Title: Gerichtliche Leichen-Oeffnungen. Erstes Hundert.
Author: Johann Ludwig Casper
Release date: September 17, 2014 [eBook #46880]
Most recently updated: October 24, 2024
Language: German
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Verrichtet und erläutert
von
Johann Ludwig Casper.
Dritte, ganz umgearbeitete und vermehrte Auflage.
Berlin, 1853.
Verlag von August Hirschwald.
69 U. d. Linden, Ecke d. Schadow-Str.
Schon in wenigen Wochen ist eine zweite Auflage dieser Schrift nöthig geworden. Diesen ehrenden und überraschenden Erfolg will ich keinesweges dem Werthe der letzteren, wohl aber dem gesteigerten Antheil beimessen, welchen die gerichtliche Medicin in neuester Zeit bei den Aerzten gefunden hat, und, wie es den Anschein hat, immer mehr und mehr findet. In der That aber wird die Nothwendigkeit gründlicher Studien der gerichtlichen Arzneiwissenschaft auch für den bloss practischen Arzt sich jetzt täglich mehr fühlbar machen, wo mit dem allgemein eingeführten öffentlichen und mündlichen Gerichtsverfahren jeder Arzt, auch der nicht forensisch beamtete, täglich gewärtigen muss, zum Audienztermin gefordert zu werden, wo er dann in die Lage kommt, öffentlich und mündlich ganz unvorbereitet sich über den ihm vorgelegten Fall äussern, und auf alle Fragen, welche der Vorsitzende Gerichtsdirigent, der Staatsanwalt, der Vertheidiger, ein Geschworner u. s. w. an ihn richten, Auskunft geben zu müssen.
Was nun die vorliegende zweite Auflage dieser Schrift betrifft, so habe ich dieselbe bei der Kürze der Zeit, die zwischen ihrem ersten und dem jetzigen Erscheinen verflossen, zwar nicht wesentlich bereichern können, wozu ihr Inhalt auch kaum Veranlassung bietet; man wird jedoch die sorgfältige Revision des Textes, so wie Druckverbesserungen nicht vermissen, und dass wenigstens einige Vermehrungen hinzugekommen, beweist schon die vergrösserte Seitenzahl. Eben so habe ich auch das Register vervollständigt.
Und so übergebe ich auch diese zweite Auflage dem Wohlwollen der Freunde und der Kritik der Sachkenner.
Berlin, September 1850.
In zwei Jahren sind zwei Auflagen dieser Schrift vollständig vergriffen worden, und der Verleger hat eine dritte Auflage für nöthig erachtet. Ich habe durch eine logischere Eintheilung der verschiedenen Abschnitte, durch mehrfache Verbesserungen und Ergänzungen im Text, durch Bezugnahme auf das inzwischen erschienene und in Kraft getretene Strafgesetzbuch für die Preussischen Staaten, so wie durch Vervollständigung und sorgfältige Redaction des Registers mich bemüht, meinen Dank für den Beifall, mit welchem diese Schrift aufgenommen, thatsächlich zu beweisen, wie der Verleger seinerseits dies durch eine bessere äussere Ausstattung gethan hat. Endlich ist den vielseitigen, namentlich von jüngeren Aerzten und Gerichtsärzten ge[S. vi]äusserten Wünschen durch den Anhang, welcher ein vollständiges Obductionsprotokoll und einen amtlichen chemischen Bericht, betreffend einen in dieser Centurie erwähnten Fall, liefert, genügt worden.
Berlin, November 1852.
Die nachfolgenden Berichte, die in ihrer ursprünglichen Form bereits früher in meiner „Wochenschrift für die gesammte Heilkunde“ mitgetheilt worden, und hier auf Veranlassung des Verlegers im Zusammenhange als Ganzes (mit einem Register) erscheinen, bitte ich zugleich als Nachricht über das bei der hiesigen Universität bestehende „Königl. Institut für den praktischen Unterricht in der Staatsarzneikunde“ zu betrachten, und als Fortsetzungen der betreffenden beiden Berichte des früheren Directors desselben, des verstorbenen Geh. Med.-Raths Professor Dr. Wagner, nach dessen Tode die Leitung der Anstalt mir anvertraut worden ist. Es wäre zu wünschen, dass auf allen Universitäten die Professur der Staatsarzneikunde mit der Verwaltung des gerichtlichen Physicats in der Universitätsstadt, resp. ihrem Landkreise, in Einem Beamten vereinigt wäre, wie es in Berlin seit langen Jahren der Fall; denn es ist einleuchtend, dass nur dadurch der Unterricht in der Staatsarzneikunde, namentlich der gerichtlichen Medicin, wahrhaft erspriesslich und lehrreich werden kann, wenn er sich auf diese Weise fortwährend auf dem grünen, frischen Boden der Natur, der Praxis, bewegt und dadurch dem Lehrer Gelegenheit gegeben wird, selbst täglich mehr[S. 2] zu erfahren und seinen Schülern handgreiflich zu machen, wie viel traditioneller Irrthum und wissenschaftlicher „Zopf“ in den Büchern über gerichtliche Medicin und in den nur daraus befruchteten Köpfen so vieler gerichtlich-medicinischen Schriftsteller und Medicinalbeamten steckt. Nirgends in Europa aber, vielleicht nur noch in Wien (da in noch grössern Städten wie London, Paris, Neapel bekanntlich eine ganz andre Medicinal- und forensische Verfassung besteht), fliesst dem Unterricht auf diese Weise ein reicheres Material fortwährend zu, als in Berlin. Eine auf geringen Raum zusammengedrängte Bevölkerung von nahe einer halben Million Menschen in Stadt und nächster Umgegend mit der Friction von Interessen und Leidenschaften erklärt die reiche Zahl von civil- und criminalrechtlichen Vorfällen, die täglich das Anrufen des amtlichen Arztes erforderlich machen. Im Besitze eines solchen Materials halte ich es auch für eine Pflicht gegen die Wissenschaft, derselben zurückzugeben, was ihr gehört, und sie so nach Kräften zu bereichern.
Zu einer ersten Mittheilung habe ich das erste Hundert von mir amtlich verrichteter gerichtlich-medicinischer Leichenöffnungen gewählt, bei welchen überall, mit Ausnahme der Ferienzeiten, die Herren Zuhörer meines „med. forensischen Practicum“, approbirte Aerzte, die sich für ein Staatsamt befähigen wollten, sowie Studirende der Medicin und der Rechte zugegen waren, wie sie auch an den gerichtsärztlichen Untersuchungen an Lebenden täglich Theil nehmen, und welche dann selbst zur Anfertigung der Obductionsberichte, zur Abgabe von schriftlichen und mündlichen Gutachten u. s. w. zu ihrer Uebung und Ausbildung veranlasst wurden und werden. Diese, durch[S. 3] die hohe, vorgeordnete Unterrichtsbehörde auf den Antrag meines Vorgängers geschaffene Einrichtung eines Instituts für den practischen Unterricht in der Staatsarzneikunde hat sich auf das Erfreulichste bewährt, wie die immer wachsende Anzahl der Zuhörer im „forensischen Practicum“, unter denen sich in jedem Semester die Zahl der hiesigen und auswärtigen practischen Aerzte mehrt, und gleichmässig der Eifer beweist, mit welchem diese Studien getrieben werden, und der ein immer neuer Sporn für den Lehrer ist.
Die Ergebnisse des ersten Hunderts meiner Leichenöffnungen lege ich hier nach den sorgfältigen, amtlichen Aufzeichnungen in meinen Manual-Acten summarisch nieder, daran gelegentliche Bemerkungen, Erfahrungen, Beobachtungen, kritische Andeutungen knüpfend. In nicht zu langer Zeit gedenke ich, in ähnlicher Weise eine zweite Centurie Leichenöffnungen zu analysiren, und dann eben so auch die sehr zahlreichen Untersuchungen an Lebenden, namentlich betreffend zweifelhafte Gemüthszustände, in welcher Rubrik, wie in Betreff von Anschuldigungen auf Nothzucht, Misshandlungen, Verletzungen und deren Folgen, wie von simulirten Krankheiten u. s. w. die wichtigsten und interessantesten Fälle vorgekommen sind, und fortwährend vorkommen, nach und nach folgen zu lassen.
„Obduction“ — nennt alle Welt diese Erforschungsmethode, und doch ist gar nicht zu ermitteln, woher dieses ziemlich neue und wenig bezeichnende Wort für die bekannte Operation in die Wissenschaft gekommen? Meinen Nachforschungen ist es wenigstens nicht gelungen, darüber Aufschluss zu gewinnen, und die be[S. 4]rühmtesten Philologen und Germanisten an unsrer Universität, die ich deshalb befragt, haben mir gleichfalls über den Ursprung des Wortes obductio für Leichenöffnung Nichts mittheilen können. Die Alten kannten nur die Bezeichnungen inspectio, sectio, dissectio, und es muss als eine wunderliche Anomalie erachtet werden, dass man für eine Operation, die materiell in einem Eröffnen von bis dahin Verschlossenem, geistig in einem Aufhellen, Enthüllen von Verborgenem besteht, eine Bezeichnung (obducere) in Cours gesetzt und als gute Münze angenommen hat, die grade das Gegentheil und bekanntlich ein Umhüllen, Verbergen, Bekleiden, Verhängen, Verdunkeln bezeichnet! Sehr dankbar würde ich demnach sein, wenn ein geehrter Leser dieser Zeilen etwanige gewonnene Aufschlüsse über den wissenschaftlichen Ursprung des Wortes obductio für Leichenöffnungen mittheilen wollte.[1]
Wie die gerichtliche Arzneiwissenschaft, eine Disciplin, die, je tiefer man in sie practisch und wissenschaftlich[S. 5] eingedrungen, desto lebendiger fesselt, in ihrer Fortbildung von der der Rechtswissenschaft abhängig ist, so auch die Praxis der erstern von der der letztern. Und in dieser Beziehung steht der Praxis der gerichtlichen Medicin in Preussen eine grosse Reform bevor, durch die, in Berlin seit dem Gesetz vom 17. Juni 1846, später verfassungsmässig in der ganzen Monarchie eingeführte Oeffentlichkeit und Mündlichkeit der gerichtlichen Verhandlungen. Ein grosser Theil der medicinischen Gutachten wird danach in Berlin, und allen Nachrichten zufolge auch in der ganzen Monarchie nicht mehr schriftlich, sondern mündlich vor der Barre des versammelten Gerichtshofes abgegeben. Nicht unwesentlich wird eben so auch das demnächst zu erwartende neue Strafgesetzbuch — abgesehn von den grossen materiellen Verschiedenheiten von den bisherigen Ansichten, die wir schon früher[2] besprochen haben — auf die Praxis der Preussischen Gerichtsärzte einwirken, und es ist z. B. mit Gewissheit vorauszusehen, dass, um zu dem hier zu besprechenden Thema zurückzukehren, vielleicht die gerichtlichen „Obductionen“, gewiss aber die schriftlichen Obductionsberichte, künftig weit seltner verlangt werden werden, was die neueste Erfahrung in Berlin bereits bestätigt, da die strenge Beweistheorie der bisherigen Criminalpraxis, wobei jeder Zweifel beseitigt werden musste u. s. w., der blossen freien Ueberzeugung des Richters (öffentlichen Anklägers) Platz gemacht hat, die natürlich einen weitern Spielraum gewährt. Eben so auch werden ohne Zweifel durch die Bestimmungen des neuen Strafgesetzbuchs (da nicht zu erwarten, dass die betreffenden Paragraphen des bekannt gemachten „Entwurfs“[S. 6] in der bevorstehenden Berathung durch die Kammern noch wesentlich geändert werden werden), die gerichtlichen Sectionen an und in sich sehr wesentlich vereinfacht werden. Hierauf wird nach dem wirklichen Erscheinen des neuen Strafgesetzbuchs zurückzukommen sein.[3] —
Die hier zunächst zu analysirenden Hundert Leichenöffnungen betrafen 64 Individuen männlichen und 36 weiblichen Geschlechts, und bezweckten die Feststellung der Todesart:
nach Verletzungen | in | 36 | Fällen | ( | 29 | männl. | 7 | weibl.) |
nach Misshandlungen | – | 9 | – | ( | 4 | – | 5 | – ) |
nach Erstickung und Schlagfluss (incl. Erhängen u. Erdrosseln) |
– | 10 | – | ( | 4 | – | 6 | – ) |
von Ertrunkenen | – | 6 | – | ( | 4 | – | 2 | – ) |
von Neugebornen | – | 21 | – | ( | 11 | – | 10 | – ) |
nach Vergiftungen | – | 8 | – | ( | 5 | – | 3 | – ) |
nach angeblichen Kunstfehlern | – | 5 | – | ( | 4 | – | 1 | – ) |
nach Verbrennungen | – | 4 | – | ( | 3 | – | 1 | – ) |
einer Schwangern | – | 1 | Fall | ( | — | – | 1 | – ) |
100 | Fällen | ( | 64 | männl. | 36 | weibl.) |
Von den Organen, die bei den durch Verletzungen Getödteten lädirt worden, waren betheiligt:
der Kopf | 10 | Mal, |
die Lungen | 5 | – |
die Leber | 7 | – |
die Art. iliac. ext. | 1 | – [S. 7] |
das Herz | 2 | – |
die Milz | 2 | – |
die Carotis u. Jugularis | 5 | – |
die Rippen | 4 | – |
das Zwerchfell | 3 | – |
der Magen | 1 | – |
die Extremitäten | 4 | – |
die Brust-Aorta | 1 | – |
das Brustbein | 1 | – |
das Rückenmark | 3 | – |
die Luft- u. Speiseröhre | 2 | – |
der Darmcanal | 1 | – |
die Art. inteross. | 1 | – |
wobei die höhere Zahl als die der an Verletzungen überhaupt Gestorbenen und Secirten nicht auffallen darf, da in nicht wenigen Leichen gleichzeitig mehrere Organe verletzt gefunden wurden. Bemerkenswerth erscheint es hierbei, auf die Immunität mancher Organe und Theile gegen Verletzungen aufmerksam zu machen: denn man ersieht aus der Zusammenstellung, dass in hundert Fällen nicht ein einziges Mal verletzt worden sind: Augäpfel, Zunge, Bauchspeicheldrüse, Nieren, Bauch-Aorta, Hohlvene, Harnleiter, Harnblase, Gebärmutter (bei 36 weibl. Indiv.) und äussere Geschlechtstheile.
Gehen wir nun zur Analyse der wichtigsten Fälle über, wobei mit den
als denjenigen, die bei dem heutigen mangelhaften Standpunkte unsers Strafrechts für die Beurtheilung die schwie[S. 8]rigsten zu sein pflegen, und die auch überall der Zahl nach unter allen Todesarten überwiegend sind, der Anfang zu machen sein wird.
kamen uns unter hundert Fällen acht Mal zur Untersuchung. Hier, wie bei vielen anderen Todesarten, mussten immer noch besondere Umstände obwalten, die die richterliche Vermuthung auf fremde Schuld, z. B. auf Fahrlässigkeit des Wagenführers u. s. w. rege machten, weil sonst nach den gesetzlichen Bestimmungen die Fälle gar nicht zur gerichtsärztlichen Ermittelung gekommen wären.
Die Todesart bei dieser Todesursache war natürlich eine sehr verschiedene, je nachdem verschiedene Körpertheile direct und zunächst von der quetschenden Gewalt der Räder getroffen worden waren. Verhältnissmässig oft findet man dabei — Zersprengungen innerer Organe, die sich dann ihrerseits gewöhnlich gar nicht äusserlich an der Leiche kund thun. Diese Erfahrung habe ich oft, und nicht bloss in den hier folgenden Fällen gemacht, sie ist aber forensisch von der grössten Wichtigkeit und nicht bekannt genug. Henke z. B., der überhaupt kein Practiker war, ein Mangel, der allen seinen Schriften anklebt, Henke spricht (Lehrbuch) nur bei den Zersprengungen der Milz davon, dass dieselben auch ohne äussere Sugillation vorkommen könnten: dasselbe findet aber auch in Betreff von Rupturen, ja von Fracturen, und zwar sehr häufig, bei den mannichfachsten anderen Theilen Statt, wie ich es selbst oft genug bei den Nieren, vielfach bei der Leber, dem Herzen, den Lungen, bei den Rippen, den Wirbelbeinen und erst vor wenigen Wochen noch bei einem Querbruch des Brustbeins, dessen Manubrium ganz abge[S. 9]brochen war, beobachtet habe, und wofür die unten folgenden Fälle Beweise genug liefern werden. Man sieht hieraus, wie bedenklich es ist, aus der blossen Legal-Inspection von Leichen Schlüsse auf die Todesart und Todesursache zu ziehen, und was von der stehenden Phrase in den betreffenden gerichtlichen Bekanntmachungen von unbekannten Todtgefundenen: „Spuren äusserer Gewalt fehlten“ zu halten ist![4]
Ruptur der Leber.
Ein 14monatlicher, starker Knabe war durch Ueberfahren getödtet worden. Ausser kleinen Hautabschilferungen am Hinterkopfe, und einer etwa wallnussgrossen Ecchymose am rechten grossen Trochanter war äusserlich gar Nichts Abnormes an der Leiche wahrzunehmen. Der Kopf namentlich war ganz unbeschädigt, und deshalb, und gestützt auf meine frühern Beobachtungen bei Uebergefahrnen, diagnosticirte ich vor der Section vor meinen umstehenden Zuhörern eine Ruptur der Leber oder der Milz, welche erstere sich auch fand. Der rechte Leberlappen war durch einen Längenriss fast ganz abgetrennt.
Ruptur der Leber.
Ein Arbeitsmann war durch Anfahren eines Wagens umgeworfen und schnell tödtlich verletzt worden. Ausser einer handtellergrossen, wie verbrannt aussehenden Hautstelle auf der linken Brusthälfte und einer unerheblichen Sugillation am rechten Hüftbein, denen keine innere Beschädigung entsprach, war am Leichname äusserlich Nichts auffallend! Dagegen fand sich ein completer[S. 10] Längenriss der Leber, der sie in zwei Hälften getheilt hatte, und ein Querbruch der fünften und sechsten rechten Rippe, die unentdeckt geblieben wären, wenn nicht jene unerheblichen äussern Verletzungen Veranlassung gegeben hätten zu einer gerichtlichen Section des Leichnams.
Ruptur der Leber.
Ein sechsjähriger Knabe war durch Ueberfahren getödtet worden. Mit Ausnahme von unerheblichen Sugillationen von Bohnengrösse am linken Hüftbein, linken Knie, linken Knöchel und rechtem Stirnbein ergab die Inspection der Leiche nichts Abweichendes. Aber auch hier fand sich als Todesursache ein Längenriss der Leber, die in zwei Theile getheilt gefunden wurde.[5]
Tödtlicher Unterschenkelbruch.
Bei einem Säufer, der unter einen Wagen gerieth, ging ein Hinterrad über den rechten Unterschenkel, und verursachte eine Fract. comminuta beider Knochen. Der Verletzte erhielt alsbald in der Charité die nöthige Pflege, starb aber nach achtzig Stunden am Säuferwahnsinn. Der Fall wurde in die gutachtliche Annahme zusammengefasst, dass der Tod durch eine innere Krankheit, zu welcher denatus disponirt gewesen, erfolgt, der Ausbruch dieser Krankheit aber durch den complicirten Beinbruch mit veranlasst worden sei.
Tödtlicher Bruch der Tibia.
Ein Schiefbruch der linken Tibia war durch Ueber[S. 11]fahren bei einer Frau entstanden, und die Verletzte 14 Tage später gestorben. Interessant war der Befund eines Carcinoms an der linken Mamma, und gleichzeitig eines beginnenden Hydrops Ovarii sinistri, der bereits Apfelgrösse erreicht hatte und ein Hydatiden-Hydrops war.[6]
Tödtliche seltene Kopfverletzung.
Eine gewiss höchst seltene Kopfverletzung ergab sich bei einem sechsjährigen, durch Ueberfahren getödteten Mädchen. Die siebente linke Rippe war gebrochen, und am Schädel fanden sich sechs Brüche, worunter der eines vollständigen Bruchs des Zitzenfortsatzes vom Schlafbein! In der linken Lunge ein drei Zoll langer Riss.
Tödtliche Kopfverletzung.
Bei einem sechsjährigen, auf eben diese Weise getödteten Knaben war eine Fissur in der Basis cranii die Todesveranlassung gewesen. Offenbar dagegen nicht Erstickung, denn die Lungen waren bleich, und nicht, so wenig als das rechte Herz und die grossen Gefässe, mit Blut besonders gefüllt. Nichtsdestoweniger befand sich die Schleimhaut der Luftröhre purpurroth und einige Tropfen flüssigen, aber nicht schäumigen Blutes enthaltend. Im Uebrigen fand sich hier die Thymus noch, in der Grösse von zwei Zollen, vor, die ich aber noch in weit spätern Altern, und Einmal bei einem Knaben von funfzehn Jahren noch gefunden habe.[7]
Tödtlicher Schlagfluss durch Ueberfahren.
Während, wie man schon aus obigen Fällen ersieht, in den meisten Fällen beim Ueberfahren, wenn es tödtet, sich sehr erhebliche Beschädigungen in der Leiche finden, war der Fall von einem achtjährigen Knaben ungewöhnlich, der zwei Tage nach dem Ueberfahren gestorben war, und bei dem sich Nichts weiter ergab, als eine drittehalb Zoll lange Trennung der Hautbedeckungen an der Stirn, und apoplectischer Blutandrang (nicht Hämorrhagie) in Gehirn und Sinus.
Unter hundert Fällen kamen elf, und darunter die grausenhaftesten Mordthaten vor, wie sogleich folgende war:
Verletzung des Aortenbogens.
Arbeitsmann Siegel — früher Scharfrichterknecht gewesen — war von seiner Frau verschmäht worden, und alle Versuche, sie wieder zu versöhnen und zu bewegen, wieder zu ihm zu ziehn, misslangen. Da beschloss er, einen letzten Versuch zu machen, und wenn er scheitere, sie zu tödten. Dies geschah, indem er ihr mit den Worten: „nun dann hast du deinen Lohn!“ ein Tischmesser in die Brust stiess. Es drang, wie S. mir im Gefängniss wiederholt gesagt hat, „wie Butter“ ein, und doch hatte es die unerhörte Verletzung gemacht, das Brustbein in der Länge eines Zolles ganz zu penetriren.[8] Die Wundränder[S. 13] im Knochen waren ganz glatt, ohne Spur von Splitterung, Bruch u. dergl. In der Brusthöhle fand sich in beiden Pleurahöhlen zusammengenommen ein halbes Quart dunkelflüssiges, theilweis coagulirtes Blut, und eben solches, geronnenes Blut in der Menge von acht Unzen, erfüllte den Herzbeutel. Es ergab sich, dass der Messerstich in die rechte Lunge an der Insertionsstelle der grossen Gefässe eingedrungen war, und auch den Herzbeutel, so wie den Aortenbogen, 5⁄4 Zoll von seinem Ursprung aus dem Herzen durchbohrt hatte. Die Aortenwunde hatte eine leichte halbmondförmige Krümmung, war 1⁄2 Zoll lang und hatte scharfe, schwach sugillirte Ränder. An der untern Wand des Aortenbogens zeigte sich eine ganz ähnliche sichelförmige Wunde, gleichfalls mit scharfen, sugillirten Rändern, so dass also der Messerstich den Aortenbogen wie das Brustbein ganz durchspiesst hatte. Die Verletzte war mit einem Schrei todt umgesunken. Merkwürdig war, wie so oft in ähnlichen Fällen, die Beschaffenheit der äussern Wunde, die diese so unendlich wichtige innere Verletzung nicht hätte ahnen lassen sollen. Ich erlaube mir, das hierher Gehörige aus der unten citirten früheren Mittheilung über den merkwürdigen Fall zu wiederholen. Da nämlich die Getödtete in einer seitlichen Körperwendung verletzt worden war, nun aber in der Rückenlage auf dem Sectionstische vorlag, so hatten sich natürlich die Hautbedeckungen verschoben, und die äussere Wunde konnte mit der (noch ganz unbekannten) innern nicht correspondiren. Jene aber stellte sich dar als eine, zwischen der ersten und zweiten linken Rippe, nahe an deren Brustbeinansatz, schräg von aussen nach innen verlaufende, 3⁄4 Zoll lange, 1⁄2 Zoll breite Wunde mit scharfen, glatten, weder entzündeten, noch irgend sugillirten Rändern und[S. 14] spitzen Winkeln. Da auch keine Spur von flüssigem oder angetrocknetem Blute an oder in der Wunde sichtbar war, so zeigte dieselbe vollkommen das Ansehen einer, erst einem Leichname zugefügten Verletzung. Aehnlich verhält es sich fast in allen Fällen von Stich- und Schnittwunden, die durch bedeutende Gefässverletzung einen augenblicklichen Tod zur Folge haben, da natürlich dem Organismus hier zu irgend einer Reaction nach den Wundrändern keine Zeit gelassen wird, und es sollten deshalb Solche, die gerichtlich-medicinische Lehrbücher oder Abhandlungen ohne eigene Erfahrung schreiben, nicht immer wieder nachschreiben, dass man als diagnostische Kennzeichen der Verletzungen, die im Leben, von denen, die erst nach dem Tode beigebracht waren, Einstülpung der Wundränder nach innen, coagulirtes Blut an denselben, Geschwulst, Entzündung, Eiterung u. s. w. betrachten müsste, was so wenig im vorliegenden Falle, wie in allen ähnlichen von schnell erfolgtem Tode, die ich gesehn, beobachtet wurde, und wovon die nachstehenden Fälle noch Beweise geben werden. Im Uebrigen füge ich mit Einem Worte an, dass der Gattenmörder zum Tode verurtheilt, aber begnadigt wurde. Sehr ähnlich in Beziehung auf die beigebrachte Verletzung gestaltete sich folgender Fall eines sehr grausamen Kindermordes.
Verletzung der Carotis und des Rückenmarks.
Eine uneheliche, zum zweitenmal geschwängerte Dienstmagd hatte in der Nacht im Keller heimlich geboren, und das Kind zuerst durch mehrfache Stiche mit einem Tischmesser getödtet, und dann noch das eben Sterbende mit einem Spaten, mit dem sie es im Sande verscharrte,[S. 15] äusserlich vielfach verletzt. Die rechte Carotis war in der Brusthöhle durch Einen Stich angestochen worden. Ein Anderer hatte die Wirbelsäule zwischen dem fünften und sechsten Halswirbel vollständig getrennt, und auch das Rückenmark an dieser Stelle vollständig zerschnitten. Die gerichtsärztliche Beurtheilung des Falles war folglich leicht. Dagegen erregte weniger ein medicinisches, als sehr erheblich ein criminalistisches Interesse folgender Umstand, und zeigte, wie wichtig es ist, bei einer Legalsection mit höchster Aufmerksamkeit zu verfahren. Die Angeschuldigte gab an, dass sie, nachdem sie das Kind geboren und dieses noch durch die Nabelschnur mit ihr verbunden gewesen, nach der nahen Küche gegangen sei und ein Tischmesser geholt habe, um mit demselben die Nabelschnur zu durchschneiden, und dass sie dann erst, da sie einmal das Messer in der Hand gehabt und von Schreck und Angst übermannt, plötzlich den Gedanken gefasst und ausgeführt gehabt habe, ihr Kind zu tödten. Sonach wäre ihre That für den Strafrichter nur ein Todtschlag gewesen. Nun war aber natürlich gleich bei der Legalinspection, wo man die spätern Aussagen noch nicht ahnen konnte, genau auf die Beschaffenheit der Ränder des Nabelschnurrestes geachtet worden, und es hatte sich dabei ganz unzweifelhaft durch deren ganz ungleiche, gezackte, gezahnte Ränder ergeben, dass der Nabelstrang nicht mit einem scharfen Instrumente, sondern durch Reissen getrennt worden sein musste. Das von der Thäterin später recognoscirte Mordinstrument war nun vollends ein sehr scharfes gewesen, und um so mehr mussten wir, trotz ihrer Angabe, bei unserer ursprünglichen Behauptung stehen bleiben. So gestaltete sich denn ihr Verbrechen als Mord, denn es war zweifellos, dass sie das Messer[S. 16] nicht geholt hatte, um die Nabelschnur zu trennen, sondern um das Kind, nachdem der Strang bereits getrennt gewesen, zu tödten, wobei also die Prämeditation vom Richter angenommen werden musste. Inculpatin wurde übrigens, wegen nicht ganz zweifelsfreien Gemüthszustandes, nur ausserordentlich mit einer vieljährigen Freiheitsstrafe belegt.
Verletzung der Carotis.
Einen andern Fall einer Verletzung der Carotis (externa) bot die Leiche eines dreissigjährigen Mannes dar, der in einer Balgerei einen Messerstich in den Hals davon getragen hatte. Die linke Carotis war in ihrer vordern Wand angestochen, und die überliegenden Muskeln und Zellgewebe zeigten sich ganz mit geronnenem Blute infiltrirt. Mit einem flüssigen Blute waren Magen und Speiseröhre ganz angefüllt, offenbar aus einer Verletzung des Pharynx zu erklären, welche aber bei der Leichenöffnung nicht aufgefunden werden konnte. Der Tod war drei Stunden nach der Verletzung erfolgt, ohne dass irgend ärztliche Hülfe in Anspruch genommen worden war, und so erschien es gerechtfertigt, wenn im Gutachten, da doch noch immer, aber jetzt Gottlob! die längste Zeit, der unvollkommene und unhaltbare Maassstab der mangelhaften drei Fragen des §. 169 der Crim. Ordnung den preussischen Gerichtsarzt und die technischen Behörden binden, die accidentelle Lethalität „wegen Mangels eines zur Heilung erforderlichen Umstandes“ angenommen wurde.
Verletzung der Carotis und der Jugularis.
Bekleidet und bis an die Brust im Sumpfe stehend, hatte man einen männlichen Leichnam mit abgeschnittenem Halse gefunden. Ganz durchschnitten fanden wir Luftröhre, Speiseröhre, linke Carotis und jugularis und rechte jugularis externa! Natürlich war allgemeine Verblutung im Leichname, an welcher jedoch die noch sichtlich angefüllten Gehirnvenen keinen Theil nahmen, ein Umstand, auf welchen ich am Schluss dieser Mittheilungen noch zurückkommen werde. Fusssohlen und Handteller des Körpers waren weissbläulich und ganz faltig, wie bei Wäscherinnen, wenn sie eben gewaschen haben. Die Mütze des denatus lag am Ufer und in seinen Taschen fand sich Geld. Der Selbstmord war hier zweifellos, und eine complicirte Todesart, verhoffentliches Niedersinken ins Wasser, wenn der Schnitt nicht ein rasches Ende herbeiführen würde, gewählt, wie Lebensüberdrüssige es so oft thun, um ganz sicher ihren Zweck zu erreichen.
Verletzung der Jugularen. Zweifelhafter Selbstmord.
Sehr viel schwieriger war die Frage vom zweifelhaften Selbstmorde bei einem Hutmacher, den man gleichfalls an einer Halsschnittwunde getödtet fand. Man hatte den Mann noch ziemlich spät in der Nacht im Zimmer umhergehen hören, und ihn am andern Morgen auf dem Boden desselben in Hemdsärmeln und mit Hosen und Stiefeln bekleidet, auch mit einem dünnen seidenen Halstuch angethan, gradeüber dem Spiegel todt liegend gefunden. Ringsum war Alles voll Blut; etwa zwei Fuss vom Tod[S. 18]ten lag ein zusammengeklapptes (eingeschlagenes) blutiges Rasirmesser, welches aus einem, im Fenster stehenden offenen Rasirmesserfutteral fehlte. Nicht weit davon lag ein frischer Haufen Menschenkoth. Diese Umstände, so wie hauptsächlich der Befund von zwei oberflächlichen Hautwunden in beiden Ellenbogenbugen, während die Hemdsärmel die ganzen Arme bedeckten, endlich die Verhältnisse des denatus, der mit zwei Concubinen zusammenlebte, hatten die Vermuthung auf eine Mordthat rege gemacht. Den Tod hatte eine Halsschnittwunde verursacht, die von einer Seite zur andern etwas schräg von links und oben nach rechts und unten verlief (ohne dass das Halstuch zerschnitten war —), und die den Kehlkopf und beide äussern Drosselvenen durchschnitten, und einen Verblutungstod verursacht hatte, der sich in der Blutleere des ganzen Körpers (mit Ausnahme der Gehirnvenen, die noch sichtlich Blut enthielten), documentirte. Aber es ergaben sich noch merkwürdige pathologische Befunde, die gleichzeitig die Beurtheilung des Falles erleichterten. Die Luftröhre war fast in ihrer ganzen Ausdehnung, so wie die Knorpel des Kehlkopfs verknöchert; auch die Bronchien waren verknöchert und enthielten Eiter, das Herz war um die Hälfte seines Volumens hypertrophisch mit Erweiterung des linken Ventrikels, und die Leber zeigte Cirrhose. Diese Krankheiten hatten den Verstorbenen, wie durch ärztliche Atteste und seine Hausgenossen festgestellt ward, seit Jahren sehr leidend und verstimmt gemacht, und noch am Abend vor seinem Tode hatte er geäussert: „eine Pistolenkugel, und Alles ist vorbei!“ Musste man schon hiernach zu der Annahme eines Selbstmordes gelangen, so sprach noch der Umstand, dass die Thür des Zimmers von innen verriegelt worden war, dafür. Auf[S. 19]fallend waren nur die Armschnittwunden und das eingeschlagene Rasirmesser, worüber wir uns, wie folgt, äusserten: „Diese Verletzungen müssen nothwendig zuerst beigebracht worden sein, da nicht anzunehmen, dass ein Mensch, der sich zuerst eine solche Halsverletzung beigebracht, sich dann noch zwei Schnittwunden in den Arm habe geben können. Gar nicht abzusehen ist es ferner, was etwanige Mörder veranlasst haben könnte, nachdem sie den Hals durchschnitten, noch die Arme auf die vorgefundene Weise einzuschneiden, wie noch weniger anzunehmen, dass Dritte zuerst diese leichten, und dann erst die tödtliche Verletzung beigebracht hätten. Bekannt aber ist es, wie häufig Selbstmörder zuerst vergebliche Versuche machen, um zu ihrem Ziele zu gelangen. Höchst wahrscheinlich ist auch H. so verfahren, und hat sich zuerst jene leichten Schnitte beigebracht, die, da sie nur ganz oberflächlich waren, ihm nicht die Besinnung raubten, und ihm Zeit genug liessen, die Hemdsärmel noch wieder hinunter zu ziehn, und nun einen andern und sicherern Todesweg einzuschlagen. Auffallend ist ferner das bei der Leiche gefundene eingeschlagene, blutige Rasirmesser. Aber es liegt Nichts in den Umständen, was diesen Befund mit der Annahme eines Selbstmordes unvereinbar machen müsste; denn es ist erfahrungsmässig nicht vorauszusetzen, dass der Tod durch die Halsschnittwunde etwa urplötzlich erfolgt wäre, vielmehr hat denatus nach der Analogie ähnlicher, ärztlich beobachteter Fälle zweifellos wohl noch mehrere Minuten, vielleicht noch länger gelebt, und kann sehr füglich unmittelbar nach dem Schnitt noch das Messer zusammengeklappt und weggeworfen haben. Wie auffallend ferner das unverletzt gefundne Tuch um den Hals auch sein mag, so spricht doch[S. 20] auch dieser Umstand mehr für Selbstmord, als für die That eines Dritten, da kaum anzunehmen, dass ein etwaniger Mörder, selbst wenn er den H. im Schlafe überfallen hätte, so behutsam und langsam zu Werke gegangen wäre, das Halstuch herabzuziehn. Endlich ist es schwer, einen blossen Zufall darin zu erkennen, dass die Stelle, an welcher der Leichnam gefunden worden, grade dem Spiegel gegenüber sich befindet, während sich die Annahme aufdrängt, dass H. diese Stelle absichtlich gewählt, und dem Spiegel gegenüberstehend, das Halstuch herunterziehend, den Schnitt ausgeführt habe.“ Diese Ansicht drang durch, und wurde noch durch spätere Vernehmungen zur Gewissheit erhoben.[9]
Verletzung der Carotis und Jugularis.
Mehrfache und sehr interessante pathologische Befunde, die auf lange und vielfache Leiden im Leben, welche ohne Zweifel die Veranlassung zum Selbstmorde geworden, zurückschliessen liessen, fanden wir in einem andern Falle einer tödtlichen Halsverletzung, die die linke Carotis und Jugularvene ganz durchschnitten hatte. Das Herz war nämlich ungewöhnlich klein, und dabei in seiner linken Hälfte hypertrophisch. Der Magen lag fast vertical nach dem Becken zu, und war sehr deutlich durch zwei Stricturen in drei Taschen getheilt, wobei dessen ganze Schleimhaut verdickt war. Die rechte Niere, so wie die rechte A. und V. renalis fehlten gänzlich. Die Todesursache war natürlich Verblutung gewesen, die sich in der[S. 21] allgemeinen Blutleere, mit Ausnahme der noch mässig angefüllten sinus dur. matr. documentirte.
Verletzung der Art. iliac. externa.
Eine seltnere Gefässverletzung als die an den grossen Halsgefässen war die der Arter. iliaca externa. Ein 18jähriger Fabrikarbeiter erhielt in einem Auflauf einen Stich, sank mit den Worten: „ich bin gestochen — in die Brust“ — zur Erde, und verstarb sehr bald darauf. Der Leichnam war ganz mit Blut besudelt und zeigte eine ungewöhnliche Blutleere der Leber und Milz, völlige Leere der grossen Unterleibsvenen, ungewöhnliche Blutleere der Lungen, des Herzens, der grossen Venen der Brust, sehr weniges Blut in der Schädelhöhle und eine Infiltration des ganzen Bauchfellzellgewebes mit extravasirtem Blute. Es fand sich, dass die Art. iliaca externa hinter dem Poupartschen Ligament fast ganz durchschnitten war, so dass nur noch eine linienbreite Brücke die hintere Arterienwand zusammenhielt. Konnte man diese Verletzung im Sinne der ersten Frage des §. 169 der Crim. Ordn. für allgemein absolut lethal erklären, oder musste die Möglichkeit einer Unterbindung erwogen werden? Grade Fälle, wie dieser, zeigen die Unhaltbarkeit dieser antiquirten gesetzlichen Bestimmungen. Wir sagten dem Richter im Gutachten darüber Folgendes, was wir überhaupt als Grundsatz in Betreff der Frage vom Einfluss der neuern Unterbindungsversuche auf die forensische Praxis aufstellen müssen: „Es muss hier angeführt werden, dass die vorgeschrittene neuere Chirurgie auch in der Praxis der Unterbindung der Pulsaderstämme erhebliche Fortschritte gemacht hat, wohin hier namentlich die Versuche gerechnet werden müs[S. 22]sen, Arterien selbst im Innern der Höhlen der Brust und des Unterleibs zu unterbinden. Zu letztern gehört aber auch die hier in Rede stehende Art. iliac. ext. vor ihrem Durchtritt, d. h. innerhalb der Bauchdecken, also an der Stelle, an welcher sie bei dem P. verletzt worden. Bis jetzt indess sind diese grossen und schwierigen Unterbindungsversuche nur von Meisterhänden, in sehr seltnen und einzelnen Fällen, mit Vorbedacht und Vorbereitung, und trotz aller dieser günstigen Bedingungen leider! meist ohne endlichen glücklichen Erfolg ausgeführt worden. Wenn hierzu noch erwogen wird, dass sie geschehn, nicht um eine nach Verletzung entstandene Blutung zu stillen, sondern um eine Krankheit (im Gefässsysteme u. s. w.) gründlich zu heilen, so ist es nicht zu weit gegangen, wenn man den Satz aufstellt: dass Unterbindungsversuche der geschilderten Art, und unter diesen Umständen ausgeführt, in foro als Heilmethoden, um eine Blutung aus dergleichen verletzten Gefässen zu stillen, wo eben durch die Verletzung und die begleitenden Momente, Zeit, Ort u. s. w. den obigen diametral entgegengesetzte Verhältnisse obwalten, gar nicht in Betracht gezogen werden können. Wenn aber, um auf den Fall qu. zurückzukommen, 1) eine Unterbindung der verletzten Arterie selbst dann hier nicht hätte Erfolg versprechen können, wenn zufällig ein sehr geschickter Wundarzt mit allem nöthigen Apparat ganz vorbereitet sich bei dem Verletzten befunden hätte, weil der Tod so schnell erfolgte, dass nicht einmal Zeit geblieben wäre, den Verwundeten zu entkleiden und gehörig zu lagern; 2) aber eine anderweitige Stillung der Blutung vollends undenkbar ist, so müssen wir annehmen, dass diese Verletzung un[S. 23]bedingt und unter allen Umständen für sich allein den Tod zur Folge haben musste.“
Verletzung der Lunge und des Herzbeutels.
