Title: Schutz- und Trutzbündnisse in der Natur
Author: Wilhelm Bölsche
Release date: September 18, 2015 [eBook #50003]
Most recently updated: October 22, 2024
Language: German
Credits: Produced by Peter Becker and the Online Distributed
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Schutz- und Trutzbündnisse
in der Natur
Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde, Stuttgart
Die Gesellschaft Kosmos bezweckt, die Kenntnis der Naturwissenschaften und damit die Freude an der Natur und das Verständnis ihrer Erscheinungen in den weitesten Kreisen unseres Volkes zu verbreiten. — Dieses Ziel sucht die Gesellschaft durch Verbreitung guter naturwissenschaftlicher Literatur zu erreichen im
Kosmos, Handweiser für Naturfreunde
Kriegs-Ausgabe.
Jährlich 12 Hefte mit 4 Buchbeilagen. Preis halbjährl. M 2.80.
Diese Buchbeilagen sind, von ersten Verfassern geschrieben, im guten Sinne gemeinverständliche Werke naturwissenschaftlichen Inhalts. Vorläufig sind für das Vereinsjahr 1918 festgelegt (Änderungen und Reihenfolge vorbehalten):
Wilh. Bölsche, Eiszeiten und Klimawechsel Reich illustriert. Geheftet M 1.—
Dr. Kurt Floericke, Forscherfahrt in Feindesland (Dobrudscha). Reich illustriert. Geheftet M 1.—
Dr. Fischer-Defoy, Schlafen und Träumen Geheftet M 1.—
Über einen weiteren Band folgt Mitteilung im Handweiser.
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Geschäftsstelle des Kosmos: Franckh’sche Verlagshandlung, Stuttgart.
Von
Wilhelm Bölsche
Mit vielen erläuternden Abbildungen
Stuttgart
Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde
Geschäftsstelle: Franckh’sche Verlagshandlung
1917
Alle Rechte, besonders das Übersetzungsrecht, vorbehalten.
STUTTGARTER SETZMASCHINEN-DRUCKEREI
HOLZINGER & Co, STUTTGART
„Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust...“ Dieses Wort Fausts ist auch dem Naturforscher unserer Tage immer einmal wieder entgegengeklungen. Der alte Siebold mag sich daran erinnert haben, als es ihm in einer zoologischen Überraschungsstunde gelang, einen vertrackten Schmarotzerwurm der Karpfen, das Diplozoon paradoxum, das angeblich zwei Darmkanäle und zwei Mundöffnungen hatte, auf solche Zweiseelenexistenz zurückzuführen: indem es sich nämlich um zwei Wurmindividuen dabei handelte, die jedesmal auf der Höhe ihres Lebens übers Kreuz miteinander zu einem neuen Doppelwesen verwuchsen (Abb. 1). Die Geschichte war aber doch harmlos gegen die andere, die ums Ende der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts von deutschen Botanikerkreisen in die Welt ausging. Alexander von Humboldt, als er seinen „Kosmos“ schrieb, hatte einmal gleichsam des[S. 6] Weltalls letzte Ecken in einen einzigen prächtigen Satz gefaßt: vom fernsten bläulich verglimmenden Nebelfleck bis zur letzten gelben Flechte am irdischen Granitfels; ihm erschien die Flechte dabei als die äußerste, fast kosmisch anspruchslose Anpassungsform des Lebens, wie sie, beinahe nur noch einer dürren mineralischen Farbkruste gleich, als einsamer Pionier zuletzt am splitterfasernackten Hochgebirgsstein unter der unendlichen Weltraumsöde hing. Eben von diesen Flechten insgesamt aber wurde damals plötzlich behauptet, daß sie gar keine richtige Pflanzenklasse für sich bildeten, sondern ebenfalls so diplozoonhaft, nur noch paradoxer, erst durch körperliche Verwurstelung und Verknotung von je zwei Vertretern himmelweit verschiedener Klassen einzeln zustande kämen. Ungefähr so, wie wenn der Elefant sich eines Tages als ein Mischprodukt aus einer Maus und einem Tintenfisch herausstellte, die nicht in kühner Ehe ein Kind erzeugt, sondern als ausgewachsene Wesen sich ineinander gekrempelt hätten.
Der Sachverhalt erschien, abgesehen von dem großen Systemsturz, den er bedeutete, für allgemeine Lebensfragen so einzigartig merkwürdig, daß einer der Väter der Theorie, Anton de Bary (trotz des fremden Namens ein geborener Frankfurter und damals Professor der Botanik an der neuen reichsdeutschen Universität zu Straßburg, Abb. 2), auf der Naturforscherversammlung zu Kassel von 1878 einen Vortrag darüber für nötig hielt, der zugleich den Grundstein zu einem ganz neuen Forschungsgebiet weit noch über die Einzelfrage hinaus setzen sollte. De Bary legte den Schwerpunkt darauf, daß es sich hier um ein dauerndes ganz intimes Zusammenleben handle. Und zwar nicht bloß wie beim Diplozoon von zwei Individuen ein und derselben Art. Sondern von Vertretern verschiedener Arten, ja Klassen oder Stämmen. Nun kennen wir zwar eine Form solchen „innerlichen“ Zusammen- und Ineinanderlebens auch sonst und sogar[S. 7] persönlich mißlich. Der Bandwurm z. B. lebt zeitweise in unserem Menschenleibe und löffelt als übler Schmarotzer dort auf unsere Kosten mit. Bei den Flechten aber schien das einfache Zusammenleben zu einer im Gegensatz ganz friedlichen Lage geführt zu haben: zu einer wirklichen Genossenschaft in einer Art gemeinsamen Haushalts. Im einzelnen blieb hier für de Bary allerdings noch manches unklar. Aber er meinte, es müsse auf jeden Fall für dieses ganze hochinteressante Gebiet von engstem Zusammenhalten verschiedener Wesen systematisch gegensätzlicher Art ein neues Wort geschaffen werden, das zugleich ein Arbeitsprogramm für weitere Studien bedeuten könnte. Und so übersetzte er nach dem hergebrachten Fremdwörterbrauch der Forschung mit „Symbiose“, was wörtlich (aus griechisch syn, zusammen, und bios, Leben) eben nur das einfache deutsche „Zusammenleben“ wiederholt. Er ließ dabei offen, unter dieses ganz allgemeine Wort auch den Fall Bandwurm, wo der eine Mitleber den andern plagt, mitaufzunehmen, doch erschien auch ihm schon ersichtlich am wichtigsten das „Zweiseelengeschöpf“, bei dem die eine „Seele“ der andern brüderlich half. Und in diesem Zusammenhang verwies er auch schon auf eine im Verhältnis zu der noch nicht über 10 Jahre alten Flechtengeschichte uralte, fast hundertjährige wissenschaftliche Tat hin, die zu ihrer Zeit allerdings auch ein Abenteuer ersten Ranges gewesen war. Nämlich die große Entdeckung des trefflichen Rektors Sprengel zu Spandau von 1793, daß auch zwischen Blumen und Insekten, also genügend himmelweit verschiedenen Angehörigen sogar zweier gegensätzlicher Lebensreiche, eine Art solcher Lebensgemeinschaft bestehe. Die Blüte lieferte der Biene oder dem Schmetterling Honig, und das Insekt vermittelte dafür die Befruchtung der Pflanze. Hier war zwar von flechtenhaft oder auch nur bandwurmhaft dauerndem Ineinanderleben der Parteien nicht eigentlich die Rede. Aber[S. 8] dafür trat die friedliche Gegenseitshilfe besonders hübsch hervor, und de Bary nahm also versuchsweise auch diese Sprengelgeschichte (die kein Geringerer als Darwin selbst damals erneut in Umlauf gebracht hatte) unter seinen Titel auf.
Wie gewöhnlich, wenn ein mehr oder minder glückliches Schlagwort zur Stelle ist, machte erst jetzt das Flechtenabenteuer der Spezialbotaniker das Gesamtaufsehen, das es verdiente. Als im Herbst 1883 abermals die Naturforscherversammlung tagte, diesmal in Freiburg i. B., ergriff der damalige junge Jenenser Zoologieprofessor Oskar Hertwig (Abb. 3) zu der Sache erneut das Wort. Er knüpfte unmittelbar an de Barys Vortrag an, spann den Faden aber jetzt für die Tierkunde aus. Er berichtete von wunderbaren Genossenschaftshaushalten sehr verschiedenartiger Tierarten (auch hier aus gegensätzlichen Klassen und Stämmen), die im Meeresgrunde bei Neapel merkbar würden, und enthüllte ganz besonders auch einen fabelhaften Fall, der an Sprengel anklang, indem Tiere darin ebenfalls mit Pflanzen zusammenhielten, zugleich sich aber diesmal beide Parteien wirklich flechtenhaft auf Lebenszeit ineinander verschachtelten. Das Entscheidende aber war, daß Hertwig, der dem Thema nach über „Die Symbiose oder das Genossenschaftsleben im Tierreich“ sprach (de Bary hatte allgemein „Die Erscheinung der Symbiose“ angekündigt), aufs unzweideutigste jetzt grade die Bedeutung der friedlichen, gegenseitig fördernden Genossenschaftsbildungen einseitig hervorhob und in ihnen die eigentliche Grundlage einer „gesetzmäßigen Vereinigung ungleichartiger Organismen“, wie sie die Symbiose darstelle, sah. Vor einem Beispiel für schon höher entwickelte Tiere fiel bei ihm dabei gradezu das Wort von einem „Freundschaftsbund“ der aneinander angeschlossenen Parteien. Und das hat für die Folge, je mehr Beispiele sie anhäufte, zunächst über den eigentlichen Gebrauchswert des Wortes „Symbiose“ entschieden. Man hat sich gewöhnt, fortan unter wahrer Symbiose nur eben jenes im engeren Sinne genossenschaftlich fördernde Zusammenleben zu verstehen, — unter Ausschluß der bandwurmhaft aussaugenden und mißbrauchenden Einwohnerschaft. Dafür paßte dann freilich der Wortsinn nicht mehr ganz scharf, da er selbst ja nur das Zusammenleben überhaupt betonte, während andererseits solche loseren Fälle, wie der des alten Sprengel, die doch grade für jenen echten Genossenschaftsaustausch so sehr beweisend sind, in ihm wieder wie in einer zu engen Jacke steckten. Inzwischen[S. 9] ist’s ein Schlagwort geworden und lebt als solches fort, wobei man, wie so oft, schließlich nur den Klang noch hört und ihm selber den rechten Sinn unterlegt, ohne daß es auf die Buchstaben mehr viel ankäme. Will man aber aus gutem deutschem Ausdruck ersetzen, so würde sich das auch in unserem Titel gewählte „Schutz- und Trutzbündnisse zwischen Tier- und Pflanzenarten“ empfehlen. Auf „Arten“ muß dabei aus gleich zu erörternden Gründen ein Nachdruck liegen.
Die merkwürdige Naturerscheinung, die hier gefaßt ist und einige der gewiß seltsamsten Einzelentdeckungen aus dem Lebensgebiet zugleich berührt und erklärt, ist, wie dieser kurze Geschichtsabriß zeigt, eine echte Errungenschaft neuerer Forschung — noch nicht vier Jahrzehnte dort alt. Von ihren ersten Ergründern ist de Bary erst 1888 gestorben, Hertwig lebt und lehrt noch. So jung ist die Definition und sind (wenn wir von Sprengels Insektengeschichte absehen) auch die Beobachtungen dazu aus dem Naturgebiet selbst. Denn auch die Flechtensache ist im einzelnen erst seither ordentlich geklärt worden. Freilich: über Schutz- und Trutzbündnisse in der Tier- und Pflanzenwelt allgemein gab es scheinbar schon die umfangreichste alte Literatur. Die ganze älteste Zoologie ist mehr oder minder anekdotischer Beispiele voll, das Volk erzählte davon. Dem Vater Herodot hatten sie bereits im alten Ägypten das Vöglein (einen Regenpfeifer) gezeigt, das dem Krokodil ins offene Maul krieche, um ihm die Zähne vom Ungeziefer zu reinigen, wofür der gutmütige Leviathan darauf verzichte, es zu verschlucken. Das meiste derart war aber unverfälschtes Jägerlatein. An der Krokodilgeschichte scheint etwas Wahres zu sein, doch ist bis heute nicht geklärt, ob sie wirklich an eine echte Symbiose anklingt. Durchweg aber steckten in diesem alten Wust loser Berichtchen auch sonst die gewöhnlichen Einzelfehler kindlicher Naturgeschichte. Die Sachen wurden als ganz isolierte Wunder tierischen oder gar pflanzlichen Genies geschildert, durchweg der Einzelintelligenz oder dem Einzelgemüt des betreffenden Wesens je nachdem bewundernd oder gerührt zugeschrieben. Davon nun unterscheidet sich jener neu entdeckte wissenschaftliche Begriff der Symbiose weit und grundlegend. Durch und durch Erzeugnis modern geschulten Naturforscherblicks, sucht er im Gegensatz eine streng gesetzmäßige Erscheinung. Wo Symbiose in seinem Sinne auftritt, da gehört sie, dauernd und von allen In[S. 10]dividuen immer wieder geübt, den betreffenden Arten an wie ein Organ, angeschlossen heute an uralt eingepaukte Reflexe und Instinkte mit dem großen „Muß“ solcher. So romantisch gelegentlich auch hier die Beispiele selbst klingen mögen (wie bei den Flechten!) — ihren Entdeckern lag alles ferner als romantische Gefühlsregungen. Das neue Feld eröffnete sich ihnen in ihrem nüchternsten Fachgebiet, all ihren auch sonst verwerteten exakt wissenschaftlichen und experimentellen Methoden zugänglich. Vor allem aber traf es bei ihnen in eine Stimmung, die keine frühere Naturbetrachtung so haben konnte, während sie uns heute allenthalben beherrscht. De Bary selbst gipfelte gleich seinen ersten Vortrag in einem lebhaftesten Hinweis auf Darwin. Dem „Maschinenbetrieb“ gewissermaßen des äußeren Tier- und Pflanzendaseins auf Erden, wie ihn Darwin genial zu zeichnen versuchte, sollte sich auch das neue Phänomen dieser Symbiose restlos einordnen. Ich glaube, daß wir nichts Besseres tun können, als auch unsere Betrachtung ebenfalls gleich ohne Zögern auf diese „Darwinschau“ einzustellen.
Nun, wie bekannt, ist Darwins großes Lebensgemälde allerdings zunächst der Idee von friedlichen Schutz- und Trutzbündnissen gewiß nicht günstig. Kampf steht vielmehr dort im Vordergrund. Nehmen wir irgend einen Blütenbaum. Ich erinnere mich aus dem Garten meines Elternhauses zweier uralter ungeheurer Birnbäume. Wenn sie im Frühjahr blühten, war es ein wahres Märchen, der ganze Garten lag noch einmal wie im Schnee, in den die Sonne vom blauen Himmel sah und aus dem die Bienen sangen. Oft später ist mir die ganze „Natur“, wenn ich das Wort irgendwo gebrauchte, im Bilde dieser Zauberbäume erschienen. Für Darwin aber ist solcher Baum zunächst nur der Schauplatz eines gradezu schaurigen Kampfes. Unendliche Massen von Lebensformen wirft die phantastisch schaffende Natur herauf, nur eine beschränkte Zahl aber kann bestehen. Die äußeren Verhältnisse hauen auf die Arten, die Arten zerfleischen sich untereinander, unzählige Individuen regnen beständig ab wie Blütenschnee. Dante in seiner Hölle hat keine härteren Bilder gemalt, als Darwins unbestechliche Hand hier von der Natur. Es ist wie in den Schrecken eines Schiffbruchs: die paar Planken gönnen nur wenigen Raum, diese stoßen sich zum Teil noch unabsichtlich herab, und die Letzten dezimiert das gräßliche Schlachtlos in der Hungersnot. So[S. 11] nimmt der Frost Blüten mit, andere fallen in der Raumnot vom Ast, soundso viele werden von Insekten gefressen, die selbst wieder in ihren verschiedenen Arten kannibalisch übereinander stürzen, um im ganzen von den niedlichen Singvögeln dezimiert zu werden, denen Raubvögel nachstellen.
Aber schon in dieser harten „Maschine“ Darwins sehen wir doch auch ein Gegenbild. Jener schauerliche Kampf mit seinen ungezählten Schlachtopfern tobt nur zwischen den äußeren Verhältnissen und den Arten sowie den Arten unter sich. Er schweigt dagegen ganz oder doch größtenteils zwischen den Individuen ein und derselben Art.
Grade der eigentliche scheußliche Kannibalismus des Artkampfes ist hier wie ausgelöscht, dafür herrschen Frieden, gegenseitige Hilfe, Sorge des Stärkeren für den Schwachen, Hingabe des einen für andere. Das Rotschwänzchen füttert seine Jungen, die Bienen sammeln für ihre Brut mit und stechen als hingebende Soldaten eines großen Familienstaats, wehrhafte Männchen schützen allenthalben die Weibchen, starke Weibchen die unmündigen Kinder. Was bedarf es auch hier der Ausmalung! Bei Quallen und Pflanzensprossen führt das zu unmittelbar auch körperlich zusammengewachsenen Geschwisterstaaten, bei Ameisen und Termiten zu den wunderbarsten freieren Instinktverbänden, und wir wissen schließlich alle, daß sämtliche höheren Pflanzen und Tiere mit Einschluß von uns Menschen ja als Einzelperson schon einen solchen Geschwisterbund aus zahllosen Zellen, einen „Zellenstaat“ mit großartiger, in den Organen offenbarter Arbeitsteilung, darstellen. Also es gibt auch friedliche Möglichkeiten, — auch in der harten Darwinwelt des Vorteils; Frieden muß eben hier das Vorteilhaftere sein.
Aber auch bei den so wüst einander bekämpfenden Arten selbst gewahren wir bei genauem Hinsehen einen sehr interessanten tiefsten Sachverhalt. Auch dort geht der noch so erbitterte Zerfleischungszwist durchweg nicht auf wirkliche Vernichtung. Sondern es ist, als werde immer nur ein gewisser Überschuß gewaltsam abgeschöpft, der im Gesamtkonto jeder Art entbehrt werden kann. Der Birnbaum, die Insektenarten, die Vögel, jetzt dezimiert, sind als Art doch im nächsten Jahr wieder da, wenigstens durchweg. Selbst die äußeren Verhältnisse mit ihren Dürren, Frösten, Hagelschlägen schöpfen meist nur solchen Überschuß ab. Auf die Dauer geologischer Zeiträume mögen sie allerdings mit stärkeren Mitteln auch ganze Arten ausrotten.[S. 12] Aber bei den Arten unter sich reicht offenbar in der Regel der Überschuß, der Luxus gleichsam schon zur Erhaltung des Gleichgewichts. An sich ist das Abheben dieses Überschusses ja eine leidige Notwendigkeit. Können doch die Tiere im ganzen überhaupt nur leben, indem sie von der Pflanzenschöpfung mitzehren; trotzdem grünt aber diese Pflanze in aller Fülle der Kraft bis heute, sie hat eben offensichtlich von je so viel Überschuß in Blättern, Wurzeln, Früchten erzeugen können, daß der ganze Grundstamm der Tierwelt mühelos davon mit unterhalten werden konnte; was aber die Tiere noch mehr brauchen, das erheben sie in Überschußabnahme wieder voneinander als Tribut gefressener anderer Tiere, ohne daß doch auch da wirkliche Werte vertilgt würden; der Leopard lebt seit undenklichen Zeiten neben der Antilope, dezimiert sie, aber beide bleiben. Ja, das ganze ungeheure Arsenal an Waffen und Schutzinstinkten, das die einzelnen Arten gegeneinander aufstellen, scheint in diesem Sinne nur dazu zu dienen, daß bei dem gewaltsamen Überschußabschöpfen kein Mißbrauch getrieben wird, der wirklich zu solcher Vernichtung führen könnte. Es schützt soundso viel Individuen als eisernen Bestand, der bleiben muß, während der Rest dareingehen mag. Pfiffige Gegner meinten wohl der Theorie z. B. von den Schutzfärbungen damit ein Bein stellen zu können, daß sie nachwiesen, kein Schutz derart wirke unter allen Umständen sicher. Weismann hat darauf aber schon vor Jahr und Tag geantwortet, solcher absolute Schutz sei auch gar nicht der Zweck; bei ihm stürze der ganze Naturhaushalt ein; soundso viel Prozent etwa rinden- oder blattähnlicher Insekten müßten trotzdem den andern zum Opfer fallen, dieser Überschuß könne aber entbehrt werden, wenn nur ein gewisser Stamm oder eiserner Bestand durch den Schutz davon komme; in der Tat ist mir keine einzige absolut wirkende Schutzanpassung bekannt.
Erwägt man aber das, so sieht man auf eine neue Möglichkeit. Schließlich hätte sich auch hier bei den Arten am Ende alles viel friedlicher regulieren lassen. Auf Grund dessen, daß ja doch auch hier zuletzt nur ein gegenseitiges Unterstützungsverhältnis vorliegt. Wenn nun der besagte „Überschuß“ allgemein freiwillig abgegeben worden wäre? Vielleicht hätte er nicht immer durch den Tod ganzer Individuen mit allen Schrecken eines solchen zu gehen brauchen. Jeder einzelne hätte bereits ohne Lebensgefahr seinen Teil Überschuß abgeben können, etwa wie auf jener friedlichen Seite die Mutter Blut[S. 13] oder Milch an ihre Jungen wendet, ohne daß diese Jungen sie deshalb auffressen müßten. Dabei konnte die allgemeine Gegenseitigkeit der Überschußnutzung vielleicht noch schärfer herausgearbeitet werden, indem eine Art etwa geradeso viel Überschuß von der andern übernahm, wie sie selbst gewährte. Solche Arten hätten ihre Waffen gegeneinander abschaffen und gegen den gemeinsamen Feind in den äußeren Verhältnissen richten können, dort sich mit dem unterstützend, was sie hier sparten. So hätten sich Schutzverbände aufrichten können auch zwischen Gattungen, Klassen, Reichen, die auf niederen Stufen vielleicht wieder zu körperlichen Verwachsungen führten, auf höheren zu freier Angliederung, wo jeder so weit selbständig blieb, aber zugleich mit dem andern auf do ut des (Geben und dafür Nehmen) friedlich in Geschäftsanschluß stand. Bis zu dem letzten Ideal einer vollkommen auf Austausch und Arbeitsteilung unter sich geeinigten Lebenswelt, die sich nun mit ganzer Kraft in immer weiter gehender Eroberung und Anpassung mit den großen Elementargewalten dieser Erde auseinanderzusetzen hätte. Man braucht die Dinge durchaus nicht sentimental anzusehen, um sich doch auch hier einen großen Vorteil denken zu können.
Nun, wir wissen, daß das in solchem Umfange nicht erfüllt ist. Der Kampf beherrscht tatsächlich im weitesten Maße das Artbild, wie es vor uns steht. Ob die Natur trotz ihrer geologischen Jahrmillionen nicht Zeit fand, auch hier die friedliche Regelung durchzusetzen? Ob eine gewisse zentrifugale Zersplitterung auf gewisser Breite des Lebens zu stark widersprach? Das organische Leben auf Erden hat ja von Beginn an wohl zweifellos eine Einheitstendenz gehabt, von gemeinsamem Urzustand her und innerster Gleichartigkeit. Aber daneben muß sich auch eine Art zentrifugaler Bewegung früh schon in ihm geltend gemacht haben, die sozusagen atomistisch auseinander trieb, und ihr Hauptwerk steht ja eben in der Verschiedenheit der Arten vor Augen; möglich also, daß grade hier zunächst zuviel entgegenstand. Oder war (hier lag wohl Darwins eigene Meinung) auch hier zunächst noch ein Teil grober Individuenauslese zur Stählung des Ganzen im Kampf eingeschaltet, die nicht so rasch in allgemeine Verbandsauslese umgeschaltet werden konnte? Doch verirren wir uns nicht in letzte Gründe, wie sie einstweilen in all diesen Lebensfragen (auch mit Darwin) problematisch bleiben, und halten uns weiter an das sichtbare Wirklichkeitsbild. So wäre immerhin[S. 14] im Sinne des Gesagten jetzt möglich, daß aus ihm einzelne Beispiele auch dieses Artfriedensschlusses sich im Laufe der Zeiten losgerungen hätten an Stellen, wo doch die höhere Nützlichkeit schon entscheidend einmal überwog. Und hier jetzt wäre etwa der Punkt, wo wir auch ein solches Symbiosebeispiel ohne Zwang und ganz nüchtern mitten aus dem Darwinbilde, gewissermaßen, um das Wort zu wiederholen, aus der großen „Maschine“ Darwins selbst, verstehen würden. Wir würden verstehen, daß, wie die Dinge einmal liegen, seine Anfänge sich zunächst mitten im härtesten Kampf selber zeigten, an diesen Kampf irgendwie anknüpfend wie ein Teil von ihm, — daß aber dieser Kampf irgendeinen zuerst kleinen Anlaß und Ausweg geboten hätte, — daß dann die Maschine der größeren Nützlichkeit auch hier eingesetzt und in eine Linie getrieben hätte, die tatsächlich aus dem Kampf fort und in den genossenschaftlichen Frieden hineinführte. Weil eben doch hinter dem ganzen Kampfe beständig latent die Möglichkeit eines Friedensschlusses als höhere Instanz im Sinne des Gesagten gestanden hätte...
