald der Welt mitgeteilt; vor allem dem deutschen Heer in der Heimat, in den Etappen und an der Front, und zwar mit der Aufforderung, sofort überall Soldatenräte zu bilden. Während die Fronttruppen in ihrer überwiegenden Mehrzahl den Nachrichten aus der Heimat verständnislos gegenüberstanden und sich gegenüber der Aufforderung zur Zertrümmerung der militärischen Organisation und Disziplin ablehnend verhielten, gingen die in den Etappen stehenden, durch die sozialistische und bolschewistische Agitation zersetzten Verbände alsbald mit fliegenden Fahnen zur Revolution über. Was in jenen Tagen in den besetzten Gebieten des Ostens und Westens angesichts von Polen, Belgiern und Franzosen an Kopflosigkeit, an Feigheit, an nationaler Gesinnungs- und Würdelosigkeit geleistet worden ist, wird für alle Zeiten ein Schandfleck auf dem deutschen Namen sein. So wurde in dem Augenblick, in dem die deutschen Unterhändler im Walde von Compiègne aus den Händen des Marschalls Foch die Waffenstillstandsbedingungen unserer Feinde entgegennahmen, das Gefüge des deutschen Heeres zerschlagen und damit die letzte Möglichkeit eines Widerstandes gegen die von unseren Feinden uns zugedachte Knebelung und Vernichtung zerstört. Der Kaiser, dessen Abdankung über seinen Kopf hinaus von dem Prinzen Max veröffentlicht und von den revolutionären Machthabern in Berlin dem Heere mitgeteilt worden war, fügte sich dem Drängen seiner Umgebung; um dem deutschen Volke in seiner schwersten Stunde den Bürgerkrieg zu ersparen, verzichtete er auf jeden Versuch eines Widerstandes und begab sich am Abend des 9. November nach Holland. Der Kronprinz, dessen Anerbieten, auch unter der neuen Regierung weiterzudienen und seine Armee nach der Heimat zu führen, von der revolutionären Berliner Regierung abgelehnt wurde, folgte dem Beispiel seines kaiserlichen Vaters. Inzwischen waren die Waffenstillstandsbedingungen in Berlin eingetroffen. Sie verlangten von uns innerhalb kurzbemessener Fristen die Räumung der von unseren Truppen besetzten Gebiete und des linken Rheinufers sowie der mit einem Halbkreis von 30 Kilometer Halbmesser auf das rechte Rheinufer hinüberreichenden Brückenköpfe von Mainz, Koblenz und Köln; ferner die Räumung Ostafrikas von unserer Schutztruppe, die sich dort in dem mehr als vierjährigen Kampfe gegen eine vielfache Übermacht ehrenvoll behauptet hatte; weiter die Auslieferung eines großen Teils unseres Kriegsmaterials an Geschützen, Maschinengewehren, Minenwerfern, Flugzeugen; desgleichen die Auslieferung eines großen Teils unserer Kriegsflotte einschließlich sämtlicher U-Boote, und die Desarmierung des uns zunächst belassenen Restes von Kriegsschiffen; außerdem die Auslieferung eines ansehnlichen Teiles unseres Bestandes an Lokomotiven, Güterwagen und Lastautomobilen. Dabei wurde die gegen Deutschland verfügte Handels- und Hungerblockade aufrechterhalten und die Versorgung Deutschlands mit Lebensmitteln während des Waffenstillstandes »in dem für notwendig erachteten Maße« in die Hände unserer Feinde gelegt. Was von uns verlangt wurde, war nichts anderes als eine bedingungslose Unterwerfung. Der Ausbruch der Revolution, die Entthronung des Kaisers und die Beseitigung der Hohenzollerndynastie haben uns weder damals noch späterhin die von unseren Pazifisten und Illusionisten erhofften Milderungen gebracht. Die erste Tat des »Rates der Volksbeauftragten« war ein offenes Telegramm an die deutsche Waffenstillstandsdelegation, daß die Bedingungen des Marschalls Foch anzunehmen seien. Um die Mittagszeit des 11. November 1918 trat der Waffenstillstand in Kraft. Die Geschütze, die bis zum letzten Augenblick mit ungeschwächter Wut ihr Vernichtungswerk verrichtet hatten, verstummten auf allen Fronten. Der größte und blutigste Krieg der Weltgeschichte war zu Ende. * * * * * Länger als vier Jahre hindurch hatte das deutsche Volk, von fremder Hilfe fast völlig abgeschnitten, die ungeheure Last des Krieges getragen, hatte das deutsche Heer, nur von wenigen und schwächeren Bundesgenossen unterstützt, in wunderbaren Waffentaten sich der erdrückenden Übermacht an Menschen und Kriegsmaterial erwehrt. Das Aufgebot und die Anspannung aller Tugenden des deutschen Volkstums waren nahe daran, das Wunder des siegreichen Widerstandes gegen eine Welt zu verwirklichen. Unsere physischen und moralischen Kräfte haben nicht ausgereicht, um das Höchste zu vollbringen. Sie haben uns vor dem Ziel im Stich gelassen. So ist das deutsche Volk von den Höhen, die es in Jahrzehnten und Jahrhunderten friedlicher Arbeit erklommen, die es in dem Ringen des Krieges in unvergleichlicher Gegenwehr behauptet hatte, hinabgestürzt in den dunklen Abgrund, in dem es jetzt wehrlos in den Klauen erbarmungsloser Feinde um Sein oder Nichtsein ringt. Und doch, so schwer uns das Schicksal geschlagen hat, durch unsere Feinde und mehr noch durch uns selbst -- die Hoffnung will uns nicht verlassen. Besiegt und gedemütigt, entwaffnet und verarmt gehen wir aus der Völkerdämmerung hervor, sehen wir uns in eine Welt gestellt, die ihr Angesicht von Grund aus verändert hat. Aber wir können in uns das Bewußtsein tragen, daß keine der Nationen, die sich des Sieges rühmen, in diesem Kriege ein solches Maß von innerer Kraft und Tüchtigkeit entfaltet hat wie unser deutsches Volk. Ein ungeheurer Druck von Zahl und Masse, wie er niemals in der Geschichte aller Zeiten von einem einzelnen Volk zu tragen war, hat schließlich unsere Kraft erlahmen lassen, hat uns gebeugt und allen bösen Geistern Gewalt über uns gegeben. Aber dieser Niederbruch kann nicht das Ende sein. Wir denken zurück an die schwersten Zeiten unserer Geschichte. Wir denken an die grauenhafte Verwüstung des Dreißigjährigen Krieges, die nach dem Worte Treitschkes den Untergang des deutschen Namens anzukündigen schien und der Anfang eines neuen Lebens geworden ist. Wir denken an die Wiedergeburt deutscher Gesittung und deutscher Macht, in der unser Volk sich mehr als einmal aus tiefstem Elend und niedrigster Schmach erhoben hat. In aller Not und Bedrückung des Tages richten wir den Blick auf den weiten Horizont der Zukunft, glauben wir an die Unzerstörbarkeit des deutschen Wesens und den unveräußerlichen Beruf des deutschen Volkes in dem Aufstieg der Menschheit. Nachtrag Veranlaßt durch die Rede des Reichsfinanzministers Erzberger in der Nationalversammlung vom 25. Juli 1919 ist eine Erörterung über die auf den Seiten 171 und 172 dieses Bandes kurz behandelte Episode eines vermeintlichen englischen Friedensfühlers im September 1917 entstanden, die über die diplomatischen Vorgänge jener Zeit und darüber hinaus auch auf den Hintergrund der Aktion des damaligen Abgeordneten Erzberger vom Juli 1917 genauere Aufklärung gebracht hat. Diese Aufklärung hat die von mir in diesem Bande gegebene Darstellung vollauf bestätigt. Sie hat sie aber gleichzeitig durch so wichtige Einzelheiten ergänzt, daß es mir notwendig erscheint, in Form dieses Nachtrags die wichtigsten Ergebnisse zusammenzufassen. Ich habe oben auf den Seiten von 144 an die Anzeichen erwähnt, die vom Mai 1917 an eine aufkeimende Geneigtheit der Westmächte zu Friedensgesprächen erkennen ließen: die Äußerung des französischen Außenministers Ribot zu dem italienischen Botschafter in Paris, daß Frankreich der Erschöpfung entgegengehe; die französischen Versuche, Besprechungen mit Vertrauensleuten der Zentralmächte aufzunehmen; die alarmierenden Mitteilungen, die Lloyd George in Paris über die Wirkungen des U-Bootkriegs auf die Ernährungslage Englands machte. Diese meine Mitteilungen haben jetzt eine Bestätigung erfahren in den Veröffentlichungen des früheren deutschen Botschafters in Wien, Grafen Botho Wedel. Dieser berichtet, daß nach den Mitteilungen eines französischen Diplomaten in jener kritischen Zeit Lloyd George und Ribot drauf und dran waren, nach Rom zu reisen, um mit der italienischen Regierung wegen Einleitung von Friedensschritten zu verhandeln. Desgleichen hat sich bestätigt, daß diese aufkeimende Friedensneigung bei unsern Feinden zerstört wurde durch die Aktion, die der Abgeordnete Erzberger mit einem scharfen Vorstoß im Hauptausschuß des Reichstags am 6. Juli 1917 einleitete und die in ihrem Ergebnis zum Rücktritt des Reichskanzlers von Bethmann Hollweg und zur Friedensresolution des Reichstags vom 19. Juli 1917 führte. Wir sehen heute tiefer in die Zusammenhänge dieser Erzbergerschen Aktion. Wir wissen durch den Grafen Czernin, daß Herr Erzberger in den Besitz des Geheimberichts des Grafen an den Kaiser Karl vom 12. April 1917 (S. 62 ff.) gelangte, der von seinem Verfasser ausschließlich für die beiden Kaiser und den deutschen Reichskanzler bestimmt war. Dieser Bericht, der den Zweck verfolgte, den deutschen Kaiser für einen Verzicht auf Elsaß-Lothringen geneigt zu machen, stellte die Lage Österreich-Ungarns in den schwärzesten Farben dar. Jede Indiskretion mußte deshalb besonders gefährlich wirken. Herr Erzberger hat diesen Geheimbericht, wie Graf Czernin sagt, von einer »nichtverantwortlichen Seite« erhalten, und zwar hinter dem Rücken des für die österreichisch-ungarische Außenpolitik verantwortlichen Grafen. Wir wissen heute, daß die »nichtverantwortliche Seite« Kaiser Karl selbst war, derselbe, der wenige Wochen zuvor jenen mit dem Bundesverhältnis zwischen den beiden Reichen nicht zu vereinbarenden Brief an seinen Schwager, den Prinzen Sixtus von Parma, gleichfalls hinter dem Rücken seines Außenministers, geschrieben hatte. Herr Erzberger behauptet, den Bericht ohne einen andern Auftrag als den der Geheimhaltung seiner Herkunft erhalten zu haben. Das hat offenbar seine Richtigkeit; denn auch Graf Czernin, der in Übereinstimmung mit dem Grafen Wedel feststellt, daß Herr Erzberger den Geheimbericht nicht geheimgehalten habe, sagt ausdrücklich, daß Herr Erzberger dabei »im Sinne seiner Auftraggeber« gehandelt habe. Insbesondere hat Herr Erzberger den Geheimbericht des Grafen Czernin in einer Sitzung des Reichsausschusses der Zentrumspartei, die unmittelbar nach der Beschlußfassung des Reichstags über die Juliresolution in Frankfurt a. M. stattfand, zur Verlesung gebracht. Graf Wedel und Graf Czernin sagen aus, daß durch die Erzbergersche Indiskretion der Geheimbericht zur Kenntnis unserer Feinde kam. Mit Recht sagt Graf Czernin: »Ein jeder, der meinen Bericht liest, kann sich eine Vorstellung von den Folgen machen.« Die Folgen waren handgreiflich. Die durch die Kenntnis des Czerninschen Geheimberichts verstärkte Wirkung der Erzbergerschen Aktion im deutschen Reichstag war, daß bei unsern Feinden die Überzeugung hervorgerufen wurde, die Zentralmächte ständen unmittelbar vor dem inneren Zusammenbruch. Man habe es infolgedessen nicht mehr nötig, mit ihnen zu verhandeln, der volle Sieg werde der Entente in kurzer Zeit als reife Frucht in den Schoß fallen. Unter diesen Umständen unterblieb die Romreise der Herren Lloyd George und Ribot, und es folgten unmittelbar auf die Friedensresolution des Reichstags die oben (S. 147 und 148) aufgezählten Erklärungen der Ententeminister, die jeden Verständigungsfrieden auf Grund des Besitzstandes vor dem Krieg weit von sich wiesen. Die neu bekanntgewordenen Tatsachen haben also die Auffassung bestätigt, daß die Aktion des Herrn Erzberger im Sommer 1917 die damals aufkeimende Friedensgeneigtheit unserer westlichen Feinde zerstörte und in ihr Gegenteil, in den entschlossenen Willen zum Durchkämpfen des Krieges, verkehrte. Offenbar, um den Eindruck dieser Feststellungen abzuschwächen, hat Herr Erzberger als Reichsfinanzminister und stellvertretender Vorsitzender des Reichsministeriums in der Sitzung der Nationalversammlung vom 25. Juli 1919 den Versuch gemacht, nachzuweisen: daß eine ernste Friedensmöglichkeit, geschaffen durch ein die Vermittlung des Vatikans benutzendes englisches »Angebot«[6], noch im August und September 1917 an die deutsche Regierung herangekommen sei, daß aber dieses englische, angeblich nur an die Wiederherstellung der territorialen Integrität und der Souveränität Belgiens geknüpfte Friedensangebot von der politischen Leitung des Reichs unter dem Druck der obersten Heeresleitung, der Schwerindustrie und der Alldeutschen ausgeschlagen worden sei. [6] Herr Erzberger hat später bestritten, von einem englischen »Friedensangebot« gesprochen zu haben. Nach dem im Reichsanzeiger veröffentlichten ersten Bericht über seine Rede hat er ausdrücklich von einem »Angebot Englands« gesprochen, dem die französische Regierung sich angeschlossen habe. Im amtlichen stenographischen Bericht, der erst etwa 10 Tage später ausgegeben wurde, sind diese Worte allerdings nicht enthalten; wohl aber ist dort an einer späteren Stelle die Rede von der »von England mit Vermittlung des Heiligen Stuhles eingeleiteten Friedensaktion«. Es handelt sich hier um die oben (S. 171 und 172) behandelten Vorgänge. Die inzwischen veröffentlichten Dokumente geben ein vollständiges Bild, das sich folgendermaßen darstellt: Die angebliche englische Friedensaktion steht im engsten Zusammenhang mit der vom 1. August 1917 datierten, an alle kriegführenden Mächte gerichteten Friedensnote des Papstes und kann nur im Zusammenhang mit der päpstlichen Friedensaktion betrachtet und verstanden werden. Die Anfänge der päpstlichen Friedensaktion reichen in den Monat Juni 1917 zurück. Die Seite 147 von mir erwähnten Besprechungen des apostolischen Nuntius Pacelli mit dem Reichskanzler von Bethmann Hollweg, denen eine Audienz des Nuntius beim Kaiser im Großen Hauptquartier folgte, dienten offensichtlich dem Zweck, den Boden für die damals schon geplante päpstliche Friedensaktion zu sondieren. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß um die gleiche Zeit ähnliche Sondierungen von vatikanischer Seite auch bei unsern Gegnern vorgenommen wurden. Das Ergebnis seiner Sondierung bei den für die deutsche Politik maßgebenden Männern beurteilte der Nuntius Pacelli günstig; er selbst hat sich mir gegenüber, wie oben (S. 147) erwähnt, in hohem Maße befriedigt über seine Unterhaltungen mit Herrn von Bethmann ausgesprochen und hat späterhin, wie gleichfalls oben (S. 149) erwähnt, sich dahin geäußert, daß ohne den -- durch die Erzbergersche Aktion herbeigeführten -- Abgang des Herrn von Bethmann die Friedensaussichten gute gewesen seien. Es ist anzunehmen, daß auch die Sondierungen des Vatikans bei unsern Gegnern damals ein günstiges Ergebnis hatten; andernfalls wäre der päpstliche Friedensschritt wohl unterblieben. Es deckt sich auch ganz mit meiner Auffassung über die damals bei unsern Feinden aufkeimende Friedensneigung, daß die Ende Juni erfolgenden päpstlichen Sondierungen auch bei unsern Gegnern auf Ermunterung stoßen mußten. Vom Ende des Monats Juni bis zu dem offiziellen Vorgehen des Papstes mit seiner Friedensnote ist dann ein längerer Zeitraum vergangen. Die päpstliche Note ist vom 1. August datiert und ist am 14. August in Berlin und um dieselbe Zeit in sämtlichen Hauptstädten der kriegführenden Großmächte überreicht worden. Der Aufschub dürfte seine Erklärung wohl in der durch den Erzbergerschen Vorstoß vom 6. Juli heraufbeschworenen inneren Krisis in Deutschland und dem Kanzlerwechsel finden. Die Kurie mußte sich nun erst darüber vergewissern, ob auch unter der Kanzlerschaft des Herrn Michaelis in Deutschland dieselbe Friedensbereitschaft wie unter Herrn von Bethmann fortbestehe. Das war der Fall. Aber inzwischen hatte sich gerade infolge der krisenhaften Vorgänge in Deutschland und infolge der Erzbergerschen Indiskretion mit dem Geheimbericht des Grafen Czernin bei unsern westlichen Feinden die Auffassung geändert: Als die päpstliche Note Mitte August überreicht wurde, war die Verhandlungsbereitschaft, die einige Wochen vorher bei der vorbereitenden Sondierung noch bestanden hatte, infolge der Erzbergerschen Aktion verschwunden. Es läßt sich denken, daß die britische Regierung bei dieser veränderten Sachlage durch den offiziellen Friedensschritt des Papstes in eine gewisse Verlegenheit gesetzt wurde: sie hatte vor wenigen Wochen zu einem solchen Schritt ermuntert oder sich jedenfalls nicht abgeneigt gezeigt, ihn mit Sympathie aufzunehmen; jetzt war sie entschlossen, an ihren alten, nur von einem niedergeworfenen Deutschland erzwingbaren Kriegszielen festzuhalten und infolgedessen dem päpstlichen Schritt keine Folge zu geben. Diese Verlegenheit der britischen Regierung hat die Mitteilung des Foreign Office an den britischen Gesandten beim Vatikan, den Grafen Salis, vom 21. August 1917, die später als »Friedensangebot« ausgegeben worden ist, offensichtlich diktiert. Hier der Wortlaut:[7] »Wir haben noch keine Gelegenheit gehabt, unsere Verbündeten über die Note seiner Heiligkeit zu befragen, und sind nicht in der Lage, uns über eine Beantwortung der Vorschläge Seiner Heiligkeit betreffend Bedingungen eines dauernden Friedens zu äußern. Unserer Ansicht nach besteht keine Wahrscheinlichkeit dafür, diesem Ziele näherzukommen, solange sich nicht die Zentralmächte und ihre Verbündeten in offizieller Form über ihre Kriegsziele und darüber geäußert haben, zu welchen Wiederherstellungen und Entschädigungen sie bereit sind, durch welche Mittel in Zukunft die Welt vor der Wiederholung der Greuel, unter denen sie jetzt leidet, bewahrt werden könnte: Selbst hinsichtlich Belgiens (und in diesem Punkte haben die Zentralmächte anerkannt, im Unrecht zu sein) ist uns niemals eine bestimmte Erklärung über ihre Absicht bekannt geworden, die völlige Unabhängigkeit wiederherzustellen und die Schäden wieder gutzumachen, die sie es hat erdulden lassen. Seiner Eminenz dürften zweifellos die Erklärungen gegenwärtig sein, die von den Alliierten in Beantwortung der Note des Präsidenten Wilson abgegeben worden sind. Weder von Österreich noch von Deutschland ist jemals eine solche (equivalent) Erklärung erfolgt. Ein Versuch, die Kriegführenden in Übereinstimmung zu bringen, erscheint so lange vergeblich, als wir nicht über die Punkte im klaren sind, in denen ihre Ansichten auseinandergehen.