Ein junger Bösewicht, dessen unheimliche Physiognomie ich nicht vergessen habe, ermordete seinen 32 Jahre alten Lehrherrn, während dieser schlief, mit zweiunddreissig in wüthiger Hast folgenden Messerstichen! Lungenwunden waren die eigentliche Todesursache geworden. Im obern Lappen der rechten Lunge fand sich eine 3⁄8 Zoll lange Wunde, eine zweite 3⁄4 Zoll lange nicht weit davon entfernt, und zwei Quart Blut waren in diesem Cavum pleurae ergossen. Unter dem linken Schlüsselbein ergab sich eine 3⁄4 Zoll lange, weitklaffende Wunde der Pleura mit sugillirten Rändern, und ein wenig tief in die Spitze der linken Lunge eindringende, 1⁄2 Zoll lange Verletzung, aus welcher ein halbes Quart rothflüssiges Blut ergossen war. Der Herzbeutel war 1⁄4 Zoll lang angestochen. (Im Wege der Gnade wurde die erkannte Todesstrafe gegen den jugendlichen Verbrecher in Zuchthausstrafe gemildert.)
Verletzung der Lunge.
Eine andre Lungenwunde tödtete einen vierzehnjährigen Knaben, der von seiner erzürnten Stiefmutter einen Messerstich in den Rücken bekommen hatte, worauf er nach sieben Stunden starb. Im linken Pleurasack fanden wir vier med. Pfund dunkelflüssigen, einige Coagula enthaltenden Blutes. Der Stich war anderthalb Zoll lang in den untern Lappen der linken Lunge eingedrungen. Mit[S. 24] Ausnahme einer doppelt so grossen Milz als gewöhnlich, wie man sie gewiss nur selten in diesem Alter findet (vielleicht Folge hartnäckigen Wechselfiebers?), und der allgemeinen Blutleere im Körper, an welcher jedoch das Gehirn und die sinus keinen Theil nahmen, war der übrige Befund der normale.[10]
Verletzung des Herzens und Zwerchfells.
Eine 34jährige Frau wurde augenblicklich durch eine Herzwunde getödtet, die ihr mit einem scharf geschliffenen, dreikantigen Instrumente beigebracht worden war, das den linken Ventrikel ganz durchbohrt hatte. Ausserdem fanden sich der vordere Rand der linken Lunge eingestochen und das Zwerchfell durchbohrt. Auffallend war eine Einklemmung der Zunge zwischen die Zähne, die man beim Verblutungstod nicht hätte erwarten sollen. Wir werden auf den Werth dieses Zeichens als gerichtlichen Sectionsbefund noch unten zurückkommen.[11]
Ein abgerissenes Herz.
Einer der allerseltensten Leichenbefunde ist gewiss ein ganz abgerissenes Herz! Ein 24jähriger Glashändler fuhr in strenger Winterkälte Nachts die Anhöhe von Spandau mit einem schwer mit Glaskisten beladenen Wagen hinab, und war abgestiegen, um die Pferde besser leiten zu können. Der Wagen kam aber ins Rollen und der Un[S. 25]glückliche wurde, unstreitig mit grösster Gewalt, gegen eine Pappel der Chaussee geschleudert, an welcher man ihn noch in derselben Nacht, da der leer in Charlottenburg einfahrende Wagen sogleich Nachsuchung veranlasst hatte, todt liegend fand. Bei den allergrössten innern Beschädigungen fand sich auch hier wieder bei der äussern Besichtigung der Leiche — Nichts als eine kleine Hautabschilferung auf dem rechten Jochbogen, und eine eben solche auf dem linken Oberarm. Wer hätte den innern Befund ahnen sollen! Am und im Kopfe fand sich nichts Bemerkenswerthes, nur dass der sinus transversus „mehr als gewöhnlich blutreich“ war. Beim Oeffnen des Rückenmarkes am Halse floss allmälig ein Quart dunkelflüssigen Blutes aus dem Canal hervor. Der Proc. spinosus des ersten Brustwirbels war ganz abgebrochen, und lag lose in den weichen Theilen. Die Rückenmuskeln waren in der Tiefe in der ganzen Rückenlänge sugillirt, die Medulla aber war unverletzt. In der linken Brust fanden sich dreissig Unzen dunkelflüssigen Blutes, und es fiel sogleich auf, dass man an der gewöhnlichen Stelle kein Herz sah, und dasselbe vielmehr lose ganz nach unten und in der Tiefe gelagert war! Der Herzbeutel war nämlich in seinem ganzen Durchmesser zerrissen. Das Herz war von den grossen Gefässen ganz und gar abgerissen, so dass es fast frei in der Brusthöhle lag. Die beiderseitigen Endungen der grossen Gefässe, namentlich die der Pulmonararter. und der Aorta, konnten in der Brusthöhle deutlich verfolgt werden. Das Gewebe des Herzens war übrigens fest und derb und das Herz enthielt in beiden Hälften, namentlich in den Ventrikeln, noch viel dunkles, coagulirtes Blut. Auch die linke Lunge war in ihrem mittleren Einschnitt fast ganz durchgerissen, und endlich fanden[S. 26] wir im rechten Leberlappen noch einen 2 Zoll langen, 1⁄2 Zoll tiefen Einriss!! Und Nichts äusserlich an der Leiche Wahrnehmbares![12]
gaben unter den hier betrachteten hundert Fällen dreimal Veranlassung zu gerichtlichen Leichenöffnungen. Die interessanteste, und zwar wieder wegen zweifelhaften Mordes oder Selbstmordes, betraf folgenden
Schusswunde in Zwerchfell und Milz. Zweifelhafter Selbstmord.
Ein 48jähriger Mann wurde im Januar bekleidet im Wasser todt gefunden. Sein Rock und Ueberrock waren bis an den Hals zugeknöpft, Kleider und Hemde unverletzt. Man zweifelte nicht, einen Ertrunkenen vor sich zu haben, und begreiflich ist die Ueberraschung der Polizeibeamten, die nun beim Entkleiden — eine Schusswunde in der Herzgegend fanden! Bei der hierauf verfügten Obduction ergab sich, dass der Schuss in die Brust eingedrungen war, das Zwerchfell und die Milz durchbohrt hatte, und an der Wirbelsäule in den Muskeln stecken geblieben war. Die Lungen waren gesund und enthielten kein Wasser, die Luftröhre kaum etwas blutigen Schaums, das rechte Herz war überfüllt, das linke leer, der linke Pleurasack enthielt anderthalb Tassen Blut, die Zunge war etwas eingeklemmt. Im Kopfe fand sich grosser Blutan[S. 27]drang in den Venen und sinus, im Magen eine Tasse schmutzig braunen Wassers, im Uebrigen Alles normal, nur eine ungewöhnliche Obesität am ganzen Leichnam. Am frühen Morgen hatte man in dem, dem Teiche nahe stehenden Hause die Hunde bellen hören, und man konnte von einer, vom Teiche nicht sehr entfernten Stelle, wo der Schnee mehr aufgewühlt war, in demselben deutlich Fusstritte bis zum Teiche verfolgen. Die Beurtheilung des sehr ungewöhnlichen Falles war, wie man sieht, nicht ganz leicht. Es wurde im Gutachten judicirt, dass die Schusswunde (im Sinne der ersten Frage des §. 169 Cr. O.) eine absolut lethale gewesen. Diese nothwendige Tödtlichkeit sei jedoch keine nothwendig augenblickliche gewesen, und der Geschossene habe damit füglich noch einige Schritte bis zum nahen Wasser gehen können, und hier bald seinen Tod gefunden, wie wenigstens mehrere, im Leichnam gefundene Zeichen des Ertrinkungstodes bewiesen. Was die Frage von der Thäterschaft beträfe, so müsse Selbstmord angenommen werden, da nur so, in Betracht der Möglichkeit eines, noch kurze Zeit fortdauernden Lebens mit Besinnung nach dem Schusse, der Befund der ganz zugeknöpften Kleidungsstücke zu erklären sei. Ein Mörder hätte, da Kleider und Hemde unverletzt waren, den denatus nackt vor sich haben müssen, und dann sei wieder die volle Bekleidung, in der die Leiche gefunden worden, fast unerklärlich. Endlich spräche auch der Umstand, dass der Tod, noch bevor die tödtliche Schusswunde ihre letzte Wirkung geäussert, durch Ertrinken erfolgt, gegen Mitwirkung dritter Thäter. Dass das abgeschossene Pistol in der Rocktasche der Leiche gefunden worden, konnte als beweisend nicht erachtet werden, da möglicherweise auch ein Mörder, um die Vermuthung eines Selbstmordes[S. 28] rege zu machen, dasselbe absichtlich hineingesteckt und zurückgelassen haben konnte. Wohl aber sprächen endlich analoge Fälle von Selbstmördern noch für unsere Ansicht. — Später wurde ermittelt, wer der bisher Unbekannte gewesen (ein fremder Kaufmann), und dann durch die Umstände unser Urtheil durchaus bestätigt.
Schusswunde in Lunge und Rückenmark.
Eine andere Schusswunde, die einen 38jährigen Wilddieb getödtet hatte, hatte folgenden Verlauf genommen. Die Kugel war in die linke Hand eingedrungen, am Radius herausgegangen und dann in die linke Schulter eingedrungen. Sie hatte die erste und zweite Rippe zerschmettert, war unterhalb des Schlüsselbeins, ohne dessen Gefässe zu treffen, in die linke Brusthöhle eingedrungen, hatte die Spitze der linken Lunge zerrissen, war in den Körper des dritten Brustwirbels eingedrungen, hatte die vordere Fläche des Rückenmarkes eingerissen und war dann wieder ausgetreten und in den Weichtheilen des Rückens stecken geblieben, wo sie in der Leiche gefunden wurde. Die Beurtheilung des Falles war natürlich leicht.
Schusswunde der Leber.
Eben so wenig Schwierigkeit bot die Beurtheilung einer andern Schusswunde dar, eines Falles, der mehr in psychologischer Beziehung als in chirurgisch-forensischer selten und bemerkenswerth war. Der Maurergeselle Klebe lebte mit einer Zuhalterin, und hatte Verdacht gegen seinen ältesten (21jährigen) Sohn aus früherer Ehe geschöpft, dass er ihm seine Geliebte zu seinem eigenen Besten ab[S. 29]wendig machen wollte. Er beschloss, sich an ihm zu rächen, und beging am eignen Sohne einen Mord aus Eifersucht!! Der Augenblick der That bot eine Scene dar, wie sie die ausschweifendste Phantasie kaum erfinden mag. Der Sohn schlief mit dem jüngern Bruder, einem kleinen Knaben, in Einem Bette, und hielt denselben zufällig im Schlafe umschlungen. Da nähert sich in der Nacht der Vater seinen schlafenden Kindern, eine kleine Lampe in einer, ein geladenes Pistol in der andern Hand, biegt sich über den Knaben, um diesen nicht zu verletzen, hinüber, setzt das Pistol dem ältern Sohne in der Lebergegend an, drückt los und tödtet ihn auf der Stelle! — Bei der Section fand sich die Leber so zermalmt, dass nur noch der lob. Spigel. erhalten war. Die ganze übrige Substanz mit der Gallenblase war in einen blutigen Brei verwandelt. Zwei Pfund dunkelflüssiges Blut lagen frei in der Bauchhöhle. Die Kugel war von der Leber aus noch in die Milz gedrungen, hatte diese an ihrem innern Rande durchbohrt, und war dann in den achten Rückenwirbel gegangen, in welchem sie steckend gefunden wurde. — Der unnatürliche Verbrecher, der später im Gefängniss eine grosse Zerknirschung und religiöse Fassung zeigte (oder erheuchelte?), wurde hingerichtet.
Ausser denjenigen, die schon oben erwähnt wurden, sind noch folgende Fälle hervorzuheben.
Stichwunde des Zwerchfells, der Leber und des Magens.
Eine Verletzung des Zwerchfells, der Leber und des Magens durch einen Messerstich tödtete nach zwölf Stunden. Die äussern und innern Ränder der Stichwunde fanden sich sugillirt. Das Diaphragma war in seinem musculösen Theil, dicht neben dem sehnigen Spiegel, 1 Zoll lang eingeschnitten, und die Ränder dieser Wunde zeigten sich sehr stark sugillirt. Der scharfe Rand des linken Leberlappens war 3⁄8 Zoll lang eingeschnitten und in der vordern Fläche des Magens fand sich eine 5⁄4 Zoll lange Wunde. Sämmtliche Wundränder waren stark sugillirt. Eine pathologisch-anatomische Seltenheit in der Leiche bot die Schilddrüse dar. In der rechten Seite fand sich nämlich eine wallnussgrosse Verknöcherung, die eine Höhle umschloss, welche theils mit Knochenstückchen, theils mit Speckpartikeln ausgefüllt war, also eine osteosteatomatöse Kropfgeschwulst.
Verletzung des Darms.
Endlich schliesst sich an die vorbeschriebenen Fälle ein trauriger, und leider! in Beziehung auf die Mörder ganz unaufgeklärt gebliebener Fall von Darmverletzungen an. Ein 68jähriger Mann, der Abends harmlos in seinem Stübchen am Ofen sass, wurde von zwei eindringenden Räubern überfallen, nach seinem Gelde befragt, und als er sich zur Wehre setzte, von Einem derselben im Fliehen mit einem Dolch — für ein spitzes, zweischneidiges Instrument mussten wir nämlich das unaufgefundene Mordwerkzeug erklären, und ein solches, ein neuer Dolch,[S. 31] wurde auch nach Monaten bei einem der That sehr Verdächtigen, der aber nicht überführt werden konnte, aufgefunden — in den Unterleib gestochen. Zwei Stunden später fand ihn ein Arzt bei völligem Bewusstsein, mit normalem Puls, Neigung zum Erbrechen, und (bis zu seinem Tode) über heftige Schmerzen in der Magengegend klagend, während doch die Stichwunde in der linken reg. iliaca war. Die Nacht verging sehr unruhig. Eine Ausleerung war auf keine Weise zu erzielen. Früh um 6 Uhr trat Meteorismus ein, der Puls wurde fadenförmig, und unter fortwährenden Wehklagen und Ohnmachten erfolgte der Tod 26 Stunden nach der Verletzung. — Es fand sich das Colon descendens an beiden (vordern und hintern) Wänden und das S. romanum an der vordern Wand durch Stich-Schnittwunden von 1⁄4 bis 1⁄2 Zoll Länge durchbohrt, das ganze Bauchfell hochroth entzündet, und zehn Unzen Blut in die Bauchhöhle ergossen. Wer wollte wohl daran zweifeln, dass eine solche Verletzung nothwendig den Tod herbeiführen musste? Nichtsdestoweniger musste das forensische Gutachten bei der Herrschaft der drei gesetzlichen Fragen grosse Umwege und unnütze Ausführungen machen, um dem Defensor den etwanigen Einwand, dass Darmwunden an sich nicht so zu nennende absolut lethale Verletzungen seien, abzuschneiden.
Anscheinend tödtliche Unterleibsverletzung.
Diese Reihe von Untersuchungen an Leichen zur Ermittelung der Todesart nach Verletzungen des Unterleibs möge ein sehr eigenthümlicher Fall beschliessen, der sehr anschaulich die Nothwendigkeit einer ärztlichen Mitwirkung bei diesen Fällen, und die Unzulänglichkeit einer blossen[S. 32] Leichenbesichtigung durch Gerichtsdeputirte (Laien) nach Tödtungen durch Gewaltthätigkeit nachweist, wie sie leider in allen solchen Fällen, wobei die Schuld eines Dritten nicht constatirt, oder nicht vorausgesetzt wird, seit December 1824, unter Abänderung der Vorschrift der Crim.-Ordnung eingeführt ist. Zu wie manchen Missgriffen mag diese Bestimmung Veranlassung gegeben haben. Wie manche Leiche mag in diesen achtundzwanzig Jahren beerdigt worden sein, nachdem der Beerdigungsschein vom Gerichtsdeputirten ertheilt, und darin bestätigt war, dass „Spuren äusserer Gewalt fehlten“, während eine ärztliche Untersuchung des Körpers vielleicht die erheblichsten Spuren einer äussern Gewalt, wenn auch nicht auf der Oberfläche der Leiche, gefunden haben würde. Wie viel wahrscheinlicher würde sich umgekehrt das Urtheil eines Laien im nachfolgenden Falle für die Tödtlichkeit der Verletzung ausgesprochen haben, für welche auch in der That Alles zu sprechen schien, während die gerichtsärztliche Untersuchung einen ganz andern Zusammenhang nachwies. Der sehr interessante Fall war folgender. In einer kalten Winternacht wurde ein angetrunkener Umhertreiber von zwei Grenadieren arretirt. Auf dem Transport entsprang er ihnen, bald aber fiel er beim Laufen auf dem glatten Strassenpflaster mit Heftigkeit — wie ein Zeuge ausgesagt — nieder, raffte sich indess bald wieder auf, und machte Anstalt, seine Flucht fortzusetzen, als ihm Einer der Soldaten sein Gewehr, das Bajonet voran, nachwarf, das den Flüchtigen traf und zum Stehen brachte. Er wurde eingeholt, konnte aber alsbald sich nicht mehr aufrecht erhalten, noch weniger weiter gehen, und musste nach dem nicht sehr entfernten Gefangenhause getragen werden, wo er bereits bei der Annahme verstarb. Dies[S. 33] war doch wohl eine tödtliche Bajonettstichwunde, die man auch an der Leiche sehr deutlich wahrnahm? Mit nichten! — Denn die (erheblichen) Leichenbefunde waren folgende: zwischen der 11ten und 12ten Rippe links, fünf Zoll von der Wirbelsäule entfernt, befand sich eine dreieckige, an jedem Schenkel 3⁄8 Zoll lange, mit angetrocknetem Blute angefüllte Wunde mit scharfen, schwach sugillirten Rändern. Die Bauchdecken waren ganz ungemein fettreich. Die hintere Wand des Bauchfells war ganz und gar, zum Theil auch noch seine Duplicaturen mit einem dunkeln halbgeronnenen Blute infiltrirt, dessen Quelle nicht entdeckt werden konnte. In der Tiefe der Bauchhöhle fanden sich drei Unzen voll blutigen Wassers. Die äusserlich wahrnehmbare Bajonettstichwunde aber hatte in die Bauchhöhle hinein gar nicht penetrirt, sondern verlief blind in den fettreichen Bauchbedeckungen, in welchen sich um die Wunde herum eine halbzollgrosse Infiltration schwarzen, halbflüssigen, halbgeronnenen Blutes zeigte. Im Uebrigen ergab sich, ausser einer ansehnlichen Blutfülle der Gehirnnerven und Plexus (und dem anderweitig interessanten Befunde einer durchgängigen Verwachsung des Herzbeutels mit dem Herzen, so dass derselbe davon auf keiner Stelle zu trennen war,) nichts Bemerkenswerthes und auf die Todesursache Bezügliches. Denatus war folglich an einer Verblutung im Unterleibe gestorben, aber die Verletzung mit dem Bajonett hatte diese, und den Tod nicht verursacht gehabt, da das Instrument gar nicht penetrirt, und weder ein inneres blutreiches Organ, noch ein Blutgefäss getroffen hatte. Die Ursache der Blutung mussten wir vielmehr in dem Falle suchen, welchen L. auf das Strassenpflaster, kurz vor erhaltenem Stiche gethan hatte. Dass dieser Fall des Angetrunknen auf das[S. 34] glatte, gefrorne Pflaster heftig gewesen, stand nach der Untersuchung fest, und die durch den heftigen Fall bewirkte Erschütterung musste als der Grund der Sprengung eines Blutgefässes angesehen werden. Diese innere Blutung, führten wir ferner aus, konnte nur allmählig zugenommen haben, denn sie hatte Zeit gehabt, einen so umfangreichen Theil des Zellgewebes und der Muskeln zu infiltriren, während bei schnellen inneren Verblutungen sich ein ganz andrer Leichen-Befund ergiebt, und deshalb konnte denatus unmittelbar nach dem Falle, welcher Veranlassung zur Sprengung eines Gefässes geworden, sehr füglich sich noch wieder aufraffen, und einige Schritte weiter laufen, bis ihn der empfangene Stich und das in seinen Kleidern hängen gebliebene Gewehr zum Stehen brachten. Nun aber, und nachdem die innere Blutung mehr und mehr zugenommen hatte, sank er zusammen und die tödtliche Wirkung der inneren Verblutung war eingetreten. „So sehr demnach der äussere und oberflächliche Anschein, grade darin namentlich, dass der Verletzte sehr rasch nach erfolgter Verletzung zu Boden sank und bald darauf starb, für einen ursachlichen Zusammenhang der Verletzung mit dem Tode zu sprechen scheint, so wenig hat ein solcher Statt gefunden, indem hier vielmehr nur ein, bereits anderweitig tödtlich Getroffener noch eine, an sich nicht sehr bedeutende Stichwunde erhalten hat, welche unter andern Umständen sehr häufig ohne allen Nachtheil für das Leben des Verletzten geblieben ist.“
Noch weit mehr tritt die oben geschilderte Schwierigkeit ein, d. h. noch weit entscheidender tritt die gänzliche[S. 35] Verwerflichkeit aller und jeder Annahme von Lethalitätsgraden, die absolute Unhaltbarkeit der drei Fragen des §. 169 Cr. O. hervor in solchen Fällen, in welchen nach beigebrachten Verletzungen der Tod erst nach längerer Krankheit, nach vorangegangenen chirurgischen Operationen, Trepanation, Amputation u. s. w., überhaupt nach Einwirkung einer längeren Reihe von mitwirkenden Zwischenursachen erfolgt war. Wie diese in ihrer Mannichfaltigkeit gar nicht unter bestimmte allgemeine Categorien subsumirt werden können, wie dabei der verschiedenen ärztlichen Ansicht freier Spielraum gegeben ist, so ist denn auch erklärlich, was die tägliche Erfahrung lehrt, warum in solchen Fällen in den drei gesetzlichen technischen Instanzen, Physicat, Provinzial-Medicinal-Collegium und wissenschaftliche Medicinal-Deputation im Ministerio, nicht selten drei ganz verschieden auslaufende Gutachten erstattet werden. Wir wiederholen, dass wir mit Verlangen dem Erscheinen des neuen Strafgesetzbuches entgegensehen, dessen Entwurf, den neueren gereinigten Ansichten der Strafrechts- und der gerichtlichen Arzneiwissenschaft entsprechend, die alte absurde Lethalitätslehre mit Stumpf und Stiel ausrottet, und in dessen §. 233 Abschn. I. Tit. XII. es wörtlich heisst:
„der Thatbestand der Tödtung ist als vorhanden anzunehmen, ohne Rücksicht darauf, ob der tödtliche Erfolg einer Verletzung durch zeitige und zweckmässige Hülfe hätte verhindert werden können, oder ob eine Verletzung dieser Art in anderen Fällen durch Hülfe der Kunst geheilt worden, imgleichen ob die Verletzung nur wegen der eigenthümlichen Leibesbeschaffenheit des Getödteten, oder wegen der zufälligen Umstände,[S. 36] unter welchen sie zugefügt wurde, den tödtlichen Erfolg gehabt hat.“[13]
Folgende acht, an sich zum Theil höchst denkwürdige Fälle würden, bei solchen gesetzlichen Bestimmungen, der Beurtheilung weniger Schwierigkeiten dargeboten haben.
Verletzung des Ellenbogengelenks. Amputation. Tod.
Durch einen Säbelhieb war das rechte Ellenbogengelenk eines Mannes getroffen und verletzt worden. Zwölf Stunden nach der Verletzung wurde er in der Charité amputirt. Bald nach der Amputation, die nach dem Charitéjournal dringend indicirt war, stellten sich fieberhaft-entzündliche Brustzufälle ein, und vier Wochen nach der Verwundung starb der Kranke an exsudativer Pleuritis. Der Oberarmstumpf war 7 Zoll lang, seine Ränder waren theilweise vernarbt, aber zwischen ihnen noch schlechter, graugrüner Eiter befindlich. Die unterbundene A. brachialis war einen Zoll lang vollständig obliterirt. Den rechten Pleurasack erfüllten 1 1⁄2 Quart gelbgrünen, flüssigen Eiters, und die lederartig compacte Lunge war bis auf ein Viertel ihres Volumens comprimirt. Ihre Substanz war bei Einschnitten hellgrau, ohne blutigen Schaum, und an ihrer Basis fanden sich zahlreiche, zum Theil erweichte Tuberkeln. Auch im linken Pleurasack schwammen acht Unzen blutigen Wassers, aber die linke Lunge war gesund. Dagegen war der ganze rechte Leberlappen an seiner unteren Fläche durch sinuose Eitergänge zer[S. 37]stört. An der unteren Fläche des linken Leberlappens fand sich ein noch geschlossener Abscess. Auch die rechte Niere war von Eitergängen durchfurcht. — Gewiss war die ursprüngliche Verletzung keine absolut lethale; dennoch ward sie Veranlassung zur (kunstgerecht) ausgeführten Absetzung des Gliedes. Diese ihrerseits wurde Gelegenheitsursache zur inneren, endlich tödtlichen Krankheit, und so standen Verletzung und Tod allerdings in unleugbarem Causalnexus, der aber mit dem Maassstabe der gesetzlichen Lethalitätsfragen gar nicht zu bemessen war, denn es bedarf, bei einer richtigen Würdigung derselben, hier keiner weiteren Ausführung darüber, dass, wie die allgemeine, so auch andererseits die Nothwendigkeit des Todes gerade bei diesem Individuum keinesweges bewiesen werden konnte. Ganz ähnlich in Bezug auf die Begutachtung verhielt sich
Bruch des Oberschenkels. Gangraen. Tod.
die seltne, bei einem 19jährigen gesunden Arbeiter durch Einsturz einer Mauer verursachte Verletzung, wodurch beide condyli des rechten Oberschenkels ganz abgebrochen worden waren. Es bildete sich eine Verjauchung im Kniegelenk und Brand der äusseren Wunde, die eine kunstgemässe Behandlung weder zu verhüten, noch zu heilen vermochte, und der Verletzte starb nach 3 Wochen.
Verletzung der A. interossea. Gangraen. Tod.
Sehr lehrreich in chirurgischer, wie forensischer Beziehung war folgender Fall. Am Abend des 20. Decbr. wurden zwei Schlafcameraden handgemein, und der Eine,[S. 38] ein 33jähriger, starker, „kerngesunder“ Mann, ward dabei so schwer verwundet, dass man augenblicklich stromweise Blut aus seinem linken Arm fliessen sah. Nach einer Stunde erschien ein Arzt, der den Verletzten alsbald nach der Charité schaffen liess, wo man, nach angelegtem Tourniquet, an dem sehr matten, über Frost und Beklommenheit klagenden Patienten folgende Verletzungen bemerkte: am Oberarme eine Längswunde von 3⁄4″ Länge, 4‴ Breite und 1⁄4 Zoll Tiefe, aus der nur venöses Blut floss. 2) Unter dieser eine oberflächliche Hautwunde. 3) In der Ellenbogenbeuge an der Insertionsstelle des M. biceps eine dreieckige Wunde, deren Ränder nach innen gekehrt waren, und die sich etwa einen Zoll in die Tiefe erstreckte. Nach gelöstem Tourniquet strömte aus dieser Wunde Arterienblut hervor. 4) An der äusseren Seite des Oberarms eine kleine Hautwunde. 5) In der Herzgegend zwei kleine Hautschrammen, wahrscheinlich entstanden vom Abgleiten des Instruments vom Arme. Bei erhaltenem Tourniquet wurden die Wunden trocken geheftet, und mit Eisblasen bedeckt. Am 23. klagte Patient über lebhafte Schmerzen im Arme, weshalb der ganze Verband abgenommen wurde. Sogleich trat die arterielle Blutung wieder ein, und — heisst es im Krankenjournal — „da es nicht gelang, die Arterien in der Tiefe zu unterbinden, so musste als einziges Mittel den Kranken zu retten, zur Unterbindung der Art. brach. geschritten werden“, die in der Mitte des Oberarms am inneren Rande des M. biceps ausgeführt wurde, und „verhältnissmässig rasch“ von Statten ging. Patient erhielt innerlich Phosphorsäure, und über die Operationswunde ward eine Eisblase gelegt. In den beiden folgenden Tagen keine unangenehmen Erscheinungen. Als am 26. der Verband abgenommen ward, trat wiederum aus[S. 39] der unteren Stichwunde eine geringe arterielle Blutung ein, die jedoch durch Compression leicht gestillt wurde. „Die Wunden selbst sahen missfarbig aus, das Secret war dünnflüssig und jauchig, der Kranke fühlte sich matt und abgeschlagen, das Sensorium war etwas benommen, der Puls sehr frequent, die Ränder der Operationswunde hatten eine bläuliche Färbung angenommen, die rasch um sich griff, so dass die Haut im Umfange einer Hand brandig wurde.“ Zum Verbande wurden nun brenzliche Holzsäure, Einspritzungen von aromatischen Kräutern mit Essig und aromatische Fomente über den Arm benutzt. „Der Zustand blieb dennoch ein sehr misslicher; die Kräfte hatten rasch abgenommen, das Gesicht war collabirt, der Puls sehr frequent, früh 110, Abends 128.“ Anfangs Januar besserte sich der Zustand, bis zum 10., an welchem Patient über Leibweh zu klagen anfing. (Opiat-Einreibung, Umschläge, Dowersche Pulver.) In der Nacht trat eine heftige Diarrhöe ein, die trotz gereichten Opiums (℈ i: ℥ vi Althae-Dec.) rasch zunahm. Das Fieber steigerte, die Kräfte minderten sich, und es trat decubitus ein. „Am 11. Januar trat ein kurzer, trockner, den Kranken nicht eben belästigender Husten auf.“ Die Füsse wurden ödematös, Husten und Durchfall blieben anhaltend, am 14. schwand das Bewusstsein, und am 15. (Januar, also 26 Tage nach erlittener Verletzung) starb der Kranke. — Von den Sectionsbefunden waren folgende die wesentlichen. Die Leiche war sehr mager, ödematös an den Unterextremitäten, und man bemerkte decubitus und an der ganzen inneren Fläche des linken Oberarms Entblössung von den Hautbedeckungen, so dass man Muskeln und Sehnen deutlich liegen sah. Die ganze verjauchte Stelle war mit schlechtem Eiter umflossen. Alle früheren[S. 40] Wunden waren mit glatten Rändern vernarbt, nur in der linken Ellenbogenbuge befand sich eine noch 1⁄3 Zoll klaffende Wunde mit abgerundeten, ursprünglich deutlich scharf gewesenen Rändern. (Die Beschaffenheit der Ränder war erheblich, wie man unten sehen wird.) In der Schädelhöhle war nur Blutarmuth auffallend. Die linke Lunge zeigte Oedem, die rechte graue Hepatisation, und ihre Pleura war mit Eiterexsudaten bedeckt. Im linken Pleurasack war eine Tasse voll blutwässriger, im rechten eben so viel eitrig-blutiger Flüssigkeit ergossen. Das Herz, schlaff, zeigte, so wie die grossen Venenstämme der Brust, Blutleere, welche auch in den Venenstämmen und Organen der Bauchhöhle das einzige von der Norm Abweichende in dieser Höhle war. Als verletztes Gefäss ergab sich, was schon in der Charité im Leben richtig vorausgesetzt worden, die Art. interossea.
Die Beurtheilung des Falles nach dem Maassstabe der drei gesetzlichen Fragen war nicht leicht, wie forensische Practiker sogleich einsehen. In unserem Obductions-Bericht wurde zunächst der unmittelbare Zusammenhang der Verletzungen mit der späteren Krankheit dem Richter nachgewiesen, was hier zu wiederholen überflüssig wäre, und, nachdem dargethan worden, dass die Verletzung im Sinne der ersten Frage nicht zu den allgemein absolut lethalen zu rechnen sei, da namentlich die auch hier geschehene Unterbindung des Hauptstammes oft genug Lebensrettung in ähnlichen Fällen zur Folge gehabt, wie folgt fortgefahren; „Aber eben so wenig kann erwiesen werden, und nicht ärztliche Vermuthungen, sondern thatsächliche wissenschaftliche Beweise verlangt die Ausführung im Obductions-Bericht, dass, wenn nicht Jeder an einer solchen Verletzung, gerade denatus daran sterben musste,[S. 41] d. h., dass die Verletzung bei der individuellen Beschaffenheit des Verletzten für sich allein den Tod zur Folge haben musste. Die Individualität desselben, soweit sie im Leben und nach dem Tode nachgewiesen werden kann, bietet keine Ergebnisse zur Begründung einer solchen Behauptung. Die ganz vereinzelt dastehende, und schon deshalb kein Vertrauen verdienende Aussage des Angeschuldigten, dass denatus öfters gehustet und Schleim ausgeworfen habe, dahin gestellt sein lassend, deponiren vielmehr seine Wirthsleute, die ihn Jahrelang gekannt, dass er „kerngesund“ gewesen sei, und nie gehustet habe, und das Charité-Journal nennt ihn einen Mann „von starkem Körperbau und guter Muskulatur“. Endlich redet auch das Obductionsprotocoll nicht von einer älteren Krankheit der Lungen, namentlich nicht von Tuberkeln, sondern von einer frisch entstandenen entzündlichen Krankheit der Lungen, und so kann nicht behauptet werden, dass und warum denatus als Individuum mehr und besondere Anlage zu Lungenentzündung und Vereiterung, oder zu Brand in einer äusseren Wunde u. s. w. gehabt habe, als Andere, weshalb die obige Frage (von der individuellen Lethalität) verneint werden musste. Wenn endlich auch eine äussere Schädlichkeit, die nach der Verletzung auf K. eingewirkt, nicht nachgewiesen werden kann, wenn namentlich dahin der Transport nach dem Krankenhause, der keine unmittelbar nachtheiligen Folgen hatte, eben so wenig gerechnet werden kann, als der etwanige vorangegangene Genuss von Branntwein, der actenmässig gar nicht einmal festgestellt, so fragt sich nur noch: ob möglicherweise bei einer anderen als der eingeleiteten ärztlichen Behandlung eine Lebensrettung des Verletzten hätte erwartet werden können? Hierbei sind manche sehr auffallende Umstände[S. 42] im Charité-Journal zu erwägen. Der Kranke, der schon gleich bei der Aufnahme durch den erlittenen arteriellen Blutverlust „sehr matt“ war, wurde ohne alle innere Arzneien gelassen, wenigstens erwähnt dergleichen das Journal bis zum dritten Tage gar nicht, an welchem zuerst nach der Operation eine mineralische Säure gereicht wurde. Ob und welche Nahrungsmittel, ob etwas Wein oder andere Stärkungsmittel dem durch so heftigen Blutverlust erschöpften Kranken gereicht worden, erfahren wir durch das Journal nicht. Aber selbst vom 26. ab, wo die Wunden schon „missfarbig“ aussahen, das Secret „jauchig“, der Kranke „matt und abgeschlagen“, am 27., an welchem die Umgegend der Operationswunde eine Handbreit „brandig“ war, begnügte man sich mit einer angemessenen äusseren Behandlung. Ohne allen Zweifel waren nun schon Kräfte hebende, tonische, erregende, reizende Mittel, China mit Säuren, Aetherea, Wein u. s. w. dringend angezeigt, von denen aber das Journal schweigt, das nicht einmal bemerkt, ob die am 23. verordnete Arznei fortgebraucht worden. Erst am zwanzigsten Tage nach der Aufnahme ist wieder von inneren Mitteln, und zwar von einem beruhigenden, die eingetretenen Coliken stillenden Mittel die Rede, das unter den obwaltenden Umständen eben so sehr nur als palliativ oder symptomatisch angesehen werden muss, als das am folgenden Tage verordnete Opiat zur Stillung der eingetretenen Diarrhöe, die bereits ein Todesvorbote war. Das Charité-Journal widerspricht uns daher nicht, wenn wir behaupten, dass gegen den Grundcharakter des Fiebers, den atonischen, ja den putrid zu nennenden, mit brandiger Absonderung in den Wunden, nicht energisch genug und nicht nach den Regeln der Kunst ausreichend eingeschritten wurde, und dass,[S. 43] wenn auch nicht positiv gefehlt, doch nicht Alles angewandt worden, was möglicherweise der Krankheit eine günstigere Wendung hätte geben können, so dass im eigentlichen Sinne hier nach den Worten der Criminal-Ordnung von einem „Mangel eines zur Heilung erforderlichen Umstandes“ geredet werden muss, dem wahrscheinlich ein Miteinfluss auf den erfolgten Tod zuzuschreiben ist, wenn auch Gewissheit hierüber nicht zu geben, da von der nothwendig günstigen Wirkung der Heilmittel überhaupt selten oder nie a priori gesprochen werden kann. Ganz dasselbe gilt in Betreff des besprochenen Lungenleidens, das im Leben so gut wie unbeachtet geblieben war, wenn wir auch einräumen, dass eine genauere Ergründung desselben und rechtzeitige Erkennung, so wie ein dagegen gerichtetes Heilverfahren, dessen Grenzen bei dem schon ganz erschöpften Kräftezustand jedenfalls sehr eng gezogen gewesen wären, schwerlich einen wesentlichen Einfluss auf eine günstigere Wendung gehabt haben würden. Jedenfalls scheint es aber nach diesen Ausführungen motivirt, wenn wir hiernach die dritte Frage des §. 169 der Criminal-Ordnung dahin beantworten: dass die Verletzungen in dem Alter des Verletzten wahrscheinlich durch Mangel eines zur Heilung erforderlichen Umstandes (accidens), nicht aber durch Hinzutritt einer äusseren Schädlichkeit den Tod zur Folge gehabt haben.“
Die gerichtlich-medicinische Beurtheilung des Falles war indess mit der Erledigung der Lethalitätsfrage noch nicht erschöpft. Der Thäter hatte nämlich behauptet, dass er den K. im Streite nur mit einem dreieckigen Stücke Zinkblech „gestochen“ gehabt habe. Die Beschaffenheit der Narben und der ganze Hergang gestattete nicht, diese Behauptung als begründet anzunehmen, und wir blieben[S. 44] vielmehr bei unserer von Anfang an aufgestellten Annahme stehen, dass ein scharfes, stechend-schneidendes Instrument die Wunden verursacht haben müsse. Im Laufe der Untersuchung wurde nun unter dem Bette des Angeschuldigten dessen Tischmesser, woran verdächtige Flecke, vorgefunden, und dies Instrument uns mit der Frage vorgelegt: „ob die an der Messerklinge wahrzunehmenden Rostflecke von dem daran befindlich gewesenen Blute herrührten“? Wir unterzogen uns dieser bekanntlich so sehr schwierigen Untersuchung in Gemeinschaft mit dem geschickten gerichtlichen Experten, Herrn Apotheker Schacht, und wollen nicht ermangeln, die Ergebnisse als lehrreich für ähnliche Vorkommenheiten in der medicinisch-forensischen Praxis mitzutheilen.