Suchen wir uns das jetzt an ein paar einfachen Beispielen, zunächst mitten aus dem Kampfe selbst entnommen, zu vergegenwärtigen.
Daß der Artenkampf heute noch im weitesten Umfange tobt, dafür braucht es als Zeugnis nur eines einzigen Kreuzspinnennetzes etwa mit seinen Schlachtopfern. An sich, als Kampffalle, ist solches Spinnennetz ja ein Wunderding. In jedesmal unendlicher Feinarbeit hat die Spinne erst ein Fadendreieck hergestellt, dann ein Viereck eingesetzt, in ihm Speichen gezogen und zuletzt über diese Speichen eine riesige Spirale aus Klebfäden gerollt. An einer Stelle des Ganzen lauert sie, bis eine Erschütterung in der Spirale sie wie mit einem Klingelzug benachrichtigt; nun fährt sie ein, packt das angeklebt sich sträubende Insekt, knebelt es in raschem Herumwirbeln ganz, tötet es durch Giftbiß und verzehrt es, indem sie eigenen Magensaft in den Leib des Opfers ergießt und den so vorverdauten Inhalt aufsaugt. Alle diese sinnreichen Dinge aber dienen nur dem Schlächterhandwerk. Kein Zweifel: hier ist reiner Kampf ohne Gnade; das Opfer, um verzehrt zu werden, wird gepackt und augenblicklich ganz zerstört. Der gleiche Kampf bietet aber nun auch ein Bild, wo es gelegentlich der Spinne selbst an den Kragen geht. Auf unsern Waldpfaden kann man die bekannten muntern Wegwespen (Abb. 4) beobachten, wie sie[S. 15] dicke Kreuzspinnen mit ihrem Giftstachel geschickt ins Bauchmark stechen und die so gelähmten in ihre Nesthöhlen schleppen, wo das wehrlose Opfer in einer Art Narkose oder Scheintod so lange liegen und warten muß, bis die junge Wespenlarve auskriecht und es wie eine Proviantwurst bei lebendigem Leibe auffrißt. Fabre hat, wie man weiß, anziehend von der Treffsicherheit solchen vorläufigen Stichs zu erzählen gewußt, und M. Müller hat gelegentlich festgestellt, daß die unglückliche Spinne über 70 Tage so in Lähmung, aber immer noch lebend, liegen kann. Man könnte sich aber vielleicht eine noch sinnreichere Methode denken, bei der das Ei unmittelbar in die Spinne selbst gelegt würde, die dann frei herumlaufen könnte und doch den Tod mit sich trüge. Und auch das machen Schlupfwespen mit gewissen Raupen vor (Abb. 5). Die Schmetterlingsraupen werden mit Wespeneiern bestiftet, die erst nach einiger Zeit in ihnen auskommen. Die Raupen leben eine Weile noch hin, als sei nichts geschehen, und mästen sich weiter wie kleine Fettschweinchen, die Schlächter aber sitzen ihnen im Leibe. Eines Tages kriechen die Larven auch hier aus und beginnen von innen zu fressen. Kommen die Raupen noch zur Verpuppung, so werden die Puppen leer gefressen und die Wespenpuppen treten an Stelle ihres Inhalts. Vollzieht sich das Ver[S. 16]hängnis bereits in der Raupe, so wird berichtet, daß die Fresser anfangs noch die edleren Teile des Opfers schonen, um möglichst lange Profit von seinem Leben zu haben, und sogar ihre eigenen Exkremente unterdrücken, um ihr Mastschweinchen nicht vor der Zeit zu vergiften. Und erst wenn sie selber zur Verpuppung reif sind, durchlöchern sie rücksichtslos die Haut der entkräfteten Raupe, die nun unter letzten Qualen abstirbt. Die ausquellenden flockigen Wespenkokons an der vertrockneten Haut sind dann die „Raupeneier“ des Volksglaubens, es handelt sich aber, wie man sieht, um einen weit grausigeren Vorgang, als bloß eine normale Geburt wäre.
Bei diesen letzten Beispielen, die an sich ebenfalls kraß im Kampf verharren, erscheint doch, wie man beachten möge, schon ein feiner Unterschied. Auf der einen Seite schlägt der Raupenfall ausgesprochen in jene engere Kampfesart, die wir schon beim Bandwurm erwähnten: der Schlächter oder Fresser mietet sich unmittelbar im Opfer selbst ein. Lange ehe das Wort Symbiose geschaffen wurde, hat man das bereits gewohnheitsmäßig als „Parasitismus“ bezeichnet. Der Parasitismus ist offenbar von früh an eine der allererfolgreichsten Kampfesformen gewesen, denn seine Beispiele dort sind Legion, — von der bösen Cuscuta, dem Teufelszwirn, der sich wie ein Polyp an andere Pflanzen saugt, die eigene Wurzel aufgibt und dafür mit gierigen Freßmäulern in Gestalt eingesenkter Zellbündel den fremden Pflanzenleib durchwühlt und ausnutzt, — bis zu einem so hochentwickelten Tier wie noch dem Fisch Neunauge, das als Inger Dorschen oder Butten unter den Bauch kriecht, die Haut durchraspelt, dann (man versteht, unter was für Qualen für das Opfer) mit ganzer Person einschlüpft und das Innere ausräumt. Eben dieser Parasitismus stellt aber zwischen Vernichter und Beute ganz von selbst ein näheres Verhältnis her in dem Sinne, daß sich dieser Vernichter zunächst noch eine Weile mit dem noch lebenden Opfer beschäftigen muß. Er muß so lange mit ihm hausen, sich seinen[S. 17] eigenen Gewohnheiten anpassen, in eine tatsächliche kurze Lebensgemeinschaft mit ihm treten, wenn auch eine im letzten Zweck feindliche. Damit verknüpft sich aber alsbald ein zweites. Bei der Spinne als lebendiger Dauerwurst wie bei der Raupe als Fettschweinchen gewinnt der Schlächter im Banne der Naturzüchtung ein Interesse, sein Schlachttier vorübergehend (wenn auch mit bösester Endabsicht) in diesem Leben selber noch zu schonen, ja Mittel und Wege seiner zeitweisen Lebenserhaltung von sich aus zu suchen, — wie das ja besonders in der bloß narkotisierten Spinne hervortritt. Ein Schritt nur scheint es, daß das Opfer auch schon so lange gradezu geschützt, daß es mit verteidigt würde. Dazu aber nun ein weiteres Exempel.
Auf unsern Sumpfwiesen leben die kleinen Bernsteinschnecken, die mit ihrer Blätternahrung öfter die Brut eines Saugwurms, des Urogonimus macrostomus, verschlucken und damit solchen lebenden Wurm als Parasiten in den Leib bekommen. Dieser Wurm hat aber nicht den Trieb, die Schnecke selbst innerlich auszufressen, sondern er erwartet, daß sie von einem Vogel, etwa einem Rotkehlchen, gefressen werde, worauf er im Vogeldarm wirklich bandwurmhaft saugen kann. Dabei aber liegt es ebensosehr in seinem Interesse,[S. 18] daß die Schnecke nicht bloß einmal so gefressen werde, denn dann käme er jedesmal nur in einen Vogel, während seine Kraft tatsächlich langt, in solcher Schnecke schon mehrere Generationen aus sich hervorzutreiben, die für verschiedene Vögel reichten. Zu dem Ende stellt er an der Schnecke das sogenannte „Leucochloridium“ her, eines der wunderbarsten Gebilde des gesamten Naturkampfs. Er treibt nämlich je einen wurstartigen Schlauch, mit junger Brut gefüllt, in jeden der beiden Fühler der Schnecke, der diesen Fühler prall zum riesigen Kolben ausweitet, der die bunten Ringel und den Kopf einer fetten Insektenmade vortäuscht und sich auch in entsprechenden Windungen an der Schnecke bewegt (Abb. 6). Die Vögel reißen die Dinger in der Tat als vermeintliche Leckerbissen solcher Art ab und verschlucken sie, so mit dem Wurm in dieser Generation gesegnet, während die Schnecke im ganzen davonkommt und auf Grund erstaunlicher eigener Lebenszähigkeit bald die Verstümmelung ersetzt, — worauf der Wurm bandwurmhaft sprossend ein neues Leucochloridium baut und einen neuen Vogel mit einer neuen Keimfracht seines Volkes täuschend belädt. Und so fort bis zum natürlichen Altersende von Schnecke und Wurm. Inmitten der Gewaltsamkeit des Kampfes treten hier offenbar neue lehrreiche Züge hervor. Einerseits bei der Schnecke selbst: sie opfert immer nur, wenn schon unter Gewalt und Verlust, einen Teil von sich auf, kommt aber dafür im ganzen davon. Viel bedeutsamer aber noch ist das Verhalten des Wurms. In seinem Vorteil liegt es, die Schnecke zwar immer wieder zu einem Opfer zu nötigen, aber zugleich auch zum Zweck der Wiederholung zu erhalten. So erzwingt er das Teilopfer, rettet sie aber grade dadurch im ganzen; denn durch den befriedigenden Lockbissen des Leucochloridiums werden offensichtlich soundso viel herumstöbernde hungrige Vögel abgehalten, die Schnecke ganz aus ihrem Hause herauszufressen. Recht besehen, tritt auch hier bereits ein merkwürdiges Wechselverhältnis beider Teile inmitten einer scheinbar noch wüsten Kampfbrutalität und Ausnutzung in Kraft: der Parasit hat Vorteil vom Opfer, aber auch dieses Opfer zieht jenseits aller Roheit des Eingriffs einen überwiegenden Vorteil vom Parasiten, indem er ihm sein Leben im ganzen verlängert und es gleichsam dazu erzieht, durch Aufgabe eines mehr oder minder überschüssigen Teils das Ganze zu retten.
Wir betrachten aber noch einen Fall. Ein kleiner hübscher Fisch[S. 19] unserer Gewässer aus der Verwandtschaft der Karpfen, der im Hochzeitskleid vielfarbig schillernde Bitterling, praktiziert mit Hilfe einer langen Legeröhre seine Eier sehr geschickt in die bekannten Malermuscheln (Abb. 7), wo in den Kiemen des lebendigen Muscheltiers die junge Fischbrut auskommt, — im äußern Bilde also wie Wespe zu Raupe, nur daß sich diesmal die Jungfischchen mit der geschützten Wiege im Fremdtier begnügen und nachher gänzlich harmlos wieder ausschwärmen, ohne an der Muschel selber gefressen zu haben. Umgekehrt aber klammert sich die Jungbrut der Muschel, wenn sie ausgeschwärmt ist, an erwachsene Bitterlinge oder in Ermangelung andere Fische und läßt sich von ihnen eine Weile herumtragen, bis sie einen guten Fleck zum dauernden Neuansiedeln findet, — wobei von ihr immerhin etwas, aber auch in der Regel harmlos, vom Fisch gezapft wird. Diesmal ist man wirklich schon nahezu über die Wasserscheide zwischen Kampf und Frieden hinaus. Man könnte fast versucht sein, von dem zu reden, was ein ebenfalls älteres Forscherwort „Synökie“ genannt hat (von oikos griechisch Haus): einfaches indifferentes Sicheinmieten eines Wesens bei einem andern ohne Schaden des Wirtes. So sitzen am Seestrande die allbekannten kleinen weißen Seepocken (in Wahrheit seßhafte Krebschen in ihren Kalkhäuschen) auf den blauen Miesmuscheln auf, sich selbst zur Bequemlichkeit, für die Muschel indifferent. Oder es[S. 20] geht der sogenannte Schiffshalterfisch mit einer Kopfscheibe gleichsam angeklebt am Bauch großer Haifische oder auch der Menschenschiffe friedlich mit als einem kostenlosen Fahrzeug zweiten Grades, das den kleinen „blinden Passagier“ gar nicht merkt. Immerhin ist bei der Muschel am Bitterling, wie gesagt, noch eine geringe Selbstschröpfung auch des Trägers da, aber es wäre ein leichtes, auch sie noch friedlicher umzudenken in der Weise eben jenes Schiffshalters, der nicht mehr an seinem Fisch körperlich saugt, wohl aber gern von den äußeren Nahrungsabfällen des Großen profitiert. Das Interessanteste aber ist wieder die Gegenseitigkeit der Hilfe: dem Fisch bietet die Muschel Unterschlupf und er selber ihr Fahrgelegenheit. Die Sache ist auch hier noch nicht ganz rein, sozusagen noch verzettelt; die Muschel kann gelegentlich auch andere Fische benutzen als den Bitterling wieder selbst; aber man fühlt, wie rasch diesmal ein ganz mathematisch klappender Fall auf do ut des unter weitestem Friedensanschluß sich durch etwas dramatische Zusammenschiebung auf Orts- und Zeiteinheit herausdenken ließe. Wenn aber jeder schließlich reinen Vorteil vom Domizil am andern hat: wie nahe läge auch hier irgend eine Mitverteidigung dieses gastlichen Domizils durch ihn selbst? Manche selbst winzigen Fischchen schirmen wütig ihr Nest, z. B. die Stichlinge: hier ist das Nest die Muschel, warum also nicht sie ebenfalls schützen, wovon dann sie selbst wieder den Dank ihrer Patenschaft hätte? Fast wundert man sich, daß es im Beispiel nicht wirklich schon so ist. Und selbst von den Muscheljungen am Fisch (den „Glochidien“, wie man sie zu nennen pflegt) ließe sich zur Not so etwas aussinnen, wenn man sieht, wie sich gelegentlich solche Mollusken (z. B. viele Schnecken) mit allerhand Stink- und Farbsäften (der bekannte Purpur ist nur solche Schutztinte), ja im äußersten Falle sogar mit richtiger ausgespritzter Schwefelsäure, die auch dem heftigsten Angreifer des Fischs nicht genehm sein könnte, verteidigen. Friedensschluß, Gegenseitigkeit, synökische Sitzgelegenheit für den Unrast und ebensolche Wandermöglichkeit für einen Sitzer, Nährabfall als bequemster Überschuß ohne Teilverlust am Leibe selbst, Waffenaustausch: — mit diesen Einzelstücken können wir uns aber jetzt schon folgende Geschichte fast ganz aufbauen, soviel eigene Besonderheit sie im üppigen Proteusspiel der Natur wieder haben mag.
Jene Säureschnecken (es sind besonders die großen Tritonen, die so Seeigel wie mit chemischen Stichflammen in ihrem Stachel[S. 21]panzer anbrennen und zersetzen) dürfen uns an ein anderes Tiervolk mit allgemein solchem ähnlichen Höllenapparat erinnern. Das war ja eine der schauerlichsten Vorstellungen alter Sage: der Lindwurm, der gegen seinen Siegfried rotes Feuer spie, — eine Vorstellung, bei der ich in diesem Falle übrigens immer an die flammrote vorgeschnellte Zunge unserer heute noch großen und einst in junger geologischer Zeit riesigen Waraneidechsen habe denken müssen. Wenn auch nicht mit solchem echten Feuer, so doch mit Ätzhauch zu arbeiten, ist aber wieder eine wirkliche uralte Kampfpraxis der Natur. Der Bombardierkäfer macht Angriffe mit knallender Salpetersäure, unsere roten Waldameisen gehen mit hohen Garben Ameisensäure vor. In den kanülenhaft durchbohrten und bei Berührung oben abbrechenden Schutzhaaren der Brennessel wird das zum richtigen Giftdolch, in den Brenngift einfließt, und wieder dessen tierischer Gipfel ist der ähnlich hohle und von Giftspeichel durchströmte Mordzahn der Viper. Eng an die Brennessel knüpfen zunächst nun als Naturtechniker ersten Ranges auf diesem Gebiet auch die unmittelbar so genannten Nesseltiere (Cnidarien vom griechischen Wort für Nessel) an, als Stamm auch als Cölenteraten und Pflanzentiere, im engeren volkstümlicher als „Polypen“ bezeichnet, wobei aber nicht der Polyp als Tintenfisch (der zu den Mollusken zählt), sondern etwa unser kleiner grüner Süßwasserpolyp, die Hydra, oder, im Anschluß daran, alle Seerosen, Korallen und Genossen, sowie die auch wieder da hinein eng verschwisterten Quallen oder Medusen gemeint sind. Die meisten dieser Polypentiere führen trotz echter Tiernatur doch noch wieder ein pflanzenhaft seßhaftes Leben, und auch die zwar frei schwimmenden Quallen (die ursprünglich übrigens alle nur zeitweise zu Geschlechtszwecken abgelöste Sitzpolypen darstellen) haben bei schutzlos weichem, größtenteils wasserdurchsetztem Körper nur erst äußerst mangelhafte Selbstbestimmung. So taten hier brennesselhafte Wehr- und Lähmwaffen besonders not, die bei Fremdberührung gewissermaßen einen geheimen Zauberbann um die zarte tierische Blüte zogen und in denen das einfache Nesselprinzip sich dann mit dem Explosionsprinzip vereinigte. Auch diese Explosion, allerdings die nicht feurige, kalte, ist ja eine alte Naturtechnik: die wilde Balsamine, das „Kräutchen-rühr-mich-nicht-an“ unserer Wälder, streut schon durch Spiralfederschuß seiner Schoten bei Berührung seine Samenkörner herum, und die italienische Vexiergurke schleudert durch eine ähnliche[S. 22] innere Federmechanik beim Abbrechen dem Nichtsahnenden ihren ganzen Ekelinhalt weithin ins Gesicht. Am Polypen- und Quallenkörper aber sitzen durchweg ungeheure Massen winziger Kapseln, von denen jede eine Art solchen kleinen, aber mit Brennstoff zugleich geladenen Explosivkörpers darstellt, bereit, ebenfalls bei der Berührung oder schon bloßen Annäherung eines feindlichen Fremdkörpers auf ein Nervenzeichen hin mit aller Wucht zu explodieren. In zusammenfassendem Bilde (die Einzelmethoden schwanken je nach der Art) kann der Hergang etwa so beschrieben werden, daß auf irgend einen gröberen oder feinen, mechanischen oder chemischen Nervenreiz hin auf der Spitze der Kapsel ein Deckelchen sich lüftet, worauf Wasser (alles spielt sich ja im Wasser ab) in das Innere eindringt und dort eine quellbare Gallertsubstanz zur elastischen Explosion bringt; dadurch wird ein handschuhfingerartig hineingestülpter Schlauch mit voller Gewalt ausgekrempelt und ausgestoßen, mit scharfen Dornen in die Haut des Angreifers eingebohrt und nachgeschoben, während sich gleichzeitig aus seinem Innern die konzentrierteste Brennflüssigkeit in die Wunde ergießt. Die Verletzung ist höchst unangenehm, wie vielleicht im kleinen mancher Leser aus dem Zusammentreffen mit einer gewöhnlichen Qualle im Seebade weiß. Es gibt aber Riesenquallen und große schwimmende Quallenkolonien (z. B. Physalia), die nackte Schwimmer auf Tod und Leben so verbrennen können. Vielfach werden die Giftkapseln von besonderen Sammelstellen entsandt, oder sie können auch selber noch einmal an langen, über und über gespickten Schleuderlassos sitzen, und ihre Macht ist einzeln furchtbar genug, sich spielend selbst durch den harten Panzer eines Krebses zu ätzen. Wo die Polypen- oder Quallentiere, wie es in diesem Reiche häufig Brauch, zu größeren Familiengenossenschaften mit Arbeitsteilung der Geschwister zusammenhalten, da tritt auch diese Verteidigung sinnreich in den Verbandsdienst, indem sie besonderen Soldaten in der Kolonie einseitig anvertraut wird. In vielköpfigem Gewimmel sitzt in solchem Falle etwa ein Polypenvolk von in sich gleicher Art auf irgendeiner Unterlage beisammen, alle auf diesem Fundament noch einmal durch ein besonderes Wurzelgeflecht mit Kanalanschluß körperlich verknüpft. In diesem Kanal wird eine gemeinsame Familiensuppe rund getrieben, die von einigen besonders gierigen und maulbegabten „Freßpolypen“ für alle mit bereitet wird. Daß aber das Ganze nicht von außen bedroht werde[S. 23] und zugleich diesen „Familienmägen“ die nötigen Schlachtopfer zugewiesen werden können, dafür sorgen in der sinnigen Berufsteilung die „Wehrpolypen“, die, mit Kapseln wurfbereit ausgerüstet und gleichsam am ganzen eigenen schlanken Leibe in solche Schleuderlassos verwandelt, ständig auf der Lauer gegen Feinde oder zu lähmende unvorsichtige Beutetiere liegen. Blumenschön und blumenhaft wehrlos, wie diese bunten, oft kristallhaft durchsichtigen Nixenkinder in ihren Wassergründen erscheinen, bilden sie doch mit dieser raffinierten Technik dort eine keineswegs zu verachtende Großmacht des unteren Lebenskampfs.
Aber sonst leiden sie doch auch an mancherlei Übelständen der Seßhaftigkeit. Vom freien Ortswechsel auf der Nahrungssuche, diesem Obervorrecht sonst des Tieres, das doch nicht wirklich pflanzenhaft den Boden am Fleck aussaugen kann, erscheint der Polyp, solange er sitzt, leidig entfremdet. Wohl kann er seine Unterlage selbst gelegentlich sinnreich verbessern, sich durch eigene mineralische Ausscheidung sozusagen auf immer besseren Stuhl setzen, — wie ja das hierher gehörige üppige Tropenvolk der Korallen in vereinter Kraft seiner Generationen durch solchen fort und fort nachwachsenden Kalkbau dem Sinken eines ganzen Ozeanbodens Trotz zu bieten wagt. Dennoch müßte der einzelnen Seerose oder solcher Polypenkolonie manchmal recht erwünscht sein, wenn sie auch noch die Gabe des Märchens besäßen, den Fels, an dem sie haften, nicht bloß aufwärts zu strecken, sondern wagerecht mit ihnen fortkriechen zu machen. Und da mag es seit alters geschehen sein, daß der Zufall nachhalf. Einzelne Kiesel, an die sich solche Seerose im sonst schlecht faßbaren Schlick angeklammert, rollten im Flutspiel ein Stück weit mit ihr dahin, oder ein leeres, leicht verschobenes Schneckenhaus tat noch williger diesen passiven Dienst. Aber es geschah auch, daß in diesem Haus von tierischer Arbeit noch die Erbauerin, die Schnecke selbst, saß. Die Seerose war dann wieder Gast der Hausbesitzerin in zunächst harmloser „Synökie“. Solcher Schnecke selbst aber war nicht bloß zufälliger, sondern jederzeit selbstwilliger, wenn auch langsamer Ortswechsel beschieden, bei dem sie alle Male jetzt den blinden Passagier auf dem Dach ihrer schwerfälligen dicken Postkutsche mitgehen ließ, oft jedenfalls neuen und besseren Fleischtöpfen zu, die ja auch die Schnecke selbst, wenn sie zu den räuberischen ihrer Sippe gehörte, aufsuchte. Noch heute beobachtet man vielfältig solche Seerosen auf Schnecken, besonders[S. 24] den zur Anheftung hervorragend geeigneten wulstigen Murexarten, zu denen die erwähnte sabbernde echte Purpurschnecke gehört. Bereits im alten Fischbuch Gesners von 1558 finde ich solche von zwei Polypen berittene Purpurschnecke in trefflichem Holzschnitt verewigt. Aber mit solchen Schneckenhäusern hatte es da unten in der Nixentiefe noch eine besondere Bewandtnis.
Zu den leeren und den noch von der Meisterin selbst bewohnten Schalen gibt es einen dritten, an sich auch allbekannten Möglichkeitsfall. Das ist jetzt wieder ein großes Kapitel im Naturkampf: Tiere, die sich selber mit Fremdmaterialien zweiter Hand verteidigen, anstatt bloß mit eigenem Organ. So wirft der kleine Ameisenlöwe automatisch aus seiner Grube mit Sand, und der Schützenfisch schießt nach Insekten mit hochgeschnellten Wassertropfen. Immer hat diese Stufe etwas, das bereits wie Vorspiel unserer menschlichen Werkzeugtechnik anmutet. Hierher gehört aber auch, daß ein Tier in findigem Instinkt sich den hinterlassenen Schutzpanzer eines andern zum eigenen Harnisch überstülpt. Und daraus haben gewisse Krebse, Tiere mit verwickelten Trieben wie auch nicht schlechter persönlicher Wahlintelligenz, bei Schneckenhäusern seit alters eine Spezialität gemacht. Von grauen Tagen an (die Spuren gehen wohl mindestens schon bis ins älteste Tertiär der Erdgeschichte zurück) holt das Volk der Paguriden, der Bernhards- oder Einsiedlerkrebse, sich durchweg solches leere Schneckenerbe, stopft den Hinterleib hinein und nutzt den fremden Küraß noch zu dem eigenen, wobei im Laufe der Dinge die Sitte bereits so fest geworden ist, daß sie der findigen Diebsgesellen eigenen Körperbau beeinflußt, den natürlichen Panzer wenigstens an dem so „hinten im Faß“ verwahrten Hinterteil als Ballast beseitigt und das Krebsende zugleich selber schneckenhaft in der Achse gedreht hat.