« [7] Der nachstehend wiedergegebene Wortlaut ist der von der deutschen Regierung bekanntgegebene und entspricht nach einer Veröffentlichung der Kurie in der Florentiner »Unità Cattolica« dem von dem Grafen Salis dem Kardinalstaatssekretär überlassenen Text. Der von der britischen Regierung in dem Weißbuch vom 12. August 1918 wiedergegebene englische Text zeigt nicht unerhebliche Abweichungen. So lautet dort der Eingang: »Da die Regierung Seiner Majestät noch nicht in der Lage war, ihre Verbündeten über die Vorschläge Seiner Heiligkeit zu befragen, kann sie nicht sagen, ob es irgendeinen Zweck hat, eine Antwort darauf zu geben, oder, bejahendenfalls, welche Form einer solchen Antwort zu geben sein würde.« Am Schluß steht der bezeichnende Satz: »Sie wollen, wenn sich eine geeignete Gelegenheit bietet, dies Seiner Eminenz auseinandersetzen.« In ihrem Wortlaut und in ihrem Sinn ist diese Instruktion des Foreign Office an seinen vatikanischen Gesandten das Gegenteil eines Friedensangebots. Es ist die in höfliche Form gekleidete Ablehnung einer Beantwortung der päpstlichen Friedensnote unter dem durchsichtigen Vorwand, daß die Alliierten ja ihre Kriegsziele bereits in ihrer Antwortnote vom 10. Januar 1917 an den Präsidenten Wilson (Band II, S. 375-378) niedergelegt hätten, von Deutschland aber äquivalente Erklärungen bisher nicht erfolgt seien. Allein schon der Hinweis auf jene Antwortnote an den Präsidenten Wilson, die den Versailler Vertrag bereits =in nuce= enthielt -- mitsamt dem Schuldbekenntnis Deutschlands und mitsamt der Weigerung, mit Deutschland auf gleichem Fuß zu verkehren --, stellt den Charakter der Depesche außer Zweifel. Gerade weil die Depesche diesen Sinn hatte, sprach die französische Regierung den Wunsch aus, sich gegenüber dem Vatikan den in der Depesche enthaltenen Gesichtspunkten anschließen zu dürfen. Auch hiervon wurde der Graf Salis benachrichtigt. Der Papst und sein Kardinalstaatssekretär, geleitet von dem brennenden Wunsch, der Welt zum Frieden zu verhelfen, sahen die Depesche, die der britische Gesandte dem Kardinalstaatssekretär vorzeigte, mit andern Augen an. Sie wollten in dem Hinweis auf Belgien, der bestimmt war, die Anklage gegen Deutschland besonders zu unterstreichen, eine Möglichkeit der Anknüpfung sehen. Der Kardinalstaatssekretär erbat sich von dem britischen Gesandten das Dechiffré des Telegramms, und der Gesandte überließ es ihm, nachdem er, wie italienische Zeitungen berichtet haben, Kopf und Unterschrift weggeschnitten und es so in ein »Aide-Memoire«, wie der diplomatische Fachausdruck heißt, verwandelt hatte. Dieses Aide-Memoire wurde nun der deutschen Regierung mitgeteilt, und zwar mit dem Schreiben des Nuntius Pacelli vom 30. August, das erwähnte, daß die französische Regierung sich den Darlegungen des Telegramms angeschlossen habe, die Aufmerksamkeit des Reichskanzlers in besonderer Weise auf den Belgien betreffenden Passus hinlenkte und zum Ausdruck brachte, daß nach der Meinung des Kardinalstaatssekretärs »durch eine befriedigende Erklärung der deutschen Regierung zu diesem Punkte ein bedeutender Schritt zur weiteren Entwicklung der Verhandlungen gemacht würde«. Nach den von dem Unterstaatssekretär im Foreign Office, Herrn Harmsworth, Anfang August 1919 abgegebenen Erklärungen und nach dem britischen Weißbuch vom 12. August 1919 hat der Kardinalstaatssekretär dem britischen Gesandten mitgeteilt, er werde antworten, wenn er von der deutschen Regierung die von dieser erbetene Erklärung über Belgien erhalten habe. Um seine Meinung befragt, äußerte sich der Gesandte rein persönlich dahin, daß eine solche Erklärung über Belgien wünschenswert sei, aber immerhin sei dieser Punkt nur einer unter vielen Streitpunkten zwischen den Kriegführenden. Das Foreign Office jedoch ließ seinen Gesandten wissen, »daß es inopportun sei, sich in eine Teildiskussion dieser Frage einzulassen«. Der Gesandte erhielt am 26. August den Auftrag, »in keiner Weise in die Verhandlungen zwischen dem Vatikan und Deutschland einzugreifen und seine Meinung zurückzuhalten, wenn man ihn von neuem danach frage«. -- Der britische Gesandte wurde also vom Foreign Office in aller Form »zurückgepfiffen«. Vorausgegangen war ein dringender Schritt des französischen Geschäftsträgers, der erklärte: Seine Regierung habe sich der von dem Grafen Salis dem Vatikan zu machenden Mitteilung angeschlossen, in der Annahme, daß diese Mitteilung eine mündliche sei und eine ausführlichere Antwort auf die Papstnote überflüssig machen werde. Jetzt habe Graf Salis dem Papst ein schriftliches Dokument in die Hand gegeben, und seine Aktion habe eine Diskussion über das Schicksal Belgiens eröffnet. Das sei nicht, was die französische Regierung wünsche. Herr Ribot vertraue, daß die britische Regierung seine Ansicht teile und dem Grafen Salis Instruktionen geben werde, die alle weiteren Versuche des Kardinalstaatssekretärs zu einer halboffiziellen Intervention zwischen den Kriegführenden entmutigen würden. -- Am 30. August -- also unter dem Datum des Pacelli-Briefs -- teilte das Foreign Office den britischen Vertretungen bei den verbündeten Regierungen mit, daß nach seiner Ansicht in Rücksicht auf die -- gänzlich ablehnende -- Note Wilsons an den Papst keinerlei weitere Antwort irgendwelcher Art an den Vatikan nötig sei. Die päpstliche Anfrage an Deutschland ist mithin nicht nur nicht auf Veranlassung des Foreign Office und der französischen Regierung, sondern gegen deren Willen erfolgt. Das Schreiben des Nuntius Pacelli erweckte im Auswärtigen Amte in Berlin den Eindruck, daß hier immerhin die Möglichkeit eines von der französischen Regierung ausdrücklich gebilligten Friedensfühlers der britischen Regierung vorliege. Da aber der Inhalt des dem Schreiben beigefügten britischen Telegramms sowie andere Wahrnehmungen dem zu widersprechen und zu beweisen schienen, daß die britische Regierung und ihre Verbündeten zu ihrem in der Antwortnote an den Präsidenten Wilson vom 10. Januar 1917 eingenommenen Standpunkt, der jede Verhandlung ausschloß, zurückgekehrt seien, hielt es der Reichskanzler, dem Rate des Staatssekretärs von Kühlmann folgend, für geboten, zunächst einmal durch einen absolut vertrauenswürdigen spanischen Diplomaten, der über ausgezeichnete Beziehungen zur englischen Regierung verfügte, in London sondieren zu lassen, ob dort überhaupt Geneigtheit zu Verhandlungen auf einer für uns annehmbaren Grundlage bestehe. Wie berechtigt diese Vorsicht war, ergibt die oben geschilderte Haltung des Foreign Office und der französischen Regierung gegenüber dem vatikanischen Schritt. Um sich die notwendige Bewegungsfreiheit für die weitere Aktion zu sichern, hielt der Reichskanzler eine für alle Instanzen bindende Entscheidung des Kaisers über Belgien für notwendig. Diese Entscheidung wurde in dem Kronrat vom 11. September 1917 herbeigeführt, der so verlief, wie ich das oben (S. 171) geschildert habe. Der Kaiser entschied zugunsten des Antrags des Reichskanzlers und entgegen den von dem Chef des Admiralstabs und den beiden Vertretern der Obersten Heeresleitung dargelegten Wünschen dahin, daß die politische Leitung ermächtigt sei, gegebenenfalls die Wiederherstellung der territorialen Integrität und der Souveränität Belgiens zuzugestehen, mit dem Vorbehalt einer erneuten Prüfung, falls der Verzicht auf Belgien nicht bis zum Jahresschluß den Frieden sichere und so einen neuen Kriegswinter erspare. Auf der Grundlage dieser kaiserlichen Entscheidung ist der spanische Vertrauensmann des Herrn von Kühlmann informiert worden. Es wurde ihm weiter mitgeteilt, daß unsrerseits Voraussetzung für Verhandlungen sei: 1. die Erhaltung unsres vorkriegerischen Besitzstandes einschließlich der Kolonien, 2. der Verzicht auf Entschädigungen, 3. die Abstandnahme von dem Wirtschaftskrieg nach dem Krieg. Der später von der Reichsregierung veröffentlichte Briefwechsel zwischen dem Reichskanzler Michaelis und dem Feldmarschall von Hindenburg vom 12. und 15. September 1917 ist eine innere deutsche Angelegenheit, die mit den Aufträgen des spanischen Vertrauensmanns und der ihm gegebenen Information nicht das mindeste zu tun hatte. Es handelte sich hierbei um militärische Wünsche, die ebenso wie die wirtschaftlichen Wünsche, die hinsichtlich Belgiens bestanden, nicht als Vorbehalte gegenüber England in Betracht kamen, sondern lediglich als Ziele, die in Verhandlungen mit Belgien angestrebt werden sollten. Die Aktion des neutralen Vertrauensmanns bei der britischen Regierung ist jedenfalls durch diese Wünsche in keiner Weise eingeengt oder erschwert worden. Dagegen stellten sich dieser Aktion andere Hindernisse in den Weg, die außerhalb des guten Willens der deutschen Stellen lagen und die entgegen der ursprünglichen Absicht dazu führten, daß die Sondierung des britischen Kabinetts nicht unmittelbar erfolgte, sondern ihren Weg über Madrid nahm. Wir wissen aus dem durch die Sowjetregierung veröffentlichten Geheimbericht des russischen Geschäftsträgers in London vom 6. Oktober 1917, daß damals der spanische Minister des Auswärtigen dem britischen Botschafter in Madrid Eröffnungen über Deutschlands Geneigtheit zu Friedensverhandlungen machte und daß Balfour diese Eröffnung am 6. Oktober den diplomatischen Vertretern der verbündeten Großmächte zur Kenntnis brachte. Die Eröffnung des spanischen Ministers wurde dabei als eine deutsche Friedens-Initiative -- um nicht zu sagen »Friedens-Offensive« -- aufgefaßt, in einer Weise, die jeden Gedanken an eine wenige Wochen zuvor versuchte englische Friedens-Initiative vollkommen ausschließt. Der Bericht des russischen Geschäftsträgers ergibt weiter, daß man dem deutschen Schritt mit großem Unbehagen und starkem Mißtrauen gegenüberstand. Man stand unter dem Eindruck, Deutschlands Absicht sei, »die Alliierten in eine Prüfung der Friedensbedingungen Deutschlands hineinzuziehen«. Das wollte man vermeiden. Auf der andern Seite glaubte man, »die deutsche Anfrage nicht gänzlich unbeantwortet lassen zu können, da man befürchtete, dadurch die Stellung der deutschen Regierung im eignen Lande zu befestigen und, was noch wichtiger ist, die schon ohnehin reichlich verwerfliche Agitation in Rußland zu stärken, in dem Sinn, daß England direkt die völlige Vernichtung Deutschlands wünsche und Rußland und die andern Verbündeten mitziehe«. Aus diesen taktischen Erwägungen heraus wurde beschlossen, daß die englische Regierung durch ihren Botschafter in Madrid folgende Antwort geben solle: »Die Regierung Seiner Majestät wäre bereit, eine =Mitteilung= entgegenzunehmen, welche die deutsche Regierung ihr über den Frieden abzugeben wünsche, und diese Mitteilung mit ihren Verbündeten zu beraten.« Das war weniger als nichts. Es war die Bestätigung dafür, daß auf der Seite Englands und seiner Verbündeten keine Geneigtheit bestand, in zweiseitige Verhandlungen einzutreten oder irgendwelche Bedingungen zu präzisieren, unter denen es zu solchen zweiseitigen Verhandlungen, die allein Aussicht auf Erfolg boten, bereit sei. Auch auf spanischer Seite hatte man offenbar sehr stark diesen Eindruck. Die britische Antwort auf die spanische Eröffnung wurde dort so wenig als eine Antwort empfunden, daß später, als Balfour im Unterhaus auf eine Anfrage des Abgeordneten King diese Antwort bekanntgab, Herr von Kühlmann erklären mußte, die deutsche Reichsregierung habe von der Bereitwilligkeit des britischen Kabinetts, eine deutsche Mitteilung über den Frieden entgegenzunehmen, überhaupt erst durch die Erklärung Balfours im Unterhaus Kenntnis erhalten. Der spanische Vertrauensmann hatte sich darauf beschränkt, Herrn von Kühlmann wissen zu lassen, daß seine Sondierung des britischen Kabinetts auf die vermutete Bereitschaft zu Friedensverhandlungen ein gänzlich negatives Ergebnis gehabt habe. Damit steht fest, daß die von Herrn Erzberger späterhin konstruierte englische »Friedensaktion«, die mit Ermächtigung der französischen Regierung und durch Vermittlung des Heiligen Stuhles eingeleitet worden sein soll, mit den wirklichen Vorgängen in vollendetem Widerspruch steht. Auch der Vatikan hat in der bereits erwähnten Veröffentlichung in der »Unità Cattolica« ausdrücklich festgestellt, daß es sich damals nicht um »von England oder anderen Ententestaaten ausgehende Friedensvorschläge« handelte. Eine Bereitschaft Englands, mit uns auf der Grundlage der Freigabe Belgiens von gleich zu gleich in Verhandlungen über einen »Verständigungsfrieden« einzutreten, war in jener Zeit nicht mehr vorhanden. Die im Frühsommer 1917 möglicherweise vorhandene Friedensbereitschaft Englands war kurz zuvor durch die habsburgisch-bourbonisch beeinflußten Quertreibereien des Herrn Erzberger im Keime erstickt worden. Seit dieser Zeit rechnete England auf den Sieg, wollte England den Sieg und war England entschlossen, allen Verhandlungen aus dem Wege zu gehen, die ihm die Früchte des Sieges hätten verkümmern können. Und seine Verbündeten dachten und handelten genau ebenso. Es ist das Verhängnis Deutschlands geworden, daß unser Volk diese Lage nicht erkannt hat, daß es vielmehr unter der Einwirkung parteipolitischer Agitation das Friedenshindernis, statt in dem Vernichtungswillen des Feindes, im eignen Lande gesucht hat. * * * * * Zeittafeln und Schlagwortverzeichnisse Zeittafel zum ersten Band 1878 Berliner Kongreß 1879 Deutsch-österreichisches Bündnis 1880 Madrider Konvention (Internation. Marokko-Konferenz) 1881 Tunis von Frankreich okkupiert 1882 Ägypten von England okkupiert 1882 Zustandekommen des Dreibundes durch Hinzutritt Italiens 1884 Neutralitätsverträge zwisch. Deutschland, Rußland und Österreich-Ungarn 1884 Beginn der deutschen kolonialen Erwerbungen -- Kongo-Konferenz 1887 Erste Erneuerung des Dreibundes 1887 Deutsch-russischer Rückversicherungsvertrag 1887 Englisches Markenschutz-Gesetz (Made in Germany) 1887 Septennats-Vorlage 1888 Tod Kaiser Wilhelms I. und Kaiser Friedrichs III., Wilhelms II. Thronbesteigung und Romreise 1888 Suezkanal-Vertrag 1888 Erste Eisenbahn-Konzession in Kleinasien an eine deutsche Gesellschaft (Deutsche Bank) 1889 Erste russisch-französische Anleihe 1890 Bismarcks Rücktritt -- Caprivi Reichskanzler -- Helgoland-Sansibar-Vertrag 1890 Deutsch-marokkanischer Handelsvertrag 1892 Französisch-russische Militärkonvention 1893 Einführung der zweijährigen Dienstzeit in der deutschen Armee 1894 Französisch-russisches Bündnis 1894/95 Japanisch-chinesischer Krieg 1895 Eröffnung des Nordostseekanals 1895 Jameson-Reid 1896/97 Burenkrieg 1896 Bahnstrecke Eskischehir--Konia (Anatolische Bahn) eröffnet 1897 Tirpitz Staatssekretär des Reichsmarineamts 1897 Griechisch-türkischer Krieg 1897 Deutsche Festsetzung in Kiautschou -- Russische Festsetzung in Port Arthur 1898 Englische Festsetzung in Wei-hai-wei -- Französische Festsetzung in Huangtschouwan 1898 Erstes Flottengesetz 1898 »Schmach von Faschoda« 1898 Spanisch-amerikanisch. Krieg 1898 Deutsch-englisches Geheimabkommen über den portugiesischen Kolonialbesitz 1899 Samoa-Vertrag 1899 Windsor-Vertrag (englisch-portugiesisches Geheimabkommen) 1899 Einvernehmen zwischen der Deutschen Bank und der französischen Gruppe der Ottomanischen Bank über die kleinasiatischen Eisenbahnfragen 1899/1902 Burenkrieg 1899 Erste Haager Friedenskonferenz 1900 Boxer-Krieg -- Yangtse-Abkommen 1900 Zweites Flottengesetz 1901 Königin Viktoria [gestorben] -- Eduards VII. Thronbesteigung -- Reise nach Portugal 1902 Dreibund erneuert 1902 Englisch-japanisch. Bündnis 1902/03 Venezuela-Affäre 1903 Beginn der Einkreisungspolitik -- Viktor Emanuel in Paris 1903 Deutschland überflügelt England in der Roheisenproduktion 1904 Entente cordiale 1904 8. 