Die Besichtigung der Messerklinge liess keinen Zweifel darüber aufkommen, dass wenn die auf derselben vorhandenen Flecke wirklich von Blut herrührten, seit der Ergiessung desselben eine geraume Zeit vergangen sein musste (es waren drittehalb Monate verflossen), da 1) die Klinge des Messers auf seiner ganzen Fläche angerostet erschien, und 2) in der Spalte zwischen der Klinge und dem hörnernen Hefte eine braune, zum Theil mit Schimmel bedeckte Masse sich befand. Es ist aber eine besondere Schwierigkeit, Blutflecke von Rostflecken auf Eisen durch chemische Mittel zu unterscheiden, wenn seit der Ergiessung des Blutes auf das Eisen eine geraume Zeit vergangen ist, wenn dann die Bestandtheile des Blutes nicht mehr in ihrer Eigenthümlichkeit vorhanden und also das Blut als solches nicht mehr nachzuweisen ist. Vermittelst eines Pinsels wurden einige Tropfen Wasser auf die Klinge gebracht, und der Pinsel darauf hin und her geführt, um wo möglich etwas von den Flecken aufzulö[S. 45]sen: dann von der Flüssigkeit ein Tropfen unter das Microscop gebracht, die auf der Klinge zurückbleibende Flüssigkeit aber bei geringer Wärme verdunstet, wobei Folgendes beobachtet wurde. 1) Unter dem Microscop liessen sich rothe Kügelchen erkennen, die in den Wassertropfen schwammen und den Blutkügelchen ganz ähnlich waren. 2) Nachdem die Flüssigkeit auf der Klinge verdunstet, wurde letztere durch eine microscopische Linse beobachtet; es war durchaus deutlich, dass sich auf der rostigen Fläche der Klinge eine rothe Auflösung gebildet hatte, die zu einem röthlichen Ueberzug verdunstet, durch sich hindurch die Rostflecke der Klinge erkennen liess. Es wurde noch folgender Gegenversuch gemacht. Auf eine blanke Messerklinge wurden einige Tropfen Blut gebracht, dasselbe eingetrocknet und die so entstandenen Flecke mässig erwärmt. Das Blut löste sich in Schuppenform von der Klinge ab, wobei die Metallfläche durchaus glänzend zurückblieb. Bei stärkerer Erhitzung der Klinge trat Verkohlung des Blutes ein, und es verbreitete sich der beim Verbrennen animalischer Substanzen eigenthümliche Geruch. Die auf der verdächtigen Klinge befindlichen Flecke sprangen dagegen durch Erwärmen nicht ab, wurden aber bei stärkerem Erhitzen unter denselben Erscheinungen verkohlt. Hieraus ging mit Wahrscheinlichkeit hervor, dass sich kein frisches Blut auf der Klinge befand, dass aber wohl ein animalischer Körper mit dem Roste vermischt war, der wohl zerstörtes Blut gewesen sein konnte. Die Klinge wurde ferner in destillirtes Wasser in ein enges Cylinderglas getaucht. Es liess sich keine blutähnliche Färbung des Wassers wahrnehmen. Nach 24 Stunden aber hatte sich ein rothbraunes Pulver abgesetzt, das durch Filtriren getrennt ward. In der filtrirten Flüssigkeit[S. 46] konnte weder Eisen noch animalisches Eiweiss nachgewiesen werden. Das abfiltrirte rothbraune Pulver wurde durch Auflösen in Salzsäure und Prüfung der Auflösung durch Ammoniak, Cyaneisenkalium und Gallustinctur als Eisenrost erkannt. Das Ansehen der Messerklinge hatte sich durch Stehen im Wasser nicht wesentlich verändert, die Flecke nicht bedeutend vermindert. Nachdem die Klinge abgetrocknet war, wurde auf einen der Flecke etwas reine Salzsäure gebracht. Sehr bald verschwand der Fleck, das Metall trat mit glänzender Oberfläche hervor, und die entstandene Auflösung war die von Eisenoxyd in Salzsäure. Nach diesen Versuchen mussten wir urtheilen: dass das Messer wahrscheinlich mit Blut befleckt worden war. Gewissheit konnte nach so langer Zeit nicht mehr gegeben werden.
Dies Gesammt-Gutachten über den Fall wurde in beiden richterlichen Instanzen angenommen, und der Thäter rechtskräftig zu einer achtzehnmonatlichen Strafarbeit verurtheilt.
Tödtliche Kopfverletzung. Trepanation.
Eine kräftige, junge Frau bekam früh um 7 Uhr in einem Streite von ihrem sehr heftig aufgeregten Gegner, einem Zeugschmidt, einen heftigen Schlag auf den Kopf mit einem Schmiedehammer. Zwei Stunden später war sie bereits in der Charité, wo man einen Bruch des linken os bregm. fand. Der Zustand der Kranken war noch ziemlich befriedigend, und Störungen des Sensorii noch nicht wahrzunehmen. Aderlass, Eisblasen, kühlende Abführmittel wurden der Trepanation vorangeschickt, die als bald instituirt, und bei welcher ein Blutextravasat nicht[S. 47] gefunden wurde. Nach dem Verbande ein zweiter Aderlass und ein Clystier, unter Fortanwendung der Eisblase. Abends wurde der Puls voll und gespannt, und es trat Erbrechen ein, weshalb eine dritte V. S. von einem Pfunde gemacht ward. Am folgenden Morgen, bei fortdauerndem Brechreiz, zweistündlich zwei Gran Calomel abwechselnd mit einer mixtura nitrosa. Nach drei Frostanfällen folgte intensive Hitze, und schon am Abend dieses Tages verfiel die Kranke in sopor. Der Puls stieg auf 136. In der folgenden Nacht trat eine grosse Unruhe ein, während welcher Pat. aus dem Bette zu springen versuchte, bald aber immer wieder in den soporösen Zustand zurückfiel. Unter diesen Erscheinungen, erneuerten Frost- und Brechanfällen und sopor, erfolgte 66 Stunden nach der Verletzung der Tod. Die rechte Hemisphäre des grossen Gehirns war stark, noch stärker die linke mit Blut injicirt, die Substanz fest und derb, und die linke Halbkugel mit einer halbliniendicken Eiterschicht auf ihrer ganzen Oberfläche bedeckt. An der, der Trepanöffnung entsprechenden Stelle war die Substanz des Gehirns selbst bis auf eine Linie tief röther als gewöhnlich. Im Uebrigen wurde nichts Abnormes im Gehirn, und eben so wenig von der Norm Abweichendes in Brust und Unterleib gefunden. — Grade wie der obige Fall No. 26 war auch dieser recht schlagend als Beweis der Unhaltbarkeit der drei gesetzlichen Fragen. War diese Kopfverletzung eine absolut lethale? Wer wollte dies wohl behaupten! Lag in der Individualität gerade dieser Frau ein Moment, das die Nothwendigkeit des Todes nach einer solchen Verletzung gerade bei ihr bedingte? Es würde schwer gewesen sein, aus der Leiche der ganz gesunden, jugendlich-kräftigen Frau einen Beweis dafür zu entnehmen. Endlich[S. 48] wird man zugeben müssen, dass bei dem so ganz kunstgerechten Heilverfahren, das der Verletzten alsbald nach der Verletzung zu Theil geworden war, von einem „Mangel eines zur Heilung erforderlichen Umstandes“ eben so wenig mit überzeugenden Gründen hätte gesprochen werden können, als die Annahme einer „äusseren Schädlichkeit“ Halt gehabt hätte, und so blieb auch hier Nichts übrig, als nachzuweisen, dass die Verletzung die alleinige Ursache des Todes der denata gewesen sei, dass aber keine der drei Fragen bejaht werden könne.
Tödtliche Kopfverletzung. Gehirneiterung.
Ganz ähnlich gestaltete sich dem Befunde nach der Fall einer nach mehreren Wochen tödtlich gewordenen Kopfverletzung bei einem Manne, die gleichfalls eine bedeutende Gehirneiterung zur Folge gehabt hatte, und bei welcher die Schwierigkeit der Beantwortung der gesetzlichen Fragen zu einer Correspondenz mit dem Gerichte führte, in welcher die nöthigen wissenschaftlichen Ausführungen zur Aufklärung des Richters und zur Begründung unserer zuerst ausgesprochenen Ansicht über den Fall gemacht werden mussten, von der wir das Wesentliche hier mittheilen werden. Ein Geselle von 25 Jahren wurde in einer Schlägerei mit einem Messer am Kopfe etwa in die Mitte des linken Scheitelbeins zwei Mal, dann am äusseren linken Augenwinkel, und endlich am „äusseren Ende des linken Schulterblattes“ gestochen, und nach einem augenblicklichen vorläufigen Verbande sogleich nach der Charité geschafft. Anfangs schien im Krankenhause bei kunstgemässer Pflege Alles gut zu gehen, aber am 8ten Tage (22. Januar) stellte sich eine teigigte Geschwulst[S. 49] der Kopfschwarte mit so heftigem Fieber ein, dass am 23. zwei Aderlässe nöthig wurden. Dieses Pseudoerysipelas ging schnell in Eiterung über, so dass am 25. die Wunden dilatirt werden mussten, um dem Eiter Abfluss zu verschaffen. Auch die Gesichts- und Schulterwunden wurden dilatirt und wegen anhaltenden Fiebers eine dritte Venäsect. instituirt. Trotz später noch wiederholter Dilatationen aber bildeten sich Eitersenkungen, die Kräfte sanken, es mussten vom 5. Februar ab stärkende Mittel gegeben werden, ein typhöser Stupor und Durchfall traten ein, die Wunden und das Secret bekamen ein schlechtes Aussehen, und am 8. Febr. starb der Kranke — 25 Tage nach der Verletzung — unter den Zufällen von Lähmung. Von den Sectionsresultaten waren folgende die wesentlichsten. Am Wirbel zeigten sich die gewöhnlich dicken Schädelknochen in Zwei-Thaler-Grösse von der Knochenhaut entblösst und in anfangender Caries begriffen. Die Dura mater war an der, den Verletzungen am linken Scheitelbein entsprechenden Stelle siebförmig durchlöchert, und aus diesen Oeffnungen gelbgrüner Eiter hervorgequollen. Nach Entfernung dieser Hülle fand sich die ganze linke Hemisphäre mit einer dickflüssigen, gelbgrünen, stinkenden Eiterlage wie übergossen, und die unter ihr liegenden Ausschwitzungen waren mit dem Schwamm nicht zu entfernen. Das ganze Gehirn war sehr blutreich, und die ganze hintere Hälfte der rechten Hemisphäre in einen einzigen, mit graugrünem Eiter erfüllten Abscess verwandelt. Die Verletzung am Schultergelenk war für die Sache nicht erheblich, und auch alle übrigen Sectionsbefunde können hier füglich übergangen werden. Es wurde nun im Gutachten ausgeführt, dass denatus an Vereiterung des Gehirns gestorben, dass die Kopfverletzungen die hinreichende[S. 50] Ursache dieser Krankheit und des Todes desselben gewesen seien, und dass und warum die drei gesetzlichen Fragen hier sämmtlich verneint werden müssten. Bekanntlich berechtigt selbst die Criminal-Ordnung den Preussischen Gerichtsarzt zu diesem Verfahren; es ist mir indess einigemal vorgekommen, dass der Richter ausdrücklich, selbst wo man es gewiss nicht erwarten sollte, eine positive Anwendung der Fragen forderte (z. B. Einmal in einem Falle von Vergiftung) — und so geschah es auch hier. Hier mögen sich, so lange noch die Lethalitätsgrade gesetzliche Gültigkeit bei Uns haben, die Einzelnen und die technischen Behörden helfen — wie sie können. Wir unsererseits äusserten uns, wie folgt: „die Aufstellung der drei Fragen und die Forderung, Eine derselben zu bejahen, hat für die gerichtlichen Aerzte in nicht wenigen Fällen die grössten Schwierigkeiten, und führt oft in Einem und demselben Falle zu ganz widersprechenden Annahmen Seitens der verschiedenen befragten Behörden. Es beruht dies zunächst darauf, dass diese Fragen den Thatbestand der Tödtung durch eine vorangegangene Verletzung, also die Hauptsache, gleichsam stillschweigend voraussetzen, und nur das Causalverhältniss zwischen der Verletzung und dem danach erfolgten Tode, den sogenannten Lethalitätsgrad der Verletzung, berücksichtigen. Eine andere Schwierigkeit bieten diese Fragen, indem sie von allgemeinen Categorien sprechen, während jeder einzelne Fall am Lebenden sich anders und eigenthümlich gestaltet, und nur wenige Bedingungen bekannt sind, deren Wirksamkeit in concreto es gestattet, den Verletzungsfall in eine allgemeinere Categorie zu bringen. Unzählige Complicationen und Concurrenzen können mit, neben und nach einer Verletzung wirksam werden, und Antheil an dem Tode des[S. 51] Verletzten haben, die in casu als solche Complicationen anerkannt werden müssen, sich aber sehr oft, wenn die Fragen scharf aufgefasst werden, gar nicht unter Eine derselben unterordnen lassen. Der gerichtliche Arzt soll seine Urtheile durch Gründe unterstützen, er soll beweisen. Die Fragen des § 169 setzen ihn aber nicht selten in die Unmöglichkeit, einen Beweis liefern zu können. Es genüge, das Beispiel einer durchdringenden Bauchwunde, die eine tödtliche Darmentzündung veranlasst hatte, anzuführen. Dass eine solche Verletzung nicht allgemein absolut tödtlich sei (Frage 1), kann nicht bestritten werden. Setzt man nun, dass die möglichst günstigen Umstände zu Gunsten des Verletzten wirksam geworden, und dass durchaus keine „äussere Schädlichkeit“ mit eingewirkt habe, so müsste auch die dritte Frage ohne Weiteres verneint werden. Ist nun nichtsdestoweniger der Verletzte gestorben, so müssen ohne Zweifel die Bedingungen des tödtlichen Ausgangs seiner Verletzung, der in hundert ähnlichen Fällen nicht eintrat, in der Individualität des Verletzten gelegen haben. Der begutachtende Arzt würde hiernach die zweite Frage des § 169 bejahen können, aber er kann seinen Ausspruch nicht beweisen, da diese individuellen Bedingungen ihm nicht bekannt sind, und nur, wenn auch in sich nothwendigerweise, vorausgesetzt werden müssen. Noch in weit ausgedehnterem Maasse findet dies bei Kopfverletzungen Statt u. s. w. — Aus diesen und anderen, weniger hierher gehörigen Gründen haben die besseren neueren Lehrer der gerichtlichen Medicin und des Strafrechts nicht nur alle ähnlichen Fragen, wie die der Preussischen Criminal-Ordnung, als unhaltbar verworfen, nicht nur mehrere neuere Strafgesetzbücher haben bekanntlich bereits davon Abstand genommen, sondern auch der[S. 52] neueste preussische Strafgesetzentwurf stellt, wie bekannt, einen besseren richterlichen und gerichtsärztlichen Maassstab für die Würdigung von Tödtungen durch Verletzung in Aussicht. — Wenn nun aber Ein u. s. w. für vorliegenden Fall die genannten drei Fragen als Maassstab ausdrücklich desiderirt, so haben wir denselben einer abermaligen sorgfältigen Erwägung unterzogen. Es erscheint gerechtfertigt, wenn wir annehmen, dass der Gesetzgeber in der dritten Frage unter der Benennung „äussere Schädlichkeit“ auch solche Umstände zu begreifen zulässt, welche zwar durch die Verletzung hervorgerufen, jedoch nicht nothwendig durch dieselbe bedingt sind. Als einen solchen Umstand haben wir früher die rosenartige Entzündung des Zellgewebes (Pseudoerysipelas) bezeichnet, welche zu den Kopfverletzungen des O. am achten Tage hinzutrat und durch welche nicht allein die Verschlimmerung der äusseren Wunden, sondern auch der Uebergang der Entzündung auf das Gehirn und die spätere Hirneiterung herbeigeführt wurde, und wenn wir dennoch in unserem Berichte auch die dritte Frage verneinten, so geschah dies aus dem Grunde, weil im technisch-medicinischen Wortsinne eine hinzutretende Rosenentzündung keine „äussere Schädlichkeit“ genannt wird. Ohne das Hinzutreten dieses Pseudoerysipelas wäre nun aber mehr als wahrscheinlich eine Gehirnentzündung und Vereiterung nicht entstanden, mithin auch der Tod des Verletzten nicht erfolgt.“ In diesem Sinne wurde nunmehr der zweite Theil der dritten Frage bejahend beantwortet.
Tödtliche Kopfverletzung. Gehirneiterung.
Ein ähnlicher Sectionsfall betraf eine Kopfverletzung, die bei einem Gelage mit einem Stocke beigebracht[S. 53] worden, und wonach der Verletzte nach dreiwöchentlicher kunstgerechter Behandlung in der Charité gestorben war. Die Kopfwunde, bereits dilatirt, drang bis auf das linke Os parietale, dessen Pericranium abgelöst war, der Schädel selbst war völlig unverletzt. Die Eiterung war schlecht und jauchig. Die harte Hirnhaut war, der verletzten Stelle entsprechend, mit dem Schädel verwachsen, und das Gehirn unter dieser Stelle oberflächlich vereitert. Der Eiter floss zwischen Falx cerebri und der linken grossen Hemisphäre bis auf das Tentor. cerebelli hinab. Die Substanz des Gehirns war fest und blutreich. Die übrigen Sectionsbefunde waren unerheblich.
Tödtliche Kopfverletzung. Gehirneiterung.
Ein anderer Parallel-Fall endlich war der einer Gehirneiterung, die 24 Tage nach einer Verletzung des Kopfes durch mehrere Schläge mit einer Flasche den Tod eines bis dahin ganz gesunden und kräftigen 34jährigen Mannes herbeiführte. Auch dieser Verletzte war sogleich nach der Charité geschafft und so kunstgerecht behandelt worden, dass irgend ein „Mangel eines zur Heilung erforderlichen Umstandes“ gar nicht und so wenig nachweisbar war, als der „Hinzutritt einer äusseren Schädlichkeit“! Bei der Section fanden sich an wesentlichen Befunden: das Schädelgewölbe links, den Verletzungen entsprechend, von der Knochenhaut vollständig entblösst, Eitersenkungen zwischen galea und Schläfenmuskeln bis unter den Jochbogen, die dura mater auf der rechten Hemisphäre entzündet, auf der linken mit einer Thaler-grossen Eiterablagerung bedeckt, die ganze linke Hemisphäre mit einer Schicht dicklichen, grünen Eiters überzogen, und die Ge[S. 54]hirnsubstanz in dieser Halbkugel an einzelnen kleineren und grösseren Stellen vereitert.
Verletzung der Lunge. Tödtlicher Abscess.
Endlich gehörte in diese Rubrik und in die hundert hier zu durchmusternden Fälle eine nach Monaten erst tödtlich gewordene Lungenwunde, bei welcher eine Reihe von Zwischenursachen die Anwendung der drei Fragen erleichterte. Ein Mann von 41 Jahren war mit einem Messer in die rechte Brust gestochen worden —, die äussere Wunde hatte nach dem chirurgischen Atteste eine Länge von einem halben Zoll und eine Breite von 2 Linien. (Eine zweite Stichwunde in die Mitte des linken Oberarms blieb für die spätere Beurtheilung unerheblich.) Ein Wundarzt hatte sogleich die Wunde trocken geheftet, kalte Ueberschläge gemacht und Nitrum und Glaubersalz verordnet. Am dritten Tage fand er den Athem „kurz und schnell und den Puls unterdrückt“, und veranstaltete nun einen Aderlass von vier Tassen Blut. Nachmittags wurde Dr. M. zugerufen, der alsbald eine zweite, eben so starke Venäsection verordnete, weil er „eine sehr bedeutende Entzündung der Lungen und der Pleura fand, beschwerte Athmung, Husten mit blutigen Sputis, Abgang von wenig hochrothem Urin, Schmerz in der verwundeten Seite, und grosse Unruhe und Angstgefühl“. Am anderen Morgen neue VS., so wie Blutegel, und eine Emulsio nitrosa. Am Abend dieses Tages schien der Kranke verloren. Er lag passiv, abgespannt, bleich, bewusstlos da, und hatte einen kleinen schwachen, aussetzenden Puls. Dr. M. verordnete Calomel mit Goldschwefel, Nitrum und Hyoscyam. und legte ein Vesicator auf die Brust. Am[S. 55] folgenden Tage hatte sich Patient gebessert, indess traten allmälig die Erscheinungen des Exsudats ein, der abgesonderte Wundeiter wurde übelriechend, die Füsse ödematös. Indess gingen auch diese Zufälle (unter den ungünstigsten äusseren Lebensbedingungen!!) wieder vorüber und schon fasste man neue Hoffnung zur Rettung des Kranken. Aber er gab sich seinem sehr heftigen Temperamente wieder hin, hatte oft mit seinen Umgebungen Zank und Streit, die bis zu Thätlichkeiten ausarteten, er genoss wieder wie früher viel Branntwein, und so steigerten sich die Zufälle wieder, es trat hectisches Fieber ein, und vier und einen halben Monat nach der Verletzung starb er. Bei der gerichtlichen Section fanden wir siebenundzwanzig Unzen stinkenden graulichen Eiters im rechten Pleurasack, welcher Eiter die Intercostalmuskeln dieser Seite theilweise zerstört hatte, und es ergab sich, dass die Quelle dieser Eiterung ein Abscess war, der fast zwei Drittel der ganzen rechten Lunge umfasste. Beide Lungen waren ganz frei von Tuberkeln, so dass recht eigentlich hier eine Lungeneiterung in Folge von (traumatischer) Pneumonie vorlag. Die rechte Lunge war stark mit der Costalpleura verwachsen, und wo sie nicht abscedirt war, grau hepatisirt. Die übrigen Befunde boten nichts Bemerkenswerthes. Es musste hiernach angenommen werden, dass die Lungenstichwunde keine allgemein absolut tödtliche gewesen, dass dagegen die leidenschaftlichen Zornausbrüche des denatus, seine Neigung zum Branntweinmissbrauch, das schlechte Lager in einer feuchten Kellerwohnung, das Umgebensein mit zänkischen Nachbarn eben so viele schädliche Momente gewesen seien, deren Einfluss durch frühzeitigen Transport des Verletzten in ein Krankenhaus (zu welchem er durchaus seine Einwilligung nicht hatte[S. 56] geben wollen) hätte abgewendet werden können. Hierzu kam die mangelhafte Behandlung des Wundarztes gerade in der wichtigsten ersten Zeit nach der Verletzung, der in einem so erheblichen Falle erst am dritten Tage zu einer Blutentziehung geschritten war, und nicht hinreichend kräftige antiphlogistische Mittel angewandt hatte, aus welchen Gesammtgründen wir die beiden Theile der dritten Frage bejahend beantworteten.
Ausser den im Obigen (Nr. 6, 7, 29, 30, 31 und 32) bereits erwähnten kamen noch zwei Fälle von schweren, schnell tödtlich gewordenen Kopfverletzungen bei Mordthaten vor.
Mord durch Kopfhiebwunden.
Markendorf, ein zur Zeit der That erst 18jähriger Mensch, und einer der herzenshärtigsten Verbrecher, die ich je gesehen, welche abstossende Stimmung er bis zum Tage der Hinrichtung behielt, bis wohin er sich im einsamen Gefängniss fortwährend seine blonden Haare in Locken gekräuselt hatte! — war zu einem ihm bekannten Schuhmacher gekommen, in der später eingestandenen Absicht, ihm um jeden Preis ein Paar Stiefeln zu rauben. Der Mann sass auf einem Schemel bei der Arbeit. Im Gespräch schlich M. hinter ihn, ergriff einen Schusterhammer, und schlug beherzt und wiederholt auf den Kopf des Mannes ein, der gleich von seinem Sitz herabstürzte und bald nach den Verletzungen verschied. Der Mörder bekannte später — was ich oft in ähnlichen Fällen aus dem[S. 57] Munde von solchen Verbrechern gehört habe (es giebt eine eigene dämonische Lust am Verbrechen!), — dass er, nachdem er einmal mit dem Hammer zugeschlagen, und sein Opfer schon regungslos vor ihm lag, nun erst recht wüthig geworden sei und „immerzu“ geschlagen hätte. (Vgl. 16. Fall.) Dieser Aussage entsprach unser Befund von vierundzwanzig einzelnen Kopfverletzungen, die sich bis in das Gesicht (Augen, Nase, Backen) erstreckten. Unter anderen war das linke Ohr in seiner Mitte bis auf eine schmale Brücke durch eine Queerwunde mit stumpf-scharfen Rändern getrennt, und auch mehrere einzelne Verletzungen an den weichen Kopfbedeckungen hatten solche Ränder, woraus wir gleich bei der Obduction, wo noch nicht einmal der Thäter, geschweige die Art, wie er verfahren, ermittelt war, schliessen mussten, dass denatus theils mit einem stumpfen (wofür die Mehrzahl der Wunden sprach), theils aber mit einem stumpf-scharfen Werkzeug getödtet worden sein musste. Dies bestätigte sich durch das spätere Geständniss des Mörders, dass er beide Seiten des Schusterhammers, auch die scharfe, abwechselnd angewandt hatte. Es würde sehr ermüdend und überflüssig sein, wollten wir hier alle einzelnen Verletzungen nach dem uns vorliegenden Obductionsprotocolle aufführen; wir begnügen uns vielmehr mit der Angabe der hauptsächlichsten, welche bestanden in einem Vertical-Bruch des linken, in einem halbmondförmigen Bruch des rechten Schlafbein-Schuppentheils, und in einer völligen Sprengung der Schädelgrundfläche von einem Keilbeinflügel bis zum andern herüber. Die Venen der pia mater, zumal links, strotzten von dunkelschwarzem Blute. Dem Bruche des linken os temporum entsprechend, fand sich auf dem Gehirn ein Extravasat von geronnenem Blute von[S. 58] Silbergroschen-Grösse, und eine 1⁄4 Zoll in die Gehirnsubstanz eindringende Verletzung. Die allgemeine absolute Lethalität dieser Verletzungen war leicht nachzuweisen.
Markendorf hat die wohl verdiente Todesstrafe erlitten. Kurze Zeit nach der Publication des Todesurtheils erkrankte er schwer. Ich fragte ihn einmal, ob er denn nicht vorzöge, an seiner Krankheit Statt unter dem Henkerbeil zu sterben? Er zuckte mit den Achseln und äusserte: „ich möchte doch lieber erst curirt werden.“ Er wurde curirt und dann hingerichtet. „Noch am Grabe pflanzt er die Hoffnung sich auf!“
Mord durch Kopfhiebwunden.
Eben so leicht für die Beurtheilung war folgender schrecklicher Fall. Ein Mann von 60 Jahren, bei dem sich später in der Untersuchung Veranlassung ergab, seinen Gemüthszustand zu exploriren, und der von uns als blödsinnig (im landrechtlichen Sinne), folglich als unzurechnungsfähig erklärt werden musste, hatte in sich die fixe Idee festwurzeln lassen, den Tod durch Henkershand zu sterben, und um dazu zu gelangen, hatte er sich die Tödtung eines 12jährigen Knaben vorgesetzt, der ihm oft in seiner Wirthschaft half, und zu dem er immer eine gewisse Liebe und Anhänglichkeit gehabt hatte! Er bestellte ihn eines Sonnabends Nachmittags zu sich, vorgeblich, damit er ihm beim Holzhauen im Keller behülflich werde. Vorher hatte er nun in diesem Keller neben dem Hauklotz Domino-Steine verstreut, damit der Knabe sich danach bücke, und bei dieser Gelegenheit wollte er ihn mit dem Beile tödten. Diesen Vorsatz führte er genau aus. Im Keller angekommen, bückte sich das Kind nach dem[S. 59] Dominospiel, und in diesem Momente schlug ihm der — an der ganzen rechten Seite gelähmte — G. mit der linken Hand, in welcher er das Beil hielt, den Schädel in Trümmer, worauf er sogleich zur Polizei-Behörde ging, und mit der grössten Ruhe seine That zur Anzeige brachte, mit der Bitte, ihn doch nun recht bald hinrichten zu lassen! Der verletzte Knabe war sogleich nach der chirurgischen Klinik gebracht worden, aber schon auf dem Transport verstorben. — Der obere Theil des Schädels zeigte sich zertrümmert, indem acht grössere und kleinere Knochenfragmente von Mandel- bis Thaler-Grösse, die dem linken Scheitelbeine angehörten, lose auf der harten Hirnhaut auflagen, was ein äusserst seltener Befund ist. Eines dieser Fragmente hatte die dura mater durchbohrt. Das Stirnbein war in einem diagonalen Sprung ganz und gar gespalten. Die Gehirnoberfläche erschien mit zahlreichen kleinen Extravasaten von geronnenem Blute wie besäet, und die Windungen wie mit Blut ausgegossen. Im hinteren Drittheile der linken Hemisphäre setzten sich die Extravasate durch die ganze Hirnsubstanz fort. In der basis cranii fand sich eine zwei Zoll lange Fissur im grossen Flügel des linken Keilbeins, und eine zweite Fissur, die das Hinterhauptbein bis zu seinem Basilartheil gesprengt hatte. Die Bejahung der ersten Frage des §. 169 der Criminal-Ordnung, d. h. die Annahme der absoluten Lethalität der Verletzungen konnte nicht zweifelhaft sein. Der Thäter wurde bei der von uns in einem ausführlichen Gutachten nachgewiesenen Beschaffenheit seines Gemüthszustandes nicht zum Tode verurtheilt, sondern in eine Aufbewahrungsanstalt geschickt.
Tödtliche Kopfverletzung.
Seltsam war ein Fall einer Kopfverletzung, die bei der nöthigen Vorsicht im forensischen Urtheil, nicht mehr mit Gewissheit taxirt, wenn gleich ein Zweifel an ihrer Tödtlichkeit füglich nicht erhoben werden konnte. Ein Bauarbeiter nämlich hatte durch Reissen eines Taues mit einem schweren eisernen Bolzen eine Kopfverletzung bekommen. Ueber die nachfolgende Krankheit und Behandlung (im Clinicum) lag uns Nichts vor, und sogar war die Leiche bereits — in der Krankenanstalt vollständig secirt worden. Die Schädelhöhle war ganz leer und das Gehirn lag zerschnitten in der Unterleibshöhle, und wir sollten über die Tödtlichkeit der Kopfverletzung urtheilen! Aber an der Schädelgrundfläche fanden sich vom Keilbein, Siebbein und pars orbital. des Stirnbeins mehrere Stücke abgebrochen und hiernach konnten, vorausgesetzt, dass diese Brüche durch die Verletzung entstanden waren, wenigstens Wahrscheinlichkeitsgründe gegeben werden.
An die analysirten 36 Fälle von Tödtungen durch Verletzungen, welche zum grössten Theile durch Morde oder Todtschlag veranlasst worden waren, reihen wir am zweckmässigsten die in der hier beleuchteten Centurie von Obductionen vorgekommenen neun Fälle an, in welchen Misshandlungen aller Art den Tod veranlasst hatten oder angeblich verursacht haben sollten. Bei unserer verrotteten Strafrechtstheorie und der darauf begründeten, eben so verrotteten gesetzlichen Lethalitätslehre gehören gerade[S. 61] solche Fälle zu den schwierigsten für die ärztliche Beurtheilung, weil gerade hier nicht selten, wie bei Schlägereien im Rausche, Zorn u. s. w., bei ursprünglichen Krankheitsanlagen, bei verschiedenartig eingeschlagener ärztlicher Behandlung, bei mitwirkenden Witterungseinflüssen u. s. w. eine grosse Menge von Zwischenursachen wirksam werden, deren genaueste Würdigung oft gar nicht möglich ist, und dann dem Vertheidiger (im neueren Verfahren unter Umständen auch dem Staatsanwalt) ein weiter Tummelplatz zu Angriffen gegen das Gutachten eröffnet wird.
Nicht sowohl wegen dieser Schwierigkeiten, als wegen der unerhörten Scheusslichkeit der That war ein Fall in dieser Reihe hervorstechend, den wir deshalb voranstellen. Selten ist ein Verbrechen mit mehr innerer Wuth (und von einem Weibe!) und mit grösserer Niederträchtigkeit der Gesinnung verübt worden. Die Section erforderte wegen der zahllosen äusseren Beschädigungen grosse Sorgfalt, das Urtheil aber über den Fall war leicht, wie man sogleich sehen wird.
Ruptur der Leber.
Am 25. October 18— Mittags hörten Hausbewohner in der R.’schen Wohnung ein seltsames Geräusch, namentlich Töne von einer Frau, „die sich abäscherte“, dann auch Klagen und Bitten eines Kindes, ein Stöhnen, ein Aufstauchen, Einmal deutlich die Worte: „da — wasch’ Dich!“, dann wieder ein Kreischen, ein Röcheln. Beim Eindringen in die Wohnung fand man des R. Wirthschafterin mit dessen zehnjähriger Tochter (die eben aus der Schule zurückgekehrt war) allein im Zimmer, die Wirthschafterin sehr aufgeregt, das Kind in einem scheinbar leb[S. 62]losen Zustande. Das Gesicht war blutig, die Haare in Unordnung, und gleich darauf verstarb das Kind. Die Thäterin behauptete (bis zum Schluss der Untersuchung!!), dass sie dem Kinde nur, und zwar über dem Strohhut (!), als es aus der Schule gekommen, zwei Ohrfeigen gegeben, worauf es sich aus Bosheit zur Erde geworfen, von der sie es wieder aufgehoben, worauf es sich abermals niedergeworfen habe, und stellte jede weitere Misshandlung mit eiserner Beharrlichkeit in Abrede. Auf dem Fussboden und an den Füssen der Möbel wurden Blutspuren gefunden. Bei der Legal-Inspection fanden wir, ausser zahlreichen kleineren Hautbeschädigungen, sechsundvierzig grössere Sugillationen und Excoriationen, am Kopfe, Rumpf und Extremitäten, und ausserdem waren beide Augen, die Nase, die Lippen und beide Ohren stark blauroth angeschwollen, und die Nates mit blauen Flecken ganz bedeckt. Auf den Bauchdecken fand sich keine Abnormität. Das Gehirn war sehr blutreich und in der Mitte der linken Hemisphäre fand sich ein Extravasat von einer halben Drachme, so wie ein zweites von zwei Unzen dunkel-flüssigen Blutes auf der basis cranii. Auch das kleine Gehirn, wie sämmtliche sinus waren sehr blutreich. Von der Brusthöhle bemerken wir nur, dass Herz und Lungen ungewöhnlich wenig Blut enthielten, und dass in der Luftröhre sich etwas dunkelrother, blutiger Schleim vorfand. Unerwartet war dagegen der Befund von einem Pfunde dunklen, flüssigen Blutes in der Bauchhöhle, welches, wie sich ergab, aus einem Leberriss geflossen war, der, drei Zoll lang, die Leber der Länge nach zwischen dem rechten und linken Lappen in ihrer ganzen Substanz getrennt hatte. Die übrigen Befunde waren normal. Dass der Tod durch innere Verblutung aus dem Leberriss entstanden,[S. 63] und diese „Verletzung“ eine sogenannte allgemein absolut lethale gewesen war, musste natürlich angenommen werden. Aber auch dass dieser Riss nur in Folge einer äusseren Gewaltthätigkeit habe entstehen können, konnte nicht zweifelhaft sein, da eine gesunde Leber, wie diese war, nicht ohne eine solche einwirkende Gewalt reisst, für welche letztere ja auch übrigens nur zu viele Spuren am Leichnam deutliches Zeugniss gaben. Dass übrigens der Leberriss sich äusserlich am Leichnam nicht durch die geringste Sugillation oder dergleichen kund that, war nur wieder ein neuer Beweis für die Richtigkeit der oben von uns aufgestellten Behauptung betreffend die Häufigkeit solcher Fälle (s. S. 8). Die Art der Gewaltthätigkeit konnte natürlich nach den blossen Ergebnissen der Leichenöffnung nicht festgestellt und nur so viel mit Sicherheit angenommen werden, dass die Ohrfeigen das Kind nicht auf diese Weise hätten tödten können. Dass die Gehirnblutung, die für sich allein gleichfalls, ohne Concurrenz der Leberruptur, den Tod des Kindes nothwendig zur Folge hätte haben müssen, nicht etwa aus bloss inneren Ursachen entstanden war, konnte keinem Zweifel in Betracht des Umstandes unterliegen, dass das ganz gesunde Kind nur sehr kurze Zeit vor dem Tode erst von einem Gange zurückgekehrt war, und Gehirnblutungen unter diesen individuellen und concreten Umständen nicht vorkommen. Eben so musste in Abrede gestellt werden, dass die zahlreichen Beschädigungen (wozu noch der Umstand zu erwägen kam, dass man später des Kindes Ohrringe, die es am Todestage getragen, zerbrochen an mehreren Stellen der Stube gefunden hatte!) bloss von einem, wenn auch wiederholten Sichniederwerfen des Kindes hätten entstehen können, was wohl hier keiner Ausführung bedarf. So kam[S. 64] der Fall vor den Richter, der damals noch an die strenge Beweistheorie des Strafrechts gebunden war, woraus, bei beharrlichem Leugnen der Angeklagten, die Folge entstand, dass sie, obgleich anerkannt als Urheberin des Todes des Kindes, nicht mit dem Tode gestraft, sondern ausserordentlich zu zwanzigjähriger Zuchthausstrafe verurtheilt wurde.
Anscheinend tödtliche Misshandlung.
Ganz anders fiel das Urtheil in einem anderen Falle aus, in welchem ein zwölfjähriges Mädchen angeblich durch Züchtigungen Seitens des Vaters seinen Tod gefunden haben sollte. Es fanden sich jedoch nur unerhebliche Hautverletzungen auf Rücken und nates vor, dagegen war die Leber ungemein hypertrophisch, sehr hart, und durch und durch von cirrhosis ergriffen, welcher organischen Krankheit, und nicht den gar nicht näher nachweisbaren Misshandlungen, der Tod zugeschrieben werden musste.
Anscheinend tödtliche Fusstritte auf den Unterleib.
Beim Trinken in einer Branntweinschenke wurden H. und R. sehr heftig gegen einander. Später gingen sie miteinander eine Viertelmeile vor die Stadt (nach Moabit), wo R., der jetzt ganz betrunken war, einen Dienst antreten sollte. Nach seiner späteren Aussage will er hier niedergefallen und von H. mit Fusstritten auf den Unterleib tractirt worden sein, was H. natürlich bestritt. Eine Viertelstunde später sah der Dienstherr den R. gehen, „ohne dass ihm an seinem Gange etwas auffallend gewesen wäre,[S. 65] oder er ihn für betrunken hätte halten können“. R. klagte aber bald über heftige Schmerzen im Leibe, und brachte die Nacht auf dem Heuboden eines nahen Hauses zu, dessen Besitzer ihn für „stark angetrunken“ hielt. Die 6–8 Stufen hohe Leiter zum Heuboden war er indess ohne Hülfe hinauf-, und eben so auch am anderen Morgen herabgestiegen. Bei fortwährend heftigen Coliken suchte man nun für ihn Hülfe in der Charité, wohin er gefahren ward, und wo er Mittags ankam. Man fand hier „eine starke Quetschung der Bauchbedeckungen, namentlich aber der in der Unterleibshöhle befindlichen Organe, was sich durch grosse Schmerzhaftigkeit des Unterleibs, Aufgetriebenheit desselben und grosse Unruhe des Pat. documentirte. Gegen Abend nahmen die Erscheinungen in hohem Grade zu, und durch das später eintretende Erbrechen, so wie das schwappende Gefühl im Unterleibe stellte es sich deutlich (??) heraus, dass eine Zerreissung der Organe des Unterleibes durch die einwirkende Gewalt herbeigeführt sei“. Der Tod erfolgte 48 Stunden nach der angeblichen Misshandlung. Auf dem Unterleibe des 50jährigen Mannes waren nur frische Blutegelnarben, sonst nichts Ungewöhnliches sichtbar. Das Bauchfell aber war in seinem ganzen Umfange lebhaft entzündet, verdickt und mit Eiter bedeckt, und in der Bauchhöhle fanden sich zwölf Unzen flüssigen Eiters. Auch das grosse Netz war sehr entzündet und mit Eiter bedeckt. Die Därme erschienen, wie der Magen, nur stellenweise entzündet, und die hintere Wand des Bauchfells zum Theil durch Eiterexsudate fest mit ihnen verwachsen. In den linken Pleurasack waren sechs Unzen dunkelflüssigen Blutes ergossen. Die linke Lunge zeigte Entzündung des unteren Lappens. Die rechte Lunge ergab dieselbe Erscheinung und war fest mit dem[S. 66] Rippenfell verwachsen. Die übrigen Befunde übergehen wir hier als unwesentlich. — Die Begutachtung des Falles war, wie die aller ähnlichen, recht schwierig, und ich halte es nicht für ungehörig, etwas ausführlicher die Substanz des Gutachtens hier mitzutheilen. Nachdem die Ursachen aufgezählt worden, die eine so heftige und schnell tödtlich verlaufende Peritonitis überhaupt erzeugen können, und unter denselben auch natürlich äussere Insultationen des Unterleibes, namentlich Fusstritte, genannt worden, fuhr das Gutachten, wie folgt, fort:
„Die gewöhnliche Folge von Fusstritten, wie von ähnlichen Gewaltthätigkeiten, sind mindestens Sugillationen der betreffenden Theile, Quetschung, resp. Lähmung derselben, Zerreissung der nahe gelegenen inneren Organe, wie sie auch das Charitéattest, aber, wie sich später erwies, irrigerweise im vorliegenden Falle angenommen hat, und werden diese Folgen um so sichtbarer hervortreten, je heftiger der Tritt geführt worden war. Nach der Aeusserung des Den. gegen den Videnz will nun derselbe nicht nur vor den Leib, sondern auf den Leib getreten worden sein, was eine liegende Stellung bei ihm voraussetzt, in welcher der Fuss des Inc. seinen Leib von oben her mit als nicht geringe zu schätzender Kraft getroffen hatte. In der Regel — wenn auch Ausnahmen vorgekommen sind — wird nach einer solchen Gewaltthätigkeit in den Hautbedeckungen sich Blut aus ihren Gefässen ergiessen, und sich als Sugillation äusserlich zeigen, und ist dies als eine um so wahrscheinlichere Folge vorauszusetzen, wenn die einwirkende Gewalt so heftig war, um augenblicklich eine so bedeutende und schnell bis zum Tode verlaufende Entzündung der unter liegenden Theile zu veranlassen. Von einer solchen sichtbaren Einwirkung,[S. 67] wie überhaupt von irgend einer anderen der oben genannten, hat indess die Obduction an dem Körper des denatus keine Spur gezeigt, da vielmehr bereits oben gesagt ist, dass am Unterleibe nur „mehrere Narben von angesetzten Blutegeln sichtbar, und anderweitige Spuren äusserer Verletzungen überall nicht zu bemerken gewesen seien.“ Wenn ferner der Amtmann B. den den. eine Viertelstunde nach der angeblich erlittenen Verletzung (ohne Unterstützung), und zwar so gehen sah, dass ihm am Gange nicht das Mindeste auffiel, was auf eine Verletzung hätte deuten können, so würde dies, eine so bedeutende Gewaltthätigkeit vorausgesetzt, wenigstens eine nicht gewöhnliche Kraftanstrengung von Seiten des R. annehmen lassen müssen, welche ebenmässig im kurz darauf erfolgten Hinaufsteigen einer 6–8 Stufen hohen Leiter, das der Videnz bezeugt, vorausgesetzt werden müsste.