Auch auf solchen Fremdschalen mit Krebsinvasion aber siedelten sich Polypen und Polypenkolonien an. Und da sieht man denn auf den ersten Blick: das mußte doch noch wieder bedeutsam Neues hinzubringen. Der Krebs läuft trotz und mit der Huckepackschale immer noch gar viel behender als der Schneck, muß also seine blinden Passagiere, die er mit der Fremdkutsche übernommen, noch ganz anders zu ihrem Gewinn herumschütteln. Aber solcher Krebs ist auch, abgesehen vom Laufen, ein ganz anders unruhiger Geselle, immerzu strudelt er mit Beinen und Kiefern im Grundmoder herum, wühlt[S. 25] alle Sorten Stoff durch und durch, wirft herauf und auseinander, und als noch wilderer Räuber lebt er sozusagen auf Schritt und Tritt im Schlachthause, packt, zerbeißt und hackt, was er nur kriegen kann, daß die Abfallfetzen nur so fliegen. Hat das Polypenvolk also gelegentlich schon von der Schnecke nicht bloß als Kutsche zum Wirtshaus profitiert, sondern unmittelbar etwas Kriegskost mit abbekommen, so muß sich das hier gradezu zum Hauptnutzen steigern. Immer mehr kann der „Storch auf dem Dach“ da selber gebrauchen gleich den aufräumenden Marabus in unsern indischen Menschenstädten, und zuletzt ist ihm die Ortsbewegung wirklich fast gleichgültig gegen den Krebs in Person, der ihn, wo immer er Mittag hält, ohne Absicht aus den Brosamen seines Reichtums selber mitfüttert. Man versteht, daß Polypen auf Schalen mit solchen Bernhardskrebsen allmählich fetter wuchsen als irgendwo sonst, und daß also die Naturzüchtung (wie immer man sich im einzelnen nun deren Wege denken mag) grade solche Bewohnung als „Synökie“ mit freier Kost obenein auch in ihren Trieben begünstigen und die Polypen zum lebhafteren Anschlußbedürfnis grade hier herüber drängen mußte. Wie einfach war aber dann wieder eine weitere Logik.
Solcher Krebs ist gewiß ein verwegener Kerl, der es als reisiger Kriegsmann mit manchem aufnimmt. Aber auch er hat doch Feinde, die ihm „über“ sind, größere seines Volks, wehrhafte Beißer unter den Fischen, die wilden „Kraken“ oder Tintenfische, die auch schon bei kleinem Kaliber eine tyrannische Macht üben in den Jagdgründen da unten. Um sich dagegen zu schützen, hat sich der Einsiedler ja schon den steinharten Fremdharnisch der Schnecke selbst übergezogen, in den er sich nötigenfalls völlig zurückzuziehen, ja den er durch kunstvoll in der Öffnung gekreuzte Scheren oft wunderbar noch zu sperren weiß. Aber der ganz geschickte Gegner versteht es doch das eine- oder anderemal, ihn auch in dieser Festung zur Übergabe zu zwingen, wobei es dann keinen Pardon gibt. Da aber mußte es soundso oft ganz von selber auch geschehen, daß der böse Feind unversehens den aufsitzenden Polypen zu nahe kam. Und gereizt schnurrte alsbald deren ganzer eigener Schutzapparat ab: es hagelte plötzlich von der einzelnen Seerose oder den Soldaten des Polypengärtleins da oben Explosivkapseln dem Fisch oder Tintenfisch auf den Kopf, daß ihm Hören und Sehen verging und er in vielen Fällen nun doch noch jammervoll Reißaus nahm, also daß der bedrängte Krebs wun[S. 26]derbar wieder Luft bekam. Die Sache entwickelte eine neue Seite auch für den Krebs selbst! Der gleichgültige „Synöke“ da oben brachte ihm im Wechselspiel selber einen Gewinn: nämlich noch eine sehr wirksame Hilfsverteidigung. Das „Dach mit Storchnest“ erwies sich als wesentlich wertvoller als das einfache Dach. Und abermals begreift man, wie auch dieser Vorteil nach Tierbrauch sich allmählich in festem Trieb gleichsam anlegen mußte, der, wie er den Polypen Schneckenhäusern mit Krebsen darin geneigter machte, so im Krebsinstinkt Schneckenhäuser mit Polypen darauf begünstigte.
Auf dieser einfachen logischen Basis gewahren wir nun ein gegebenes Bild, das wieder schon früh den Beobachtern am Meeresstrande sich aufdrängte, ohne ihnen doch gleich so verständlich zu werden. In Menge sehen wir verschiedene Bernhardinerarten Polypen herumschleppen, als müßte es so sein. Bald sitzt eine große einzelne Seerose, riesig im Verhältnis wie ein prunkvoller Federschmuck, auf der erbeuteten Rüstung, bald drängen sich dort sogar mehrere, gleich bunten Schirmen entfaltet schwebend oder auch einer fetten Schwarte ähnlich den ganzen Harnisch noch einmal umklammernd. Sagartia- und Adamsia-Arten kommen in unseren Gewässern so besonders in Betracht. Oder das ganze hängende Gärtlein der Semiramis ist in Gestalt solcher auf Arbeitsteilung vereinten polypischen Geschwisterkolonie dem Dach eingebaut (Hydractinia und Podocoryne).
Betrachtet man aber genauer das Verhältnis, so merkt man alsbald, wie die allgemeinen Anschlußtriebe beider Parteien innerhalb dieser geläufigsten Typen bereits stufenweise Steigerung erfahren haben. Die schon häufig getragene Sagartia parasitica (früher wohl auch als die Adamsia des Rondeletius bezeichnet, Abb. 8), eine große, wie eine Sommerhose braun und weiß gestreifte Seerose, die manchmal bis zu sieben Mann hoch auf der gleichen Krebsklause stolz gleich den Haimonskindern der Sage reitet, führt doch noch ein halb selbständiges Leben, erst in ihrer Reife sorgt sie sich um einen Krebs, die verschiedensten Klausner sind ihr aber eben recht, und wenn’s sein muß, kann sie auch ohne einen bleiben, so wie auch die Eremiten selber ihrer nicht unbedingt benötigen zum Lebensglück. Das vertritt offensichtlich noch eine ältere, losere Stufe. Aber bereits die echte Adamsia, die der Tierkundige die palliata, die „mantelhafte“, nennt, kennt es nicht mehr anders, als daß sie schon von früher Ju[S. 27]gend an mit ihrem schön bunten, oft prächtig weiß mit rosa geäugten Mantelleibe stets ein und dieselbe Krebsart, den Eupagurus Prideauxi, beglückt, den man sich denn auch seinerseits gar nicht mehr ohne sie vorstellen kann. Und ebenso blühen gewisse hängende Koloniegärtchen, wie jene Podocoryne, allemal auf bestimmtem Krebs, und der Krebs lauert nur unter ihnen wie der zugehörige Drache ihres kleinen Paradieses, der allerdings selber noch von dem feurigen Engelsschwert dieses Paradieses profitiert. Hier muß schon längst alles im eingefahrenen Geleise laufen über jede zufällige Gelegenheit hinaus. Und damit ja kein Zweifel bleibe, entdecken wir diesmal auch schon körperliche Folgen des Daueranschlusses selbst. Die Anpassung mit ihrer großen ausgleichenden Maschine hat eingesetzt, indem sie zunächst den Polypenleib noch enger auf den neuen geselligen Nutzzweck zurechtschneiderte. Jene Adamsia heißt nicht umsonst die mit dem Pallium, die mantelartige. Sie hat die sonst so stolz nach oben blühende Rose ihres Körpers abgeschafft zugunsten einer Art derber Knospe, die mantelhaft von unten her das Schneckenhaus des Krebses umgreift. Sie umgreift es aber von unten, weil so ihr ehemaliger oberer Rosenmund unmittelbar hinter dem Krebsmund, wie er abwärts geneigt aus der Schnecke kommt, sich einstellen, den Abfall des Krebsmahls aus erster Quelle fassen oder wohl gleich am Krebsbissen mitfressen kann, etwa wie ein junges Äffchen, das der Mutter unter dem Leibe hängt und der Alten listig ab und zu etwas vom Munde fortstiehlt, grade da sie es sich selber zu Gemüte führen will. Dabei zeigt aber eben solche Adamsia noch ein Besonderes. Sie versteht nämlich, zu kurze Schneckenhäuser auf dem Krebs selbsttätig durch Abscheidung horniger Substanzen vorne anzulängen, als wachse die tote Schnecke gespenstisch noch weiter. Die alte felsbildende Kraft des Polypenstammes scheint noch einmal in ihr auf[S. 28]gelebt. Dem Krebs aber ist auch das von entschiedenem Nutzen. Als kleiner Kerl hat er schon solches Schneckenhaus, damals doch natürlich ein entsprechend kleines, bezogen. Wenn er nun wächst, muß er öfter ausziehen, ein neues, größeres suchen. Wie hübsch aber, wenn das Haus selber eine Möglichkeit zeigt, über ihm zu wachsen. Ganz wird’s ja nicht gehen, zuletzt wird er doch noch einmal wechseln müssen, immerhin ist’s schon Gewinn, wenn ein zu kleines Dach nur noch etwas länger brauchbar bleibt. Und man versteht, daß der Polyp hier auch auf des Krebses Organisation rückwirken mußte: er kann sich mit kleineren Häusern und weniger Häusern behelfen, ja man könnte sich denken, daß er unter Umständen gar kein echtes Schneckenhaus mehr brauchte, sofern ihm der Polyp nur selber eines auf den Leib mißt. Und bei den hängenden Gärtlein jener ganz mitgeschleppten Polypenkolonien geschieht’s wirklich so: da zersetzt der Dachgarten zuletzt die echte Schneckenhülse, baut aber dafür im gleichen Schritt einen solchen eigenen hörnernen Schutzsack ganz zwischen Krebs und sich ein, der genügt und zugleich den Gewinn des eigenen Nachwachsens bringt. Solcher Ganzersatz ist dann wieder besonders wertvoll in der Tiefsee geworden, wo die gehäufte Kohlensäure ohnehin den Schneckenkalk angreift und fremde Kalkhäuser zum Wechseln selten macht. Unsere deutsche Valdivia-Expedition hat aus dem südatlantischen Ozean von einer Bank in nicht ganz 1000 m Tiefe zahllose Einsiedlerkrebse gezogen, deren Körper von großen rosettenförmig angeordneten violetten Seerosen bis zu einem Dutzend an der Zahl besetzt waren; mit unten verknüpften Leibeshöhlen stellten auch diese Polypen eine Art Kolonie dar, in deren knorpelharter Grundmasse der Schneckenhauskalk bis auf den ursprünglichen Hornbelag völlig aufgelöst erschien, während der einfache derbe Knorpelsack dem Krebs allein genügenden Hinterhalt bot. Daß der Krebs so auch die Tiefsee bestehen konnte, bedeutete auch ihm aber wieder eine beträchtliche Erweiterung seines Lebenshorizonts.
Nun mag ja solcher Zug zum eigenen Ersatzfels von gewissen Polypen auch hier bereits mitgebracht worden sein, als sie zum Krebs kamen, — wie er denn bei den hängenden Gärtchen den Kolonieverband selber als Grundrost vermitteln hilft und auch in eigenen Brustwehrspitzen, gleichsam zackigen Zinnen über der Kolonie, für die Deckung der zarten Persönchen auf rollender Unterlage verwertet wird. Aber bei der Adamsia sieht’s doch auch wie etwas Neues zum[S. 29] Zweck aus, und dieser Zweck scheint nicht bloß mit eigenem Bessersitzen und Stühlchenrücken zum gemeinsamen Tisch erschöpft, sondern die körperliche Änderung des Polypen scheint hier bereits auf den Nutzen des Krebses selbst zu zielen als abermals neue Stufe. Und das jetzt wieder finden wir unzweideutig durchgeführt bei den Verteidigungskapseln der Polypenpartei.
Wir sahen, wie sie dem Krebs entscheidend mithalfen, zunächst schon sozusagen rein zufällig, — wie der Blitz den mittrifft, der sich unvorsichtig unter den Baum setzt. Im enger werdenden Anschluß versteht man dann, daß die Kapselwaffen sich oben wohl verstärken mußten, da sie fortan mit ziemlicher Regel durch zwei Feinde, neben eigenen auch noch die des Krebses, zur Reizung kamen. Bei all den krebsreitenden Einzelrosen treten also neben den gewöhnlichen Hautkapseln noch jene schon erwähnten, mit Millionen von Explosionskapseln gespickten Schleuderlassos in wirksamster Form auf, lange Fäden, Akontien (vgl. Abb. 8), zu deutsch Wurfspieße, genannt, die durch das Mundtor oder besondere kleine Leibesschießscharten entsandt und dem Angreifer weithin auf den Pelz gebrannt werden können. Die Einschaltung mag dabei ein interessantes Naturbild geben, daß ein einziger Seerosenfangarm unter Umständen 43 Millionen einzelner Kapseln führen kann, was bei 150 vorhandenen Armen die hübsche[S. 30] Summe von 6000 Millionen verfügbarer Geschosse in solchem ätherischen Blumenkind vermeintlicher Unschuld ergibt. Schon vor langen Jahren hat Eisig im schönen Neapeler Aquarium die Grundbeobachtung gemacht, wie eine solche Seerose mit besonderen Akontien einen großen bösen Oktopus, also einen Tintenfisch, der den Krebs vermittelst eines seiner langen Schröpfkopfarme aus dem Schneckenhaus ziehen wollte, wie ein Feinschmecker bei uns eine leckere gekochte Weinbergschnecke auswickelt, in jähe Flucht und vorsichtige Fernbetrachtung trieb. Aber die Umwandlung ist nicht bei dieser einfachen Verstärkung stehen geblieben.
Bei den Nixengärtchen der Podocoryne und Hydractinia tritt die Anordnung der Kolonie ausgesprochen vom eigenen Schutz zum Krebsschutz über (Abb. 9 u. 10). Jene besonderen kapselgespickten Wehrpolypen, die hier die Akontien der Einzelrose gleichsam genossenschaftlich mit ganzer Person wiederholen, setzen sich nämlich sämtlich genau über den oberen offenen Rand der Schneckenhöhle, also sozusagen auf die Logenbrüstung unmittelbar über dem Parkett das der Krebs innehat, — die denkbar geeignetste Stellung zur Krebsverteidigung als Erstzweck. Untätig lassen sie wie Troddeln gleichsam ihre Beine auf den Krebs herabbaumeln oder bei ganz eingezogener Lage des Krebses vorweg[S. 31] pendeln, oder sie stehen auch, spiralig gerollt, sprungbereit auf dem Anstand: sobald aber ein Verdächtiges gegen den Krebs anrückt, schlagen sie (wie Weismann berichtet) „alle wie auf ein gegebenes Signal gleichzeitig von oben nach unten und wiederholen das drei- bis viermal“. Bei künstlichen Versuchen soll man die Eruption (auch nach Weismann) schon durch einfaches kräftiges Heranstrudeln von Wasser hervorlocken können, das offenbar bereits als Annäherung eines Feindes selbst genommen wird, — ein Beweis, wie automatisch die eigentliche Technik auch hier noch läuft. Die Polypentierchen sehen ja selber in Ermangelung echter Augen weder ihren Krebs noch seine Feinde, sie reagieren nur auf ein allgemein Nichtgeheures, das unter großem Wasseraufruhr von vorne und in der Richtung nach unten ins Parkett hinein naht. Aber eben dieses von vorne und nach unten umschließt schon den „Krebsblick“ auch dieser dunkel tappenden Tast- oder sonst irgendwie Fühlgeister als das Entscheidende, — den Krebsschutz als Ziel. Und alsbald sehen wir weiter, daß es doch auch nicht bei einfachem Richtungs-Automatismus, sosehr der auch den Ausgangspunkt gebildet haben mag, diesmal geblieben ist.
Es haben sich zunächst jetzt wieder bei dem Krebs als einem für höhere, verwickelte Instinkte durchaus schon geeigneten, „seelisch“ geweckten Tiere starke Instinkte solcher Art an die von oben gebotene Unmittelbarverteidigung angeschlossen. Dieser Krebs bevorzugt in den engeren Fällen längst nicht mehr bloß allgemein Schneckenhäuser mit bestimmten Polypen darauf: er sorgt durch ganz feste Handlungen, die, allgemein instinktiv zu werten, doch im Einzelfalle sogar mit einem gewissen Maß Wahlintelligenz angewendet und eingepaßt werden müssen, dafür, daß er keinen Augenblick ohne Schutzpolypen bleibt. Schon in jenem grundlegenden Vortrag von 1883 hat Oskar Hertwig das mit durchweg dauergültigen Sätzen festgelegt: „Man versuche nur einmal, den Freundschaftsbund der beiden Genossen zu stören; man nehme, wie es im Aquarium zu Neapel geschehen ist, einen Einsiedlerkrebs aus seiner Schneckenschale heraus, stopfe die Höhlung ... mit kleinen Leinwandstückchen fest zu und bringe sie wieder in das Meerwasser zurück. Bald wird man jetzt der Zuschauer bei einer höchst merkwürdigen Szene werden. Zunächst strengt sich der Einsiedler an, die Leinwandstückchen aus seiner alten Wohnung, auf welcher sich noch die alte Seerose befindet, zu entfernen, und erst dann, wenn ihm nach vielem Be[S. 32]mühen sein Vorhaben nicht gelingt, sucht er in einer leeren Schneckenschale, welche der Experimentator mit in das Aquarium gelegt hat, seinen Leib in Sicherheit zu bringen. Aber noch fehlt ihm seine Genossin. Er wandert jetzt zu der verlassenen alten Behausung hin, betastet die Seerose mit seinen Scheren und Füßen, sucht sie von ihrer Unterlage loszulösen und ruht nicht eher, als bis auch sie, seiner Ermunterung folgend, auf die neue Schneckenschale mit übergewandert ist. Einige Beobachter geben sogar an, daß, wenn durch Zufall die neue Wohnung dem Geschmack der Seerose nicht zusagt, der Krebs eine andere aufsucht, bis seine Gefährtin vollkommen befriedigt ist.“ Der letzte Satz mag etwas unbestimmt bleiben, wie es sich auch bisher z. B. nicht hat wieder bestätigen wollen, daß der Krebs seine Seerose geradezu absichtlich füttere; prinzipiell würde aber auch dieser letztere kleine Zug nichts Unwahrscheinliches mehr hinzutun, da (wie Kammerer in seiner trefflichen Schrift über „Genossenschaften von Lebewesen auf Grund gegenseitiger Vorteile“ mit Recht dazu bemerkt hat) Mantelaktinien ohne ihren Einsiedler im Aquarium trotz der sonst leichten Eingewöhnung dieser Rosen dauernd nicht zu erhalten sind, sondern auch bei Doppelfutter absterben, als seien sie durchaus von ihrem Krebs mit besonderen Bissen verwöhnt. Und es ändert auch nichts an den immer wieder gleichartig beobachteten Grundtatsachen, daß im einzelnen Umschläge vorkommen, gewissermaßen launische Instinktabfälle, wo, wie ein Tier trotz Elterninstinkt einmal plötzlich seine Jungen auffrißt, der Krebs seinen (irgendwie widerspenstigen) Polypen bei der Verpflanzung schlachtet.
Nun aber dazu wieder im Ausgleich krönt ein packendster Schachzug das Ganze. Dem hochentwickelten Krebs traut man solche gewissermaßen geistig dirigierenden Instinkte schon zu, und man freut sich ihrer besonders, da sie eine so gute Probe auf das Exempel geben. Immer, wenn zu körperlichen Umwandlungen auf einen wahrscheinlichen Zweck hin auch noch gleich gerichtete Instinkte kommen, steigt ja beträchtlich die Wahrscheinlichkeit, daß es sich wirklich um solchen Zweck (also hier die Genossenschaft) handle. Das ist doch auch dauernd die entscheidende Grundlage der berühmten, so viel bestrittenen Farbanpassungstheorie, wo z. B. ein Tier auf Grün schutzgrün ist: hat es zu der grünen Farbe auch noch den Instinkt, sich bei Wahl verschiedener bunter Unterlagen allemal auf Grün zu setzen[S. 33] (wie die kleinen Virbiuskrebse das z. B. so hübsch tun), so wird diese Doppelzüchtung in zwei parallelen Wegen unmöglich einen zwecklosen Zufall darstellen können, wie immer wieder soundso viele meinen. Aber irgend etwas derartig Instinktives muß nun auch bei der systematisch doch so sehr viel niedrigeren Polypenpartei auf die Dauer der Schutzangliederung ihrer Waffen an den Krebs möglich geworden sein, so schwer es dem Kenner zunächst eingehen will. Der Einzelpolyp oder die Polypenkolonie, automatisch sonst gewöhnt, gegen jeden Fremdangreifer des Krebses schon beim geringsten auch nur scheinbaren Anzeichen augenblicks mobil zu machen, ihre vielmillionenhaft vergifteten Akontien zu schnellen oder ihre Wehrsoldaten alle zugleich von ihrem Bock da oben herabbrennen zu lassen, — sie wenden ihre Einzelwaffe oder Armee niemals gegen den Krebs selbst. Gelegenheit im Sinne einer einfachen automatischen Reizauslösung wäre ja auch dazu wahrlich genug. Wenn ein einfach verstärkter Wasserdruck schon die Wehrpolypen der Podocoryne weckt, wieviel mehr könnte es der immerfort im Tastbereich dieser tapfern Vorposten strudelnde und „krebsende“ Krebs selber tun. Oder gar jener selbstherrische Krebsbruder, der in Hertwigs anmutiger Aquariennovelle die akontienreiche Seerose von ihrer Unterlage hebt und auf ein neues Dach zu versetzen sucht, wie unbedingt müßte er dazu reizen, — zumal wenn man weiß, wie schwer und widerstandszäh sich solche Tierblume gegen jeden Eingriff eines Menschenwerkzeugs wehrt, ja sich lieber in kleine Fetzen zerreißen läßt, ehe sie ihre Sohle preisgibt. Wenn der Krebs aber kommt, so sanft wie solche Panzerfäuste können, aber doch sicherlich nicht bloß Sammet, so fügt die Rose sich schon von sich aus unverkennbar glatt darein wie zu einem Liebesakt, machen kann er mit ihr, was immer er mag, ja laut Doflein (in seinem wundervollen Werk über „das Tier als Glied des Naturganzen“) „kriecht sie event. sogar selbst auf seine Schneckenschale hinüber“. Die Akontien aber feiern bei ihr wie drüben die Wehrpolypen, als sei ein Signalzeichen diesmal eingestellt: gut Freund, kein Bandit. Und nicht einmal die einfache Praxis scheint geübt zu werden, die wir alle von unsern sensitiven Rosen des Seestrandes doch so gut kennen: daß die Blüte bei der Berührung sich schließt wie ein Mimosenblatt. Kein Zweifel mehr: auch hier waltet ein streng korrespondierender Instinkt, einerlei nun, durch was für spezielle Merkzeichen er gerade vom Krebs in[S. 34] dem blinden Polypen ausgelöst wird, und vor solcher Sachlage hört der letzte Rest des Zufälligen, des vielleicht doch noch von Fall zu Fall Vorübergehenden oder der voreilig menschlichen Deutung in diesem Beispiel endgültig auf. Wir stehen vor einer Glied um Glied körperlich und (immer in tierischen Verhältnissen gesprochen) geistig ineinandergreifenden Gesetzmäßigkeit. Der typische Fall der „Symbiose“ ist diesmal gegeben, indem wir mit Einsiedler und Polyp zugleich das Beispiel berühren, das Oskar Hertwig damals seiner Begründung der Symbiose auch auf der tierischen Seite zugrunde legte als „ein auf vollständiger Gegenseitigkeit beruhendes Zusammenleben zweier ganz verschiedenartiger Tiere“.
Im engern schart sich um diesen entscheidenden Fall für unsere heutige Kenntnis aber sofort noch ein ganzer Kreis gleichsam erläuternder Nebenfälle mehr oder minder scharfer Art.