4. Englisch-französisches Marokko-Abkommen 7. 10. Französisch-spanisches Marokko-Abkommen 1904 Eduard VII. in Kiel 1904/05 Neuorganisation der englischen Flotte (1905 »Dreadnought« im Bau) 1904/05 Russisch-japanisch. Krieg 1905/08 Russische Revolution 1905 Französische Sondergesandtschaft nach Marokko -- Kaiser Wilhelm in Tanger -- Delcassés Sturz -- Algeciras-Konferenz 1907 Englisch-russisches Abkommen über Mittelasien 1907 Zweite Haager Friedenskonferenz 1907 Optanten-Vertrag 1908 Revaler Zusammenkunft zwischen Eduard VII. und Nikolaus II. -- Vollendung des »dreifachen Einverständnisses« -- Nordsee- und Ostsee-Abkommen 1908 Türkische Revolution 1908 Österreich-Ungarn verkündigt die formelle Annexion von Bosnien und der Herzegowina 1908 Bulgariens Unabhängigkeitserklärung 1908 Japanisch-amerikanischer Vertrag über den Stillen Ozean 1908 Zwischenfall von Casablanca 1909 Londoner Seerechts-Konferenz 1909 Österreichisch-türkische Verständigung über die bosnische Frage 1909 Deutsch-französisches Marokko-Abkommen 1909 Bethmann Hollweg Reichskanzler, Kiderlen-Wächter Staatssekretär des Auswärtigen 1909 Nikolaus II. bei Viktor Emanuel in Racconigi (Balkanfrage) 1910 Nikolaus II. und Ssasonow in Potsdam (Bagdadbahn- und Persische Frage) 1910 Eduard VII. [gestorben], Georgs V. Thronbesteigung 1911 Marokkokrisis -- 21. 5. Fez von den Franzosen besetzt -- 1. 7. »Panther« vor Agadir -- 21. 7. Rede des englischen Schatzkanzlers Lloyd George über Englands Stellung in Europa -- 4. 11. Deutsch-französischer Marokko-Vertrag 1911/12 Türk.-italienischer Krieg 1912 Lord Haldanes Sendung 1912 Entstehung d. Balkanbundes 1912 Dreibund erneuert -- Kaiser Wilhelm in Venedig bei Viktor Emanuel 1912/13 Deutsch-englische und deutsch-französische Verhandlungen über die vorderasiatischen Eisenbahn- und Wirtschaftsfragen 1912 (November) Briefwechsel zwischen Sir Edward Grey und M. Paul Cambon über englisch-französische Waffenhilfe 1912 Französisch-russisch. Marine-Konvention 1912/13 Balkankrieg 1913 Deutsche Militärvorlage 1913 Frankreich führt die dreijährige Dienstzeit ein 1913 Deutsche Militärmission nach Konstantinopel 1914 (April) König Georg in Paris 1914 28. 6. Ermordung des österreichisch-ungarischen Thronfolgerpaares -- 23. 7. Österreichisch-ungarisches Ultimatum an Serbien -- 25. 7. Serbische Antwort -- 28. 7. Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien -- 30. bis 31. 7. Russische Generalmobilmachung zu Land und zur See Zeittafel zum zweiten und dritten Band =Militärische | =Politische | =Wirtschaftliche Ereignisse= | Ereignisse= | Ereignisse= 1914 | 1914 | 1914 | | =August= | =August= | =August= | | 1. Deutsche | 1. Jaurès ermordet | 3. Schließung der Mobilmachung | | deutschen Börsen | 2. Kriegserklärung | -- Der französische 3. Luxemburg besetzt | Deutschlands an | Finanzminister | Rußland | verfügt ein 6. Durchbruch der | | Moratorium für »Goeben« und | 3. Kriegserklärung | Kontokorrent- und »Breslau« | Deutschlands an | Lombarddarlehen | Frankreich | bis zum 31. August 7. Einnahme von | | Lüttich | 4. Kriegstagung | 7. Bundesratsbeschlüsse | des Reichstages | zur Vorbeugung 10. Sieg bei | -- Erklärung des | eines allgemeinen Mülhausen -- | Burgfriedens -- | Moratoriums Schlacht bei | Ermächtigungs- | Lagarde | gesetz | 9. Gründung der | -- Bewilligung | Reichszentrale 14. Einmarsch nach | eines Fünf- | für Serbien | Milliarden- | Arbeitsnachweise | Kredits | | | 10. Englisches Gesetz 20. Besetzung von | 5. Kriegserklärungen | zur Bekämpfung der Brüssel | Englands und | Lebensmittelpanik | Belgiens an | 20.-27. Schlacht in | Deutschland | 11. Die serbische Deutsch- | | Skuptschina Lothringen, Siege | 6. Kriegserklärung | nimmt ein bei Charleroi, | Österreich- | zweimonatiges Valenciennes und | Ungarnsan Rußland | Moratorium an Longwy | u. Serbiens | 23. Sieg bei Krasnik | an Deutschland | 13. Errichtung der | | Kriegsrohstoff- 26. Einnahme von | 7. Kriegserklärung | Abteilung -- Namur und Longwy | Montenegros an | Zentralstelle für -- Sieg bei | Österr.-Ungarn | Heeresverpflegung Komarów-Samostje | | gegründet -- Sieg bei | 11. bzw. 12. | Tannenberg | Kriegserklärungen | 15. Panamakanal für | Frankreichs | den Verkehr von 26. 27. Sieg bei | und Englands an | Schiffen mit Maubeuge u. | Österreich-Ungarn | nicht mehr als Cambrai | | 30 Fuß Tiefgang | 13. Belgien lehnt | freigegeben 26.-30. Schlacht bei | deutsche | Lemberg | Vorschläge wegen | | friedlich. | 27. Teilweise | Durchmarsches ab | Einäscherung von | | Löwen | 18. Die belgische | | Regierung | 28.-30. Sieg bei St. | übersiedelt | Quentin | nach Le Havre | | | | 19. Ultimatum Japans | | an Deutschland | | | | 20. Papst Pius X. | | [gestorben]. | | Nachfolger | | Benedikt XIV. | | | | 23. Kriegserklärung | | Japans an | | Deutschland | | | | 25. Kriegserklärung | | Österreich-Ungarns| | an Japan -- | | Generalfeldmar- | | schall von der | | Goltz General- | | gouverneur von | | Belgien | | | | 27. Kriegserklärung | | Österreich-Ungarns| | an Belgien | | -- Neues | | Ministerium | | Viviani | | | =September= | =September= | =September= | | 1. Sieg in der | 3. Die französische | 1. Verlängerung Champagne -- Sieg | Regierung | des bestehenden der Armee | übersiedelt | englischen Auffenberg bei | nach Bordeaux | Moratoriums Komarów | | | 6. Abkommen Englands,| 10. Gesetz über 4. Einnahme von | Frankreichs und | vorübergehende Reims | Rußlands, keinen | Erleichterungen 5.-9. Marneschlacht | Sonderfrieden zu | auf dem Gebiete | schließen | des Patent-, 7. Einnahme von | | Gebrauchsmuster- u. Maubeuge | 7. Telegrammwechsel | Warenzeichenrechts | zwischen Kaiser | 9. Zweite Schlacht | Wilh. II. und | 17. Verlängerung bei Lemberg | Präsident Wilson | des bestehenden | wegen der | belgischen 8.-11. Sieg bei | Verwendung von | Moratoriums durch Goldap-Angerburg- | Dumdumgeschossen | das deutsche Gerdauen | durch die | Generalgouvernement | Franzosen | 15. Zweit. Vormarsch | | 30. Deutsches nach Serbien | 13. Bethmann Hollwegs | Zahlungsverbot | Veröffentlichung | an England 22. Weddigen versenkt | durch Ritzaus | »Aboukir«, | Telegraphenbureau | »Hogue« und | gegen England als | »Cressy« | »Beschützer der | | kleineren Staaten«| | | =Oktober= | =Oktober= | =Oktober= | | 2. Kämpfe bei Suwalki| 5. u. 7. | 8. Ergebnis | Kriegserklärungen | der 1. deutschen 3. Sieg bei Augustowo| Englands und | Kriegsanleihe: | und Belgiens | 4460701400 M., 9. Einnahme von | an die Türkei | bei 1177235 Antwerpen | | Einzelzeichnungen | 10. König Karol von | 11. Befreiung | Rumänien | 20. Deutsches Przemysls | [gestorben] | Zahlungsverbot -- Vormarsch auf | | geg. Frankreich Warschau und | 13. Veröffentlichung | Iwangorod | der Brüsseler | 28. Bundesratsverordnung | Dokumente über | über die 14. Einnahme von | den belgischen | Höchstpreise Lille | Neutralitätsbruch | | | 20.-Ende Dezember | 25. Deutsche | Kämpfe in Flandern| Denkschrift über | | die Stellung | 23.-31. Kämpfe bei | Englands und | Arras-Soissons- | Frankreichs zu | Reims | der Londoner | | Seekriegserklärung| | | =November= | =November= | =November= | | 1. Seeschlacht an | 3. England erklärt | Gründung der der Coronelküste | die ganze Nordsee | Kriegsgetreide- | als Kriegsgebiet | gesellschaft 4. Niederlage der | -- Einsetzung des | (endgültige Engländer bei | Khediven Hussein | Form 28. 6. 1915 Tanga in Ostafrika| Kemal durch | als | England | Reichsgetreide 7. Tsingtau gefallen | -- Kriegserklärung| -stelle) | Rußlands an die | 10. Dixmuiden genommen| Türkei | 5. Festsetzung von | | Höchstpreisen 13. u. 14. Sieg bei | 5. Kriegserklärung | für Hafer Wloclawek | Frankreichs an | | die Türkei | 23. Festsetzung von 15. Besetzung von | | Höchstpreisen Valjevo | 14. Verkündung des | für Kartoffeln | Heiligen Krieges | -- Ergebnis der 16.-23. Kämpfe an | i. Konstantinopel | 1. österreichisch- der Yser | 19. Der ungarische | ungarischen | Ministerpräsident | Kriegsanleihe: 23. Durchbruch bei | Graf Tisza | 3376 Millionen Bresiny | im deutschen | Kronen | Hauptquartier | 26. Mackensens Sieg | | bei Lodz und | 28. Freiherr von | Lowicz | Bissing | | Generalgouverneur | 26.-30. Kämpfe um | von Belgien | La-Bassée | | | 28. Ernennung | | Hindenburgs zum | | Generalfeld- | | marschall | | | =Dezember= | =Dezember= | =Dezember= | | 2. Einnahme von | 1. Veröffentlichung | Ergebnis der 1. Belgrad | des französ. | Kriegsanleihe: engl. | Gelbbuches üb. d. | 400 Mill. Pfund 6. Einnahme von | Anfänge d. Krieges| Sterling Lodz | | Seeschlacht bei | 2. Zweite | Verträge des Reichs den | Kriegstagung | mit den Falklandsinseln | des 8. Deutsch. | Stickstoffwerken | Reichstags; | Ludwigshafen und 9.-12. Schlacht bei | der zweite | Knapsack Limanowa | Fünf-Milliarden- | | Kredit bewilligt | 10. Festsetzung von 14. Räumung von | -- Erörterung der | Höchstpreisen Belgrad | dem Reichstage | für Metalle | von den | 16.-23. Kämpfe in | verbündeten | 19. Vereinheitlichung Westflandern | Regierungen | d. Höchstpreise | vorgelegten | für Gerste 19. Beginn d. Kämpfe | Denkschrift über | -- Der belgischen an der Bzura, | wirtschaftliche | Nationalbank Rawka, Pilica, | Maßregeln aus | wird das Recht, Nida | Anlaß d. Krieges | Noten auszugeben, | | vom 21.-26. Kämpfe in | 17. England erklärt | Generalgouverneur der Champagne | das Protektorat | entzogen | über Ägypten | 27.-31. Kämpfe bei | | Ypern | 18. Malmöer | | Zusammenkunft | | | | | 1915 | 1915 | 1915 | | =Januar= | =Januar= | =Januar= | | 2. Beginn der | 13. Baron Burian statt| 13. Zentraleinkaufs- Dardanellenkämpfe | Graf Berchtold | gesellschaft | österreich.- | gegründet 12.-14. Schlacht bei | ungarischer | Soissons | Minister des | 26. Beschlagnahme | Äußern | der Getreidevorräte 19. Hartmannsweiler- | | in Deutschland kopf genomm. | 17. Eröffnung der | durch | internationalen | Bundesratsbeschluß 24. Seetreffen bei | sozial- | Helgoland | demokratischen | 31. Verordnung über | Friedenskonferenz | die Verwendung 28. Versenkung des | in Kopenhagen | der Mehlvorräte amerikanischen | | Schiffes »William | | P. Freye« | | | | Mitte Januar -- Ende | | April: Winterschlacht | | in den Karpathen | | | | =Februar= | =Februar= | =Februar= | | Belfort beschossen | 1. Dr. Helfferich | Errichtung d. | Reichsschatz- | Reichsstickstoffwerke 7.-15. Winterschlacht| sekretär | in Masuren | | Verträge mit | 4. Denkschrift mit | den bayrischen 18. Beginn der | Bekanntmachung | Stickstoffwerken U-Bootsblockade | des U-Boot- | und den Lonzawerken gegen England | Handelskriegs an | | die neutralen | Unterbindung der 19.-28. März: | und feindlichen | Wollausfuhr aus Winterschlacht | Mächte gesandt | Amerika nach in der Champagne | | Deutschland | 12. Amerikanische | 24. Einnahme von | Protestnote gegen | 15. Bundesratsverordnung Prasznysz | den U-Boot- | über Einschränkung | Handelskrieg | der Malzverwendung | | in den | 16. Deutsche Antwort | Bierbrauereien | auf den | | amerik. Protest | 23. Beschlagnahme | | der Getreide- | 22. Amerik. Note an | und Mehlvorräte in | Deutschland und | Österreich-Ungarn | Engl. z. U-Boot- | | Handelskrieg | | | | 28. Deutsche Antwort | | | =März= | =März= | =März= | | 1. Französische | 1. England und | 9. Beschlagnahme Angriffe in der | Frankreich | der Gerstevorräte, Champagne | erklären, daß sie | die bei dem | alle verdächtigen | einzelnen Besitzer 9. u. 10. Sieg am | Handelsschiffe | 10 Doppelzentner Augustower Wald | anhalten würden | übersteigen | | 10.-14. Vergeblicher | 10. Dritte Kriegs- | 21. Ergebnis der Durchbruchs- | tagung d. | 2. deutsch. versuch d. | Reichstags | Kriegsanleihe: Neuve Chapelle | | 9060 Millionen Mark Engländer bei | 13. Englische Antwort | bei 2691060 -- Mitte März | auf die | Einzelzeichnungen bis Mitte April: | amerikanische Note| Osterschlacht in | v. 22. Februar | 25. Verlängerung den Karpathen | | des bestehenden | 23. Greys Rede über | ungarischen 18.-21. Besetzung | den Ursprung | Moratoriums Memels durch die | des Krieges | Russen und deren | | 26. Einführung Vertreibung | 30. Note der Neutralen| eines schärferen | gegen die | Schutzzolltarifes 20. Karpathenschlacht | Erklärung Englands| in Rußland | und Frankreichs | 22. Fall von Przemysl | v. 1. März 1915 | | | 28. »Falaba« versenkt | | | | =April= | =April= | =April= | | 6.-11. Kämpfe um | 4. Deutsche Note mit | 17. Verlängerung die Combreshöhe | einer Denkschrift | des französischen | über die | Moratoriums auf 22. Deutscher Vorstoß | Handhabung der | Handelspapiere über den | Neutralität | Yserkanal | Amerikas in | 27. Englisches | Washington | Ausfuhrverbot 25. Englisch- | überreicht | für Rohbaumwolle französische | | und Maschine Truppen landen | 22. Amerikanische | zur Bearbeitung auf Gallipoli | Antwortnote: | von Metallen | Staatssekretär | 28. »Cushing« | des Auswärtigen | (amerikanisch. | Bryan lehnt das | Schiff) | vom deutschen | durch Flugzeug | Botschafter | angegriffen | geforderte | | Ausfuhrverbot ab | 30. Vorstoß nach | | Kurland | | -- Schlacht | | bei Schaulen | | | | =Mai= | =Mai= | =Mai= | | 1. »Gulflight« | 4. Italien kündigt d.| Schaffung einer (amerikanisches | Dreibundvertrag | »Wirtschafts- Schiff) versenkt | | kommission« | 8. Österreich-Ungarn | durch den 2.-12. Durch- | bietet Italien | Generalgouverneur bruchsschlacht | weitgehende | von Belgien bei | Gebietsabtretungen| Gorlice-Tarnow | an | | | 7. »Lusitania« | 15. Überreichung d. | versenkt | amerikanischen | | »Lusitania«-Note | 8. Einnahme von | in Berlin | Libau | | | 18. Vierte | 10.-21. Loretto- | Kriegstagung | Schlacht. | d. Reichstags | Englisch- | | französische | 23. Kriegserklärung | Durch- | Italiens an | bruchsversuche | Österreich-Ungarn | | | 20.-Ende Juli | 26. Österreich-Ungarn | Schlacht b. | veröffentlicht | Sedd-ul-Bahr und | diplomat. | Ari Burun -- Ende | Aktenstücke | Mai bis Anfang | nebst Denkschrift | Juni Schlacht bei | über die | Stryj | Verhandlungen | | mit Italien vor d.| | Kriegserklärung | | | | 28. Deutsche Antwort | | auf die | | amerikanische | | Note vom 15. Mai | | | =Juni= | =Juni= | =Juni= | | 1.-6. Kämpfe bei | 9. Rücktritt Bryans; | 24. Bundesratsver- Arras | Lansing | ordnung über den | Staatssekretär | Verkauf von Fleisch 3. Einnahme von | des Auswärtigen | und Fettwaren Przemysl | | durch die | 10. Zweite | Gemeinden 15.-21. Kämpfe um | amerikanische | die | »Lusitania«-Note | 26. Anordnung einer Grodekstellung | | Bestandsaufnahme | 24. Englisches | von 22. Einnahme von | Munitionsgesetz | Verbrauchszucker Lemberg | | | | 30.-5. Juli. Erste | | Isonzoschlacht | | | | =Juli= | =Juli= | =Juli= | | 9. Kapitulation der | 8. Deutsche Antw. auf| 12. Bekanntmachung über deutschen Truppen | d. zweite | d. Errichtung von in Deutsch- | »Lusitania«-Note | Vertriebsgesell- Südwestafrika | | schaften für den | 20. Englisches Regi- | Steinkohlen- und 13. u. 14. Argonnen- | strierungsgesetz | Braunkohlenbergbau kämpfe | | | 23. Amerikanische | 14. Ergebnis der 2. 