Wenn hiernach sowohl die Resultate der Obduction, wie die actenmässig festgestellten anderweitigen Thatsachen nichts weniger als mit Gewissheit ergeben, dass die tödtliche Bauchfellentzündung in Folge äusserer Gewaltthätigkeit entstanden war, so fehlt es auch andererseits nicht an Gründen, die eine Erklärung der genannten Krankheit aus anderweitigen Ursachen wenigstens mit Wahrscheinlichkeit motiviren. Es ist gar Nichts über den Gesundheitszustand des R. vor dem 7. d. M. ermittelt, woraus aber selbstredend nicht mit Gewissheit gefolgert werden darf, dass den. nicht schon einen oder einige Tage vorher an solchen oft nur sehr geringfügig scheinenden, und von Menschen dieser Klasse wenig oder nicht beachteten Symptomen, als Leibschneiden, Diarrhöe, flüchtigen Stichen im Leibe, Empfindlichkeit desselben für die äussere Berührung, gelitten habe, die nicht selten die Vorläufer und[S. 68] ersten Anfänge einer solchen Unterleibsentzündung sind, und, besonders bei mangelnder Pflege, um so mehr bei direct einwirkenden Schädlichkeiten, später sich zur ausgebildeten Krankheit steigern. An letzteren hat es aber dem den. nicht gemangelt, und bedürfte es nicht einmal der Annahme der Möglichkeit solcher vorangegangener Vorbotensymptome, um die der Wahrscheinlichkeit einer Entstehung der quäst. Krankheit aus diesen Schädlichkeiten zu motiviren. Dass der R. im Scherfling’schen Locale bei fortwährendem Trinken von Schnaps und Bier und heftigem Streiten mit dem Inc. sein Blut- und Nervensystem erhitzt habe, ist nicht nur a priori vorauszusetzen, sondern actenmässig erwiesen, indem der Gastwirth deponirt, dass er denselben im „ziemlich aufgeregten Zustande“ bei sich gefunden habe. Ob er schon jetzt oder späterhin eigentlich betrunken, oder auch nur stark angetrunken gewesen, darüber weichen die Depositionen untereinander ab. Dass seine, sogar bedeutende Trunkenheit fortwährend von dem Thäter behauptet wird, darauf wollen wir keinen Werth legen; doch fand ihn auch der Videnz „stark angetrunken, da er stark nach Branntwein roch“, und jedenfalls, worauf es hier nur ankommt, ist eine Erregung seines Blut- und Nervensystems, wie durch die excitirende Gemüthsbewegung, in welcher der Streit ihn erhielt, so auch durch den Einfluss berauschenden Getränkes (dergleichen später in Moabit noch einmal genossen wurde) mit Gewissheit anzunehmen. In diesem Zustande ging den. nun den ansehnlich weiten Weg nach Moabit zu Fuss. Es ist nicht als unmöglich, selbst, unter Berücksichtigung dessen, was im Obigen gegen die Entstehung der tödtlichen Krankheit durch die angeblichen Misshandlungen ausgeführt worden, nicht als unwahrscheinlich[S. 69] anzunehmen, dass sich nun der entzündliche Process im Unterleibe entwickelt, oder ein, in seinen Anfängen bereits gegebener, gesteigert habe. Eine ihn nunmehr betroffene rohe Behandlung im Allgemeinen, wie sie Inc. selber einräumt, ein Stossen, dass er zur Erde fällt, ein Anstossen mit dem Fusse, um ihn wieder zum Aufstehen zu bewegen u. s. w. konnte nur nachtheilig und als wahre Schädlichkeit wirken. Den. hatte in dieser Zeit nun schon bedeutende Schmerzen im Unterleibe. In diesem Zustande verbringt er die Nacht hülflos auf einem Heuboden, während nun schon zweifelsohne eine wirkliche Entzündung eingetreten war, und zwar eine Species von Entzündung, die nur allein, nach der ärztlichen Erfahrung, noch Hoffnung eines günstigen Ausganges gewährt, wenn sie vom ersten Entstehen an mit den kräftigsten, entzündungswidrigen Heilmitteln bekämpft wird, und bei deren raschem Verlauf eine Versäumniss dieser Art von einer ganzen Nacht und darüber vom allerwichtigsten, nachtheiligsten Einflusse ist.
Wenn nach allem Bisherigen dargethan ist, dass eine Bauchfellentzündung bei dem den. auch ohne die von ihm behauptete erlittene Misshandlung entstehen und tödtlich verlaufen konnte, so scheint unserer Ausführung nur das Charité-Attest entgegenzustehen. Nach demselben ergab die Untersuchung „mit Rücksicht auf die einwirkende Gewalt eine starke Quetschung der Bauchbedeckungen, namentlich aber der in der Unterleibshöhle befindlichen Organe“. Die unterzeichneten Obducenten bedauern, dass sie in diesem, für sie so wichtigen Zeugnisse eine grössere Deutlichkeit vermissen. Sollte dasselbe unter dem Worte Quetschung geradezu das Wort: Sugillation verstanden haben wollen, so wäre eine Beschreibung[S. 70] des Befundes an den Bauchbedeckungen zu wünschen gewesen. Die Obducenten dürfen aber um so mehr voraussetzen, dass auch schon bei der Aufnahme in die Charité äusserlich wahrnehmbare Spuren dieser Art nicht gefunden worden, als nicht anzunehmen ist, dass eine „starke“ Sugillation in den 24 Stunden, die den. noch in der Charité verlebte, so spurlos hätte verschwinden können, wie es die Legalbesichtigung der Leiche ergab. Sie werden in dieser Voraussetzung, dass die Charitéärzte mit der Bezeichnung: „Quetschung“ nicht eigentlich Blutunterlaufungen gemeint haben, noch mehr befestigt durch den Zusatz derselben auf ihrem Atteste: „namentlich aber der im Unterleibe befindlichen Organe“, deren Zustand selbstredend die sinnliche Wahrnehmung nicht ergründen konnte. Die weitere Schilderung des Befundes auf dem genannten Atteste betrifft lediglich die Zeichen einer höchst acuten Peritonitis, über deren Vorhandengewesensein kein Zweifel obwalten kann. Von geringem Belang ist endlich der Leichenbefund in der Brust, da, bei der völligen Abwesenheit von Verletzungen an derselben, hier lediglich, nach medicinischer Erfahrung, anzunehmen ist, dass die so sehr heftige Bauchfellentzündung theilweise auch eine Entzündung in der Brust nach sich gezogen habe.“
Hiernach urtheilten wir, dass „wenn auch nicht als unmöglich, doch nicht als sehr wahrscheinlich anzunehmen, dass die tödtliche Entzündung Folge äusserer Gewaltthätigkeit gewesen sei“, wonach denn auch erkannt wurde. Wer hätte auch wohl mit unbeschwertem Gewissen hier weiter gehen, und den Angeschuldigten durch ein solches Weitergehen als Urheber des Todes des R. erklären können?
Anscheinend tödtliche Misshandlungen.
Recht ähnlich gestaltete sich einige Jahre später ein anderer Fall, der auf der Feldmark von Charlottenburg vorkam, und in welchem ebenfalls Zwischenursachen wirksam geworden waren. Am 17. Mai 18—, bei einer Hitze von Mittags „mehr als 20 Gr. R.“, war (Mittags) der als Säufer bekannte Eisenbahnarbeiter Gl. stark angetrunken und stolpernd über den Acker gehend, und sich dann niederlegend gesehen worden. Nach 10 Minuten stand er auf und ging in ein nahes Roggenfeld, wo er sich wieder niederlegte. Anderthalb Stunden später kamen P. und A. des Weges gefahren, und fanden ihn mit dem Gesicht in die Höhe liegend, so dass ihm die brennenden Sonnenstrahlen in’s Gesicht schienen, und „schwarzbraun im Gesicht“. Man versuchte den halb Bewussten aufzurichten, der aber bei diesen Versuchen immer wieder zur Erde fiel, auch noch 2–3 Schritte ging, aber wieder niederfiel. Bei dieser Gelegenheit nun versetzte ihm P. einige Hiebe mit dem Stiele seiner Peitsche und einige Fussstösse, die mehrere Zeugen als nicht erheblich schildern, während nur ein Knabe von sechs tüchtigen Hieben und mehreren Fusstritten in die Seite deponirt hat. Es gelang aber nicht, den anscheinend schwer Betrunkenen zu ermuntern, und man liess ihn liegen und bedeckte nur das Gesicht, um es gegen die Sonnenstrahlen zu schützen. Bald darauf fand ihn ein Dritter Z., anscheinend völlig bewusstlos, anfänglich nicht antwortend, und nur „in sich hineingrunzend“ und einige Bewegungen mit der Hand nach seinem Stocke machend, bis er endlich doch noch ganz deutlich sagte: „ich werde schon kommen“. Das Fortschaffen gelang indess[S. 72] auch jetzt nicht, und bald darauf wurde der Gl. todt gefunden.
Hatten und welchen Antheil hatten die Misshandlungen an seinem Tode gehabt?
Das Gesicht der Leiche erschien bei der Section ziemlich dunkelroth gefärbt, ganz besonders aber blauroth waren beide Backen und Ohren. Am rechten Oberarm zahlreiche kleinere und grössere Sugillationen, von Erbsen- bis Zweigroschenstücksgrösse, kleinere dergleichen auch am linken Oberarm, zahlreiche blaurothe Flecke endlich auch am linken Schulterblatt. Der Kürze halber bemerke ich, dass bei und nach der Eröffnung der Kopfhöhle sich eine sehr starke apoplectische Congestion (kein Erguss) als Todesursache ergab. Das Rückenmark war normal. Beide Lungen waren mit einem dunklen, dickflüssigen Blute stark angefüllt. Die Leber, wie so häufig bei Säufern, stahlgrau. Die sonstigen Sectionsbefunde waren nicht erheblich. Im Gutachten wurde nur hervorgehoben, wie der Befund die letzten Lebensäusserungen des denatus, das „schwarzbraune“ Gesicht, die Besinnungslosigkeit, das „Hineingrunzen“ erkläre, als Symptome eines tödtlichen Blutschlagflusses, welchen, wie angenommen ward, der Rausch, die hohe Lufttemperatur und die Wirkung der Sonnenstrahlen auf den Kopf bedingt hatten. Mit höchster Wahrscheinlichkeit war er bereits in diese tödtliche Krankheit verfallen, als die Verklagten ihn angriffen, da er damals schon besinnungslos war. Dass diese Be- oder Misshandlung aber gar nicht erheblich gewesen, haben nicht nur die Augenzeugen bekundet, sondern Hiebe mit einem Peitschenstock auf Schultern, Rücken und Hintern, und Berührungen (Anstossen) mit dem Fusse in die Seite, konnten an und für sich auch nicht als bedeutend gelten,[S. 73] und die Section bestätigte dies auch, da sie als Folge derselben nur allein kleine Sugillationen in den Hautbedeckungen nachwies. Es wurde hiernach angenommen, dass die Misshandlungen keinen Antheil an dem Tode gehabt hätten.
Anscheinend tödtliche Ruthenhiebe.
Ruthenstreiche machen sich an der Leiche auf zweifache Weise kenntlich. Entweder, natürlich dann, wenn die Reiser mehr flach auffielen, findet man kürzere oder längere, bis 2 und 3 Zoll lange, rothe, schwach sugillirte zwei-, drei-, vierfach parallel nebeneinander her laufende Streifen, oder, wenn die Ruthe mehr mit den Spitzen traf, sieht man an den getroffenen Stellen haufenweise und grossen Petechien ähnliche, von diesen aber schon durch ihre Isolirung auf einzelne Körperstellen unterschiedene, sugillirte Flecken. Dergleichen recht zahlreiche fanden sich auf dem rechten Oberschenkel eines fünfjährigen Knaben, der angeblich durch die Misshandlungen seiner Mutter getödtet worden sein sollte. Es ergab sich aber vielmehr Lungentuberculose als Ursache des Todes.
Anscheinend tödtliche Stockprügel.
In einem Anfalle von (Sommer-) Cholera hatte sich ein Knabe beschmutzt, und war deshalb mit einem Rohrstock gezüchtigt worden. Am Abend des Tages verfiel er in Krämpfe, ward bewusstlos und starb am folgenden Tage. An der Leiche fanden sich vierzehn sugillirte Streifen an Rücken und nates, innerlich aber Nichts als eine[S. 74] ungewöhnliche Anfüllung der Venen der pia mater und der sinus. Wir nahmen an: „dass der Tod durch innere Krankheit herbeigeführt worden, die nicht veranlasst, aber in ihrem tödtlichen Verlaufe doch wahrscheinlich beschleunigt worden durch die Misshandlungen.“
Tödtliche Gehirnhämorrhagie.
Ein Nachtstück aus dem gemeinsten Berliner Leben bietet folgender Fall. M., ein höchst jähzorniger Mensch, lebte mit der B. in Concubinat, aber auch täglich in Zank und Streit, was allen Hausbewohnern längst bekannt war. Am 20. December früh war die B. noch ganz gesund gesehen worden. Mittags, als ein Stuben-Nachbar zu Hause kam, „misshandelte M. die B. auf die empörendste Weise, schlug sie mit der Faust und abwechselnd mit seinem Holzpantoffel, wohin er auch traf, auf Kopf, Gesicht, Mund u. s. w., warf sie, ohne sich durch einen Augenzeugen abhalten zu lassen, auf den Tisch und auf die Erde, fasste sie bei den Haaren, und warf sie, wenn sie sich erheben wollte, wieder zu Boden!“ Eine Zeugin beobachtete die Gepeinigte Nachmittags vom Hofe aus. Sie sah dieselbe halb entkleidet auf der Erde sitzen, mit Blut im Gesicht, geschwollenem Munde und fliegenden Haaren. Sie sah, wie M. sie dergestalt vor die Brust stiess, dass sie lang hinfiel. Die B. wollte dann aufstehen und nach dem Ofen gehen, wobei sie aber taumelte. Hier packte sie M. abermals, warf sie wieder rücklings nieder und gab ihr nun Fusstritte vor Brust und Leib u. s. w. Abends um 7 Uhr starb die Unglückliche. Von den zahllosen Hautabschilferungen und Sugillationen u. dgl. an der Leiche hebe ich nur eine sugillirte Geschwulst der Augenlider[S. 75] und eine Zerreissung der Schleimhaut der Lippen hervor, offenbar herrührend von den Schlägen mit dem Holzpantoffel auf den Mund. Wichtiger aber war der — durch keine äusserliche Spur am Leichnam geahnte — Bruch der fünf ersten Rippen rechter Seits, und ein Extravasat von einer halben Drachme halb geronnenen Blutes auf der Varolsbrücke. Es wurde nicht unterlassen, der Möglichkeit zu erwähnen, dass diese Gehirnblutung durch rein innere Ursachen hätte entstehen können, um so mehr, als denata angeblich epileptisch gewesen, indess, mit Berücksichtigung der durch Zeugen, wie durch die Section nachgewiesenen höchst gewaltthätigen Misshandlungen, dargethan, wie unhaltbar eine solche Annahme in concreto sei. Vielmehr musste diese Gehirnblutung, einmal als Todesursache anerkannt, sodann die Entstehung derselben, den Misshandlungen, die namentlich den Kopf getroffen hatten, zugeschrieben, und diese Verletzungen endlich im Sinne der ersten Frage der Criminal-Ordnung für absolut tödtlich erachtet werden. Die Rippenbrüche konnten hiernach in der schliesslichen Beurtheilung ausser Betracht gelassen werden.
Anscheinend tödtliche Misshandlung.
Eine fast 70jährige Frau sollte durch Misshandlungen getödtet worden sein. Eine gewaltsame Todesart konnte aber durch die Section gar nicht nachgewiesen, und eine kleine Sugillation am rechten Scheitelbein nicht als mit dem Tode im Zusammenhange stehend erachtet werden. Wir nahmen deshalb einen natürlichen Tod an, der auch durch die spätere Vernehmung des behandelnden Arztes bestätigt wurde.
Anscheinend tödtliche Misshandlung.
Umgekehrt hatte der behandelnde Arzt in einem anderen Falle, betreffend eine Frau von 84 Jahren, die Anzeige gemacht, dass dieselbe durch Misshandlungen ihren Tod gefunden habe. Es ergab sich Tod durch blutige Apoplexie, die höchst wahrscheinlich durch einen Fall aus dem Bette veranlasst worden war. Für von Dritten verübte Gewaltthätigkeit aber sprach gar Nichts, und auch hier wurde unser Ausspruch später bestätigt.
Die thatsächlich grosse Häufigkeit dieser Todesarten steht nicht im Verhältniss zu der Erfahrung, die dieselben den preussischen Gerichtsärzten gewähren. Bekanntlich werden nämlich, wie bereits oben (S. 8) auch bemerkt ist, den Bestimmungen der Criminal-Ordnung entgegen, welche durch Allerhöchste Cabinets-Ordre eingeschränkt worden, bereits seit mehr als einem Viertel-Jahrhundert (December 1824) alle Selbstmörder und solche Verunglückte, für deren Tod die Schuld eines Dritten nicht vermuthet werden kann, gar nicht mehr zur Cognition des gerichtlichen Arztes gebracht, sondern nur, vor Ausfertigung des Beerdigungsscheines, von einem Gerichtsdeputirten, also Laien, besichtigt. Dass dabei wunderliche Quiproquo’s mitunterlaufen müssen, lässt sich leicht ermessen und ich selbst habe dergleichen erlebt. Eine[S. 77] Leiche war im Wasser gefunden worden. Der Gerichtsabgeordnete fand bei der amtlichen Besichtigung einen tiefen Eindruck oder Bruch im Schädel und Blut an der Weste der Leiche, und veranlasste deshalb, und in der anscheinend begründeten Annahme eines vorgefallenen Mordes, die Zuziehung des Arztes. Bei der sachkennerischen Ermittelung ergab sich nun aber ganz einfach, dass der vermeintliche Eindruck oder Bruch am Schädel nichts Anderes war, als ein einige Zoll langer Eindruck in die sehr aufgeschwollenen weichen Bedeckungen der Stirn, mit welcher denatus im Wasser an einem scharfkantigen Pfahl angepresst gelegen hatte, und die wenigen Blutflecke an der Weste waren höchst wahrscheinlich aus der Nase geflossen, da sich im Uebrigen nicht die geringste Spur einer gewaltsamen Tödtung ausserhalb des Wassers ergab. Späterhin wurde das freiwillige Ertränken des Menschen ausser Zweifel gesetzt.
Erstickung durch Einsturz eines Gebäudes.
Unter den zehn aus dieser Centurie zu erwähnenden Fällen der vorliegenden Rubrik will ich zunächst dreier zu gleicher Zeit obducirter Männer gedenken, weil bei allen Dreien die Criterien des Erstickungstodes auf eine seltene Weise stark ausgeprägt gefunden wurden. Sie waren, in einer Kellerstube sitzend, durch das über ihnen plötzlich zusammenstürzende, so eben neu gebaute dreistöckige Haus getödtet worden. Nur Einer hatte eine eigentliche Verletzung, einen Bruch des rechten Oberschenkels, davongetragen, und die gemeinschaftliche Todesursache war Erstickung gewesen. Der älteste von ihnen, G., 36 Jahre alt, war ein Mann von toröser Constitution. Die Leiche[S. 78] hatte ein zinnoberrothes, stark gedunsenes Gesicht, die Zunge lag hinter den Zähnen. Beide Lungen waren zwar stark mit dem dunklen und flüssigen Blute der Erstickten erfüllt, jedoch enthielt das rechte Herz desselben nur mässig viel, das linke noch weniger. Dagegen war der Erstickungstod in der Luftröhre exquisit ausgeprägt: denn die Schleimhaut des Kehlkopfs und der Luftröhre war durchweg hochroth gefärbt, und der Canal fast ganz mit einem dunkelblutigen Schaume ausgestopft. Jene Röthe ist das bei weitem beständigste, daher auch zuverlässigste Zeichen des Erstickungstodes, das, wenn auch nur angedeutet, nie zu fehlen pflegt. Ausserdem waren allerdings wie gewöhnlich, auch bei dieser Leiche Leber, Milz und Gehirn ansehnlich congestiv mit Blut erfüllt, aber höchst auffallend beide Nieren, die von der strotzenden Anfüllung mit dunklem Blute fast schwarz anzusehen waren. Und hier will ich nicht unterlassen anzuführen, dass die Blutcongestion in den Nieren bei suffocatorischem Tode weit häufiger ist, als die Congestion in Leber, Milz, Netzen u. s. w., was weit weniger bekannt ist, als die wichtige Thatsache zu sein verdient. So waren gleich bei der zweiten Leiche, dem 25jährigen Bruder des G., beide Nieren so strotzend mit flüssigem Blute angefüllt, dass dasselbe bei Längsschnitten in dieselben förmlich ausfloss, gewiss ein äusserst seltener Befund. Die Zunge (bei dem Bruder s. oben hinter den Zähnen) lag bei diesem Erstickten einen halben Zoll weit aus dem Munde vorgedrängt. Das Gesicht war blutroth und gedunsen. Im lumen der Luftröhre fand sich kein Blutschaum, aber eine leichte helle Röthung der Schleimhaut. Hier waren aber die rechte Hälfte des Herzens und dessen Kranzadern sehr stark überfüllt, weniger die Lungen und[S. 79] die grossen Venenstämme des Unterleibs. Der jüngste und schwächste der drei Körper, ein 20jähriger Geselle, zeigte gleichfalls ein blauroth gedunsenes Gesicht und eine eben solche, drei Linien vor die Kiefer gedrängte Zunge. Die Luftröhre war von derselben Beschaffenheit, wie in der eben geschilderten Leiche, aber am meisten unter allen drei Leichen waren hier die Lungen blutüberfüllt, und die Venen des Unterleibs waren wahrhaft wurstartig blutstrotzend. Beide Nieren, besonders aber die rechte, waren gleichfalls strotzend von Blut, und eine starke Congestion im Gehirn sichtbar.
Mord durch Erdrosselung.
Eine höchst interessante Untersuchung veranlasste ein Raubmord, der an einer alten 72jährigen allein wohnenden Wittwe verübt wurde.
Am 22. April 18— früh 10 Uhr bemerkten die Hausbewohner, dass aus den Fenstern der Hofwohnung dieser Frau Rauch hervordrang. Die Thür fand man verschlossen, und als man deshalb das Fenster einschlug, und die Läden desselben öffnete und darauf eindrang, fand man das Zimmer ganz voll Rauch, das Stroh in der Bettstelle angebrannt, den Schlüssel zur verschlossenen Thür fehlend und auf einem Stuhle sitzend die Leiche der alten Frau B. anscheinend erdrosselt. Mehrere Schritte von ihrem Sitze in der Wand fand sich ein Haken eingeschlagen, um welchen ein altes, in der Dicke eines kleinen Fingers zusammengedrehtes, leinenes Tuch gewickelt war, das mit einem Ende herunterhing. Im Zimmer fand man geöffnete Schränke, aus denen Kleider und geldwerthe Effecten weggekommen waren. Man brachte die Leiche auf den Flur,[S. 80] wo die Aerzte A., F. und K. noch fruchtlose Rettungsversuche anstellten. Diese Aerzte fanden nach ihrem Attest „eine vertiefte Strangulationsmarke, die sich vom Kopfnicker der rechten Seite bis hinter denselben Muskel der linken Seite erstreckte. Sie war an der linken Seite am stärksten, und an einer Stelle sogar doppelt. Das Gesicht war ganz blau“. Der Dr. A. erklärte vier Tage später, vor der gerichtlichen Inspection der Leiche, „dass die Strangmarke nicht mehr so deutlich sei, als früher“. Ein Arbeitsmann H., der bei den Rettungsversuchen behülflich gewesen, hatte erklärt, „dass am Halse ein rother Streifen gewesen, der ungefähr so aussah, wie ein Peitschenhieb auf der Haut auszusehen pflegt“. Am 26., also 4 Tage nach dem Tode, obducirten wir die Leiche, die noch viele Bettfedern in den Haaren hatte. Die etwas aufgetriebene, aber bleiche Zunge lag zwischen den zahnlosen Kiefern. Hände und Nägel waren bläulich gefärbt. Auf der linken Backe fand sich ein kleiner Hautritz, an Nase und Mund, dessen Lippen bläulich waren, geringe Spuren von angetrocknetem Blute, in der Mitte der Oberlippe ein erbsengrosser, sugillirter Fleck. Auf der linken Seite des Halses vom hinteren Rande des Kopfnickers an bis zum vorderen Rande desselben Muskels rechts zeigte sich eine ganz abgeflachte, und an einzelnen Stellen 1⁄4 Linie tiefe, schmutzig gelb-bräunlich, und an beiden Rändern hier und da röthlich gefärbte Marke von 1⁄3 Zoll Breite. Gegen ihr Ende nach der rechten Seite wurden ihre Kennzeichen immer weniger sichtbar. Die ganze Marke war weich zu schneiden, und nirgends eine Sugillation im subcutanen Zellgewebe. Sie verlief gerade über die Mitte des Kehlkopfs. Einen halben Zoll über ihr zeigten sich einzelne Spuren erhöhter Hautröthe, muth[S. 81]maasslich von einer zweiten Marke herrührend, welche jedoch jetzt nicht mehr erkannt werden konnte. Am linken Unterkieferwinkel fanden sich zwei blaurothe, ächte sugillirte Flecke von Sechser- und Erbsengrösse, und ein ganz gleich beschaffener Fleck von Groschen-Grösse am unteren Rande des Kiefers, 1 1⁄2 Zoll vom rechten Unterkieferwinkel entfernt. Von den inneren Befunden waren die wesentlichsten: merklicher Blutreichthum der Lungen mit dunklem, ziemlich flüssigen Blute, starke Anfüllung der Kranzadern, wenig Blut im linken, strotzende Blutfülle im rechten Herzen und in den grossen Aderstämmen der Brust, lebhafte und hohe Röthung der ganzen Tracheal-Schleimhaut, auf welcher sich einige Tropfen wässrigen Blutes vorfanden, und dunkelblaue Färbung der Rachenhöhle. Im Kopfe fand sich sehr bedeutende Anfüllung der Venen der harten und weichen Hirnhaut, und eine 2 1⁄2 Zoll grosse runde Blutunterlaufung an der inneren Fläche der galea über der Occipital-Protuberanz, sonst nichts Ungewöhnliches, und im Unterleibe endlich: bedeutender Blutreichthum in Netz und Gekröse, eine „ungewöhnliche Blutfülle“ in beiden Nieren (s. No. 48 oben) und strotzende Anfüllung der Venenstämme mit dunkelflüssigem Blute.
Hiernach konnte es als zweifellos angenommen werden, dass denata den Erstickungstod gestorben. Aber auch die gewaltsame Veranlassung desselben war zweifellos, denn abgesehen davon, dass eine andere Veranlassung gar nicht constirte, da etwanige Erstickung durch Strohrauch sich namentlich durch eine anderartige Färbung der Luftröhrenschleimhaut zu erkennen gegeben haben würde, abgesehen davon, dass, zugegeben, dass die Strangmarke, wie sie bei der Legalinspection gefunden worden, allerdings auch bei solchen Menschen beobachtet werden kann, denen erst[S. 82] nach dem Tode ein Strangwerkzeug umgelegt worden[14], dass, sage ich, nach den Schilderungen der Aerzte, die die Leiche früher, und alsbald nach dem Tode der B. gesehn hatten, die Strangrinne früher eine andre, und höchst wahrscheinlich solche Beschaffenheit gehabt hatte, wie sie nur allein bei lebendig Erdrosselten oder Erhängten vorkommt, so erschien in diesem Falle die Marke von geringerer Erheblichkeit, da ein andrer, sehr wichtiger Sectionsbefund vorlag. Wir meinen die geschilderten ächten Sugillationen am Halse, zwei linker und Eine rechter Seits. Diese Befunde konnten nur die Resultate eines Drucks von aussen gewesen sein, und es lag auf der Hand, sie als Fingerdrücke anzusprechen, wobei der Daumen auf die rechte, und zwei Finger auf die linke Seite des Halses aufgesetzt gewesen waren. Ohne Zweifel war dieser Druck der erste Angriff auf das Leben der denata, und das Strangwerkzeug folgte erst auf denselben, und dass hierbei keinenfalls ein langer Zwischenraum verflossen sein konnte, ergaben die actenmässigen Vorgänge.
Der Verdacht eines Selbstmords war leicht zu beseitigen, obgleich offenbar die Mörder denselben zu erregen bemüht gewesen waren, wie namentlich das Tuch am Wandhaken bewies, Aber plumper ist wohl in dieser Hinsicht selten verfahren worden! Der Schlüssel der abgeschlossenen Thüre fehlte, es fehlte das Strangwerkzeug am Halse, als man die Leiche auffand, und die Mörder hatten in der Eile übersehn, dass wenn die B. sich an dem Tuche am Haken aufgehängt gehabt, sie nicht davon entfernt auf dem Stuhle sitzend als Leiche hätte können gefunden wer[S. 83]den!! Im Uebrigen musste auf Dritte durch die Brandstiftung geschlossen werden, durch welche offenbar die That des Mordes hatte verdunkelt werden sollen. In der That wurden drei des Verbrechens verdächtige Männer eingezogen, und lange gegen sie inquirirt. Aber — vergeblich, und selbst nachdem Einer von ihnen nach Jahr und Tag, längst entlassen, geldwerthe Papiere, die zu den bei der B. geraubten gehörten, bei einem Wechsler hatte umsetzen wollen und dabei aufs Neue gefänglich eingezogen worden war, gelang es nicht, ihn der That zu überführen, und der Mord ist bis heute (fünf Jahre nachher) unentdeckt und ungerochen geblieben!
Erstickung von Kindern im Bette.
Nach unserm Strafrechte (A. L. R. §. 738, 739 Thl. II Tit. 20) ist es Müttern und Ammen bei Gefängnissstrafe verboten, Kinder unter zwei Jahren Nachts zu sich ins Bett zu nehmen[15], Contraventionen gegen dies eigenthümliche Gesetz kommen natürlich häufig vor, und so habe ich alljährlich mehrere Fälle gerichtsärztlich zu constatiren, in denen durch ein solches Verfahren kleine Kinder in den Betten ihrer Mütter oder Ammen erstickt worden sein sollen. In der hier betrachteten Centurie von gerichtlichen Obductionen kamen nicht weniger als fünf dergleichen Anschuldigungen vor, von denen vier die eignen Mütter trafen, die natürlich doppelt schwer durch eine[S. 84] solche harte Anklage getroffen werden mussten, da sie ohnedies schon schwer genug für ihre Fahrlässigkeit durch den Verlust eines geliebten Kindes büssen müssen. — Bei diesen Sectionen habe ich (nicht nur in den hier betrachteten fünf, sondern auch in mehrern spätern Fällen) einen Befund angetroffen, der höchst interessant ist, und den Erstickungtod bei kleinen Kindern, wie kein andres bekanntes Kriterium, characterisirt. Bei Erwachsenen erinnere ich mich nicht, diesen Befund angetroffen zu haben: ich meine petechienartige Sugillationen in der Lungenpleura, der Aorta oder namentlich auch auf der Oberfläche des Herzens, welches, wie die Lunge dadurch ganz gesprenkelt erscheinen kann. Viele meiner Zuhörer haben sich wiederholt bei diesen Fällen von diesem Befunde überzeugen können, der meines Wissens noch nicht allgemein bekannt ist. — Ein drei Monate altes Mädchen war im Bette der Mutter am Morgen todt gefunden worden. Ausser den gewöhnlichen Zeichen des Erstickungstodes fanden sich unzählige kleine, petechienartige Sugillationen auf Herz, Aortenbogen und rechter Lunge, die das Aussehn hatten, als wären Schreibfedern darauf ausgespritzt worden. Die Zunge lag zwischen den Kiefern. Der Magen war halb mit geronnener Milch angefüllt, und ein blutiger Schaum in der Luftröhre fehlte nicht. — Auch bei einem einen Monat altem Mädchen, das, ohne alle Spuren äusserer Gewalt, im Bette der Amme todt gefunden worden war, waren die Erstickungsbefunde sehr deutlich ausgeprägt. Das ganze Herz hatte sogar eine dunkelblaue Färbung, und in dieser waren noch zahlreiche Petechien-Sugillationen auf der Oberfläche des Organs, so wie auch in beiden, besonders der linken Lungenpleura wahrzunehmen. Die Milz war bedeutend[S. 85] überfüllt, die Nieren aber in diesem Falle weniger. Die Lungen waren mit dunkelm, dickflüssigen Blute strotzend, die Luftröhre sehr mit einem röthlichen Schaum angefüllt. Die Zunge lag 3 Linien weit vor den Kiefern. Auch in diesem Falle enthielt der Magen gekäste Milch, wie gewöhnlich und natürlich, da ja meist die Kinder in’s Bett genommen werden, um sie zu stillen, und Nährende und Säugling darüber dann einschlafen. — Ganz ähnliches ergab die Section eines zwei Monate alten Mädchens, das im Bette seiner Mutter erstickt war. Ich führe, mit Uebergehung der übrigen suffocatorischen Zeichen, nur an, dass auch hier die Oberfläche des Herzens wie gesprenkelt erschien. Das lumen der Luftröhre war mit hellröthlichem Schaum angefüllt, ihre Schleimhaut hellroth. Das Kind hatte sich satt und voll getrunken, denn der Magen war ganz mit gekäster Milch angefüllt. Dass eine solche Ueberfüllung den Erstickungstod unter ähnlichen Umständen nur sehr begünstigen muss, ist unzweifelhaft, und ich bin überzeugt, dass diese Todesart kleiner Säuglinge noch weit häufiger vorkommt, als sie zur richterlichen Cognition gelangt. Auch den Hausärzten mag die Veranlassung aus begreiflichen Gründen oft genug verschwiegen werden, und dann passirt der Todesfall in den amtlichen Listen unter der Rubrik „Krämpfe“ oder dgl.! Im Uebrigen zeigten sich bei dem Kinde quaest. Todtenflecke auf Schaamtheilen und Vorderfläche der Oberschenkel und ich schloss daraus, dass das Kind, nachdem es gesäugt hatte, auf dem Leibe der Mutter eingeschlafen, liegen geblieben, und erstickt worden sei, was später die Mutter vollständig bestätigte. Das foramen ovale war bei dem zweimonatlichen Kinde noch ganz offen. — Ganz dasselbe fand ich bei einem zwei Monate alten Knaben, [S. 86] der Morgens bei seiner Mutter todt im Bette gefunden worden war. In diesem, so wie in einem andern Falle von einem drei Viertel Jahre alten Mädchen, das man im Bette der Mutter todt gefunden hatte, ergab sich Schlagfluss, nicht Erstickung, als Todesart.
Tod durch Erhängen. Zweifelhafter Selbstmord.
Der letzte Fall in dieser Reihe betraf den Erhängungstod eines 19jährigen Lehrburschen. Der Fall würde gar nicht zu unsrer Cognition gekommen sein, wenn nicht ein Verdacht gegen den Meister obgewaltet hätte, dass er den Burschen durch eine Züchtigung zu Tode gebracht und dann nach dem Tode, um die Schuld von sich abzuwälzen, ihn aufgehängt hätte. Die Obduction ergab ganz unerhebliche Spuren äusserer Gewalt auf dem Rücken der Leiche. Rings um den Hals lief eine braungelbe, pergamentartig harte Strangrinne, ohne subcutane Sugillation. Am After war Koth ausgeflossen. Die innere Besichtigung ergab starke apoplectische Congestion und grossen Blutreichthum in den Lungen. Hiernach musste angenommen werden, dass die Züchtigungen nicht die Todesursache gewesen, und dass der junge Mann lebend an den Strang gekommen sei. Im Uebrigen schloss ich aus einem Befunde in der Harnblase, und nach meinen Erfahrungen in andern Fällen, dass denatus ein „Bettpisser“ gewesen sei, und die bei der Section anwesende Mutter bestätigte mir sogleich diese Diagnose, auf welche ich bei andrer Gelegenheit noch zurückkommen werde.