Mit dem Krebs in seinem Schneckenhaus können meerbewohnende Borstenwürmer (Chätopoden aus der Gattung Nereis) in einer Genossenschaft zweiten Grades leben, die, wie mit langen Hälsen vorgestreckt, ebenfalls sozusagen aus seiner Schüssel mitfressen, ihm dafür aber mit harten Kiefern tranchieren helfen oder Ungeziefer seiner Höhle wegfangen, während er sie ebenso freundlich schont wie seine Rose. Solche Würmer haben auch sonst (in Seesternen, andern Würmern oder Fischen) Neigung zum Schmarotzen, was dann auch bei ihnen zuletzt in Symbiose umgeschlagen scheint. Interessant ist dabei, daß sie, die vorher frei beweglich waren, sich nachträglich zum Zweck erst wieder unter gewisser Verkümmerung seßhaft gemacht haben, um sich gleich den Rosen fremd herumfahren zu lassen. Umgekehrt können in den Seerosenblüten Asseln hausen, die der Polyp nicht frißt, noch brennt, weil sie ihm (nach Kammerer) unwillkommene Abfälle fortzuräumen scheinen. Diese kleinen Reinigungsunternehmer zählen gleich unsern bekannten Kellertieren selber zu den Krebsen, so daß also hier zweiter Hand auch noch ein ursprünglich frei beweglicher Krebs mit der Polypenpartei lebte, die selbst nur wieder durch einen zweiten Krebs beritten gemacht wird. Die anfangs zweiseitige Symbiose erscheint zu einer selbdritt und selbviert erhöht. Umgekehrt wird der anfängliche Fall vereinfacht, wenn die Seerose sich unmittelbar auf dem Krebs ansiedelt, sich Krabben, die nie ein Schneckenhaus schleppen, einfach auf den breiten Rücken oder eine der Scheren setzt. Wenigstens der Brennvorteil bleibt ja[S. 35] auch so, und man versteht, wie jene von Möbius so anziehend geschilderten kleinen Krabben der Korallenriffe, die Polydectinen (Melia u. a.), sich gewöhnen konnten, die immer wieder sorgsam aufgelesenen polypischen Stichflammen ihrer Scheren bei noch etwas geweckterer Selbsthilfe dauernd mit der Scherenzange selbst umkneipt zu halten und so dem Feinde gleichsam wie einen schußbereiten Revolver drohend entgegenzustrecken (Abb. 11). Dazu wieder im Gegensatz ließe sich mit geringer Phantasie ein Fall ausmalen, wo in dem Schneckenhause des Bernhardskrebses auch noch die lebende Schnecke neben ihm erhalten bliebe und in die Symbiose einträte. Denn die sog. „Muschelwächter“, zahlreiche kleine Krabben und Flohkrebse (am bekanntesten Pinnotheres veterum, den schon die Antike feierte) leben genau so bei dem lebenden Muscheltier in Austern und Steckmuscheln mit, laufen bei geöffneter Klappschale frei aus und ein und profitieren in der Gefahr von dem Mitverschluß, den sie der Sage und vielleicht auch Wahrheit nach selber durch eilige Flucht ins Innere herbeiführen, so auch dem stumpfen Muscheltier Nutzen bringend. Dächte man sich auf die Muschel hier eine Seerose gepflanzt, die von dem frei ausschwärmenden Krebs Vorteil zöge, so wäre auch in dieser Gestalt die schönste Drei-Symbiose fertig.
Eine neue Variante trifft dann eine Eigenschaft der Polypenpartei, die wir in dem Grundbeispiel bisher übergangen hatten, weil sie dort nebensächlich war: aufsitzende Blume oder hängendes Gärtchen geben dem Krebs auch darin Schutz, daß sie ihn unkenntlich, nämlich mit seinem ganzen Hause einem harmlosen Pflanzengebild wirklich gleich machen. Daß der Krebs auch darauf spekuliert, merkt man, wenn man Krabben, die keine Rosen tragen, sich doch künstlich drapieren, Algenpflänzchen pflücken, sich aufpflanzen und an den feinen Angelhäkchen des Rückens befestigen sieht, bis auch das echte Gärtchen da oben weiterwächst, — wobei sogar gelegentlich sehr sinnreich auf rotem Grunde rote Algen gewählt werden und auf grünem grüne. Auch das aber konnte für sich Anlaß zu Teil-Symbiosen werden: nicht nur Schnecken leben ähnlich mit Rasen bildenden Moostierchen (Bryozoen, Kolonien wurmähnlicher Geschöpfchen), die zugleich maskieren und die Schalen gegen Stöße verdicken helfen, sondern gewisse Bernhardiner verbinden sich statt mit Polypen gewohnheitsmäßig mit derben roten Korkschwämmen so (auch der Schwamm ist in diesem Falle ein niedriges Tier), die ihnen ebenfalls allmählich das Schneckenhaus auflösen und mit ihrer ekeln Knolle ersetzen und, wenn sie schon nicht nesseln können, doch den Insassen mit einem für alle andern Tiere widerwärtigen Unflat decken; ganz glatt scheint übrigens diese Symbiose noch nicht zu klappen, denn der rote Schwamm mauert in blödem Wachstum gelegentlich den Krebs wie eine gefallene Vestalin lebendig ein.
Um so schönere Parallelfälle bieten sich dafür wieder, wo die Polypenbatterien als solche sich auch mit andern Genossen als grade Krebsen verbinden. Da sieht man kleine Polypenkolonien (Hebella), die sich, efeugleich rankend, an größere heranwinden, der Zwerg noch von den Kanonen des Riesen profitierend und wohl auch als Spatz im Hühnertrog pickend. Oder es spielt solcher Wurm, wie wir ihn gelegentlich beim Krebs als Unterpartner fanden, für die Polypenbatterie selber gleichsam den Krebs: Röhrenwürmer, wie die Schraubensabelle (Spirographis spallanzani), nehmen sie auf ihren Lederschlauch, der zwar diesmal auch angeheftet sitzt, aus dem heraus aber der entfaltete ungeheure Kiemenkranz des Wurms einen solchen Maëlstrom zum Anstrudeln rettungslos mitgerissener Schlachtopfer erzeugt, daß beide Parteien auf die Kosten kommen, während die Batterie gegen größere Seeungeheuer zugleich den Wurm frei schießt,[S. 37] wie dort den Krebs. Doch auch solcher Ganzwurm (Aspidosiphon, aus der etwas entfernteren, wieder frei beweglichen Sipunkulidengruppe) kann sich selber einsiedlerhaft in ein Schneckenhaus einquartieren, das er nun genau wie der Bernhardskrebs schleppt und ebenso gern von einer Polypenkolonie bereiten läßt, die darauf blitzt und auf die Dauer auch hier ein eigenes, für ihn noch wohnlicheres Blitzhaus an Stelle der ursprünglichen Schneckenhülle durch Zersetzung und Nachfundamentierung baut. Ein besseres äußerliches Parallelbeispiel zu dem Krebsfall selbst kann es nicht leicht geben.
Erscheint aber darin der Wurm immerhin als ein niedrigerer Gesellschafter als der Krebs, dem man kaum so vollendete innere Instinkte zuschreiben würde, wie jenem, so springt gerade in dieser Linie auch ein noch viel höheres Tier gelegentlich ein: nämlich als Partner der Brennbatterie ein Fisch. Richard Semon beobachtete auf der Sundainsel Amboina einmal eine große Qualle aus der Gruppe der Rhizostomiden, die seinen Fangversuchen stets mit der ganzen Geschicklichkeit solchen Fischs und nicht der gewöhnlichen Hilflosigkeit dieser Schwimmblumen auszuweichen verstand. Es stellte sich heraus, daß die Qualle in der Tat mit einem kleinen Fisch (Caranx auratus, einer Makrelengattung) in Symbiose stand, der, im Innern verborgen, ihrer durchsichtigen Glasglocke wie ein kluger Kapitän durch geschickte Steuerstöße Richtung gab, während sie ihn mit dem unnahbaren Brunhildfeuer, das auch solche Qualle umloht, verteidigte. Ähnlich fahren (Schwimmer diesmal im Schwimmer) ganze Geschwader zierlicher Meeräschen (Hirtenfischchen, Nomeus) regelmäßig in jenen furchtbaren großen Staatsquallen der Physalia, ballonhaft am Meeresspiegel dahinschwebenden Polypengärten mit ähnlicher Arbeitsteilung des Geschwisterhaushalts wie bei jenen hängenden Semiramisgärten der Podocoryne, deren Brennstrahlen, wie gesagt, ein Mensch erliegen kann. Und wieder noch andere Fischarten wohnen und schwimmen aus und ein in den tropischen Korallenparadiesen mit ihrer bunten Blütenpracht oder auch unmittelbar den großen Einzelrosen selber, wie sie der Krebs sucht. Sie schleppen ihre Beute zu dem lebenden Haus und halten Tafel dort, wobei beim Herumschlucken und Mundgerechtmachen mancher Bissen auch auf die Rose abfallen mag. Der Fisch scheut sich hier durchaus nicht, in seine Rose selbst einzusteigen, wie drüben der Krebs in sein leeres Schnecken[S. 38]haus: er hält sein Schläfchen in der geschlossenen, spaziert in ihrem Magen herum und reinigt wohl auch die nicht eben glücklich hier angelegte, oben im Munde selbst wieder zurückmündende Kloakeneinrichtung der Partnerin. Mit Staunen sieht man solchen Fisch (Anthias dofleini) auf Dofleins Bild aus dem japanischen Meer sogar täuschend genau die gelbe und rote Livree seiner Korallenpolypen tragen, so daß er daran hinschwebend selber nur wie ein abgelöstes Stückchen Korallengrund erscheint. Immer aber auch hier scheint die Macht der Symbiose die ganze schaurige Waberlohe der Polypenburg wie mit einem Gegenzauber eingeschläfert zu haben: auch der Fisch schreitet wie der Siegfried der Sage gefeit durch alle Flammen.
Man hat allerdings in diesem Falle noch eine Sondertheorie dazu aufgestellt. Es gibt eine Anzahl räuberischer Fische, die gewohnheitsmäßig Quallen verzehren, z. B. der direkt danach benannte Quallenfresser Schedophilus medusophagus. Dazu müssen nun auch sie bis in den Schlund hinunter brennfest sein, ohne daß eine hemmende Ausschaltung von seiten der Qualle selbst in Frage kommen würde. Man nimmt also an, daß es sich hier um eine mitten im Kampf erworbene Giftfestigkeit des Fischs handle, wie wir sie ähnlich beim Igel gegen Schlangengift oder bei unsern Raupen des kleinen Fuchses vor der mühelos verdauten Brennessel finden. Der Fisch hat davon im eigenen Verteidigungskampf noch den Nutzen, daß das aufgenommene Fremdgift sein persönliches Fleisch ungenießbar, ja gefährlich und von anderen Tierinstinkten gemieden macht, — was wieder an den geradezu glänzenden Schachzug gewisser Schnecken, der Aeolidier, erinnert, die, ebenfalls so brennfest, Polypen fressen, durch den sinnreichsten Innenmechanismus aber nicht explodiert verschluckte Kapseln der Polypen in ihre eigenen äußeren Hautanhängsel wandern lassen, wo sie nun explodieren, wenn ein Fremdangreifer die Schnecke beim Fell packt. Aus solcher Brennfestigkeit, von den Ahnen im Kampf erworben, soll nun auch bei den heutigen symbiontischen Fischen ihre Siegfriedkraft, bloß jetzt friedlich gewendet, übrig geblieben sein, und das würde also einen besondern Polypeninstinkt (oder was man sich darunter denken will) auch hier ganz überflüssig machen. Da man indessen bei der Krebssymbiose keinesfalls ohne solchen auskommt (der Polyp versucht ja dort überhaupt nicht zu brennen), sehe ich keinen strengen Grund, ihn nicht auch hier mitspielen zu lassen statt[S. 39] der immer etwas künstlichen Ahnenerklärung, — zumal man grade Fische in jenen Tropenmeeren auch in einer friedlichen Symbiose mit großen, beim Angriff wehrhaft ihre (auch oft vergifteten) Stacheln aufsperrenden Seeigeln findet, wo doch von einem früheren Verzehren solcher harten Seeigeldolche keine Rede sein kann.
Ein anderes, etwas strittiges symbiontisches Geheimnis liegt dagegen immer noch über dem schon seit Jahrhunderten solcher Dinge verdächtigen, äußerlich aalartigen Fierasfer-Fischchen in Seegurken. Die Seegurken sind träge, wurstförmige Gesellen aus der (nicht polypischen) Verwandtschaft jener Seesterne selbst. In ihre Hinteröffnung schlüpfen nun die schlanken Fischlein ein und stellen sich mit geschmeidiger Drehung kerzengerade wieder rückwärts um, den Leib in kiemenhaften Darmanhängen des grotesken Wirtes geborgen, die freche Schnauze aber am Hintertor, wo sie dann bissig die Gurke verteidigen soll, während sie selber von durch die ganze Gurke gestrudelten Krebschen profitiert. Es bleibt indessen bis heute unklar, ob die Gurke wirklich von ihnen beschirmt wird, und ob sie nicht (was bei einer Art bereits feststeht) Selbstfresser an ihr sind nach Art der Wespenkinder in der Unglücksraupe. Nesseln kann die Gurke übrigens nicht, wohl aber erlaubt sie sich bei allzu großer Belästigung gelegentlich sozusagen im ganzen zu explodieren, indem sie den eigenen Eingeweidebestand ausspuckt, wobei dann allerdings auch die Unruhgäste nolens volens herausfliegen.
Inzwischen, so sieht man, erweitert dieser Kreis von Parallelbeispielen, sosehr er auch die symbiontische Sitte schon in dieser Tierschicht nicht als ganz vereinzelte Ausnahme, sondern bereits als etwas ziemlich weit Verbreitetes dartut und lehrreiche Details einflicht, doch das Grundbeispiel prinzipiell noch nicht, wie er auch noch keinen im ganzen harmonischeren, darüber hinaus vervollkommneten Fall geben kann. Um dahin zu kommen, müssen wir vielmehr erst wieder eine kleine Phantasieerweiterung uns gewissermaßen nachschaffend ausdenken.
Solcher Polyp und Krebs sind gewiß himmelweit voneinander geschiedene Tiertypen. Gleichwohl macht ihre Symbiose aus ihnen schon einen gewissen neuen Einheitskörper. Die Genossen im Spiel bekommen etwas von Organen: der Krebs als Bewegungs- und Kauorgan, die Rose als Brennorgan. Jedes engste Zusammenhalten führt wieder zu solcher Organähnlichkeit: man kennt das[S. 40] alte Gleichnis des Menenius Agrippa von den Organen am Menschenleibe, die sich gegenseitig helfen mußten, statt verderblichen Zwists; die Lunge hilft den Muskeln, der Darm der Lunge, die Leber dem Darm und so weiter. Das ist bei ein und demselben Wesen der gleichen Art. Aber wo immer „Hilfe“ auftaucht, da muß sich ein Entsprechendes durchsetzen. In der Polypenkolonie werden die Einzelindividuen erneut zu einer Form von Organen im Geschwisterverband, wie soll’s nicht auch auf Polyp und Krebs zuletzt treffen. Und man könnte sich nun denken, daß das auch hier noch viel weiter ginge. Jene Aeolidier-Schnecken, die den Rosen so sinnreich ihre Kapseln abnehmen, um sie bei sich selbst abzubrennen, geben einen Anhalt, was da auch friedlich noch an unentwirrbarer Durchdringung möglich wäre. Bei den Krebsen gibt es (allerdings hier auch noch auf der Kampfseite) einen Schmarotzer, den Wurzelkrebs, der sich Krabben unter den Leib beißt und ihren ganzen Körper bis in die feinsten Verzweigungen mit einem eigenen Wurzelgeflecht durchspinnt. So könnte am Ende der Polyp sich mit seinem Zellgewebe in den Krebs verzetteln, der Krebs aber sozusagen im Polypen ausfließen, bis der Zoologe vor dem Rätsel stände, wo ihm das eine Tier anfinge und das andere aufhörte. In jenen gleichen Seegurken wohnt auch (zwar wieder feindlich) eine parasitische Muschel, die Entoconcha mit dem Beiwort der mirabilis, der wunderbaren, die so eng dort gleichsam innerlich eingeschraubt ist, daß noch ein Anatom solchen Ranges wie unser Johannes Müller sich einst verblüffen ließ, sie sei wirklich nur ein Stück Gurkenleib, das dann die unmöglichsten Allotria trieb, bis zu einem Wirrsal, das Müller, man kann wohl sagen, damals geradezu den Verstand gekostet hat. Dieser Knoten wickelte sich allerdings auseinander, als man die gesonderte Fortpflanzung entscheiden ließ, die aus der Gurke wieder Gurken, aus der Schachtelmuschel Muscheln ergab. Aber wenn nun auch da die Symbiose einen letzten Trumpf spielte?
Unsere symbiontischen Bernhardiner erzeugen aus ihren Eiern ebenfalls brav Jungkrebse und die Polypen Schwimmjunge oder doch abgelöste Geschlechtsquallen, aus denen wieder Polypensaat hervorgeht. Aber weshalb sollte die fortschreitende Symbiose nicht zustande bringen, was eigentlich bereits in den Abenteuern des Bitterlings nahe lag: daß das Polypenjunge sich etwa schon an das Jungkrebschen klammerte, um gleich zur Stelle zu sein, wie Swin[S. 41]egel im Märchen, der „auch schon da“ war; oder daß gar die Eier der beiden in Konnex träten? Auf diesem Wege würde die neue Einheit sich selbst in der Fortpflanzung zu schließen beginnen! Mag das in unserm Beispiel einstweilen bloß Phantasie sein, die wie mit einem Nebelbilderapparat das alte Bild zu einem neuen, noch kühneren verschwimmen läßt: wir stehen in Wahrheit damit nur bei der wirklichen Fortsetzung, die einst bei jener Begründung des Symbiosebegriffs durch de Bary geradezu bereits die erste geschichtliche Voraussetzung gebildet hatte. Wir berühren nämlich das große Grundbeispiel der Symbiose aus der Pflanzenwelt: die Flechte.
Jeder kennt sie. In der Granitregion unseres Riesengebirges ist der Wanderer stundenlang schon mit ihr allein, wie sie als gelbe Krustenflechte den Stein bemalt; hier erscheint sie wirklich wie eine Urform des Lebens, die zuerst den ungefügen Fels benagt und anschmilzt, letzter Grundtyp aller Urbarmachung dieser Erde. Als grauer Rübezahlbart hängt sie dann von den Wetterfichten, sie färbt, wie den nackten Stein, so auch die trockenste Baumrinde, kriecht in scheinbarem Blatt- und Strauchwerk oder verkrumpelten Gallerthäufchen am Boden dahin; sie nährt als Renntierflechte in letzter dürrer Wiese noch das Polartier und macht damit seine Breite auch dem Menschen noch bewohnbar. Kaum ein Naturgebild von den kleinen der Erdlandschaft, das sich so fest, so allgegenwärtig uns von früh an einprägte. Hören wir aber (im engen Anschluß zunächst an de Barys erste Darlegung selbst), als was sich dem Botaniker solche Flechte entpuppen mußte. Von den mehrtausend Arten der Flechten, Lichenen, wie das botanische Fremdwort sagt, lernte man lange in der Schule, daß sie eine besondere Kryptogamengruppe bildeten, die mit den Pilzen in der Fortpflanzung übereinstimmte, aber etwas besäße, das sonst den Pilzen absolut fremd ist. Der Pilz wird zwar zu den Pflanzen gezählt, hat aber kein Chlorophyll, also nicht den bekannten wunderbaren „Kochtopf“ der grünen Pflanze, mit dem sie im Licht aus anorganischem Stoff Lebenssubstanz kocht; er kann nur wie das Tier von schon vorgebildeter Substanz solcher Art leben, die er für gewöhnlich am Lebendigen und Toten zweiter Hand schmarotzernd sich verschaffen muß. In diesen Flechtenpilzen aber lagen außerdem stets chlorophyllführende Zellmassen, die jene Kunst besaßen und übten. Man fand im Flechtenkörper, dem „Thallus“, wie man das nennt, stets zunächst verflochtene Zellreihen (Fäden, Hyphen), die[S. 42] Sporenfrüchte mit keimfähigen Sporen nach Pilzart trugen. Das waren offenbar echte Pilze, der bei uns gangbaren Form nach Schlauchpilze, also vom Morchel- oder Trüffelstamm. Aber was bedeuteten die chlorophyllhaltigen lebendigen Einlagen? Man nannte sie hergebracht die „Gonidien“ der Flechte, nahm sie aber als Organe des Pilzes, die in diesem Falle grünen Algen ähnelten (Abb. 12). „Flechte“ war also ein algennaher, mit einer Art Metamorphose seines Wachstums in Algentyp übergehender Pilz, bei dem die Gonidien anscheinend als kleine Zweiglein aus den Pilzfäden selber hervorwuchsen. Doch schien die Fortpflanzung dunkel zu bleiben, die aus isolierten Sporen nur reine, stets rasch vergängliche Pilze ergab, während in andern Fällen die Gonidien wie durch Hexerei hineingezaubert schienen. So sprach „auf Grund dieser und ähnlicher Bedenken“ de Bary 1866 aus, wenigstens einige Flechten möchten aus einer Vereinigung eines jedesmal bestimmten Pilzes mit einer echten Alge hervorgehen. Und das dehnte dann Schwendener, nachdem man die Gonidien allenthalben mit auch selbständig vorkommenden Algen zu identifizieren begonnen, auf sämtliche Flechten aus und entwickelte es zur festen Theorie, worauf es Reeß und dem hochverdienten Stahl gelang, durch Vereinigung solcher bestimmten, selbständig wachsenden Algen mit den geeigneten Pilzen einen Flechtenthallus absichtlich zustande zu bringen, also die Probe auf das Exempel zu geben. De Bary aber begründete, wie erzählt, mit dem ganzen enträtselten Sachverhalt die umfassende neue Lehre von der Macht der Symbiose, die hier einen chlorophyllosen Pilz mit einer chlorophyllführenden Alge buchstäblich bis zur äußeren Unkenntlichkeit zu einer neuen Genossenschaftseinheit verschweiße. Denn daß auch hier eine gegenseitige Hilfe[S. 43] in glücklichstem Ausgleich vorliege, wurde schon de Bary selbst als eigentlichste Erklärung wahrscheinlich, und die Folge hat es auch nur bis zum äußersten bestätigen können.
Die in den Pilz mehr oder minder wie eine oberflächliche Stickerei eingewebte grüne Alge kocht in ihrer Chlorophyllküche mit Lichtheizung nicht nur Lebensnahrung für sich, sondern sie erzeugt auch in der Fülle der Kraft Überschuß genug, den hungrigen Pilz mitzunähren, friedlich, ganz im Sinne des früher Gesagten, ohne daß er selber an ihr fressen muß. Der Pilz aber, der gewissermaßen hier die Alge als Kochtopf auf seinen Händen sich vorhält, wie oben die kleine Korallenriffkrabbe ihren Seerosen-Revolver, tut ihr dafür den Gegendienst des umsichtigen Gärtners, der sein Bäumchen hegt, daß es für ihn fruchte, — selbst kann er nicht an seine innere Kraft, wie ein Glückswunder auch für sich muß er sie hinnehmen, wohl aber darf er der Wurzel den besten Stand geben, den Boden düngen und wässern, damit die Frucht so reichlich werde, daß er selber ohne Schaden der Pflanze davon mitleben kann; so saugt auch der Pilz der Flechte Wasser samt den darin enthaltenen Mineralsalzen und leitet sie der Küche als Betriebsstoff zu, er kondensiert das Wölkchen noch am unfruchtbarsten Fels und Holz, und er gräbt selbst im härtesten Granit mit eigener ätzender Säure immer wieder ein Töpfchen gleichsam aus, in dem das Ganze zwischen Himmel und Abgrund haften mag. Daß solche genossenschaftliche Fabrik, wo die eine Partei, noch an den nacktesten Prometheusfelsen gekettet, aus Licht und Luft süße Speise zu bereiten versteht und die andere dafür alle grobe Handlangerarbeit versieht, noch ausdauern kann, wo sonst Alge wie Pilz allein, ja jegliches bekannte Leben erlahmen müßte, begreift man, — bewundernd aber sieht man dabei auf die Symbiose hier als eine Mehrerin nicht bloß des Einzelraumes einer Art, sondern des ganzen Lebens auf Erden, während man zugleich auch an eine gewisse geschichtliche Verkettung denkt, die wohl gerade in dieser Pilzsymbiose stecken könnte. Denn der Pilz, heute von der eigenen elementaren Bereitung des pflanzlichen Lebensbrotes abgeschnitten, ist, so darf man vermuten, selber doch wohl ursprünglich nur ein verlorener Sohn der Pflanzenwelt gewesen, ein abgelenkter Zweig etwa der Algen selber, der diese Gabe nachträglich verloren hatte, weil er sich gewöhnt, in der lichtfernen Bodentiefe dem Abhub des Lebenstisches der andern bei Tod und Verwesung nachzugehen. Aus dieser Tiefe[S. 44] ist er aber dann doch wieder vielfältig als ein schlimmer Fresser und Parasit auch am wirklich Lebendigen erstanden. Bis in solcher Symbiosenform abermals eine Art neuen Ausgleichs auch für ihn eintrat, bei dem er friedlich von oben das verlorene Brot wiederbekam, dafür aber jetzt seine als Bergmann und Schatzspürer in der Tiefe erworbene Kraft in den Dienst dessen stellte, der ihm dieses Brot gab, — womit auf weitem Umweg der Natur etwas geschaffen war, das auch im ganzen da oben im Licht eine glückliche Neuerung und Erweiterung darstellte.