15. Beginn der | Note betreffend | englisch. Kriegs- deutschen | U-Bootkrieg | anleihe: 600 Offensive in | | Millionen Pfd. Polen | 29. Österreichisch- | Sterl. -- Ergebnis | ungarische Note | der 2. österr.- 18. Windau besetzt | an Amerika wegen | ungar. | der amerikanischen| Kriegsanleihe: 18.-27. Zweite | Waffenlieferung | 3820 Mill. Kron. Isonzoschlacht | | | 29. u. 31. Veröffent- | 23. Festsetzung von 23. Schlacht bei | lichungen der | Höchstpreisen für Schaulen | Nordd. Allg. Ztg. | Brotgetreide, Gerste | aus belgischen | u. Hafer -- 28. Weichselübergang | Archiven zur | Errichtung einer zwischen | Vorgeschichte des | Reichsfutter- Iwangorod | Krieges | mittelstelle und Warschau -- | | Kämpfe bei | 31. Rücktritt d. | Souchez | Kabinetts Okuma | | | 30. Lublin besetzt | | | | =August= | =August= | =August= | | 4. Einnahme von | 4. Fortsetzung der | Russisch. Städtetag Warschau | Veröffentlichung | beschließt | von Aktenstücken | Einsetzung eines 5. Einnahme von | aus belgischen | Hauptausschusses f. Iwangorod | Archiven durch die| d. Versorgung | Nordd. Allg. Ztg. | des Landes 10. Einnahme von | | Lomza | 16. Venizelos wieder | 20. Reichstagsverhandl. | Ministerpräsident | über Stickstoff- 18. Einnahme von | | handelsmonopol -- Kowno -- »Arabic« | 19. Fünfte | Ausmahlungs- versenkt | Kriegstagung | verhältnisse | d. Reichstags | für Brotgetreide 19. Ermordung der | | auf 75 v. H. Besatzung des | 21. Italiens | festges. deutschen | Kriegserklärung | U-Bootes | an die Türkei | 21. Österr.-ungar. »U. 27« durch die | | Moratorium für Mannschaften des | 27. General von | Zahlungen nach »Baralong« | Beseler | d. Ausl. verläng. | Generalgouverneur | 20. Einnahme von | in Warschau | 22. Engl. erkl. Nowogeorgiewsk | | Baumwolle z. Bannw. | | 26. Einnahme von | | 31. Ablauf des inneren Brest-Litowsk | | Moratoriums | | i. Österr.-Ungarn 31. Einnahme von | | Luck | | | | =September= | =September= | =September= | | Fehlschlagen der | 1. Bericht Greys | 22. Ergebnis der 3. russischen | über die deutsch- | deutsch. Durchbruchsversuche | englischen | Kriegsanleihe: in Wolhynien | Verhandlungen | 12030 Mill. Mark | vom Jahre 1912 | bei 3966418 3. Einnahme von | | Einzelzeichnungen Grodno | 23. Wilson verlangt | | Abberufung des | 25. Bundesratsver- 8. Einnahme von | k. u. k. | ordnung zur Dubno | Botschafters Dumba| Errichtung von | | Preisprüfungs- 15. Einnahme von | 28. Grey sagt | stellen Pinsk | unbedingte und | | unbeschränkte | 28. Aufnahme einer 18. Einnahme von | Hilfe | englisch- Wilna | für Serbien zu | französischen | | Anleihe von 25. Beginn d. | | 2 Milliarden Herbstschlacht | | in Amerika im Artois und in | | der Champagne | | | | =Oktober= | =Oktober= | =Oktober= | | 4.-30. Engl. | 6. Venizelos tritt | 1. Verlängerung Durchbruchs- | zurück; Zaimis | des bestehenden versuch | Ministerpräsid. | russischen bei Ypern und | | Moratoriums Loos -- Vorstöße | 7. Bulgarien lehnt | auf ein der Franzosen | das russische | weiteres Jahr bei Souchez | Ultimatum ab | | | 2. Verbot des 5. Landung englisch- | 14. Bulgariens | Verschrotens von französischer | Kriegserklärung | Getreide zu Truppen in | an Serbien | Futterzwecken Saloniki | | | 15., 16. u. 20. | 9. Errichtung der 6. Beginn des neuen | Englands, | Reichskartoffel- Feldzuges gegen | Frankreichs, | stelle Serbien | Italiens u. | | Rußlands | 21. Festsetzung von 8. Einnahme von | Kriegserklärungen | Grundpreisen für Belgrad | an Bulgarien | Butter | | 10.-15. Zurückwerfung | 25. Botschafter von | 28. Bundesrats- der Russen | Wangenheim in | verordnung zur in Ostgalizien | Konstantinopel | Beschränkung des und Wolhynien | | Fleisch- u. | 29. In Frankreich | Fettverbrauchs 14. Zeppelinangriff | Ministerium | auf London | Briand | | | 18. Beginn der dritt. | | Isonzoschlacht | | | | 26. Verbindung der | | deutsch- | | österreichischen | | mit den | | bulgarischen | | Truppen | | | | =November= | =November= | =November= | | Kämpfe bei Riga | 5. Amerikanische | 4. Bundesratsver- u. Dünaburg -- | Note an die | ordnungen über Schlacht an der | Entente gegen | Milchpreise und Strypa | deren | Milchverbrauch, | Seekriegführung | über Preise für 1.-4. Kämpfe bei | | Schlachtschweine Czartorysk | 6. Skuludis | und Schweinefleisch (Wolhynien) | griechischer | | Ministerpräsident | 19. Ergebnis der 3. 5. Einn. von Nisch | | österreich.-ung. | | Kriegsanleihe: 10. Beginn d. vierten | 15. Graf Wolff | 6173 Millionen Isonzoschlacht | Metternich | Kronen | deutscher | 19. Die Serben vom | Botschafter in | letzten Stück | Konstantinopel | serbischen Bodens | -- Eröffnung der | vertrieben | Warschauer | | Hochschule | 22. Schwere Kämpfe | | bei Ktesiphon | 20. Italien tritt dem | | Londoner Abkommen | 23. u. 24. Schlacht | bei, keinen | a. d. Amselfelde | Sonderfrieden | -- Einnahme von | zu schließen | Mitrowitza und | | Pristina | | | | =Dezember= | =Dezember= | =Dezember= | | 4. Einnahme von | 9. Sechste | 8. Einführung von Monastir | Kriegstagung | Butter- und | d. Reichstages. | Fettkarten. 7. Einn. von Ipek | Reichskanzlerrede | Ergebnis der | über die Friedens-| 1. französischen 13. Beendigung des | möglichkeiten | Kriegsanleihe serb. Feldzuges | | (Emprunt de la | 10. Deutschland beruft| victoire): 15139 19. Räumung der | den Militär- | Milliarden Frcs. Nordseite von | und Marineattaché | Gallipoli durch | auf Ersuchen | 16. Verordnung über die Engländer | Amerikas ab | die Bereitung und Franzosen | | von Kuchen und | 22. Zehn-Milliarden- | über die 24.-5. Jan. 1916. | Kredit v. | Herstellung Neujahrsschlacht | Reichstag | von Süßigkeiten in Ostgalizien | bewilligt | und Schokolade und der Bukowina | | | | 30. Feindl. | | Fliegerangriff | | a. Ostende | | | | | | 1916 | 1916 | 1916 | | =Januar= | =Januar= | =Januar= | | 8. u. 9. Räumung | 4. Englisches | 8. 1. Sitzg. d. Beirats Gallipolis durch | Weißbuch über die | f. Volksernährg. die Engländer | Maßregeln im | und Franzosen | Wirtschaftskrieg | 15. Abfahrt des ersten | gegen Deutschland | Balkanzuges 10. Erstürmung des | | von Berlin und Lowtschen | 16. Kapitulation | München | Montenegros | 17. u. 18. Mittel- 13. Unterwerfung | | europäische Montenegros | 18. Kaiser Wilhelm | Wirtschafts- | und Zar Ferdinand | konferenz 29.-31. Luftangriffe | von Bulgarien | in Dresden auf Paris und | in Nisch | das englische | | 25. Festsetzung von Industriegebiet | | Höchstpreisen | | für Gemüse | | =Februar= | =Februar= | =Februar= | | 6. Ganz Kamerun | 1. Reichsratsmitglied| 1. Beschlagnahme der vom Feinde | Stürmer statt | Bekleidungsstoffe besetzt | Goremkyin russ. | | Ministerpräsident | 7. Verordnung über 9. Kämpfe bei | | die Einfuhr von Souchez | 8. Denkschrift | Kartoffeln | Deutschlands u. | 10.-11. Seegefecht | Österreich-Ungarns| 9. Neuregelung an der Doggerbank | an die | der Preise für | Neutralen über | Schlachtschweine und 16. Einnahme von | die Behandlung | Schweinefleisch Erzerum durch | bewaffneter | und der Versorgung die Russen | Handelsschiffe | m. frischem | | Schweinefleisch 19. Burengeneral | 23. Asquiths Rede | Smuts beginnt | über englische | den Angriff auf | Friedensziele im | Deutsch-Ostafrika | Unterhaus: | | Vernichtung | 21. Beginn des | der militärischen | Angriffs | Herrschaft | auf Verdun | Preußens | | | 26. Erstürmung der | | Panzerfeste | | Douaumont | | | | =März= | =März= | =März= | | 2. Dorf Douaumont | 3. Resolution Gore | 2. Bekanntmachg. genommen | im amerikanischen | über die | Senat | Preisfestsetzung bei 6. Luftangriff auf | | Enteignung von die englische | 9. Deutschlands | Kartoffeln Ostküste | Kriegserklärung | | an Portugal | 20. Errichtung der 14. Erstürmung des | | Reichsbeklei- »Toten Mann« | 11. Admiral von | dungsstelle | Capelle statt von | 15.-20. Fünfte | Tirpitz | 22. Ergebnis der 4. Isonzoschlacht -- | Reichsmarine- | deutschen Frühjahrsschlacht | sekretär | Kriegsanleihe: 1916 | | 10767 Milliarden auf der Ostfront | 15. Siebente | bei 5279645 | Kriegstagung | Einzelzeichnungen 16.-30. Durch- | d. Reichstages | bruchsversuch d. | | 27. Errichtung der Russen zwischen | 23. Englische | Reichsfleischstelle Jakobstadt und | Ablehnung | der Beresina | des Lansingschen | | Vorschlags | 20. Seegefecht bei | | Zeebrügge | 24. Spaltung der | | sozial- | 24. »Sussex« versenkt | demokratischen | | Reichstagsfraktion| 27. Sprengung der | | deutschen | 25. Amerikanisches | Stellung | Memorandum | bei St. Eloi | zur Frage der | -- Deutscher | Behandlung | Luftangriff auf | bewaffneter | Saloniki | Handelsschiffe | | | =April= | =April= | =April= | | 1.-6. Luftangriffe | 5. Kriegszielrede | 4. Verordnungen auf England und | Bethmann Hollwegs | über die Benutzung die Kanalküste | im Reichstag | von Grundstücken | | städtischen 2. Brussilow statt | 7. Deutsches | Charakters Iwanow Ober- | Handelsvertrags- | zu landwirtschaftl. befehlshaber an | abkommen mit | u. gärtnerischen der wolhynisch- | Rumänien | Zwecken galizischen Front | | | 14. Österreichisch- | 12. Festsetzung von 18. Einnahme | ungarischer | Höchstpreisen Trapezunts | Minister des | für die Kriegsdauer durch die Russen | Äußern | in Frankreich | Burian in Berlin | beschlossen 24.-25. Luftangriff | (Polnische Frage) | auf London | | 15. Errichtung der | 20. Sussex-Note | Reichsbrannt- 28. Kapitulation | Amerikas an | weinstelle Townshends in | Deutschland | Kut-el-Amara | | 18. Errichtung der | 24. Englische Antwort | Kriegswirt- | auf die | schaftsstelle | amerikanische Note| für das deutsche | vom 5. Nov. 1915 | Zeitungsgewerbe | | =Mai= | =Mai= | =Mai= | | 4. Luftangriffe auf | 4. Deutsche | 1. Preisfestsetzung die englische | Antwortnote | für Fische Ostküste | zum Sussex-Fall | 22. Errichtung des | macht äußerstes | Kriegsernährungs- 15. Beginn der | Zugeständnis | amts -- Ergebn. österreichisch- | | d. 4. österr.- ungarischen | 10. Amerikas Antwort | ungar. Offensive | nimmt die | Kriegsanleihe: in Südtirol | deutsche Erklärung| 6520 Millionen | v. 4. Mai an | Kronen 24. Erstürmung von | | Cumières | 17. Englisches | 29. Runderlaß an die | Wehrpflichtgesetz | Regierungs- 30. Einnahme von | im Unterhaus | präsidenten gegen Asiago und | angenommen | die ausschließliche Arsiero | | Versorgung -- Erstürmung | 22. Dr. Helfferich | einzelner der Höhe 304 | Staatssekretär | Landesteile | des Innern und | mit Lebensmitteln 31. Seeschlacht am | Stellvertreter des| zuungunsten Skagerrak | Reichskanzlers | d. Großstädte u. | | Industriegebiete | | | =Mai-Juli= | | | | Novelle zum | | Vereinsgesetz | | | =Juni= | =Juni= | =Juni= | | 4. Beginn der großen | 5. Annahme der | 8. Verbot des Abteufens russischen | Kriegssteuervor- | v. neuen Offensive in | lagen | Kalischächten Wolhynien und | | Galizien | 7. Neuer Kriegskredit| 14.-17. Wirtschafts- | von 12 Milliarden | konferenz des 12. Räumung der | bewilligt | Vierverbands in Linie Asiago und | | Paris Arsiero | 11. Rücktritt | | Salandras; Boselli| 29. Beschränkung 16. Beginn von | italienischer | von Neu- und Linsingens | Ministerpräsident | Erweiterungsbauten Gegenoffensive | | von Zementfabriken in Wolhynien | 18. Stellvertretender | | Generalstabschef | 23. Erstürmung des | Helmut Moltke | Panzerwerks | [gestorben] | Thiaumont | | | 22. Ultimatum des | | Vierverbands an | | Griechenland | | | =Juli= | =Juli= | =Juli= | | 1. Beginn der | 6. Lloyd George | 6. Verbot der Einfuhr englisch- | englischer | entbehrlicher französischen | Kriegsminister | Gegenstände Offensive | | an der Somme | 7. Bündnisvertrag | 10. U-»Deutschland« -- Fortdauer der | zwischen Rußland | in Baltimore Kämpfe vor Verdun | und Japan | angekommen und der | -- England und | Russenangriffe | Frankreich teilen | 21. Verordnung in Wolhynien | den Neutralen mit,| betreffend und an der | daß sie sich nicht| Seifenfabrikation nördlichen Front | mehr an die | und -handel -- Kämpfe bei | Londoner | Kolomea | Deklaration | | halten gebunden | | | =August= | =August= | =August= | | 6.-9. Sechste | 10.-13. Reichskanzler | 3. Bestellung eines Isonzoschlacht | Bethmann | Reichskommissars | Hollweg und | für Übergangs- 8. Die Italiener | Staatssekretär | wirtschaft besetzen Görz | des Auswärtigen | (Senator | Jagow in Wien | Dr. Sthamer) 9. Russki Oberbe- | (Polnische Frage) | fehlshaber an der | | 7. Einfuhrverbot russischen | 26. Italiens | für Tabak Nordfront | Kriegserklärung an| | Deutschland | 23. Denkschrift des 29. Hindenburg | | Vereins deutscher Generalstabschef, | 27. Rumäniens | Eisenhüttenleute Ludendorff Erster | Kriegserklärung an| (Munitionserzeugung General- | Österreich-Ungarn | betreffend) quartiermeister | | -- U-»Deutschland« | 28. u. 31. Kriegser- | zurückgekehrt 31. Hermannstadt | klärungen | geräumt | Deutschlands | 26. Einführung der | und der Türkei | Reichsfleischkarte | an Rumänien | | | =September= | =September= | =September= | | 1. Fortdauer der | 1. Kriegserklärung | 20. Deutsch- Sommeschlacht | Bulgariens an | schweizerisches -- Beginn der | Rumänien | Warenaustausch- Dobrudscha- | | abkommen offensive | 28. Achte | | Kriegstagung | 25. Gründung des 6. Einnahme von | d. Reichstages | russischen Tutrakan | | Zentralkomitees für | 29. von Kühlmann | Lebensmittelver- 9. Einnahme von | Botschafter in | sorgung in Silistria | Konstantinopel | Petersburg | | 14.-19. Siebente | | Isonzoschlacht | | | | 29. Sieg bei | | Hermannstadt | | | | =Oktober= | =Oktober= | =Oktober= | | Fortdauer d. Somme- | 8. Japanisches | 5. Ergebnis der 5. schlacht | Kabinett Terauchi | deutsch. Kriegs- | | anleihe: 10699 Anfang Oktober: | 21. Österreichischer | Milliarden Mark Achte | Ministerpräsid. | bei 3809976 Isonzoschlacht | Graf Stürgkh | Einzelzeichnungen | ermordet | 8. Einnahme von | | 12. Erricht. v. Kronstadt | 23. Greys Presserede | Ernährungsämtern in | | Österr. u. Ungarn 23. Einnahme von | 27. Der Reichstag | Constantza | bewilligt weitere | 21. Bespr. d. Staats- | 12 Milliarden | sekr. Dr. Helffe- 25. Einnahme von | Kriegskredite | rich m. d. bundes- Czernavoda | | staatlich. Regier. | 30. Generalmajor | über d. Fragen d. | Gröner Leiter des | Volksernährung | neuen Kriegsamtes| | | =November= | =November= | =November= | | 1. Fortdauer der | 5. Zwei-Kaiser- | 1. Errichtung des Sommeschlacht | Proklamation | Kriegsamts | erklärt Polen für | Anfang Nov.: Neunte | autonomen Staat | 9. Ergebnis der 2. Isonzoschlacht | | französischen | 6. Neuwahl Wilsons | Kriegsanleihe: 11. Durchbruch bei | zum Präsidenten | 11-1/3 Milliarden Targu Jui | der Vereinigten | Francs. | Staaten | 15. Alle Luftkriegs- | | 15. u. 16. Lebens- mittel werden | 13. Generalgouverneur | mitteldebatte im einem »Kommand. | Beselers | englischen General der | Verordnung über | Unterhause Luftstreit- | die Bildung eines | kräfte« | Staatsrats und | unterstellt | eines Vereinigten | | Landtags im | 18. Räumung von | Königreich Polen | Monastir | | | | 21. Einn. v. Kraiova | 21. Kaiser Franz | | Josef [gestorben] | 23. Donauübergang | | bei Swistow -- | 24. Zimmermann | Flottenvorstoß | Staatssekretär d. | geg. die | Auswärtigen an | Themsemündung | Stelle von Jagow | | | 29. Russisch- | 29. Admiral Jellicoe | rumänische | Erster Seelord | Gegenoffensive | | an der | | siebenb. Ostfront | | | | =Dezember= | =Dezember= | =Dezember= | | Vormarsch in der | 6. Asquith u. Grey | 2. Annahme des Dobrudscha -- | treten zurück | Hilfsdienstgesetzes Kämpfe an der | | im Reichstag Maas und bei | 10. Lloyd George | -- Erhöhung der Verdun | englischer | Mindestsätze der | Ministerpräsident | Unterstützung 1.-3. Schlacht am | | von Familien in den Argesul | 12. Friedensnote der | Dienst eingetretener | Mittelmächte an | Mannschaften 6. Einnahme von | die Alliierten | -- Ergebnis der Bukarest | | 5. österreichisch- | 13.-19. Antworten | ungarischen 13. Nivelle Oberbe- | der Alliierten | Kriegsanleihe: fehlshaber an | | 6767 Millionen Stelle Joffres | 21. Amerikanische | Kronen | Friedensnote | 22.