Bei dem heutigen Standpunkt der gerichtlichen Arzneiwissenschaft wüsste ich kaum ein grösseres Desiderat für ihre practische Anwendung, als ein irgend sichres Criterium zur Feststellung der Thatsache: ob ein Mensch ertrunken, d. h. den Tod im Wasser gestorben ist? Jeder Kenner weiss, wie hier die Schriftsteller, auch die besten, in ihren Meinungen auseinandergehn. Wie viel ist darüber gestritten worden, ob der Ertrinkende den apoplectischen oder den Erstickungstod stirbt? ob schäumende Flüssigkeit in der Luftröhre ein sichres Zeichen des Erstickungstodes, ob es die Gänsehaut, die Flüssigkeit des Blutes sei u. s. w., von so schwankenden Zeichen wie der grössern Kälte der Wasserleichen (Merzdorf), oder des Auströpfelns des Blutes aus den Gefässen der Schädelknochen (Pyl.), oder dem Aufrechtstehen des Kehldeckels und ähnlicher gar nicht zu reden! Ich glaube von einer sehr grossen Zahl von Leichen Ertrunkener sprechen zu können, die ich bis heute amtlich — und nicht amtlich, zu meiner eignen Belehrung, in solchen Fällen, wo eine amtliche Section nicht gefordert wurde — genau untersucht habe, und dennoch gestehe ich, kein einziges Zeichen constant gefunden zu haben. Und wie wichtig doch die Frage in foro werden kann, darüber darf ja nur an den Fonk’schen Process erinnert werden, zu dem ich vor einiger Zeit ein, in der zweiten Centurie meiner Beobachtungen zu veröffentlichendes Seitenstück erlebt habe. Im obigen 20. Falle war ein Mann mit einer nicht schnell tödtlichen Schusswunde in den Unterleib im Wasser gefunden worden; war dieser lebend oder todt ins Wasser gekommen? In vielen Fällen waren neugeborne, lebend[S. 88] geborne, oder ältere Kinder aus dem Wasser gezogen worden, in einem andern Falle ein Mann, der angeblich vergiftet worden sein sollte — die Schwierigkeiten können in solchen Fällen wirklich unüberwindlich werden. Allerdings ist anzunehmen, dass ein Mensch im Wasser umgekommen, wenn sich apoplectischer und suffocatorischer Tod im Gehirn, Lungen und Herz ergiebt, wenn das Blut dunkel und flüssig, wenn die Luftröhrenschleimhaut hellroth injicirt und Kehlkopf oder Luftröhre mit blutigem Schaum mehr oder weniger — oft nur in sehr geringem Maasse — erfüllt, wenn an einzelnen Stellen des Körpers — am häufigsten an den Oberschenkeln und an den Vorderarmen — Gänsehaut sichtbar ist, wenn sich mehr oder weniger Wasser — wohl gar die etwanige eigenthümliche Flüssigkeit, wie Morast, Mistjauche u. dgl., in welcher denatus aufgefunden ward — im Magen auffindet, und wenn endlich zu allen diesen Zeichen noch der negative Beweis geführt werden kann, dass denatus keiner andern Todesart unterlag. Aber abgesehn davon, was gegen die Beweiskraft dieser Zeichen, einzeln genommen, mit Recht angeführt worden ist, so giebt es Ein Moment, das leider! grade bei Wasserleichen, wenn dieselben zur ärztlichen Prüfung vorgelegt werden, so sehr oft hindernd eintritt, welches alle diese Zeichen verwischt und den Thatbestand schwankend macht, und dieses Moment, woran die meisten Handbücher gar nicht gedacht haben, ist — die Fäulniss. Wie oft haben die Leichen Wochen- oder Monatelang im Wasser gelegen, ehe sie entdeckt wurden, und wie weit ist dann die Putrefaction in der graugrünen, von der Oberhaut ganz entblössten, hoch aufgeschwollenen Leiche vorgeschritten! Aber schon bei geringern Verwesungsgraden zersetzt sich das Blut und[S. 89] verdunstet, und man findet einen durchweg anhämischen Körper, in dem also auch von Blutanhäufungen in Gehirn, Lungen oder (rechtem) Herz, in den Netz- und Gekrös-Venen u. s. w., also von Apoplexie oder Suffocation, keine Rede mehr sein kann. Auch die Consistenz des Blutes lässt sich dann nicht mehr prüfen. Noch viel weniger die Beschaffenheit der Luftröhre, die schon sehr früh bei eintretender Verwesung sich verfärbt, und je weiter, desto mehr eine dunkelkirschbraune Röthe ihrer Schleimhaut zeigt. Eben so wenig endlich die Gänsehaut, die ich, wo sie vorhanden, für ein werthvolles Zeichen erklären muss, das im Allgemeinen zu wenig beachtet wird, und bei dem ich deshalb noch einen Augenblick verweile. Mein Vorgänger auf dem Lehrstuhl und im Berliner Gerichts-Physicat, Geh. Rath Wagner, ein in diesen Dingen vielerfahrener Mann, behauptete auch bei noch warmen Leichen, die als solche ins Wasser kämen, könne sich noch eine Gänsehaut bilden. Zahlreiche Beobachtungen kann derselbe indess hierüber, wie die Natur der Sache beweist, wohl nicht gemacht haben, und aus einigen wenigen Fällen dieser Art, die mir vorgekommen, möchte ich um so weniger diesen Schluss ziehn, als hier die Erscheinung der Gänsehaut an sich sehr schwankend war. Was nämlich diese Erscheinung unsicher machen kann, ist der Umstand, dass bei Menschen von „straffer Faser“, zumal bei solchen aus der untern Volksclasse, die eine derbe, straffe, im Leben nicht gepflegte Haut hatten, diese im Leben, (wie Jeder sich davon bei solchen Individuen leicht wird überzeugen können), wie nach dem Tode eine körnige Beschaffenheit zeigt, die schwer von einer sogenannten Gänsehaut zu unterscheiden ist. Und nun vollends wieder der Verwesungsprocess, wenn er die Oberhaut[S. 90] schon blasenartig aufgetrieben, oder ganz zerstört hat! Bei halb oder ganz verwesten Leichen also, die aus dem Wasser gezogen wurden, lässt sich oft mit Ueberzeugung und beweisend der Ertrinkungstod gar nicht, oder mindestens nicht anders, als durch den negativen Beweis feststellen[16]. Ich habe Nichts erwähnt von dem so viel discutirten Befunde von Wasser in den Lungen (Bronchien) oder im Magen bei Ertrunkenen, ein wichtiges Zeichen, das aber an sich betrachtet, gleichfalls täuschen kann, wie gleich der erste hier zu besprechende
Ertrinkungstod eines Kindes.
beweisen wird. Ein zwei Jahre alter Knabe war todt aus dem Wasser gezogen worden. Im Gehirn fand sich nichts weniger als Blutüberfüllung, kein Wasser in der Luftröhre und in den Bronchien, obgleich der Kehldeckel offen stand, in den Lungen Blutleere, und absolute Blutleere in allen Herzhöhlen, also — weder Apoplexie noch Suffocation! Allein das Blut war hellroth und ungemein flüssig, der Magen war fast ganz mit Wasser angefüllt — in welchem etwas Speisebrei schwamm — und keine andre Todesart liess sich nachweisen, und so durfte der Ertrinkungstod wenigstens „mit hoher Wahrscheinlichkeit“, die Abwesenheit jeder andern gewaltsamen Todesart aber als gewiss angenommen werden. Der seltne Befund des fast vollständig mit Wasser angefüllten Magens klärte sich später auf eine höchst einfache Weise auf, die eben in[S. 91] ähnlichen Fällen wohl auch, ohne dass es, wie hier, mit Gewissheit ermittelt worden, den Befund in der Leiche bei Ertrunkenen veranlasst haben mag. Das Kind hatte nämlich mit seiner Wärterin im heissen Sommer in der Nähe des Wassers gespielt. Es bekam Durst, und trank ein, von der Wärterin gereichtes Glas Wasser mit Begierde aus. Gleich darauf entfernte sich die Wärterin ein wenig, und als sie wieder zurückkehrte, fand sie das Kind vom Ufer herab ins Wasser gefallen und ertrunken!
Ertrinken im Abtritt.
In diese Rubrik gehört ein Fall von einem Mädchen, das zwar ertrunken war — in Menschenkoth und Urin! — dessen ich aber nicht erwähne, weil er etwa Aufschlüsse über den Erstickungs- (Ertrinkungs-) Tod gegeben hätte, sondern seiner Seltenheit und Sonderbarkeit wegen, und weil er mir eine neue, glänzende Bestätigung einer Beobachtung gab, die ich oft gemacht und die meines Wissens noch neu ist. — Ein Dienstmädchen war im März von einer Brustentzündung befallen worden, und sollte nach mehrtägiger Krankheit nach dem Hospital geschafft werden. Sie sträubte sich dagegen lebhaft und äusserte: sie wolle sich lieber mit dem Hammer todtschlagen lassen, als nach der Charité gehn. Am Abend desselben Tages war sie plötzlich — verschwunden. Es war der 21. März 1841. Alle Nachforschungen nach ihr blieben vergeblich, und ein Gerücht, dass sie von einem ihr nahe stehenden Manne im Hause geschwängert gewesen, und dass ihr Verschwinden wohl nicht ganz zufällig sei, konnte natürlich weiter nicht festgestellt werden. Der Fall war fast verschollen, als im December desselben Jahres, also nach[S. 92] fast neun Monaten, die Abtrittsgrube des Hauses ausgeräumt wurde. Ganz unerwartet fanden die Arbeiter bei dieser Gelegenheit im Kothe einen ganz und gar verwesten Körper, der für einen menschlichen Leichnam gehalten werden musste. Es musste sich die Vermuthung aufdrängen, dass derselbe der Körper jenes im Hause früher vermissten Dienstmädchens sei, und da nun das frühere Gerücht über dessen Verschwinden neue Nahrung gewann, so sah sich das Gericht veranlasst, eine ärztliche Untersuchung der Leiche, dieser Leiche zu verfügen! Einen höhern Grad von Verwesung, als dieselbe darbot, werde ich wohl nie wieder zu sehn bekommen. Man denke sich nur eine neun Monate dauernde Maceration des Körpers in der warmen Flüssigkeit menschlicher Excremente. Selbst die sehr abgehärteten Leichenwärter der Anatomie empfanden hier, vielleicht zum erstenmale, Ekel, wozu der unbeschreibliche Gestank allein, abgesehn vom Anblick, schon Veranlassung genug darbot. Ein Ideologe hätte hier ein herrliches Thema zu einer erbaulichen Rede über das „Ebenbild Gottes“ gehabt, und die bittere Ironie in den, bis zum Ueberdruss oft citirten Worten der Thekla: „das ist das Loos des Schönen auf der Erde“! hat nie eine treffendere Anwendung gefunden, als auf den, in das ekelhafteste Scheusal verwandelten Körper dieses, angeblich sehr hübsch gewesenen jungen Mädchens. Der Schädel, der Unterkiefer, die Unterextremitäten zum grössten Theil, waren nackt und durch Maceration von den Weichtheilen entblösst, die Gelenkverbindungen zum Theil gelöst, das Geschlecht äusserlich natürlich nicht mehr erkennbar; was von den Weichtheilen noch vorhanden, waren grauschwarze Fetzen. Von einer Obduction konnte natürlich keine Rede mehr sein. Die Frage des anwesen[S. 93]den Gerichtsdeputirten aber: ob es wohl noch möglich sei, zu erkennen, ob die Person bei ihrem Tode schwanger gewesen? musste ich bejahen, da event. Fötusknochen im uterus, den ich, nach meinen frühern Beobachtungen an verwesten weiblichen Leichnamen (s. unten Corollarien Nr. 5.) noch ziemlich unversehrt zu finden hoffen konnte, vorhanden und erkennbar, sein mussten. Deshalb legten wir wenigstens die Bauchhöhle offen. Ihre Muskeln zeigten sich nun in Fettwachs und die sämmtlichen Därme in eine schmierige Masse verwandelt, die die einzelnen Theile des Darmcanals und seiner Anhänge nicht mehr unterscheiden liess. Als wir zum uterus gelangten, fanden wir denselben hellroth gefärbt, hart und fest zu fühlen und zu schneiden, von jungfräulicher Grösse, an Form noch ganz vollkommen erkennbar, ja normal, und seine Höhle vollkommen jungfräulich und leer. Wenn also schliesslich über Leben und Tod hier natürlich nicht ein auch nur wahrscheinliches Urtheil gegeben werden konnte, so konnten wir doch mit Gewissheit in foro das Gutachten abgeben: dass diese Person im Augenblicke ihres Todes nicht schwanger gewesen sein könne. Jenes Gerücht zerfiel dadurch in Nichts, von jeder Verfolgung gegen den angeblichen Schwängerer und muthmaasslichen Mörder wurde sofort Abstand genommen, der Ruf dieses Mannes, eines ehrenwerthen Bürgers, war wiederhergestellt, und hierin, wie in der gewiss interessanten und schlagendsten Bestätigung unsrer frühern Beobachtungen über die langsame Verwesung des uterus fanden wir eine lohnende Genugthuung für ein Geschäft, das allerdings an sich ein wenig erfreuliches gewesen war.
Zweifelhafter Ertrinkungstod.
Ein weiblicher Körper war aus dem Wasser gezogen worden. Die weit vorgeschrittene Verwesung liess ein sichres Urtheil über den Ertrinkungstod nicht mehr zu. Ein Eindruck in die hoch aufgeschwollenen, weichen Bedeckungen der linken Brustseite, wahrscheinlich von einem Pfahle oder dergl. im Wasser, war offenbar erst nach dem Tode entstanden.
Zweifelhafter Ertrinkungstod.
Aehnlich verhielt es sich bei einem angeblich ertrunkenen Manne, bei dem die Verwesung so vorgeschritten war, dass nur noch eine äussere, keine innere Besichtigung mehr, gemacht werden konnte. Die Zunge lag zwischen den Zähnen eingeklemmt.
Ertrinkungstod.
In diesem Falle eines Ertrunkenen war reine Gehirn-Apoplexie, nicht Erstickung die Todesursache gewesen.
Ertrinken. Zweifelhafter Selbstmord.
Wichtiger endlich in dieser Reihe war folgender Fall, in welchem zugleich die Zweifel über Mord oder Selbstmord zu lösen waren. Ein 42jähriger robuster Mann war am 2. Januar vom Hause fortgegangen, um fällige Zinsen auszuzahlen, und ein vormundschaftliches Geschäft zu erledigen, zu welchem Zwecke er ein Document zu sich ge[S. 95]steckt hatte, an dessen Besitz Dritten gelegen sein musste. Zehn Wochen später fand man seine Leiche im Wasser, und wohl in der Tasche die Quittung über die gezahlten Zinsen, aber nicht das Document. Er war früher Katholik gewesen, aber zu den Christkatholischen übergegangen, weshalb sein Name in seinem Vaterlande (Oesterreich) an den Galgen geschlagen worden war (!). Wenn nun einerseits die Vermuthung eines Selbstmordes aus Religionsfanatismus erhoben wurde, so war andrerseits das Verschwinden des Documentes Grund, den Verdacht einer Ermordung durch Dritte aufzuwerfen, und so wurde die gerichtliche Section verfügt. Die Leiche war natürlich, nach so langer Maceration im Wasser, höchst verwest, über und über grün, der Kopf fast schwarz, die Oberhaut überall abgelöst. Die Augen waren glotzend hervorgetrieben, die Zunge fest zwischen den Zähnen eingekeilt, und deren zwei Linien hervorragende Spitze angeschwollen. Aeussere Verletzungen fanden sich nirgends. In der Brust zeigten sich die Lungen eher blutleer, als blutreich; das linke Herz war blutleer, das rechte mit etwas dunklem, dickflüssigem Blute angefüllt. Die Luftröhre, deren Schleimhaut die gewöhnliche kirschbraunrothe Verwesungsfarbe zeigte, enthielt eine geringe Menge blutigen Schaums. Wasser fand sich weder in ihr, noch in den Lungen. Das Gehirn war bereits in einen blutigen Brei verwandelt, und gestattete sonach keine nähere Untersuchung. Die basis cranii aber, wie alle Schädelknochen, war unverletzt. Der Magen enthielt eine geringe Menge röthlichen Speisebreies, aber kein Wasser. Magen mit Inhalt, duodenum und oesophagus wurden zur chemischen Untersuchung zurückgestellt, die aber keine Spur irgend eines Giftes nachgewiesen hat. Die Omental- und Mesenterial-Venen, die gros[S. 96]sen Venenstämme der Bauchhöhle und die rechte Niere waren, trotz der vorgeschrittenen Verwesung, noch sehr blutreich. Im Uebrigen waren alle Baucheingeweide normal beschaffen. An der linken Seite des Halses bis zum Nacken fand sich ein weisslicher, kaum vertiefter, nicht sugillirter, weich (nicht lederartig) zu schneidender, zwei Linien breiter Streifen. Unser Gutachten ging dahin: 1) dass denatus an Erstickung seinen Tod gefunden; 2) dass es möglich, selbst wahrscheinlich, dass diese durch Ertrinken veranlasst worden; 3) dass in Betracht des hohen Verwesungsgrades der Leiche betreffend die am Halse gefundene Marke Nichts mit einiger Sicherheit geschlossen werden könne; 4) dass, wenn der Tod durch Ertrinken erfolgt, auch nicht mit einiger Wahrscheinlichkeit angegeben werden könne, ob hier Selbstmord, Zufall, oder die Schuld Dritter vorläge.
Nach mehreren Monaten wurde das vermisste Document aufgefunden, und weitere richterliche Ermittelungen stellten dann den geschehenen Selbstmord durch Ertränken ausser Zweifel.
Wie häufig die Untersuchungen von Leichnamen neugeborner Kinder mir im hiesigen foro vorkommen, ergiebt die einfache Thatsache, dass unter den Hundert hier betrachteten Obductionsfällen nicht weniger als Einundzwanzig Neugeborne betrafen. Hierbei sind diejenigen sehr zahlreichen, monatlich 10–12 betragenden Fälle nicht mitgerechnet, in denen bloss eine Besichtigung todtgebor[S. 97]ner oder in den ersten 24 Stunden verstorbener unehelicher Neugeborner nach Vorschrift der Criminal-Ordnung und zur Ertheilung des Beerdigungsscheines Statt findet, um mögliche tödtliche Behandlung des Kindes nicht unermittelt zu lassen. Diese letztern Fälle liefern fast niemals ein wissenschaftlich interessantes Ergebniss; desto mehr natürlich die, hier ausschliesslich in Betracht gezogenen, gerichtlichen Sectionen solcher Leichen neugeborner Kinder, bei denen ein gewaltsamer Tod wirklich oder doch muthmaasslich Statt gefunden hatte. Was zunächst Maass und Gewicht der Leiche als Zeichen der Reife betrifft, so behalte ich mir vor, da ich die Beobachtungen noch immer fortsetze, bei spätern Mittheilungen darüber Genaueres zu berichten, und will hier nur die, meines Wissens noch nicht bekannt gemachte Beobachtung vorläufig mittheilen, dass das Maass der Leiche in allen Fruchtaltern bis zum Zeitigungstermin sich viel constanter zeigt, als das Gewicht, das von der Constitution, dem resp. Verwesungsgrade u. s. w. zu sehr abhängt, um nicht bedeutende Abweichungen im Einzelnen von der allgemeinen Norm zu zeigen. Man kann deshalb nach dem Maasse mit weit mehr Sicherheit, als nach dem Gewichte, das Alter einer Frucht, also auch ihre Reife oder Unreife, beurtheilen.
Was nun die Athemprobe betrifft, so kann ich, nach meinen höchst zahlreichen Erfahrungen, nicht entschieden genug der Henke’schen Lehre entgegen treten, die am Schreibtische erwachsen ist, und so viel Schwanken und Unsicherheit in die forensische Praxis gebracht hat. Es ist ein Verrath an der Wahrheit, wenn man dies vortreffliche Experiment in seiner Beweiskraft ungegründeten Verdächtigungen aussetzt. Ich meinerseits stehe nicht an, zu[S. 98] behaupten, dass wir wenige so sichre Beweismittel in medico-forensischen Dingen besitzen, als die Athemprobe bei der Frage vom zweifelhaften Leben des Neugebornen, versteht sich, dass das Experiment mit Sachkenntniss und Sorgfalt ausgeführt, und dass alle seine Ergebnisse mit gesundem Iudicium — der nothwendigsten Eigenschaft für den practischen Gerichtsarzt — erwogen worden. Was bedeuten z. B. die Einwände in Betreff der hydrostatischen Probe, die vom Emphysema pulmonum und von der Möglichkeit des künstlichen Aufblasens todtgeborner Lungen hergenommen sind? Nicht viel mehr, als Nichts! Denn wer hat wohl jemals das (pathologische) Lungenemphysem beim neugebornen Kinde gesehn? Die fleissige Schrift von Mauch, die dasselbe nachzuweisen sich bemüht, zählt keinen einzigen Fall auf, der vor der Kritik Stich hielte. Und was soll man vollends vom althergebrachten, und bis in die allerneuesten Schriften und Handbücher immer noch wiederholtem Einwande von der künstlichen Ausdehnung der Lungen durch Einblasen von Luft sagen? Hat man denn vergessen, dass es sich bei dieser Frage lediglich um die Praxis handelt? dass überhaupt und der Natur der Sache nach, die gerichtliche Athemprobe niemals anders gefordert und angestellt wird, als da, wo eine Geburt in der Einsamkeit und geheim geschah? Und wer soll dann in solchen Fällen der perfide Lufteinbläser gewesen sein? Doch nicht die Mutter, die wahrlich — auch wenn sie eine Sachkennerin wäre! — kein Interesse daran gehabt haben kann, das todte Kind in’s Leben zurückzurufen, denn sonst würde sie es nicht versticken, ergraben, in’s Wasser werfen! oder der Arzt, die Hebamme, die vielleicht in einzelnen seltenen Fällen hinterher erschienen waren, und Rettungs[S. 99]versuche an dem vermeintlich nur scheintodten Kinde angestellt hatten? Aber dann ergeben ja die Akten, wem, von wem, und unter welchen Umständen Luft eingeblasen worden! Endlich weiss Jeder, der sich hier selbstthätig versucht hat, wie schwer es ist, die Lungen in dem Leichnam eines Neugebornen mit Luft anzufüllen, und die Mutter müsste einen Cursus der Anatomie gehört haben, um erwarten zu können, dass auch nur Einmal unter zehn Fällen ihr das Lufteinblasen so gelingen werde, dass dann dadurch die Ergebnisse der Schwimmprobe alterirt werden könnten.
Weit erheblicher freilich ist der Einwand, der vom möglichen Schwimmen der Lungen wegen Fäulniss derselben aufgestellt worden ist. Aber ein sorgsamer Gerichtsarzt wird sich auch hier nicht täuschen lassen. Denn schon das äussere Ansehn fauler Lungen unterscheidet sie sehr deutlich. Die Fäulnissblasen bilden sich nur unter der Pleura, sind also an der Oberfläche sichtbar, während man bekanntlich die in den Lungenzellen befindliche Luft darauf nicht sehen kann. Und vollends, wenn späterhin durch vorgeschrittene Verwesung in den Lungen diese gar schon sich zu verflüssigen beginnen, und matschig, breiigt werden, genügt Ein Blick, um die Fäulniss in ihnen zu erkennen. Endlich bleibt, auch nach meinen sehr zahlreichen Beobachtungen, wahr, dass die Lungen zu denjenigen Organen gehören, die am spätesten von der Verwesung ergriffen werden, wovon nur Froriep das Gegentheil behauptet hat, (wenn gleich einzelne Angriffe des Zersetzungsprocesses sich in seltnen Fällen schon in frischen Lungen zeigen, s. unten No. 75 und No. 76,) und so kann man schon allein aus diesem Grunde mit Bestimmtheit urtheilen, dass wenn Lungen aus einem noch[S. 100] frischen, oder nur erst wenig in Fäulniss übergegangenem Leichnam schwimmen, dies Schwimmen gewiss nicht von Fäulnissgasen herrühre. Ich bin weit entfernt in Abrede zu stellen, dass das Schwimmen noch irgend etwas beweisen könne, wenn das Gegentheil Statt fand, wenn das Kind und auch seine Lungen schon stark in Zersetzung übergegangen. Allein selbst bei solchen Leichnamen kann die Schwimmprobe noch von practischem Werthe sein, dann nämlich, wenn sie ein negatives Ergebniss liefert, wenn die Lungen z. B. eines schon graugrünen Kinderleichnams untersinken, wie ich dies sehr häufig beobachtet habe (s. auch unten die Fälle No. 67 u. 68). Die Gegner der Athemprobe haben solche Fälle entweder nicht gekannt, oder wenigstens nicht zu erwähnen für gut befunden. Mir ist diese negative Beweiskraft des Experimentes in zahlreichen Fällen sehr zu Statten gekommen, in welchen ich dann, trotz der grössten allgemeinen Verwesung, noch (nach den Umständen des Gesammtexperimentes) mit mehr oder weniger Gewissheit urtheilen konnte, dass das Kind nicht gelebt hatte. Ist mir doch ein Fall vorgekommen, den ich hier anticipiren will, obgleich er nicht in diese, hier betrachtete Centurie von Obductionen fällt, in welchem aus einem sehr verwesten Neugebornen das Herz schwamm, an welchem auch deutliche, grössere Fäulnissblasen sichtbar waren, die noch wohl erhaltenen Lungen aber sanken!
Doch eine eigentliche Abhandlung über die Athemprobe ist nicht der Zweck dieser Zeilen, und so erwähne ich nur noch, bevor ich zur Aufzählung der einzelnen, vorgekommenen Fälle übergehe, der vielbesprochenen Atelectasis. In irgend grösserer Ausdehnung kommt sie in den Lungen Neugeborner kaum vor, und wo dies der[S. 101] Fall angeblich gewesen, da bin ich geneigt, eine Verwechselung mit den Producten einer Pneumonie anzunehmen, die allerdings, wenigstens ohne microscopische Diagnose, leicht möglich ist. Vor Jahren habe ich vor den Augen vieler Zuhörer, und bloss zu deren Belehrung und um das Experiment der Athemprobe zu zeigen, die Leiche eines Kindes geöffnet, das notorisch acht Tage gelebt hatte, und in der Charité verstorben war. Die Lungen hatten durchweg die braunrothe Farbe und compacte Consistenz fötaler Lungen, und sanken vollständig bis in ihre kleinsten Theile. Bei Einschnitten ergab sich die vermuthete rothe Hepatisation und die natürlich nach Lage des Falles diagnosticirte Pneumonie wurde durch das später eingesehene Krankenjournal bestätigt. — Dagegen kommen einzelne, kleinere atelectasische Inseln in den neugebornen Lungen recht häufig vor, aber das Ergebniss der Athemprobe wird durch diese Erscheinung allein nicht getrübt werden können, noch dürfen.
Wir fahren nunmehr in der Reihe der zu schildernden Fälle fort.
Tödtung des Neugebornen durch Sturz auf den Boden.
Die Frage vom Sturz des neugebornen Kindskopfes auf den Boden kam in folgendem, doppelt interessanten Falle zur Sprache. Die unverehl. L. hatte zu Ende ihrer verheimlichten Schwangerschaft ihre Herrschaft Abends im Winter auf den (Weihnachts-) Jahrmarkt begleitet, und war, beim Nachhausegehn, mit einem schweren Korbe beladen, von der Geburt überrascht worden. Das Kind, sagte sie später aus, „plautzte“ mit Einemmale heraus, nachdem sie seit einer halben Stunde Wehen ge[S. 102]fühlt, und fiel mit dem Kopfe auf das Strassenpflaster, wobei die Nabelschnur gerissen sein sollte, was sich durch deren Ränder allerdings bestätigte. Die L. behauptete darauf ohnmächtig geworden zu sein, und als sie nach kurzer Zeit wieder zu sich gekommen, das Kind todt neben sich gefunden zu haben. Das Kind hatte, wie alle Zeichen der Athemprobe übereinstimmend bewiesen, gelebt, und war an Gehirnblutung gestorben, denn ausser verbreitetem Blutreichthum im Gehirn fanden wir eine Drachme Extravasat auf der basis cranii. Sehr interessant war nun der Befund eines mangelhaften Ossificationsprocesses auf dem rechten Scheitelbein, an welchem eine achtgroschengrosse Stelle durchsichtig dünn, und in deren Mitte eine gezahnte, linienbreite Spalte sichtbar war. Ein anwesender Arzt wollte diese als Wirkung des Sturzes oder einer sonstigen Gewalt ansprechen, eine Meinung, der wir indess keine Folge geben konnten, bei dem gänzlichen Mangel jeder Reaction, wie Sugillation u. dergl. und bei der geschilderten Dünnheit des Schädelknochens in grösserem Umfange um die Spalte herum, die endlich sich auch gar nicht verhielt, wie eine traumatische Fissur. Es wurde geurtheilt, dass das Kind reif gewesen, gelebt habe, am Blutschlagfluss gestorben sei, und „dass dieser Blutschlagfluss mit höchster Wahrscheinlichkeit durch den Vorgang bei der Geburt des Kindes erzeugt worden, und weder Obduction noch Acten berechtigen, mit gleicher Wahrscheinlichkeit eine andere Todesursache anzunehmen.“
Tödtlicher Schlagfluss des Neugebornen.
Gar nicht zu ermitteln war die Ursache des Schlagflusstodes in einem andern Falle. Die Mutter wollte im[S. 103] bewusstlosen Zustande geboren, beim Erwachen daraus das Kind todt zwischen ihren Schenkeln gefunden, und nun mit einer Scheere die Nabelschnur getrennt haben. Die scharfen und glatten Ränder derselben bestätigten wenigstens die letztre Aussage. Was die erstre betrifft, so kann die Geburt während eines bewusstlosen Zustandes der Kreissenden nicht geläugnet werden; die Erfahrung lehrt aber, dass man diese Angabe der Angeschuldigten nur mit grosser Vorsicht annehmen darf, denn fast alle solche Inculpirte entschuldigen ihr Verbrechen oder ihre Fahrlässigkeit mit dem angeblich bewusstlosen Zustande, in welchem sie das Kind geboren. (Vgl. 66. Fall.)
Tödtliche Lungenentzündung des Neugebornen.
Ein nur vier Tage altes Kind war an Pneumonie gestorben, welche ohne äussere Veranlassung entstanden, und wahrscheinlich verkannt worden war; wenigstens fand sich keine Spur einer Blutegelapplication an der Leiche. Merkwürdig war die rothe Hepatisation in den Lungen dieses erst viertägigen Kindes. Die hepatischen Stücke sanken vollständig im Wasser unter, während die übrigen Lungenstücke zwar nicht knisterten, aber doch schwammen. (S. oben S. 101.)
Zweifelhaftes Leben einer Missgeburt.
An einer merkwürdigen weiblichen Missgeburt sollte festgestellt werden, ob sie gelebt, event. sich verblutet gehabt, was Beides nicht der Fall gewesen war. Es war ein Anencephalus. Das kleine Gehirn hing in den Gehirnhäuten, bei fehlendem occiput, wie ein blutiger, Putenei[S. 104] grosser Klumpen, in welchem aber Gehirnmasse nachweisbar war, am Hinterkopfe herab. Ein Theil Gehirnbrei lag in einer abnormen Höhle, die von den erweiterten beiden ersten Halswirbeln gebildet war. Der Kopf stak in den Schultern, und die äussern Bedeckungen des Kinns waren mit denen der Brust verwachsen, so dass ein eigentlicher Hals fehlte. Ausserdem fand sich spina bifida des gesammten Wirbelcanals bis zum Kreuzbein, und seröser Erguss in der Brusthöhle. Dass ein solcher Fall zu einer gerichtlichen Obduction Veranlassung gegeben, darf nicht verwundern. Unser Landrecht (§. 18 Tit. 1 Thl. I.) bestimmt nämlich: „insofern Missgeburten leben, müssen sie ernährt, und so viel als möglich erhalten werden“, und bedroht entsprechend (im 20. Titel) das gegentheilige Verfahren mit Strafe[17]. Der Richter musste also auch in solchem Falle, wie der vorliegende, die etwanige gewaltsame Tödtung durch den Gerichtsarzt feststellen lassen.
Zweifelhafter Kindermord durch Erdrosselung.
Ein sehr wichtiger Fall von Anschuldigung wegen Kindermordes war Folgender: die Dienstmagd K. sollte am 17. Januar 18— heimlich geboren haben, läugnete aber die Geburt gegen die zu ihr geschickte Hebamme Fr., obgleich diese eine frische Nachgeburt auf der Diele fand. Gleich darauf entdeckte sie aber unter dem Rücken der im Bette liegenden K. ein, in eine neue Schürze gewickeltes, mit Blut und Schmutz bedecktes, noch warmes, aber[S. 105] lebloses Kind. Nun räumte Inculpatin ein, das Kind auf dem Fussboden geboren zu haben, auf welchem sich auch eine Menge Blut vorfand. Auf dem Fensterbrett fand die Hebamme ferner eine blutige Scheere, und neben der Bettstelle drei, und am Kopfende angebunden ein viertes Ende einer blutbefleckten baumwollenen Schnur. Die uns später vorgelegten grossen und dicken Schnüre (von 17–34 Zoll Länge und 1⁄2 bis 3 Linien Dicke) waren, die beiden starken fast ganz, die beiden dünnen fast gar nicht mit Blut befleckt. Inc. selbst hat später über den Hergang bei ihrer Entbindung Folgendes ausgesagt: sie habe Nachts um 11 Uhr so heftige Schmerzen bekommen, dass sie sich auf die Erde gelegt, und nun die Besinnung verloren habe. Später sei sie wieder zu sich gekommen, habe sich in’s Bett gelegt, sei eingeschlafen, und erst am Morgen habe sie an der Stelle, wo sie Nachts gelegen, auf der Diele ein todtes Kind entdeckt, das sie nun unter sich gelegt. Von dem Abschneiden der Nabelschnur, das ihr, als gegen ihre Angabe von der Bewusstlosigkeit sprechend, vorgehalten ward, wollte sie Nichts wissen, wie sie auch bis zum Schluss der Untersuchung eine solche Unwissenheit in Betreff jener Schnüre vorgab. Bei der Legalsection des Kindes fanden wir zunächst alle Zeichen der Reife. „An der linken Seite des Halses über den Nacken hinweg, und dann sich verlierend, zeigte sich ein kaum sichtbarer, gar nicht vertiefter, eben so wenig hart anzufühlender als zu schneidender, zwei Linien breiter Streifen, der durch eine weissere Farbe von der übrigen Haut abstach. Einschnitte in diesen Streifen ergaben keine Spur von Blutunterlaufung.“ Von den Sectionsresultaten bemerke ich hier nur als die wichtigern: Blutfülle der Leber, Leere der Harnblase, Anfüllung der Dickdärme,[S. 106] ziemliche Anfüllung der Bauchvenenstämme mit dunkelm, dickflüssigem Blute, rothe, blau marmorirte Farbe der, die Brusthöhle ausfüllenden Lungen, Gewicht der Lungen mit dem Herzen von 5 Loth, (ohne Herz von nur 2 Loth 5 Quentchen,) vollständige Schwimmfähigkeit der Lungen, knisterndes Geräusch und schäumiges Blut bei Einschnitten in die Lungensubstanz, perlende Luftbläschen beim Ausdrücken dieser Einschnitte unter Wasser, mässige Anfüllung der Herzkranzadern, Leere der rechten, und mässige Anfüllung der linken Herzhälfte, vollkommene Normalität und Leere des Kehlkopfs und der Luftröhre, sichtliche Infiltration der Schädelknochen mit Blut, grosser Blutreichthum der harten Hirnhaut wie der Gehirngefässe. Aus diesen Befunden mussten wir natürlich schliessen: dass das Kind ein zeitiges gewesen, dass es in und nach der Geburt gelebt habe, und dass es eines schlagflüssigen Todes gestorben sei. Dann fuhr das Gutachten fort: „mit weniger Gewissheit können wir uns über die Ursache dieses schlagflüssigen Todes äussern. Von Spuren, die auf einen gewaltsamen Tod schliessen lassen konnten, fanden sich nur einige unbedeutende Abschilferungen der Oberhaut am rechten Ohre und Scheitelbeine, welche ganz unerheblich waren, und die geschilderte Marke am Halse. Das Auffinden der blutigen baumwollenen Schnüre, so wie das Benehmen der Inc. der Hebamme gegenüber und ihre offenbaren Widersprüche vor dem Richter machen natürlich den Verdacht rege, dass jener flache Eindruck am Halse des Leichnams von dieser Schnur herrühre, ein Verdacht, der durch die Todesart des Kindes (Apoplexie) noch bestätigt wird, da Erdrosselte nicht selten apoplectisch, wenn auch gewöhnlich mehr apoplectisch-suffocatorisch, oder rein suffocatorisch sterben, welcher Er[S. 107]stickungstod bei dem Kinde quaest. nicht Statt gefunden hat. Es fragt sich hiernach nur, ob die Marke am Halse sich so gestaltet gezeigt habe, wie sie die wissenschaftliche Erfahrung als bei Solchen vorkommend kennen gelehrt hat, welchen im Leben das Strangulationswerkzeug umgelegt worden war. Die Obducenten stehn nicht an, mit hoher Wahrscheinlichkeit für den concreten Fall das Gegentheil anzunehmen. Die Strangmarke bei (lebendig) Erhängten oder Erdrosselten zeigt sich in der Mehrzahl der Fälle am Leichnam, gleichviel in welcher Ausdehnung am Halse, als mehr oder weniger breite und tiefe, gelb-braun-schmutzig gefärbte Furche, in welcher die Haut lederartig vertrocknet, und hart anzufühlen und zu schneiden ist, oder — in der Minderzahl der Fälle — als blaurothe Furche, in welcher sich bei Einschnitten Sugillation vorfindet. Das kein einziges dieser Zeichen hier vorgefunden worden, ergiebt das Sectionsprotocoll. Wenn dagegen einem Leichnam ein Strangwerkzeug um den Hals gelegt worden, so erzeugt sich entweder, wie die zahlreichen Versuche ergeben haben, die wir selbst und französische Gerichtsärzte später angestellt, eine lederartige, schmutzig-gelb-braune, von jener im Leben erzeugten schwer zu unterscheidende Marke, oder — in der Mehrzahl der Fälle — eine kaum vertiefte, kaum sichtbare, etwas durch weissere von der übrigen Hautfärbung sich auszeichnende, weder hart zu fühlende, noch zu schneidende Stelle, also eine Marke, ganz der ähnlich, wie sie bei dem Kinde der K. von uns gefunden worden. Wenn es hiernach unstreitig gerechtfertigt, wenigstens mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass das Kind nicht (lebendig) erdrosselt, sondern erst nach dem Tode ihm die Schnur umgelegt worden, so fragt es sich nur:[S. 108] ob der apoplectische Tod aus anderen Ursachen erfolgen konnte? Die Bejahung dieser Frage kann nicht zweifelhaft sein. Der Schlagflusstod ist eine ziemlich häufige Todesart Neugeborner, und im vorliegenden Falle waren durch die Einsamkeit und Hülfslosigkeit der Gebärenden und durch den Umstand, dass sie in Winterkälte (17. Januar), in einer kalten, nicht benutzten Küche mit dem Kinde niederkam, Bedingungen gegeben, die diesen Tod nur begünstigen konnten. Ein Erdrücken des Kindes durch den Körper der Mutter, wie die Hebamme meint, als Todesursache anzunehmen, würde nicht gerechtfertigt sein, da diese Ursache Erstickungstod, nicht Schlagflusstod veranlasst, jener aber bei dem Kinde nicht vorhanden war. — Die Obducenten glauben ihrer Aufgabe genügt zu haben, wenn sie, dem Befunde entsprechend, aus wissenschaftlichen Gründen die Art des Todes des Kindes festgestellt, und es ist weniger ihres Amtes, zu ergründen, aus welchen Motiven etwa Inc. dem Kinde, nachdem es nach der Geburt noch gelebt und an Schlagfluss gestorben, die Schnur um den Hals gelegt haben sollte. Wenn wir in dieser Beziehung die Vermuthung aufstellen, dass sie so verfahren, um gewiss überzeugt zu sein; dass das Kind nicht wieder aufleben werde und könne, so wäre diese wenigstens nach Fällen aus unserer eigenen Erfahrung nicht ganz ungerechtfertigt. Dass auf etwa entgegenstehende Aussagen der K. kein Gewicht zu legen, lehren ihre bisherigen, widersprechenden Depositionen, wobei wir, als vor unser Forum gehörend, nur hervorheben wollen, dass die Nabelschnur des Kindes allerdings mit einem scharfen Instrumente getrennt (zerschnitten) worden war, wie deren scharfe und glatte Ränder erwiesen, dass aber gar nicht feststeht, dass dieselbe unterbunden worden, so[S. 109] dass auch in dieser Beziehung der Gebrauch der Schnur verdächtig wird.“ — Hiernach gaben wir unser Gutachten mit Beziehung auf die Todesart dahin ab: „dass mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass der Schlagflusstod nicht durch Erdrosselung des Kindes entstanden, sondern dass die baumwollene Schnur dem Kinde erst, nachdem es bereits gestorben, um den Hals gelegt worden sei.“
Inculpatin wurde, auf Grund dieses Gutachtens, von der Anschuldigung des Kindermordes völlig frei gesprochen, aber wegen verheimlichter Schwangerschaft und Niederkunft, nach unserer damals noch geltenden, und in diesem Punkte draconischen Strafgesetzgebung, zu zehnjähriger Strafarbeit verurtheilt.[18]
Beweiskraft der Athemprobe.
Die beiden oben (S. 100) in Bezug genommenen Fälle von der negativen Beweiskraft der Athemprobe. Der erstere betraf ein weibliches, im Wasser gefundenes Kind. Nach unseren Grundsätzen öffneten wir probatorisch noch die Brusthöhle der schon ganz grauen Leiche, und machten nun, da die zurückgezogene Lage der dunkelbraunen, compacten Lunge dazu aufforderte, die Schwimmprobe, wobei die Lungen, Lungen eines schon so verwesten Kindes, vollständig untersanken! Vollkommen eben so verhielt es sich bei einem in einem Wasserfass gefundenen männlichen Neugebornen. Die Leiche war sehr ver[S. 110]west und emphysematisch aufgetrieben. Das Zwerchfell aber ragte bis zur vierten Rippe hinauf, die Lungen bedeckten den Herzbeutel nicht, waren dunkelbraunroth und lederhart, und sanken vollständig unter. In beiden Fällen konnte mit Gewissheit gesagt werden, dass das Kind nicht gelebt gehabt, und so ein Resultat für den Richter erzielt werden, das bei ungerechtfertigter Zweifelsucht über den Werth der Athemprobe niemals erreicht wird.