Nun aber sollte es noch etwas sein, auf das ebenfalls bereits de Bary selbst hinweisen konnte. Grüne Einzelalgen sitzen auch auf dem Lande schon in Menge an Bäumen und Felsen allein, brauchen nicht allzuviel Feuchte und fliegen in ihrem eingetrockneten und abgeblätterten Zellenmaterial weit mit dem Winde umher. Ebenso aber fliegen Pilzsporen herum, der alte Kerner hat seinerzeit unübertrefflich geschildert, wie man beider Schwärmerei sozusagen an aufgestellten Leimruten nachweisen kann, — einfach, daß sie also gelegentlich sich immer wieder auch einten und die Flechte erzeugten, wobei gewisse Pilzarten (wie gesagt, bei uns regelmäßig nur Schlauchpilze, in den Tropen aber wohl auch einmal ein Ständerpilz von der entfernten Champignonverwandtschaft) nur recht gediehen, wenn sie mit gewissen schon in altem Erbe prädisponierten Algen so zusammenträfen, während die Algen sich wahlloser gäben, aber in bestimmten Arten schließlich doch auch des Pilzes nicht mehr ganz entbehren möchten. Wo solches zusammenbestimmte Flechtenvolk von heute dann bereits in Kolonien beisammen sitzt, da wird ja durch Abstäuben grade dieser Pilzsporen und Abschilfern dieser Algenzellchen auch der engere Bund immer wieder erleichtert werden. Und doch ist auch das noch nicht das Ganze. Grade der letzteren Hilfe hat sich erst das vollkommenste Symbiosenwunder diesmal angeschlossen. Wo Alge und Pilz sich glücklich in bestimmter Art zusammengefunden haben, wo sie in der Reife der Kraft lange schon genossenschaftlich gewirtschaftet haben: da endlich gelingt es ihnen, ihre Fortpflanzung wirklich zusammenzulegen. Sie bringen sogenannte Soredien hervor. Soredon bedeutet im Griechischen etwas Gehäuftes. Nicht das einfache Häufchen ist aber hier das Bezeichnende, sondern entsprechend der Symbiose das Zusammengehäufte, aus zwei Parteien zu gemeinsamem Zweck Ineinandergehäufte. Aus der Oberfläche[S. 45] der Flechte erwachsen, oft in besonderen Gärtchen, winzige Körperchen, ebenso lösbar und vom Winde verführbar wie der gewöhnliche Pilzstaub oder Algenschorf. Aber diese Soredien sind diesmal nicht bloß Pilz oder Alge. Sie sind schon saatreife junge Neuflechten: Genossenschaftsableger. In jedem sitzt eine gewisse kleine Zellprobe Alge, umsponnen von einem Fadenteil Pilz. Die Flechte, zum Zweiseelenwesen geworden, entsendet ein siamesisches Zwillingspaar. Zwar ist’s auch in der geschicktesten Variante noch keine eigentliche Ei-Verschmelzung, sondern hat stets mehr vom doppelten Ablegerzwilling, aber wer will auf dieser Stufe des Liebeslebens das noch so scharf trennen! Grundlegend ist vom Wesen aller Fortpflanzung aus jedenfalls, daß auch hier schon der Zufall der nachträglichen Begegnung ausgeschaltet wird: die Soredien müssen wieder neue Flechten der betreffenden Art erzeugen, wie nur irgend eine Froschart Frösche, eine Käferart Käfer ihrer Art erzeugt. Und so wäre auch unser kühnstes Phantasiebild hier erfüllt...
Die Entlarvung der Flechte als eines im Kleinleben der Natur gradezu allgegenwärtigen Symbiosefalls war aber kaum erfolgt, als sich an sie eine noch viel umfassendere Entdeckung anschließen sollte. Alge wie Pilz sind an sich Niederformen der Pflanzenreihe, wie sie trotz ihrer Allverbreitung doch auch in unserm Wald- und Gebirgsbilde gleichsam nur eine Deckfarbe bilden. Da aber traten mit Mitte der 80er Jahre abermals deutsche Botaniker (zuerst Frank, nachher auch wieder besonders Stahl) mit der überraschenden Erklärung hervor, daß auch der ganze obere Grundstamm unseres heimischen Vegetationsbildes, der Wald mit all seinen Eichen, Buchen, Birken, Kiefern, Tannen, Fichten und seinem ganzen Strauchwerk an Preiseln, Ginster und so fort bis in den unendlichen Teppich der Heidekräuter hinaus und im Hochgebirge bis in den obersten Ring der Alpenrosen hinauf nichts anderes darstelle als eine einzige unfaßbar ungeheure Symbiose mit einer dämonisch unsichtbaren Unterweltsmacht. Das wunderbare Problem der „Mykorrhiza“ war es, das hier aufdämmerte.
Der Ausdruck, von Frank eingeführt, bedeutet griechisch Pilzwurzel. Das Entscheidende liegt aber auch hier wieder in der symbiontischen Doppelbeziehung Pilz und Wurzel. Bei all diesen landschaftsbestimmenden Holzgewächsen unserer Forste und Heiden treffen die unterirdisch wühlenden feinen Saugwurzeln in der Heide- und[S. 46] Dammerde auf allenthalben dort wucherndes und aus Sporenkeimen immer wieder reichlich nacherzeugtes Tiefengeflecht (sogenanntes Myzel) von Pilzen. Dabei umspinnt dieses Pilzmyzel aber die Wurzeln mehr oder minder dicht, dringt bisweilen bis ins Innere selbst vor oder umkleidet sie doch mit einem so vollkommenen Mantel, daß sie selber, von Wasser und Mineralsalzen abgeschnitten, elend mit ihrem ganzen aufruhenden Walde und Heidekraut vergehen müßten, wenn nicht eben wundersamerweise die Pilze selber einträten, von sich aus den Boden weithin in der findigsten Weise bearbeiteten, durchstöberten, auslaugten und kanalisierten und das Ergebnis ihrer eigenen Bergmannsarbeit den fremden Wurzeln ausgiebig zuführten. Auf den ersten Anblick könnte man versucht sein, hier bloß einen Glückszufall der Natur zu sehen: genötigt, in den allenthalben dick infizierten Pilzboden zu gehen und dem Umsponnenwerden hilflos preisgegeben wie eine Fliege im Netz, kämen die Wurzeln durch irgendeine Durchlässigkeit der strotzenden Pilzfäden grade noch mit einem blauen Auge davon. Die Sache liegt aber auch diesmal entschieden tiefer und läuft auf die kolossalste Symbiose der Natur hinaus. Alle jene Wurzeln verkümmern heute ohne Pilz. Deswegen kann man Eriken, Azaleen, junge Tannen und Lärchen, wie jedem Gärtner bekannt, nicht in reiner Gartenerde, die keine Wald- oder Heidepilze enthält, ziehen. Der Pilz ersetzt offenbar der Wurzel nicht bloß, was er ihr nimmt, sondern er hat von je selbständig zugegeben und die Pflanze hat sich gewöhnt, ihn als unentbehrlich zu betrachten. Der einleuchtendsten Erklärung nach handelt es sich bei all diesen Bäumen und Sträuchern um von Natur mäßige Wassersauger, die aus eigener Kraft auf schlechtem Boden oder bei starker Konkurrenz stets versagt hätten, der Pilz aber pumpt ihnen erst die volle Bodennutzung zu. Erst durch ihn, den geschickten Gnomen der Tiefe, ballt sich der schöne Wald da oben auf, prangt die Heide in ihrem Purpur, wirft sich die Matte in Alpenrosenglut. Warum aber leistet er der fremden Wurzel, die in gewissem Sinn auch seine Konkurrentin ist, diesen Dienst? Nun eben, weil auch hier Symbiose mit Gegengeschenk wirkt, eine ganz ähnliche wie in der Flechte, — ob nun dort nur ein paar grüne Algenzellen auf dem Pilz ruhen oder hier ein ganzer tausendjähriger Eichbaum: der Pilz kann selber aus den Elementarstoffen wieder keine Nährsubstanz kochen, denn ihm fehlt das grüne Pflanzenblatt oben im Licht. Baum und Heidekraut aber vermögen es,[S. 47] und was sie oben so fabriziert, dessen strömt der Überschuß jetzt unten aus der Wurzel wieder dem offen angeschlossenen Pilz selber zu. Und so waltet auch hier der große Vertrag: er reichert die Küche von unten an und teilt dafür den fertigen Mittagstisch.
Wenige, die durch den würzigen Buchen- und Tannenduft wandern, mögen ahnen, was für dunkle Wege die Natur erst hat abschreiten müssen, um diesen lichten Naturzauber zu ermöglichen. Man denke sich aber Wald und Heide auch nur aus unserm deutschen Heimatbild fort und man begreift, daß Symbiose kein verlorener Einzelfall und auch nicht bloß eine Gebietserweiterung ist: sie ist eine Grunderscheinung des irdischen Lebens, an seinem Kern und Herzen allerorten in Kraft. Wobei es einen hübschen Einklang noch geben mag, daß man Mykorrhizabildung (die grade auch unserm lebenden Bärlapp nicht fremd ist) bereits an den urweltlichen Wäldern der Steinkohlenzeit nachgewiesen haben will. Während man zugleich auch hier wieder im Sinne des oben angeschlagenen Gedankens den Pilz ahnt, der sich aus seinem Tartarus erneut zum Licht gefunden; diesmal hat er es, ohne den Tiefengrund selber zu verlassen, aber gerade so doch erst in der allerwirksamsten Weise, die uns statt des Bildes vom verlorenen Sohn fast den Satz wagen läßt, daß durch seine Existenz das Pflanzenwesen als Ganzes gleichsam in zwei vollkommene Anpassungsformen auseinandergespalten sei: die eine nach oben für das Licht und die andere ebenso denkbar gut für die Unterwelt — und daß die Symbiose das dann wieder zu einem ergänzenden Überorganismus zusammengeschmiedet hat, mit Meile um Meile Wald und Heide als Lichtorgan und entsprechend mitlaufendem Pilzgeflecht als der wahren Wurzel dazu.
Hinsichtlich der Fortpflanzung ergreift die Mykorrhiza zwar sogleich die ersten Seitenwürzelchen des höheren Pflanzenkeims, geht aber im Walde für gewöhnlich noch nicht an den Samen selbst, ein so enger Anschluß war hier wohl nicht nötig, da ja jeder Waldhumus von Pilzen ohnehin wimmelt und auf die engere Art diesmal noch weniger anzukommen scheint; immerhin bemerkt man z. B. bei den auch hier anschließenden Orchideen bereits eine Pilzinfizierung des Samenkorns im Boden als notwendige Voraussetzung, wenn es überhaupt keimen soll, der Weg lag also auch klar offen. Auf der andern Seite kommen natürlich bei so riesiger Ausdehnung dieser Symbiose (sie macht auch mit unserer gemäßigten Zone nicht halt)[S. 48] auch wieder kleine Schwankungen vor, wo das durchweg friedliche Verhältnis einmal etwas stärker von seiten der Wurzel oder des Pilzes in ausbeutenden Übergriff umschlägt: man muß eben immer bedenken, daß der Frieden dem Kampf ursprünglich abgelistet war und den alten Pferdefuß noch nicht völlig verleugnet. Auch bestehen über die Einzelheiten, was besonders der Pilz der Wurzel an Stoffen liefert, noch mancherlei Meinungsverschiedenheiten der Forscher, aus denen sich doch, soviel ich sehe, die hier vorgetragene Form als die allgemeinste ergibt, ohne daß es für unsern Zweck hier eines engern Eingehens auf diese mehr pflanzenphysiologische Seite der Sache bedürfte. Aber im ganzen ragt auch hier das Beispiel, das an Größe nicht mehr zu überbieten ist. Und ihm schließt sich sofort noch ein zweites an, das, nicht ebenso universal für den Naturhaushalt, doch im Menschenhaushalt Epoche gemacht hat, seit man auch seinen Berg mit dem Sesam der Symbiose zu öffnen verstand.
Die vollkommene Pflanze braucht zu ihrer Lebensküche außer der Luftkohlensäure und anderem stets auch Stickstoff als Material. Aber obwohl sie im ungeheuren Stickstoffmeer unsrer Luft beständig schwimmt, kann sie doch dieser Luft selber keinen Stickstoff zur Eiweißbereitung entnehmen, muß ihn vielmehr mit der Wurzel aus den gelösten Salzen des Bodens ziehen. Rätselvoll ist diese Lücke ihres Haushalts, auf einen Urzusammenhang im Baum des Lebens schauen wir hier, den unser Blick heute nicht durchdringt. Auf ihm aber beruht umgekehrt wieder unsere menschliche Kunst des Düngens. Auf Boden, arm oder schon ausgelaugt an jenen Salzen, fügen wir (nach dieser Seite dem ursprünglichen Baume des Lebens immer mehr überlegen) künstlich neuen Stickstoffgehalt zu und mehren so selbsttätig der auch uns wertvollen Pflanze Kraft. Aber eben in diesen Dingen zeigte sich seit alters auch ein neues Geheimnis. Gewisse Pflanzen (Leguminosen) kamen auch mit stickstoffärmstem Boden aus, und dennoch speicherten sie in sich fortwachsend Stickstoff an. Wenn man sie grün wieder einpflügte, war der vorher sterile Boden von ihnen selbst wie gedüngt. Hier beruhte die Bedeutung der Lupine, die den schlechtesten Boden für Korn reif machte, wenn man sie vorher pflanzte und dann eindüngte. Konnte diese Lupine also doch auch Luftstickstoff verwerten? Nein, keine grüne Pflanze kann’s, und des Rätsels Lösung bleibt abermals eine wundervolle Symbiose. Es gibt auch in solchem schlechten Acker gewisse winzige Wesen, zu den Bakte[S. 49]rien gehörig. Meist nennt man solche Bakterien Spaltpilze, aber eigentlich stehen sie noch ihr Stück auch unter dem echten Pilz als ganz einfache Urwesen. Schon von solchem echten Pilz selbst ist nun gelegentlich bei der Mykorrhizafrage vermutet worden, er sei ein heimlicher Luftstickstoff-Fänger in seinem Tartarus, doch bleibt das einstweilen problematisch. Die hier gemeinten Bakterien, noch ein Stück elementarer als er, können aber wirklich, was die Pflanze auch als Leguminose nicht vermag: sie können bei bestimmter eigener Kraftfütterung aus der auch da unten noch verbreiteten Erdluft wirklich unmittelbar Stickstoff umsetzen. Und solche Stickstoffbakterien sind nun abermals mit den Wurzeln jener Leguminosen in Symbiose getreten in einer etwas zum Zweck abgeänderten Mykorrhizaform, indem sie kolonienweise dort eindringen, die Wurzeln ähnlich den bekannten, die Blätter oben anstechenden Gallwespen zu kleinen knöllchenartigen Wucherungen bringen (Abb. 13), in denen sie sich nun häuslich einrichten, Wohnung und Wochenstube finden und einen höchst erstaunlichen Kost- und Fabrikbetrieb mit der Pflanze eingehen. Die grüne Pflanze kocht ihnen, was sie bei all ihrer noch weiteren Alchymistenkunst doch auch nicht können, Lebenssuppe und leitet sie ihnen von oben zu. Sie aber gewinnen eben davon in ihren Nestchen jenes Mehr an Energie, um nun Luftstickstoffabriken herzustellen, die sie wieder der Pflanze nutzbar machen. So kann die Pflanze wunderbar gedeihen wie im nicht endenden Mistbeet, und wenn sie selber in den Grund von uns eingebuttert wird, versteht man, daß sie den Boden[S. 50] neu aufbessern muß, als sei sie selber ein konzentrierter Stickstoffdünger: daher das Wunder der Lupine.
Auch in diesem Fall ist unsere Weisheit jung, so gut auch schon die Antike die Praxis der Lupine kannte, kaum daß auch sie über das Ende der 80er Jahre zurückgeht; und auch hier laufen noch die Theorien mit manchem Wenn und Aber, auch sollen wieder kleine parasitische Züge, vielleicht doch nur unnormal, nebenher eingehen. Umgekehrt wächst aber der anfangs kleine Umkreis auch dieser Dinge schon ersichtlich weiter, schon kennt man von unsern Erlen ähnliche Stickstoffsammelknöllchen, und wer weiß, wie sich die echte Mykorrhiza gar noch mit diesen Bakterienfabriken eines Tages kombiniert erweisen könnte, — so reißt die symbiontische Betrachtung jedenfalls auch hier wieder etwas wie ein Tor auf, indem sie zugleich ein uraltes Saisbild der Landwirtschaft entschleiert und damit dem Menschen als dem großen entscheidenden Landwirt im Naturhaushalt dieser Erde bedeutsam wird. Hat man doch neuerdings mit einigem Erfolg sogar schon versucht, die Leguminosen künstlich noch wieder aufzubessern, indem man ihren Boden mit in Reinkultur gezüchteten Stickstoffbakterien impfte: wieder ein Übergang zu neuer Dreisymbiose, wo der Mensch zu Pflanze und Spaltpilz tritt oder in dem Lupinenfall gar einer vierfachen, in der erst das spätere Korn dem Menschen wieder den Einsatz zurückbringt. Worein sich freilich hier schon eine Leitkraft seitens des überlegensten Wesens mischt, die wir erst gleich näher zu beachten haben werden.
Inzwischen ist bei den letzten Beispielen zunächst noch charakteristisch und neu, daß die echte grüne Pflanze darin vergesellschaftet erscheint mit solchen Grenzwesen, wie Pilzen oder gar Spaltpilzen, die selber (sei es nachträglich oder ursprünglich) ganz unpflanzliche, im echten Pilzfall der Haupternährung nach gradezu eher tierische Natur besitzen. Kein großer Schritt also von hier zur Möglichkeit einer Symbiose unmittelbar zwischen Pflanze und Tier.
Es war nun wieder in den 50er und im Anfang der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts, daß eine überaus merkwürdige Gruppe kleiner meerbewohnender Tierchen in der Zoologie Aufsehen zu machen begann: die seither vielbesagten sogenannten Strahltierchen oder Radiolarien. Der alte treffliche Berliner Infusorienforscher Ehrenberg hatte aus den Abgründen der Tiefsee dort im Schlamm gelagerte, gradezu künstlerisch schöne Kieselskelette beschrieben, und Huxley,[S. 51] Johannes Müller und Haeckel hatten die zugehörigen, durchweg mikroskopisch winzigen Geschöpfchen selbst gefunden. Nun tobte aber Streit, wo diese niedlichen Radiolarien im System hingehörten. Ehrenberg hielt sie für hochentwickelte Stachelhäuter, Verwandte also jener Seegurken, die ihren verwickelten Bau bloß in liliputanischer Winzigkeit verstecken sollten. Huxley dagegen nahm sie als primitive einzellige Urtierchen vom Schlage der Rhizopoden oder Wurzelfüßer. Dem glaubte aber ihr erster Monograph großen Stils, der junge Haeckel, widersprechen zu müssen, indem er zwar nicht die urtümliche Rhizopodennatur im ganzen, wohl aber den Aufbau aus nur einer Zelle bestritt, da sich doch an eine Hauptzelle in deren äußerem Gallertmantel durchweg noch eine Anzahl anderer anschlössen. Die Grundfrage schien damit geklärt, und die Radiolarien paradierten zunächst nur durch ihre besagte kristallhaft regelmäßige Gestalt, zu der allmählich die großen Tiefsee-Expeditionen Tausende von immer prächtigeren Varianten liefern sollten. Da aber brachte 1871 der russische Botaniker Cienkowski auch jene anatomische Sache neu in Fluß durch die überraschende Behauptung, jedes Radiolar sei dennoch nur ein Tier aus einer einzigen Zelle, denn jene gelben Zusatzzellen in ihm seien in Wahrheit einzellige Algen, also Pflänzchen, die nur als fremde Eindringlinge in dem tierischen Radiolar lebten, gleichsam die beiden großen Naturreiche lebendig vermischend auf denkbar engstem Raum; denn solches Radiolar maß durchweg nur einen Millimeterbruchteil, während oft mehrere hundert solcher strittigen Zellen in seinem Leibe eingeschachtelt steckten. Die Behauptung machte als überkühn zunächst lachen, erwies sich dann aber besonders durch Brandts Bemühungen als wahr. Es gibt ja schließlich chemische Feinmethoden, eine Pflanzenzelle von einer Tierzelle in ihrer Lebensäußerung zu unterscheiden. Nicht nur, daß sie meist einen Mantel von Zellulose, also pflanzlichem Holzstoff, führt (solche Zellulose können sehr ausnahmsweise auch einmal Tiere wie die bekannten, den Wirbeltieren nahen Manteltiere, die Aszidien und Verwandten, entwickeln), sondern sie scheidet vor allem als Regel wenigstens im Tageslicht bei ihrer Arbeit Sauerstoff aus als Abfall ihrer Kohlenstoffabrik, während die Tierzelle atmend fortwährend nur Kohlensäure haucht, und diesen „Schornstein“ ihres gegensätzlichen Maschinenbetriebes behaupten solche Liliputer auch mitten im engsten Ineinanderstecken, wenn man die Dinge nachprüfend auf die Goldwage[S. 52] legt. Kaum aber war diese eigenartige und in ihrer Weise epochemachende Entdeckung getan, so schloß sich auch an sie bereits wieder eine umfassendere an.
Jene besagte merkwürdige Elementarküche der echten Pflanzen vom winzigsten einzelligen Algenpflänzchen bis zu einem ganzen grünen Walde zeigt sich bekanntlich geknüpft an jenen erwähnten Stoff, den man Chlorophyll nennt und der sich äußerlich bei den Pflanzenblättern durch die auffällig grüne Farbe auszuzeichnen pflegt; sie ist hier wirklich mehr oder minder die Farbe des typischen chemischen Pflanzenkochtopfs, wobei wir die bis heute noch ungelösten Geheimnisse dieses Chlorophylls als eine rein pflanzenphysiologische Frage wieder beiseite lassen können. Genug, man kannte aber schon längst da doch auch einzelne Tiere, die ebenfalls unverkennbar intensiv pflanzengrün waren und diese Blattfarbe allem Anschein nach wirklich auch solcher Chlorophylleinlage in ihrem Tierleibe verdankten, — so war, wenn auch nicht unser rein farblich grüner Laubfrosch, doch unser ebenfalls sehr allbekannter kleiner grüner Süßwasserpolyp, die Hydra viridis (ein auch sonst von je die Beobachtung durch sein enormes Wiederherstellungsvermögen beim Zerschneiden, sowie als unmittelbarer Seerosen-Vetter unserer Binnenwasser fesselnder kleiner Kerl), ein sinnfälligstes Beispiel dieser Art. Bisher hatte man sich damit abgefunden, daß hier also auch ein Tier gelegentlich Chlorophyll erzeugen könnte, — seltsam nur, daß diese so ganz unsäglich wichtige Gabe, die solchem Tier ja zugleich alle Urkraft der Pflanze verlieh (mit solcher Kraft würden wir Menschen heute von Luft und mineralhaltigem Wasser leben können, eine hübsche Lösung der sozialen Frage!), so launisch bloß über ein paar Arten (eine zweite Art z. B. schon dieser Hydra besaß sie nicht) verteilt sein sollte. Hier aber fiel es nun beim Aufrollen der Radiolariensache auf einmal wie Schuppen von den Augen: ob nicht alle diese vermeintlichen „Chlorophylltiere“ tatsächlich auch auf solche mit einem Tier lebend kombinierten Pflanzeneinlagen hinauslaufen könnten? Die grüne Farbe brauchte dabei, nebenher bemerkt, nicht allein ausschlaggebend zu sein, denn jene Radiolarienalgen waren selber gelb, und das Chlorophyll kann an und für sich auch eine etwas andere Färbung gelegentlich annehmen, ohne zu verlieren, was es ist.