-27. Durch- | | 14. Verordnung bruchsschlacht | 22. Graf Czernin | betreffend von Rimnicu- | österreichisch- | Stempelpflicht Sarat | ungarischer | ausländischer -- Artillerie- | Minister des | Wertpapiere kämpfe bei Ypern | Auswärtigen | und im | -- Neue Denk- | Wytschaetebogen | schrift des | | Admiralstabs | | zum U-Bootkrieg | | -- Wilsons | | Senatsbotschaft zu| | den Antworten d. | | kriegführenden | | Gruppen | | | | 26. Deutsche Antwort | | auf die | | amerikanische | | Friedensnote | | | | 30. Gemeinsame Antwort| | der Entente | | auf die deutsche | | Friedensnote v. | | 12. Dezember | | | | | 1917 | 1917 | 1917 | | =Januar= | =Januar= | =Januar= | | Kämpfe an der Ancre | 6. Festmahl der | 15. Bundesratsbeschluß und Somme und bei | amerikanischen | über Festsetzung bei Verdun | Handelskammer | v. Kursen | in Berlin | für Wertpapiere 4. Einnahme von | | Braila | 6.-7. Graf Czernin | 18. Der österr. | in Berlin | Ministerpräs. 4.-8. Schlacht an | | Clam. Martinitz der Putna | 10. Gemeinsame Antwort| und der ungar. | der Entente auf | Ministerpräs. 6. Einnahme von | die amerikanische | Graf Tisza | Focsani | Friedensnote | in Berlin zur Be- | | sprech. kriegs- 24. Deutscher Vorstoß | 31. Überreichung | wirtsch. Fragen bei Mitau | der deutschen | -- Ernennung | U-Bootnote | eines Reichskom- Im Januar | -- Telegramm | missars für Stick- 439500 Tonnen | an Bernstorff | stoffwirtschaft versenkt (insgesamt | | 5 Millionen Tonnen) | | | | =Februar= | =Februar= | =Februar= | | Kämpfe an der Ancre | 3. Abbruch der | 16. Ergebnis der 3. und Somme und | diplomatischen | englischen bei Verdun | Beziehungen | Kriegsanleihe: | Amerikas | 1000312950 12. Niederlage der | zu Deutschland | Lstr. neues Geld Italiener im | | Czernabogen | 19. Unterstaats- | 17. Staatssekretär | sekretär | Dr. Helfferichs 14. Fliegerangriff | Michaelis | Rede in der 45. auf Dünkirchen | preußischer | Vollvers. d. Deut- | Ernährungs- | schen Landwirt- 25. Kämpfe a. d. Aa | kommissar | schaftsrats über | | die Bedeutung 26. Deutsch. Vorst. | 23. Der Reichstag | der Landwirtschaft i. d. Themsemünd. | bewilligt weitere | im Kriege | 15 Milliarden | 27. Kut-el-Amara | Kriegskredite | 24. Bekanntm. üb. d. von den | | Regelung d. Engländern | 26. Botschaft Wilsons | Verkehrs besetzt | an den Senat | mit Kohle | | Im Februar | | 781500 Tonnen | | versenkt | | | | =März= | =März= | =März= | | 11. Einnahme von | 12. Ausbruch der | 2. Beginn der Debatte Bagdad durch | Revolution in | der italienischen die Engländer | Petersburg | Kammer über die | | wirtschaftliche 15. Strategischer | 13. Provisorische | Notlage Italiens Rückzug auf die | russische | Siegfriedstellung | Regierung | 5. Interpellation im | -- Fürst Lwoff | russisch. Reichsrat 15.-26. Kämpfe bei | Ministerpräsident | über die Monastir | | katastrophale | 14. Rede Bethmann | Verkehrsnot 27. Alexejew | Hollwegs im | russischer | Abgeordnetenhaus | 13. Einführung von Oberbefehlshaber | über innerpoli- | Fleisch-, Fett-, -- Englische | tische Reformen | Zucker-, Mehl- Niederlage bei | | und Brotkarten Gaza | 22. In Frankreich | in Italien | Ministerium Ribot | Im März 885000 | | 24. Verbot der Einf. Tonnen versenkt | 31. Brief Karls I. an | von Auslandswaren | seinen Schwager | in Frankr. | Sixtus | | | =April= | =April= | =April= | | 3. Einnahme des | 2. Wilsons | 2. Beratung in der Brückenkopfes | Kongreßbotschaft | französischen von Topoly | über die russische| Kammer über (Stochod) | Revolution | die Einführung | | von Höchstpreisen 9. Beginn der engl.- | 2.-3. Das österrei- | für Getreide französ. | chische Kaiserpaar| Frühjahrs- | und Czernin | 5. Verbot der Einfuhr offensive | im deutschen | von Auslandswaren im Westen -- | Hauptquartier | in Italien Schlacht b. Arras | | | 5. Amerikanische | 9. Einführung des 14. Englischer | Erklärung des | Staatsmonopols für Fliegerangriff | Kriegszustandes | den Getreidehandel auf Freiburg | mit Deutschland | in Rußland i. B. | | | 7. »Osterbotsch.« | 10. Plan des 16.-21. Schlacht an | des Kaisers | amerikanischen der Aisne und in | | Schiffahrts- der Champagne | 11. u. 14. Brasilien | departements, | u. Bolivia brech. | eine Flotte von 19. Beendigung des | die diplomatischen| 1000 Holzschiffen Rückzuges auf d. | Beziehungen zu | zu 3000 Tonnen Siegfriedstellung | Deutschland ab | zu bauen -- Englische | | Niederlage bei | 14. Russische | 15. Bestandsaufnahme Gaza | Arbeiter- | des Brotgetreides | u. Soldatenräte | in Frankreich 21. Deutsch. Vorstoß | für allgemeinen | in den Kanal u. | Frieden ohne | 18. Ergebnis der 6. die Themsemündung | Annexionen und | deutschen | Entschädigungen | Kriegsanleihe: 22. Deutsche | -- Handschreiben | 13122069600 Torpedoboote | Karls I. | Mark bei 6768082 beschießen | an Wilhelm II. | Einzelzeichnungen Dünkirchen | -- Geheimbericht | | d. Graf. Czernin | 23.-25. Zweite | | Arrasschlacht | 20. Resolution der | | deutsch. Sozial- | 27. Deutscher Vorstoß | demokraten | in die | entsprechend der | Themsemündung | russischen vom | | 14. dieses Monats | 28. Dritte | | Arrasschlacht | 26. Aufruf General | | Gröners an die | | Rüstungsarbeiter | Im April 1091000 | | Tonnen versenkt | 29. Einführung der | | allgemeinen | | Wehrpflicht in | | Amerika -- | | Sieben-Milliard.- | | Dollar-Kredit | | | =Mai= | =Mai= | =Mai= | | 3. Vierter englisch. | 2. Konstituierung | Debatte in der Durchbruchs- | des Verfassungs- | französischen versuch | ausschusses | Kammer über die bei Arras | | Lebensmittel- | 4. Erwiderung des | versorgung 14.-29. Zehnte | Reichskanzlers | Isonzoschlacht | auf den Czernin- | 2. Aufruf d. Königs | schen | von England an 24.-25. Luftangriffe | Geheimbericht | das Volk zur auf England | | Verringerung des | 17. Czernin im | Brotverbrauchs Im Mai 869000 | deutschen | Tonnen versenkt | Hauptquartier | 4. Bestandsaufnahme | in Kreuznach | der Getreide-, Mais- | | und Mehlvorräte | | in Italien | | =Juni= | =Juni= | =Juni= | | 7. Durchbruchs- | 5. u. 7. San Domingo | Ergebnis der 6. öster- versuch der | u. Haïti brechen | reichisch.-ungar. Engländer am | die Beziehgn. zu | Kriegsanleihe: Wytschaetebogen | Deutschland ab | 7689 Millionen | | Kronen 10. Italien. | 11. König Konstantin | Offensive bei | dankt ab -- | 23. Ergebnis der Asiago und im | In Spanien konser-| amerikanischen Suganatal | vatives | Freiheitsanleihe: | Ministerium Dato | 3035226850 Doll. Ende Juni | | Kerenski- | 22. In Österreich | Offensive | provisorisch. | | Beamtenkabinett | Im Juni | Seidler | 1016000 Tonnen | | versenkt | | | | =Juli= | =Juli= | =Juli= | | 1.-11. Kornilows | 6. Erzbergers Vorstoß| 7. Erörterung über Offensive in | im Hauptausschuß | das Ernährungswesen Ostgalizien | | im österreichischen | 9. u. 11. Kronrat | Abgeordnetenhause 7. Luftangriff auf | und Order über das| London | gleiche Wahlrecht | 8. Die amerikanische | | Ausfuhr wird unter 19. Durchbruch der | 14. Dr. Michaelis | Regierungskontrolle russischen Front | Reichskanzler | gestellt zwischen Sereth | | und Slota Lipa | 18. v. Kühlmann | | Staatssekretär | 25. Einnahme von | des Auswärtigen | Tarnopol | | | 19. Friedensresolution| 26. Einnahme von | des Reichstags | Kolomea | | | 25. England tritt für | 31. Beginn der ersten | Frankreichs An- | Flandernschlacht | sprüche auf Elsaß-| | Lothringen ein -- | Im Juli | Ablehnung einer | 811000 Tonnen | englischen | versenkt | Friedensresolution| | im Unterhaus | | | =August= | =August= | =August= | | 1. Kornilow russ. | 14. Czernin in Berlin | 14. Erhöhung der Oberbefehlshab. | -- Österreich | Lebensmittelrationen | erklärt sich | (Mehlprodukte) 3. Befreiung von | desinteressiert | in Österr. Czernowitz | an Polen | | (einschließlich | 16. Lloyd George 6.-14. Schlacht in | Galiziens), falls | weist im Unterhause der Moldau | Deutschland | auf die | bereit, auf | Notwendigkeit 14. Österreichisch- | Elsaß-Lothringen | größter Sparsamkeit ungarischer | zu verzichten -- | im Verbrauch der Fliegerangriff | Chinas Kriegs- | Lebensmittel hin auf Venedig | erklärung an | | Deutschland | 22. Gründung einer 15.-25. Englische | | schwedisch- Massenstürme | 21. Graf Bernstorff | russischen bei Lens | Botschafter in | Handelskammer | Konstantinopel | 16. Beginn der | | 25. Der russische zweiten | 22. Beginn der neuen | Finanzminister Flandernschlacht | Kanzlerkrise | Bernatzki verlangt | (Michaelis) -- | Arbeit bis 16.-25. Schlacht bei | »Siebener- | zum Höchstmaß Verdun | Kommission« des | aller Kräfte, | Reichstags | Rußland sei für 19. Beginn der elften | eingesetzt | das sozialistische Isonzoschlacht | | Regime noch | 31. Wilsons Ablehnung | nicht reif Im August | der Papstnote | 808000 Tonnen | | versenkt | | | | =September= | =September= | =September= | | 3. Einnahme v. Riga | Anfang: Gründung der | 4. Beschluß des | Vaterlandspartei | englischen 8. Kornilow | | Gewerkschafts- abgesetzt | 12. Deutschland | kongresses zugunst. | gesteht den Polen | des Freihandels 20. Beginn d. Herbst- | einen Regent- | nach dem Kriege schlachten in | schaftsrat, ein | Flandern | Ministerium und | 5. Einführung der | einen erweiterten | Kohlenkarte in 29. Luftangriff auf | Staatsrat zu | Österreich-Ungarn Dünkirchen | | | | 28. Die russische Im September | 21. Deutsche Antwort | Regierung nimmt 672000 Tonnen | auf die Papstnote | den Entwurf eines versenkt | vom 1. August -- | Zuckermonopols an | Stockholmer | | Sozialisten- | | Konferenz | | | =Oktober= | =Oktober= | =Oktober= | | 12.-16. Besetzung | 2. Friedensrede | 20. Ergebnis der 7. der Inseln Ösel | Czernins | deutsch. und Moon | in Budapest | Kriegsanleihe: | | 12,5 Milliarden 19.-21. Besetzung | 6. Interpellation | Mark bei der Insel Dagö | über alldeutsche | 5213373 Einzel- | Agitation i. Heer | zeichnungen 22. Schlacht am | | Chemin des Dames | 9. Michaelis und | | Capelle über das | 24. Beginn der | Komplott in der | deutsch- | Marine u. die | österreichisch. | Unabhängigen | Offensive am | Sozialdemokraten | oberen Isonzo | -- Kühlmanns Rede | | im Reichstag | 28. Görz | (Elsaß-Lothringen:| zurückerobert | Niemals!) | | | 29. Einnahme von | 23. Vertreter der | Udine | Mehrheitsparteien | | beim Chef | 31. Umfassungs- | d. Zivilkabinetts | schlacht | wegen Kanzler- | am Tagliamento | wechsels | | | Im Oktober | 26. Entlassungsgesuch | 674000 Tonnen | des Reichskanzl. | versenkt | Michaelis | | | =November= | =November= | =November= | | 2. Zurücknahme | 1. Entlassung | 8. Ergebnis der 2. der deutschen | Michaelis' | amerikanischen Front am Chemin | genehmigt | Anleihe: des Dames | -- Graf Hertling | 4617 Millionen | Reichskanzler | Dollars 7. Einnahme von | | Gaza durch die | 5. Kronrat über die | 20. Herabsetzung d.+ Engländer | Polnische Frage | Malzkontingents | | der Bierbrauereien 9. Deutsche und | 6. Czernin in Berlin | auf 10 Prozent Österreicher am | | Piave | 7. Neue russische | | Revolution | 10. Der italienische | (Regierung | Oberbefehlshab. | des Rates der | Cadorna durch | Volkskommissare) | General Diaz | | ersetzt | 8. Kerenski | | gestürzt | 17. Englischer | | Flottenvorstoß | 9. Helfferichs | in die Deutsche | Abschied genehmigt| Bucht | -- von Payer | | stellv. Reichs- | 20.-29. Englischer | kanzler | Durchbruchs- | | versuch | 16. Ministerium | bei Cambrai | Clemenceau | | | Im November | 23. Veröffentlichung | 607000 Tonnen | der Geheimverträge| versenkt | Rußlands mit | | seinen Verbündeten| | | | 30. Landsdownes | | Brief | | | =Dezember= | =Dezember= | =Dezember= | | 4.-6. Eroberung d. | 1. Fünfzehn | Ergebnis der Meletta-Massivs | Milliarden | 3. französischen | Kriegskredite | Kriegsanleihe: 10276 5. Erfolgreicher | v. Reichstag | Milliard. Francs. deutscher | bewilligt | Gegenstoß | | 4. Festsetzung der bei Cambrai | 3. Beginn der Waffen-| Brotration in | stillstands- | Frankreich 9. Jerusalem von | verhandlungen | den Türken | in Brest-Litowsk | 21. Beratung des geräumt | 7. Amerikas Kriegs- | Ernährungsamts | erklärung an | über Maßregeln Im Dezember | Österreich-Ungarn | zur Bekämpfung des 702000 Tonnen | | Schleichhandels versenkt | 11. Litauen | | proklamiert seine | | Selbständigkeit | | | | 16. Waffenstillstand | | mit Rußland | | unterzeichnet | | | | 22. Beginn der | | Friedens- | | verhandlungen | | in Brest-Litowsk | | | | | 1918 | 1918 | 1918 | | =Januar= | =Januar= | =Januar= | | 5. Ergänzung der | 5. Lloyd Georges | Ergebnis der 7. deutschen Sperr- | Rede vor den | österr.-ungar. gebietserklärung | englischen | Kriegsanleihe: vom 31. Januar | Gewerkschafts- | 9644 Millionen 1917 | vertretern | Kronen | | 29. Italienische | 8. Wilsons Botschaft | 18. Hungerrevolten Angriffe im | an den Kongreß | in Petersburg Gebiet der Sieben | (Die 14 Punkte) | und Moskau Gemeinden | | | 9. Wiederaufnahme | 24. Ernennung des 29.-31. Luftangriffe | der Friedensver- | Reichsausschusses auf London und | handlungen in | zur Wieder- Paris | Brest-Litowsk | herstellung der | (Trotzki) | deutschen Im Januar | | Handelsflotte 632000 Tonnen | 11. Wilsons Kongreß- | versenkt | rede (14 Punkte) | | | | 22. Sprengung der | | russischen | | Nationalver- | | sammlung durch | | die Bolschewiki | | | | 27. Streik in | | Groß-Berlin | | | =Februar= | =Februar= | =Februar= | | 17. Luftangriff auf | 9. Friedensvertrag | 3. Der Zentralexe- London u. Dover | des Vierbundes | kutivausschuß -- Beginn d. | mit der Ukraine | in Petersburg deutschen | | beschließt die Vormarsches in | 10. Einseitige | Annullierung der Großrußland | Friedenserklärung | Kriegsanleihen u. d. Ukraine | Trotzkis | | -- Abbruch der | 16. Alle Ein- und 19. Einnahme von | Verhandlungen | Ausfuhr in Amerika Dünaburg und | | unterliegt Luck | 13. Kronrat in | ab 16. Februar | Homburg | der Kontrolle des 23. Rückkehr des | | Kriegshandelsamts Hilfskreuzers | 19. 10. Kriegstagung | »Wolf« | des Reichstages | 25. Einführung der | | Fleischkarte in 25. Pernau, Dorpat, | 20. Russischer | London Reval und Pleskau | Funkspruch: | besetzt | Annahme der | | Friedens- | Im Februar | bedingungen des | 680000 Tonnen | Vierbundes | versenkt | | | | =März= | =März= | =März= | | 1. Befreiung von | 3. Der Friedens- | Beschlagnahme der Kiew | vertragm. Rußland | holländischen | unterzeichnet | Handelsschiffflotte 4. Einnahme von | | durch den Narwa | 5. Neuer Friedens- | Vierverband -- Einstellung | brief | des deutschen | Lord Landsdownes | Vormarsches in | | Großrußland | 7. Friedensvertrag | | mit Finnland | 12. Luftangriff auf | | England | 8. Der kurländische | | Landesrat wünscht | 13. Einnahme von | Anschluß an | Odessa | Deutschland | | | 21. Beginn der | 15. Hofrat Lammaschs | deutschen | Herrenhausrede | Offensive im | gegen das Bündnis | Westen zwischen | mit Deutschland | Scarpe und Oise | | | 16. Der Hauptausschuß | 22. Beginn der | des Reichstags | Fernbeschießung | beschäftigt sich | von Paris | mit der | | Denkschrift des | 23. Einnahme von | Fürsten Lichnowsky| Péronne | | | 19. Neuer 15-Milliar- | 24. Einnahme von | denkredit vom | Bapaume | Reichstag | | bewilligt | 26. Einnahme von | | Albert u. Noyon | 23. Anerkennung | | Litauens | 27. Einnahme von | als freier | Montdidier | und unabhängiger | | Staat durch | 31. Englische Nie- | Deutschland | derlage am Jordan | | | | Im März | | 689000 Tonnen | | versenkt | | | | =April= | =April= | =April= | | 2. Landung deutscher | 6. Joffe diploma- | Truppen | tischerVertreter | in Finnland | der russischen | | Sowjetrepublik | 11. Einnahme von | in Berlin | Armentières | | | 14. Graf Czernins | 22.-23. Erfolgloser | Rücktritt | englischer | | Sperrangriff | 18. Graf Mirbach | auf Ostende | deutscher diplo- | und Zeebrügge | matisher Vertreter| | in Moskau | 25. Erstürmung des | | Kemmelberges | 21. Der vereinigte | | Landesrat von | Im April | Livland, Estland, | 652000 Tonnen | Riga und Ösel | versenkt | wünscht Anschluß | | an Deutschland | | | =Mai= | =Mai= | =Mai= | | 3. Niederlage der | 22. Friedensoffensive-| Ergebnis der 3. finnischen Roten | Artikel in | amerikanischen Garde bei | der Kreuzzeitung | Freiheitsanleihe: Tawastehus | | 4170019659 | | Dollar 4. Neue Niederlage | | der Engländer | | 4. Deutsch- am Jordan | | holländisches | | Wirtschafts-Abkommen 27. Beginn der | | Schlacht zwischen | | 18. Ergebnis der 8. Aisne und Marne | | deutsch. -- Erstürmung des | | Kriegsanleihe: Damenweges | | 15001425400 | | Mark 29. Einnahme von | | Soissons | | 22. Deutsch- | | schweizerisch. Im Mai | | Wirtsch.