Zweifelhafter Ertrinkungstod des Neugebornen.
Ein weibliches Neugebornes war im Wasser gefunden worden. Es war reif, hatte gelebt, und war apoplectisch, nicht suffocatorisch gestorben. Ob aber dieser Tod im Wasser erfolgt war, blieb ungewiss, da die an sich so sehr unsicheren Zeichen des Ertrinkungstodes an der Leiche nicht einmal aufgefunden wurden. Einige Zerkratzungen im Gesicht konnten Nichts beweisen, und wenn der Umstand, dass man am Ufer, ganz nahe der Stelle, wo die Leiche im Wasser lag, ein Schnupftuch mit 3 Thlrn. 29 Sgr. eingebunden (und auf demselben eine Düte mit Caffeebohnen) fand, allerdings den Verdacht eines absichtlichen Hineinwerfens des Kindes in den Fluss rege machen musste, so konnte doch natürlich diese Thatsache keinerlei Anhaltspunkt für ein gerichtsärztliches Gutachten abgeben.
Zweifelhafter Ertrinkungstod des Neugebornen.
Ganz ähnlich verhielt es sich bei einem männlichen Neugebornen, das, reif geboren, im Fluss gefunden worden war. Die Leiche war schon ganz verwest, und es[S. 111] konnte nicht einmal mehr mit Gewissheit, vielmehr nur mit hoher Wahrscheinlichkeit gesagt werden, dass das Kind gelebt gehabt, noch viel weniger aber, ob es event. ertrunken, oder durch welche andere Todesart es gestorben war. Wasser fand sich hier, wie im vorigen Fall, weder in den Bronchien, noch im Magen.
Tödtliche Apoplexie des Neugebornen.
Ein neugeborner Knabe war auf einem Misthaufen gefunden worden. Die Leiche war von Ratten oder anderen Thieren angefressen worden, und es fehlten zwei Drittel der linken Lunge. Trotzdem ergab die hellrosenrothe Farbe der übrigen Lungentheile, ihr Knistern, ihre Schwimmfähigkeit, ihr Luft- und Blutgehalt bei Einschnitten, dass das Kind gelebt gehabt, und der apoplectische Befund, dass es an Schlagfluss gestorben war, der aber nicht auf irgend eine äussere Gewalt bezogen werden konnte. Denn Verletzungen am Unterleibe, die sich vorfanden, waren angeblich und auch, beim Mangel jeder lebendigen Reaction, augenscheinlich mit einer Mistgabel erst nach dem Tode beim Auffinden der Leiche ihr zugefügt worden.
Harnblasenprobe.
Ein nicht ganz reifes weibliches Neugebornes, das auf der Strasse gefunden war, hatte unzweifelhaft nicht geathmet, hatte aber doch eine leere Harnblase. Das Gegentheil kommt viel häufiger vor. Wer legt aber auch noch auf die Harnblasenprobe Werth!
Tödtung des Kindes durch schwere Geburt.
Ein Knäbchen war in der Anfangs verheimlichten Geburt, wobei es mit den Füssen geboren worden, stecken geblieben. Als der Geburtshelfer dann gerufen wurde, und den Kopf entwickeln wollte, fand er das Kind bereits todt. Die Athemprobe entschied für die Todtgeburt. Die Section ergab weiter Gehirnhämorrhagie mit der bedeutenden und seltenen Menge von anderthalb Unzen Blut auf der basis cranii.
Zermalmung eines Neugebornen.
Eisenbahnarbeiter hatten eine menschliche Frucht im Wasser gefunden. Kopf und Hals waren vom Rumpf abgequetscht, die Halswirbelbeine zermalmt, die Schlüsselbeine und oberen Rippen aus ihren Verbindungen gelöst, die Nabelschnur abgeschnitten und kunstgemäss unterbunden. Der Rumpf war 10 Zoll lang und 1 3⁄4 Pfund schwer. Wollhaar an vielen Stellen, die runzliche Beschaffenheit der Haut an den Extremitäten, die Blättchen-dünne Consistenz der Nägel und die klaffende Vagina konnten allerdings mehr als bloss vermuthen lassen, dass das Kind nicht reif gewesen war; ein amtlicher derartiger Ausspruch durfte aber bei der grossen Zerstörung der Leiche, bei der so wichtige Theile, namentlich der Kopf, ganz mangelten, nicht gewagt werden. Auch die Athemprobe konnte nicht mehr angestellt werden, und so blieb es ganz unbestimmt, ob das Kind gelebt hatte, und ob der Kopf in diesem Falle im Leben vom Rumpfe getrennt worden war.
Frühes Eintreten der Verwesung in den Lungen.
Sie betrafen die beiden oben (S. 99) angezogenen Fälle von ungewöhnlich frühzeitiger Entwickelung des Verwesungsprocesses in den Lungen. Ein reifes, weibliches Neugebornes, das gelebt haben musste, war im Wasser gefunden und apoplectischen Todes gestorben. Obgleich kein einziges Symptom von Erstickungstod vorhanden, so ragte doch die Zunge über den Kiefern hervor. Ganz gleiches habe ich so oft gefunden, wo an Erstickungstod gar nicht zu denken, ja einmal bei einem Barrikadenkämpfer, der durch einen Schuss und innere Verblutung gestorben war, und bei dem die Zunge 3 Linien weit zwischen den Zähnen eingeklemmt war, dass ich längst das Hervorragen der Zunge nicht mehr als einen ausschliesslichen Sectionsbefund beim Suffocationstode betrachte.[19] — Der Körper dieses Kindes hatte zwar schon grüne Flecke auf der Bauchhaut, war aber im Uebrigen noch recht frisch und ohne Geruch. Nichtsdestoweniger fanden wir schon Luftblasen auf der Oberfläche beider Lungen. Im Uebrigen aber waren sämmtliche Zeichen der Athemprobe so ausgeprägt und beweisend, dass wir trotz dieser Luftblasen keinen Anstand nehmen konnten, das Leben des Kindes nach der Geburt anzunehmen. In einem zweiten Falle, bei einem Kinde, das reif geboren und — höchst wahrscheinlich durch Umschlingung der Nabelschnur — apoplectisch gestorben war, fanden sich in der noch frischen Leiche, namentlich auf der Peripherie der linken Lunge, zahlreiche Luftbläschen, worunter sogar Eine von der Grösse einer kleinen weissen Bohne.
Aufgefundene Neugeborne.
Diese sechs Fälle waren sämmtlich solche, wo neugeborne Kinder an abgelegenen Orten, oder im Wasser, oder auf der Strasse u. s. w. gefunden waren, und bei denen die Obduction in keinerlei Beziehung etwas Lehrreiches darbot, weshalb wir hier nicht weiter darauf eingehen.
Das Preussische Strafgesetzbuch verlangt bekanntlich (§. 858 Tit. 20 Thl. II. des Allg. Landr.) zur Feststellung des Thatbestandes einer vermutheten Vergiftung, wenn das post hoc feststeht, d. h. „wenn es gewiss, dass der Entleibte nach beigebrachtem Gifte gestorben ist“, in Betreff des propter hoc, des Causalzusammenhanges zwischen der Vergiftung und dem nach derselben erfolgten Tode nichts mehr als einen Nachweis, dass dieser Tod eine wahrscheinliche Wirkung des Giftes gewesen. Diese weise Bestimmung des Gesetzgebers, ohne welche zahlreiche Giftmorde niemals als solche hätten anerkannt und bestraft werden können, weil bei einer strengen Beweistheorie hundert Ausflüchte, Möglichkeiten, Zweifel, merkwürdige Erfahrungsthatsachen von nicht tödtlich gewordenen Vergiftungen durch die entschiedensten Gifte u. s. w. dem Richter entgegengehalten worden wären, diese gesetzliche Bestimmung erleichtert auch den preussischen Sachverständigen ihr Urtheil. Denn wenn es, sei es durch die dem Richter als Solchem zu Gebote stehenden Be[S. 115]weismittel, sei es, in Ermangelung dieser, Seitens der Sachverständigen durch die Krankheitssymptome, Leichenbefunde und chemischen Untersuchungsergebnisse festgestellt ist, „dass wirklich Gift beigebracht worden,“ so ist der Gerichtsarzt berechtigt, die tödtliche Wirkung dieses Giftes im concreten Falle als „wahrscheinlich“ anzunehmen, wenn die Krankheitssymptome (wenn dieselben bekannt geworden!) und der Leichenbefund selbst nur in den wichtigsten Einzelheiten dem entsprechen, was die ärztliche Erfahrung beziehungsweise zu den verschiedenen Giften kennen gelehrt, und der Sectionsbefund eine andere Todesursache nicht nachgewiesen hat. — Wie das erwartete neue Preussische Strafgesetzbuch die Vergiftung auffassen und behandeln wird, ist uns natürlich ganz unbekannt.[20] Gewiss aber ist, dass schon gegenwärtig, bei und nach der allgemeinen Einführung der Geschwornengerichte, die Sachlage eine ganz andere geworden ist, wie ja überhaupt dadurch an die Stelle der strengen Beweistheorie die subjective Ueberzeugung von dem Ja oder Nein, dem Schuldig oder Nichtschuldig getreten ist. Hiernach würde es mich keinen Augenblick überraschen, wenn es mir morgen vor der Gerichtsbarre begegnete, dass, nachdem ich durch Gründe der Wissenschaft nachgewiesen, dass N. an Vergiftung gestorben, ich durch den Wahrspruch (?) der Geschwornen vielleicht vernehmen müsste, dass der Angeklagte als „nicht schuldig“, d. h. dass mit anderen Worten erklärt würde, dass eine Vergiftung nicht Statt gefunden habe, folglich auch N. nicht daran gestorben sein könne, und umgekehrt. Dass diese Voraussetzung nichts weniger als ungerechtfertigt, haben[S. 116] mehrere frühere, historisch gewordene Vergiftungsfälle erwiesen. Aeltere Leser, die sich z. B. des Castaing’schen Falles vom Jahre 1823 erinnern, werden wissen, dass die Pariser Assisen unsern entarteten Collegen Dr. Castaing als des Giftmordes schuldig erklärten, und er in Folge dieses Verdicts die Guillotine bestieg, während nicht ich allein, sondern auch juristische Schriftsteller damals in Deutschland nachwiesen, dass nach damaligem deutschen Criminalprocess (resp. gerichtlich-medicinischer Praxis) ein Thatbestand einer geschehenen Vergiftung gar nicht hätte angenommen werden können. Wer kennt nicht den berüchtigten Fall der Lafarge vom Jahre 1840 und die Arsenikstreitigkeiten (zwischen Orfila und Raspail), die derselbe veranlasst hat? Es scheint mir mehr als zweifelhaft, ob diese Mad. Lafarge damals auch in Deutschland, wie es in Frankreich geschehen, als Giftmörderin ihres Gatten richterlich hätte anerkannt und verurtheilt werden können!
Unter den acht Fällen, die aus der ersten Centurie der von uns verrichteten gerichtlichen Leichenöffnungen in die Categorie der Vergiftungen gebracht wurden, betraf die Hälfte Fälle von angeblichen Vergiftungen durch Schwefelsäure (rohe, im Handel vorkommende, sogen. Oleum), welche überhaupt bei Uns vielleicht in neun Zehnteln aller Vergiftungsfälle das tödtliche Agens ist. Wir beginnen mit den Ergebnissen dieser Vergiftungen:
Vergiftung durch Schwefelsäure.
Einem sieben Wochen alten unehelichen Mädchen war von seiner Mutter — was dieselbe später sogar gestand — acht Tage vor seinem Tode concentrirte Schwefel[S. 117]säure in den Mund eingegossen worden. Es entstanden die bekannten Symptome. Bei der Leichenöffnung fiel zunächst der Hals auf, an dessen linker Seite sich handtellergross die ganze cutis abgelöst, und die lederartig harten Muskellagen unter ihr ganz blossliegend fanden. Die Ränder dieser Stelle granulirten bereits, und ein schmaler rother Hof umgab dieselben. Die Speiseröhre, etwas grauroth gefärbt, war so mürbe, dass sie beim leichtesten Anfassen zerriss. Der Magen war ganz (auffallend) bleich, und ein Schleimhautgeschwür, d. h. eine Zerstörung der Schleimhaut fand sich in Thalergrösse auf der vorderen Magenwand. Das Blut war dunkel und dickflüssig. Wirkliche Blutgerinnsel fanden sich nur einige in der rechten Herzkammer und in den sinus der harten Hirnhaut. Der übrige Befund war unerheblich. Die in Beschlag genommene Flüssigkeit ergab sich deutlich als rohe Schwefelsäure. Die contenta des Magens und duodenum dagegen liessen keine Spur von dieser Säure mehr entdecken, wobei indess zu erwägen war, dass das Kind bald nach der Vergiftung kohlensaure Magnesia erhalten hatte. (Die Mutter wurde, da ihr Gemüthszustand zu Zweifeln Veranlassung gegeben hatte, nur zu einer damals noch statthaften „ausserordentlichen“ Zuchthausstrafe verurtheilt.)
Vergiftung durch Schwefelsäure.
Die schrecklichste Wirkung dieser, allem Organischen so feindlichen Substanz, die man sich nur denken mag, fand ich bei einem 30 Jahre alten Hutmacher. Derselbe war Morgens früh im Dunkeln aufgestanden und hatte — man hat nicht erfahren: ob absichtlich oder zufällig —[S. 118] einen tüchtigen Schluck roher Schwefelsäure, wie er sie in seinem Gewerbe brauchte, getrunken. Auf sein Geschrei eilte seine Frau herbei, und schaffte sogleich Hülfe. Der zugerufene Arzt venäsecirte, und das Blut soll „syrupsartig“ geflossen sein. Nach Milch und Seifenwasser erfolgte noch einigemale Erbrechen, aber schon nach zwei Stunden trat der Tod ein. — Wir fanden die ganze Zunge von der äussersten Spitze an weiss sphacelirt, die Schleimhaut stellenweise abgelöst. Der oesophagus zeigte auf seiner Aussenfläche noch nichts Abnormes, auf der inneren aber war er, wie die ganze Rachenhöhle, grauschwarz. Der Magen dagegen war äusserlich wie innerlich kohlschwarz von Farbe und natürlich so mürbe und macerirt, dass er wie nasses Löschpapier an der Zange hängen blieb, wenn diese nur versuchte, ihn hervorzuheben. Von einer (vorschriftsmässigen) Unterbindung desselben musste deshalb nothwendig abgesehen und sein Inhalt vielmehr aus der Bauchhöhle entnommen werden. Das grosse Netz war gleichfalls zum grössten Theile schwarz verbrannt, ohne Zweifel weil vielleicht schon im Leben, oder wenigstens bald nach dem Tode das Aetzgift den Magen perforirt und das Netz unmittelbar sphacelirt hatte. Duodenum und die Anfänge des Dünndarms zeigten nur eine grauschwärzliche Färbung. Die Schleimhaut, die hier noch untersucht werden konnte, zeigte sich stark aufgewulstet, erhärtet und wie gekocht. Das Blut hatte durchweg eine Kirschsuppen-ähnliche Färbung; seine Consistenz war die eines sehr dünnflüssigen Syrups, und es fanden sich einzelne Coagula darin von der Härte eines nassen Thons. Alle übrigen Baucheingeweide ausser den genannten waren noch von der Zerstörung nicht ergriffen worden und ganz natürlich beschaffen, ein Beweis, dass das ätzende Gift in[S. 119] den zwei Lebensstunden namentlich noch gar nicht bis in die unteren Därme gedrungen war. Eben so normal fanden sich Lungen und Herz, welches, wie die sinus, ziemlich stark mit Blut gefüllt war. Die untersuchten Contenta der Leiche ergaben eine Drachme und 17 1⁄4 Gran freier Schwefelsäure. Wir fügen das interessante vollständige Obductionsprotocoll nebst dem chemischen Bericht, betreffend die Untersuchung des Darminhaltes im Anhange in extenso bei.
Angebliche Vergiftung durch Schwefelsäure.
In diesem Falle ward es zwar durch die richterlichen Erhebungen festgestellt, dass an dem sechs Monate alten Knaben die eigene, unnatürliche Mutter dreimal wiederholte Vergiftungsversuche (mit Schwefelsäure) gemacht hatte. Alle drei Versuche waren aber misslungen, so dass gar Nichts ingerirt worden war. Die Section hat auch eben so wenig Resultate einer corrosiven Vergiftung, als die chemische Untersuchung des Darminhaltes eine Spur von Ac. sulphuric. ergeben, und das Kind war vielmehr, wie die Oeffnung lehrte, an meningitis chronica exsudativa gestorben, während welcher Krankheit eben die Mutter die Vergiftungsversuche gemacht hatte!
Vergiftung durch Schwefelsäure.
Ein sehr eclatanter Fall von Schwefelsäure-Vergiftung betraf ein (bereits deflorirtes) Dienstmädchen von 19 Jahren, von welchem ich gleich voraus bemerken will, dass nach den späteren richterlichen Ermittelungen der von Hause aus höchst wahrscheinlich gewesene Selbstmord als[S. 120] gewiss constatirt wurde, weshalb die chemische Untersuchung der Contenta der Leiche, welche schon begonnen hatte, auf amtliche Anordnung, als unnöthige Kosten verursachend, unterblieb. Bei der äusseren Besichtigung der Leiche fielen die eine Linie lang vor den Zähnen ragende Zunge, und zwei von der Mitte der Unterlippe bis zum Kinn parallellaufende 3⁄4 Zoll breite dunkelbraune, hart zu schneidende Streifen auf, welche offenbar von der herabgeflossenen Schwefelsäure herrührten. Bei der Section fand sich der Magen durchweg ganz schwarz aussehend. Nachdem derselbe mit dem duodenum unterbunden und exenterirt war, fanden wir im Magen ein Quart schwarzbrauner, auf Lacmuspapier sauer reagirender Flüssigkeit, und nun zeigte sich auch die Schleimhautfläche des Magens überall kohlschwarz und die Schleimhaut aufgelockert. Auch die Netze erschienen von schwarzer Farbe — obgleich der Magen nicht perforirt war. Leber, Pancreas, Milz, Darmkanal, Nieren, Harnblase und der ungeschwängerte Uterus ergaben nichts von der Norm Abweichendes. Aus der Bauchhöhle wurden neun Unzen eines dunklen dünnflüssigen Blutes geschöpft. Die Hohlvene enthielt nur weniges dunkles, dünnflüssiges, sauer reagirendes Blut. Am Zwerchfell fiel eine schwarze Färbung seiner ganzen linken Hälfte auf, wie ich sie in keinem ähnlichen Falle wieder gesehen habe. Der Blutgehalt der gesunden Lungen war der ganz normale. Das schlaffe Herz war fast blutleer. Die Luftröhre war leer, und so war folglich kein einziges Zeichen von Erstickung vorhanden, und dennoch war die Zunge zwischen den Zähnen eingeklemmt und hervorragend (s. unten Corollarien Nr. 4). Sehr unerwartet war der Befund an Zunge und Gaumen. Sie zeigten nämlich gar keine ungewöhnliche Färbung noch[S. 121] Texturveränderung! Dagegen fand sich die Speiseröhre auf ihrer ganzen Schleimhaut grauschwarz gefärbt, und wie gegerbt anzufühlen. Das Blut in den Gefässen der Brusthöhle verhielt sich wie das schon oben geschilderte. Die harte Hirnhaut, wie die pia mater und die Gehirnsubstanz erschienen in ganz ungewöhnlichem Maasse mit dunkelm, ganz flüssigem Blute überfüllt. Eben so strotzend zeigten sich das kleine Gehirn und sämmtliche sinus. Dass der Tod durch Vergiftung mit Schwefelsäure erfolgt war, konnte nicht bezweifelt werden. Wir sprachen indess, zur Wahrung unsers wissenschaftlichen Gewissens, im summarischen (dem Obductionsprotokolle angehängten) Gutachten, da die chemische Untersuchung die Ergebnisse der Leichenöffnung noch nicht ergänzt hatte, nur die „höchste Wahrscheinlichkeit“ des Todes durch Schwefelsäure aus, womit ja auch, nach Lage unsrer Gesetzgebung (s. oben) den richterlichen Anforderungen ausreichend genügt war.
Angebliche Vergiftung.
Ein zehn Wochen altes Mädchen sollte angeblich vergiftet sein. Was dem Tode vorangegangen, blieb uns unbekannt. Bei der Section fanden wir anderthalb Unzen braunflockiger Flüssigkeit in der Bauchhöhle, die aus einem Einriss in den fundus ventriculi geflossen war. Ganz offenbar war Gastromalacie die Todesursache des Kindes gewesen, wie der gallertartige Magen, an dem keine sichtbare Gefässentwicklung, geschweige Entzündung, Brand u. dergl. sich vorfand, deutlich erwies. Die Milz war musartig weich; alle übrigen Organe in der Leiche vollkommen normal. Die chemische Analyse ergab kein Gift.
Angebliche Vergiftung.
Auch in diesem Falle war, aus uns unbekannten Gründen, eine unter auffallenden Symptomen tödtlich verlaufende Krankheit für Folge einer Vergiftung gehalten, und deshalb die gerichtliche Section veranlasst worden, die den Urgrund des Verdachtes klar machte. Ein zehnjähriger Knabe sollte nach dem Genusse einer Mehlsuppe Erbrechen bekommen haben, und bald gestorben sein. Die Section ergab an Hauptresultaten: 22 Unzen blutiger Flüssigkeit in der Bauchhöhle, allgemeine Peritonitis und Enteritis, die dünnen wie die dicken Därme mit lymphatisch-eitrigen Ausschwitzungen überzogen, und überall unter einander verklebt; die Ursache dieser heftigen Entzündung war aber keine andere als die Einschnürung einer 6 Zoll langen (ganz brandig befundenen) Darmschlinge durch das Netz. Pathologisch interessant war noch, dass selbst die obere Fläche der Leber fest am Zwerchfell durch Exsudate adhärirte. Magen und duodenum hatten an der Entzündung keinen Theil genommen. Das Gehirn war sehr blutreich, Lungen und Herz aber ganz normal. Die chemische Untersuchung der Darmcontenta, die an sich nach solchem Befunde ganz überflüssig war, aber dennoch, da einmal der Verdacht einer Vergiftung sich erhoben hatte, nicht unterlassen wurde, ergab keine Spur von Gift. In wenigen anderen, als gerade solchen Fällen feiert die gerichtliche Medicin einen so entschiedenen Triumph. Jeder Verdacht der Urheberschaft des schändlichsten Verbrechens gegen einen ganz Unschuldigen wird, wie im vorliegenden, so in jedem ähnlichen Falle, nur allein, aber unwiderleglich, durch[S. 123] die gerichtlich-medicinische Aufhellung des Thatbestandes niedergeschlagen!
Angebliche Vergiftung durch Belladonna.
Weniger entschieden konnte das Urtheil in diesem Falle abgegeben werden. Ein Mann von 50 Jahren hatte sechs Monate vor seinem Tode einen Thee aus Belladonna-Blättern genommen, war in eine Krankheit verfallen, und nach viermonatlicher Behandlung in der Charité verstorben. Im Obductionstermine wurden uns nur diese oberflächlichen Data überliefert. Wie viel Belladonna-Blätter der Mann bekommen, wie sich seine lange Krankheit gestaltet hatte, darüber blieben wir vollständig in Ungewissheit. Die Leiche war aufs Höchste abgemagert, zeigte oedema pedum, den höchsten Grad von decubitus, allgemeine Anhämie, und an innern auffallenden und abnormen Befunden nur einen kleinen und ganz zusammengeschrumpften Magen. Nach diesen Ergebnissen glaubten wir nach der Leichenöffnung kein andres vorläufiges (summarisches) Gutachten abgeben zu können, als die Annahme: dass denatus an einer langwierigen, innern Krankheit gestorben sei, deren Zusammenhang mit der Vergiftung nur als möglich gesetzt werden könne, und dass eine chemische Untersuchung der contenta bei der Länge der Zeit und der Natur des concreten Giftes nicht mehr für fruchtbringend erachtet werden könne. In Folge dieses Gutachtens wurden die Acten reponirt und ein Obductionsbericht nicht erfordert.
Angebliche Vergiftung durch Opium.
Der letzte, in dieser Centurie zu erwähnende Fall einer vermutheten Vergiftung war nicht an sich, aber deshalb interessant, weil er Veranlassung zu einer Untersuchung auf Opium gab. Bei dieser Gelegenheit kann ich nicht unterlassen, auf den grossen Unterschied aufmerksam zu machen, der in Beziehung auf die zu Vergiftungen benutzten Substanzen zwischen England und Deutschland beobachtet wird. Es ist mir seit langen Jahren aufgefallen, in den statistischen Nachweisungen aus England, betreffend die (natürlichen und gewaltsamen) Todesarten, wie sie namentlich das vortreffliche und für medicinische Statistik unschätzbare registral general alljährlich liefert, immer wieder zu finden, wie fast alle denkbaren giftigen, organischen wie anorganischen Stoffe dort als Ursachen des Vergiftungstodes benutzt werden, während in Deutschland, namentlich aber, wie ich bestimmt versichern kann, in Berlin und Umgegend sowohl bei absichtlichen wie bei zufälligen Vergiftungen fast in allen Fällen nur Schwefel- oder Arsensäure das tödtende Agens war, und nur auf dem Lande wohl auch zuweilen zufällige Unglücksfälle durch wildwachsende Giftpflanzen beobachtet werden. Es kann wohl dieser auffallende Unterschied nicht anders erklärt werden, als durch den besseren Zustand der Medicinalpolizei in Deutschland, der die „Gifte“ nicht Jedem zugänglich macht. In unserm Falle nun war ein kräftiger Mann (Kutscher) am Schlagfluss gestorben, wahrscheinlich nach vorangegangenem delirium potatorum. Der Verdacht einer Vergiftung durch Opiumtinctur, die ihm ein Barbier (!) als Arznei gegeben hatte, ward Veranlassung zur gericht[S. 125]lichen Section der Leiche, welche Nichts als die ganz gewöhnlichen Resultate einer Apopl. sanguinea ergab, und zur chemischen Untersuchung des Darminhaltes. Da es nicht möglich ist, das Opium, mag es trocken oder aufgelöst in den Magen gebracht sein, als solches und mit seinen physikalischen Eigenschaften aus demselben wieder auszuscheiden, so musste sich diese Untersuchung darauf beschränken, die An- oder Abwesenheit der zwei wichtigsten, und durch auffallende Reactionserscheinungen sich characterisirenden Bestandtheile des Opiums, nämlich des Morphiums und der Mekonsäure, darzuthun, und auf diese Weise einen indirecten Beweis für oder gegen das Vorhandensein von Opium in den Eingeweiden herzustellen. 1) Morphium. Um dasselbe aufzusuchen, wurden die aufbewahrten Organe, Speiseröhre, Magen und Zwölffingerdarm zerschnitten, mit destillirtem Wasser unter Zusatz von etwas Essigsäure ausgekocht, die Abkochung filtrirt, mit Aetzammoniak übersättigt, und mehrere Tage bei Seite gestellt. Nach dieser Zeit hatte sich ein geringer Niederschlag gebildet, der abfiltrirt, ausgewaschen und in verdünnter Essigsäure gelöst wurde. Die durchgelaufene Flüssigkeit wurde mit Nr. 2. bezeichnet und zur Untersuchung auf Mekonsäure zurückgestellt. Zur Auflösung in Essigsäure wurde eine kalt bereitete Auflösung von doppelt kohlensaurem Natron in destillirtem Wasser, bis zum Vorwalten des Alkali, hinzugesetzt, und die Mischung in einem verschlossenem Gefäss einige Tage stehen gelassen. Dann wurde die klare Flüssigkeit abgegossen, einmal aufgekocht, und dem Erkalten überlassen. Es hatte sich ein geringer röthlicher Niederschlag abgeschieden, der durch Filtriren getrennt, und mehrere Male mit heissem Weingeist extrahirt wurde. Die spirituösen Auszüge wurden auf einem[S. 126] Uhrglase verdampft. Es blieb nur die Spur von einem Rückstande, der mit jodsauerm Kali, verdünnter Schwefelsäure und Amylum auf Morphium geprüft wurde, aber nicht eine Spur dieses Alcaloids ergab. 2) Mekonsäure. Die mit Nr. 2. bezeichnete Flüssigkeit wurde mit essigsaurem Bleioxyd gefällt, der entstandene Niederschlag auf einem Filtrum gesammelt, mit destillirtem Wasser ausgewaschen, dann mit demselben Wasser angerührt und Schwefelwasserstoff hineingeleitet. Nach dem Abfiltriren der sauern, wasserhellen Flüssigkeit wurde dieselbe mit reinem Kali gesättigt, und durch Abdampfen im Wasserbade concentrirt, zuletzt aber mit einer verdünnten Eisenchlorid-Lösung geprüft. Es zeigte sich keine rothe Färbung, und es war daher keine Mekonsäure vorhanden. — Nach dem Ausfall dieser Untersuchung musste daher die Nichtanwesenheit von Opiumtinctur in den Eingeweiden angenommen werden, und da eben so wenig die Sectionsresultate, wie die dem Tode vorangegangenen Krankheitserscheinungen auf Opiumvergiftung gedeutet hatten, so musste eine solche von uns (zum Glück für den dummdreisten angeschuldigten Barbier!) in Abrede gestellt werden.
Der zuletzt erzählte Fall von dem Barbier, welcher Opium verordnet hatte, führt von selbst über zu den Fällen, in welchen angebliche Tödtung durch ärztliche Pfuscher oder durch Kunstfehler Veranlassung zur gerichtlichen Untersuchung der Leiche ward, und dergleichen sich[S. 127] im ersten Hundert fünf Fälle ergaben. Hier ist der schwache Fleck der gerichtsärztlichen Thätigkeit! Die Beurtheilung der medicinischen Pfuschereien als solcher berührt sie eigentlich gar nicht, denn ob Jemand von Staats wegen befugt sei, oder nicht, „aus der Kur der innern und äussern Krankheiten ein Gewerbe zu machen“, wie sich das Preuss. Landrecht ausdrückt, dafür bedarf es Nichts als des Einforderns seiner Approbation Seitens des Polizeirichters, und höchstens wird derselbe, wie namentlich bei der jetzigen, Gott geklagten Classification unsers Medicinalpersonals nicht selten geschieht, in den Fall kommen können, den Gerichtsarzt noch darüber zu consultiren, ob die eventuelle Approbation sich auch noch auf diejenige Klasse von Krankheiten erstreckt, mit welcher sich der Angeschuldigte befasst hatte, z. B. syphilitische Formen, die ein „Wundarzt erster oder zweiter Klasse“ übernommen und behandelt hatte, wobei das Gutachten nicht schwierig. Aber bei wirklichen, eigentlichen Kunstfehlern, welche begangen worden, und den Tod des Behandelten, oder auch nur dauernde und erhebliche Nachtheile für seine Gesundheit zur Folge gehabt haben sollen! Es lässt sich hierbei gegenwärtig, und bei dem Entwickelungsgange, den die practische Medicin in neuerer Zeit genommen hat, kaum Ein allgemeiner, leitender Satz aufstellen, zumal und namentlich in Betreff der sogenannten inneren Praxis. War der angebliche Kunstfehler eine Unterlassungssünde — wer denkt dann nicht sogleich (und der Vertheidiger des Inculpaten wird nicht unterlassen, daran zu denken!) an die Carricatur der Heilkunst, die Homöopathie, die ja doch in der That nichts ist, als eine grossartige, systematische Unterlassungssünde, und doch vom Strafrichter nicht als Solche anerkannt werden kann. Aber hat die allerneueste[S. 128] Zeit nicht noch eine andere Carricatur der Heilkunst erzeugt, in Sphären, die sich höchlich beleidigt finden würden, wenn man sie mit der Homöopathie zusammenstellen wollte? Rühmen sich nicht jene diagnostischen Künstler in der Wiener und Prager Schule, dass sie, ausser dem Stellen der Diagnose, am Krankenbette Nichts thäten, und hat nicht ein Verehrer dieser Schule erst unlängst öffentlich bekannt gemacht, dass im Wiener Kinderhospital jetzt nur — ut aliquid fecisse etc. — etwas Syr. Rubi Idaei und zur Abwechselung Syr. Mororum in allen Fällen gegeben würde? Und diese Schule tritt doch mit keinen geringeren Ansprüchen, als denen hervor, auf der Höhe, auf der letzten, höchsten Höhe der Kunst zu stehen! Wie nun, wenn ein junger Doctor angeschuldigt wäre, den Tod eines Kindes, das an häutiger Bräune gelitten, dadurch verschuldet zu haben, dass er demselben nur etwas Himbeersyrup gegeben, und wenn er auf der Anklagebank Angesichts des um sein Gutachten requirirten Gerichtsarztes mit Ruhe und Zuversicht erklärte: er gehöre der neuesten Wiener Schule an und habe sein Verfahren nur den Lehren der „besten und berühmtesten neuern Aerzte“ entsprechend eingerichtet? Kann und wie weit kann ihm ein wirklicher Kunstfehler zugerechnet werden? Andererseits die Wasserdoctoren! Man behaupte doch eine Unterlassungssünde vom Standpunkte der hippokratischen Heilkunst in einem gegebenen Falle, wenn der Angeschuldigte einen nothwendigen Aderlass, ein nothwendiges Brechmittel nicht verordnet, einen nothwendigen Bruchschnitt nicht gemacht hatte, und sich mit seinen nasskalten „Kotzen“, seinen Abreibungen, Douchen, Sitzbädern und „Abschreckungen“ begnügt hatte, und dann sich auf den „berühmten“ Priessnitz und hundert andere weniger berühmte Wasserthera[S. 129]peuten beruft, während wohl gar unter den zwölf zu Gericht sitzenden Geschwornen sieben selbst „Hydropathen“ sind!
Leichter allerdings sind die activen Kunstsünden zu beurtheilen, aber auch hier kommen nur zu häufig in der gerichtsärztlichen Praxis Fälle vor, wo der Sachverständige, wenn er sine ira et studio und gebunden durch Gewissen und Eid über die Schuld des Angeklagten urtheilen soll, die Hand aufs Herz legen, und lieber ein „nicht schuldig“, als das Gegentheil aussprechen wird. Denn für welches auch noch so kecke und tollkühne Verfahren gäbe es nicht sogenannte Autoritäten, auf welche sich der Angeschuldigte berufen könnte! Dazu kommt endlich die Unsicherheit der Diagnostik an sich, ferner das Berufen auf die „Erfahrung“, auf die vielleicht behauptete Nachlässigkeit des Apothekers beim Bereiten der betreffenden Arznei, auf die Unfolgsamkeit des Kranken u. s. w., Umstände, die sich oft jeder Controle entziehen — und so bleiben in der That nur sehr wenige Fälle übrig, in welchen es möglich, einen ärztlichen Kunstfehler strafrechtlich zu constatiren, wie denn auch in diesen Dingen erfahrene Aerzte und Richter längst wissen, dass bei der Mehrzahl solcher Anschuldigungen „Nichts heraus kommt“.
Wenn hiernach zu beweisen versucht worden, wie wenig allgemein leitende Grundsätze bei diesen medicinisch-forensischen Untersuchungen existiren, so bleibt dem Gerichtsarzte in der That nichts anderes übrig, als jeden einzelnen Fall als solchen mit Umsicht gehörig nach allen Seiten zu würdigen. Wir haben auch in puncto medicinischer Pfuscherei und angeschuldigter Kunstfehler in zahlreichen Fällen unser Urtheil zu bilden Gelegenheit gehabt. Der Fälle, in welchen der Tod angeblich auf diese Weise[S. 130] erfolgt, und die gerichtliche Section veranlasst worden war, kamen, wie gesagt, in der hier betrachteten ersten Centurie von Obductionsfällen fünf vor, von denen der pikanteste der gleich folgende war.
Anscheinende Tödtung durch homöopathische Pfuscherei.
Vor einigen Jahren trieb in Berlin eine Zeit lang ein gewisser sogenannter „Professor“ Pantillon sein Unwesen, der als Nichtarzt sogenannte homöopathische Kuren machte, und zu dessen Ausweisung endlich dieser Fall Veranlassung gab. — Am 26. Mai 18— verstarb der 3 1⁄2 Jahre alte Sohn des N. M. Derselbe hatte an einem angebornen Bruch und später (nach den Akten) an einem „Augenfell“ gelitten. Um Ostern consultirte die Mutter jenen Pfuscher, der ihr homöopathische Streukügelchen gab, wonach angeblich der Bruchschaden und das Augenübel sich besserten (!), jedoch wurde das Kind, nach der Schilderung der Mutter, zu gleicher Zeit so träge, dass es gar nicht mehr ausgehen wollte, fast fortwährend schlief, und dabei stark schwitzte. Der „Professor“ gab neue Kügelchen, wonach aber das Kind „viel schlechter ward, immer im Bette liegen blieb, gar keinen Appetit hatte, nur immer zu trinken verlangte, und zusehends abmagerte“. Es waren jetzt sechs Wochen nach der ersten Consultation verflossen. Nach einer fernern Woche wurde das Kind immer schlechter, und erschien der „Professor“, ungeachtet der Bitten der Mutter, nicht, um demselben Hülfe zu leisten. Am 25. Mai bekam es einen heftigen Krampf, der ununterbrochen bis zum folgenden, dem Todestage, anhielt. Der an diesem letzten Tage gerufene practische Arzt, Dr. W. verordnete noch Blutegel und Klystiere, aber schon Mit[S. 131]tags verstarb das Kind unter den heftigsten Krämpfen, nachdem noch der „Gehülfe des Professors“ (!) mit einem Buche und einem Arzneikasten (!) erschienen, und etwas — — zum Riechen angeboten hatte. (Für seine Bemühungen hat der „Professor“ jedesmal fünf Silbergroschen, im ganzen einen halben Thaler, erhalten und angenommen.) Die von ihm angewandten Mittel waren, seiner Angabe nach in der späteren Untersuchung, Belladonna, Aconit, Nux vomica und Ignatius-Bohne. Wir hatten die gerichtliche Section der Leiche zu verrichten, nachdem die Mutter Klage gegen den „Professor“ erhoben hatte. Die Leiche war sehr abgemagert, die Schädelknochen sehr stark injicirt, die blutführenden Hirnhäute zeigten gleichfalls starke Congestion. In jedem sehr erweiterten plexus lateral. befanden sich etwa 3 Unzen Wasser, und sämmtliche Sinus waren strotzend mit Blut gefüllt; im Uebrigen waren die Befunde in der Kopfhöhle die normalen. Beide Lungen waren sehr tuberkulös, mehrere Tuberkeln schon erweicht, die Milz zeigte sich mit rohen Tuberkeln wie durchwachsen, wie denn einige Tuberkeln sich auch im Pancreas fanden. Alle übrigen Organe boten nichts Bemerkenswerthes dar. — In unserm Gutachten führten wir zunächst aus, dass das Kind an Gehirnhöhlen-Wassersucht seinen Tod gefunden habe, was hier keines weitern Beweises bedarf, und wobei die Scrofeldyscrasie als aetiologisches Moment im Allgemeinen, wie in Bezug auf den concreten Fall, ihre Würdigung fand. Es wurde ferner ausgeführt, dass diese höchst bedenkliche und lebensgefährliche Krankheit nach aller medicinischen Erfahrung nur allein durch (das bekannte) ein energisches Heilverfahren noch in ihrem Entstehen und in ihren ersten Stadien heilbar sei, und dann weiter gesagt: „Anders verfuhr der „Professor“[S. 132] Pantillon. Es kann ihm als Nichtarzt nicht zugemuthet werden, dass er diese Krankheit in ihrem Entstehen und ihrer weiteren Ausbildung, wie die Mutter sie ihm schilderte, richtig erkannt habe, oder habe erkennen können, und fuhr er vielmehr fort, mit gänzlicher Hintenansetzung jener, ihm unbekannten wirksamen Heilmethode, die sogenannten homöopathischen Streukügelchen zu geben, d. h. arzneilich ganz indifferente, kleine Zucker- und Mehl-Partikelchen, da deren angeblicher arzneilicher Inhalt an Belladonna, Aconit, Krähenaugen und Ignatius-Bohnen durch die sogenannte homöopathische Verdünnung in Nichts verschwindet. Eben deshalb kann auch nicht angenommen werden, dass P. durch seine Behandlung des Kindes die tödtliche Krankheit hervorgerufen, oder auch nur dieselbe positiv gesteigert und deren tödtlichen Ausgang begünstigt habe. Dagegen müssen wir, nach allen Erfahrungen der medicinischen Wissenschaft, annehmen, abgesehen von seiner Befugniss oder Nichtbefugniss überhaupt, dass derselbe negativ geschadet habe, indem er unterliess, die wirksamen, einzig noch möglicherweise wirksamen Heilmittel und Methoden gegen die Krankheit des Kindes anzuwenden, die ohne diese Behandlung ihren gewöhnlichen Verlauf durch alle ihre Stadien bis zum tödtlichen Gehirndruck durch Wasserausschwitzung, wie er durch die letzten Krämpfe und durch die Section nachgewiesen ist, machen musste.“ Hiernach gaben wir unser Gutachten dahin ab: „dass der tödtliche Ausgang der Krankheit durch ein erfahrungsmässiges, energisches Heilverfahren hätte abgewehrt werden können, und dass das von dem P. eingeschlagene Verfahren ein solches erfahrungsmässiges nicht gewesen sei.“ — Die polizeiliche Seite der Sache stand nicht in Frage, weil sie dem Richter auch ohne das sach[S. 133]verständige Gutachten klar vorlag; die gerichtliche Frage vom Antheil des Verfahrens am Tode konnte wohl nicht milder für den Angeklagten, durfte aber auch meiner Ueberzeugung nach nicht strenger gelöst werden.
Angeblich tödtliche Quacksalberei.
Ein dreijähriger Knabe war durch eine Pfuscherei gegen ein Flechtenübel mit allerhand Quacksalbereien tractirt worden und starb. Die Section wies Erstickungstod, aber gar keine sichtliche Veranlassung zu demselben nach, so dass derselbe auch ein natürlicher, das tödtliche Ende einer, durch die Section nicht erkennbaren, uns ganz unbekannt gebliebenen, innern (fieberhaften) Krankheit gewesen sein konnte. Eine chemische Prüfung der Magencontenta ergab nichts Schädliches. Es konnte demnach das Verfahren der Pfuscherin als mitwirkende Todesursache nicht anerkannt werden.
Angeblich tödtliche Quaksalberei.
Ganz dasselbe fand Statt bei einem vierjährigen Mädchen, bei welchem, nachdem es von einem Pfuscher mit an sich indifferenten Mitteln behandelt worden war, die Section exsudative Meningitis, aber gar keine äussere Veranlassung zum Tode nachwies.
Angebliche Tödtung durch Kunstfehler bei der Entbindung.
Dieser Sectionsfall war als solcher interessant; er hätte schwierig für die forensische Beurtheilung werden können, welche aber von uns gar nicht weiter gefordert[S. 134] wurde. In Folge schwerer Entbindung, die 34 Stunden gedauert hatte, und bei welcher fünfmal die Zange angelegt worden war, war ein 21jähriges Mädchen sechs Tage später gestorben. Die gerichtsärztliche Section, der leider! schon eine privatärztliche vorangegangen war, ergab Brand der Vagina und des Uterus. Dieser ragte noch eine Handbreit über der Symphyse hervor, und hatte noch die Grösse zweier Fäuste. Die Substanz war weich und schlaff, die innere Fläche durchweg schwarzgrau, besonders gegen den Hals zu, die Substanz an dieser innern Fläche aufgelockert, erweicht, und leicht bei oberflächlicher Berührung in Fetzen ablösbar. Das Bauchfell war nur schwach geröthet. In der hintern ganz aschgrauen Wand der Vagina fand sich ein Zoll langer Einriss. — Die Causa mortis war sonach leicht festzustellen. Darüber aber, ob ein Kunstfehler den Tod veranlasst gehabt, musste natürlich das Urtheil bis zur Kenntniss der anteacta ganz und gar vorbehalten werden. Eine fernere Verfolgung der Sache hat aber, aus mir unbekannten Gründen, gar nicht Statt gefunden. Vor fünfundzwanzig Jahren habe ich, als damaliges Mitglied des hiesigen Provinzial-Medicinal-Collegii, einen vollkommen ähnlichen Fall mit zu begutachten gehabt, der damals die Meinungen der Mitglieder sehr getheilt hatte, wobei indess das Urtheil der Majorität ungünstig für den angeschuldigten Geburtshelfer ausfiel, dem natürlich das zur Last gerechnet wurde, dass er den eingetretenen Brand der Vagina (es hatte ein erheblicher Dammriss bei der Entbindung Statt gefunden, und der Fall ereignete sich im hohen, heissen Sommer) nicht rechtzeitig erkannt gehabt hatte und dagegen nicht eingeschritten war.
Angeblich tödtliche Quacksalberei.
Gar kein Interesse bot der letzte hierhergehörige Fall dar. Ein 38jähriger Friseur, der gegen einen Quacksalber Kopfschmerzen geklagt, hatte von diesem eine Salbe in den Nacken einzureiben bekommen. Der Schmerz und das Kranksein steigerte sich, es wurde ein approbirter Arzt gerufen, und dieser behandelte nun den Kranken, bei dem er eine Gehirnentzündung fand, lege artis, ohne den Tod abwehren zu können. Die Familie glaubte indess, dass jene Salbe Schuld am Tode des Mannes gewesen, und klagte. Die Section ergab die gewöhnlichen Befunde einer Meningitis exsudativa, und es konnte natürlich in unserm Gutachten das Tröpfchen Fett nicht als zum Tode mitwirkend anerkannt werden!
In diese Rubrik gehört vor Allem ein Fall, vielleicht der allerwichtigste, gewiss der schwierigste für die Entscheidung unter allen Hundert hier betrachteten Fällen, der zu vielen Verhandlungen Veranlassung gegeben hat. Er betraf den an einer alten Wittwe Hake durch den Arbeitsmann Fritze verübten Raubmord. Das medicinisch-wissenschaftliche Interesse des Falles betraf die Frage: auf welche Weise die Hake den Tod gefunden, ob namentlich Brandblasen noch nach dem Tode entstehen können? worüber besonders Duncan und Christison in Edin[S. 136]burg bei dem unsrigen ganz ähnlichen Fällen so lehrreiche Thatsachen bekannt gemacht haben (S. Edinb. med. and surg. journal, April 1831), während der Fall mir auch noch ein psychologisches Interesse darbot, indem der Mörder, wie man sehen wird, wohl den Mord gestand, aber durchaus nicht zu dem Geständniss zu bringen war, dass er Feuer angelegt (um seine That zu verdunkeln), wovon sowohl ich, wie das Gericht nach den Umständen des Falles, ganz fest überzeugt war. Die Wichtigkeit dieses Gerichtsfalles wird eine grössere Ausführlichkeit in der Mittheilung an dieser Stelle rechtfertigen.
Mord durch Verbrennen oder Erdrosseln.
Am 26. April 18— war der Arbeitsmann Fritze Nachmittags zu der allein wohnenden 70jährigen Wittwe Hake gegangen, geständlich um von ihr Geld zu borgen, im Weigerungsfalle aber sie umzubringen. Wirklich verweigerte sie das Darlehn, und er, ein sehr grosser und starker Mann, gab ihr sogleich einen Schlag mit der Faust vor die Stirn, wodurch sie umfiel. Sie war „ganz still ohne zu stöhnen, zu winseln oder um Hülfe zu rufen.“ Er nahm hierauf einen Pflasterstein, der etwa Faust dick war, und den er angeblich in der Stube gefunden hatte, und versetzte ihr damit einen Schlag ins Gesicht, worauf sie „noch kurze Zeit gezuckt und dann sich nicht mehr bewegt hat.“ Weiter wollte er durchaus Nichts mit dem Körper der Hake unternommen, namentlich sie weder gewürgt, noch verbrannt, nur allein die am Boden rücklings da Liegende umgedreht haben, weil es ihm „unangenehm“ war, ihr ins Gesicht zu sehen. Er durchsuchte nunmehr die Schränke, fand einen Beutel mit 1000 Thalern, blieb[S. 137] im Zimmer, bis es finster geworden, zündete ein Talglicht an und entfernte sich endlich spät Abends mit seinem Raube, nachdem er das noch brennende Licht unter einen Rohrstuhl gesetzt hatte, für welches absonderliche Verfahren er durchaus keine Erklärung abgeben zu können vermeinte. Am folgenden Tage fand man, auch wir selbst, die kleine zweizimmerige Wohnung der Hake ganz mit brenzlichem Geruche erfüllt und Wände, Möbel u. s. w. ganz mit Kohlenniederschlag bedeckt. In der Schlafkammer lag die gleich zu schildernde Leiche auf dem Bauche neben dem ganz zerstörten Bette, worin viele Theile verbrannt waren; auf ihr lag ein ganz angebranntes Kopfkissen, und einen Fuss von ihr stand ein durchgebrannter Rohrstuhl, unter welchem noch der messingene Leuchter, in welchem ein Talglicht ganz ausgebrannt war, gefunden wurde. Im Wohnzimmer fand sich der Pflasterstein auf der Diele. Die wesentlichen Befunde nun der gerichtlichen Section, die ich dem ausführlichen Obductionsprotokolle auszugsweise entnehme, waren folgende. Die Haare der corpulenten Leiche angebrannt, zum Theil verkohlt; die Nasenbeine zerbrochen, und das Septum von den Knorpeln getrennt; die Augen platt zugedrückt und im Innern des rechten Auges kleine Brandblasen; die ganze Stirn mit angetrocknetem Blute besudelt und in ihrer Mitte eine Achtgroschenstück grosse Sugillation, bei deren Einschnitt sich flüssiges Blut ergab; eine kleinere Sugillation auf der rechten Backe; das ganze Gesicht mit angetrocknetem Blute und mit verbrannten Bettfedern bedeckt, und wie verkohlt und ganz unkenntlich; das rechte Ohr vollständig verkohlt, das linke nur angebrannt; an der Nasenwurzel eine halbmondförmige, etwa Viertel Zoll lange, 2 Linien breite Wunde mit stumpfen, ungleichen Rändern,[S. 138] einen halben Zoll von derselben entfernt eine zweite ähnliche, die aber beide nur die Haut trennten; am rechten Schlafbein eine dritte ähnliche, aber dreieckige Wunde; die Zunge vor den Kiefern; der Hals ringsum vollständig verkohlt, die Haut in grossen Fetzen abgeplatzt, nur die Kehlkopfgegend nicht verkohlt, aber mit mehreren Brandblasen besetzt; die rechte Hand vollständig verkohlt; der rechte Ober- und Vorderarm, so wie der linke Arm waren nur theilweise verkohlt, aber reichlich mit Brandblasen besetzt, die kleiner und grösser und zum Theil mit Serum gefüllt, zum Theil leer waren, was von allen auf dem ganzen Körper zahlreich befundenen Phlyctänen gilt. Bemerkenswerth war noch, dass Nates und äussere Geschlechtstheile vollkommen verkohlt waren, so dass von letztern gar kein anatomischer Bau mehr erkannt werden konnte. Nur allein die Unterschenkel und Füsse waren ganz unversehrt. Bei der innern Besichtigung zeigte die Schädelhöhle und das Gehirn Blutleere, sonst Nichts, was für die Beurtheilung des Todes hätte erheblich werden können, weshalb wir die einzelnen Befunde hier übergehen; der Bruch der Nasenbeine konnte nun noch genauer constatirt werden; dass er im Leben entstanden, bewiesen die Sugillationen, die sich in die Knochen erstreckten. Die Schleimhaut der Luftröhre erschien, nachdem mit dem Schwamm ein schmutziger (Russ-) Niederschlag abgewaschen war, „hellkirschroth gefärbt, und etwas blutig-wässriger Schaum fand sich im lumen der Luftröhre vor.“ Die Lungen waren „stark mit einem dunkeln Blute überfüllt“, das schlaffe Herz „in seiner linken Hälfte blutleer, in der rechten mit schwarzem Blute überfüllt“; die Speiseröhre leer und normal; die grossen Venenstämme der Brust stark mit dunklem Blute erfüllt. Von der Bauchhöhle habe ich[S. 139] hier nur hervorzuheben, da alle Organe normal beschaffen waren, dass die V. cava viel dunkelflüssiges Blut enthielt.
Nach diesen Befunden mussten wir schon im summarisch-vorläufigen Gutachten gleich nach der Obduction annehmen: dass denata den Erstickungstod gestorben, und dass es „sehr wohl möglich“, dass die bedeutende Verbrennung die alleinige Ursache dieses Erstickungstodes gewesen sei. Für den Obductionsbericht wurden uns nun folgende Fragen zur Beantwortung vorgelegt:
1) Ist gewiss, wahrscheinlich, oder nur möglicherweise der Erstickungstod der Hake durch die ihr mit der Faust und mit dem Steine beigebrachten Schläge gegen die Stirn und auf die Nase unmittelbar oder mittelbar herbeigeführt, oder sind diese Schläge unmöglich die Ursache des Erstickungstodes?
2) Wenn dies der Fall, ist er dadurch, dass Fritze nach den beiden Schlägen die Hake, welche corpulent und hoch in Jahren gewesen, auf den Leib gelegt, und sie so einige Stunden bis zu seinem Fortgehen ohne Wahrnehmung eines Lebenszeichens hat liegen lassen, herbeigeführt worden?
3) Aus welchen medicinischen Gründen lässt sich nachweisen, dass nur der Statt gehabte Dampf des angelegten Feuers den Erstickungstod der Hake herbeigeführt habe?
Der Obductionsbericht begann nun damit nach der Anforderung des Gesetzes, da hier Tödtung nach Verletzungen vorlag, diese im Sinne des §. 169 der Criminal-Ordnung (nach ihren Lethalitätsgraden) zu würdigen. Da aber, selbst zugegeben, dass sie eine Hirnerschütterung unmittelbar zur Folge gehabt, diese Verletzungen sich nicht als die Todesursache durch die Section erwiesen[S. 140] hatten, die vielmehr den Tod durch Erstickung bewies, so mussten wir zunächst behaupten, dass die drei Lethalitätsfragen auf den vorliegenden Fall gar keine Anwendung fänden. Nachdem nun wissenschaftlich motivirt worden, dass und warum hier Erstickungstod anzunehmen sei, wurden sämmtliche verschiedene mögliche Entstehungsweisen des Erstickungstodes angegeben, und nun in Beziehung auf die erste der vorgelegten Fragen fortgefahren; „namentlich kann derselbe durch Kopfverletzungen, die an sich nicht einmal schwere und tödtliche waren, nicht etwa das ganze Gehirn, oder grosse und wesentliche Theile desselben zermalmt, und dadurch die Innervation der Lungen zerstört hatten, nicht bedingt werden. Im vorliegenden Falle ist hierbei die Zermalmung der Nase allerdings in so fern nicht ganz unberücksichtigt zu lassen, als bei einer solchen Verletzung das Athemholen mehr oder weniger erschwert werden muss. Der bei weitem wichtigere Weg aber für die Athmung, der durch den Mund, bleibt bei einem Bruch, ja bei einer völligen Zerquetschung der Nase ganz ungehindert, und es kann demnach aus einer noch so bedeutenden Beschädigung der Nase, wenn nur der Hauptweg der Luftströmung durch die Athemwerkzeuge nicht behindert wird, Erstickung nicht entstehen.“ Hiernach wurde mit Bezug auf die erste Frage geantwortet: dass jene Schläge „unmöglich die Ursache des Erstickungstodes gewesen seien.“ In Betreff der nicht leichten zweiten Frage wurde im Wesentlichen Folgendes gesagt: „wir müssen abermals wiederholen, dass die Hake an den Kopfverletzungen nicht gestorben ist. Sie war also noch nicht todt, als Fritze die am Boden scheinbar leblos Daliegende todt glaubte, sondern sie lag höchstens — wenn seine Aussage überhaupt Glauben verdient — in jener Be[S. 141]täubung, die die Kopfverletzungen allerdings veranlassen konnten, aber noch athmend am Boden. In diesem von uns vorausgesetzten Zustande drehte Fritze sie angeblich um, und legte sie auf das Gesicht, welches allerdings, bei der durch den Knochenbruch platt gedrückten Nase, hart auf der Diele zu liegen kommen musste. Hierdurch musste begreiflich die Athmung erschwert werden. Berücksichtigt man hierzu, dass die Hake sehr hoch in Jahren gewesen, in welchem Lebensalter überhaupt die Athmung schon weniger häufig und energisch ist, und ist es ferner wenigstens nicht actenwidrig, anzunehmen, dass sie in einem gewissen Grade von Hirnerschütterung dalag, bei welcher an sich die Respiration selten und unterdrückt wird, so ist es nicht unmöglich, dass durch alle diese Momente die Behinderung der Athmung sich bis zur endlichen Erstickung steigern konnte. Dunkel bleibt uns jedoch bei dieser Annahme, der wir nicht einmal eine höhere Wahrscheinlichkeit, geschweige Gewissheit beilegen, die Verkohlung des Gesichts, das als fast ganz flach auf dem Boden liegend angenommen werden muss, während der Fussboden an dieser Stelle gar nicht sehr verbrannt oder verkohlt war. Eben so scheint gegen diese Annahme der Befund der gänzlich verkohlten rechten Hand zu sprechen, die wohl, worüber wir keine Wissenschaft besitzen, bei der am Boden bereits todt liegenden so gelegen haben kann, dass die Flamme sie besonders und vorzugsweise ergriffen haben mag, während sich die Annahme nicht ganz abweisen lässt, dass die Hake damals noch lebte, als die Flamme ihre Kleidungsstücke und das Kissen, womit ihr Rücken bedeckt gefunden wurde, ergriffen, und dass sie nun, halb oder ganz besinnlich, mit der rechten Hand so viel als möglich sich zu retten, und[S. 142] die brennenden Stoffe von sich zu reissen versucht habe. Wir können hiernach die zweite Frage nur dahin beantworten: dass der Erstickungstod dadurch, dass Fritze nach den beiden Schlägen die Hake auf den Leib gelegt, und sie so einige Stunden hat liegen lassen, möglicherweise herbeigeführt worden sein kann.“
Zur dritten Frage endlich äusserten wir uns dahin: „wie stark der Rauch und Dampf des Feuers gewesen sei, und wie sehr derselbe die beiden kleinen Zimmer der Hake’schen Wohnung erfüllt haben müsse, davon gab der starke Kohlenniederschlag einen Beweis, den wir auf allen Möbeln und Stoffen daselbst vorfanden. Eben so beweisen dies die fast ganz verbrannten und verschwälten Kleidungsstücke, die denata am Leibe gehabt hatte, so wie endlich die Intensität des Feuers und seiner Wirkung auf den Körper der Hake aus den Verkohlungen an ihrer Leiche, namentlich am Gesicht, rechtem Ohr, rechter Hand, den nates und Geschlechtstheilen deutlich hervorgeht. Dass ein solcher Brand und Rauch einen darin hülfslos Verweilenden tödten müssen, bedarf keines Beweises, wie es denn auch von selbst erhellt, dass in solchem Falle die Obduction gerade die Resultate liefern wird, welche die des Körpers der H. ergeben hat, nämlich Verbrennungen und Verkohlungen an der Oberfläche, und Erstickungstod im Innern. — Dass aber letzterer bei der denata „nur“ auf diese Weise erfolgt sei, lässt sich „aus medicinischen Gründen“ durchaus nicht erweisen. Im Gegentheile sind mehrfache, anderartige Veranlassungen hierbei denkbar. Keine anderen als die vorgefundenen Sectionsresultate würden sich ergeben haben, wenn z. B. Fritze die durch die vorgängigen Schläge betäubte Hake mit den Händen erwürgt, oder sie mit einem Strangulationswerkzeuge er[S. 143]drosselt gehabt, und nachher den Hals so verbrannt und geröstet hätte, wie er von uns gefunden worden, und woran eine etwanige frühere Strangmarke unmöglich mehr zu erkennen war — oder wenn derselbe das Kopfkissen der auf dem Boden Liegenden so lange gewaltsam auf das Gesicht oder über den Kopf hinüber gedrückt hätte, bis er sie erstickt wusste, oder vermuthen konnte, und nachher den Brand angelegt hätte“ u. s. w. — Hiernach beantworteten wir die letzte vorgelegte Frage dahin: „dass aus medicinischen Gründen sich gar nicht nachweisen lasse, dass nur der Statt gehabte Dampf des angelegten Feuers den Erstickungstod der H. herbeigeführt habe.“
Nachträglich wurde uns noch die Frage vorgelegt — die von grosser gerichtlich-medicinischer Wichtigkeit ist, und die wir bereits im Eingange dieses Falles, den wir namentlich deshalb so ausführlich mittheilen, berührt haben: ob die vorgefundenen Brandblasen an der Leiche nicht erst nach dem Tode der Hake verursacht worden sein konnten? Wir verneinten diese Frage, auf Auctoritäten des Faches und eigene Erfahrung gestützt, mit dem Zusatze: „dass es wohl möglich sei, dass, nachdem Fritze auf eine oder die andere Art die Hake schon asphyctisch gemacht hatte, d. h. als sie schon dem Erstickungstode nahe, aber noch nicht alles Leben in ihr erloschen war, die Verbrennung auf sie gewirkt und die Brandblasen erzeugt habe, welche unter solchen Umständen sich noch erzeugen können.“
Diese Behauptung wurde in einem anderen technischen Gutachten angefochten, und darin der Satz aufgestellt: „auch an der Leiche bilden sich erfahrungsgemäss (??) durch die eine Zeit lang unterhaltene Einwirkung des Feuers, wahrscheinlich in Folge der durch die Hitze bewirkten[S. 144] Ausdehnung und raschen Verdampfung von Flüssigkeiten, die durch die Oberhaut nicht entweichen können, nach 12 bis 20 Stunden, ja noch längere Zeit nach dem Tode, deutliche Blasen, welche den im Leben sich bildenden um so mehr ähnlich sehen, je kürzere Zeit nach dem Tode sie durch das Feuer hervorgebracht wurden“ u. s. w.
In einer Gegenerklärung musste ich die Behauptung aufstellen, dass die angeblichen „Erfahrungen“ der Verfasser dieses Gutachtens ganz isolirt daständen. Man höre, wie sich die drei besten neueren (nicht blos Theoretiker, sondern wirklich practische) Fachkenner darüber aussprechen:
Orfila sagt (Méd. lég. 1 Paris 1828. S. 457.): „on cherchera à découvrir, s’il-y-a des phlictènes (wobei O. keine weitere Charakteristik derselben in Bezug auf Hof, Grund der Blasen u. s. w. angiebt) altération, qui dénote manifestement, que l’enfant était vivant lorsqu’il a êté brulé.“
Dévergie (Méd. lég. Par. 1836 S. 273) bemerkt: „si l’on applique de l’eau bouillante ou un fer rouge à la surface du corps d’un individu dix minutes même aprês la mort, il ne se manifeste jamais de rougeur ni de phlictènes“, und gleich weiter sagt derselbe: „dass es nicht möglich ist, eine Verbrennung, die im Leben geschah, mit einer nach dem Tode gemachten, zu verwechseln.“
Christison (Edinb. med. and surg. Journ. l. c.) hat 6 Versuche gemacht, „wonach es ihm „evident“ erscheint, dass die Anwendung der Hitze, selbst „einige Minuten“ nach dem Tode, keine der Wirkungen hervorbringen kann, die die lebendige Reaction hervorrufe.“ Besonders lehrreich ist ein Fall, in welchem vier Stunden vor dem Tode eine comatös Daliegende mit heissem Wasser be[S. 145]handelt, und eine halbe Stunde nach dem Tode mit Glüheisen gebrannt wurde, und worauf dann an der Leiche jene Stellen grosse Brandblasen zeigten, diese letztere durchaus nicht.
Ich glaubte mich hierbei noch nicht begnügen zu müssen, und stellte selbst mit einem in dergleichen Dingen sehr bewanderten und bewährten Freunde vier Versuche an Leichen an, deren kurzgefasstes Ergebniss Folgendes war:
1) Der Leiche einer 60jährigen, vor 48 Stunden verstorbenen Frau wurde ein zwei Finger breiter Streifen Watte, die mit Terpenthin-Oel (das am Lebenden die ausgebreitetsten Brandblasen giebt) getränkt worden, viermal um die Waden gewickelt und angezündet. Die Stoffe brannten vier Minuten, worauf die Watte ganz verbrannt war. Der Streifen Haut unter der Watte war oberflächlich geröstet; nirgends fand sich eine Spur von wässriger Ausschwitzung oder Blasenbildung.
2) An derselben Leiche wurde die starke Flamme einer Oellampe drei Minuten lang an den Fussrücken so angehalten, dass sich die Flamme ihrer ganzen Breite nach an die Hautfläche anlegte. Die Folge war die, dass die Stelle braun, trocken und hart wurde; nirgends aber war eine Spur von Loslösung, Wulstung oder gar Blasenbildung der Oberhaut zu bemerken.
3) An einem frühzeitig geborenen Kinde, welches 24 Stunden nach der Geburt gestorben war, wurden 13 Stunden nach dem Tode zwei Versuche gemacht. Auf die Magengrube wurde ein 1 Q.-Zoll grosses, in Terpenthin-Oel getauchtes Baumwollenbäuschgen gelegt und angezündet. Nach 3 1⁄2 Minute war es verbrannt. Die ganze Stelle war mit feinen Fältchen strahlenförmig umgeben.[S. 146] In dem umgebenden Rande entstanden nach drei Minuten einige kleine Risse; der Raum, welcher von der Baumwolle bedeckt gewesen war, bildete eine lichtbraune, trockene, geröstete Rinde, ohne Spur einer Blase.
4) An dem wassersüchtigen prallen Scrotum dieser Leiche, an welchem, wegen der Menge wässriger Flüssigkeit — nach der Theorie des oben citirten Gutachtens — am meisten Veranlassung zur Bildung von Blasen gewesen wäre, wurde eine Lichtflamme so angehalten, dass der Rand der Basis des Lichtkegels die Haut berührte. Es fand also eine mässige, aber stete Einwirkung der Hitze auf die Hautfläche Statt, ohne dass sich Russ ansetzen konnte. Die der Flamme ausgesetzte Stelle zog sich zusammen, und bekam eine silbergraue glänzende Fläche; nirgends aber zeigte sich auch nur die geringste Spur von Blasenbildung.
Ich darf hier noch an ganz alltägliche Erfahrungen erinnern. Wer überhaupt viel Leichen gesehen, der hat auch oft Leichen von Menschen gesehen, denen, und zwar in der Regel doch unmittelbar nach erfolgtem Tode, als ganz gewöhnlicher Rettungsversuch brennender Siegellack auf die Magengrube getröpfelt worden. Niemals habe ich an den höchst zahlreichen Leichen der Art, die mir vorgekommen, auch nur eine Spur von Blasenbildung danach beobachtet.[21]
Fritze ist hingerichtet worden. Wie oben schon bemerkt, so war es psychologisch höchst merkwürdig, dass er, der sehr bald im Gefängniss reumüthig und weich geworden war, und ein freiwilliges Geständniss des Mordes mit allen Einzelheiten abgelegt hatte, doch nicht dazu zu bewegen war, die ohne allen Zweifel von ihm verübte Brandstiftung einzubekennen. Noch einen Tag vor seiner Hinrichtung, wo Nichts auf Erden mehr für ihn zu hoffen noch zu fürchten war, sprach ich ihm im Gefängniss zu, mir, da es mich persönlich für meine Wissenschaft interessire, nun noch zu erzählen, wie er die Hake behandelt habe. Umsonst! Er blieb dabei, dass er nicht wisse, warum er beim Weggehen das brennende Licht unter den Rohrstuhl und dicht neben das Bett der Ermordeten gestellt habe! Er scheute sich nicht, von seinem Gewissen gepeinigt, zu gestehen, dass er ein Mörder geworden, als Mordbrenner aber wollte er nicht aus der Welt gehen. Das ist das eigenthümliche point d’honneur der Verbrecher, von welchem man in der Verbrecherwelt vielfache Beweise findet.
Tödtliches Verbrühen im Bade.
Ein 68jähriger geisteskranker Mann war in einer Krankenanstalt dadurch gestorben, dass er sich in einem heissen Bade verbrüht hatte. Da eine muthmaassliche Fahrlässigkeit seiner Wärter vorlag, so wurde die gerichtliche Section verfügt. Wir fanden die Hälfte des Rückens und Unterleibs, den ganzen linken Vorderarm, die Ge[S. 148]schlechtstheile und die ganzen Unterextremitäten so verbrannt, dass an allen diesen Theilen die Oberhaut in Fetzen über der braunrothen cutis abgelöst lag, und die Nägel an Fingern und Zehen ganz fehlten. Der Unglückliche hatte nur noch zwei Stunden nach der Verbrennung gelebt. Von den Sectionsresultaten musste eine sulzige Ausschwitzung auf der Gehirnoberfläche, ein sehr hartes Gehirn, die sehr grosse, rostfarbene, mürbe Leber und die musartige Milz als in Beziehung zu der anderthalbjährigen Geisteskrankheit des denatus stehend angenommen werden, und nur eine starke Blutanhäufung im Gehirn und eine strotzende im rechten Herzen, und namentlich die Beschaffenheit des Blutes, welches dunkel, fast schwarz und musartig geronnen war, konnten auf Rechnung des Verbrennungstodes gebracht werden. Dass bei einer Verbrennung, die zwei Drittel des ganzen Körpers betroffen, und den Tod in zwei Stunden bewirkt hatte, die absolute Tödtlichkeit der Verletzung, im Sinne der ersten Frage des §. 169 der Criminal-Ordnung angenommen werden musste, versteht sich von selbst.
Tödtliche Verbrennung.
Durch Anbrennen seiner Kleider war ein anderthalbjähriger Knabe nach zwei Tagen gestorben. Apoplectische Gehirncongestion, deutliche Entzündung der Luftröhre und rothe Hepatisation des unteren Lappens der rechten Lunge waren die Ergebnisse der Autopsie. Das häufige Auftreten von Entzündungen der Athmungswerkzeuge nach ausgebreiteten Verbrennungen ist eben so bekannt, als physiologisch bei dem Consensus der Hautathmung mit der der Lungen erklärlich.
Tödtliches Verbrennen.
Nichts Schrecklicheres als der eigentliche Feuertod, kein scheusslicherer Anblick als ein gebratener Mensch! Ein solcher Fall beschliesse diese erste Centurie meiner gerichtlichen Obductionen, während ich in späteren Mittheilungen Gelegenheit haben werde, fünf oder sechs ähnliche Fälle zu schildern! — Bei einem 83jährigen Manne, der vor dem Ofen sass, hatten die Kleider Feuer gefangen, und waren spurlos zu Zunder verbrannt. Der alte, schwache und hülflose Mann wurde todt und geröstet vor dem Ofen aufgefunden. Der Körper lag in flectirter Stellung, war schwarz verkohlt, mit Ausnahme der stark schwarzbraun gebrannten, aber nicht verkohlten Unterextremitäten. Besonders zerstört war der ganze Rücken, so dass die Leiche beim Versuche sie aufzurichten — zerbrach. Auf der rechten Seite waren die äusseren Bedeckungen — die gewöhnliche Erscheinung an Brust oder Bauch nach dem Feuertode — von einander geplatzt, und man hatte durch die Risse einen Einblick in die Brust- und Bauchhöhle, in welcher letzteren man deutlich den gerösteten rechten Leberlappen unterschied. Von einer weiteren Untersuchung der Leiche wurde natürlich Abstand genommen.
Obduction einer Schwangeren.
Gleichsam als Anhang theile ich in allgemeinem wissenschaftlichen Interesse mehr als in dem der gerichtlichen Medicin und ihrer Praxis die Schilderung der Obduction einer schwangeren Gebärmutter um so lieber mit, als man in den besten geburtshülflichen und medicinisch-forensi[S. 150]schen Schriften darüber gar Nichts findet, und Sectionen Schwangerer so selten sind. Ein Mädchen von 27 Jahren war angeblich von ihrem Liebhaber todt im Bette gefunden worden. Das Gericht hielt eine Feststellung der Todesart für nöthig. Die Obduction des ganz gesunden Körpers, welche nachwies, dass das Mädchen apoplectisch ohne irgend wahrnehmbare äussere Veranlassung gestorben war, bot nichts irgend Interessantes dar bis auf den Befund einer Uterinschwangerschaft. Die Bauchhaut zeigte weder Falten noch Narben. Der Uterus maass vom Grunde bis zum Os. ut. extern. fünf Zoll und in der grössten Breite vier Zoll. Der Gebärmuttermund war geschlossen, rundlich, ohne Einrisse. Die Wände des Uterus waren 1⁄4 Zoll stark und sehr gefässreich, ihre innere Fläche erschien leicht netzartig aufgelockert. Die Frucht war 1 3⁄4 Zoll lang. Ein Mutterkuchen war noch nicht gebildet. Im linken Eierstock fand sich ein sehr deutliches und schönes Corpus luteum. Wir nahmen an, dass die Verstorbene eine Erstgeschwängerte gewesen sei, und sich im dritten Monate ihrer Schwangerschaft befunden habe.
In den nachstehenden Bemerkungen habe ich einige solcher Thatsachen zusammenstellen wollen, die sich mir am Sectionstisch ergeben haben, und die theils meines Wissens noch neu sind, theils demjenigen, was man Betreffendes selbst in den bessern Handbüchern der gerichtlichen Medicin findet, geradezu widersprechen, in welcher Wissenschaft sich, viel mehr als in vielen andern, eine Menge traditioneller Irrthümer von Geschlecht zu Geschlecht, von Handbuch zu Handbuch, von Medicinalbehörde zu Medicinalbehörde fortpflanzen, die immer wieder, in Ermangelung der so schwierig zu machenden Erfahrung im Grossen, auf guten Glauben und in verba magistri angenommen werden. Dies gilt z. B. sogleich von
von denen schon jeder Candidat bei der Prüfung „mit Recht“, gestützt auf „gute Auctoritäten“, annimmt, dass sie sich von Wunden, die erst der Leiche zugefügt worden, sehr leicht unterscheiden liessen durch ihre sugillirten[S. 152] Ränder, die natürlich letztern ganz fehlten. Es giebt aber Wunden am Lebenden, die sich von den letztgenannten gar nicht unterscheiden lassen, nämlich solche Verletzungen durch Schuss- und Stichwunden, die ein grosses inneres Gefäss treffen, und eine augenblickliche tödtliche Verblutung veranlassen, wobei dann freilich Leben und Tod sich auf das innigste berühren, ohne dass sie, so zu sagen, durch den Act des Sterbens, durch eine Agonie, von einander getrennt wären. Man sehe den obigen Fall sub 9. wo ein Messerstich den Aortabogen durchbohrt hatte und die Verletzte todt umgesunken war, wobei schon oben angeführt ist, „dass die äussere Wunde vollkommen einer, erst einem Leichname zugefügten Verletzung glich“, da sie keine Spur von Sugillation an ihren Rändern zeigte. Auch im 17. Fall einer von hinten beigebrachten Messerstichwunde, die die linke Lunge 1 1⁄2 Zoll tief eingestochen, im 18ten, in welchem ein dreikantiges Instrument den linken Herzventrikel durchbohrt hatte, und in fast allen Fällen von augenblicklich tödtlichen, grossen Halsschnittwunden zeigten die Wundränder keine Spur einer lebendigen Reaction. In anderen derartigen Fällen findet man die Wundränder zwar bleich und unsugillirt, aber darunter im subcutanen Zellgewebe wenigstens eine schwache Sugillation.
2. „Spuren äusserer Gewalt fehlten“
ist die bekannte, stereotype Formel in unsern gerichtlichen öffentlichen Bekanntmachungen in solchen Fällen, wo unbekannte Leichen aufgefunden werden, und in welchen Fällen dann der besichtigende Gerichtsdeputirte bona fide den Beerdigungsschein ertheilt. Spuren äusserer Gewalt[S. 153] fehlten, ergo hat eine äussere Gewalt den Tod nicht veranlasst. Ueber wie manchen gewaltsam Getödteten mag nach diesem ergo die Mutter Erde ihren dunkeln, verhüllenden Mantel ausgebreitet haben! Denn es ist zwar bekannt und schon oben (A.I.) bei der Tödtung durch Ueberfahren besprochen worden, dass bei Zersprengungen der Milz und Leber man oft äusserlich an der Leiche gar keine Spur einer äusseren Gewalt findet, ich habe aber auch bereits an jener Stelle darauf hingewiesen, und die Fälle dafür auch an spätern Stellen angeführt, dass man auch nach anderen Verletzungen ungemein häufig die allererheblichsten innern Beschädigungen (ein abgerissenes Herz, Fall 19 — Bruch von Rippen, Fall 2 und 43) findet, ohne dass sie sich durch entsprechende äussere Spuren am Leichnam hätten ahnen lassen, und kann versichern, dass ich auch in spätern Obductionen, die ich in einer 2. und 3. Centurie mittheilen werde, sehr häufig dieselbe Beobachtung gemacht habe. Ganz irrig also ist es, wenn man gerichtlich annehmen hört, dass wohl zuweilen und ausnahmsweise innere Verletzungen vorhanden sein können, ohne dass äussere Merkmale am Leichname dieselben verrathen, da vielmehr solche „Spuren äusserer Gewalt“, Sugillationen, Excoriationen u. dergl. vielleicht eben so häufig mangeln, als vorhanden sind. Man sieht, wie bedenklich die bei uns seit dem J. 1824 gesetzlich gewordene Praxis ist, die Mehrzahl der Leichen von Menschen, die nicht eines natürlichen Todes gestorben sind, nur von Gerichtspersonen, ohne Zuziehung eines forensischen Arztes, besichtigen zu lassen.
characterisirt sich, wie bekanntlich ganz allgemein und ganz richtig angenommen wird, durch innere Anhämie. Aber an dieser Blutleere nehmen die Venen der pia mater in den meisten Fällen gar keinen Theil, die man vielmehr gewöhnlich bei schnell Verbluteten ganz wie in der Regel gefüllt antrifft. Ich habe im Obigen die thatsächlichen Beweise für diese Behauptung angeführt, die meines Wissens noch nicht aufgestellt worden. Sie ist indess, da die Naturbeobachtung sie bestätigt, festzuhalten, damit nicht im concreten Falle Meinungsdifferenzen über den Tod durch Verblutung aus dem Grunde entstehen, weil dieser Tod vielleicht gerade wegen der normalen Blutfülle der Gehirnvenen (und Sinus) angezweifelt wird. Man vergleiche die oben mitgetheilten Fälle sub 9 — Verletzung des Aortenbogens — sub 12 — Durchschneidung der linken Carotis und Jugularis wie der rechten Jug. externa — sub 13 — Zerschneidung beider Jugularen — sub 14 — Schnitt in die linke Carotis und Jugularis — sub 17 — Lungenwunde — sub 37 — Riss der Leber nach Misshandlungen — in welchen sämmtlichen Fällen natürlich Verblutung die Todesursache war, in welchen sämmtlich aber dennoch bei übrigens allgemeiner Anhämie wir die Venen im Gehirn, zum Theil auch die sinus theils ganz normalmässig gefüllt, theils wenigstens nicht ungewöhnlich leer und zusammengefallen fanden. Ganz gleiche Erfahrung habe ich bei vielen spätern forensischen Sectionen zu machen Gelegenheit gehabt, und jedesmal meine umstehenden Zuhörer darauf aufmerksam gemacht. Die Thatsache lässt sich auch einfach auf Hypostase zurückführen, denn meistens[S. 155] findet man das Blut in den hintern und untern, also aufliegenden Venen und Sinus, wie man an den hintern und untern aufliegenden Theilen der Lungen die Hypostase findet.
liegt und wird gefunden in den Leichen „eingeklemmt zwischen den Zähnen (resp. Kiefern), oder mehr oder weniger weit vor denselben, ja vor dem Munde hervorragend“. Auch ein Lehrsatz der Handbücher, wonach diese eingeklemmte Zunge als characteristisches Zeichen grade des Erstickungstodes allgemein betrachtet wird. Es ist aber nichts weniger als dem Tode durch Suffocation eigenthümlich — wenngleich ich nicht läugne, dass es sehr häufig danach gefunden wird — denn es kommen sehr exquisite Fälle von Erstickung vor, bei welchen man die Zungenspitze wie gewöhnlich hinter den Zähnen findet, — vergl. den Fall 46 von ausgeprägtester Erstickung — und andererseits findet man die eingeklemmte Zunge auch bei ganz anderen Todesarten, wofür u. A. der Fall 18 — Verblutung durch eine Herzstichwunde — der 75. Fall — Verblutung durch eine Schusswunde — wie der Nr. 86 — Vergiftung durch Schwefelsäure — sehr lehrreiche Beispiele ergeben. Es ist deshalb auf dieses Zeichen kein erheblicher Werth zu legen, eine Bemerkung, die bei zweifelhaftern, schwierig zu beurtheilenden Fällen, z. B. von Strangulation ob vor, ob nach dem Tode erfolgt? — von grosser Wichtigkeit werden kann.
verwest am spätesten unter allen Weichgebilden, nicht die Lungen. Erfahrene Anatomen werden dies bei ihren Sectionen auf den anatomischen Theatern wohl schon beobachtet haben, obgleich dort Subjecte nicht vorzukommen pflegen, wie sie der gerichtliche Sectionstisch, namentlich bei Wasserleichen, so oft liefert, die längst für das anatomische Theater unbrauchbar geworden sind. Es ist in der That überraschend, wie frisch, straff und fest man den Uterus finden kann in weiblichen Leichen, in welchen alle Weichgebilde, vom Gehirn, dem so früh verwesenden, bis zu den spät faulenden Lungen, ganz und gar vom Verwesungsprocess ergriffen sind. Dass dies noch spät nach dem Tode, wo an eine allgemeine Section gar nicht mehr zu denken ist, z. B. zur Ermittelung einer zur Zeit des Todes vorhanden oder nicht vorhanden gewesenen Schwangerschaft, von grosser Wichtigkeit werden kann, dafür habe ich im oben sub 57 erzählten Fall ein denkwürdiges Beispiel geliefert, worauf ich verweisen kann.
selbst Schrot, müssen sich doch natürlich bei der Section vorfinden — sollte man meinen — wenn der Schuss keinen Ausgang nahm, und Schrot oder Kugeln nothwendig in den Eingeweiden der Leiche liegen. Vom Arbeitstisch aus, von welchem die Natur freilich etwas anders aussieht, als draussen im Leben und in der Wirklichkeit, vollkommen richtig, und ich kann es dem Referenten einer Medicinal-Behörde nicht verdenken, wenn derselbe, bei[S. 157] gänzlichem Mangel an eigner Erfahrung in diesen Gegenständen, die Obducenten in einem wichtigen Falle „nicht begreift“, wenn sie behaupteten, Stunden lang vergeblich im Leichnam nach den Schrotkörnern gesucht zu haben, die den denatus getödtet hatten. Aber man versuche es nur! Zumal bei Kugeln — vollends gar bei Schrotkörnern — die in die Bauchhöhle gedrungen waren, und hier grosse Zerreissungen, musartige Zerstörungen der Leber oder Milz, bedeutende Blutergüsse u. dgl. m. verursacht hatten, gelingt es oft dem mühseligsten Herumgreifen und Durchwühlen nicht, das Projectil herauszufinden. In geringerm Maasse gilt dies von der Brusthöhle. Ich glaube mir hier ein Urtheil zutrauen zu dürfen, denn es sind nicht die oben mitgetheilten drei Fälle von Sectionen nach tödtlichen Schusswunden allein, die ich zu verrichten Gelegenheit gehabt, wie schon die Mittheilungen der zweiten Centurie beweisen werden; vielmehr hat mir das historische Jahr 1848 leider! so viel Erschossene auf den Secirtisch geliefert, dass wohl selten ein einzelner Arzt eine so reiche Ausbeute zu gewinnen, und einen so betrübenden Reichthum von Erfahrungen über Schusswunden am Leichnam zu sammeln in der Lage gewesen ist!