Und wirklich gelang es gleich den Brüdern Oskar und Richard Hertwig 1879, einen solchen Fall teils gelber, teils grüner Chloro[S. 53]phylleinschlüsse in der Darmschicht jetzt einmal wieder unserer mehrerwähnten guten Seerosen mit Glück aufs Korn zu nehmen, — wobei sich klipp und klar herausstellte, daß auch hier tief in den Bauchzellen des Seerosentiers eine ganze dicke Vegetation bestand, ein wahrer kleiner unterirdischer und nur im Farbton grünlich oder braungelb durchscheinender Wald von echten Algen, die alle ihre Schornsteine mitten im Tierhaushalt ruhig nach Weise ihrer Pflanzenfabrik weiter rauchen ließen. Brandt konnte (nachdem hier schon der ungarische Zoolog Géza Entz sogar vor den Hertwigs erfolgreich vorgearbeitet hatte) bereits 1881 das gleiche vom Hydrapolypen nachweisen, der selber eben auch nur so salatgrün war, weil auch in ihm, etwas bildlich gesprochen, wirklich Salat in ganzen Feldern grünte. Und in der Folge ist dann diese innere Salatversetzung noch bei den verschiedensten Grüntieren festgestellt worden: von selbst noch radiolarienhaft einzelligen grünen Amöben bis zu den schönsten Polypen der Korallenbänke und wieder dem Strudelwurm Convoluta, bei dem die Pflänzchen sogar ohne Zellulosemäntelchen unmittelbar nackt in den tierischen Nacktzellen der Haut zu stecken scheinen. Von gewissen grünen Seerosen hat Weismann erzählt, daß er sie gelegentlich an der Küste von Korsika gradezu für eine Seegraswiese gehalten habe, so täuschend hatten sie sich mit ihren eigenen Salatbeeten maskiert. Oskar Hertwig in seinem berühmten Symbiosenvortrag von 1883 aber gab nun auch diesem Komplex unwahrscheinlicher und doch wahrer Erscheinungen wieder die Tiefe, indem er sie als einen weiteren Fall seiner Symbiose selbst proklamierte. Die grünen Schmuggelpflänzchen lebten mit den betreffenden Tieren abermals im Schutz- und Trutzbündnis auf Gegenseitigkeit. Sie wurden von dem Tier, auch wo sie, wie bei der Hydra und den Seerosen, in den hier innerlich verdauenden Magenzellen saßen, selber nie oder doch in der Regel nicht (Hungersnöte sollen einzelne Ausnahmen schaffen) mitverdaut im Sinne wirklich verschluckten Salats, fanden vielmehr hier das üppigste Treibhaus, ja vielleicht eine Art Mistbeet. Ihre pflanzliche Küche, die tagsüber Sauerstoff rauchte (nachts wirft die jetzt rein atmende, nicht kochende Pflanze auch Kohlensäure aus wie das Tier selbst), paffte diesen Sauerstoff als erquickende Atemluft unmittelbar in das umschließende Tierhaus hinein, dieses Tier aber, aus dem immer nur Kohlensäure raucht, warf wieder solche als vorzüglichen Brennruß ständig in die kleinen Pflanzenküchen zurück.[S. 54] Auf engstem Raum konzentriert wirksam erwies sich hier etwas, das eigentlich schon im ganzen freien Tier- und Pflanzenleben auf Erden eine gewisse an Symbiose immerhin anklingende Rolle spielt. Ich habe oben einmal gesagt, das Tier sei im großen Freßkampf eine Art urbestimmten Schmarotzers an der Pflanze gewesen. Das ist vom echten Magenfreßkampf aus auch richtig, trifft aber doch nicht so die merkwürdige ständige Luftausgleichung der beiden, die ebenso von je etwas friedlich Ergänzendes besessen hat: wenn nämlich die kochenden grünen Pflanzen eben immerzu auch im Ganzen Sauerstoff rauchen, der von den atmenden Tieren gebraucht wird, und die Tiere dafür die dort erwünschte Koch-Kohlensäure. Nennen könnte man auch das schon eine große Ursymbiose der ganzen beiden Reiche, doch müßte man dann auch den ganzen Kreislauf des Stoffs heranziehen: wie das Leben der Pflanze am eigenen und des Tieres Abfall und Tod, an Verwesung, Fäulnisbakterien, Neubefreiung von Nährsalzen hängt und das Tier wieder daran durch die Pflanze, — womit aber der echte Symbiosebegriff sich ins Uferlose des ganzen physiologischen Lebensprozesses verflüchtigte, so daß man das im engeren Zweck des einheitlichen Bildes lieber wieder liegen läßt. Jedenfalls aber mußte bei solchem engsten Zusammendrängen von ganzen Gewächshäusern in Tierleibern auch dieser Gasaustausch eine nicht unwesentliche Rolle des do ut des spielen. Darüber hinaus ist dann, wenn nicht ganz einstimmig, so doch seither immer entschiedener, behauptet worden, daß Alge und Tier sich auch noch gegenseitig im Freßsinne richtig fütterten. Die Alge soll der Seerose Überschüsse an Zucker und Stärke abgeben, wie sie ihre Küche schafft, und dafür von drüben allerlei Abhub, auf dem sie gleichsam wie im Mistbeet sitzt, erhalten, — und gewiß ist, daß die Alge unter dem tierischen Glasdach Schutz hat, zumal wenn wieder ein Polyp (auch die kleine Hydra ist darin ein richtiger) sein Brennschwert besser als Vogelscheuchen und Stacheldraht über ihren Beeten schwingt. Bei den Einzelheiten muß die Debatte da naturgemäß wieder auseinandergehen, ist es doch nicht immer ganz leicht, auch mit den feinsten Experimenten so etwas zu erweisen (z. B. also, ob ein Hydrapolyp ohne Algen etwas an Kost vermißt), wenn die Ernährungstheorie solcher Wassertiere im ganzen noch so schwankt; nach einer viel besprochenen Theorie Pütters enthält jedes beliebige Teich- und Ozeanwasser nämlich allgemein schon so viel abgelösten Pflanzenzucker, daß seine Tiere sämtlich nahezu[S. 55] davon allein leben könnten, eine Ansicht, die allerdings wieder von andern heftig befehdet wird, aber doch zur ernsten Debatte steht. Und auf alle Fälle hat das Tier mit dem grünen Salat im Leibe, der durchschimmernd seine eigene Farbe bestimmt, auch noch einen eigenen äußeren Deckvorteil: es verschwimmt im Pflanzenwald da unten selber wie ein grünes Kräutlein nach dem Prinzip der Mimikry.
Das Verblüffendste aber an dem Ganzen ist auch jetzt wieder das Eindringen der Symbiose in die Fortpflanzung. Bei dem Süßwasserpolypen ist sie in unzweideutiger Weise beobachtet worden, und sie geht tatsächlich jetzt noch ein Stück über den Flechtenfall hinaus. Man nennt diese symbiontisch grünfärbenden Tieralgen hier Zoochlorellen (im Gegensatz zu den gelbfärbenden Zooxanthellen) und sieht nun die Zoochlorellen im Mikroskop gewöhnlich in Massen der inneren Hydrawand als kleine Grünkörnchen eingelagert. Sobald sich aber in dem Außenteil der durch eine Stützlamelle wie durch eine verschlossene Tür gesonderten Doppelwand des Polypen ein Ei dieses Polypen bildet, durchbohrt ein Teil der Algenkörnchen die Tür und steigt drüben in das Ei selbst ein, dem so schon auf seine spätere befruchtete Ablösung hin die nötige Dosis Algensaat für den aus ihm entstehenden Neupolypen gleich mitgegeben wird, — etwa wie wenn im Hühnerei bereits ein Salatblatt mitginge, das dem werdenden Hühnchen dort sofort in den Bauch mit einwüchse. Da die Süßwasserpolypen schon richtige Geschlechtszeugung (neben Knospung) besitzen, also auch Mannessamen zu ihren Eiern produzieren, wäre unschwer zu denken, daß auch in ihn die Algen vorsorgend einkröchen, und wenn es nicht geschieht, so liegt es, abgesehen von der Winzigkeit jetzt solcher Samenzellen, wohl wesentlich an der Überflüssigkeit, da jede Samenzelle ja doch erst noch zu einer Eizelle hinmuß; man könnte sich aber auch mit ebensolcher Leichtigkeit nach Analogie anderer Romane des Liebeslebens vorstellen, daß, wenn die Algen zu ihrer Fortexistenz geschlechtliche Zeugung nötig hätten, auch das auf diesem Wege der Doppelbestiftung der zueinander eilenden Samen- und Eizellen des Polypen mit Mannes- und Weibesalgen, deren Akt mit jenem dort zusammenfiele, zu machen gewesen wäre. Das einfache Einkriechen in die Eizelle kommt übrigens auch in Medusenpolypen im Meer vor, während bei jenem Wurm Convoluta die ganz junge Larve zuerst ihr Beetchen überpflanzt bekommt.
Wie vorher, so schließt sich auch um diese Tieralgen wieder ein[S. 56] engerer Kreis verwandter Erscheinungen, an denen vor allem die weite Verbreitung auch dieser Symbiosenform erhellt. Nimmt man statt der Algen wieder echte Pilze oder gar bakterische Spaltpilze, so leben sowohl Hefepilze wie echte Spaltpilze in vielen Insekten, z. B. Hefepilze regelmäßig in den Zikaden und Wanzen. Auch sie besetzen bereits das Ei des Insekts und hausen in der Larve wie dem fertigen Tier, daß man unwillkürlich an jene schlimmen Schlupfwespen erinnert wird, tun aber dem Wirt durchaus kein Leid, leben vielmehr gewohnheitstreu in jedem Exemplar, zur Art dort mit besonders angepaßter eigener Art gesellt: kurz auch hier kaum ein Zweifel, daß man vor einer alt eingefahrenen Symbiose steht. Bakterien aber, der Gabe teilhaftig, Pflanzenzellulose selber aufzulösen und in Nährstoffe umzuwandeln, erfüllen in viel weiterem Maße die Vormägen und langen Blinddärme pflanzenfressender Säugetiere, vor allem der Wiederkäuer, wo auch sie ihrem Herbergsvater keineswegs bandwurmhaft fertige Nahrung fortfressen, sondern grade umgekehrt die eigene vorverdauen, eine Sache, die, erst neuerlich erkannt, abermals bereits der Symbiose verdächtig ist, die in diesem Falle für zahllose große Säugetiere mindestens so wichtig und unentbehrlich wäre wie die Mykorrhiza für unsern Wald. Es ist sicherlich noch nicht aller Tage Abend mit den Entdeckungen an dieser Ecke. Nimmt man den Algenkreis umgekehrt um ein geringes höher, so ziehen sich Algenfäden vielfach durch Schwämme, z. B. unsern Süßwasserschwamm, in einer Weise, die ganz und gar an das symbiontische Gewebe in der Flechte, bloß hier nicht von Alge mit Pilz, sondern mit echtem Tier auf nicht ganz Polypenhöhe, erinnert. Ganze Algengarben tragen laut Kammerer auf ihrer Außenfläche nicht nur jene schon einmal erwähnten Krebse, sondern besonders auch die räuberischen Libellenlarven unsrer Binnengewässer mit sich herum, die, bei Häutungen sorgsam gerettet, als »wandelnder Wald« beim Berücken armer Opfer vermummen sollen, während der echte Pflanzengarten hier wieder den Transportvorteil des Pflanzentiers im Polypenbeispiel genieße. Ja hoch im brasilianischen Urwald trägt das Faultier, also ein Säugetier, vor seinem Blätterdickicht ein solches grünes Mimikrykleid aus Algen (je einer besonderen Trichophilus- und Cyanoderma-Art bei jeder seiner beiden Gattungen), die sein struppiges, verkehrt gescheiteltes Haar durchspinnen wie jene den Bauch des Hydrapolypen; nimmt man den baumfrohen Gesellen aus der Heißfeuchte seines[S. 57] Tropenwaldes so stirbt die Vegetation im Pelze ab, und er wird mißfarbig graubraun, in der Heimat aber hat ihm die Alge über das symbiontische Schutzverhältnis hinaus gar die Motten in den Pelz gezogen, den Faultierschmetterling Bradypodicola, einen Zünsler, dessen Räupchen dort wieder selber parasitisch die Algenwiese abweiden. Seit vielen Jahren hinter Symbioseerscheinungen her, gestehe ich doch, daß mir grade dieses Beispiel, als es mir zuerst in der Fachliteratur aufstieß, am meisten Spaß gemacht hat, wie es denn in den äußern Umständen bis heute vielleicht das paradoxeste von allen ist.
Mit den bisher geschilderten Erscheinungen ist der Kreis dessen ungefähr abgeschritten, was man enger Symbiose nennt. Ein paar kleine Beispiele sind als unsicher oder unwesentlich übergangen, geben jedenfalls nichts Änderndes mehr hinzu. Dagegen ist jetzt noch eine Linie zu verfolgen, die, bei der ersten Begründung ebenfalls schon eingeschlagen, doch unverkennbar eine Sonderrichtung bewahrt, wenn auch eine für sich wieder ungemein lehrreiche, da sie unmittelbar auch zur Anwendung des Prinzips auf den Menschen führt.
Ich habe erwähnt, daß die Teilnehmer einer solchen echten Symbiose eine Neigung zeigen, wieder in Organe eines neuen Gesamtkörpers überzugehen, und wir sahen das gesteigert bis zur systematischen Unkenntlichkeit, ja zum Zusammenschluß der Fortpflanzung. Aber eben in dieser körperlichen Organbildung selbst gewahren wir mit ansteigender Lebensentwicklung eine bedeutsame Neuerung: über die andern Organe erhebt sich auf der tierischen Seite noch einmal besonders das Gehirn, das den Rest als überlegen meistert und lenkt, sei es schon mit Intelligenz, sei es (entscheidend noch beim Tier unterhalb des Menschen) mit verwickelten Instinkten. Auch dazu aber finden wir nun Analogie in den symbiontischen Verhältnissen, ja sie tritt ein im unmittelbaren Abglanz von dort. Höher entwickelte, weiter vorgeschrittene Lebewesen verbinden sich mit niederen, und es kann nicht ausbleiben, daß auch hier das höhere eine überragende Stellung gewinnt. Sie bleiben zwar friedlich, fallen nicht wieder in den rohen Zerstörungskampf, aber die obere Partei greift selbsttätig bei der niederen ein, modelt sie am lebendigen Leibe stärker für den Zweck, regelt ihre Überschüsse noch erwünschter; die andere braucht dabei keineswegs schlecht zu fahren, sie bleibt auch der ersten unersetzlich, aber die Balanze verschiebt sich geistig nach einer einseitigen[S. 58] Hauptleitung: das eine Wesen wird tatsächlich zum Gehirn des andern. Schon in dem Polypenbeispiel war der Polyp ersichtlich geringwertiger als Krebs oder Fisch. Zuletzt aber haben wir die Pflanze, die Alge, im Tier getroffen, und hier berühren sich unverkennbar bedeutendste Höhengegensätze. Aller vollkommenen Gleichmacherei in der Natur tritt, wenn jetzt nicht der Individualismus, so die Ungleichartigkeit der Stammbaumentwicklung entgegen, die hier zurückbleiben ließ, dort gesteigert hat. Und man versteht, daß sich das nur immer mehr verstärken mußte, je entschiedener überlegene Tiere in den Bund eintraten, und daß hier zuletzt eine Symbiosenform auftaucht, die innerlich noch wieder zu etwas Drittem verschoben wird, das weder Kampf, noch reine Symbiose ist, sondern vielleicht ein neues, dem geistigen Umgriffenwerden durch die eine Partei entsprechendes Wort verdiente. Ohne zunächst auf die Wortsuche zu gehen, betrachten wir auch hier ein paar Beispiele, vielleicht daß sich das Wort dabei von selbst gibt.
Bei de Barys Symbiosenbegründung hatte, wie erzählt, die Entdeckung des weiland Spandauer Rektors über die Blütenbefruchtung durch Insekten sogleich eine Rolle gespielt. Sprengel hatte diese merkwürdige Hilfe schon bei ungefähr 500 Pflanzarten nachweisen können, später leider durch Amtsentsetzung (wegen einiger beim Botanisieren versäumten Sonntagspredigten!) am Verfolg seiner Studien behindert, und die Wahrheit war dann langsam, aber glänzend durchgedrungen, daß auch hier ein entschiedenes Wechselverhältnis auf do ut des vorliege. Die Blüte gibt freiwilligen Überschuß: eiweißhaltigen Pollen und ein Kohlenhydrat (Honig) her, und die Fliege oder Biene oder der Schmetterling übertragen bei Gelegenheit des Tischbesuchs, von Blüte zu Blüte gleicher Art gehend, den Staub auf fremde Griffel zu Kreuzbestäubung, die zur Verminderung der Inzucht im Liebesleben der Pflanzen not tat; die Grunddinge stehen heute in jedem Schulbuch und erübrigen sich für uns hier. Pflanze und Insekt leben, d. h. wohnen allerdings hier in der Regel nicht beisammen, sondern das Insekt besucht die Pflanze nur, aber das läuft für den Symbiosebegriff, wie gesagt, doch nur auf einen Wortstreit. Geschichtlich können wir diesmal den Finger fast noch genau auf den Zeitpunkt legen, in dem die Verbindung begonnen haben muß: erst in der Kreidezeit waren die höheren Blütenpflanzen (Gipfel des ganzen Pflanzenstammbaums) und höchsten Insekten da, und zwar sind beide[S. 59] damals offensichtlich schon in aufeinander gestimmter symbiontischer Doppelanpassung entstanden. Und der Weg dazu ist auch noch recht deutlich. Im Mittelpunkt stand wieder wie bei Krebs und Seerose das alte Bewegungsproblem. Die Landpflanze auch in ihrer Höchstform wurzelte, das Insekt dagegen war (das Wie ist in meinem Kosmosbändchen „Stammbaum der Insekten“ erzählt) als Flieger ein erstklassiger Ortswechsler geworden. Die seßhafte Pflanze war, um ihren Blütenstaub wenigstens fremd zu vertreiben, lange genötigt gewesen, unermeßliche Pollenmassen zu verschwenden, die der Wind auf gut Glück entführte, damit ein paar Stäubchen drüben landeten. Im Grunde ja eine seltsame Sorte Überschuß, da jedes Pollenkörnchen doch ein echtes Stück Leben, eine halbe Individualität darstellt, aber das Liebesleben kennt in dem Punkt von je keine Rücksicht, man denke nur an die wahnsinnige Verschwendung unsrer menschlichen Samenzellen, deren 200 Millionen in jedem Erguß mitgehen. Da aber zeigte sich nun, daß, wenn die Insekten ein Teil Pollen abfraßen und dabei die Blüten wechselten, der Rest angeklebt an ihren Körper weit sicherer ans Ziel kam. Und so wurde der Pollen unmittelbar in Insektenbrot verwandelt und die Blüte in einen offenen Bäcker- oder Konditorladen mit allen Lockmitteln des Gratisbetriebs, wobei immerhin ein großer Nebenversuch fast gelang, wirklich doch auch das lebendige Pollenbrot, in dem immer Leben zerstört wurde, durch reinen Abfallzucker (Honig) zu ersetzen.
Man kennt den Riesenapparat, den die Naturzüchtung hier an der Pflanze herausgearbeitet hat: Pollenläden mit weithin leuchtenden Farbenschildern (erst hier ist die Pracht unserer Blumenwiesen entstanden, wieder ein riesiger landschaftsbildender Faktor aus Macht der Symbiose!), weit offene Honigtöpfe, endlich kunstvoll langhalsige Honigflaschen, wunderbarer Duft, besondere Wegzeichen (Saftmale) wie eine Art Schrift, — alles doch zugleich im Zweck des möglichst ausgiebigen Bepulverns und Beklebens mit Mitnehmesamen; dieser Samenstaub selber dem Insekt durch harmlose Schlagwerke und Explosionen beim Betreten der Konditorei übergestreut, — der Honig (wie bei den Orchideen) in besondern Schränkchen mit einer Bank davor aufbewahrt — nimmt das Insekt Platz und steckt das lüsterne Köpfchen in den Schrank, so kleben sich ihm dort zwei Samenklumpen wie Hörner vor die Stirn, die sich dann selbsttätig auf seinem Weiterflug so einkrümmen, daß sie genau ins[S. 60] nächste Schränkchen mit eingehen und dort befruchten. Die Kunststücke können noch viel weiter gehen bei weniger feinen Insekten, es braucht auch kein uns angenehmer Duft dabei mitzuspielen: im Aronstab (um nur noch ein Beispiel flüchtig zu streifen) stinkt die Blüte nach Klosett, lockt grade damit Fliegen, die dann durch eigene Heizung der Pflanze zunächst in die warme Backstube gelockt werden, worauf sich aber hinter ihnen eine Fischreuse schließt und sie tagelang bei Proviant eingesperrt hält, bis sie den Samen gründlich abgeladen oder neuen angeschmiert bekommen haben, — kleine Zwangslisten, die doch das Einvernehmen nicht stören können. Demgegenüber nun das Insekt mit seinen entsprechenden körperlichen Einbauten zum Proviantzweck: ungeheure Saugrüssel der Schmetterlinge, je enger der Honigkelch, desto länger, bis 25 cm einer Madagaskarart, zu der man erst den Orchideensporn so tief fand, bis man dann richtig auch den Heber entdeckte; bei den Honigbienen besondere Kröpfe für den Honig, Körbe (Höschen) für den hier obenein gewährten Pollenüberschuß, die diesmal nicht bloß dem Eigenkonsum dienen, sondern an deren ins Nest getragenen Vorrat das Insekt hier seine eigene Jugendpflege angeschlossen hat, wie dort die Pflanze an den Insektenvertrieb ihre Fortpflanzung. Wobei noch bemerkt sei, was vielleicht nicht jeder kennt, daß nicht bloß Insekten so wirken, sondern auch Vögel (Kolibris und Nektarinien), denen die Pflanzen ebenso buntfarbige Signallaternen und Sitzbänke (z. B. bei den Strelitzien) aufstecken, sowie Fledermäuse und selbst ein durch Honigsaugen fast zahnlos gewordenes australisches Beuteltier (Tarsipes). Im ganzen jedenfalls die wunderbarste Nutzung wieder auf Gegenseitigkeit mit der Pracht ineinandergreifender Glieder einer Präzisionsmaschine, woran auch hier kleine Begleitzüge nichts ändern; der Kampf geht ja als Naturunterströmung immer mit: die friedliche Blütenfalle des Aronstabes wird nebenan im Blatt der insektenfressenden Pflanze zur scheußlichsten Zyklopenhöhle, und wo auch die Blüte das Insekt, wenn es rein räuberisch auftritt, nicht „will“, sperrt sie auch ihm den Weg mit den wildesten Stacheldrähten und Leimtöpfen; aber gegen solchen Kontrast hebt sich nur erst recht auch hier die Symbiose ins Licht.
Inzwischen scheint aber, wenn irgendwo, auch der Fall einseitiger geistiger Überlegenheit jetzt gegeben. Die Pflanze ist zwar die höchste ihres Reichs, aber daneben steht das Tier auf der Stufe,[S. 61] wenn nicht gar des Vogels oder Säugetiers, so doch des begabtesten Insekts, wie es etwa durch das Gehirn einer Honigbienen-Arbeiterin gekennzeichnet ist. Das Gehirn solcher Biene, entsprechend dem Nervenbau hier als obere Schlundmarkverdickung ausgebildet, wiegt 1/174 des Gesamtkörpers im Gegensatz von nur 1/3500 beim Maikäfer: was besagt, daß noch der Maikäfer „ein absolut kleineres Gehirn hat als die 40mal kleinere Biene“ (Hesse). Man hat daraus mit vielleicht nicht allzuviel Übertreibung gefolgert, daß schon unter den Insekten selbst hier Geistesgegensätze bestehen müßten, wie zwischen Frosch und Mensch, wobei man (was für unsern Zweck hier, wie gesagt, genügt) noch immer nicht in die Trennungsfrage von freier Intelligenz und vererbten Gehirntrieben einzugehen braucht, um doch die ungeheure Überlegenheit des blütenbesuchenden Insekts gegen die Blüte zu ahnen. Nun wird man allerdings zunächst etwas enttäuscht. So wundervoll die körperlichen Anpassungen der beiden Parteien sind (bei der Pflanze eigentlich noch besser als beim Tier), so ist doch von jeher aufgefallen, daß gerade eine entscheidende Hauptsache, wie die Befruchtung der Pflanze, selbst durchaus nicht in den unmittelbaren Gehirninstinkt des Insekts aufgenommen ist. Das Insekt besucht von sich aus die Blume lediglich zum Nahrungszweck, die Bestäubung bleibt ihm aber Zufallssache. Drastisch gesagt: es wischt sich beim Futterholen immer wieder etwas Schmutz an den Rockärmel und schmiert ihn drüben ebenso achtlos wieder ab, — anstatt daß auch diese ihm zuletzt im Erfolg so hochwichtige Sache von seinem eigenen Instinkt mit umfaßt werde; denn wenn die Befruchtung sich nicht vollzöge, gingen seine Nährlieferanten, wie die Dinge heute stehen, ja doch herunter oder ein, während umgekehrt, wenn das Insekt auch diese Sache in seine unzweideutigen Instinkte aufnähme und ohne Zufall mit der ganzen Sicherheit solchen Instinkts selbständig vollzöge, der Mehrvorteil ein außerordentlicher sein könnte. Das Insekt hätte die Fortpflanzung der Pflanze damit selber in der Hand. Noch in weit engerem als bloß bildlichem Sinne hinge die Pflanze von ihm fortan als einem kundigen Gärtner ab. Es könnte ihre Existenz zweckgerecht stärken unter Ausschaltung jeden Zufalls. Unwillkürlich träumt man, was für einen Aufschwung die Insektenblüten unter dieser Regelung noch genommen haben könnten, — wenn die Propagation der Art an eine Pflicht des Insektengehirns angeschlossen würde. Man fühlt aber auch, was dieser[S. 62] Anschluß im Sinne jener einseitigen Überlegenheit bedeutet hätte: die Pflanze kam aus der Zucht des Zufalls einseitig in die des Insektengehirns. Nun, eben in der erdrückenden Masse der Fälle ist es aber hier noch nicht so geworden. Die Dinge müssen sich ungefähr auch so durchgesetzt haben, und die Natur scheint einmal wieder den Weg des kleinsten Kraftmaßes gegangen zu sein (soviel wir uns unter diesem Wort vorstellen können): nämlich nicht mehr zuzulegen, als unbedingt nötig war.