-Abkommen 614000 Tonnen | | versenkt | | | | =Juni= | =Juni= | =Juni= | | 15. Österreichische | 24. Kühlmanns Rede | Offensive in | im Reichstag über | Norditalien und | die Unmöglichkeit | Rückzug | der rein | | militärischen | Im Juni | Beendigung des | 521000 Tonnen | Kriegs | versenkt | | | | =Juli= | =Juli= | =Juli= | | 15. Neue Offensive | 4. Bukarester | 18. Ergebnis der 8. an der Marne und | Friedensvertrag | österr.-ungar. in der Champagne | unterzeichnet | Kriegsanleihe: | | 5763,4 Millionen 18. Beginn der | 6. Graf Mirbach | Kronen Gegenoffensive | ermordet | der Entente | | Ergebnis der Aisne-Marne | 8. Admiral von Hintze| englischen | Staatssekretär | Siegesanleihe: 30. Feldmarschall | des Auswärtigen | 708 Mill. von Eichhorn in | | Pfund Sterling Kiew ermordet | 25. Helfferich | | Nachfolger des | Im Juli | Grafen Mirbach | 550000 Tonnen | in Moskau | versenkt | | | | =August= | =August= | =August= | | 2. Soissons geräumt | 6. Verlegung der | | deutschen | 8. Erfolgreiche | Botschaft | englische | von Moskau | Offensive | nach Petersburg | zwischen Ancre | -- Helfferich | und Oise -- | zur mündlichen | Montdidier | Berichterstattung | geräumt | nach | | Berlin gerufen | 18. Ententeoffensive | | zwischen Oise | 27. Deutsch-russ. | und Aisne | Zusatzverträge | | unterzeichnet | 20. Englische | | Offensive | 30. Helfferich ersucht| b. Bapaume | um seine | | Entlassung | 31. Der Kemmelberg | von dem Posten des| geräumt | diplomatischen | | Vertreters b. d. | Im August | Sowjetregierung | 420000 Tonnen | | versenkt | | | | =September= | =September= | =September= | | 12. Amerikanische | 7. Talaat Pascha in | Offensive bei | Berlin | Verdun | | | 14. Friedensnote des | 15. Ententeoffensive | Grafen Burian | in Mazedonien | | | 17. Wilsons u. | 19. Englische | Balfours Antwort | Offensive in | | Palästina | 18. Clemenceaus | | Antwort | 26. Ententeoffensive | | Champagne- | 26. Bulgarien bittet | Argonnen | um Waffenstill- | | stand | 29. Waffenstillstand | | zwisch. d. | 30. Graf Hertlings | Entente und | Rücktritt -- Erlaß| Bulgarien | des Kaisers | | (Demokratisierung)| Im September | | 440000 Tonnen | | versenkt | | | | =Oktober= | =Oktober= | =Oktober= | | 2. Damaskus | 3. Prinz Max v. Baden| gefallen | Reichskanzl. | -- Armentières | | und Lens geräumt | 5. Deutsche Friedens-| | und Waffenstill- | 3. Cambrai und St. | standsnote an | Quentin geräumt | Wilson | | | 14. Die Italiener in | 8. Wilsons Antwort | Durazzo | | | 12. Deutsche Note | 19. Flandrische | an Wilson | Küste u. Brügge | (uneingeschränkte | geräumt | Annahme der | | 14 Punkte) | 24. Italienische | | Angriffe im | 14. Weitere Note | Gebirge und am | Wilsons, Forderung| Piave | der Einstellung | | des U-Bootkriegs, | 26. Aleppo besetzt | deutliche | | Anspielung auf | 30. Österreich-Ungarn | Abdankung des | räumt das | Kaisers | besetzte Gebiet | | | 17. Manifest Karls I. | 31. Waffenstillstand | »An meine getreuen| zwischen der | Völker« | Entente und der | | Türkei | 20. Deutsche Antwort | | an Wilson: | | Einstellung | | des U-Bootkriegs, | | Hinweis auf die | | grundlegenden | | innern Reformen | | | | 23. Note Wilsons: | | Bereitschaft, | | Frage des | | Waffenstillstands | | mit seinen | | Verbündeten | | zu beraten | | | | 26. Ludendorff zur | | Disposition | | gestellt | | | | 27. Deutsche | | Antwortnote | | | | 28. Andrassys Sonder- | | friedensangebot | | an Wilson -- | | Kaiser Wilhelms | | Erlaß über die | | neue Regierung | | | | 30. Zerfall | | Österreich-Ungarns| | in Teilstaaten | | | | 31. Kapitulation der | | Türkei | | | =November= | =November= | =November= | | 1. Gröner an Stelle | 3. Waffenstillstand | Ergebnis der 9. Ludendorffs | Österreich-Ungarns| deutschen Erster General- | mit den | Kriegsanleihe: quartiermeister | Alliierten -- | 10434 Millionen | Aufruhr in Kiel | Mark bei 2717657 7. Beginn der | | Einzelzeichnungen Waffenstill- | 5. Wilsons Antwort: | zwischenstands- | Die Alliierten zu | verhandl. | Waffenstillstands-| Deutschland und | verhandlungen | der Entente | bereit | | | 11. Unterzeichnung | 6. Abreise der | des Waffenstill- | deutschen | stands | Waffenstillstands-| | bevollmächtigten | | | | 7. Revolution in | | München | | | | 9. Verkündigung | | der Abdankung | | des Kaisers und | | des Kronprinzen | | -- Sieg der | | Revolution | | in Berlin | * * * * * Personenverzeichnis Abdul Hamid, Sultan. I, 66, 125. Aehrenthal, Graf, österreichisch-ungarischer Minister des Auswärtigen. I, 67f. Alexejew, russischer General. III, 465ff. Andrassy, Graf, österreich.-ungar. Minister des Auswärtigen. II, 102, III, 554ff. Armand, Graf, Major. III, 145, 391f. Asquith, engl. Premierminister. I, 23, 100f., 207. Auguste Viktoria, Deutsche Kaiserin. II, 176. Avarescu, rumänischer General und Ministerpräsident. III, 302. Bachmann, Admiral, Chef des Admiralstabs. II, 322, 325. Balfour, engl. Minister des Auswärtigen. I, 130, III, 148, 373, 391, 517, 591ff. Bassermann, Abgeordneter. II, 161. Bassewitz, Graf, Legationsrat. III, 461. Bathurst, Unterstaatssekretär des englisch. Kriegsernährungsamtes. III, 37. von Batocki, Präsident des Kriegsernährungsamtes. II, 179ff., III, 87. Bauer, Staatssekretär des Reichsarbeitsamtes. III, 531. Beldiman, rumänischer Gesandter. III, 299. Benckendorff, Graf, russischer Botschafter. I, 94, 158. Benedikt XV., Papst. III, 147, 164, 581ff. Berchtold, Graf, österreich.-ungar. Minister des Auswärtigen. I, 105, 107f., 202, 204f. Bernstorff, Graf, deutscher Botschafter. II, 323, 350, 359, 417ff., 421ff. von Beseler, General, Generalgouverneur in Warschau. III, 52ff. von Bethmann Hollweg, Reichskanzler. I, 74f., 88f., 204ff., II, 58, 68, 82ff., 95, 100, 103f., 112ff., 162f., 176, 179, 254f., 258, 261, 266, 290f., 294ff., 302ff., 329f., 335ff., 341ff., 349ff., 359ff., 383, 388ff., 396ff., 408ff., III, 24, 50, 70f., 84, 97, 110, 117ff., 123ff., 130ff., 578, 582. Beyens, Baron, belgischer Gesandter. I, 161. Bismarck, Reichskanzler. I, 13ff., 32f., 47ff., II, 392. Bonar Law, konservativer Führer. I, 220; engl. Schatzkanzler. III, 148. Botkin, Sekretär der russischen Botschaft. I, 103. Bratianu, rumänischer Ministerpräsident. II, 78, 102. Breitenbach, Eisenbahnminister. II, 176, 262, 269; Vizepräsident des preußischen Staatsministeriums. III, 171, 208. Briand, französischer Ministerpräsident. II, 368, 372, 375. Buchanan, engl. Botschafter. I, 201, 210. Bülow, Fürst, Reichskanzler. I, 18, 33, 35f., 52, 60, 68, II, 67f., 70f., III, 208, 214. Burian, Baron, österreich.-ungar. Minister des Auswärtigen. II, 268, 357, III, 50, 513f. Cambon, Jules, französischer Botschafter. I, 79, 157. Cambon, Paul, französ. Botschafter. I, 80, 157, 202, 219ff. Campbell-Bannermann, Sir Henry, engl. Ministerpräsident. I, 23. Canevaro, italienischer Minister des Auswärtigen. I, 28. von Capelle, Admiral, Staatssekretär des Reichsmarineamts. II, 337, 341, 380ff., III, 106f., 110, 161, 195ff. Carol, König von Rumänien. II, 13, 77f. Carp, Peter, rumänischer Staatsmann. III, 299. Carranza, Präsident von Mexiko. II, 362, III, 107. Carson, engl. Marineminister. III, 147. Cassel, Sir Ernest. I, 134f. Chamberlain, Josef, engl. Kolonialminister. I, 17, 127. Churchill, Erster Seelord. I, 207; Marineminister. II, 61. Clausewitz, General von. II, 285. Clemenceau, franz. Ministerpräsident. III, 65, 145, 239, 392, 409, 516. Cohn, Abgeordneter. I, 183, III, 151. Conrad von Hötzendorff, österreich.-ungar. Generalstabschef. I, 177, II, 101. Constans, französ. Botschafter. I, 124, 127. Czernin, Graf, österreich.-ungar. Minister des Auswärtigen. II, 88, 398, III, 44f., 61ff., 67ff., 114, 145, 162ff., 178, 218ff., 245ff., 281ff., 304, 378ff., 578ff. Dr. David, Abgeordneter. III, 108f., 116, 125, 425; Unterstaatssekretär. III, 530. Davydoff, Präsident der Russischen Bank. I, 103f., 189ff. Delbrück, Staatssekretär des Innern. II, 175f., III, 75. Delcassé, franz. Minister des Auswärtigen. I, 19, 21f., 79, 130. Denikin, russischer General. III, 465ff. Dernburg, Staatssekretär. II, 150. Dittmann, Abgeordneter. III, 90, 193ff., 557. Djavid Bey, türkischer Finanzminister. II, 88, 174. Doumergue, franz. Minister des Auswärtigen. I, 157. von Dusch, badischer Ministerpräsident. II, 168. Dutow, russischer General. III, 465. Ebert, Abgeordneter. III, 82, 105ff., 116, 119, 161, 199, 540, 568. Eduard VII., König von England. I, 20, 26f., 74, 118. von Eichhorn, Feldmarschall. III, 344, 482ff. von Einem, General, Kriegsminister. II, 136. Eisner, Kurt, bayr. Ministerpräsident. I, 177. Enver Pascha, türkischer Kriegsminister. I, 110, II, 60, 88. Erzberger, Abgeordneter. II, 163, III, 52, 79, 105ff., 146, 157; Staatssekretär. III, 551, 559, 577ff. de L'Escaille, belgischer Geschäftsträger. I, 210. von Falkenhausen, Generaloberst, Generalgouverneur von Belgien. III, 171. Falkenhayn, Generalstabschef. II, 58f., 71, 82f., 89, 95f., 100ff., 105, 254, 330, 336, 343. Fehrenbach, Abgeordneter. III, 124, 127. Ferdinand, König von Bulgarien. II, 89, III, 519. Ferdinand, König von Rumänien. III, 301. Fisher, Lord John, Erster Seelord. II, 61. Foch, französischer Marschall. III, 403, 551, 569. Franz Ferdinand, Erzherzog. I, 169. Franz Joseph, Kaiser von Österreich-Ungarn. I, 179, 182. Dr. Friedberg, Abgeordneter. III, 217ff., Vizepräsident des Preuß. Staatsministeriums. III, 430. Friedrich Wilhelm, Deutscher Kronprinz. III, 119ff., 171f., 279f., 563, 566f., 570. Friedrich, Erzherzog. I, 177. Geddes, Sir Auckland, englisch. Rekrutierungsminister. III, 375. Georg V., König von England. I, 156f., 182. Gerard, amerikanischer Botschafter. II, 81, 307, II, 338f., 342ff., 350ff., 359f., 401ff., III, 149. von der Goltz, Generalfeldmarschall. I, 160; Generalgouverneur. II, 112. Gore, amerikanischer Senator. II, 333. von Grävenitz, Unterstaatssekretär in der Reichskanzlei. III, 159f. Greindl, Baron, belgischer Gesandter. I, 27. Grew, amerikanischer Geschäftsträger. II, 353. Grey, Sir Edward, Abgeordneter. I, 19; Staatssekretär des Auswärtigen. I, 21ff., 55, 71, 79, 85, 89, 96, 100, 120, 143, 156f., 163f., 201ff., 210ff., 218ff., II, 355f. Dr. Gröber, Abgeordneter. III, 425. Gröner, General. II, 258, 260ff., 268f., 278; Generalquartiermeister. III, 552. van Grootven, belgischer Gesandter. I, 21. Guillaume, Baron, belgischer Gesandter. I, 162f. von Gwinner, Direktor der Deutschen Bank. I, 106, 137. Haase, Abgeordneter. III, 74, 81, 193. Haber, Geheimrat. II, 117. Haimerle, Baron, österr.-ungar. Botschaftsrat. I, 176. Hakki Pascha, Großwesir. I, 137, 143, 148f. Haldane, Lord, englischer Kriegsminister. I, 23, 87ff., 142. Harden, Maximilian. III, 361. Harmsworth, engl. Unterstaatssekretär d. Auswärtigen. III, 587. Hartwich, russischer Gesandter. I, 96. Harwey, Sir Paul, englischer Diplomat. I, 109. Haußmann, Abgeordneter. III, 207, 220ff.; Staatssekretär, III, 530. Havenstein, Reichsbankpräsident. II, 22, 33, 113, 142. Henderson, englischer Arbeiterführer. III, 148. Hergt, preußischer Finanzminister. III, 159. Hertling, Graf, bayrischer Ministerpräsident. II, 167; Reichskanzler. III, 202ff., 234ff., 335, 378ff., 390ff., 418ff., 514ff., 525f., 562. Hindenburg, General. II, 20, 75, 99ff., 105f.; Chef des Generalstabs des Feldheeres. II, 254f., 258f., 357, 381f., 392ff., 397, 403ff., III, 116, 123, 129ff., 171, 218, 279, 499, 525, 536ff., 546f., 550, 590. von Hintze, Staatssekretär des Auswärtigen. III, 428, 434f., 450, 460, 476, 488f., 514ff., 525f. Hoch, Abgeordneter. III, 108ff., 116. Hoffmann, Generalmajor. III, 259, 275f., 278f., 289. Hoffmann, Abgeordneter. III, 116. Hohenlohe, Prinz, österreichisch-ungarischer Botschafter. III, 126. von Holtzendorff, Admiral, Chef des Admiralstabs. II, 325, 336, 341, 381, III, 171. Holubowitsch, ukrainischer Staatssekretär. III, 281. House, Oberst. II, 417. Humbert, französischer Senator. III, 151. Hussarek, österreichischer Ministerpräsident. III, 554. Ickler, Abgeordneter. II, 269ff. Iswolski, russischer Minister des Auswärtigen. I, 26, 96, 109, 157, 161, 163f., 190, 203. von Jagow, Staatssekretär des Auswärtigen. I, 106, II, 83, 106, 351 ff., III, 50f. Januschkewitsch, russischer Generalstabschef. I, 198, 209. Joffe, russischer diplomatischer Vertreter. III, 260, 338, 442, 448, 469, 489, 494f. Joffre, Marschall, französischer Oberbefehlshaber. II, 73, 92. Johann Albrecht, Herzog. II, 89. Kamkow, russischer Sozialrevolutionär. III, 469. Karachan, russischer Volkskommissar. III, 487. Karl I., Kaiser von Österreich-Ungarn. III, 55, 61, 65, 141ff., 299, 552, 578ff. Karl Stefan, Erzherzog. III, 55, 65, 67. Kemal Bey, Ghalib, türkischer Diplomat. III, 483. Kerenski, russischer Kriegs- und Marineminister. III, 26f., 239. Keßler, Graf Harry. III, 469. Kiderlen-Wächter, Staatssekretär des Auswärtigen. I, 73f., 79ff., 93f., 96ff., 105. von Koch, Admiral. II, 381. Kokowzoff, russischer Minister des Innern. I, 198. Konstantin, König von Griechenland. II, 79f., 95, III, 22. Krasnow, russischer General. III, 445, 465ff. Dr. von Krause, preußischer Justizminister. III, 158. von Kreß, General. III, 347. Dr. Kriege, Ministerialdirektor im Auswärtigen Amt. III, 476, 489. Krupp von Bohlen und Halbach. II, 254. von Kühlmann, Botschafter. I, 143; Staatssekretär des Auswärtigen. III, 157, 159, 163, 168ff., 178f., 208, 215, 217ff., 258ff., 279f., 356, 418ff., 433f., 589f., 593. Kühn, Reichsschatzsekretär. II, 113. von Lancken-Wakenitz, Freiherr, Botschaftsrat. I, 106. Landsberg, Abgeordneter. III, 185ff. Landsdowne, Lord. I, 220, III, 355ff. Lansing, amerikanischer Staatssekretär des Auswärtigen. II, 323, 325 ff., 334. Lee, Arthur, Zivillord der britischen Admiralität. I, 54. Legien, Abgeordneter. II, 270. Lenin, Präsident der Bolschewikiregierung. III, 240f., 294. Lentze, preußischer Finanzminister. II, 119. Leopold von Bayern, Prinz, Oberbefehlshaber Ost. III, 248. Lerchenfeld, Graf, bayrischer Gesandter. II, 101, III, 209. Lichnowsky, Fürst, deutscher Botschafter. I, 143, 177, 203, 213ff. Liebknecht, Abgeordneter. III, 557. Liman von Sanders, General. I, 160. List, Abgeordneter. III, 124. Lloyd George, englischer Ministerpräsident. I, 55ff., 83ff., 220, II, 368, III, 142ff., 356ff., 376ff., 578. Lohmann, Bremer Großkaufmann. II, 129ff. Ludendorff, General. II, 20, 99; 1. Generalquartiermeister. II, 103, 106, 255, 260, 265, 280, 381, 392ff., 397, III, 116, 123, 125ff., 171, 218, 238, 279, 421, 499ff., 525, 534ff., 546, 550ff. Ludwig, König von Bayern. II, 101. Lwoff, Fürst, russischer Ministerpräsident. III, 23. von Lyncker, General, Chef des Militärkabinetts. III, 129. Mac Donald, englischer Abgeordneter. III, 148. Majorescu, rumänischer Politiker. II, 88. Malinoff, bulgarischer Ministerpräsident. III, 509, 521. Mankiewitz, Direktor der Deutschen Bank. I, 189. Marghiloman, rumänischer Ministerpräsident. III, 302ff. Marschall von Bieberstein, Freiherr, Deutscher Botschafter. I, 66ff., 93, 127, 142f. Max von Baden, Prinz. III, 208; Reichskanzler und preußischer Minister des Auswärtigen. III, 527ff., 545, 557, 567ff., 570. Mensdorff, Graf, österreich.