7. Die Strangmarke von Umschlingung der Nabelschnur
bei neugebornen Kindern ist am Leichnam nicht schwer von andern durch absichtliche und gewaltsame Strangulation erzeugten Strangulationsrinnen zu unterscheiden, was ungemein wichtig für die forensische Praxis ist. Sehr häufig kommt es bei den zweifelhaften Todesarten der Neugebornen vor, dass nach den Umständen des Falles eine solche verbrecherische Strangulation wahrscheinlich[S. 158] wird, während es sich später ergiebt, dass die Natur das Kind durch die Nabelschnur strangulirt hatte. Man wird dann aber in allen Fällen finden: eine breite, der Breite der Nabelschnur entsprechende, eine mehr oder weniger, d. h. ganz oder an mehreren einzelnen Stellen des Halses ächt sugillirte, und rund ausgehöhlte, rinnenförmige und überall ganz weiche Marke, nicht selten, da die Umschlingung gewöhnlich keine bloss einfache ist, eine doppelte, ja dreifache Marke von der beschriebenen Beschaffenheit. Die Strangulationsrinne aber von andern Strangwerkzeugen verhält sich wie die in allen Lebensaltern; sie zeigt mehr oder weniger Mumification, pergamentartige Beschaffenheit der Haut an grösseren oder kleineren Stellen ihres Verlaufs, selten wirklich sugillirte Flecke oder Stellen, und niemals die Tiefe jener Nabelschnurmarke. Bei dieser Gelegenheit will ich auf einen Irrthum aufmerksam machen, den ich nicht selten von Unerfahrenen, wie Zuhörern oder Examen-Candidaten u. s. w., habe begehen sehen, die etwas bei dem neugebornen Leichnam für eine Strangrinne halten, was keine ist. Man untersuche nämlich nur eine kleine Anzahl recht fetter und noch frischer Kindesleichen, zumal im Winter, so wird man sehen, dass dieser Irrthum wohl möglich ist, wenn man nämlich die Hautfurchen am Halse, die durch die Biegungen des Kopfs entstehen, und im erkalteten Fette stehen bleiben, und welche bei kurzem Halse noch deutlicher hervortreten, ohne weitere Berücksichtigung der übrigen Criterien einer Strangmarke, für eine solche hält. Die Berücksichtigung eben dieser Criterien aber, pergamentartige Härte der Haut, Sugillation, braungelbliche Färbung, Ungleichheit des Lumens der Rinne u. s. w. werden sehr bald das Richtige erkennen lassen.
betreffend
einen Fall von Vergiftung durch Schwefelsäure.
Verhandelt: Charlottenburg, den 13. December 18—.
In Sachen, betreffend die Ermittelung der Todesart des Hutmachermeisters Christian Ludwig Schmidt, verfügten sich heute die unterschriebenen Gerichtspersonen nach dem Obductionshause, Behufs der Obduction des Leichnams des Hutmachermeisters C. L. Schmidt.
Sie trafen daselbst an:
1) | (den Zeugen A.); |
2) | (den Zeugen B.) u. s. w. |
Es hatten sich inzwischen eingefunden:
3) | Der Geheime Medicinal-Rath Herr Dr. Casper; |
4) | Der Chir. for. Herr Lüdke. |
Denselben wurde der im Obductionshause befindliche Leichnam zur Besichtigung übergeben, und dieselben aufgefordert, dessen Beschaffenheit sowohl, als die an demselben befindlichen äusseren Verletzungen genau zu bemerken, und sodann die Obduction vorzunehmen.
Die Besichtigung sowohl, als die Obduction ergab folgendes Resultat:
I. Aeussere Besichtigung.
1) | Der männliche, etwa 30 Jahre alte, wohlgenährte, 4 Fuss 11 Zoll lange Körper hat reichliche, schwarzbraune Kopf- und Barthaare, blaue Augen, vollständige Zähne, hinter welchen die Zunge liegt. |
2) | Am Unterleibe zeigen sich grüne Verwesungsflecke. Der Rücken ist mit zahlreichen, durch Einschnitte nachgewiesenen Todtenflecken bedeckt. |
3) | Fremde Körper sind in den natürlichen Höhlen nicht zu bemerken. |
Der After steht offen. | |
3 a) | Am rechten Daumen zeigte sich nach Entfernung eines kunstgemäss angelegten Verbandes ein unerhebliches, in der Heilung begriffenes Nagelgeschwür. In der linken Ellenbogenbuge befinden sich zwei noch frische, kunstgemäss verbundene Aderlasswunden. |
4) | Die ganze Unterlippe, ebenso wie die Oberlippe, erscheint braunroth gefärbt und härtlich spröde, lässt sich auch mit dem Messer schwerer als gewöhnlich trennen. |
Von der Unterlippe ausgehend und sich diagonal von links nach rechts bis auf den Unterkieferrand erstreckend, befinden sich drei parallellaufende Streifen, genau von der eben beschriebenen Farbe und Beschaffenheit von 1⁄2 Zoll Länge und 3 Linien Breite. | |
5) | Das Gesicht erscheint fast ungewöhnlich bleich. |
6) | Ausser den geschilderten sind anderweitige Verletzungen und Abnormitäten nicht zu entdecken. |
II. Innere Besichtigung.
A. Eröffnung der Bauchhöhle.
7) | Nach kunstgemässer Entfernung der äusseren Bedeckungen ergaben sich drei Unzen eines blutigen Wassers in der Bauchhöhle. |
8) | Der Magen erscheint durchweg von kohlschwarzer Farbe. Die kurzen Gefässe erscheinen ungewöhnlich stark mit Blut gefüllt. |
Bei der anscheinend äusserst mürben Beschaffenheit der Magenhäute, die eine vorsichtige Behandlung erfordert, wird es vorgezogen, den Magen in der Bauchhöhle zu öffnen und seines Inhalts zu entleeren. | |
Die Mürbigkeit ist indessen so bedeutend, dass der Magen beim vorsichtigsten Anfassen wie feuchtes Löschpapier auseinanderging. Sein Inhalt, bestehend in 27 Unzen einer Kaffeesatz-ähnlichen Flüssigkeit, welche ätzend auf die Hände der Obducenten wirkte, wurde in ein Gefäss gefüllt. | |
Die ganze Schleimhautfläche des Magens ist gleichfalls durchweg schwarzgrau gefärbt. | |
9) | Das grosse Netz ist gleichfalls zum grössten Theile schwarz gefärbt. |
Am kleinen Netz ist nichts Bemerkenswerthes. | |
10) | Die Leber ist von normaler Farbe, Grösse und Consistenz. Auch ihr Blutgehalt ist der normale. |
Die Gallenblase ist natürlich beschaffen und mässig gefüllt. | |
11) | Die Bauchspeicheldrüse ist natürlich beschaffen. |
12) | An dem Zwölffingerdarme und dem obersten Theile des Dünndarmes ist gleichfalls eine grauliche, doch[S. 162] weniger markirte Färbung zu entdecken. Die dicken Därme sind natürlich beschaffen. |
13) | Bei der Oeffnung des soeben beschriebenen grauen Theiles des Dünndarmes zeigt sich seine Schleimhautfläche stark aufgewulstet, erhärtet, und gleichsam wie gekocht. |
Die dicken Gedärme sind leer. | |
14) | Die Milz ist von normaler Grösse und Consistenz. Ihr Blut hat eine deutliche kirschbraune Färbung. |
15) | Die Nieren sind normal beschaffen, und gleichfalls mit einem kirschbraunrothen Blute angefüllt. |
16) | Die Harnblase ist strotzend mit Urin gefüllt. |
17) | Das Gekröse ist normal. |
18) | Die grossen Blutaderstämme sind stark mit Blut gefüllt, welches genau besichtigt wird. Es hat eine Kirschsuppen-ähnliche Farbe, die Consistenz eines sehr dünnflüssigen Syrups, und finden sich coagula darin, die Härte eines nassen Thones zeigend. |
Sonst ist in der Unterleibshöhle Nichts zu bemerken. |
B. Eröffnung der Brusthöhle.
19) | Nach kunstgemässer Entfernung der äusseren Bedeckungen fanden sich die Lungen in Beziehung auf Farbe, Consistenz und Blutgehalt von vollkommen normaler Beschaffenheit. |
20) | Die grossen Blutaderstämme der Brust enthalten viel Blut von der vorhin beschriebenen Beschaffenheit, jedoch ohne die beschriebenen Gerinsel. |
21) | Das Herz, von normaler Grösse und ziemlich fettreich, hat in seinen Kranzadern gleichfalls viel Blut. In beiden seitlichen Hälften zeigt sich gleich viel, im[S. 163] Ganzen nur mässig dickflüssiges kirschrothes Blut ohne Gerinsel. |
22) | Die Speiseröhre bietet äusserlich nichts Bemerkenswerthes dar. Der ganze Theil wird herausgenommen, und zeigt sich seine gesammte Schleimhautfläche grauschwarz gefärbt. |
23) | Die Luftröhre zeigt sich auf ihrer inneren Fläche gräulichroth gefärbt, und enthält etwas zähen Schleim. |
24) | Die Zunge, welche bei dieser Gelegenheit genau besichtigt wird, erscheint ganz weiss, und ist ihre Schleimhaut stellenweise abgelöst. |
25) | Ein Einblick in die Mund- und Schlundhöhle zeigt, dass die ganze Schleimhaut dieser Partie grauschwarz gefärbt ist. |
C. Eröffnung des Kopfes.
26) | Nach kunstgemässer Entfernung der äusseren Bedeckungen zeigten sich die Schädelknochen ungewöhnlich stark, aber unverletzt. |
27) | An den Hirnhäuten findet sich etwas Ungewöhnliches nicht zu bemerken. |
28) | Die Venen der Gehirnoberfläche sind stark mit Blut gefüllt. |
Auf der Gehirnoberfläche zeigt sich eine Zweithaler-grosse leichte sulzige Ausschwitzung. | |
Die Substanz des Gehirns ist ziemlich fest, aber nur mässig blutreich. | |
29) | Sämmtliche Sinus sind stark mit Blut von der bereits beschriebenen Farbe gefüllt. |
30) | In den Hirnventrikeln, resp. Adergeflechten ist etwas Abnormes nicht zu entdecken. [S. 164] |
31) | Eben so wenig am kleinen Gehirn, der Brücke und dem verlängerten Marke. |
32) | Die Schädelgrundfläche ist normal beschaffen. Sonst ist im Kopfe Nichts zu bemerken. |
Die Obduction ist hiermit geschlossen.
Den Obducenten werden zwei Gefässe, mit dem Gerichtssiegel verschlossen, übergeben. In dem einen befindet sich der Mageninhalt des denatus mit der Aufschrift:
„Mageninhalt des Hutmachermeisters Christian Ludwig Schmidt.“
In dem anderen: Speiseröhre, Magen und Zwölffingerdarm, überschrieben:
„Hierin befindet sich die Speiseröhre, der Magen und der Zwölffingerdarm des Hutmachermeisters Christian Ludwig Schmidt.“
Das Resultat der chemischen Prüfung wird nachfolgen.
Obducenten gaben hierauf ihr Gutachten dahin ab:
1) | dass denatus am Brande der Speiseröhre und des Magens gestorben sei; |
2) | dass diese nothwendig tödtliche Krankheit durch den Genuss einer ätzenden Säure entstanden sei; |
3) | dass die drei Fragen des §. 169 der Criminal-Ordnung auf den Fall, da eine eigentliche Verletzung nicht vorliegt, keine Anwendung finden. |
Zur
Hutmacher Schmidt’schen
Obductions-Sache.
Einem Königl. etc. Stadtgericht zu Charlottenburg berichten wir im Nachfolgenden ergebenst über das Resultat der von uns angestellten chemischen Untersuchung in der nebenbezeichneten Obductions-Sache.
Behufs Untersuchung ihres Inhaltes waren dem mitunterzeichneten Physicus zwei Töpfe zugestellt worden, welche mit Papier überbunden und versiegelt waren. Der eine war bezeichnet:
„Hierin befindet sich der Mageninhalt des Hutmachermeisters Christian Ludwig Schmidt aus Charlottenburg.
Charlottenburg, den 13. December 18—.
Kolk. Böttcher.“
der andere:
„Hierin befindet sich die Speiseröhre, der Magen und der Zwölffingerdarm des Hutmachermeisters Christian Ludwig Schmidt aus Charlottenburg.
Charlottenburg, den 13. December 18—.
Kolk. Böttcher.“
Das Siegel war ein Gerichtssiegel.
Nachdem dies als unverletzt anerkannt war, wurden die Gefässe eröffnet, und der Inhalt beider Töpfe herausgenommen.
In dem erst benannten, welchen wir mit A. bezeichnen, war eine schwarzbraune, dicke, mit zusammengeballten Stücken gemischte Flüssigkeit. Auf ein Filtrum gebracht, schied sich nur eine geringe Menge einer klaren etwas gelbgefärbten Flüssigkeit ab, welche stark sauer gegen blaues Lacmuspapier reagirte, mit salpetersaurem Baryt einen nicht sehr bedeutenden, in verdünnter Salpetersäure unauflöslichen, und mit essigsaurem Bleioxyd gleichfalls einen solchen Niederschlag erzeugte.
Es wurde demnächst ein Theil der schwarzbraunen Flüssigkeit in eine porzellanene Schale gegossen, derselben eine Drachme Salpetersäure hinzugethan, während einer Viertelstunde damit gekocht, und dann filtrirt.
Die abfiltrirte Flüssigkeit war weingelb, klar und verhielt sich gegen Reagentien, wie folgt:
1) | Schwefelwasserstoffwasser erzeugte keinen Niederschlag weder in der sauren, noch in der neutralen Flüssigkeit, und wurde überhaupt nicht verändert. |
2) | Schwefelwasserstoff-Ammoniak wurde dunkelgrün gefärbt; nach dem Erwärmen setzte sich ein flockiger schwarzer Niederschlag ab. |
3) | Chlorbaryum und salpetersaurer Baryt gaben einen reichlichen, in überschüssiger Salpetersäure unauflöslichen Niederschlag. |
4) | Essigsaures Bleioxyd erzeugte einen bedeutenden Niederschlag, der in verdünnter Salpetersäure sich nicht auflöste. |
5) | Salpetersaures Silberoxyd erzeugte eine opalisirende Färbung, ein Niederschlag bildete sich nicht. |
6) | Schwefelsaures Kupferoxyd zu der neutralen Flüssigkeit hinzugesetzt blieb unverändert. Bei einem Ueberschuss von Ammoniak und durch Hinzugiessen[S. 167] von Alcohol bildete sich ein reichlicher blauer crystallinischer Niederschlag. |
7) | Kalkwasser wurde schwach getrübt. |
8) | Aetzerde und kohlensaure Alkalien veränderten die Flüssigkeit gar nicht. |
9) | Kaliumeisencyanür zu der neutralen Flüssigkeit hinzugesetzt, erzeugte einen hellblauen Niederschlag. |
Da durch diese Reagentien ad 3), 4) und 6) die Gegenwart der Schwefelsäure nachgewiesen war, so wurden die Substanzen, welche in dem anderen Topfe eingeschlossen waren, die wir mit B. bezeichnen, der Untersuchung unterworfen.
Der darunter befindliche Magen war kaum erkenntlich, indem die Wände desselben ganz schwarz, wie verkohlt waren; die Speiseröhre hatte das Ansehen, als ob dieselbe der Länge nach gefurcht sei.
Die sämmtlichen Substanzen wurden demnächst mit einem Messer zerschnitten, in eine porzellanene Schale gethan, mit destillirtem Wasser, dem eine halbe Unze verdünnter Salpetersäure hinzugesetzt war, übergossen und auf einer Spirituslampe eine Viertelstunde hindurch gekocht. Nach dem Kochen wurden die festen Theile mittelst eines Colatoriums von der Flüssigkeit getrennt, und letztere auf ein Filtrum gebracht. Die abfiltrirte klare weingelbe Flüssigkeit wurde, wie die in dem Topfe A. enthalten gewesene, mit den oben angegebenen Reagentien geprüft, welche sich gegen dieselbe eben so, wie bereits angeführt, verhielten, nur dass die Reaction ad 3), 4) und 6) noch bedeutendere Niederschläge erzeugten.
Um nunmehr die Ueberzeugung zu erhalten, ob die ermittelte Schwefelsäure im freien Zustande vorhanden sei, wurden vier Unzen der letzteren Flüssigkeit, welche[S. 168] im Ganzen 20 Unzen wog, in eine glühende Retorte gegossen, und einer Destillation bis zur Trockene unterworfen. Das übergegangene Destillat war gelblich gefärbt, reagirte gegen Lacmuspapier stark sauer, hatte einen scharfen, stechenden Geruch. Salpetersaurer Baryt und essigsaures Bleioxyd erzeugten einen bedeutenden, in verdünnter Salpetersäure unauflöslichen Niederschlag. Durch Schwefelwasserstoffwasser erzeugte sich ein milchichtweisser Niederschlag von ausgeschiedenem Schwefel.
Hierdurch war nun die Gegenwart der Schwefelsäure in ungebundenem Zustande nachgewiesen.
Um nun noch zu ermitteln, wie viel Schwefelsäure wohl in den untersuchten Substanzen enthalten sei, obgleich das Resultat keinen sicheren Anhaltspunkt über die wirklich verschluckte Säure gab, da ein Theil derselben durch Erbrechen, welches dem Tode vorangegangen war, entfernt worden ist, wurde zu 4 Unzen der Flüssigkeit, die 20 Unzen gewogen hatte, so lange Chlorbaryum hinzugegossen, als noch ein Niederschlag sich bildete. Dieser wurde auf einem Filtrum gesammelt, mit destillirtem Wasser, dem etwas Salpetersäure zugesetzt war, sorgfältig ausgewaschen, getrocknet, und dann in einem Platintiegel geglüht. Der hierdurch erhaltene schwefelsaure Baryt wog 36 Gran; es wären also aus den 20 Unzen 180 Gran gewonnen worden, welche gleich sind 77,26 Gran concentrirter Schwefelsäure.
Die Untersuchung hat also nachgewiesen, dass in den Substanzen 1 Drachme 17 1⁄4 Gran freier Schwefelsäure enthalten waren.
Berlin, den 29. December 18—.
Casper. C. F. Baerwald.
(Die beigesetzten Zahlen beziehen sich auf die Seiten.)
Anencephalus, Fall eines 103.
Aortenbogen, Stichwunde in denselben 12.
Arteria iliaca externa, tödtliche Verletzung derselben 21.
Arteria interossea, Verletzung derselben 37.
Atelectasis pulmonum, Würdigung ders. für die Athemprobe 100.
Athemprobe, über die Beweiskraft derselben 97. — Ihre negative Beweiskraft 100. 109.
Bajonettstichwunde, anscheinend lethale, hat gar keinen Antheil am Tode 33.
Belladonna, angebliche Vergiftung durch dieselbe 123.
Bewusstlosigkeit der Gebärenden 103.
Blut, seine Beschaffenheit nach Vergiftung durch Schwefelsäure 117. 118. 120. — Nach Verbrühung 148.
Blutflecke, Ermittelung derselben auf einem Messer 44.
Brandblasen, ob sich dieselben noch nach dem Tode erzeugen lassen? 143. — Versuche darüber 145.
Brustbein, penetrirende Stichwunde desselben 12.
Brustwirbel, Process. spinos. des ersten abgebrochen 25. Schusswunde in den dritten 28., in den achten 29.
Carotis, Stichwunde in dieselbe 14. 16. — Schnittwunde 20.
Chemischer Bericht, betreffend eine Schwefelsäure-Vergiftung 165.
Colon descendens, Stichwunde in dasselbe 31.
Condyli, beide des rechten Oberschenkels abgebrochen 37.
Darm, Dolchstichwunde in denselben 30.
Einblasen von Luft in die Lungen Todtgeborner, ein nichtiger Einwand gegen die Beweiskraft der Athemprobe 98.
Einsturz eines Hauses tödtet drei Menschen 77.
Ellenbogengelenks-Verletzung, tödtliche 36.
Emphysema pulmonum, s. Lungenemphysem.
Entbindung, schwere, Veranlassung zum Tode 133.
Entbindung, bei Bewusstlosigkeit 103.
Erdrosselung eines Neugebornen, ob im Leben oder nach dem Tode erfolgt? 104.
Erdrosselung, ob Selbsterdrosselung oder Mord? 79.
Erdrosselungstod, über denselben 76.
Erhängungstod, über denselben 86.
Erstickung, drei Fälle durch Einstürzen eines Hauses 77.
Erstickung, kleiner Kinder in den Betten der Mütter, fünf Fälle 83.
Erstickung, Tödtungen durch dieselbe 76.
Erstickung im Menschenkoth 91.
Erstickungstod, neues Zeichen desselben bei kleinen Kindern 84.
Erstickungstod, sein zuverlässigstes Kennzeichen 78. — die eingeklemmte Zunge kein characteristisches Kennzeichen 24. 78. 113. 120. 155.
Ertrinkungstod, sechs Fälle 87. — Kein einziges Zeichen constant 87.
Ertrinkungstod eines Neugebornen, zweifelhafter 110.
Ertrinken in Koth und Urin 91.
Extremitäten, Fälle von Verletzung ders. 10. 21. 36. 37. 38.
Fäulniss in den Lungen, frühes Eintreten ders. bei Neugebornen 113.
Fäulniss der Lungen, als Einwand gegen die Beweiskraft der Athemprobe 99.
Fäulniss, s. Verwesung.
Feuertod, Fall desselben 149.
Foramen ovale, bei zwei zweimonatlichen Kindern noch offen 85.
Fragen, die drei des §. 169 der Preussischen Criminalordnung, s. Lethalitätslehre.
Fusstritte, forensisch gewürdigt 64. 66.
Gänsehaut, als Zeichen des Ertrinkungstodes 89.
Gebären in Bewusstlosigkeit 103.
Gebärmutter, die, verwest am spätesten unter allen Weichtheilen 156.
Gebärmutter, Form ders. im dritten Monate der Schwangerschaft in der Leiche 149.
Geburt, Sturz des Kindkopfs bei beschleunigter 101.
Geburt, schwere, tödtet das Kind 112.
Gehirneiterung nach Kopfverletzung 48. 52. 53.
Gehirnhämorrhagie nach Misshandlungen 74.
Gewicht des Neugebornen, als Zeichen der Reife 97.
Halsschnittwunden 14. 16. 17. 20.
Harnblase, leere bei einem Todtgebornen 111.
Herz, durch Verletzung ganz abgerissen 24.
Herzbeutel, Verletzung desselben 23. 25.
Herzwunde, tödtliche 24.
Homöopathie, als angeschuldigte Veranlassung zum Tode 130.
Hydrostatische Lungenprobe s. Schwimmprobe.
Immunität mancher Organe gegen Verletzungen 7.
Institut für den practischen Unterricht in der Staatsarzneikunde 1.
Jugularvenen durchschnitten 16. 17. 20.
Kindermord, ein zweifelhafter Fall durch Erdrosselung 104.
Kindermord, durch Stichwunden 14.
Kopfverletzung, tödtliche (mit Trepanation) 46. (ohne Trepanation) 11. 48. desgl. 52. desgl. 53. desgl. 56. desgl. 58. 60.
Kugeln, im Leichnam oft schwer zu finden 156.
Kunstfehler der Medicinal-Personen, über die Beurtheilung ders. 127. 129.
Leber, Schusswunde derselben 28.
Leber, Messerstichwunde derselben 30.
Leber, Riss derselben 9. 10. 26. 61.
Lethalitätslehre, Absurdität derselben 35. 47. 50.
Luftröhre, verfärbt sich schon früh bei eintretender Verwesung 89.
Luftröhre, Durchschneidung derselben 17.
Lungen der Neugebornen, zwei Fälle von selten früher Verwesung 113.
Lungenabscess in Folge einer Lungenstichwunde 54.
Lungenemphysem, ein nichtiger Einwand gegen die Athemprobe 98.
Lungenentzündung, bei Neugebornen 101. 103.
Lungenfäulniss, frühes Eintreten ders. bei Neugebornen 113.
Lungenfäulniss, in Beziehung zur Athemprobe 99.
Lungenprobe, s. Athemprobe und Schwimmprobe.
Lungenwunden, tödtliche, 23. 28. 54.
Lungen, Riss in gesunde 25.
Maass, des Neugebornen, als Zeichen der Reife 97.
Magen, Stichwunde in denselben 30.
Meconsäure, ihre chemische Ermittelung 126.
Messerklinge, auf Blutflecke untersucht 44.
Milz, Schusswunde derselben 26.
Missgeburt, gerichtliche Obduction 103.
Misshandlungen, neun Fälle von tödtlichen 60.
Mord, durch Messerstiche 12. 23. 24. 30.
Mord, durch einen Pfriem 24.
Mord, durch Schusswunde 28.
Mord, durch Dolchstich 31.
Mord, durch einen Hammer 56.
Mord, durch ein Beil 58.
Mord, durch Erdrosselung 79.
Mord, durch Verbrennung 136.
Mord, durch Vergiftung 116.
Morphium, seine chemische Ermittelung 125.
Nabelschnur, umschlungene, macht eine eigenthümliche Strangmarke 157.
Nabelschnur, nach ihren Rändern wurde der Mord vom Todtschlag unterschieden 15.
Neugeborne, zweifelhaftes Leben derselben nach der Geburt, einundzwanzig Fälle 96.
Neugeborne, Maass und Gewicht als Zeichen der Reife 97.
Nieren, Blutüberfüllung derselben als Zeichen des Erstickungstodes 78. 81.
Obduction, über die Etymologie des Wortes 3
Obductions-Protocoll, vollständiges 159.
Oberarmarterie, tödtliche Verletzung derselben 38.
Oberschenkelbruch, eigenthümlicher und tödtlicher 37.
Opium, Fall von angeblicher Vergiftung durch dasselbe mit chemischer Analyse 124.
Pfuscherei, fünf Fälle mit angeblich tödtlicher Wirkung 126.
Reife der Neugebornen, leichter durch deren Länge als durch deren Gewicht zu erkennen 97.
Rippenbrüche, ohne äussere Spuren am Leichnam 75.
Rostflecke von Blutflecken zu unterscheiden 44.
Rupturen innerer Organe 9. 10. 24. 26. 61.
Ruthenstreiche, wie sie an der Leiche zu erkennen 73.
Rückenmark, Zerschneidung desselben mit einem Tischmesser 14. — Schusswunde in dasselbe 28.
S. romanum, Stichwunde in dasselbe 31.
Schlagfluss, durch Ueberfahren 12, angeblich nach Misshandlungen 72.
Schnittwunden, s. Halsschnittwunden.
Schusswunden, tödtliche, drei Fälle 26.
Schusswunden, s. Kugeln.
Schwangere, Section einer 149.
Schwangerschaft, noch bei ganz verwesten weiblichen Leichnamen zu ermitteln 93.
Schwefelsäure, Vergiftungen durch dieselbe 116. 117. 118.
Schwefelsäure, chemischer Bericht darüber 165.
Schwimmprobe, Fall einer merkwürdigen 100.
Schwimmprobe, sinkende Lungen bei einem achttägigen Kinde 101., bei zwei ganz verwesten Neugebornen 109.
Schwimmprobe, s. Athemprobe.
Selbstmord, zweifelhafter 17. 79. 86. 94.
Selbstmord, durch Halsschnittwunden 16. 17. 20.
Selbstmord, durch Schuss und Ertränken 26.
Selbstmord, durch Erhängen 86.
Selbstmord, durch Ertrinken 94.
Selbstmord, durch Schwefelsäure 117. 119.
Speiseröhre, Durchschneidung derselben 17.
Sprengung, tödtliche, von innern Blutgefässen 33.
Stichwunden, tödtliche 12. 14. 16. 21. 23. 29. 30.
Strangmarke, Würdigung derselben 107., von Umschlingung der Nabelschnur 157.
Strangmarke, die Pseudo-Strangulationsrinne am Halse fetter Leichname von Neugebornen 158.
Sturz des neugebornen Kindkopfs auf den Boden, 101.
Sugillationen, petechienartige der Pleura, Aorta oder des Herzens, bei kleinen Kindern, Zeichen des Erstickungstodes 84.
Sugillationen, fehlen bei den erheblichsten innern Verletzungen 152.
Thymusdrüse, bei einem Knaben von funfzehn Jahren 11.
Todtschlag, durch Messerstich 16. 21. 23. 30. 48. 54.
Todtschlag, durch Schusswunde 28.
Todtschlag, durch Säbelhieb 30.
Todtschlag, durch einen Hammer 46.
Todtschlag, durch einen Stock 52.
Todtschlag, durch eine Flasche 53.
Todtschlag, durch Misshandlungen 61. 64. 74.
Trepanation, Fall von 46.
Ueberfahren, Tödtung dadurch, acht Fälle 8.
Umschlingung der Nabelschnur, ihre Strangmarke 157.
Unterbindungen grosser Gefässe in Beziehung auf die Lethalitätsfrage 22.
Unterleibsentzündung, angeblich nach Misshandlungen, forensisch beurtheilt 64.
Unterschenkel, tödtlicher Bruch dess. 10.
Verblutungstod, ist im Gehirn nicht zu erkennen 154.
Verbrennungen, vier Fälle von tödtlichen 135.
Verbrennung, wie sie auf den Leichnam wirkt 143.
Verbrennung, ob diese oder Kopfverletzung den Tod bewirkt? Fall davon 136
Verbrennung, durch brennende Kleidungsstücke 148. 149.
Verbrennung und Röstung, am Ofen 149.
Verbrühung, tödtliche, im heissen Bade 147.
Vergiftungen, nach welchen Grundsätzen zu beurtheilen 115.
Vergiftungen, acht Fälle derselben 114.
Vergiftung, angebliche durch Opium 124.
Vergiftung, angebliche durch Belladonna 123.
Vergiftung, durch Schwefelsäure 116. 117. 118.
Verletzung, eine anscheinend tödtliche, existirte aber gar nicht 31.
Verletzungen, wichtige innere, ohne äussere Spuren am Leichnam 9. 13. 25. 63. 75. 152. (S. die einzelnen Organe.)
Verletzungen, dem Lebenden und dem Leichnam zugefügt, oft schwer zu unterscheiden 14. 150.
Verletzungen, des Herzens und der grossen Gefässe, elf Fälle 12.
Verwesung, Haupthinderniss zur Diagnose des Ertrinkungstodes 88.
Volvulus, für Vergiftung gehalten 122.
Wasser, in den Lungen und im Magen bei Ertrunkenen, kann täuschen 90.
Wirbelbeine, Verletzungen ders. 25. 28. 29.
Wunden, am Lebenden, wann nicht von denen am Todten zu unterscheiden? 14. 150.
Zermalmung, eines Neugebornen 112.
Zitzenfortsatz, Bruch desselben 11.
Zwerchfell, Schusswunde desselben 26., Stichwunde in dasselbe 24. 30.
Zunge, eingeklemmte, kein characteristisches Kennzeichen bei Erstickten 24. 78. 113. 120. 155.
Gedruckt bei Julius Sittenfeld in Berlin.
[1] Nach dem Erscheinen der ersten Auflage dieser Schrift erhielt ich von einem ausgezeichneten Gelehrten folgende Mittheilung: „In Bezug auf das allerdings auffallende Wort: Obduction bemerke ich, dass nach Heyse’s Fremdwörterbuch (S. 513 der 9. Aufl.) obducere schon im Altlateinischen für aufdecken, öffnen, gebraucht wird. Herr Heyse führt die Beweisstellen für seine Behauptung nicht an; indessen erklärt Nonius Marcellus de compendiosa doctrina per litteras ad filium Cap. IV. (pag. 246 in der Ausgabe von Gerlach und Roth) obducere durch aperire, indem er sich auf Lucilius XXIX. vos interea lumen adferte atque aulaea obducite beruft. Hiernach würde, falls der Sinn der Stelle des Lucilius richtig aufgefasst ist, die Bedeutung, welche in der gerichtlichen Medicin mit dem Worte obductio verbunden wird, nicht weiter auffallend sein. Die Sache scheint mir aber noch einer genauern Untersuchung zu bedürfen.“ Mein berühmter College an der Universität, Prof. Boeckh, meint dagegen, sich auf eine Stelle des Plautus stützend, dass obducere wahrscheinlich ursprünglich nur für „vorführen, herbeibringen“ (des Leichnams) gebraucht worden sei.
[2] in meiner Wochenschrift f. d. ges. Heilk. 1843 S. 393 ff.
[3] Bekanntlich ist, seitdem das Obige geschrieben worden, das neue Strafgesetzbuch für die Preussischen Staaten erschienen, und mit dem 1. Juli 1851 im ganzen Umfange der Monarchie in Kraft getreten. In wie fern dasselbe Modificationen im Obductionsverfahren bedingt hat, werde ich im „zweiten Hundert“ der Leichenöffnungen ausführlicher besprechen.
[8] S. meine Wochenschr. f. d. ges. Heilk. 1842. S. 1 u. f.
[13] Bekanntlich kennt das neue Strafgesetzbuch keine Lethalitätsgrade mehr. Ich komme im zweiten Hundert ausführlicher hierauf zurück.
[14] S. meine Versuche und Beobachtungen über den Erhängungstod in meinen „Denkwürdigkeiten aus der medic. Statistik und Staatsarzneikunde“ Berlin, 1846 S. 81 u. f.
[15] Das neue Strafgesetzbuch kennt dies Vergehen nicht mehr. Die Staatsanwaltschaft würde aber, wie ich wenigstens vermuthe, Fälle, wie die obigen, dennoch nicht fallen lassen, und sie wahrscheinlich unter die Tödtungen durch Fahrlässigkeit, wie sie §. 184 des Strafgesetzes vorsieht, subsumiren.
[16] Im unverzüglich erscheinenden zweiten Hundert meiner „gerichtlichen Leichenöffnungen“ komme ich ausführlicher auf den Ertrinkungstod zurück.
[17] Das neue Strafgesetzbuch kennt keine Missgeburten mehr, d. h. also, es macht keinen Unterschied zwischen normalen und missbildeten Leibesfrüchten.
[18] Verheimlichte Schwangerschaft und Geburt sind nach dem neuen Strafgesetzbuch nicht mehr verpönt, vielmehr nur — abgesehen von der Kindestödtung und Fruchtabtreibung (§§. 180–182) — das heimliche Beerdigen oder Beseitigen des Leichnams des unehelichen Neugebornen Seitens der Mutter (§. 186).
[19] S. unten Corollarien Nr. 4.
[20] Die neuen Bestimmungen finden sich im §. 197.
[21] Ich lege Werth auf diese Bemerkung, die ja auf Tausenden von Thatsachen beruht, gleichsam unabsichtlichen Experimenten zur Entscheidung der Frage vom möglichen Entstehen der Brandblasen nach dem Tode, Experimente, die aller Orten täglich Behufs der Rettungsversuche, oder um sich vom sicheren Tode zu überzeugen, mit vermeintlichen oder wirklichen Leichen gemacht werden. Ich halte deshalb den Zusatz nicht für überflüssig, dass ich auch seit der Zeit, als obige Worte für die erste Auflage dieser Schrift niedergeschrieben worden, und bei den vielen Leichen, die ich nach dieser Zeit unter Händen gehabt, auch wiederum nicht in einem einzigen Falle eine Spur von Brandblasenbildung gesehen habe.
[22] Für jüngere Aerzte: v. g. u. der herkömmliche Abschluss jedes Protocolls, d. h. vorgelesen, genehmigt, unterschrieben.
[23] d. h. actum ut supra. Das Protocoll ist an demselben Tage geschlossen, an welchem es angefangen ward.
Anmerkungen zur Transkription:
Der vorliegende Text wurde anhand der 1853 erschienenen dritten Auflage möglichst originalgetreu wiedergegeben. Lücken im Drucksatz sowie einzelne fehlende Satzzeichen wurden sinngemäß ergänzt. Typische Verwechslungen bei den Buchstaben b/h, b/d, n/u, usw. wurden stillschweigend korrigiert. Inkonsistenzen (z.B. „Quaksalber“/„Quacksalber“) wurden dagegen beibehalten.
Im Original werden einige Passagen gesperrt dargestellt; dies wird in der vorliegenden Version durch Fettdruck repräsentiert.
Alte oder regionale Ausdrücke (z.B. „versticken“, „ergraben“, „funfzehn“) wurden unverändert übernommen. Die folgenden typographischen Fehler wurden korrigiert:
# S. 32: „constirt“ → „constatirt“
# S. 73: „man sieht“ → „sieht man“
# S. 99: „deulich“ → „deutlich“
# S. 107: „Dass kein einziges“ → „Dass kein einziges“
# S. 121: „gallerartige“ → „gallertartige“
# S. 146: „Magengrübe“ → „Magengrube“
# S. 168: „Anhaltpunkt“ → „Anhaltspunkt“
# Fußnote 1: „Boekh“ → „Boeckh“ (wahrscheinlich der
Philologe August Boeckh)