Ganz genau besehen, gewahren wir indessen in einem höchst bedeutsamen Einzelfall auch hier schon wenigstens einen Ansatz. Seit einer Reihe von Jahren weiß man, daß es ein Beispiel gibt, wo vom Insekt die Blütenbefruchtung mit voller Instinktabsicht tatsächlich bereits vollzogen wird, — nämlich bei der amerikanischen Yukkamotte, der Pronuba yuccasella, einem kleinen, metallisch glänzenden Nachtschmetterling in den prachtvollen großen, nur nachts geöffneten und dann weithin im Mondlicht lockenden weißen Glocken der Yukkapflanze. Diese Yukkamotte, an sich ein so unscheinbares Kerlchen wie andere, erklettert die Staubgefäße der Yukka und bemächtigt sich dort mit Hilfe ihrer eigens dazu umgestalteten, griffartig klemmenden Kiefertaster eines Ballens Blütenstaub, den sie nun weder frißt, noch als Proviant fortschafft, sondern im Fluge zu einer zweiten Blüte hinüberträgt und dort genau in die Griffelnarbe stopft, solchermaßen unter völliger Zufallsausschaltung ihre Pflanze jedesmal zielgerecht fremdbestäubend. Der Fall steht, wie gesagt, ungefähr einzig da, beweist aber unzweideutig, daß die Sache auch so bereits nicht nur möglich, sondern vereinzelt sogar schon realisiert war. Die Yukkamotte leistet tatsächlich ihrer Pflanze, was beispielsweise menschliche Kunstgärtnerei des Orients in uralter, bis ans Grau vorgeschichtlicher Tage sich verlierender Überlieferung mit der Dattelpalme macht, wo auch herausgenommene und zerschnittene reife Pollenkolben künstlich in die lebendigen weiblichen Blütenscheiden gestopft werden.
Nun ist aber wieder bedeutsam, daß gerade bei dieser Yukkamotte die Symbiose selbst sich auf ihren ursprünglichen Sinn zugleich wieder verengt hatte, nämlich vom losen Blütenbesuch durch das Insekt erneut zur wirklichen zeitweisen Wohngemeinschaft zwischen Tier und Pflanze übergegangen war. Auch die Biene, die doch Wohl und Wehe ihrer Brut an Brot und Honigbelag ihrer Blüten angeschlossen[S. 63] hat, hat diese Brut anderswo und holt nur drüben für sie ein; die Yukkamotte dagegen legt dieses Heim ihrer Brut unmittelbar wieder in den Fruchtknoten der Yukka selbst, den sie (sehr sinnreich hat hier auch der Schmetterling einen Legestachel wie eine Schlupfwespe) mit ihren Eiern bestiftet und in dem die kleinen Raupen auskriechen und bis zu ihrer Verpuppung gefüttert werden, ohne daß erneut etwa hier Raupenparasitismus umgekehrter Art entstände: die Pflanze opfert vielmehr, wie der Biene Pollen, so hier der stets beschränkten Zahl Räupchen einen kleinen Überschuß ihrer Samenkörner (von 100 vorhandenen jedem Räupchen etwa 20), was sie um so leichter kann, als sie ihrer Befruchtung hier ja noch weit übers Gewöhnliche hinaus gewiß sein darf. Wer Anstoß daran nimmt, daß doch auch solches Samenkorn schon vollwichtiges Neu-Leben darstellt, also die Pflanze eigentlich auch schon ein ver sacrum im antiken Sinne, ein Stück Weihefrühling ihres Geschlechts, daran gibt, der muß sich eben auch hier mit den „Ausnahmen“ des Liebeslebens abfinden, das z. B. am Eierstock jedes Menschenweibes 72000 Eier anlegt, von denen höchstens doch ein paar reifen können, der Rest aber auch vergeht. Jedenfalls bekommt man aber den Eindruck, daß das Insekt zur ganzen Entfaltung seiner überragenden Instinkte erst kam, als es auch wieder in irgendeine Art näheren Hausanschlusses mit der Pflanze getreten war, — wie doch auch wir Menschen uns geschichtlich erst ganz intim mit einer Pflanze befaßt haben vom Augenblick an, da wir sie gewissermaßen in unsern Hausgarten aufnahmen. Sobald aber wieder möglich wurde, daß die Pflanze auch die Kinderstube oder (der Schritt ist ja sehr klein) überhaupt das eigene Wohnhaus des Insekts wurde (wie nahe läge z. B., daß jene zeitweisen Gefangenen des Aronstabes nach Fall der Liebesgatter auch weiter die behagliche Pflanzenstube als Quartier benutzten!), mußten sich zunächst noch wieder anschließende ältere Symbiosenvorteile einseitig betätigen: das wehrhafte Insekt mochte sein Haus, die Pflanze, verteidigen. Dieser Weg ist für sich auch zwischen höherer Pflanze und Insekt nun wieder reichlich beschritten worden, wenn wir von der Befruchtungssymbiose selbst zunächst noch einmal mehr oder minder absehen wollen.
Anfänge von Blütenverteidigung durch bissige Insekten liegen bereits auf der Grenze vor allem symbiontischen Anschluß, wenn Blüten rein im Kampf gegen rohe Blütenfresser hemmenden Kleber[S. 64] nach Art der Pechnasen an alten Burgen träufeln, dieser Kleber bei Kornblumen wegen seines Honiggehalts aber von Ameisen gesucht und nun von diesen Ameisen gegen blütenfressende Rosengoldkäfer (Cetoniden) wütend verteidigt wird, — wobei ich offen lasse, ob nicht auch hier durch Hin- und Herlaufen der Ameisen auf dem Blütenbeet solcher Komposite auch Kreuzbefruchtungen nebenher vermittelt werden könnten. Wenn wir aber dabei schon auf die Ameisen (die sonst als Vermittler nicht so in Frage kommen) geraten, so wären hier ein bereits viel anschaulicheres und selber fest eingefahrenes symbiontisches Beispiel die unmittelbar so benannten „Ameisenpflanzen“, falls man sie (es liegen hier Streitfragen) noch gelten lassen will. Der einfache Sachverhalt läuft in dem bekanntesten und oft beschriebenen Fall des brasilianischen Imbaubabaumes, einer Cecropia-Art, darauf hinaus, daß gewisse räuberische Ameisen (Atta-Arten) zu einem besonderen Zweck dort oft ganze Bäume ihrer Blätter berauben, wogegen andere, sehr tapfere Ameisenvölker einer Azteca-Art nun jenen Baum gewohnheitsmäßig durch wütige Gegenangriffe schützen sollen; und die Imbauba bietet ihnen dafür der Erzählung nach ihre nach Doldenart hohlen und übereinander gekammerten Stengel als Wohnung, zu der besonders vorgesehene dünne Wandstellen sich leicht als Außen- und Falltüren öffnen lassen, sowie in besonderen eiweißhaltigen Überschußbildungen (hier doch ohne Bezug zum Pollen) auch eigene Hauskost. Ähnlich sollen andere „Schutzameisen“ zu den ungeheuren eigenen Wehrdornen amerikanischer Akazien noch eine persönliche Garde fügen, die in solchen Stacheln selber haust und ebenso durch besonderes Fettbrot an den Blattspitzen beköstigt wird. Und endlich leben schirmende Ameisenheere in den kaktusartigen Knollenstengeln der auf indischen Urwaldstämmen sitzenden Myrmekodien, die üppige Wasserreservoire dieser Pflanzen für die Trockenzeit bilden und deshalb häufig von durstigen Tieren bedroht sind, während die Ameisen einen lebendigen Stachelwall, besser als jede echte Kaktuswehr, darumziehen. Im Engeren scheinen sich in diese Schilderungen kleine Irrtümer gemischt zu haben, die Gegengaben der Pflanzen sollen auf nicht mehr hinauslaufen, als sie ohne Ameisen auch schon lieferten, und die Ameisen ihr zufällig gefundenes Haus nur eben als „ihres“ verteidigen ohne sonst stärker durchgeführte Symbiose. Unserer Betrachtung aber mag wieder vollständig genügen, ohne daß sie mehr und Strittiges auf[S. 65]zurollen brauchte, wenn eben dieser Hausschutz nur schon auf Grund fester Insekteninstinkte betrieben wird. Auf noch ein Weiteres führt uns dann schlicht ein Zug der Geschichte selbst, der als solcher niemals bezweifelt worden ist: nämlich eben das Blättersammeln jener andern, der Atta-Ameisen. Die Ameisen, die das tun, haben ihr Haus und Nest nicht in der Pflanze, sondern tragen die Blätter erst dorthin fort. Daß sie es (feindlich hier zur Pflanze) tun, ist an sich nicht wunderbarer, als daß die Bienen es friedlich mit dem Pollen machen. Aber was die Atta-Völker jetzt daheim mit den Blättern vollführen, das ist nochmals etwas ganz Neues und Überraschendes.
Die den verschiedensten Pflanzen feindlich ausgeschnittenen Blattstücke, von den Ameisenprozessionen zierlich wie kleine Sonnenschirme auf dem Heimzug hochgehalten, werden, nährarm, wie sie für verwöhntere Tiere sind, zu Hause nicht selber verzehrt, sondern als Futter für eine gewisse andere Pflanze verwertet, die jetzt in friedlicher Symbiose mit der Ameise lebt, — allerdings in einer Symbiosenform, die nunmehr aufs allersinnfälligste die einseitige Überlegenheit des Insektengehirns zum Ausdruck bringt. Die Ameise hat diese wichtigste Pflanze in die Unterräume ihrer eigenen Burgen (Atta-Arten bauen Haufen bis zu 2½ Meter Höhe im feuchten Waldgrund) als „Hauspflanze“ aufgenommen. Im dunkeln Keller solchen Mulmhaufens wird man allerdings schwerlich eine Blütenpflanze vermuten, und es ist auch diesmal keine, sondern wieder erst einmal ein Pilz, dessen unterirdisches Sauggeflecht (Myzel) von den Ameisen mit jenen angeschleppten Blättermassen aufs sorgfältigste gefüttert wird. In dem Ameisenbau werden die zweckgerecht zerkauten Blatteile in besonderen Kammern als Mistbeeten dem wuchernden Pilz unter Ausjäten aller unkrauthaften Eindringlinge bereit gemacht. Eine körperlich angepaßte Kaste des Volks aus kleinen Arbeitern besorgt als „Gärtner“ diesen Dienst. Ihr liegt aber noch eine wichtigste Handlung an dem übermäßig so gedeihenden Kulturpilz selber ob: indem die Gärtner bestimmte wucherkräftige Triebe daran beständig kappen, scheinen sie den Pilz immer wieder zur Bildung eigentümlicher eiweißhaltiger Stauknötchen anzutreiben, die jetzt eine wirklich höchst brauchbare verdichtete Nahrung für das Ameisenvolk abgeben, ohne daß der Pilz von dem Abernten dieser Produkte, die er sonst frei wuchernd wohl wieder verbraucht hätte, Schaden erführe. Ein solches übermäßiges Wu[S. 66]chern aber ist ihm auch nicht nötig, denn die Ameise gibt ihm auch auf engem Raum immer wieder volle Neukraft, indem sie nicht nur übers Maß ihn füttert, sondern auch von Zeit zu Zeit als umsichtiger Gärtner das ganze ausräumt, mit Neumaterial als Nährbeet ersetzt und darin einem zweckgerecht bewährten Treibstück des alten Myzels frischen Raum zum Wuchern gibt, als wäre der Pilz mit einem jungen Sproß in wirkliches Neuland gelangt. Wenn aber überhaupt ganz neue Ameisenbauten errichtet werden sollen durch ausziehendes Jungvolk der Ameisen selbst, so wird solcher Rest der alten Pilzkultur noch viel raffinierter auch dorthin überstiftet: die befruchtete Ameisenkönigin, der jedesmal obliegt, das neue Volk und Nest zu begründen, nimmt stets ein solches lebendes Pilzzweiglein in einer besonderen Kinnbackentasche (sozusagen in einem hohlen Zahn) mit; am neuen Fleck nährt sie es dann zunächst mit eigenem Stuhl, zu dessen wohltätigem Abgang sie einen Teil ihrer selbstgelegten Eier sich wieder als nährenden Eierkuchen zu Gemüte führt, bis aus dem Rest der Eier neue Gärtnerameisen erwachsen sind, die nun abermals allmählich Blätter zu holen beginnen und das so lange mühsam durchgepäppelte heilige Pflänzchen neuen großen Staatsmistbeeten einverleiben, auf daß es nun erneut zum segnenden Fruchtbaum für alle mit werde. Kein Zweifel: diesmal sieht man das Insekt wirklich ganz und gar die Pflanze umgreifen, — friedlich, auch sie kunstvoll erhaltend, — aber gerade so übermächtig — als der leitende Herr. Es schützt sie im eigenen Haus, es füttert sie bis zur Mästung, es schließt ihre Fortpflanzung an neuem Fleck an seine eigene an; man erinnert sich des Verhältnisses des Pilzes zur Flechte, aber wie unendlich viel straffer hängt hier alles in der Instinktregie der höheren Partei, — selbst der Krebs tritt weit dagegen zurück. Denn vor allem: sogar die Gegenleistung der Pflanze erscheint in entscheidendem Grade erst als eine Handlung der Ameise, die sie selbsttätig bestimmt, wenn sie als Gärtnerameise wenigstens heute unzweideutig auch die Überproduktion hervorruft.
Man glaubt durchaus zu verstehen, daß auch diesmal die Dinge geschichtlich nicht durch Hexerei entstanden sind. Diese Ameisen fanden wohl seit alters natürliches Pilzmyzel in ihren Bauten wuchernd. Anfangs war’s lästig. Sie beschnitten also seine sperrenden Ranken, dabei aber zeigten sich wohl jene merkwürdigen Stauprodukte zunächst rein pathologisch auf die Hemmung und den Reiz hin; man denkt[S. 67] wieder unwillkürlich an die bekannten Gallen, dicke Nährwucherungen, die sich auf Blättern entwickeln, die eine Gallwespe angestochen und mit einer sich entwickelnden Made versehen hat, eine übrigens für sich noch bis heute sehr rätselvolle Sache, aus der sich vielleicht selber noch einmal eine geheimnisvolle Symbiose schält. Aber wieviel weiter geht auch das hier heute schon, indem die Pflanze mit dem Mistbeet zur Überproduktion großen Stils regelrecht vom Konsumenten selbst gemästet wird. Auch das Verschleppen anhaftenden Pilzmyzels in neue Haufen ist vielleicht anfangs nur ein Zufall gewesen, wie oben die Blütenbefruchtung. Jetzt aber schaltet sich auch das an den Gehirninstinkt, der den Zufall ausschließt. Damit ist die Fortpflanzung der Pflanze faktisch diesmal auch in der Macht des Insekts, wie es nur je oben unsere Phantasie erdenken konnte. Müßte der Pilz durch Befruchtung fortgepflanzt werden, statt daß Stecklinge hier dauernd zu genügen scheinen, so dünkt selbstverständlich, daß die Ameise auch das so gut wie die Yukkamotte durchführen würde. Ja so ganz und gar ist die Pflanze heute vom Insekt umgriffen, daß es bereits geht wie bei gewissen unserer eigenen Kulturpflanzen: man weiß gar nicht mehr, wo der Ameisenpilz der Atta heute noch wild vorkommt, sondern kennt ihn nur mehr in der Ameisenzucht. Wie[S. 68] weit auch diese wunderbare Pilzsymbiose aber wieder in der Natur verbreitet ist, lehrt ihr fast genau so, nur noch besser entwickeltes Auftreten bei einer Masse von Termitenarten, also bei von den Ameisen weit verschiedenen, doch auch sehr instinktklugen Insekten aus der Nähe unserer Küchenschaben, in deren riesigen, bis 6 m hohen Burgen sich die Pilzkulturen nur so drängen. Die Pilze der Pilzkammern (Abb. 14) werden hier mit zerkautem und vorverdautem Holz gemästet, wozu die Termiten ihre bekannten, so furchtbar verheerenden Zerstörungszüge vollführen. Man hat den künstlichen Futterknötchen dort wie hier einen Namen gesucht, indem man mit menschlichen Kunstzüchtungen eßbarer Dick- und Luxusteile bei Kulturpflanzen verglich: Blumenkohl oder Kohlrabi. Auch Ambrosia nennt man’s wohl. Dieser Name stammt aber wieder selber von längst beobachteten Pilzgeflechten in den Fraß- und Kinderstubengängen unserer im tiefen Holz bohrenden Borkenkäfer, und das Bild wird vollends groß, wenn man berichtet, daß neuerlich auch alle diese heimischen Käfer unserer Waldbäume der Pilzzucht verdächtig sind. Die Pilze scheinen ihnen den feinsten Nährextrakt des weithin durchsponnenen Kernholzes in ihre Gänge zu leiten und in ähnlichen Luxusknöllchen dort zu servieren, die Käfer aber sollen die Pilzsporen (absichtlich oder unabsichtlich) jedesmal wieder in ihre Neubauten mit übertragen: vielleicht noch keine so vollkommene, aber doch eine bereits werdende Symbiose, die da wieder durch alle unsere deutschen Wälder geht.
Man hat indessen auch schon von viel höheren Pflanzen behauptet, daß Ameisen sie entsprechend in Kultur hätten. Die Ernteameise des Mittelmeergebiets, die schon Salomo nicht entgangen war, treibt mit zunächst rein feindlich geräuberten Getreidekörnern seltsame Entkeimungsprozeduren, wobei sie nach gewissen Beobachtungen die Samen im Sinne richtigen Mälzens zuerst in der Feuchte zwingt, keimend Zucker anzusetzen, und dann die Keimung künstlich wieder durch Abbeißen hemmt, damit der Zucker sich nicht normal selber verbrauche. Selbst wenn der letzte Sinn etwas einfacher wäre (die Deutung schwankt noch), möchte man solchen Brauern aber wohl willig auch noch weitere Feldkunststücke zuschreiben, und die unmittelbar so benannte „ackerbautreibende Ameise“ in Texas sollte also künstlich Gras zu eigenen Feldern ansäen, in Reinkultur jäten und zur rechten Zeit abernten. Heute wird das bestritten,[S. 69] aber man wundert sich fast, daß es nicht sein soll, so gut paßte es in die Linie; denn massenhaft säen Ameisen überall die bekanntesten unter unsern Waldblumen (Veroniken, Lamien, Veilchen und andere) dadurch aus, daß sie die Samen gewisser Ölteile wegen verschleppen, anknabbern und dann wieder wegwerfen, worauf der Samen doch noch keimt, weil auch dieser Ölanhang eine Art Luxussache war; daß nicht auch da schon Symbiosen mitspielen sollten, erscheint mir gradezu unwahrscheinlich.
In Summa aber: das Wort, das wir oben suchten, — ich meine, es hat sich uns bereits soundso oft durch das beständig aufgenötigte Bild jetzt von selber ergeben: diese Symbiosenform zwischen Insektenhirn und Pflanze ist einfach schon die des Ackerbaues, der Gärtnerei, der künstlichen Pflanzenzucht, der Kultur im engeren Sinne, wo eine weit überlegene Macht die Pflanze in Schutz und Zucht nimmt, sie als Art sorgsam erhält, aber zugleich auf das Maximum ihrer Produktion treibt, ihre Überschüsse künstlich regelt und lockt, ja ihren ganzen Organismus schließlich in den Grenzen seiner Begabung umzüchtet, bis er nur mehr wirklich ein Organ ist, das gleichsam am Nervenfaden des Gehirns von drüben hängt. Lassen wir die Frage nach Instinkt oder Intelligenz dabei nach wie vor aus dem Spiel, so ist das objektive Bild des Tieres hier durchaus schon das menschliche, während sich umgekehrt für unsern menschlichen Ackerbau selbst die interessanteste allgemein-biologische Einordnung ergibt: der Ackerbau des Menschen erscheint ebenfalls untergeordnet dem großen Begriff der Symbiose! Wenn wir uns gewöhnen, in dem Menschen überhaupt ein natürliches Wesen zu sehen, das sich trotz aller unermeßlichen Überlegenheit und allen Systemwechsels dem oberen Lebensstammbaum geschichtlich einfügt, so kann auch in dieser Vergleichung wohl nichts Paradoxes liegen. Wir wissen, daß der Ackerbau beim Menschen sich erst auf einer gewissen, verhältnismäßig gar nicht mehr so ganz jungen Stufe hinzugefunden hat: die ganze lange Diluvialzeit sah noch keinerlei Kulturgewächs in der Zucht und Gesellschaft ihrer Menschenrassen. Erst nach ihr hat die erste Symbiose mit dem Weizen, der Gerste, dem Hafer eingesetzt. Man erinnert sich auch, wieviel später noch erst wieder die mit der Weinrebe oder gar der Kartoffel sich entwickelt hat; ausgeblieben ist übrigens schließlich auch die mit dem Pilz nicht. Auf alle Fälle aber hat der Mensch seine Überlegenheit sogleich darin bewährt, daß er jene Form[S. 70] der ungleichen Symbiose zwischen sich und der Pflanze durchgeführt hat, und so gibt er uns heute das sichtbarste, nächste Beispiel auch für sie, ein Beispiel, uns längst geläufig, ehe wir von andern Symbiosen überhaupt erfuhren. Wir entnehmen daraus das Recht, nun auch rückschauend das Wort von ihm für die vorahnenden Beispiele unter ihm zu entlehnen, und ich finde kein kürzeres als eben Kultursymbiose dafür. Der Begriff „Kulturpflanzen“ ist uns allen geläufig. In dem Wort Kultur steckt das einseitig Umwandelnde. Der Mensch verwandelt die Natur im ganzen, wenigstens versuchsweise, mit Kultur. Kultur ist höher. Zugleich wahrt das Wort aber doch etwas Friedliches. Die Kultur vernichtet nicht die Natur, aber sie umgreift sie. So tritt der eine Symbiont hier zugleich friedlich und doch höher dem andern gegenüber.