-ungarischer Botschafter. III, 65. Mertin, Abgeordneter. III, 125. Michaelis, Reichskanzler. II, 182, III, 131ff., 153ff., 162ff., 181ff., 194ff., 590. Miljukow, russischer Minister des Auswärtigen. III, 23, 474. Mirbach, Graf, deutscher Gesandter. III, 442ff., 446ff., 456ff. von Moltke, Generaloberst. II, 17ff., 58. Dr. Mühlon, Direktor bei Krupp. I, 177. von Müller, Admiral, Chef des Marinekabinetts. II, 409. Müller, August, Unterstaatssekretär im Kriegsernährungsamt. III, 159. Murawiew, russischer General, Oberbefehlshaber der Roten Garde. III, 458. Naumann, Abgeordneter. III, 52, 199, 324. Nicolai Nikolajewitsch, Großfürst. I, 97. Nicolson, Sir Arthur, englischer Botschafter. I, 70, 96, 221. Nikolas O'Conor, englischer Botschafter. I, 128. Nikolaus II., Zar von Rußland. I, 27, 74, 95, 182ff., 199, 209. Noske, Abgeordneter. III, 108. Oberndorff, Graf, deutscher Gesandter. II, 89. Orlando, italienischer Ministerpräsident. III, 363. Pacelli, Nuntius. III, 147, 149, 582, 586ff. Painlevé, französischer Ministerpräsident. III, 175. Dr. Pasche, Abgeordneter. III, 90. von Payer, Abgeordneter. II, 273ff., III, 116, 125ff., 133, 218ff., 433, 498; Vizekanzler. III, 528ff., 568. Pichon, französischer Minister des Auswärtigen. I, 139, III, 362, 377, 517. Poincaré, französischer Ministerpräsident. I, 99f.; französischer Präsident. I, 156, III, 66f., 141ff. Pokrowsky, russischer Minister des Auswärtigen. II, 368. Pourtalès, Graf, deutscher Botschafter. I, 197ff. Pritsch, Generalkonsul. I, 106. Radek, russischer Volkskommissar. III, 461, 469, 488ff. Randa, Oberst. III, 299. Reading, Lord, englischer Botschafter. III, 401. von Rechenberg, Freiherr, Abgeordneter. III, 52. Revertera, Graf, österreichischer Legationsrat. III, 145, 392. Revoil, Generaldirektor der Ottomanischen Bank. I, 139ff. Ribot, französischer Minister des Auswärtigen. III, 67, 71, 142ff., 148, 176, 577ff. Dr. Riezler, Geheimer Legationsrat. III, 456, 461, 481. Rizoff, bulgarischer Gesandter. III, 126. Roedern, Graf, Reichsschatzsekretär. III, 103, 113, 161, 220ff., 522, 525ff., 534. Rosebery, Lord, englischer Staatssekretär des Auswärtigen. I, 46f. von Rosenberg, Gesandter. II, 89. Rudini, italienischer Ministerpräsident. I, 29. Rüdlin, Staatssekretär des Reichspostamts. III, 159. Runciman, englischer Handelsminister. III, 390. Rupprecht, Kronprinz von Bayern. II, 17. Salandra, italienischer Ministerpräsident. II, 66. Salis, Graf, englischer Gesandter. III, 584, 586, 588. Salisbury, Lord, englischer Staatssekretär des Auswärtigen. I, 18, II, 187. Sanderson, englischer Unterstaatssekretär des Auswärtigen. I, 128. San Giuliano, italienischer Minister des Auswärtigen. I, 99, II, 66. Schebeko, russischer Botschafter. I, 206. Scheer, Admiral, Chef des Admiralstabs. III, 546. Scheidemann, Abgeordneter. III, 81, 104, 116, 130, 236, 432, 435, 564, 566, 568. Schekow, General, bulgarischer Oberbefehlshaber. III, 510. Scheüch, General, preußischer Kriegsminister. III, 531. Dr. Schiffer, Abgeordneter. II, 166f., 273, 281, III, 116, 124, 158. von Schlieffen, Graf, Generalfeldmarschall. II, 288f. Dr. von Schön, bayrischer Legationsrat. I, 177. Schönaich-Carolath, Prinz, Abgeordneter. III, 127. von Schorlemer, Freiherr, preußischer Landwirtschaftsminister. II, 119. Dr. von Schwabach. I, 106. Dr. Schwander, Staatssekretär des Reichswirtschaftsamts. III, 158; Statthalter von Elsaß-Lothringen. III, 531. Dr. von Siemens, Direktor der Deutschen Bank. I, 128. Sixtus von Parma, Prinz. III, 65ff., 141ff., 392. Skoropadski, General, Hetman. III, 345, 457. Sokolnikow, russischer Friedensdelegierter. III, 293. Dr. Solf, Minister des Auswärtigen. III, 530, 545. Sonnino, italienischer Minister des Auswärtigen. II, 66, 69, 368, III, 142. Dr. Spahn, Abgeordneter. II, 162f., 270, III, 111, 116, 127, 146; preußischer Justizminister. III, 158. Spiridonowa, russische Sozialrevolutionärin. III, 469. Ssasonoff, russischer Minister des Auswärtigen. I, 74, 94, 97, 158, 197f., 201ff. Ssuchomlinoff, russischer Kriegsminister. I, 166, 198, 208f. von Stein, General, preuß. Kriegsminister. II, 260, III, 187f. Stone, amerikanischer Senator. II, 333. Dr. Stresemann, Abgeordneter. III, 94, 119, 124ff., 199. von Stumm, Dirigent der politischen Abteilung des Auswärtigen Amtes. I, 207, II, 357. Stürmer, russischer Ministerpräsident und Minister des Auswärtigen. III, 52. Dr. Südekum, Abgeordneter. III, 114, 167. von Sydow, preußischer Handelsminister. II, 262. Szögieny, Graf, österreichisch-ungarischer Botschafter. I, 179. Take Jonescu, rumänischer Staatsmann. II, 78. Talaat Pascha, türkischer Großwesir. III, 497, 512. Tereschtschenko, russischer Minister des Auswärtigen. III, 176. von Tirpitz, Großadmiral. I, 89, II, 129, 300, 325, 337. Tisza, Graf, ungarischer Ministerpräsident. II, 101. Tontschew, bulgarischer Finanzminister. III, 311f. Trevelyan, engl. Abgeordneter. III, 148. Trimborn, Abgeordneter. III, 198, 206, 215; Staatssekretär des Reichsamts des Innern. III, 531. Trotzki, russischer Volkskommissar. III, 240f., 272ff.; Kriegsminister. III, 494. Tscharikoff, russischer Botschafter. I, 94. Tscherbatscheff, russischer General. III, 298f. Tschitscherin, russischer Volkskommissar. III, 463, 466, 482ff. Uritzky, russischer Volkskommissar. III, 494. von Valentini, Chef des Zivilkabinetts. III, 131, 202ff. Venizelos, griechischer Ministerpräsident. II, 79f., 93. Viktor Emanuel, König von Italien. I, 29. Viktoria, Königin von England. I, 20. Vogtherr, Abgeordneter. III, 199. Volpi, italienischer Diplomat. I, 109. Wahnschaffe, Unterstaatssekretär. II, 409, III, 130. von Waldow, Staatsminister, Präsident des Kriegsernährungsamts. II, 182, III, 159, 171. Wallraf, Staatssekretär des Reichsamts des Innern. III, 158, 184, 188. von Wangenheim, Freiherr, deutscher Botschafter. II, 53. Weddigen, Kapitänleutnant. II, 16, 300. Wedel, Graf, deutscher Botschafter. III, 61f., 578f. Weizsäcker, württembergischer Ministerpräsident. II, 102. Wekerle, ungarischer Ministerpräsident. III, 554. Westarp, Graf, Abgeordneter. III, 125, 235, 427. Whitman, Sidney. I, 49. Wied, Prinz zu, Fürst von Albanien. I, 112. Wild von Hohenborn, General. II, 58f., 251, 260, 381. Wilhelm II., Deutscher Kaiser. I, 21, 74, 102, 127, 171, 173, 177, 180ff., 189, 204, 225ff., II, 68, 102, 264f., 272, 299, 302f., 342ff., 356ff., 392, III, 55, 65, 101, 116ff., 160f., 227f., 337, 543f., 561ff., 570, 589. Wilhelm II., König von Württemberg. II, 101. Willcox, Sir William, englischer Ingenieur. I, 153. Williams, Mr. Robert. I, 120. Wilson, Präsident der Vereinigten Staaten von Nordamerika. II, 320ff., 332ff., 344, 350ff., 359ff., 369ff., 414ff., 421ff., III, 17ff., 24, 357ff., 366ff. (14 Punkte), 385ff., 402ff., 514, 536ff., 560ff., 570. Witte, Graf, russischer Finanzminister. I, 26. Wyckenburg, Graf, Sektionschef im österreichisch-ungarischen Ministerium des Auswärtigen. I, 107. Zimmermann, Unterstaatssekretär des Auswärtigen. I, 195ff., II, 58, 83, 307, 328; Staatssekretär des Auswärtigen. II, 369, 398ff., 418ff., III, 51, 61, 106, 110. * * * * * Sachverzeichnis Abgeordnetenhaus. III, 93, 98f., 430. Abkehrschein. II, 273. Abrüstungsfrage. I, 35f. »Abukir«, englischer Kreuzer. II, 300. Adana. I, 133. Adlon-Hotel. II, 399. Admiralstab. II, 95, 329ff., 395, III, 69. Adrianopel. II, 79, 88f. Adriatische Frage. I, 104f. Afghanistan. I, 26. »Agamemnon«, englisches Kriegsschiff. II, 62. Agitation im Heere. III, 184ff. Ägypten. I, 20, II, 60. Aidin. I, 150. Ailettegrund. III, 407. Albanische Frage. I, 98f., 106f., 112. Aleppo. I, 132, III, 512. Alexandrette. I, 35, 133, 137. Algeciras-Konferenz. I, 22, 29, 79. Alldeutsche. III, 78, 86, 153, 559, 581. Aluminium. II, 128, 220, 224. Amanus. I, 133. Amerika. Verhältnis zu Deutschland. I, 31f., II, 150f., 307ff., 314ff., 320ff., 332ff., 348ff., 361f., 414ff., III, 17ff.; Verhältnis zur Entente, II, 191, 324; Waffenausfuhr, II, 310f.; Krieg mit Spanien, I, 31; Eintritt in den Weltkrieg, Truppentransporte, III, 39ff., 96f., 402, 410, 503ff.; Staatswirtschaft, III, 19. Amerikanische Handelskammer. II, 399ff. Amiens. III, 398. Amnestie. III, 547. Anatolische Eisenbahngesellschaft. I, 123, 154. Angora. I, 123. Antwerpen. II, 19, 197. »Arabic«, englischer Passagierdampfer. II, 323ff. Arbeiter- und Soldatenräte, russische. III, 239; deutsche, III, 565. Arbeitskammergesetz. III, 216. Arbeitslosigkeit. II, 228f. Arbeitspflicht. II, 256f., 261ff. Archangelsk. III, 465f. Argentinien. III, 22. Arges-Fluß, Schlacht am. II, 107. Armeebefehl. II, 365. Armentières. III, 399f., 507. Arras. III, 28, 399, 502ff. Arsiero. II, 97. Asiago. II, 97. »Audacious«, englisches Kriegsschiff. II, 303. Austro-polnische Lösung. III, 56, 219. Badische Anilin- und Sodafabrik. II, 217f. Bagdad. III, 30. Bagdadbahn. I, 34, 50, 75, 120ff., 137, 144, 150f., II, 44. Baku. III, 444, 452, 455, 463ff. Balkanbund. I, 95ff., II, 77. Balkanfrage. I, 15, 29, 38, 74, 95ff., 98. Balkankriege. I, 32, 95ff., 106, 171. Balkanpolitik im Weltkriege. II, 77ff., 83ff. Banken, Berliner. II, 26ff. Bannware. II, 187f., 310f. Bapaume. III, 398, 501ff. Basra. I, 144, 150f. Batum. III, 293, 346, 444. Baumwolle. II, 45, 192f., 319f. Bauxit. II, 102. Bayrische Stickstoffwerke. II, 119ff. Belagerungszustand. III, 83, 87ff., 216, 432, 556. Belgien: Militärisches Abkommen mit der Entente, I, 24f.; englische Landung, I, 24, 85; Neutralität, I, 213f., 217ff.; Deutscher Vormarsch, II, 16ff.; Besetztes Gebiet, II, 196ff. Belgische Frage. III, 167ff., 380f. Belgrad. II, 59, 91, 94. Benguella-Eisenbahn. I, 119f. Berliner Kongreß. I, 15, 70. Berliner Tageblatt. III, 564. Bessarabien. III, 305, 320. Blaubuch, englisches. I, 193, 203, 214. Blockade. II, 38ff., 157, 184ff., 202ff., III, 571. Bolivia. III, 22. Bolschewisten. III, 239f. Bosnien. I, 67. Bosnische Krisis. I. 32, 171. Brasilien. III, 22. Bremen. III, 565. »Breslau«, deutsches Kriegsschiff. II, 54. Brest-Litowsker Verhandlungen. III, 247ff. Briey. II, 197. British India Steamship Navigation Company. I, 145. Brotfriede. III, 283. Brotgetreide. II, 234ff. Bukarest. II, 108. Bukarester Friede. I, 110f., III, 298ff., 348. Bukowina. II, 21, 97. Bulgarien: Unabhängigkeitserklärung, I, 67; Balkanbund, I, 95; Äußere Politik, III, 305ff., 498; Finanzen, II, 169; Wirtschaft, II, 199; Verhältnis zu den Mittelmächten, I, 179, II, 57, 77ff., 82ff., 399; Eintritt in den Krieg, II, 91ff.; Zusammenbruch, III, 509ff. Bulgurlu. I, 131. Bundesrat. II, 167, 177f. Bunkerkohle, englische. II, 190. Burenkrieg. I, 17, 19. Burgfriede. II, 156, 162f., III, 74ff. Cambrai. III, 238, 507. »Cauchemar des coalitions«. I, 13, 33. Cavalla. II, 79, 90. Cernavoda. II, 107. Champagne. II, 73, 93, III, 28, 506f. Château-Thierry. III, 408, 439. Chemin des Dames. III, 181, 238, 407. Chile. III, 22. China. III, 21. China-Abkommen. I, 18. Cholm, Gouvernement. III, 281f., 342. Columbia. III, 22. Compiègne. III, 407. Constantza. III, 303ff. Coronel-Küste, Schlacht an der. II, 184. »Cressy«, englischer Kreuzer. II, 300. Cuba. III, 22. »Cushing«, amerikanisches Schiff. II, 314. Czernowitz. II, 97, III, 162. »Daily Chronicle«. I, 54, 56. Damaskus. III, 511. Dänemark. II, 219f. Dardanellen. I, 93, II, 54, 61ff., 81, 84. Demokratisierung. III, 528ff. Denkschriften des Admiralstabs. II, 301, 335f., 403ff. Deutsche Bank. I, 127, II, 23, 32. Deutsche Ozean-Rheederei G. m. b. H. II, 130. Deutschland: Innere Politik, III, 85ff., 520ff.; äußere Politik, I, 13ff., 34, 41, 53, 68f., 74f., 77ff., 115f., 155f., 183ff., 216ff., III, 241, 325ff., 417ff., 447, 472ff., 493ff.; Marokko-Frage, I, 20ff., 72ff., 87ff.; Verhältnis zu Japan, I, 29f.; Verhältnis zu England, I, 18f., 43, 155; Kolonien, I, 37ff., 81ff.; Armee, I, 57ff.,; Flotte, I, 20, 50ff., 88f.; Keine Kriegsvorbereitungen, I, 183ff.; Mobilmachung, I, 216, II, 15; Verhältnis zu den Verbündeten, I, 172f., 177f., 180f., 204ff., III, 44ff.; Finanzen, II, 22ff., 139ff., 149f., 153ff., 164f.; Kriegsanleihen, II, 33f.; Wirtschaftsleben, I, 20, 44ff., II, 39 f., III, 448; Kriegswirtschaft, II, 34ff., 202ff., 221ff., III, 95 f.; Weltwirtschaft, II, 38f., 200f.; Handelspolitik, II, 177; Wirtschaftsbündnis mit Österreich-Ungarn, III, 58ff.; Ein- und Ausfuhr, II, 209ff.; Verhältnis zu den Neutralen, II, 200ff., 301 f.; Revolution, III, 557ff.; Republik, III, 568. Deutsch-Österreich. III, 553. Devisenordnung. II, 213. Diarbekir. I, 133. Diplomatie. II, 285ff. Dobrudscha. I, 79, 110, III, 107, 303ff., 315f., 399. Donauübergang. II, 107. Donauweg. II, 37ff., 63, 200, 208f. Douaumont. II, 96, 357. Drama. II, 79, 90. Dreibund. I, 13ff., 27ff., 32ff., 65, 92, 94, 99f., II, 65ff. Dreiverband. I, 19, 27, 30, 33, 61, 65, 74, 76, 157f. Einkreisungspolitik. I, 61f., 156. Elsaß-Lothringen. I, 38, 60, 161, III, 62f., 89, 142, 148, 162f., 179f., 363, 377, 531f., 536f. England: Äußere Politik, I, 14ff., 33f., 70f., 76f., 83f., 87, 100f., 156f., 165, 218ff., II, 53, III, 147; Bündnis mit Japan, I, 25, 31; englisch-russische Marine-Konvention, I, 157ff.; Annäherungsversuch an Deutschland, I, 17, 88ff., 117; Handelseifersucht, I, 17, 20, 44ff., 60, III, 21; Bagdadbahn, I, 127 ff., 142ff.; Konferenzidee, I, 201, 206; Finanzen, II, 27ff., 143 f., 148, 154ff.; Wirtschaft, II, 304ff., 336, 384f., 404; Verbot des Handels mit dem Feinde, II, 191f.; Schiffsraum und Ernährungsfrage, II, 385f., III, 32ff., 375, 394, 415; Dienstpflicht, III, 404f.; Friedensfühler, III, 577ff. Ententepolitik. II, 90, 368ff. Erfindungen. II, 224ff. Ermächtigungsgesetz. II, 177. Ersatzstoffe. II, 224ff. Eskischehir. I, 123. Estland. III, 275, 334, 451, 454f. »Falaba«, englischer Passagierdampfer. II, 314. Farbstoffe. II, 131. Faschoda. I, 16, 19, 26. Fez, I, 78f. Finnland. III, 316f., 322, 331f., 345f. Flaggenmißbrauch. II, 301, 313. Flandern. II, 19, III, 29, 238, 507, 523. Fortschrittliche Volkspartei. III, 95, 124. Frank-Carosches Verfahren. II, 117, 123. Frankfurter Zeitung. III, 564. Frankreich: Festsetzung in Tunis, I, 15, 28; Bündnis mit Rußland, I, 16, 97; Revanchebedürfnis, I, 13, 19, 32, 38, 60, 162, 166; Kolonien, I, 39; Marokkopolitik, I, 20ff., 39f.; Tripoliskrieg, I, 93; in Kleinasien, I, 122ff.; Bagdadbahn, I, 135f., 138ff.; Kriegsausbruch und Mobilmachung, I, 200, 216; Armee, I, 57ff.; Finanzen, II, 27ff., 149f.; Besetztes Gebiet, II, 196f. Frauenarbeit, II, 231ff. Frauendienstpflicht, II, 256ff. »Freiheit der Meere«. II, 318ff., 341f., 346f., 417, III, 551. Friedensangebot Österreich-Ungarns. III, 533ff. Friedensbedingungen, deutsche. II, 366, 371, 419f. Friedensbemühungen. II, 288ff., 349ff., 362f., 369f., III, 60ff., 164ff., 240, 512ff., 525f., 581ff. Friedensoffensiveartikel in der Kreuzzeitung. III, 417. Friedenspropaganda. III, 559ff. Friedensresolution. III, 123ff., 139ff., 578. Friedensschlüsse. III, 316f. Futtermittel. II, 225f. Galizien. II, 21. Gallipoli. II, 62f., 81. Geldentwertung. II, 140f. Generalkommandos. II, 177. Gent. II, 197. Georgien. III, 346f., 445, 451. Gewerkschaften. III, 84. »Goeben«, deutsches Kriegsschiff. II, 54. Gorlice. II, 71, 74. Görz. II, 98. Griechenland. II, 79f., III, 22. Grosserer Societät. II, 195. Großes Hauptquartier. II, 43, 58, 83, 102, 104ff., 112, 136, 254f., 266, 277, 303, 341f., 350ff., 357, 381, 396ff., 403ff., 418ff., III, 97, 290, 312ff., 490, 522ff. »Gulflight«, amerikanisches Schiff. II, 314. Gummi. II, 192, 224f. Haager Landkriegsakte. II, 37. Haidar Pascha. I, 35, 123. Hamburg. III, 565. Hamburg-Amerika-Linie. I, 145. Handelsschiffe, bewaffnete. II, 326ff. Handels-U-Boote. II, 128ff. Hanekin. I, 147. Hauptausschuß des Reichstages. II, 138, 266ff., 383ff., III, 578. Heeresbedarf. II, 133ff., 205ff. Heiliger Krieg. II, 55. Helgoland-Sansibar-Vertrag. I, 16. Hermannstadt. II, 107. Herrenhaus. III, 93, 98f., 430. Herzegowina. I, 67. Hilfsdienstgesetz. II, 249ff., 262, 265. Hindenburgprogramm. II, 244, 249ff., 261f., 277ff. Höchstpreise. II, 233. »Hogue«, englisch. Kreuzer. II, 300. Holland: Äußere Politik, III, 22; Handelskontrolle, II, 194; Ausfuhr nach Deutschland, II, 218f.; Abgabe von Handelsschiffen, III, 394ff. Indien. I, 15. Inflation. II, 140f., 159. Irland. III, 404f. Isonzofront. II, 98, III, 29, 237. Italien: Äußere Politik, I, 14ff., 27f., 33, 65; Irredentismus, I, 42f., 60; Neutralität, II, 13, 64ff.; Forderungen, II, 67ff.; Kriegserklärung, II, 69ff., 81. Iwangorod. II, 21, 75. Japan. I, 25, 29f., 31, 34. Jerusalem. III, 239. Julikrisis. III, 102ff. Kalibergbau. II, 244. Karpathenfront. II, 72, 74, 81. Kartoffeln. II, 237. Katanga. I, 119. Kaukasus. II, 60, III, 346. Kautschuk. II, 129ff., 192. Kemmelberg. III, 400, 502. Kiautschou. I, 30, 34f. Kiel. III, 565. Knapsacker Stickstoffwerk. II, 117f. Kohlenausgleich. II, 278. Kohlenförderung. II, 279. Kohlenkrisis. II, 277ff. Kolonialfragen, afrikanische. I, 17, 116ff. Kolonien, deutsche. I, 37f., 81ff. Kommissionen der verbündeten Regierungen in Petersburg. III, 291. Kompensationsgeschäfte. II, 210ff. Kongo-Staat. I, 119. Konia. I, 123. Konservative Partei. II, 167, 337, 421, III, 556. Kontinentalsperre. II, 196. Kontrolle des neutralen Handels. II, 185ff., 192ff. Kontrollgesellschaften. II, 194ff. Kosaken. III, 445, 465. Koweit. I, 129. Kowno. II, 75. Kreditvereinbarungen mit den Neutralen. II, 212f. Kreuzerkrieg. II, 15, 184f. Kriegsamt. II, 259, 275f. Kriegsanleihen. II, 133, 139ff., 152f. Kriegsausgaben. II, 132ff., 139f., 146f., 152, 281. Kriegsdauer. II, 42ff., 288ff. Kriegsernährungsamt. II, 279ff., III, 87. Kriegsgetreidegesellschaft. II, 235. Kriegsgewinnsteuer. II, 161, 165. Kriegskredite. III, 103ff. Kriegsministerium. II, 253, 260. Kriegsrohstoffabteilung. II, 127f., 177, 240ff. Kriegsschuld. II, 354f., 359, 373. Kriegssteuern. II, 140ff., 153ff., 160. Kriegssteuervorlagen. II, 161f. Kriegswirtschaft. II, 45ff., 180. Kriegswirtschaftsstellefür das deutsche Zeitungsgewerbe. II, 247. Kriegswucheramt. II, 238. Kriegsziele, deutsche. II, 290ff., 296f., III, 78ff.; bulgarische, III, 305; feindliche, II, 292f., 363, 366ff., 374ff. Kronrat. I, 177f., 183, III, 117, 219, 589. Kronstadt. II, 107. Krügerdepesche. I, 17. Krupp. II, 130. Kupfer. II, 193, 220. Kurland. II, 75f., 197, III, 329ff, 451. Kursbewegung. II, 27ff. Kut-el-Amara. III, 29. Le Cateau. III. 505. Leder. II, 242. Lemberg. II, 75. Lettische Truppen. III, 465. Liautung. I, 30. Lille. II, 197. Litauen. II, 76, 197, 329ff., III, 451. Livland. III, 275, 329ff., 451, 454f. Lohntreiberei. II, 275. Londoner Deklaration. II, 185ff., 320ff., 349. Londoner Konferenz 1912. I, 98, 106. Longwy. II, 197. Lonzawerke. II, 121. Loos. II, 93. Lorettohöhe. II, 74. »Lusitania«, engl. Passagierschiff. II, 81, 314ff., 328f. Lüttich. II, 16. Luxemburg. II, 17. Madrider Konvention. I, 20f. »Majestic«, englisches Kriegsschiff. II, 62. Mandschurei. I, 18. Marneschlacht. II, 18f. Marneübergang. III, 439. Marokkofrage. I, 20ff., 32, 39f., 77ff., 87, 171. Masurenschlacht. II, 21, 61, 72f. Mazedonien. II, 97, 90, 329. Mazedonische Frage. I, 27, 95. Mehrheitssozialdemokraten, Partei der. III, 82, 161, 201, 235, 432, 566. Mersina. I, 133. Mesopotamien. I, 144, 148f., 151f., II, 60. Mexiko. III, 22. Militärvorlage 1913. I, 59. Mitteleuropa. III, 58ff. Monastir. II, 94, 108, III, 509. Montdidier. III, 398f. Montenegro. I, 95, II, 94. Moratorien. II, 29ff. »Möwe«, deutscher Hilfskreuzer. II, 185. München. III, 565. Munitionserzeugung. II, 138, 249ff. Murmanküste. III, 465f. Narewlinie. II, 75. Nationalliberale Partei. II, 166, 269ff., 337, 421, III, 100, 104, 124. Nationalversammlung. III, 568, 577, 581. Nederlandsche Overzee Trust Maatschappy. II, 194. Negotiner Zipfel. II, 57, 81. Neuorientierung. III, 75f., 85f. Neutrale Staaten, Haltung der. II, 189ff., 306ff., III, 19ff. Nibelungentreue. I, 71f. Nickel. II, 129ff., 220. Nisch. II, 94. Nordd. Allgem. Zeitung. I, 104, 174. Nordsee zum Kriegsgebiet erklärt. II, 300. Norwegen. II, 195. Novibazar. I. 98. Nowogeorgiewsk. II, 75. Nyassa Compagny. I, 119. Oberste Heeresleitung. II, 57, 81, 83, 89, 101, 255, 257f., 261, 277, 389ff., III, 259f., 267, 278ff., 312ff., 420f., 425f., 436f., 524ff., 558, 581, 590. Oberster Kriegsrat der Entente. III, 385. »Oceanic«, englischer Passagierdampfer. II, 303. Offensive Brussilows. II, 97. Offensive der Entente im Westen. II, 73, 91ff. Offensive, Große, 1918. III, 397ff., 437ff. Offensive, Kerenskische. III, 30, 162. Orscha. III, 461, 488. Ösel. III, 181. Ostende. II, 19. Osterbotschaft. III, 98ff., 109. Österreich-Ungarn: Äußere Politik, I, 14ff., 66ff., 95ff., III, 44f.; Konflikt mit Serbien, I, 169ff., 175ff., 199; Finanzen, II, 169; Wirtschaft, II, 198f., III, 48ff.; Friedensbestrebungen, III, 60 ff., 248, 554f.; Auflösung der Monarchie, III, 552f.; Revolution, III, 555. Ostpolitik, deutsche. III, 323ff. Ostpreußen. II, 20f. Ottomanische Bank. I, 127, II, 170. Palästina. III, 511. Panama. III, 22. »Panther«, deutsches Kriegsschiff. I, 81f., 140. Papierfabrikation. II, 245ff. Papstnote. III, 164ff., 172ff. Paraguay. III, 22. Pariser Finanzkonferenz. I, 109, 147. Parlamentarisierung. III, 120, 155, 203ff., 217ff., 235, 530ff. Paschendaele. III, 180. Péronne. III, 398. Persien. I, 26, 75f., III, 22. Petrosawodsk. III, 466. Philippinen. I, 31. Piavefront. III, 412f. Piesteritzer Stickstoffwerk. II. 122f. Polen: Kämpfe, II, 21; besetztes Gebiet, II, 197; Unabhängigkeit, II, 416; Bildung eines Staatsrates und vereinigten Landtages, III, 54f. Polnische Frage. III, 49ff., 162ff., 218ff., 255f., 341f., 451. Polnische Legion. III, 57. Port Arthur. I, 30. Portugal. I, 117f. Postkontrolle. II, 195. Potsdamer Entrevue 1910. I, 75, 148. Preisprüfungsstelle. II, 238. Przemysl. II, 72, 75. Quittungsstempel. II, 164f. Randstaatenpolitik. III, 258, 275f., 323ff., 451, 454f. Rat der Volksbeauftragten. III, 569, 571. Rationierung der Nahrungsmittel und Rohstoffe. II, 234ff. Reichsamt des Innern. II. 175ff. Reichsbank, Deutsche. I, 22ff., II, 23, 133, 152, 174. Reichsbekleidungsstelle. II, 242. Reichserbschaftssteuer. II, 163. Reichsgetreidestelle. II, 235f. Reichshauptkasse. II, 132. Reichskommissarfür Kohle. II, 278. Reichsmarineamt. II, 137, 337. Reichsrat. III, 120, 155, 169. Reichsschatzamt. II, 114f. Reichsschatzsekretär. II, 111. Reichsstellen für verschiedene Nahrungsmittel. II, 238. Reichsstickstoffwerke. II, 121ff. Reichstag, Deutscher. II, 125ff., 160ff., 267ff., 337f., III, 76f., 94ff., 103, 161, 231, 516ff. Reichszentrale für Arbeitsnachweise. II, 229. Reims. III, 407, 437. Relief Commission. II, 198. Resolution zum uneingeschränkten U-Bootkrieg. II, 337. Revaler Zusammenkunft. I, 27. Revolution, Deutsche. III, 557ff. Riga. III, 181. Rohstoffe. II, 196f., 240ff. Rostow. III, 467. Rote Garde, russische. III, 444f., 465. Roubaix-Tourcoing. II, 197. Roye. III, 501. Rückversicherungsvertrag. I, 14ff., 30, 32. Rückzug. III, 28, 441, 502. Rumänien: Äußere Politik, I, 179, II, 13, 57, 77ff., 82ff., 96, 102, III, 298ff.; Kriegserklärung, II, 104; Getreidelieferung, II, 206; Dynastie, III, 299ff.; Friedensbedingungen, III, 302ff. Rußland: Äußere Politik, I, 14ff., 71, 103, 110, 160ff., II, 53; Panslawismus, I, 15, 161, 166; Ausdehnungsbestrebungen, I, 15, 18, 25 f., 40f., 60; Bündnis mit Frankreich, I, 16, 203; Schwächung Rußlands, I, 22, 25, 72; Krieg mit Japan, I, 27; Armee, I, 57ff.; Serbisches Ultimatum, I, 187, 191f.; Mobilmachung, I, 183, 192f., 198f., 207ff.; Verluste, II, 76; Revolution, III, 23ff., 239ff., 320f.; Bolschewikiregierung, III, 274f., 294f., 443, 462ff., 494ff. Ruthenen. III, 553. Saargebiet. III, 142ff. Saloniki. II, 79, 93, 105, 108. Salvador. III, 22. Samoa-Abkommen. I, 31. »Saturday Review«. I, 46f. Schatzanweisungen. II, 133, 141. Schiedsgerichte. II, 353. Schleichhandel. II, 239. Schlesien. II, 21. Schutzhaft. III, 88. Schwarze Listen. II, 195f. Schweden. II, 195, III, 20. Schweiz. II, 194f., 211f. Seifenindustrie. II, 245. Selbstbestimmungsrecht der Nationalitäten. III, 257, 262ff. 276f., 281, 286f., 293, 387, 553. Semendria. II, 91, 94. Serajewo. I, 169ff., II, 25. Serbien: Großserbische Bewegung; I, 69f., 99, 107, 111f., 169f.; Balkanbund, I, 95; äußere Politik, I, 187f., II, 90; Kriegsschauplatz, II, 59, 63, 94. Serres. II, 79, 90. Shatt el Arab. I, 145, 151. Shimonoseki, Friede von. I, 30, 40. Siam. III, 22. Sibirien. III, 322. Siebenbürgen. II, 78, 106. »Siebenerkommission«. III, 169. Siegfriedstellung. III, 502ff., 523. Sinaifront. III, 29, 239. Skagerrak, Schlacht am. II, 184. Smyrna. I, 150, II, 90. Smyrna-Aidin-Eisenbahngesellschaft. I, 153f. Société Suisse de Surveillance Economique. II, 195. Soissons. III, 181, 407, 439. Somme. II, 98f., 106, 251, III, 440f. Sonderfriedensangebot Österreich-Ungarns. III, 553f. Sozialdemokratische Partei. II, 163, 167, 177, 269ff., 420f., III, 25, 74ff., 81ff., 104, 124, 230, 325, 433, 518, 531f., 564. Sozialisierung. II, 126. Sozialrevolutionäre. III, 345, 443, 446, 457, 482. Spanien. I, 21, III, 22. Sparmetalle. II, 240. Spartakisten. III, 495. »Spectator«. I, 223. Sperrgebiet im U-Bootkriege. II, 413. Sprengstoffindustrie. II, 116. Staatsgerichtshof. III, 100. Stahlindustrie. II, 252f. Status quo der Mittelmächte. I, 37f., 61. Stellungskrieg. II, 19f., 51. Stempelvereinigung. II, 25. Stickstoff-Frage. II, 115ff. Stickstoff-Handelsmonopol. II, 120ff. St. Jean de Maurienne. III, 142. Stockholmer Friedenskonferenz. III, 148, 152. St. Quentin. III, 505. Streik, Berliner. III, 295f. Südslawen. III, 553. Suezkanal. II, 61. »Sussex«-Fall. II, 338ff. Syndizierung des Handels. II, 238. Syrien. I, 132. Tagliamento. III, 238. Tanganyika Concession Ltd. I, 120. Tannenberg. II, 21. Tarnopol. III, 162. Taurus. I, 132. Tel Helif. I, 133. »Temps«. I, 223. Textilindustrie. II, 224, 240ff. Tibet. I, 26. Tigerbai. I, 119. Trajanswall. II, 107. Transito. II, 195. Transportkrisis. II, 277ff. Trentino. III, 143. Triest. III, 143. Tripolis. I, 28, 91ff. »Triumph«, englisches Kriegsschiff. II, 62. Trostberger Stickstoffwerk. II, 117. Tschechen. III, 553. Tschecho-Slowaken. III, 444, 464f., 553f. Tschernabogen. III, 510. Tunis. I, 15, 28. Türkei: Äußere Politik, I, 34f., 42, 67; Revolution, I, 66, 135; Balkankrieg, I, 95ff.; Krieg mit Italien, I, 32, 91ff.; Bagdadbahn, I, 120ff.; Finanzen, I, 126, 128, 133ff., 147, II, 169f.; Wirtschaft, II, 197f.; als Bundesgenosse, II, 52ff.; Munitionsmangel, II, 63; Zusammenbruch, III, 509ff.; Kapitulation, III, 552, 555. U-Boote, deutsche. II, 62, 30f. U-Bootkrieg: Allgemeines, II, 287f., 299, III, 17; Ergebnisse, II, 300, 381, 395, III, 31ff., 414f.; Handelskrieg, II, 300f.; Deutsch-Amerikanischer Notenwechsel, II, 307ff., 314ff.; verschärfter U-Bootkrieg, II, 325ff.; uneingeschränkter U-Bootkrieg, II, 95, 335ff., 379ff., 395ff., 403ff., III, 17f., 30ff.; Einstellung, III, 546ff. »U-Bremen«. II, 128. »U-Deutschland«. II, 128ff. Udine. III, 237. Ukraine. III, 271ff., 281ff., 316ff., 321f., 333, 343f. Ultimatum, serbisches. II, 25. Umsatzstempel. II, 164f. Unabhängige Sozialdemokraten. III, 82, 196f., 431f., 442, 495, 565, 568. Ungarn. III, 554. Unternehmertum im Kriege. II, 227f. Valutakredite. II, 169. Vaterlandspartei. III, 182f. Venezuela. I, 31, III, 22. Verbrauchssteuern. II, 161ff. Verdun. II, 95ff., 180, 343ff. Verein Deutscher Eisenhüttenleute. II, 251ff., 254. Vereinsgesetznovelle. III, 76f. Verfassungsänderung. III, 562f. Verfassungsausschuß. III, 95ff., 100, 104, 119. Verkehrssteuern. II, 161ff. Verschwörung unter den Flottenmannschaften. III, 192, 564f. Verständigungsfrieden. II, 294. Verviers. II, 197. Vierzehn Punkte Wilsons. III, 366ff. Villers-Cotterets. III, 407, 438. Völkerbund. II, 355, 416, III, 370, 382. Völkerrecht. II, 41, 184ff., 301f., 307ff., 315f., 332, 336, III, 20. Volksernährung. II, 232ff. »Vorwärts«. III, 132f., 149. Waffenruhe. III, 250. Waffenstillstand. III, 247ff., 533ff., 570f. Wahlrecht, preußisches. III, 92, 97, 117ff., 154, 429ff., 518, 556. Warschau. II, 21, 75. Wehrpflicht. II, 256. Wei-hai-wei. I, 30. Weißrußland. II, 76. »Wirtschaftlicher Generalstab«. II, 36. Wirtschaftskrieg. II, 37ff. »Wolf«, deutscher Hilfskreuzer. II, 185. Wolffs Telegraphen-Bureau. III, 130. Wolhynien. II, 76, 97. Wologda. III, 466f. Wytschaetebogen. III, 29. Yangtse-Abkommen. I, 18. Ypern. II, 74, III, 506f. Zeitungsgewerbe. II, 246ff. Zementindustrie. II, 245. Zensur. III, 88, 216, 432. Zentraleinkaufsgesellschaft. II. 207f. Zentralisation des Einkaufs. II, 204ff. Zentralrada. III, 284f. Zentralstelle für Heeresverpflegung. II, 135. Zentrums-Partei. II, 166f., 270ff., 382, 390ff., 421, III, 100, 104, 124, 579. Zusatzverträge zum Brester Frieden. III, 450ff., 497ff. Zwangswirtschaft. II, 239. Zwei-Kaiser-Manifest. III, 53f. * * * * * Mit dem vorliegenden Band liegt das Werk Der Weltkrieg von Dr. Karl Helfferich vollständig vor Die vorhergehenden Bände enthielten: Band I Die Vorgeschichte des Weltkrieges Gebunden 7.50 Mark Band II Vom Kriegsausbruch bis zum uneingeschränkten U-Bootkrieg Gebunden 15 Mark Verlag Ullstein & Co / Berlin End of Project Gutenberg's Der Weltkrieg, III. Band, by Karl Helfferich *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER WELTKRIEG, III. BAND *** Updated editions will replace the previous one—the old editions will be renamed. Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright law means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to copying and distributing Project Gutenberg™ electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG™ concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you charge for an eBook, except by following the terms of the trademark license, including paying royalties for use of the Project Gutenberg trademark. If you do not charge anything for copies of this eBook, complying with the trademark license is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose such as creation of derivative works, reports, performances and research. 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It exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from people in all walks of life. Volunteers and financial support to provide volunteers with the assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg™’s goals and ensuring that the Project Gutenberg™ collection will remain freely available for generations to come. In 2001, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure and permanent future for Project Gutenberg™ and future generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org. Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit 501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal Revenue Service. The Foundation’s EIN or federal tax identification number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by U.S. federal laws and your state’s laws. The Foundation’s business office is located at 809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to date contact information can be found at the Foundation’s website and official page at www.gutenberg.org/contact Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without widespread public support and donations to carry out its mission of increasing the number of public domain and licensed works that can be freely distributed in machine-readable form accessible by the widest array of equipment including outdated equipment. Many small donations ($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt status with the IRS. The Foundation is committed to complying with the laws regulating charities and charitable donations in all 50 states of the United States. Compliance requirements are not uniform and it takes a considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up with these requirements. We do not solicit donations in locations where we have not received written confirmation of compliance. To SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state visit www.gutenberg.org/donate. While we cannot and do not solicit contributions from states where we have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition against accepting unsolicited donations from donors in such states who approach us with offers to donate. International donations are gratefully accepted, but we cannot make any statements concerning tax treatment of donations received from outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. Please check the Project Gutenberg web pages for current donation methods and addresses. Donations are accepted in a number of other ways including checks, online payments and credit card donations. To donate, please visit: www.gutenberg.org/donate. Section 5. General Information About Project Gutenberg™ electronic works Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg™ concept of a library of electronic works that could be freely shared with anyone. For forty years, he produced and distributed Project Gutenberg™ eBooks with only a loose network of volunteer support. Project Gutenberg™ eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper edition. Most people start at our website which has the main PG search facility: www.gutenberg.org. This website includes information about Project Gutenberg™, including how to make donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.