Die allgemeine Anwendung des Begriffs der Symbiose auch auf menschliche Kulturzüchtung ist wohl 1893 zuerst von dem ausgezeichneten Haustierforscher Konrad Keller in Zürich gemacht worden. Keller ging dabei aber nicht von den Kulturpflanzen, sondern den Haustieren des Menschen aus, bei denen er „alle Voraussetzungen und charakteristischen Züge der tierischen Symbiose“ zutreffen sah. Und es ist nun wieder interessant und wirkt wie eine Art Probe aufs Exempel, daß sich in der Tat auch zu der Kultursymbiose unserer Haustierzucht Beispiele schon in der gleichen Schicht Leben nachweisen lassen, die uns die Pilzkultur der Insekten zeigt. Die gleichen Ameisen, die in Südamerika mit Pilzen leben, leben bei uns in der bekannten ausgesprochenen Kultursymbiose mit den Blattläusen. Die Blattlaus erscheint selbst schon von Natur als ein geborener Überschuß-Arbeiter. Sie überfrißt sich sozusagen an Pflanzensäften auf der Suche nach dem geringen Eiweißgehalt darin und wirft den Überschuß beständig hinterwärts in wahren Verdauungskaskaden ab, die als süßer Honigtau von den am pflanzlichen Zellsaft mit ihren Saugschnäbeln angeschlossenen Blattlauskolonien niederzugehen pflegen; der Schreiber dieser Zeilen arbeitet zuzeiten nicht leicht in seinem Garten, ohne daß ihm jedes Manuskriptblatt von diesem Segen klebte. Diesen indirekten Pflanzenhonig machen sich nun die Ameisen nutzbar, melken durch Betrillern die Läuse regelrecht (die bei manchen Arten ihrerseits schon so symbiontisch angeschlossen sind, daß sie mit der Entleerung zaudern, bis die nötige Ameise kommt), verteidigen, versteht sich, auch ihr Vieh mit bekannter Ameisenbravour, pfer[S. 71]chen es gelegentlich in kunstvolle Schutzgewölbe aus Erde und regeln seine Fortpflanzung, indem sie die Eier der Blattläuse einholen, im eigenen Hause überwintern und zum Frühjahr gleichsam wieder aussäen, — kurz unzweideutige Haustierzucht! Weniger bekannt pflegt zu sein, daß auch gewisse Zikaden (also nahe Verwandte der Blattläuse) der Gattung Tettigometra in ähnlicher Ameisenhut leben, die auf Getreidehalmen über den Ameisennestern ihre Weide haben und zur Eiablage freiwillig und ungestört ins Nest selber kommen, in dem dann ihre Larven nachher die eigentlichen Zuckerlieferanten zu bilden scheinen. Und entsprechend gedeihen die Räupchen unserer reizenden Bläulinge (Lyzäninen) unter den Schmetterlingen in einer kulturellen Ameisengemeinschaft dergestalt, daß die Ameisen die fressenden Raupen als Schutzgarde umschwärmen, auch bei den ersten Anzeichen nahender Verpuppung in ihren Bau tragen und sorgsam mit loser Erde umhüllen; nachher sollen sie sogar noch dem Schmetterling beim Auskriechen behilflich sein; die Raupe aber lockt und lohnt sie dafür mit besonderem Parfüm und einer feinen Leckerei, die beim Betasten aus einem Rückenwärzchen quillt.
In diesem Bläulingsfall mischt sich allerdings gleich auch eine Besonderheit ein, die bis heute noch wieder das Verständnis eines großen, auch hier anschließenden Gebiets erschwert und in gewissem Sinne nochmals einen Weg oder, wir sagen wohl besser, einen Abweg dieser Symbiose angedeutet hat, ohne daß es doch auch dazu an sehr bekannten, ja berüchtigten Menschenvergleichen fehlte. Reine Zuckeraufnahmen haben bei Tier wie Mensch ja stets etwas, das so sachte schon vom Nährmittel zum Genußmittel hinüberführt. Gehen wir aber vom Honig zu Met oder der Süße zum Sekt, so sind wir beim Menschen inmitten der reinen Luxusgenüsse. Bei diesen Lyzäninenraupen scheint es sich nun auch bereits um solche für die Ameisen zu handeln, zur Gewißheit aber wird das bei den Unmengen besonders kleiner Käferchen, die sowohl in den Ameisen- wie den Termitenburgen dauernd und gewohnheitsmäßig gehalten und dort von uns in der Regel auch als „Haustiere“ oder doch als Gäste und Freunde (Myrmekophilen, Termitophilen) bezeichnet werden. Am bekanntesten ist aus dieser bunten Gesellschaft unser blindes, völlig auf Ameisenfütterung angewiesenes Keulenkäferchen Claviger, etwa 2,5 Millimeter groß und systematisch nahe an die Kurzflügler (Staphyliniden) anschließend, doch zählen die Vertreter in Wahrheit nach[S. 72] vielen Hunderten, worunter sich bei den indischen Termiten auch eine flugunfähige Fliege, die Termitoxenia, mischt, deren Flügel in bequeme Greifhenkel umgewandelt sind, an denen die Stallbesitzer ihr Viehchen hin und her zerren können. Auch hier bestehen alle äußern Anzeichen zunächst der Kultursymbiose: Füttern, Schützen, Wohnunggeben, nachhaltigste Jungenpflege, auch sind die „Gäste“, wie die beiden Beispiele schon zeigen, in denkbar weitestem Maße an die Hut selber angepaßt oder, besser noch gesagt, ihr einseitig ausgeliefert. Bei alledem steuern auch sie aber durchweg nur solche Genußmittel bei und nicht solide Nahrung, Genußmittel „anscheinend wohl narkotischer Natur“, wie sich ein neuester Schilderer (Werner) ausdrückt, — stellen also bildlich Kühe dar, aus denen Sekt gemolken wird. Feine Haarpinsel und andere Begleiterscheinungen verraten die Anwesenheit von Luxusextrakten, auf die hier gezüchtet ist, aromatisch-narkotischen Essenzen, wobei wir uns erinnern, daß Tiere allenthalben sich auch auf unsere menschlichen Alkoholika wie gewisses Parfüm höchst erpicht zeigen und sich unheimliche Räusche antrinken können, — wie denn nach Oskar Hertwigs Angabe bereits die Eizellen von Tieren künstlich in eine Rauschlähmung versetzt werden können und dann die Sperrungen, die sonst der Überfruchtung (Aufnahme von mehr als einem Samenfaden in das weibliche Ei) wehren, vernachlässigen. (Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte, 8. Aufl., S. 62.) Und solche Luxussymbiose, wenn sie auch noch so sehr unter die einseitige Kultursymbiose im ganzen fällt, wie diese unter die Symbiose überhaupt, zeigt erklärlich auch hier ebensolche Gefahren für die herrschende Partei selbst, wie sie bei uns jeder nicht vergeistigte, sondern grob materielle Luxus ergibt. Es stellen sich in der Volkswirtschaft auch dieser Insekten Schäden ein, wie wenn ein ganzes Land bloß noch mit Burgunderreben überzogen würde unter völliger Vernachlässigung von Korn und Kartoffeln, ja noch tiefer greifende persönliche. Wenn die Ameisen solche Bläulingsraupen finden, lassen sie plötzlich ihre Blattläuse im Stich. Die Sache wird aber ärger, wenn sich in der Rolle solcher Sektgeber böse Räuber einschmuggeln (schon bei jenen Raupen gibt es fleischfressende, ameisenfressende Arten) und um des Genusses willen unmittelbar toleriert werden. Paussus, Lomechusa und andere geradezu vergötterte Helden gewisser Ameisenstaaten, auch jene seltsame Termitenfliege, sind ganz eigentlich solche Kannibalen, besonders Fresser an[S. 73] armen Larvenkindern ihres Gastgebervolks. Es ist, als habe die Symbiose ihnen den alten im Blute steckenden Räuber diesmal nicht abzuerziehen brauchen, da das narkotische Genußgift die Symbionten so pervers gemacht hatte, daß sie auf diesen schlimmsten Rückstand diesmal gar kein Gewicht legten, vielmehr wohl selber eine wahrhaft selbstmörderische Verkehrtauslese ins Werk setzten. Die fremden Kinder des Erzräubers Lomechusa (eines Kurzflüglerkäfers) werden in gewissen Ameisenvölkern derartig in der Pflege bevorzugt, daß die eigene Ameisenbrut darüber entartet. Bei den Termiten ist der immerhin schon normal bedenkliche Brauch eingerissen, im eigenen Volke die nötige Königinnenpflege bei den Arbeitern nicht bloß an einen strengen Pflichtinstinkt, sondern auch eine Luxuszugabe zu ketten: die Königin läßt beständig von ihren Flanken eine Art narkotischen Saftes träufeln, der wie in einer großen Staatskneipe von den Pflegern abgetrunken wird. Daran aber hat sich nun wieder angeschlossen, daß sich hier öfter solche fremden Räuber, die durch Fressen von Königinnenmast gleicher Gabe teilhaftig geworden, im blinden Volk gradezu an Stelle solcher Königin schmuggeln und entsprechend verhätschelt und beschützt werden, obwohl sie zyklopengleich die wartende Schar fortgesetzt dezimieren. Erklärlich, daß an solcher mörderischen Symbiose ganze Einzelstaaten zugrunde gehen, ja auf die Dauer die Arten im ganzen sich wie mit einer „sozialen Krankheit“, wie Doflein sich einmal ausgedrückt hat, behaftet zeigen müssen. Unwillkürlich denkt man an unsere Südseeinsulaner, die am Branntwein und gewissen Lasterkrankheiten absterben. Die gesunde Kultursymbiose ist hier zur Lastersymbiose geworden, ob nun Ameise oder Mensch. Wobei noch an eine andere Gefahr dieser Kultursymbiose erinnert sei, die man ebenfalls bei beiden studieren kann: wenn sich nämlich die überlegene Partei schließlich so sehr von der andern mästen und aushalten läßt, daß sie das eigene Arbeiten ganz abschafft und verlernt, hoffnungslos faul und hilflos und so schließlich selber wieder zum abhängigen Teil wird. Wir erleben das bei gewissen der sogenannten Sklavenameisen (Polyergus, Amazonenameisen), wo die eine Partei sich von ursprünglich andersartigen Ameisen füttern und bedienen läßt, die sie zunächst (nicht symbiontisch) aus andern Ameisennestern gewaltsam als Puppen geraubt hat, mit denen sie aber dann soweit ganz gut symbiontisch weiterlebt, doch mit dem unsinnigen Extrem,[S. 74] daß sie selber nicht mehr allein fressen kann, sondern verhungert, wenn ihr die fremden Genossen nicht „einholen“ und die fertigen Bissen in den Mund stecken. Den Schluß dieser neuen Form von Lastersymbiose stellen vielleicht gewisse Ameisenpersonen aus im ganzen längst zerfallenen eigenen Staaten dar, die sich heute als fette, hilflose Müßiggänger einzeln in andern Nestern herumtreiben und dort wohl nur Unheil anrichten, nachdem sie sich in ihrem Bettlerstande wahrscheinlich auch auf perverse Gaukelkünste jener andern Art geworfen haben. Man sieht, daß die einseitige Überlegenheit in den Schutzgenossenschaften in dauernden und gesunden Traditionen immer nur normal bestehen bleiben kann, wenn sie zuletzt auf einer Gehirnüberlegenheit und nicht auf Genußlastern und Faulheit beruht!
Es wäre zum Schluß noch eine Symbiosenform als Möglichkeit auch im Tier zu besprechen, bei der wir, doch jetzt bei der Menschenfortsetzung angelangt, am geeignetsten zunächst vom Menschen unmittelbar ausgehen. Unsere Symbiose hat uns (auch mit Einschluß selbst ihrer Auswüchse) wesentlich zuletzt schon an das Gehirn anknüpfen lassen. Dieses Gehirn ist nun bei uns Menschen auf der einen Seite das überragende Intelligenzorgan, nachdem sich bei den Tieren zunächst hauptsächlich die höheren und verwickelten Instinkte hier angeschlossen hatten. Inwiefern doch auch bei den Tieren sich in steigendem Maße nach oben in die Symbiosen schon solche echte Intelligenz eingemischt haben könnte, möchte ich hier dahingestellt sein lassen, die Entscheidung ist deshalb so schwer, weil wir gerade bei den entschieden schon intelligentesten Tieren (in der Wirbeltierreihe von den Fischen an aufwärts) merkwürdigerweise nur ganz vereinzelte und meist kaum über die Vorstufe der noch fast indifferenten Synökie (Hausgemeinschaft) hinausgelangende Beispiele haben, andererseits aber die fest eingeführten Symbiosen grade ihrem Wesen nach nicht eigentlich in die Einzelintelligenz fallen wollen, sondern beim Tier ohne menschliche Überlieferungsart notwendig etwas Vererbtes und damit Triebhaftes wahren müssen; wie sie im Einzelfall ausgeübt wurden innerhalb des vererbten Grundgesetzes, daran mag ja die Intelligenz wachsend nach oben Anteil genommen haben, doch entzieht sich das grade durchweg unserer Betrachtung, die das Gesetzmäßige sucht. Die paar bisher bekannt gewordenen, früher noch nicht miterwähnten Fälle oberster Wirbeltiersymbiosen lassen sich fast an den[S. 75] Fingern abzählen: der altertümliche Hatteria-Saurier, der in seinem Zusammenwohnen auf neuseeländischen Klippen mit Sturmvögeln in gleichen Höhlen von Schauinsland so anschaulich geschildert und im Museum zu Bremen in prachtvollen Modellen verewigt worden ist, — die Indizien echter Symbiose bleiben aber ziemlich schwach; die Kuhreiher und Nashornstare (Madenhacker), die den großen tropischen Büffeln und Rhinozerossen Ungeziefer stochernd auf dem Rücken reiten und bei Gefahr warnend auffliegen, — in Einzelheiten noch nicht geklärt wie jene hier angrenzende Geschichte vom Krokodilwächter; Präriehunde mit Klapperschlangen und Eulen, also gefährlichen Feinden, im gleichen Bau, — vorläufig ganz unklar; wobei immerhin erwähnt sei, daß auch vorratsammelnde Nagetiere (Wurzelmäuse) sich an gewissen narkotischen Wurzeln (Eisenhut) weniger beköstigen, als berauschen sollen und die südamerikanischen geselligen Viscachas durch fortgeworfene Kerne auf ihren Bauten immer wieder kleine Melonengärten ansiedeln, ohne daß doch weder sie noch unser Hamster, bei dem es so nahe läge, zu wirklichem Ackerbau übergegangen wären; endlich Zebras, Gnuantilopen, Giraffen, Strauße, an sich schon keine feindlichen Gegensätze, in Afrika zu genossenschaftlichen Herden regelmäßig vereint, wie auf unseren heimischen Seen die verschiedensten Entenarten und Taucher, — Schillings hat davon die reizvollsten Bilder gegeben, doch wird man kaum über die Gesetze einfacher Herdenbildung der gleichen Arten unter sich hinausgeführt. Die Beispiele, die der russische Fürst Peter Kropotkin in einem bekannten Buche über „Gegenseitige Hilfe in der Entwicklung“ zusammengestellt hat, beziehen sich fast ausnahmslos überhaupt nur auf solches Sozialleben gleicher Arten, haben also mit echter Symbiose nichts zu tun; da grade dieses Buch wiederholt als „Begründung der Symbiosenlehre“ gefeiert worden ist, sei dazu noch vermerkt, daß Kropotkins älteste Veröffentlichungen über den Stoff nicht über die 90er Jahre zurückgehen, also auch in diesem Sinne für eine Priorität nicht entfernt in Betracht kommen können.
Die Fülle der echten Beispiele setzt jedenfalls erst wieder ganz ohne Übergang (grade von echter Affensymbiose ist mir nichts bekannt) beim Menschen selbst ein. Aber wir haben bei diesem Menschen noch etwas anderes an sein Gehirn angeschlossen. Neben der Intelligenz im Sinne auch möglichst kluger Einzelabwägung jeden Vorteils und praktischer persönlicher Erfindung zum Nutzzweck zei[S. 76]gen sich hier die Gemütserregungen: Freundschaft, Mitleid, Liebe in einem vergeistigt-gefühlsmäßigen Sinne, persönliche Sympathie auf einem keineswegs bloß verstandesmäßigen, vorteilsuchenden Wege. Die Empfindung, mit der ein Mensch sich beispielsweise zu seinem Hunde zu stellen pflegt, geht entschieden außerordentlich weit über diesen kalten Nutzanschluß seiner Kultursymbiose hinaus. Ich möchte hier unmittelbar von einer Gemütssymbiose sprechen. Und es darf wohl die Frage zuletzt aufgeworfen werden, inwieweit solche persönliche Gemütssymbiose immerhin auch in alle Einzelfälle wenigstens höchster tierischer Symbiosen (und vielleicht auch ihre Entstehung hier schon im ganzen) hineingewirkt haben könnte. Es gibt ja eine ganze Zoologenschule heute, die behauptet, wir hätten überhaupt kein Mittel, Gefühle bei den Tieren zu erkennen, ein Standpunkt, mit dem sich meines Erachtens nicht streiten läßt, da er in der hellen Sonne die Sonne nicht mehr sieht. Aber ich denke, auch der erbittertste Gegner echten tierischen Gemütslebens wird die Möglichkeit des Falles mindestens beim Hunde und seiner Symbiose zum Menschen als gegeben erachten, — und zwar auf seiten des Hundes sowohl wie des Menschen.
Ackerbautreibende Ameise, angebliche 68 f.
Adamsia palliata 26 ff.
Anolidier (Schnecken) 38
Akontien 27, 29, 33
Alge und Pilz 42 ff.
Ameisen als Pilzzüchter 66 ff.
Ameisen und Waldblumen 69
Ameisenpflanzen 64
Anthias dofleini (Fisch) 38
Aronstab 60, 63
Aspidosiphon 37
Asseln in Symbiose 34
Atta-Ameisen 64 f.
Bakterien, Stickstoff- 49 f.
—„— im Darm 56
Bandwurm 7
Bernsteinschnecke 17
Bernhardinerkrebse (Einsiedlerkrebse) 24 ff.
Bitterling (Fisch) 19
Blattläuse und Ameisen 70 f.
Bläulingsraupe und Ameisen 71
Blumen und Insekten als Symbiose 7, 58 ff.
Blütenverteidigung durch Insekten 63 f.
Bombardierkäfer 21
Borkenkäfer als Pilzzüchter 68
Borstenwurm in Symbiose 34
Bradypodicola (Schmetterling) 57
Brennfestigkeit von Fischen 38 f.
Brennkapseln der Polypen 22, 25, 29
Bryozoen in Symbiose 36
Caranx (Fisch) 37
Chlorophyll 41, 43, 52 ff.
—„—, angebliches in Tieren 52
Cienkowski 51
Claviger (Käfer) 71
Cnidarien (Nesseltiere) 21
Cuscuta (Teufelszwirn) 16
Convoluta (Wurm) 53, 55
Darwin 8, 10 ff., 13 f.
Daseinskampf 10 ff.
de Bary 6 ff., 41 f., 58
Diplozoon paradoxum 5
Doflein 27, 29, 30, 33, 35, 38
Drei-Symbiose 35, 50
Entoconcha mirabilis (Muschel) 40
Ernteameise 68
Escherich 67
Explosionsprinzip in der Natur 21
Faultieralgen 56
Fierasfer (Fisch) 39
Flechten 6, 41 ff.
Frank 45
Freßpolypen 22, 30
Gehirn der Biene 61
Gemütssymbiose 76
Glochidien 20
Gonidien 42
Haeckel 51
Hatteria 75
Hebella 36
Hertwig, Oskar 7 ff., 31, 52 f., 72
Hertwig, Richard 52
Humboldt, Alexander von 5
Hund und Mensch 76
Hydra viridis 52 ff., 55
Hydractinia 26, 29 f.
Kammerer 32, 34, 56
Keller, Konrad 70
Kolibri 60
Korkschwamm in Symbiose 36
Krebsschutz durch Polypen 30 ff., 58
Krokodilwächter 9, 75
Kropotkin 75
Kuhreiher 75
Kultursymbiose 70
Lastersymbiose 73
Leguminosen, Symbiose bei 48 ff.
Leucochloridium 17, 18
Lomechusa (Käfer) 72 f.
Lupinendüngung, Sinn der 48 f.
Luxussymbiose 72
Malermuschel 19
Müller, Johannes 40
Muschelwächter (Krebs) 35
Mykorrhiza, Problem der 45 ff.
Myrmekophilen (Ameisengäste) 71
Neunauge 16
Nomeus (Fisch) 37
Orchideen in Symbiose 47, 59 ff.
Paussus (Käfer) 72
Parasitismus 16
Physalia 37
Pilze in Insekten 56
Podocoryne 26, 37
Polydectinen (Krebse) 35
Purpurschnecken 24
Pütter 54
Quallenfresser (Fisch) 38
Radiolarien 50 f.
Raupe mit Wespenlarven 16 f.
Sagartia parasitica 26, 27
Säureschnecken 20
Schillings 75
Schraubensabelle in Symbiose 36
Schutzpolypen 30 f.
Seegurken 39
Semon, Richard 37
Sklavenameisen 73
Soredien 44 f.
Spinnennetz 14
Sprengel 7, 58
Stahl 42, 45
Stickstoffbakterien 49
Symbiose, Definition des Wortes 7-9
Synökie 20 f., 23, 25, 74
Tarsipes 60
Termiten als Pilzzüchter 67 f.
Termitenkönigin, Luxussaft der 73
Termitophilen 71
Termitoxenia 72
Tintenfisch im Kampf mit Krebs und Polypen 25, 30
Urogonimus macrostomus 17
Vexiergurke 21 f.
Virbius (Krebs) 33
Wegwespe und Kreuzspinne 15
Wehrpolypen 23, 30, 33
Weismann 12, 31
Wurzelkrebs 40
Yukkamotte 62
Zikaden und Ameisen 71
Zoochlorellen 55
Zooxanthellen 55
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Kosmos
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Zell, Dr. Th., Tierfabeln.
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Meyer, Dr. M. W., Sonne und Sterne.
Welten, Wie die Pflanzen lieben.
Meyer, Dr. M. Wilh., Rätsel d. Erdpole.
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Francé, Streifzüge im Wassertropfen.
Zell, Dr. Th., Straußenpolitik.
Meyer, Dr. M. W., Kometen u. Meteore.
Teichmann, Fortpflanzung u. Zeugung.
Floericke, Dr. K., Die Vögel des deutschen Waldes.
Meyer, Dr. M. W., Erdbeben u. Vulkane.
Teichmann, Dr. E., Die Vererbung.
Sajó, Krieg u. Frieden im Ameisenstaat.
Dekker, Naturgeschichte des Kindes.
Floericke, Dr. K., Säugetiere des deutschen Waldes.
1909
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Francé, Bilder aus d. Leben d. Waldes.
Meyer, Dr. M. Wilh., Der Mond.
Sajó, Prof. K., Die Honigbiene.
Floericke, Kriechtiere u. Lurche Deutschl.
Bölsche, Wilh., Der Mensch in der Tertiärzeit und im Diluvium.
1910
1911
ungebd. zus. M 4.80 (für Nichtmitglieder M 7.80) und gebunden für M 8.80 (für Nichtmitglieder M 13.25):
Koelsch, Pflanzen zwisch. Dorf u. Trift.
Dekker, Fühlen und Hören.
Meyer, Dr. M. W., Welt der Planeten.
Floericke, Säugetiere fremder Länder.
Weule, Kultur der Kulturlosen.
Koelsch, Durch Heide und Moor.
Dekker, Sehen, Riechen und Schmecken.
Bölsche, Der Mensch der Pfahlbauzeit.
Floericke, Vögel fremder Länder.
Weule, Kulturelemente der Menschheit.
1912
ungebunden zusammen M 4.80 (für Nichtmitglieder M 7.80) und gebunden für M 8.80 (für Nichtmitglieder M 13.25):
Gibson-Günther, Was ist Elektrizität?
Dannemann, Wie uns. Weltbild entstand.
Floericke, Fremde Kriechtiere u. Lurche.
Weule, Die Urgesellschaft und ihre Lebensfürsorge.
Koelsch, Würger im Pflanzenreich.
1913
ungebunden zusammen M 4.80 (für Nichtmitglieder M 7.80) und gebunden für M 8.80 (für Nichtmitglieder M 13.25):
Bölsche, Festländer und Meere.
Floericke, Einheimische Fische.
Koelsch, Der blühende See.
Zart, Bausteine des Weltalls.
Dekker, Vom sieghaften Zellenstaat.
1914
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Bölsche, Wilh., Tierwanderg. i. d. Urwelt.
Floericke, Dr. Kurt. Meeresfische.
Lipschütz, Dr. A., Warum wir sterben.
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Nagel, Dr. Osk., Romantik der Chemie.
Bölsche, Wilh., Der Mensch der Zukunft.
Floericke, Dr. K., Gepanzerte Ritter.
Weule, Prof. Dr. K., V. Kerbstock z. Alphab.
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1916
ungebunden zusammen M 4.80 (für Nichtmitglieder M 7.80) und gebunden für M 8.80 (für Nichtmitglieder M 13.25):
Bölsche, Stammbaum der Insekten.
Dekker, Dr., Heilen und Helfen.
Floericke, Dr., Bulgarien. Doppelbd.
Weule, Krieg in den Tiefen d. Menschheit.
1917
ungebunden zusammen M 5.60 (für Nichtmitglieder M 7.80) und gebunden für M 9.25 (für Nichtmitglieder M 13.25):
Besser, Natur- u. Jagdstudien in D.-Ostafr.
Floericke, Dr., Plagegeister.
Hasterlik, Dr., Speise und Trank.
Bölsche, Schutz- u. Trutzbündn. i. d. Natur.
Allen Jahrgängen, außer 1904–1908, werden die 12 Hefte des betr. Handweiser-Jahrg. beigefügt.
Sämtl. noch vorhand. Jahrgänge der Kosmos-Veröffentlichungen (s. obige Zusammenstellung) liefern wir an Mitgl.: geh. für M 55.— (Preis für Nichtmitgl. 98,20), geb. (auch Handw.) f. M 88.50 (Preis f. Nichtmitgl. 163.65) auch nach Vereinbarung gegen monatl. Ratenzahl.
Inkonsistenzen wurden beibehalten, wenn beide Schreibweisen gebräuchlich waren, wie:
Folgende Änderungen wurden vorgenommen: