Title: Sagenbuch des Erzgebirges
Author: Johann August Ernst Köhler
Release date: October 16, 2016 [eBook #53292]
Language: German
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von
Dr. Joh. Aug. Ernst Köhler,
erstem Oberlehrer am Königlichen Seminare in Schneeberg, Vorsitzendem im Gesamtvorstande des Erzgebirgsvereins, Ehrenmitgliede der oberlaus. Gesellschaft der Wissenschaften in Görlitz sowie des vogtländ. altertumsforschenden Vereins in Hohenleuben, Mitgliede des Altertumsvereins zu Freiberg, Ehren- und korrespondierendem Mitgliede mehrerer naturwissenschaftlichen Gesellschaften u. s. w.
Schneeberg und Schwarzenberg.
Verlag und Druck von Carl Moritz Gärtner.
1886.
In einer Zeit, da sich die Teilnahme weiterer Kreise dem Erzgebirge, seiner Natur und dem auf demselben pulsierenden Volksleben zugewandt hat, verdienten gleich den Sitten und Gebräuchen und den schlichten Volksliedern auch die Sagen gesammelt und zu einem Ganzen vereinigt zu werden. Besitzen doch andere deutsche Gebirge schon längst ihre Sagensammlungen. Zwar haben bereits in den Jahren 1822 und 1824 Dietrich und Textor zwei Bändchen erzgebirgischer Sagen herausgegeben; niemand aber, der diese 22 Nummern starke Sammlung kennt, wird behaupten wollen, daß uns in derselben ein wirkliches Sagenbuch des Gebirgs geschenkt wurde. Einem solchen haben in anerkennenswerter Weise Gräße und Ziehnert durch ihre sächsischen, Grohmann, Bernau, Wenisch und andere durch ihre böhmischen Sagen vorgearbeitet, und ebenso bieten Chroniken und die periodische Litteratur viel zerstreutes Material, das mit den immer spärlicher werdenden mündlichen Überlieferungen zu einem erzgebirgischen Sagenbuche vereinigt werden mußte.
Das Erzgebirge ist ein völlig abgeschlossenes Ganzes, dessen südliche Grenze von den Teplitzer und Komotauer Kohlenmulden und dem Egerthale bis Mariakulm gebildet wird. Dabei haben wir das sogenannte »Elstergebirge«, welches geologisch jedoch keine Selbständigkeit beanspruchen kann, sondern als nordöstlicher Ausläufer des Fichtelgebirgs zu betrachten ist und dasselbe unmerklich mit dem Erzgebirge verbindet, von letzterem abgetrennt. Der quellenreiche Abhang des Schönecker Schieferplateaus mit seinen tief eingeschnittenen Thälern und steilen Abhängen trägt jedoch so unverkennbar den erzgebirgischen Charakter an sich, daß wir dasselbe auch in unser Sagengebiet mit eingeschlossen haben. In Böhmen würde der gegen Schönbach gekehrte Abfall und der Leibitschkamm mit den Mariakulmer Bergen die westliche Grenze bilden. Von dem Schönecker Plateau ist dieselbe dann weiter über Falkenstein und Auerbach ins Göltzschthal und von dort an der Westgrenze der Kirchberger Granitinsel über Irfers- und Hauptmannsgrün bis in die Gegend von Neumark und an der Pleiße abwärts nach Frankenhausen bei Crimmitschau zu ziehen. Da das erzgebirgische Becken in vorliegender Sagensammlung ebenfalls berücksichtigt worden ist, so verläuft[iv] die Nordgrenze des Gebiets nordöstlich von Crimmitschau über Glauchau, Hohenstein-Ernstthal, Oberrabenstein, etwas nördlich an Chemnitz vorüber nach Frankenberg, Hainichen und Siebenlehn nach Nossen. Die Ostgrenze zieht sich von Nossen über Tharand, den Wilisch nach Gottleuba und von da bis nahe an die Tyssaer Wände, westlich vom hohen Schneeberge fort. Obschon diese östliche Grenze gewöhnlich von Nossen aus über Grillenburg nach Dorfhain und Seifersdorf südlich von Tharand und Rabenau gezogen wird, so glaubte der Verfasser doch beide letztgenannten Orte mit einschließen zu müssen, da der bis an die Weißeritz sich fortsetzende Tharander Wald nur als ein letzter Ausläufer des Erzgebirges anzusehen ist.
Im Jahre 805 zog ein Teil des Heeres bei dem Feldzuge, welchen König Karl, Kaiser Karls des Großen Sohn unternahm, über »Fergunna«, d. h. das Waldgebirge, worunter jedenfalls das Erzgebirge als ein Glied des Ptolemäischen Sudetengebirges, verstanden werden muß. Unser vaterländisches Gebirge war zu jener Zeit noch unbewohnt und dunkler Nadelwald bedeckte dasselbe. Im 10. und 11. Jahrhunderte tritt daher der Name »Miriquidi«, d. h. Schwarzwald, für dasselbe auf, welcher jedoch auch den Colditzer Wald, nicht aber das östliche Erzgebirge umfaßte. In den darauf folgenden Jahrhunderten finden wir des Erzgebirges nicht besonders gedacht, denn der Anbau schritt auf demselben nur sehr sparsam fort. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts aber begegnet man neben den Bezeichnungen »böhmisches Gebirge« und »böhmischer Wald« vereinzelt bei Petrus Albinus auch dem Namen »Erzgebirge«, womit jedoch nicht das ganze Gebirge, sondern nur die Gegenden bezeichnet wurden, in denen Bergbau getrieben ward. Selbst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts war die letztere Bezeichnung noch nicht recht eingebürgert, obschon wir jetzt bereits dem Ausdrucke »erzgebirgischer Kreis« begegnen.
Aus dem »Waldgebirge« war im Laufe der Jahrhunderte ein »Erzgebirge« geworden; ehe aber dieser Name allgemeinen Eingang in der geographischen Litteratur gefunden hatte, waren schon längst die ersten Gruben zur Erzgewinnung im Betriebe. Wenn auch die slavischen Bewohner an dem Fuße des Gebirges in den Sudpanien Daleminzi und Chutizi, welche letztere sich selbst in die Thäler des alten Miriquidi hinaufzog, vorherrschend Ackerbau trieben, so haben sie doch als nicht ungeschickte Metallbearbeiter jedenfalls auch Erze gesucht. Der älteste erzgebirgische Bergbau bezog sich vielleicht nur auf die Gewinnung von Zinn-, Kupfer- und Eisenerzen, und erst später trat der Silberbergbau hinzu. Letzterer veranlaßte die Gründung Freibergs in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Damals kamen unter ihrem[v] Vogte Hermann von Gowische Harzer Bergleute, und fortgesetzt hat dann der Zuzug in unser Gebirge, auch aus der bayrischen Oberpfalz, dem Fichtelgebirge und Bezirke von Eger fortgedauert. Schon um das Jahr 1000 hatten Einwanderungen Deutscher in die oben genannten slavischen Gaue stattgefunden und es wurden damals Orte, wie Sachsenfeld, Sachsengrün, Frankenstein, Frankenberg, Frankenhausen u. s. w. gegründet, welche in ihren Namen noch die Erinnerung an diese ersten deutschen Ansiedler erhalten haben. Ebenso weist die Übereinstimmung von Ortsnamen in der Eibenstocker Gegend mit solchen im egerschen Bezirke und in Bayern oder im Harze auf frühere Einwanderungen hin. Vermutlich wurde z. B. auch gegen das Ende des 15. Jahrhunderts das Dorf Bermsgrün von Blechschmieden aus dem Fichtelgebirge, welche das damals entstandene Hammerwerk Erla hinzog, angelegt; soll doch vor ungefähr 40 bis 50 Jahren der dortige Dialekt noch manche Ähnlichkeit mit dem im bayrischen Fichtelgebirge gesprochenen gehabt haben, ebenso wie der Chronist von Bockau, M. Georg Körner, in der Mitte des vorigen Jahrhunderts auf eine Verwandtschaft der Mundart in der Eibenstocker Gegend mit derjenigen bei Eger hinweist. Durch die Gründung der Bergstädte seit Ende des 14. (1395 Geyer), hauptsächlich jedoch im 15. (Altenberg, Schneeberg, Annaberg) und vielleicht auch im 16. Jahrhunderte (Hohenstein, Marienberg) wurden viele Familien von auswärts zur Niederlassung in unserm Gebirge veranlaßt; einzelne derselben gründeten selbst neue Orte, wie Blauenthal, welches seinen Namen der Nürnberger Familie Blaue verdankt, deren Glieder durch die Zwitterzechen in die dortige Gegend gezogen wurden.
Bei Beachtung dieser allmählichen Besiedelung des Erzgebirges darf man sich nicht wundern, wenn unsere Volkssagen vielfach an solche des Fichtelgebirges und Harzes oder Thüringens erinnern, da es sehr wahrscheinlich ist, daß Berg- und Hüttenleute dieselben aus ihrer alten Heimat mitbrachten und mit Plätzen ihrer neuen Heimat verknüpften, wie ja auch Berge, Bäche und neugegründete Orte mit Namen belegt wurden, welche das Andenken an die heimatlichen Fluren erhalten sollten.
Das Gesagte gilt in erster Linie von den Spuk- und Gespenster- sowie Dämonen- und Schatzsagen. Auffällig könnte dabei erscheinen, daß die Sagen von der während der Weihnachtszeit umherziehenden Frau Holle oder Perchtha, welche im Vogtlande und Thüringen, im nördlichen Franken über die Rhön hinaus, in der Wetterau bis zum Westerwalde und im Egerlande heimisch sind, im Erzgebirge gänzlich fehlen. Mutmaßlich sind dieselben aber hier wieder verloren gegangen, da für ihr einstmaliges Vorhandensein manche abergläubischen Meinungen und Gebräuche sprechen. Dr. M. Spieß teilt z. B. mit, daß man nach[vi] dem Volksglauben im sächs. Obererzgebirge während der Zwölfnächte nicht klöppeln dürfe, weil die Klöpplerinnen ihre Spitzen beschmutzen würden, daß man die Reste von Speisen in der Christnacht auf dem Tische stehen, oder wenigstens das in ein Tischtuch eingeschlagene Brot daselbst liegen lasse, und daß man die Tenne in der Scheune sorgfältig reinige, weil die Abgeschiedenen (die Götter) um Mitternacht dort tanzen sollen u. s. w. (Sitten und Gebräuche des sächs. Obererzgebirges, 1862. S. 7–9.)
Neben den jedenfalls aus andern deutschen Landschaften in unser Gebirge eingewanderten Sagen entstanden in demselben auch neue und ihm eigenartige. Schlummert doch die Phantasie nirgends und zu keiner Zeit, und so läßt sich die Sagenbildung selbst bis in die Gegenwart verfolgen. Ein Beispiel möge dies beweisen. Als vor einigen Jahren die seit Jahrhunderten verlassen gewesenen Baue des St. Georg zu Schneeberg wieder aufgeschlossen wurden, fand man in den Erd- und Gesteinsmassen neben zahlreichen Werkzeugen auch ein kleines gußeisernes Männchen. Dasselbe stellt eine harlekinartige Figur vor, welche vielleicht ein Musikinstrument in den Händen hielt und wahrscheinlich von einem der Trinkgefäße abbrach, die 1477 auf den bekannten Silbertisch Herzog Albrechts gestellt wurden. Als man bald nachher im St. Georg auch reiche Silbererze fand, da erzählten die Bergleute, das Männchen habe so gelegen, daß es mit seinem ausgestreckten linken Arme dorthin gezeigt habe, wo man diese Erze suchen müsse. Der den Bau leitende Beamte habe dieses Zeichen wohl verstanden. Wenn man nun weiß, daß der betreffende Beamte die kleine Figur gar nicht gefunden hatte, sondern daß man ihm dieselbe erst einige Tage später übergab, so wird man zugestehen müssen, daß hier die dichtende Phantasie der Bergknappen etwas schuf, was sich vielleicht nach Jahrzehnten den älteren Volkssagen von wunderbaren Anzeichen auf verborgene Schätze ebenbürtig an die Seite stellen dürfte.
Wie hier die Phantasie sich einer historischen Thatsache bemächtigt hat, so thut sie dies auch in anderen Fällen, sie dichtet zu eigentümlich klingenden Namen wunderbare Sagen und so werden einzelne Felsen, Höhlen, Berge und die Reste alter Schlösser durch den poetischen Sinn der Bewohner gleichsam verschönt.
Jeder Erzgebirger, der seine Heimat lieb hat, sollte sich daher auch ihrer Sagen freuen und diejenigen, welche noch aus der Kinderzeit in seine alten Tage hinüberklingen, treu bewahren.
Die vorliegende Sagensammlung will ihm dabei zu Hülfe kommen und ihn mit dem Schatze dessen, was unser Volk gedichtet hat, bekannt machen, halb Vergessenes wieder auffrischen und ihm zeigen, daß in[vii] manchem, worüber er vielleicht gelächelt und was er nur als der kindlichen Einfalt zusagend angesehen hat, oft ein tiefer Sinn ruht.
In den Volkssagen, wie
Es gab eine Zeit, und sie ist vielleicht nicht völlig vorüber, da glaubte man die einfachen Stoffe, wie solche im Munde des Volkes lebten und noch leben, durch Zuthaten ausschmücken zu müssen. In diesen Fehler sind z. B. die bereits genannten Sammler Dietrich und Textor verfallen, in deren Erzählungen es vielfach schwierig ist, den eigentlichen Kern aus der novellistischen Umhüllung herauszuschälen; auch die in metrischer Form wiedergegebenen Sagen Ziehnerts haben gerade dadurch ihren Duft verloren. Der Herausgeber der vorliegenden Sammlung vermied aber möglichst jede der ursprünglichen Überlieferung fremde Ausschmückung, selbst auf die Gefahr hin, daß er damit dem verbildeten Geschmacke manches Lesers keinen Gefallen erwies. Er beherzigte vielmehr die Worte, welche die Brüder Grimm ihren »Deutschen Sagen« voranschicken und die kurz und bündig aussprechen, was von einer Sagensammlung verlangt wird. Sie lauten: »Das erste, was wir bei Sammlung von Sagen nicht aus den Augen gelassen haben, ist Treue und Wahrheit. Die ungenügsamen Gebildeten haben nicht bloß die wirkliche Geschichte, sondern auch das gleich unverletzliche Gut der Sage mit Unwahrheiten zu vermengen, zu überfüllen und überbieten getrachtet. Wir haben arme Sagen nicht reich machen mögen, weder aus einer Zusammenfügung mehrerer kleinen, wobei zur Not der Stoff geblieben, Zuschnitt und Färbung aber verloren gegangen wäre, noch gar durch unerlaubte, fremde Zuthaten, die mit nichts zu beschönigen sind.« Schlicht und einfach erzählt das Volk und in gleicher Form müssen auch seine Sagen der möglichen Vergessenheit entrissen werden. Daß mich bei der vorliegenden Sammlung einzelne meiner Schüler unterstützten, welche in dem Elternhause manche Sage hörten, die mir vielleicht entgangen wäre, habe ich mit Dank anzuerkennen, und ebenso gebührt allen andern, welche mir in gleicher Weise behülflich waren, mein verbindlichster Dank, auch wenn ihre Namen, die mir nach der Aufzeichnung der mündlichen Mitteilungen nicht mehr in der Erinnerung geblieben waren, hie und da fehlen sollten.
Das Sagenbuch des Erzgebirge berücksichtigt, wie sich ja schon aus der vorangeschickten Umgrenzung des Gebietes ergiebt, neben dem sächsischen auch den böhmischen Teil des Gebirgs. War doch das Volksleben in den früheren Jahrhunderten, denen wohl die meisten[viii] Sagenstoffe entstammen, auf beiden Seiten ein im wesentlichen gleiches und haben ja auch die politischen Grenzen mehrfach sich verändert, so daß Bezirke, die früher zu Böhmen gehörten, jetzt sächsisch sind, und umgekehrt. Ich stellte mich hier auf denselben Standpunkt wie andere Sagensammler, die allgemein thüringsche oder lausitzsche Sagen u. s. w. veröffentlichten.
Den einzelnen Abteilungen des Sagenbuches sind einleitende Worte vorausgeschickt und vielen einzelnen Sagen Bemerkungen beigefügt worden, in denen für diejenigen, welche sich mit spezieller Sagenforschung nicht befaßt haben, einerseits auf die mythologische Bedeutung vieler Sagen oder auf verwandte Überlieferungen in andern deutschen Gebieten hingewiesen, in denen aber auch auf einzelne historische Thatsachen aufmerksam gemacht wird, um die betreffenden Sagen als das hinzunehmen, was sie sind: Erzeugnisse der Phantasie und Poesie, welche sich nur an historische und zum Teil wieder vergessene Ereignisse anlehnen. Der Fachgelehrte bedarf selbstverständlich der Anmerkungen nicht.
Da es schwer ist, in allen Fällen die Sage von der wirklichen Geschichte zu trennen, so sind auch einzelne Stoffe aufgenommen worden, welche als bloße chronikalische Nachrichten aufgefaßt werden können, obschon ihnen ein, wenn auch nur schwacher Schimmer des dichtenden Volksgeistes anhaftet. Dies gilt besonders von den sogenannten Ortssagen, von denen einige vielleicht auch einen Platz in einem andern Abschnitte hätten finden können. So dürfte z. B. No. 329, welche Sage freilich, was hier gleich bemerkt sein mag, durch ein Versehen mit eingereiht wurde, da dieselbe streng genommen nicht mehr in das am Eingange abgegrenzte Gebiet gehört, unter den Göttersagen an keinem unrechten Platze sein. Über solche Einzelheiten und ebenso über die Gruppierung der Sagenstoffe können ja die Meinungen aneinander gehen.
Möge nun das Buch recht viele Freunde finden und möge es, wie bereits ein Rezensent aussprach, dazu beitragen, »daß die Freude an Herkommen und Vergangenheit uns wieder wie unsern Altvorderen zu eigen werde, damit wir selbst wieder mit unserer Scholle verwachsen und in unserer Heimat heimisch werden, wie es von jeher deutsche Art und Sitte war.«
Schneeberg, den 16. Juni 1886.
Dr. Köhler.
I. Göttersagen. | |
Vorbemerkungen. | |
1. | Das Bild des Wendengottes Triglas in Zwickau. |
2. | Der Slavengott Ladon. |
3. | Ursprung des Namens Crottendorf. |
4. | Der Crodensee in Eibenstock. |
5. | Der Götze Crodo bei Meerane. |
6. | Das Herdabild bei Zwickau. |
7. | Der heilige Hain bei Freiberg. |
8. | Der heilige Hain in Weißbach. |
9. | Das Hahnthor und der Hahnteich bei Frauenstein. |
10. | Der Taufstein bei Ober-Crinitz. |
II. Sagen von Spukgeistern und Gespenstern. | |
Vorbemerkungen. | |
11. | Das wütende Heer bei Annaberg. |
12. | Das wütende Heer bei Weißbach. |
13. | Der wilde Jäger zwischen Stangengrün und Hirschfeld. |
14. | Die wilde Jagd bei Komotau. |
15. | Der wilde Jäger bei Karlsfeld. |
16. | Der wilde Jäger bei Schönlinde. |
17. | Der wilde Jäger bei Neustadt b. Falkenstein. |
18. | Der graue Jäger auf dem Tossen. |
19. | Der Waldschütz. |
20. | Reichbrod von Schrenkendorf als wilder Jäger. |
21. | Der Jäger ohne Kopf im Hofbusche bei Schlettau. |
22. | Der Reiter ohne Kopf auf dem Ziegenberge bei Zwönitz. |
23. | Der gespenstische Reiter bei Hainsberg. |
24. | Der gespenstische Reiter bei Waschleite. |
25. | Der Reiter ohne Kopf bei Wildenfels. |
26. | Der kopflose Reiter bei Bernsbach. |
27. | Der Reiter ohne Kopf zwischen Lößnitz und Stein. |
28. | Der Panzerreiter zu Stollberg. |
29. | Die feurigen kopflosen Reiter bei Lichtenstadt. |
30. | Das Geisterschloß bei Bockau. |
31. | Der Spuk an der Straße bei Albernau. |
32. | Die Gestalt ohne Kopf zwischen Bärenburg und Altenberg. |
33. | Die weiße Frau zu Neustädtel. |
34. | Die weiße Frau zu Venusberg. |
35. | Die weiße Frau in Schneeberg. |
36. | Die weiße Frau zwischen Wildenthal und Karlsfeld. |
37. | Die weiße Frau am Brautstock bei Altenberg. [x] |
38. | Die weiße Frau auf Schloß Scharfenstein. |
39. | Die weiße Frau in Unterchodau. |
40. | Die weiße Frau in Premlowitz. |
41. | Die weiße Frau des Hohen Steins. |
42. | Die weißen Frauen des Raubschlosses bei Brandau. |
43. | Die weißen Frauen zwischen Olbernhau und Blumenau. |
44. | Die weiße Frau im Pfarrgarten zu Meerane. |
45. | Die gespenstische Frau auf dem weißen Fels im Hartensteiner Walde. |
46. | Die Jungfrau auf dem Pöhlberge bei Annaberg. |
47. | Die Jungfrau des Lautersteins bei Zöblitz. |
48. | Die Jungfrauen des Breiten- und Röthelsteins bei Beerheide. |
49. | Verwünschte Schloßfräulein hängen Wäsche auf. |
50. | Die Jungfrau auf dem Braunsteine. |
51. | Der Schön-Jungferngrund bei Oberwiesenthal. |
52. | Die Jungfrau des Pürsteins. |
53. | Das Fräulein des Schlosses Rabenau. |
54. | Die verwünschte Jungfrau des Greifensteins. |
55. | Die verwünschte Jungfrau auf dem Ziegenschachter Wege. |
56. | Die Jungfrau des Grauensteins. |
57. | Die eifersüchtige tote Frau. |
58. | Eine gespenstische Frau in Joachimsthal wird zur Ruhe gebracht. |
59. | Eine Verstorbene verhilft ihrer Tochter zu ihrem Rechte. |
60. | Die umherwandelnde Gräfin in der Kirche zu Wildenfels. |
61. | Die grüne Frau zwischen Altenberg und Zaunhaus. |
62. | Das Fräulein auf der Mulde bei Klösterlein Zelle. |
63. | Gespenstische Frauen in Eibenstock. |
64. | Die alte Frau in der Isenburg. |
65. | Das Fegeweib vom Katzensteine. |
66. | Das Gespenst auf der Superintendentur zu Glauchau. |
67. | Die Entbindung im Grabe zu Olbernhau. |
68. | Der Katzenhans und seine Genossen. |
69. | Der Rachhals in Aue. |
70. | Das Hammergespenst. |
71. | Der unheimliche Hansmichel. |
72. | Der rote Hohensteiner. |
73. | Der gespenstische Freier auf Hartenstein. |
74. | Der gespenstische Mönch bei Grünhain. |
75. | Der gespenstische Mönch im Klostergarten zu Altzelle. |
76. | Der Mönch in Komotau. |
77. | Spukgestalten an einem Brunnen auf dem Fichtelberge. |
78. | Der Laternenmann in Alberode. |
79. | Der spukhafte Mönchskopf zu Chemnitz. |
80. | Der gespenstische Mann an der Erbisleite bei Scheibenberg. |
81. | Ein Mordgespenst bei Stützengrün. |
82. | Der gespenstische Fuhrmann zwischen Geiersdorf und Königswalde. |
83. | Der Feuermann von Komotau. |
84. | Der Mann mit dem Lichte bei Pobershau. |
85. | Der schwarze Mann zu Königswalde. |
86. | Das schwarze Männchen auf dem Gottesacker in Schneeberg. [xi] |
87. | Der Schamprich zu Nossen. |
88. | Der schwarze Mann des Jüdensteins. |
89. | Ein Jüngling zu Weißbach findet im Grabe keine Ruhe. |
90. | Ein Gespenst ängstigt einen Wiesenthaler Fleischer. |
91. | Der Einsiedler im Thale der roten Weißeritz. |
92. | Spukgeister im Herrenhause zu Großhartmannsdorf. |
93. | Das Gespenst im Tannicht bei Meerane. |
94. | Ein Gespenst dringt einem Fuhrmanne Geld auf. |
95. | Das Gespenst in einer Halde in Pobershau. |
96. | Die sieben Ruten bei Chemnitz. |
97. | Der böse Seidelmann in den Sechsruten. |
98. | Der Baslerfels bei Platten. |
99. | Der böse Graf von Wildenfels. |
100. | Der Hirse zählende Verbannte. |
101. | Der Geist eines Ritters geht auf der Isenburg in Zwerggestalt um. |
102. | Der alte Turm in Tannenberg. |
103. | Die tanzenden Geister in der Aue bei Lößnitz. |
104. | Spuk auf dem Braunsteine. |
105. | Spuk auf dem Grauensteine. |
106. | Das Glockengeläute im Leidenswalde bei Platten. |
107. | Der Leichenweg und Kirchhof zwischen Neidhardsthal und Zschorlau. |
108. | Gespensterspuk auf der Ämmlerstraße bei Scheibenberg. |
109. | Die wüste Mühle im Trebnitzgrunde. |
110. | Die Erlösung. |
111. | Das Spiel mit silbernen Kegelkugeln. |
112. | Die gespenstische Fahrt zu Ossegg. |
113. | Die gespenstische Müllerin in Brand bei Joachimsthal. |
114. | Der gespenstische Leichenzug bei Pöhla. |
115. | Der Kirchenbau zu Pritschapel. |
116. | Der große Bergsturz zu Altenberg. |
117. | Der gespenstische Hund auf der Straße zwischen Udwitz und Komotau. |
118. | Der feurige Hund bei Graslitz. |
119. | Die zwei weißen Pudel bei Rittersgrün. |
120. | Der weiße Widder auf dem Pandurenfelsen. |
121. | Das gespenstische Schaf bei Wildenfels. |
122. | Der schwarze Pudel an der Eisenbrücke bei Niederschlema. |
123. | Der schwarze Hund auf dem Hemberge bei Bockau. |
124. | Der schwarze Hund in Grünthal. |
125. | Der schwarze Hund auf der Bockwaer Köppe. |
126. | Der Walkpudel. |
127. | Der Hüttenmops. |
128. | Der gespenstische Hase bei Frankenberg. |
129. | Die Vögelgesellschaft zu Dittersbach. |
130. | Das Schindergründel bei Joachimsthal. |
131. | Die vergrabenen Fuhrleute bei Blauenthal. |
132. | Die Puppe von Brand. |
133. | Gespensterspuk in einer Binge bei Eibenstock. |
134. | Die geheimnisvollen Hammerschläge in einem Keller zu Eibenstock. |
135. | Die Klage in den Kohlenschächten bei Bockwa. [xii] |
136. | Das gefährliche Feld bei Zwickau. |
III. Dämonensagen. | |
Vorbemerkungen. | |
137. | Die Zwerge des Hohen Steins. |
138. | Die Zwerglöcher auf dem Schwarzberge. |
139. | Das Zwergloch im Scheibenberge. |
140. | Die Zwerge am Pöhlberge bei Annaberg. |
141. | Die Zwerge in Schmiedeberg. |
142. | Die Zwerge backen Kuchen. |
143. | Die Heilingszwerge. |
144. | Der Zwergtanz im Kupferhügel. |
145. | Das graue Männlein bei Joachimsthal. |
146. | Das graue Männlein bei Blauenthal. |
147. | Das graue Männchen und die Seuche in Bernsdorf. |
148. | Der graue Zwerg am weißen Steine bei Alberoda. |
149. | Das freundliche Verhältnis zwischen Zwergen und Menschen wird gestört. |
150. | Wodurch die Zwerge aus dem Obererzgebirge vertrieben wurden. |
151. | Spuk der Berggeister u. Zwerge auf der Ruine Oberlauterstein bei Zöblitz. |
152. | Berggeister in den Schneeberger Gruben. |
153. | Der Berggeist in der Grube Sieben-Schlehen bei Neustädtel. |
154. | Der Berggeist am Donat zu Freiberg. |
155. | Der Berggeist bestraft einen Kunstwärter. |
156. | Der Berggeist erscheint als grauer Mann einem Bergmanne in Neu-Geising. |
157. | Vom Berggeist in Schneeberg. |
158. | Der Berggeist erscheint als schwarzer Mönch. |
159. | Der Berggeist erscheint in Roßgestalt. |
160. | Der gespenstische Bergmann in Aue. |
161. | Gespenstische Bergknappen im Zechengrunde bei Zinnwald. |
162. | Der gespenstische Bergmann zwischen Rittersgrün und Pöhla. |
163. | Der gespenstische Bergmann bei Scheibenberg. |
164. | Ein gespenstischer Bergmann führt irre. |
165. | Das graue Männchen warnt einen Bergmann. |
166. | Das graue Männchen in der Grube »Treue Freundschaft« bei Johanngeorgenstadt. |
167. | Der boshafte Berggeist in dem Schachte Orschel. |
168. | Der Berggeist verlangt für reiche Ausbeute eine Pfennigsemmel. |
169. | Der Berggeist von Joachimsthal. |
170. | Der Berggeist von Abertham. |
171. | Der kleine Jäger auf dem Ochsenkopfe bei Bockau. |
172. | Der Gevattersmann vom Greifensteine. |
173. | Das Geschenk des Holzweibchens. |
174. | Die Waldweibchen bei Pobershau. |
175. | Das Holzweibel auf dem Spitzberge bei Preßnitz. |
176. | Ein Holzweibel flüchtet vor dem Teufel. |
177. | Holzweibchen bei Grumbach, Steinbach und Pfannenstiel. |
178. | Gejagtes Holzweibchen bei Steinbach. |
179. | Von Holzweibchen geschenkte Späne verwandeln sich in Gold. |
180. | Das Waldweibchen im Seegrunde bei Zinnwald. [xiii] |
181. | Ein gefangenes Waldweibchen verkündet den Frieden. |
182. | Das Holzweibchen im Schönecker Walde. |
183. | Buschweibchen in der Umgebung des Hohen Steins. |
184. | Buschweibel in der Gegend von Platz und Hohentann. |
185. | Warum die Holzweibel nicht mehr im Erzgebirge leben. |
186. | Die Holzweibel ziehen fort. |
187. | Moosmännchen auf dem Kahleberge bei Altenberg. |
188. | Der Waldgeist bei Pfannenstiel. |
189. | Ein Feldteufel zu Grumbach. |
190. | Der Getreideschneider. |
191. | Der Hemann im Erzgebirge. |
192. | Der Hemann und andere Waldgeister in Bäringen. |
193. | Das Hemännchen bei Krima und Neudorf. |
194. | Das Hemännchen bei Graslitz. |
195. | Der Hemann des Rammelsberges. |
196. | Das Heideweibchen. |
197. | Die Marzebilla. |
198. | Der Wechselbalg. |
199. | Das Mittagsgespenst. |
200. | Der Alp. |
201. | Die Melusina. |
202. | Vom thörichten See bei Satzung. |
203. | Der Nix im Grundtümpel bei Wildenau. |
204. | Der Wasserteufel in einem Sumpfe bei Gottesgab. |
205. | Die Wassernixe am Hans-Heilings-Felsen. |
206. | Der Wassermann flickt. |
207. | Der Nix fordert sein Opfer. |
208. | Nixe im Zellwaldteiche bei Nossen. |
209. | Die Nixenwanne und die Nixentaufe des Chemnitzflusses. |
210. | Der Nix im Rabenauer Grunde. |
211. | Die Seebergsjungfer. |
212. | Der Kobold zu Lauter. |
213. | Der Poltergeist zu Grüna. |
214. | Der Kobold zu Thalheim. |
215. | Schalkheiten des Kobolds in einem Hause zu Annaberg. |
216. | Der Koboldstein bei Pfaffengrün. |
217. | Der Kaspar des Greifensteins. |
218. | Geist Mützchen. |
219. | Der Katzenveit im Kohlberge bei Zwickau. |
220. | Ein Stückchen vom Pumphut. |
221. | Das Jüdel. |
222. | Das Schrackagerl. |
223. | Die Wehklage. |
224. | Die Winselmutter bei Grünhain. |
225. | Irrlichter bei Annaberg und Scheibenberg. |
226. | Die Staatslaterne bei Geyer. |
227. | Die unheimliche Fackel. |
228. | Dämonische Gestalten am Grundtümpel bei Wildenau. |
229. | Dämonische Gestalten in einem Teiche bei Scheibenberg. [xiv] |
230. | Dämonischer Sturm bei Oberscheibe. |
231. | Der Drache. |
232. | Das gespenstische Kalb auf dem Frauenmarkte in Schneeberg. |
233. | Das gespenstische Kalb zu Mildenau. |
234. | Der Fisch im Windischteiche bei Eibenstock. |
235. | Der Otternkönig und die Schlangenkönigin. |
236. | Die Riesenrippe zu Nossen. |
237. | In Kirchen ausgegrabene Riesengebeine. |
238. | Große Menschengebeine. |
IV. Teufelssagen. | |
Vorbemerkungen. | |
239. | Eines Schmiedes Tochter in Platten ist vom Teufel besessen. |
240. | Der Teufel bietet einer Frau zu Zwickau Geld an. |
241. | Die vom Teufel besessene Frau zu Freiberg. |
242. | Der Teufel verführt eine Magd zu Zelle. |
243. | Der Teufel erscheint in Freiberg einem Bergmanne. |
244. | Der Teufel ängstigt einen Bergmann. |
245. | Einige Saufbrüder werden vom Teufel bestraft. |
246. | Die Teufelskanzel in der Schloßkirche zu Chemnitz. |
247. | Der Teufel in der Katzenmühle bei Buchholz. |
248. | Die Teufelsmühle am Wilischberge. |
249. | Der Käthelstein bei Annaberg. |
250. | Der Hans-Heilings-Felsen. |
251. | Der Nonnenfelsen bei Erlabrunn im Schwarzwasserthale. |
252. | Das Berggebäude »Turmhof« bei Freiberg. |
253. | Der versteinerte Kammerwagen. |
254. | Wie der Teufel Schellerhau verlor. |
V. Zaubersagen. | |
Vorbemerkungen. | |
255. | Der Schwarzkünstler zu Geyer. |
256. | Pestzauberei. |
257. | Die Zauberelse zu Zwickau. |
258. | Das Zauberbuch und die gespenstischen Raben. |
259. | Die unheimlichen Gäste in Werda. |
260. | Die Hexen zu Schellenberg. |
261. | Wann die Hexen ins Erzgebirge kamen. |
262. | Das Hexenloch bei Joachimsthal. |
263. | Mittel gegen Zauberei. |
264. | Eine Hexe wird erkannt. |
265. | Die Hexen am Walpurgisabende. |
266. | Der wunderliche Katzentanz. |
267. | Das Schmatzen der Toten in den Gräbern. |
268. | Von einem an eine Stelle festgebannten Sohne. |
269. | Speisen werden festgemacht. |
270. | Festgemachte werden überwunden. |
271. | Festgemachte werden von ihrem Wesen u. ihrer geheimnisvollen Kraft befreit. |
272. | Der Räuber Hartenknopf bei Zelle ist kugelfest. |
273. | Der Holzmüller von Neudorf. [xv] |
274. | Ein zaubernder Schüler zu Freiberg wird vom Teufel umgebracht. |
275. | Ein zaubernder Pfaffe aus Mulda kommt elend ums Leben. |
276. | Der Wunderdoktor zu Permesgrün. |
277. | Dr. Fausts Höllenzwang. |
278. | Orte, wo keine Sperlinge vorkommen. |
279. | Ein Herr von Arnim kann das Feuer versprechen. |
280. | Wie das Feuer gebannt wird. |
VI. Schatzsagen. | |
Vorbemerkungen. | |
281. | Schätze in der Steinwand bei Blauenthal. |
282. | Die Schatzkammer am Bärensteine. |
283. | Der Schatzkeller im Scheibenberge. |
284. | Der Geldkeller auf dem Greifensteine. |
285. | Der Schatz auf dem Greifensteine sommert sich. |
286. | Das Schatzgewölbe auf dem Hohen Steine. |
287. | Der Schatz unter der Stundensäule am Hohen Steine. |
288. | Der Schatz im Heinrichsteine bei Platten. |
289. | Der Schatz des Seeberges. |
290. | Die Teufelswand bei Blauenthal. |
291. | Der verborgene Schatz im Schloßbrunnen auf dem Purberge. |
292. | Der beschrieene Schatz des Hohen Steins. |
293. | Der Schatz in der Loh bei Schönau. |
294. | Der Schatz auf der Geyersburg. |
295. | Die Schätze bei der Prokopikapelle in Graupen. |
296. | Der Schatz in der großen Mühle bei Rabenau. |
297. | Der Schatz im Schlosse zu Rabenau. |
298. | Das Aberthamer »Fels'l.« |
299. | Der Tümpelstein bei Klösterle. |
300. | Die Schätze der Burg Niederlauterstein. |
301. | Die Schätze von Oberlauterstein. |
302. | Der Silbermann bei Pürstein. |
303. | Der Schatz im Schlosse Rabenstein. |
304. | Der Schatz unter der wüsten Kirche bei Reichenau. |
305. | Der Schatz in der Ruine Rechenberg. |
306. | Der Schatz des Tschinnersteines bei Brandau. |
307. | Der Heldenberg bei Seifen. |
308. | Der Schatz des Braunsteines bei Joachimsthal. |
309. | Der erlöste Herr auf dem Braunsteine. |
310. | Die Schätze im Hausberge bei Graslitz. |
311. | Der Schatz zu Joachimsthal. |
312. | Die Johanneskapelle zu Joachimsthal. |
313. | Der weiße Fels bei Bäringen. |
314. | Die Räuberhöhle am Schafteiche bei Glauchau. |
315. | Reichtum des Hammerbergs bei Wittichsthal. |
316. | Der Eimer voll Silber. |
317. | Ein graubärtiges Männlein zeigt einem Schüler zu Schneeberg einen Schatz. |
318. | Die Zigeuner und die Schatzgräber in Platten. |
319. | Die Schatzgräber. [xvi] |
320. | Buchstaben, Hobelspäne und Kohlen verwandeln sich in Gold. |
321. | Kutter verwandeln sich in Geld. |
322. | Die sonderbaren Sägespäne. |
323. | In Goldstücke verwandelte Kartoffeln. |
324. | Die Hirtenjungen am Heilingsfelsen. |
325. | Die drei Jungfrauen und die Schätze des Borberges. |
326. | Der Schatz auf dem Burgberge bei Mulda. |
327. | Die Schätze des ehemaligen Schlosses Voigtsdorf bei Sayda. |
328. | Der Schatz im Zeisigwalde bei Chemnitz. |
329. | Der Schatz im Taurasteine. |
330. | Der feurige Pudel und die vergrabene Kriegskasse im Kaiser-Wilhelmsthale bei Nossen. |
331. | Der Burgberg zu Gleisberg bei Nossen. |
332. | Der Schatz auf dem Rodigberge bei Nossen. |
333. | Der Schatz im Klosterbrunnen bei Marbach. |
334. | Der Schatz im Kloster Grünhain. |
335. | Der Alpstein zwischen Müdisdorf und Helbigsdorf. |
336. | Die goldene Kette vom weißen Fels im Hartensteiner Walde. |
337. | Der Schatz im roten Berge bei Werdau. |
338. | Der Schatz im Vorwerk zu Elterlein. |
339. | Der Schatz des Seeberges bei Eisenberg. |
340. | Der Schatz auf dem Riesenberge bei Ossegg. |
341. | Der Schatz im Kiefrig bei Haßlau. |
VII. Wundersagen. | |
Vorbemerkungen. | |
342. | Die Wunderblume auf dem Schlettenberge bei Marienberg. |
343. | Die Wunderblume des Teufelssteins bei Lauter. |
344. | Die Wunderblume auf dem Spitzberge bei Gottesgab. |
345. | Die Wunderblume des Grauensteins. |
346. | Die Wunderblume bei Blauenthal. |
347. | Die Wünschelrute. |
348. | Die Wahlen oder Venetianer im Erzgebirge. |
349. | Die Goldstampfe am Borlasbache. |
350. | Die Venediger auf dem Spitzberge bei Preßnitz. |
351. | Das Lamm aus Goldkörnern der Müglitz. |
352. | Das alte Schloß bei Schmiedeberg. |
353. | Ein Geyersdorfer Bauer findet reiche Erzgänge. |
354. | Glockengeläute verkündet neue Anbrüche. |
355. | Prophezeiung von reichen Erzen am Pöhlberge und Bärensteine. |
356. | Johannes Niavis prophezeit den reichen Bergsegen von Joachimsthal. |
357. | Der Anfang des Bergwerkes St. Briccius am Pöhlberge. |
358. | Die Entstehung Annabergs. |
359. | Die Kapelle zu Frohnau. |
360. | Der Schweizerzug bei Joachimsthal. |
361. | Der Basler und die Baslerin zu Joachimsthal. |
362. | Die Tellerhäuser bei Oberwiesenthal. |
363. | Die neue Grube bei Preßnitz. |
364. | Die Grundsteinlegung der St. Wolfgangskirche zu Schneeberg. [xvii] |
365. | Der goldene Hirsch auf dem Kuhberge bei Stützengrün. |
366. | Die Eselswiese bei Zwickau. |
367. | Des Schlackenmannes oder albernen Mannes Loch. |
368. | Die Grube »Himmlisches Heer« bei Annaberg. |
369. | Der Alaunsee bei Komotau. |
370. | Der gute Brunn zu Nieder-Zwönitz. |
371. | Die Entdeckung eines Heilbrunnens zu Grumbach. |
372. | Die Kraft des Bernsbacher Heilbrunnens geht verloren. |
373. | Die Heilquelle bei Hartessenreuth. |
374. | Der Ursprung der Quelle bei Hartessenreuth. |
375. | Der Wunderbrunnen auf dem Pöhlberge. |
376. | Von den wunderbaren Eigenschaften des Zöblitzer Serpentins. |
377. | Die alte Linde auf dem Gottesacker zu Annaberg. |
378. | Der dürre Lindenstab. |
379. | Der Galgenbaum bei Blankenhain. |
380. | Die drei Linden bei Crimmitschau. |
381. | Der prophetische Barfüßer zu Chemnitz. |
382. | Prophezeiung des M. Schütze zu Öderan. |
383. | Eine Prophezeiung der Zigeuner. |
384. | Die Eiche bei Hartenstein. |
385. | Eine Sylvestersage. |
386. | Der Scharfrichter und sein Schwert. |
387. | Der Traum auf Augustusburg. |
388. | Die Kurfürstin Margaretha wird durch einen Traum vor den Prinzenräubern gewarnt. |
389. | Ein Traum verkündet Freibergs Befreiung durch die Schweden. |
390. | Ein Geist zeigt eine Mordthat an. |
391. | Absterbende Bäume zeigen den Tod ihres Besitzers an. |
392. | Nächtliches Fallen zeigt den Tod an. |
393. | Verstorbene zeigen durch Rufen einen Todesfall an. |
394. | Ein zersprungener Trauring zeigt den Tod des Ehegatten an. |
395. | Singen und Klingen verkündet einen Sterbefall. |
396. | Rumoren zeigt einen Todesfall an. |
397. | Der geplagte Polizeidiener. |
398. | Vögel sind Unglücksverkündiger. |
399. | Anzeichen von Feuersbrünsten. |
400. | Die brennende Bergwitterung zeigt Erze an. |
401. | Ein Wunderzeichen am Himmel zeigt Krieg an. |
402. | Ein Sturm ist Anzeichen des böhmischen Bauernkrieges. |
403. | Ungestümes Wetter zeigt Krieg an. |
404. | Heulendes Wasser zeigt Unglück an. |
405. | Verschiedene Zeichen deuten auf die Gründung Johanngeorgenstadts. |
406. | Ein Zeichen für die rechte Feier des heiligen Abendmahls. |
407. | Die verschworenen Zechen am Mühlberge in Schneeberg. |
408. | Frevelhafte Worte beim Bergwerk werden bestraft. |
409. | In Chemnitz wird ein gottloser Spötter bestraft. |
410. | Der heillose Bäcker in Freiberg. |
411. | Die Görkauer Maskenhochzeit. |
412. | Meineid wird bestraft. [xviii] |
413. | Der bestrafte Gotteslästerer in Zwickau. |
414. | Mönch und Kriegsknechte des Teufelsteins bei Lauter. |
415. | Die Oswaldskirche bei Grünhain. |
416. | Ein Fluch zerstört das Schloß auf dem Grauensteine. |
417. | Der Gottesleugner zu Nossen. |
418. | Vorboten der Pest. |
419. | Wodurch in Freiberg die Pest einzieht. |
420. | Großhartmannsdorf wird durch die Zeitheide von der Pest verschont. |
421. | Bergglück unter besorglichen Wunderzeichen. |
422. | Ein Wunderzeichen zu Niederbobritzsch. |
423. | Ein himmlisches Wunderzeichen zu Freiberg. |
424. | Ein himmlisches Wunderzeichen in Wiesenthal. |
425. | Eine wunderbare Himmelserscheinung bei Gottesgab. |
426. | Kreuze fallen vom Himmel. |
427. | Ein Topf schwitzt zu Öderan Blut aus. |
428. | Blutzeichen. |
429. | Ein längst verstorbenes Kind blutet. |
430. | Blutende Geweihe in Schneeberg. |
431. | Ein wunderbarer Schuß in Schneeberg. |
432. | Der krumme Schuß in Zwickau. |
433. | Perlenschoten in Wiesenthal. |
434. | Brot wird aus weißer Erde gebacken. |
435. | Gottes-Speise bei Zwickau. |
436. | Körnerregen. |
437. | Wallfahrten zum Bade Wolkenstein. |
438. | Die Kapelle des St. Jobs in Wiesenbad. |
439. | Wallfahrten nach Freiberg zu einem wächsernen Marienbilde. |
440. | Das wunderthätige Marienbild in Ebersdorf. |
441. | Die Muttergottesstatue in Maria-Sorg. |
442. | Das Marienbild bei Klösterle. |
443. | Das Marienbild in Mariaschein. |
444. | Das Ölbild in der Steiner Pfarrkirche. |
445. | Die heilige Georgenfahne zu Tharand. |
446. | Das Wunschfläschchen. |
447. | Die Tempiskapelle zwischen Komotau und Görkau. |
448. | Sieben versteinerte Jungfrauen. |
449. | Wie die große Glocke auf der Marienkirche zu Zwickau ihre Stimmung bekommen hat. |
450. | St. Wolfgang zu Freiberg. |
451. | Der Fallsüchtige in der Kirche zu Annaberg. |
452. | Ein Totenschänder wird entdeckt. |
453. | Eine Wundersage von dem Stücke des Kreuzes Christi in der Marienkirche zu Zwickau. |
454. | Das Marienbild in der Kirche zu Fürstenau. |
455. | Die Fußtapfen der heiligen Maria. |
456. | Die heilige Maria im Erzgebirge. |
457. | Der heilige Petrus in Eisenberg. |
458. | Die Fußspur des heiligen Wolfgang bei Graupen. |
459. | Der Hengstberg bei Hengstererben. [xix] |
460. | Das Mönchsgesicht an der Kirche zu Schlettau. |
461. | Die Totenhand in Buchholz. |
462. | Der Doppelgänger zu Wiesenthal. |
463. | Arndts Paradiesgärtlein ist unverbrennlich. |
464. | Das Meteoreisen in Elbogen. |
465. | Der Köhler von Klingenthal. |
466. | Vom flinken Knechte zu Rechenberg. |
467. | Warum die Eisenberger Kapelle nicht vollendet wurde. |
VIII. Völker-, Helden- und Geschlechtssagen. | |
Vorbemerkungen. | |
468. | Von den alten Wenden bei Eibenstock. |
469. | Rottmannsdorf von Wenden bewohnt. |
470. | Der Riese Einheer. |
471. | Schwanhildis. |
472. | Libussas Tanzplatz. |
473. | Die Herren von Einsiedel. |
474. | Die Herren von Rechenberg. |
475. | Die Herren von Sebottendorf. |
476. | Das Geschlecht Callenberg. |
477. | Die Familie von Berbisdorf. |
478. | Die Herren von Hartitzsch. |
479. | Die Herren von Pardubitz. |
480. | Das Geschlecht von Vitzthum. |
481. | Die Herren von Wildenfels. |
482. | Die Herren von Ortwinsdorf. |
483. | Das Geschlecht von Arnim. |
484. | Das Geschlecht von Auerswald. |
485. | Die Herren von Bünau. |
486. | Die Ritter von Bärenstein. |
487. | Das Geschlecht von Lüttichau. |
488. | Das Wappenschild der Schönburge. |
489. | Woher das Wappen der Herren von Schönberg entstanden ist. |
490. | Wie die Herren von Römer zu Zwickau zu ihrem Wappen gekommen sind. |
491. | Die Siebenschläfer. |
492. | Die Türkenheide. |
493. | Die Korporallöcher bei Schönau. |
IX. Ortssagen. | |
Vorbemerkungen. | |
494. | Entdeckung der Freiberger Silbererze. |
495. | Der Anfang der Stadt Freiberg. |
496. | Stellen, wo in Freiberg das erste Bergwerk fündig wurde. |
497. | Ursprung der Bergwerke bei Nossen. |
498. | Die Entdeckung der Silbererze des Schneebergs. |
499. | Entdeckung der Altenberger Zwitter. |
500. | Entdeckung der Zinnerze bei Fürstenau, Mückenberg und Graupen. |
501. | Anfang des Bergwerks am Schreckenberge bei Annaberg. |
502. | Ein Pferd entdeckt die Silbererze des St. Georg in Schneeberg. [xx] |
503. | Die Entdeckung des Freudensteiner Ganges zu Schneeberg. |
504. | Die Entdeckung der Silbergänge zu Joachimsthal. |
505. | Ein Zain Goldes wird mit dem Getreide abgeschnitten. |
506. | Die Entdeckung der reichen Zeche St. Lorenz bei Abertham. |
507. | Der Fronleichnamsstollen bei Annaberg. |
508. | Die Entstehung von Schöneck. |
509. | Der Ursprung des Schlosses Bärenstein. |
510. | Die Stiftung des Klosters Altzella. |
511. | Ursprung von Dippoldiswalde. |
512. | Ursprung der Stadt Öderan. |
513. | Die Gründung von Mittelsayda. |
514. | Die Gründung des Dorfes St. Michaelis. |
515. | Die Gründung der Kirche zu Niederschönau. |
516. | Der Ursprung des Dorfes Waschleite. |
517. | Ursprung des Dorfes Geyersdorf. |
518. | Ursprung des Namens Buchholz. |
519. | Ursprung des Namens Grünstädtel. |
520. | Gründung und Name des Dorfes Zschorlau. |
521. | Entdeckung des Karlsbader Sprudels. |
522. | Entdeckung der Heilquellen in Teplitz. |
523. | Die Namen der Stadt Zwickau. |
524. | Ursprung des Dorfnamens Rittersberg. |
525. | Gründung und Name der Stadt Werdau. |
526. | Der Name der Stadt Frankenberg. |
527. | Von dem Namen der Stadt Marienberg. |
528. | Ursprung und Name von Elterlein. |
529. | Ursprung des Namens Hermannsdorf (bei Elterlein). |
530. | Ursprung des Namens Crandorf. |
531. | Ursprung des Namens Grünhain. |
532. | Von dem Namen Hermannsdorf (bei Weißbach). |
533. | Entstehung des Namens Gottesgab. |
534. | Entstehung des Namens Abertham. |
535. | Ursprung des Namens der Stadt Platten. |
536. | Ursprung und Namensentstehung von Bäringen. |
537. | Die Entstehung von Jahnsbach bei Thum. |
538. | Woher der Name des Dorfes Müglitz bei Lauenstein stammt. |
539. | Ursprung des Namens Wolkenstein. |
540. | Ursprung des Namens Eibenstock. |
541. | Der Name des Schlosses Pürstein. |
542. | Ursprung des Ortsnamens Reitzenhain. |
543. | Ursprung und Name des Bergstädtchens Brand. |
544. | Ursprung des Dorfnamens Weißenborn. |
545. | Ursprung des Namens Conradsdorf. |
546. | Von dem Namen des Dorfes Ursprung. |
547. | Der Name des Dorfes Wüstenbrand. |
548. | Der Name des Dorfes Crossen. |
549. | Die frühere Lage und der Name von Gersdorf. |
550. | Der Ursprung des Ortsnamens Silberstraße. |
551. | Ursprung der Namen Frauenstein, Purschenstein, Pfaffroda u. Rechenberg. [xxi] |
552. | Der Name des Fleckens Bockau. |
553. | Ursprung des Ortsnamens Remse. |
554. | Der Ursprung der Bergstadt Sebastiansberg. |
555. | Der Name der Stadt Sonnenberg. |
556. | Der Name der Stadt Falkenau. |
557. | Die Entstehung des Namens Neudeck. |
558. | Die Entstehung des Namens Frühbuß. |
559. | Über den Namen des Dorfes Sauersack. |
560. | Ursprung des Namens Sorgenthal. |
561. | Name und Ursprung der Stadt Weipert. |
562. | Von dem Ortsnamen Stolzenhahn. |
563. | Die Entstehung des Ortsnamens Einsiedel. |
564. | Der Name der Halsbrücke bei Freiberg. |
565. | Die Namen von Ortmannsdorf, Mülsen St. Niklas und St. Jacob. |
566. | Über den Namen des Dorfes Lichtenberg bei Frauenstein. |
567. | Ursprung des Namens Dörnthal. |
568. | Deutung des Namens Weiters-Wiese. |
569. | Von den Namen Schellenberg und Lichtenwalde. |
570. | Von den Namen Streitwald, Beutha, Affalter und Lößnitz. |
571. | Der frühere Name von Lichtenstein. |
572. | Der Zeisigstein und der »Storch« bei Frauenstein. |
573. | Der Predigtstuhl bei Rabenau. |
574. | Das Brautbett bei Rabenau. |
575. | Der Katharinenstein bei Lauenstein. |
576. | Die Kutte bei Elterlein. |
577. | Sechs Brüder bei Geyer. |
578. | Die Dreibrüderhöhe bei Marienberg. |
579. | Die Waldung »Reue« bei Waldkirchen. |
580. | Woher der Name des Waldgrundes »Bär« bei Blauenthal stammt. |
581. | Der Ursprung des Felsnamens Bärenstein. |
582. | Der Ursprung des Namens Mückenberg mit dem Mückentürmchen. |
583. | Ursprung des Namens Fastenberg. |
584. | Der weiße Helm, eine Anhöhe bei Öderan. |
585. | Ursprung des Bergnamens »Schweizer«. |
586. | Ursprung des Namens Silberbach. |
587. | Ursprung des Namens Höllengrund im Öderaner Walde. |
588. | Das Schulmeisterbächel bei Wildenthal. |
589. | Der Spitzberg bei Pfaffengrün. |
590. | Der Dreimännerberg. |
591. | Der Rockenstein bei Schönheiderhammer. |
592. | Ursprung des Namens Riesenberg bei Sosa. |
593. | Deutung des Bergnamens Mehltheuer bei Stein. |
594. | Der Claußberg in Schneeberg. |
595. | Der Galgenberg bei Euba. |
596. | Das Buttertöpfchen bei Frauenstein. |
597. | Der Taufstein im Pechtelsgrüner Walde. |
598. | Der letzte Heller und die Teufelskanzel am Schottenberge bei Annaberg. |
599. | Das rote Wässerchen bei Jöhstadt. |
600. | Von den Namen einiger Brunnen. [xxii] |
601. | Ursprung der Namen verschiedener Zechen. |
602. | Die alte Mordgrube bei Freiberg. |
603. | Ursprung des Namens Pacemmühle bei Schneeberg. |
604. | Die Mordhütte bei Weiters-Wiese. |
605. | Das Stadtwappen von Geyer. |
606. | Das Wappen der Stadt Kirchberg. |
607. | Das Stadtwappen von Öderan. |
608. | Das Stadtsiegel von Frankenberg. |
609. | Das Gerichtssiegel von Rabenau. |
610. | Das Stadtsiegel von Zöblitz. |
611. | Das Wappen der Stadt Zwickau. |
612. | Das Wappen der Stadt Freiberg. |
613. | Das Denkbild zum Stadtwappen von Scheibenberg. |
614. | Siegel der Stadt Dippoldiswalde. |
615. | Siegel der Stadt Frauenstein. |
616. | Das Gemeindesiegel von Olbernhau. |
617. | Das Siegel des Dorfes Auerbach. |
618. | Wahrzeichen der Stadt Zwickau. |
619. | Die Wahrzeichen Freibergs. |
620. | Wahrzeichen von Crimmitschau. |
621. | Das Wahrzeichen von Chemnitz. |
622. | Das Wahrzeichen von Tharand. |
623. | Die Wahrzeichen von Schlackenwerth. |
624. | Die Wüstung Kraxdorf. |
625. | Breitenau wird entvölkert und Wüstung. |
626. | Die frühere Größe des Städtchens Platz. |
627. | Die frühere Größe und Bedeutung der Stadt Meerane. |
628. | Das Gemäuer und der böse Brunnen zwischen Marienthal u. Königswalde. |
629. | Das ehemalige Schloß Bödigen bei Dippoldiswalde. |
630. | Wüste Orte in der Gegend von Lößnitz und Hartenstein. |
631. | Die wüste Mark Oberopritz. |
632. | Wüste Marken in der Gegend von Chemnitz. |
633. | Wüste Marken bei Augustusburg. |
634. | Von früheren Vesten bei Schneeberg. |
635. | Die Wüstungen Erbendorf und Großmitweida. |
636. | Die Wüste Mark Eibendorf. |
637. | Die Wüste Mark Nennigkau. |
638. | Wüstungen bei Bärenstein. |
639. | Wüstungen bei Freiberg und Öderan. |
640. | Wüstungen in der Herrschaft Glauchau. |
641. | Die Wüstung Sahnau. |
642. | Die Wüstung Rappendorf. |
643. | Die Wüstung Boberau. |
644. | Die Wüstungen Haselbrunn und Erlich bei Schöneck. |
645. | Die wüste Mark Warnsdorf bei Grillenburg. |
646. | Die ehemalige Burg Sohra. |
647. | Alt-Elbogen. |
648. | Die Grillenburg. |
649. | Die Wüstung Lützen bei Frankenberg. [xxiii] |
650. | Der »Niklas« am Krudumberge bei Elbogen. |
651. | Die frühere Lage der Stadt Frauenstein. |
652. | Die ehemalige Lage von Preßnitz. |
653. | Die ehemalige Lage der Stadt Kirchberg. |
654. | Der Friedensstein am Streitwalde bei Zwönitz. |
655. | Der Peststein bei Rauenstein. |
656. | Der rote Stein auf der Kirchgasse zu Annaberg. |
657. | Das Kreuz und der Kelch bei Wolkenstein. |
658. | Zeichen auf dem Katzensteine bei Marienberg. |
659. | Die zwei Messer zu Eibenstock. |
660. | Das Steinkreuz bei Schlettau. |
661. | Das Steinkreuz in Werda bei Falkenstein. |
662. | Der Denkstein zwischen Hauptmannsgrün und Waldkirchen. |
663. | Der Denkstein im Streitwalde bei Hirschfeld. |
664. | Der Stein an der alten Frühbußer Straße. |
665. | Der Denkstein in Fürstenwalde. |
666. | Drei Steinkreuze bei Lößnitz. |
667. | Das steinerne Kreuz vor der Johanniskirche in Chemnitz. |
668. | Die drei Kreuze bei Brand. |
669. | Das Hahnenkreuz bei Görkau. |
670. | Beim roten Kreuze in Schmiedeberg. |
671. | Das Kreuz in Böhmisch-Moldau. |
672. | Der Stein mit dem Kreuze in Bärenwalde. |
673. | Das Arnodenkmal bei Klaffenbach. |
674. | Die Marterlinde in Dorfchemnitz bei Sayda. |
675. | Von einem Zweikampfe in Dorfchemnitz. |
676. | Das Marienbild in Maria-Kulm. |
677. | Das Zedelsbild in Weidmannsruhe. |
678. | Das Schnitzwerk in der Kirche zu Neumark. |
679. | Die Walfischrippen in Zwota. |
680. | Ein Eber wühlt bei der »alten Zelle« bei Nossen zwei Glocken aus. |
681. | Eine Glocke der Lungwitzer Kirche ist von einer wilden Sau ausgewühlt worden. |
682. | Die Glocke von Jahnsgrün. |
683. | Die unterirdischen Glocken im Kranichsee. |
684. | Die Stadt auf dem Steinberge bei Burkhardsgrün. |
685. | Die große Glocke in Geyer. |
686. | Die Barbarakapelle in der Dippoldiswalder Heide. |
687. | Die Kapelle in Unterwiesenthal. |
688. | Der Marienaltar im Hirschgrunde bei Abtei-Lungwitz. |
689. | Das Goldschiffchen in der Kirche zu Ebersdorf. |
690. | Die Geißelsäule in der Schloßkirche zu Chemnitz. |
691. | Der Hauptaltar in der Kirche zu Annaberg. |
692. | Die Domkanzel in Freiberg. |
693. | Der Donatsturm zu Freiberg. |
694. | Der Marterturm auf Hassenstein. |
695. | Der Mohr im Schlosse zu Nossen. |
696. | Die Tabakstanne zwischen Thalheim und Stollberg. |
697. | Die Eichen zu Callnberg. [xxiv] |
698. | Sagen von der Schloßkirche zu Chemnitz. |
699. | Das zürnende Steinbild zu Nossen. |
700. | Der Frau-Mutterstuhl zu Oberforchheim. |
701. | Das Schächerhäusel bei Geyer. |
702. | Die St. Blasiuskirche zu Niederzwönitz. |
703. | Das wandernde Haus in Zinnwald. |
704. | Die unterirdische Verbindung des Schlosses Wildenfels mit benachbarten Schlössern. |
705. | Der Judenborn zu Sayda. |
706. | Der Mühlengrabenstollen bei Schloß Scharfenstein. |
707. | Des Keglers Pflaster in Schneeberg. |
708. | Die übermütige Rede eines Schneebergers wird bestraft. |
709. | 1500 Gulden geben einen silbernen Löffel und einen kupfernen Fischkessel. |
710. | Üppiges Leben in den Bergstädten wird mit Verarmung bestraft. |
711. | Eine Vogelbirne wird um 1500 Gulden verkauft. |
712. | Billig verkaufte Häuser in Schneeberg. |
713. | Historia, wie Silbererz im Holz gewachsen. |
714. | Reiche Ausbeute zu Mildenau. |
715. | Kostbarer Sand zum Häuserbau in Schneeberg. |
716. | Weshalb keine Hoffnung auf ergiebigen Bergbau da war. |
717. | Silberhaltige Schlacken werden von der Mulde fortgeführt. |
718. | Untergang der Höckendorfer Silberbergwerke. |
719. | Die Grabmäler der Ritter von Theler. |
720. | Vom früheren Bergbau in Niklasberg und Böhmisch-Moldau. |
721. | Das verschwundene Bergwerk im Theesenwalde. |
722. | Wie der Zwickauische Kohlenberg brennend wurde. |
723. | Ein kaiserliches Regiment versinkt bei Freiberg durch einen Erdfall. |
724. | Von riesigen Schlangen im Erzgebirge. |
725. | Die Freiberger Bauernhasen. |
726. | Ursprung der ehemaligen Privilegien von Schöneck. |
727. | Das Märktlein Markersbach. |
728. | Die Räuberherberge im Hoyer bei Schneeberg. |
729. | Wittichs Schloß bei Glashütte. |
730. | Die dürre Bretmühle im Pöbelthale. |
731. | Der schwarze Teich auf Henneberg u. der Teufelsstein bei Johanngeorgenstadt. |
732. | Das Schloß auf dem Hohen Steine. |
733. | Das Raubschloß auf dem Lautersteine bei Zöblitz. |
734. | Das Raubschloß Sommerstein. |
735. | Das Raubschloß auf dem Greifensteine. |
736. | Die Räuber auf Schloß Frauenstein. |
737. | Schloß Hauenstein. |
738. | Burg Neustein bei Görkau. |
739. | Das alte Schloß Mulda. |
740. | Tauben verraten das Schloß Schönfels. |
741. | Schön-Guta von Hassenstein. |
742. | Die heldenmütige Herrin des Schlosses Hartenberg. |
743. | Ein Beispiel von Vaterlandsliebe. |
744. | Der Hauptmann Gecko von Lauenstein. |
745. | Der treue Haberberger von Freiberg. [xxv] |
746. | Ein Freiberger Bürger rettet Markgraf Friedrich dem Freidigen das Leben. |
747. | Der Ritter von Bärenstein und der Löwe. |
748. | Ein Ritter von Schönberg wird von den Hussiten gejagt. |
749. | Hertha von der Planitz rettet die Kirche zu Öderan. |
750. | Die Zerstörung des Klösterleins »alte Zelle« bei Nossen. |
751. | Herzog Albrecht hält auf einer Silberstufe Tafel. |
752. | Der Kretscham und Fürstenbrunnen bei Neudorf an der Sehma. |
753. | Die Prinzenkleider in der Kirche zu Ebersdorf. |
754. | Von der Erbauung der Muldenbrücke zu Nossen. |
755. | Kunigunde Mathesius von Öderan. |
756. | Maximilian II. im Tharander Walde in Lebensgefahr. |
757. | Die Söhne des Ritters Conrad von Theler. |
758. | Der treue Rat von Freiberg. |
759. | Die Erfindung des Spitzenklöppelns. |
760. | Cristoph Schürer. |
761. | Dr. Luther vergilt einem Bergmanne zu Altenberg Böses mit Gutem. |
762. | Die vierzehn Nothelfer bei Gottleuba. |
763. | Harras der kühne Springer. |
764. | Der Trompeterfelsen bei Seifersdorf. |
765. | Der Kärrner zu Stollberg. |
766. | Die lange Schicht zu Ehrenfriedersdorf. |
767. | Die Brautgabe aus der Kirche zu den vierzehn Nothelfern bei Reichstädt. |
768. | Das steinerne Herz im Schwarzwasser. |
769. | Wie Meerane ehemals in üblem Rufe gestanden hat. |
770. | Die Entdeckung der Topase des Schneckensteins. |
771. | Das Paradies zu Zwickau. |
772. | Der Leichnam des Grafen Joachim Andreas Schlick. |
773. | Wie Bernsbach seine Waldungen verlor. |
774. | Aus welchem Grunde der Pfarrherr zu Reinsdorf Getreidezins erhielt. |
775. | Warum in Zwickau kein Kürschner zum Ratstand gezogen wurde. |
776. | Ein altes Recht der Töpfer von Dippoldiswalde. |
777. | Warum die Griesbacher Gemeinde keinen eigenen Pfarrer hat. |
778. | Wie das Schnorr'sche Chor in der St. Wolfgangskirche zu Schneeberg eine Thür von außen erhielt. |
779. | Der erste Klöppel in Annaberg. |
780. | Das Geschwistergrab in der Kirche zu Annaberg. |
781. | Das Blutopfer des Baumeisters der Kirche zu St. Jacob in Chemnitz. |
782. | Die Zipperleinkur in Annaberg. |
783. | Der Blutfleck auf dem Pfarrhofe zu Elterlein. |
784. | Die Bäuerin in Frohnau. |
785. | Die beiden Brüder zu Frohnau. |
786. | Das Mönchskalb zu Freiberg. |
787. | Die Abschiedstanne zwischen Mitweida und Gottesgab. |
788. | Die Fichte auf dem Gottesacker zu Annaberg. |
789. | Die drei Eichen im Gründel bei Glauchau. |
790. | Woher der Name Preiselbeere stammt. |
791. | Was der Name Wismut bedeutet. |
792. | Woher die alte Bezeichnung »Schnieber« für Groschen stammt. |
793. | Redensarten. [xxvi] |
a. Zwickau gehört zum Vogtlande. | |
b. Der Kas is och darnoch. | |
c. Kein Hammerschmied stirbt, sondern er kommt von der Welt, man weiß nicht wie? | |
d. Man kann die sächsischen Eisenhämmer so wenig aufhalten, als die schwedischen Truppen. | |
e. Vom Silbergehalt unscheinbarer Steine. | |
f. Fägel schweiget seine Gäste. | |
g. Toffel, das gilt dir auch mit. | |
h. Der Narr ist aus dem Häusel gekommen. | |
i. Die Schlimmen von Öderan. | |
k. Je, daß dich der Bär herze. | |
l. Vom früheren Wohlleben in den Bergstädten. | |
m. Redensarten Herzog Georgs. | |
n. Weshalb man die Gottesgaber scherzweise »die Wölfe« nennt? | |
o. Anhang. Sprichwörter und Rätsel. | |
794. | Wie es kam, daß die Böhmisch-Wiesenthaler Kirche auf ihrem jetzigen Platze erbaut wurde. |
795. | Von der Klugheit der Hauptmannsgrüner. |
796. | Wie die Ebelsbrunner den Mond fangen wollten. |
797. | Eine Eigentümlichkeit des Schlosses Augustusburg. |
798. | Sprüche von der Stadt Freiberg. |
799. | Das Todaustreiben. |
800. | Der Totenteich bei Tharand. |
801. | Altes Fastnachtsspiel der Bergleute. |
802. | Der Streittag der Freiberger Bergleute. |
803. | Der Schwerttanz der Tuchknappen in Chemnitz. |
804. | Strafe für zänkische Weiber. |
805. | Strafe für liederliche Weibspersonen. |
806. | Wie das Lehen gereicht wurde. |
807. | Gebrauch bei einer zweiten Verheiratung. |
808. | Das Bärenprivileg für Lößnitz. |
Anhang. | |
809. | Der Wegzug der Zwerge. |
810. | Der gespenstische Hund bei Unterscheibe. |
811. | Der Schmiedmönch von Thierfeld. |
812. | Warum einer von den Eingängen in die St. Wolfgangskirche zu Schneeberg zugemauert wurde. |
813. | Die Befreiung der geraubten Prinzen Albert und Ernst. |
814. | Der Berggeist erscheint in Roßgestalt. (Zu No. 159.) |
815. | Eines Schmieds Tochter in Platten ist vom Teufel besessen. (Zu No. 239.) |
816. | Das Gespenst in der Katzenmühle bei Buchholz. (Zu No. 247.) |
817. | Der Geldkeller auf dem Greifensteine. (Zu No. 284.) |
818. | Gottesspeise bei Zwickau. (Zu No. 435.) |
819. | Die Berggeister des Greifensteins beschenken einen Wandersmann. (Zu No. 537.) |
Von den Höhen des Erzgebirge dehnte sich nordwärts bis in die Gegenden von Chemnitz, Mittweida, Freiberg und Tharand der Miriquidi d. h. Schwarzwald aus, ein Stück des alten Germanien, welches Tacitus als ein Land voll grauser Waldungen oder abscheulicher Sümpfe bezeichnet. Auf den dichtbewaldeten Höhen und in den düsteren Thälern des Miriquidi wurde in jener Zeit die tiefe Stille nur von dem Geheul des Sturmes, dem Rauschen der Gewässer, dem Geprassel der zusammenstürzenden Riesenstämme, auf deren vermodernden Leibern wieder eine junge Vegetation emporwucherte, und dem Geschrei der Vögel und des zahlreichen Wildes unterbrochen; der Mensch hielt sich noch von dem unwirtlichen Gebirge fern, da er an seinem Fuße im Nord und Süd Raum genug für seine einsamen Wohnungen fand. Von der nördlichen Grenze an, ausgebreitet zwischen Saale und Elbe, waren die Hermunduren, im jetzigen Böhmen die Markomannen und in den südwestlich gelegenen Gauen, im nordöstlichen Baiern und im Vogtlande, die Varisker seßhaft. Da, wahrscheinlich schon am Anfange, besonders aber im letzten Viertel des 4. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung, begann die Erschütterung, das Drängen und Vorrücken der Völker. Die slavischen Stämme rückten von Osten her vor. Zwischen 454 und 495 drangen die Czechen in Böhmen ein und ungefähr zu gleicher Zeit kamen aus der Weichsel- und Odergegend die Milczener, Lusitzer, Lutitzier, Obotriten und Sorben bis in die später sächsischen, mecklen- und brandenburgischen Länder. Von diesen rückten die Sorben oder Serben, deren Name sie ganz besonders als ackerbautreibendes Volk bezeichnet, in das spätere Meißnische, und da 531 von den Franken und Sachsen das mächtige Reich der Thüringer vernichtet wurde, westwärts bis zur Saale vor. Die Sorben waren demnach die unmittelbar nördlichen Nachbarn des alten Miriquidi, und sie gründeten sehr bald in den fruchtbaren Niederungen und Thälern Orte und bebaueten das Land. Aber noch wurde dieses Volk von der Ansiedelung auf den rauhen unwirtlichen Waldhöhen abgeschreckt, bis endlich nach den langen Vernichtungskämpfen der mächtigen deutschen Kaiser im 9. Jahrhunderte, denen die Erbauung der Burg Meißen (928 oder 929) folgte, und ganz besonders als unter Otto I. die Grafen Hermann Billung und Gero glücklich die letzte Erhebung an der niedern Elbe und in den Lausitzen niedergeschlagen, die[4] Macht der Slaven völlig gebrochen war. Der Tributpflichtigkeit zu entgehen, festhaltend an dem Glauben ihrer Väter, erfüllt mit tiefem Haß gegen die christliche Geistlichkeit, welche von ihren Einkünften an Getreide und Vieh, Leinwand, Honig und Wachs den zehnten Teil forderte, zogen sich nun nach den für ihr Volk unglücklichen Kämpfen zahlreiche sorbische Familien in das unfreundliche und von wilden Tieren bevölkerte, aber ihnen doch Freiheit und Sicherheit gegen ihre Besieger verheißende Erzgebirge zurück, und so wurden bereits gegen Ende des 10. Jahrhunderts von diesen slavischen Einwanderern daselbst einzelne feste Niederlassungen gegründet. Immer höher stiegen sie, vorzugsweise wohl in den Thälern und so dem Laufe der Gewässer entgegen, auf der nordwestlichen Senkung des Gebirges bis ungefähr zur Linie Eibenstock-Schlettau-Zöblitz-Sayda auf. Erst vom 12. Jahrhundert an, da das Gebirge durch die Entdeckung reicher Silbererze zum Erzgebirge wurde, drangen auch die Deutschen zahlreicher vor, gründeten Städte und Dörfer, und das germanische Element verschlang sehr bald die slavischen Reste, wo sich dieselben bis dahin noch in einiger Selbständigkeit erhalten hatten. Wohl erhielt sich noch, wenigstem am Fuße des eigentlichen Gebirges, ihre Sprache, denn im Jahre 1327 wurde der Gebrauch derselben bei den Zwickauer Gerichten und in Meißen sogar erst 1424 verboten (Rich. Andree, Wendische Wanderstudien, S. 143.); jedoch auch in den höher gelegenen slavischen Ansiedelungen wird die Muttersprache nach Berührung mit den später vorgedrungenen Deutschen nicht sobald erloschen sein, da viele slavische Worte, die selbst in der Gegenwart nicht verschwunden sind, von den Deutschen festgehalten wurden.
Wenn wir nun vom Erzgebirge übereinstimmend mit dem Vogtlande und der Lausitz wissen, daß sich germanische und slavische Bewohner in die Kultur des Bodens teilten, daß demnach von beiden Volksstämmen mythische Sagen in das Gebirge verpflanzt und im Laufe der Jahrhunderte von den nachfolgenden Generationen, wenn auch vielfach umgewandelt, festgehalten wurden, so mögen doch die verhältnismäßig spät und nur sporadisch gegründeten Niederlassungen eine Ursache davon sein, daß wir solche Sagen, denen eine naturreligiöse Bedeutung innewohnt, in unserm Gebirge sparsamer, als in den vorhingenannten Provinzen mit dem Volksleben verwachsen finden. Besonders sparsam sind die eigentlichen Göttersagen, welche uns heidnische Gottheiten mit ihren Namen vorführen, oder welche früher geheiligte Plätze durch die ihnen innewohnende Poesie gleichsam erklären. Wo uns einige deutsche Göttergestalten entgegentreten, da sind dieselben jedenfalls durch spätere Einwanderer in unser Gebirge verpflanzt und[5] möglicher Weise infolge zufälliger Ähnlichkeiten der neuen Niederlassungen mit Orten der verlassenen Heimat auf erstere übertragen worden. Dies gilt zunächst von den Ueberlieferungen, welche im Erzgebirge einen Götzen Crodo verehrt sein lassen. In Bothes 1492 erschienener »Kroneka der Sachsen« tritt zuerst die Nachricht auf, daß man bei Goslar auf der Harzburg das Bild eines alten Götzen, mit Namen Crodo, der als Krankenhelfer galt, verehrt habe, jedoch wurde später nachgewiesen, daß diese Nachricht eine erfundene ist, daß es also einen Sachsengott, der diesen Namen führte, nicht gegeben hat. Immer aber ist hierbei erwähnenswert, daß eine unserer Volkssagen einen Platz, an welchem der »Krankenhelfer« verehrt wurde, in die Nähe von Meerane verlegt, von wo aus früher bis zum Anfange dieses Jahrhunderts die sogenannten »fahrenden Ärzte« ihre jährlichen, oft sehr weiten Reisen unternahmen.
Bergleute deutscher Abkunft aus dem Harze waren ja, wenn wir von dem einige Jahrhunderte früheren Eisenbergbau und den hüttenmännischen Arbeiten der Slaven auf der südlichen und nördlichen Abdachung des Gebirges absehen (K. Schurig, Beiträge zur Geschichte des Bergbaues im sächs. Vogtlande, Plauen 1875, S. 2), die ersten, welche im Erzgebirge Bergwerke auf edle Erze anlegten und z. B. 1171 nach Mollers Chronik von Freiberg die Gründung dieser Stadt veranlaßten. Liegt es da nicht nahe anzunehmen, daß durch solche Bergleute und andere deutsche Einwanderer aus Baiern und der Oberpfalz auch germanische Göttersagen neben anderen Überlieferungen in die neue Heimat verpflanzt wurden, in welche ja von ihnen, wie M. Körner in seinen Bockauischen Nachrichten (1758, S. 278 und 279) nachweist, auch die Benennungen von Bergen und Ortschaften, sowie von kleinen Gewässern aus der alten Heimat übertragen wurden?
Weiter verweist die Sage vom Herdabilde bei Zwickau ganz deutlich auf die Ueberlieferung von der mütterlichen Gottheit der Erde Nerthus (Herda, altnord. Jördh), welche, nachdem sie in ihrem von Kühen gezogenen Wagen im Lande umhergeführt worden war und frohe Tage und Frieden gebracht hatte, in dem heiligen See auf Rügen gebadet wurde. (Grimm, deutsche Myth. 1835, S. 155. Mannhardt, die Götter der deutschen und nord. Völker, 1860, S. 316.)
Anders ist es mit zwei slavischen Göttern, welche im erzgebirgischen Sagenkreise auftreten, dem Triglav und Ladon. Triglav oder Triglas, ein Hauptgott oder vielmehr eine Göttertrias der Wenden, welche in Stettin einen der vornehmsten Tempel hatte, wurde als eine Person mit 3 Köpfen dargestellt. Bei den Wenden auf Rügen waren in ihr die drei Gottheiten Swantowit, Radegast und Prowe vereinigt, und daß auch die Slaven an der Mittelelbe, Mulde und Saale eine[6] göttliche Trias gehabt haben mögen, ist deshalb anzunehmen, weil die slavischen Völkerschaften in den Hauptlehren ihrer Religion größtenteils übereinstimmten. (Liebusch, Skythika, 1833, S. 198 und 205.) Unterstützt wird diese Annahme durch folgende Mitteilung des Albinus (Meißnische Land- und Bergchronik, S. 184 und 149): »Man hat im Lande zu Meisen auch, wie ich berichtet bin, an etlichen Orten alte Bilder in Stein gehauen mit dreyen Angesichten gefunden. Vnd ist sonderlich zu Grimma auff der Brücken eines dergleichen zu sehen gewesen, daran drey Angesicht vnter einem Hütlein. Dannen her denn zu achten, daß die Sorben diesen Abgott (den Triglas), wie ihre Nachbarn auch geehret«.
Ladon wird in unserer Sage ein Kriegsgott genannt. Nach Liebusch (Skythika, S. 155) war Ladon ursprünglich der Mondgott und hieß wahrscheinlich als Mondgöttin Lada; dieselbe war in ihrer Funktion der russischen Led und der polnischen Leda ähnlich, weshalb man sie mit dem Mars verglich; als Mondgöttin war sie zugleich Todesgöttin im Kriegskampfe. – Noch mag erwähnt werden, daß sich auch nach Vernaleken eine Erinnerung an den Perun, die slavische Gewittergottheit, in Eisenberg auf dem böhmischen Abfalle des Erzgebirges erhalten hat.
Ebenso sparsam wie die Überlieferungen von heidnischen Göttern sind diejenigen von Opferplätzen. Der Volksmund nennt bei uns nur wenige Haine, welche wir als einst geheiligte Orte ansehen könnten; aber weiter liegt die Vermutung sehr nahe, daß der Taufstein bei Oberkrinitz, welcher mit seinen Vertiefungen den zahlreichen Opfersteinen im Fichtelgebirge und der Lausitz ungemein ähnlich ist, ebenfalls in der heidnischen Vorzeit zu gottesdienstlichen Handlungen bestimmt war. Nach Dr. Kalina Ritter von Jäthenstein war auch der Berg, welcher heute die Ruinen der Burg Hassenstein bei Sonnenberg trägt, einst ein heidnischer Opferplatz, da innerhalb des Schloßhofes daselbst Asche, Kohlen, Knochen und Urnenreste nicht selten gefunden wurden. (Erzgebirgszeitung, 4. Jahrg., 1. Heft, S. 19.) Endlich mögen noch aus der Gegend des Bergstädtchens Graupen der Rosen- und Geiersberg als alte Kultusstätten genannt werden. Wenn nun auch Albinus in seiner Meißnischen Bergchronik (S. 98) bei dem Jahre 932 schreibt: »Die Sorben sind endlich durch die christliche Religion so weit gebracht, das sie sich ihrer barbarischen gewohnheit des stehlens und raubens geschemet«, so teilt doch wieder Christian Knauth in seiner Sorbenwendischen Kirchengeschichte (S. 145) mit, daß der Bischof Bruno II. von Meißen den St. Petridom in Bautzen an Stelle einer älteren Kirche im Jahre 1213 ausdrücklich zu dem Zwecke gegründet habe, um die Sorben der Lausitz und Meißens zum Christentume zu bekehren; denn dieselben »steckten annoch in großer geistlicher Finsternis,[7] führten wohl den christlichen Namen, hatten aber keine oder wenige Erkenntnis vom Christentum; hingegen waren sie mit heidnischen Irrtümern behaftet, lebten heidnisch, und einige mochten auch wohl hin und wieder im Verborgenen, in Wäldern und Heiden, ihre heidnischen Greuel treiben.«
Diese Stelle wird mit großer Wahrscheinlichkeit auch auf die im Erzgebirge zerstreut lebenden Sorben angewendet werden können; denn es ist wohl anzunehmen, daß dieselben bei ihrer Abgeschiedenheit in dem einst fast undurchdringlichen Miriquidi noch längere Zeit ihre Gottheiten verehrten. Obschon die zuerst von M. Körner ausgesprochene Meinung, daß in dem Thale, in welchem sich jetzt das Dorf Bockau hinzieht, einst ein slavischer Gott verehrt worden sei, der den Namen des Ortes veranlaßte, hinfällig geworden ist, da man Bockau nicht als »Gottesdorf« oder »Gotteshain,« sondern als »Buchholz« oder »Buchwald« zu deuten hat, so weist doch dafür nach Immisch (Die slavischen Ortsnamen im Erzgebirge, 1866) der Name des Dorfes Klaffenbach bei Chemnitz, obschon er wie ein deutsches Wort klingt, in seiner Ableitung von den slavischen Worten hlowa (oberlaus. wendisch), glawa (niederlaus. wendisch), hlawa (czechisch) = Haupt, Kopf und bòh = Gott, also in seiner Deutung als »Hauptgott,« auf einen Platz hin, an welchem ein slavischer Gott verehrt wurde. Die Geschichte erzählt auch, daß im Jahre 892 der Bischof Arno von Würzburg auf der Klaffenbacher Höhe, als er den daselbst zum Götzendienste zahlreich versammelten Heiden das Christentum predigte und die Messe las, von letzteren ermordet wurde (Immisch a. a. O.).
Endlich ist noch auf zwei Plätze hinzuweisen, welche offenbar zu gottesdienstlichen Handlungen bestimmt waren; dabei mag es jedoch dahin gestellt sein, ob hier slavischen Gottheiten geopfert wurde, oder ob die Plätze vielleicht schon einer früheren germanischen Bevölkerung zu Kultuszwecken gedient haben. Es sind zwei Steinkreise, von denen der eine, auf dem Borberge bei Kirchberg, nur noch zu einem kleinen Teile an der Westseite eines Granitplateaus vorhanden ist, während der größere Teil im Jahre 1848 abgetragen wurde. Der andere Überrest aus dem grauen Altertume ist ein Doppelsteinkreis auf dem Burgberge zwischen Mulda und Lichtenberg. Beide Kreise lehnen sich hier an einen steil abfallenden Porphyrfelsen, der in der Mitte zu einer felsigen Kuppe aufragt, an, und wie auf dem Borberge liegt innerhalb der Steinwälle ein in das Gestein gearbeiteter Brunnen, in welchem nach der Volkssage das Wasser niemals verschwinden soll. Dieser Brunnen heißt an beiden Örtlichkeiten »Jungfernbrunnen.« Es gleichen beide Steinkreise, die einzigen, welche zur Zeit in dem Erzgebirge[8] bekannt geworden sind, denen in der Lausitz und in Böhmen, so daß wohl die Annahme, nach welcher wir es an diesen Orten mit einst den Göttern geweihten Plätzen zu thun haben, eine berechtigte ist. Wünschenswert wären Nachgrabungen nach etwaiger Asche oder Kohlenresten.
(Tobias Schmidt, Chronica Cygnea. Zwickau, 1656. S. 79 u. 360.)
In der Hauptkirche zu Zwickau ist des Triglas oder Triglaff Kopf zweimal und außer der Kirche an einem Pfeiler noch einmal zu finden, das eine Mal mit drei Bärten und die andern zweimal ohne Bart. An einem Kopfe sind drei Gesichter mit Augen, Nasen und Mäulern. Andere halten diese Bildnisse aber nicht für Köpfe des Götzen, sondern meinen, daß man damit das Geheimnis der heiligen Dreifaltigkeit in einem göttlichen Wesen habe andeuten wollen.
(Erzgebirgs-Zeitung, 1. Jahrg., S. 199.)
Der Schloßberg zu Teplitz trug einst eine starke Feste mit doppelten Ringmauern, sowie sieben Türmen, welche jene zierten. Bereits im achten Jahrhundert aber soll auf dem Berge ein Tempel des slavischen Kriegsgottes Ladon gestanden haben.
(Herm. Grimm, Das sächs. Erzgebirge, Dresden 1847, S. 204. Ziehnert, Sachsens Volkssagen, Annaberg 1838–39. III. S. 201. Segnitz, Sagen, Legenden etc., Meißen 1839–54. II. S. 73.)
Der Name des Dorfes Crottendorf würde richtiger »Crodendorf« zu schreiben sein, da der Ort seinen Namen dem Götzen Crodo verdankt, welcher am östlichen hohen Gebirge, auf den Klippen der Wolfs- und Liebensteine, lange nach Einführung des Christentums noch verehrt worden ist. Denn als man im Orte eine Kirche bauen wollte, suchte dies der Heidengott in Gestalt des Teufels zu verhindern. Er riß das am Tage aufgeführte Mauerwerk in der Nacht wieder ein und das Bauholz schleppte er weit bis an das andere Ende des Dorfs. Da ging einst ein frommer Priester zu derselben Zeit vorüber, als die Bauleute eben beschäftigt waren, den angerichteten Schaden wieder gut zu machen. Derselbe segnete das sämtliche Holz und Baumaterial und nun mußte der Götze dasselbe in Ruhe lassen, so daß der Bau bald vollendet werden konnte.
In der Einleitung ist bereits auf die unhistorische Gottheit Crodo hingewiesen worden. Von späteren Schriftstellern wurde dieselbe als ein Mann mit entblößtem Haupte, barfuß auf einer Säule stehend und mit einem leinenen Schurze umgürtet, in der linken Hand ein Rad, in der rechten einen Wassereimer haltend, dargestellt. Anders bildet Großer in seinen Merkwürdigkeiten der Ober- und Niederlausitz den Gott ab. Hier erscheint er als ein bekleideter Mann ohne Kopfbedeckung; in der einen Hand trägt er einen Korb mit Früchten (?), in der andern erhobenen ein Rad; er steht auf einem Fische, welcher auf einer Säule liegt.
(Oettel, Hist. von Eibenstock. 1748, S. 5. Oesfeld, Historische Beschreibung einiger merkwürdigen Städte im Erzgebirge. 2. Teil 1777, Seite 51.)
Man hat behaupten wollen, daß die Harzländer, welche nach den Wenden in die Gegend von Eibenstock gekommen, noch Heiden gewesen wären und den Abgott Crodo verehrt hätten, davon auch der Croden- oder Crottensee, der obere Stadtteil von Eibenstock seinen Namen haben soll.
(H. Leopold, Chronik von Meerane, S. 9.)
Das Volk bezeichnet den Thalgrund bei Meerane, in welchem die Dörfer Götzenthal, Crotenleide und Hainichen und Köthel liegen, als einen Ort, wo der Götze Crodo verehrt wurde. Bei Crotenleide wurden auch einige Altertümer, nämlich zwei steinerne Hämmer und unter uralten Eichen ein Opfertisch, der jetzt im Wechselburger Parke steht, ausgegraben.
Als der obengenannte Opfertisch wird jene achtseitige, auf vier steinernen Unterlagen ruhende Porphyrplatte, welche im Wechselburger Parke der Eulenkluft gegenüber aufgestellt ist, bezeichnet. (S. C. Ehrhardt, Ausflüge in das Sächs. Erzgebirge 1885, S. 40.)
(Köhler, Volksbrauch im Voigtlande. 1867, S. 447.)
Nach der Sage soll das Bild der Herda von Rügen in die Zwickauer Gegend gebracht worden sein. In dem Schwanenteiche wusch man den Wagen der Göttin, und es soll sich ihr Dienst daselbst noch lange erhalten haben.
Wie berichtet wird, befand sich auf einer Insel im Meer ein heiliger Hain und in demselben stand ein mit Decken verhüllter Wagen, in welchem die Erdgöttin Nerthus (Herda), von Priestern geleitet, von Zeit zu Zeit ihren Umzug hielt. Wenn der von Kühen gezogene Wagen mit der Göttin durch das Land fuhr, hörte aller Krieg auf und im Frieden freuten sich die Sterblichen. War die Göttin wieder nach[10] dem heiligen Hain zurückgekehrt, dann wurde ihr Wagen und sie selbst in einem See von Sklaven gewaschen, die dann das Wasser des Sees begrub.
(Heinr. Gerlach, Kleine Chronik von Freiberg, S. 85.)
Auf der Höhe unweit des »schwarzen Teichs«, zwischen den Seitenthälern der Mulde, welche von der Münz- und Waltersbach gebildet werden, soll in jener Zeit, da die Sorben in der Gegend von Freiberg noch seßhaft waren, ein heiliger Hain gestanden haben, in welchem ein Götzenbild aufgestellt war. Man hat in der neuesten Zeit sowohl am Gehänge des Münzbachthales, als auch in der untern Waltersbach zu Großschirma Streitäxte gefunden.
(Mündlich.)
Auf der flachen Höhe südlich von der Kirche zu Weißbach, wo man vor mehr als hundert Jahren noch die spärlichen Überreste eines Walles sah, soll ehemals die Rommels- oder Rummelsburg gestanden haben. Andere aber erzählen wieder, daß daselbst ein heiliger Hain der Sorben stand.
(Bahn, Das Amt, Schloß und Städtgen Frauenstein. 1748, S. 25.)
Wie die alten Heiden ihre Haine, Hahne oder Hagen und Gehege gehabt und darinnen ihren Götzendienst verrichtet, so findet man auch bei Frauenstein davon eine sattsame Spur vor dem Hainthor, das zwischen dem Schloß- und Freibergischen Thor stehet. Allem Ansehen nach hat ihr Götze auf dem Platze gestanden, wo jetzt die drei Linden stehen, welche zum Andenken an den Abgott und zerstörten Hain gepflanzt worden sind. Und weil die Heiden bei ihrem Götzendienst sich zu waschen und zu baden pflegten, so ist nicht weit davon der Hainteich angelegt. Jetzo nennen es die Frauensteiner das Hahnthor und den Hahnteich.
Haine waren bei den germanischen Völkern Orte, an denen sie ihren Göttern opferten und Volksversammlungen und Gericht abhielten; es waren heilige Plätze, und vielfach wurden an solchen Stellen später christliche Kirchen errichtet. Zu solchen heiligen Hainen gehörte jedenfalls auch das »Götzenbüschchen« bei Oelsa bei Dippoldiswalde. Ob alle Plätze, welche heute noch den Namen Hain (oder Hahn) führen, früher zu gottesdienstlichen Zwecken geheiligt waren, darf wohl als sehr fraglich gelten. Von Grünhain meldet allerdings die Sage, daß der nahe Spiegelwald in der Sorbenzeit zur Gottesverehrung gedient habe (Schumann, Lex. v. Sachsen, 16 B.[11] S. 567); vielleicht bezieht sich diese Angabe besser auf einen heiligen Hain, der sich an dem Platze befand, wo jetzt das genannte Städtchen steht.
Am rechten Ufer des Brückenbaches bei Jöhstadt nennt man eine Waldung »die alten Haine« oder »die alte Henne«. Im Nassauer Revier giebt es einen »breiten Hain« und »Hainwiesen«, und in die obere Freiberger Mulde ergießt sich das jedenfalls von dem breiten Haine und den Hainwiesen kommende Hainwässerlein (Bahn, Frauenstein, S. 25). Ein »hoher Hahn« oder Hain liegt in der Gegend der Morgenleite bei Schwarzenberg. Durch den »großen und kleinen Hain« bei Sachsenburg führen der Kirchsteig von Neudörfchen nach Seyfersbach und die Straße von Mittweida nach Dresden; eine Waldung bei Geyer heißt der »Hahnrück« (ursprünglich Hainrücken). Bei Oberlungwitz existierte früher ein »oberes und unteres Hahnholz«; ersteres befand sich an der Stelle des jetzigen Gottesackers zu Ernstthal (Gumprecht, Lindenblätter von Oberlungwitz. 1863, S. 15.). Ein »Hainholz« ist noch heute westlich vom Hüttengrunde bei Hohenstein auf den Karten namhaft gemacht. Außerdem giebt es Ortschaften, deren Namen die Silbe »Hain« enthalten, wie Stolzenhain, Altenhain u. a. Vom letzteren Orte vermutet Bahn in seinen historischen Nachrichten von Frankenberg (S. 12.), daß daselbst von altersher ein starker Verkehr gewesen sei und ein heidnischer Götzenhain gestanden haben müsse, welcher von ihm an der Stelle gesucht wird, wo das Vorwerk steht.
Wenn Jacob Grimm (deutsche Mythologie, S. 45.) geneigt ist, die fast überall in Deutschland erscheinende örtliche Benennung »heiliger Wälder« auf das Heidentum zurückzuführen, so gilt dies vielleicht auch von den Namen »heilige Wiese« und »heiliger Born«. Eine heilige Wiese und ein heiliger Born liegen am untern Teile des Dorfes Königswalde bei Werdau. (Göpfert, Gesch. des Pleißengrundes, S. 308.)
(P. Wetzel im »Glückauf,« 1881, No. 7.)
Auf einer unbedeutenden Anhöhe beim Dorfe Oberkrinitz, die früher einen schönen Buchenbestand trug, liegt ein unregelmäßig gestalteter Granitblock, welcher auf der Oberfläche eine große und fünf kleinere künstliche Vertiefungen zeigt. Von den letzteren gruppieren sich vier um die große in der Mitte befindliche Vertiefung, welche die Form eines Beckens hat, während die fünfte sich an der Rückseite des Steines befindet. Nach dem Becken öffnen sich drei kleinere sitzähnliche Aushöhlungen, und in eine von diesen mündet wieder ein noch kleinerer Sitz. Die Sitze sind so groß, daß Kinder bis zu 10 Jahren bequem darin Platz nehmen können, während der auf der Rückseite des Steines befindliche Sitz einen etwas größern Umfang hat. Man nennt diesen großen Granitblock in der Gegend allgemein den »Taufstein« und erzählt sich von ihm folgendes: Als vor langer, langer Zeit das Christentum sich auch in unserer Gegend Anhänger zu erwerben begann, konnte die Verehrung des wahren Gottes nur im Geheimen geschehen, da sonst die heidnischen Priester den Christen ein sicheres Verderben bereitet hätten; besonders aber mußte die Taufe geheim gehalten werden. Deshalb[12] suchten die wenigen Christen einsame, tief im Walde versteckte Orte auf, wo sie ungesehen und unbemerkt die heilige Taufe vollziehen konnten. Zu diesem Behufe wählten sich nun die Glaubensgenossen große, auf bewaldeten Anhöhen liegende Steine aus und arbeiteten in dieselben ein Becken zur Aufnahme des Wassers, drei Sitze für die drei Taufpaten und einen für den Täufling hinein. Der Taufstein bei Oberkrinitz soll nun von unsichtbaren Mächten beschützt werden, und niemand hat das Becken vollständig ohne Wasser gesehen. Ein alter Mann erzählte, er habe einmal eines Abends als junger Bursche mit seinen Freunden das Wasser gänzlich ausgeschöpft, doch als sie am nächsten Morgen nachgesehen, sei eine größere Menge Wassers in dem Becken zu finden gewesen als vorher, obgleich es die ganze Nacht nicht geregnet hatte. Schon oft hätten die Steinmetzen sich an den Stein gemacht, um ihn zu zerschlagen und zu verarbeiten, aber der »Uhâmel« (Unheimel?), mit dem in der Gegend auch die Mütter ihren Kindern drohen, um sie zur Ruhe zu bringen, habe sie stets auf den Arm geschlagen, so daß sie von der Arbeit hätten abstehen müssen. Der Taufstein werde deshalb jetzt von ihnen in Ruhe gelassen. Noch wird erzählt, daß in dem Wasserbecken Geld liege.
Nach einer von Karl Morgenroth novellistisch bearbeiteten Sage (Nachrichtsblatt für Kirchberg und Umgegend 1869, No. 12 und 14) drangen einst die siegreichen Deutschen in ein verlassenes sorbisches Dorf ein, in welchem sie nur den heidnischen Oberpriester, einen silberhaarigen Greis, antrafen. Derselbe rief bei ihrem Eindringen den Zorn der Götter auf die verhaßten Deutschen herab und empfing dafür alsbald den tötlichen Schwertstreich. Sein Enkel aber, welcher in der Hütte vergeblich auf ihn harrte, wurde von einem Deutschen an Sohnes statt angenommen, um zunächst getauft zu werden und in der Taufe statt seines Heidennamens Scop den christlichen Namen Johannes zu erhalten. Der junge Sorbe Johannes wurde später Priester und als solcher zog es ihn vorzugsweise zu seinen Stammesgenossen hin, denen er das Evangelium predigte. Auf seinen Wanderungen durch den Miriquidi forschte er nach den ehemaligen Bewohnern seines Heimatortes, ohne sie zu finden. Dabei wurde er selbst alt, und als er nun, ein Greis geworden, eines Tages an den Platz kam, wo der Taufstein liegt, lehnte er sein Haupt ermüdet an den Stein, welcher damals von einer alten Eiche beschattet wurde. Bald schlief er ein, und im Traume verkündete ihm Gott, daß er in der Nähe der Gesuchten sei, und alle zum Christentume bekehren würde. Als nun der Morgen anbrach, baute sich Johannes eine Hütte neben dem Steine und stellte in derselben ein einfaches Kreuz auf. Eines Tages trat aus dem Walde,[13] welcher seine Wohnung umschloß, ein junger Sorbe, der zwar in seinem Schrecken, hier jemanden anzutreffen, schnell umkehren wollte, aber durch die Freundlichkeit, mit welcher Johannes in seiner eigenen Sprache zu ihm redete, bewogen ward, zu bleiben. Es war der Sohn eines sorbischen Priesters, den Feinde des letzteren verfolgt hatten. Als sie aber gesehen, daß der Flüchtling durch den Sumpf und auf den Hügel, auf welchem sich noch heute der Taufstein befindet, eilte, da ließen sie ab, denn dieser Platz war als Sitz böser Geister gefürchtet. Von seinem Schützlinge, welcher Tage und Wochen lang bei Johannes blieb, erfuhr nun letzterer, daß in der Nähe eine slavische Ansiedelung und ein Götterhain sei und daß sich der junge Sorbe ebenfalls Scop nannte. Es stellte sich heraus, daß beide mit einander verwandt waren. Zuletzt sprach der junge Scop das dringende Verlangen aus, ebenfalls Christ zu werden und die Taufe von Johannes zu empfangen. Der Tag, an welchem die heilige Handlung geschehen sollte, war da, aber das Wasser fehlte, denn reines Wasser sollte es sein, und der umgebende Sumpf bot nur übelriechendes dar. Die Eiche, unter welcher der Stein lag, war noch vom vortägigen Regen naß und ein scharfer Wind ließ das Regenwasser auf den Stein fallen, der oben eine Vertiefung hatte, also ein Naturbecken war; somit war auch Taufwasser vorhanden. Freudig bewegt sagte der Täufling: »Hier ist Wasser, taufe mich!« und Johannes that es im Glauben, daß dies nicht der letzte seines Ortes sei, den er taufe. So geschah es auch. Johannes begleitete seinen Schützling bis zur Hütte des heidnischen Priesters und war später oft ein Gast daselbst. Endlich wurde der alte Priester Scop selbst den Lehren des Christentums zugänglich, so daß er sich an demselben Orte taufen ließ, an welchem sein Sohn die Taufe empfangen hatte. Da nun die übrigen Sorben der Ansiedelung sahen, daß kein Opferrauch mehr aus dem Götterhaine aufstieg, verwunderten sie sich und forschten nach der Ursache. Nachdem sie dieselbe erfahren, wurden sie anfangs mit Zorn und Angst, später aber, als sie vernahmen, wie glücklich ihr früherer Priester und dessen Sohn geworden waren, mit Sehnsucht nach dem neuen Glauben erfüllt. So zog denn eines Tages eine große Menge Sorben hinaus nach dem Steine und empfing dort die Taufe. Die alten Widersacher des früheren Priesters Scop aber waren zurückgeblieben und zündeten unterdeß die Hütten der jungen Christen an. Johannes wehrte ihnen, dafür Rache zu nehmen; sie ließen vielmehr die Heiden, welche sich 2 Stunden abwärts im Thale ansiedelten und den neuen Ort wie den alten nannten, ruhig abziehen. Da geschah es jedoch ein Jahr später, daß Blitze auf Blitze niederfuhren und das Heidendorf in Asche legten. Die christlichen Stammesgenossen im obern[14] Dorfe kamen helfend herbei und von dieser Liebe, welche Böses mit Gutem vergalt, wurden die Heiden erwärmt und ebenfalls für das Christentum gewonnen. Auch sie wurden an dem Taufsteine in den Christenbund aufgenommen. Aus den beiden sorbischen Ansiedelungen erwuchsen aber die Dörfer Ober- und Niederkrinitz.
Obschon unsere Sagen bestimmt von einem Taufsteine sprechen und die in ihm vorhandene größere Vertiefung als Taufbecken bezeichnen, so glaube ich doch, daß der Krinitzer Granitblock ein alter Opferstein ist und habe ich deshalb die sich mit ihm verknüpfenden Sagen dem ersten Abschnitte des Sagenbuchs angereiht. Bestimmend ist für mich seine offenbare Ähnlichkeit mit Blöcken im Fichtelgebirge, in Schlesien und andern Landesteilen, welche von den meisten Archäologen für Opfersteine angesehen, aber von dem Volke nicht immer als solche, sondern auch als Richter- und Teufelssitze, Teufels- und Hexenschüsseln u. s. w. bezeichnet werden. In den Schüsseln sammelten die Priester das Blut der geschlachteten Tiere und zum Opfer bestimmten Kriegsgefangenen, um dann vielleicht ihre Hände hinein zu tauchen und das umstehende Volk damit zu besprengen. Obschon Dr. H. Gruner (Opfersteine Deutschlands, Leipzig, 1881) die schüssel- und muldenartigen Vertiefungen als durch Einwirkung von Frost und Atmosphärilien, Gletscherthätigkeit oder Wasserstrahlen entstanden erklärt, würde doch ihre spätere Benutzung zu Opferzwecken damit nicht ausgeschlossen sein; schreibt doch Dr. Gruner (S. 7) selbst: »Daß viele Steine zu solchem Zwecke gedient haben, soll nicht bestritten werden.« Unsere zweite Sage vom Krinitzer Taufsteine faßt übrigens die Hauptvertiefung ebenfalls als ein Naturbecken auf.
Ganz unwahrscheinlich klingt in der zuerst mitgeteilten Sage die Deutung der übrigen Vertiefungen als Sitze für den Täufling und die Taufpaten. Die Täuflinge stiegen in der ersten christlichen Zeit wohl durchgängig ins Wasser und wurden untergetaucht, später, vom 8. Jahrhundert an, trat das Begießen und Besprengen an die Stelle des Untertauchens, obschon sich in der lateinischen Kirche das letztere teilweise noch bis ins 13. Jahrhundert erhalten hat. (Hauff, Bibl. Real- und Verbal-Concordanz, II. S. 748.) Es wäre dabei allerdings immer möglich, daß man am Krinitzer Taufsteine aus dem mittelsten Becken das Wasser geschöpft und damit den Täufling besprengt habe. Daraus aber, daß eine der Vertiefungen als Sitz für den Täufling bezeichnet wird, ergiebt sich, daß der Taufstein bei Erwachsenen benutzt wurde. Wozu dienten dann aber die andern Sitze, da ja wohl bei der Taufe von Erwachsenen keine Paten nötig waren? Es kann nämlich angenommen werden, daß die Wahl von Paten zugleich mit der Kindertaufe gegen Ende des zweiten Jahrhunderts in der christlichen Kirche Gebrauch wurde.
Mir erscheint es darum wahrscheinlicher, in unserm Taufsteine einen heidnischen, entweder germanischen oder slavischen Opferstein zu erblicken, und zwar auch in Berücksichtigung der Sage von dem dämonischen »Uhâmel,« welcher ihn gegen Steinmetzen schützen soll. Von spukhaften Gestalten, welche alte Opfersteine schützen, erzählen auch andere Sagen. So befindet sich bei Mukwar auf einem Hügel ein Stein, von dem man sagt, daß auf demselben einst geopfert worden ist. Als denselben einst ein Arbeiter zerschlagen wollte, sah er auf ihm eine Gestalt in langem, weißem Gewande sitzen. Vor Schrecken lief er davon und seit der Zeit hat niemand mehr Hand an den Stein zu legen gewagt. (Veckenstedt, Wendische Sagen und Märchen. Graz, 1880, S. 431.)
Spukgeister und Gespenster sind nach Otto Henne-Am-Rhyn (die deutsche Volkssage) die Schatten der Götter; Götter werden zu Gespenstern, d. h. zu geisterhaftem täuschenden Trug (Jacob Grimm, deutsche Myth. 1835, S. 512), zu Phantomen, welche Menschen verlocken. Aber ebenso werden auch Menschen, deren Seelen nach der Sage häufig zur Strafe für begangenes Unrecht nicht der Seligkeit teilhaftig wurden, zu Gespenstern, und sie müssen nun zwischen Himmel und Erde schweben oder auch wohl zu den Stätten wiederkehren, an denen sie einst auf Erden wandelten.
Daß die alten heidnischen Götter zu gespenstischen Wesen wurden, erklärt sich aus der Zähigkeit, mit welcher unsere Vorfahren noch lange die Erinnerung an jene Göttergestalten bewahrten, obschon diese Erinnerung nach und nach in soweit verblaßte, als die ursprünglichen Züge sich verwischten und die Begriffe finsterer und abschreckender Gewalten an ihre Stelle traten. (Grimm a. a. O., S. 515.)
Als Beweis hierfür ist an erster Stelle Wuotan (Wodan) oder Odhin, der Herr des Himmels, und somit der Sterne, Wolken und Stürme zu nennen. Begleitet von den Walkyren, den Schlachtjungfrauen, und den in der Schlacht gefallenen Helden, ritt er auf seinem weißen Rosse Sleipnir dahin. Kampf gegen Menschen und Tiere ist die Tugend der Helden und darum ziehen letztere auch durch die Wälder, um zu jagen, und vor ihnen flüchtet das gehetzte Wild; als Geister ziehen sie jetzt durch die Lüfte. (Zapf, Sagenkreis des Fichtelgebirges, S. 2.)
Wuotans Zug ist in der Volkssage zum wilden Heer, der Gott selbst aber zum wilden Jäger geworden. Begründet wird diese Annahme in erster Linie durch skandinavische Sagen und Redensarten; so glaubt z. B. der schwedische Bauer im Sturmesgeheul des Gottes Jagd mit Rossen und Wagen zu vernehmen, und in Schonen nennt man ein nächtliches Geräusch »Odens Jagd«. Ähnlich sagt man in Mecklenburg und Pommern, daß »Wode jage«, und in Schwaben wird das wilde Heer zum »Wuetes«- oder »Wuotes«-, in Mittel- und Süddeutschland aber zum »wütenden Heere«. Und wenn nach einer unserer Sagen der wilde Jäger bei Schönlinde mit »hölzernen Hunden,« d. h. jedenfalls »Holzhunden« oder Wölfen jagt, so verweisen auch letztere auf Odhins Wölfe Geri und Freki, die er nach dem nordgermanischen[18] Mythus täglich füttert. So reicht die Sage vom wilden Jäger und der wilden Jagd bis in das germanische Heidentum zurück. Sie verknüpft sich jedoch nicht nur mit dem Sturmgott Wuotan, sondern auch mit anderen Göttern, selbst Göttinnen und Helden. In Schwaben wurde noch im 16. Jahrhundert an die Spitze der wilden Jagd ein Gespenst mit Namen Berchtold, die männliche Gestaltung der Berahta gesetzt, und so mochten auch heidnische Göttinnen, besonders die genannte Berahta und Holda, welche einst feierlich durch das Land zogen, später nach dem Volksglauben auch das wilde Heer zu bestimmten Zeiten anführen. Wenn Frau Holda an der Spitze ihres Geisterheeres dahinzog, versah Eckhart mit dem weißen Stabe das Amt eines Herolds. Neben Eckhart war nach dem Volksglauben auch Dietrich von Bern ein zweiter Held des gespenstischen Zuges, (Grimm, a. a. O., S. 522–524), wenigstens heißt im Bereiche des Erzgebirges (bei Schönlinde) der wilde Jäger noch »Banditterch,« ebenso wie er in einer oberlausitzischen Sage (Haupt, Sagenbuch der Lausitz, No. 138) »Pan«, d. h. Herr »Dietrich« heißt, der einst ein Raubritter war, welcher wegen seiner Frevel zum wilden Jäger wurde. Der Übertragung der Sagen von Wuotan als wilden Jäger auf die historische Person Dietrichs von Bern wird auch von W. Mannhardt (die Götter der deutschen und nordischen Völker, S. 119) gedacht. Der Gotenkönig Theodorich, welcher in der Sage als Dietrich von Bern fortlebt, soll, – so ging schon im 12. Jahrhundert die Rede, – lebend auf einem Rosse ins Totenreich geritten sein. In Westfalen und Niedersachsen wird dagegen der wilde Jäger auf die historische Person eines braunschweigischen Oberjägermeisters namens Hackelbärend oder Hackelberg bezogen, der zur Strafe für sein eifriges Jagen als wilder Jäger spuken soll. Hackelbärend, d. h. Mantelträger, ist jedoch, wie Jacob Grimm vermutet, ein Beiname des Wuotan, denn des Gottes Schultern umhüllte ein weiter schwarzer Mantel, wenn er auf seinem Rosse dahinbrauste. (Grimm a. a. O., S. 517. Mannhardt, die Götter der deutschen und nordischen Völker, S. 108.)
Nach einer erzgebirgischen Sage (aus Karlsfeld) besteht das Gefolge des wilden Jägers aus den Seelen von Jägern, welche im Leben Übles gethan haben; ähnlich spricht auch der Volksmund in Böhmen (Grohmann, Sagenbuch aus Böhmen und Mähren I., S. 74), daß dem wilden Jäger die Seelen der Verdammten in Gestalt von glühenden Hühnern folgen, und eine norwegische Sage erzählt, daß diejenigen Seelen, welche nicht so viel Gutes thun, daß sie den Himmel, und nicht so viel Böses, daß sie die Hölle verdienen, wie Trunkenbolde und Spötter zur Strafe bis ans Ende der Welt umreiten sollen.[19] (Grimm, a. a. O., S. 525.) Neben denen, die ihre Christenpflicht vergessen haben, sollen auch die ungetauft gestorbenen Kinder und die eines gewaltsamen Todes Umgekommenen zum Gefolge des wilden Jägers gehören, da diese nach einem engherzigen christlichen Dogma vom Himmel verschmäht, dem heidnischen Gotte zufallen. (Henne-Am Rhyn, a. a. O., S. 530.) Wie bei uns im Erzgebirge hörte man auch in der Lausitz beim Durchziehen der wilden Jagd das Anschlagen wie von »Dachshunden« (Haupt a. a. O., N. 39.), und diejenigen, welche den wilden Jäger anriefen, erhielten bei uns wie in der Lausitz und im Harz ein Stück übelriechendes Aas. (Haupt a. a. O., No. 144. Veckenstedt, Wendische Sagen, S. 43, 44, 50. Gillwald, der Harz in Geschichte und Sage, S. 21.) So hören wir dieselben Sagenklänge in den verschiedensten Gegenden unseres Vaterlandes; überall ist das Schattenbild des germanischen Gottes in seinen wesentlichen Eigenschaften gleich; denn er zieht wiederholt dieselbe Straße, führt die Wanderer in der Nachtzeit irre und ist erzürnt, wenn man sein Huh, Huh! oder das Gekläff seiner Hunde nachahmt. Daher gilt auch heute das Gebot, sich bei seinem Nahen nieder auf die Erde zu werfen und ihn nicht anzurufen, wie dies auch eine durch den Kult gebotene Forderung an unsere heidnischen Vorfahren war, wenn Gott Wuotan im Sturme durch die Wipfel der Bäume brauste.
Wie die Sagen vom wilden Jäger, dem ähnlich in unserm Gebirge der Katzen- und Bachreiter, sowie der unheimliche Hans Michel erscheinen, sind auch diejenigen vom Reiter ohne Kopf, der bei uns ein Schrecken der Holzdiebe ist, auf Wuotan zurückzuführen. Ein Reiter ohne Kopf zieht durch die Waldungen des Saallandes, und wenn er junge Leute, welche um Mitternacht auf einem Kreuzwege horchten, vertrieb und verfolgte und diese dann glücklich vor ihm die Hausthüre verschlossen hatten, so geschah ein schwerer Schlag an die Thüre und am anderen Morgen war der tiefe Eindruck eines Hufeisens zu sehen. (L. Zapf, a. a. O., S. 4.) Das Hufeisen weist uns auf Odhins oder Wuotans Roß hin. – Fremdartig ists in einer unserer Sagen, daß der Reiter ohne Kopf auf schwarzem Rosse sitzt, da sowohl dem wilden Jäger als auch Wuotan übereinstimmend sonst nur ein weißer oder grauer Schimmel zugewiesen wird; doch trägt der Reiter einen schwarzen Mantel und um ihn flattert eine Krähe und verkündet den Tod. Einen schwarzen Mantel trägt auch der wilde Jäger, welcher am Roßberge in der Schweiz wohnt (Henne-Am Rhyn, a. a. O., S. 521), und zu Wuotan als wildem Jäger gesellen sich die Totenvögel Eule und Rabe (Mannhardt a. a. O., S. 108); letzterer aber wird in dem Volksglauben vielfach auch durch die Krähe[20] vertreten. – Kopflos tritt meist der wilde Jäger auf, wenn ihn der Glaube als Geist eines ruhelos umhergehenden Herrn, der das Volk durch seine Härte quälte, auffaßt. H. Heine (Sagen, Märchen und Bilder aus dem Harze, 1878, S. 55.) bemerkt, daß bei Meißen der wilde Jäger ein Mann im grauen Rocke, mit hohen Sporenstiefeln, einem Jagdhorne und ohne Kopf sei, der auf einem Grauschimmel reite, und auf der Insel Möen jagt im Grünewalde Wuotan mit einer Meute Hunde hoch zu Roß, einen Spieß in der rechten Hand und das Haupt unter dem linken Arme tragend. (Mannhardt a. a. O., S. 153.) – Die Göttin der Unterwelt war nach dem Glauben der Germanen Hel, nach demjenigen der slavischen Bevölkerung Böhmens die Morana; wenn eine von ihnen erschien, zeigte sie einen Todesfall an. Ursprünglich war die Hel wahrscheinlich die Mutter alles Lebens, zu der auch alles Leben wieder zurückkehrte. Daher wurde sie auf Grund dieser Doppelseite ihres Wesens, in ihrer Eigenschaft als Gebieterin über Leben und Tod, halb menschenfarbig, halb schwarz vorgestellt, und beide Farben tragen auch noch vielfach nach den Überlieferungen der Sage die verwünschten Jungfrauen und Frauen, welche ihre Schattenbilder sind und die teils freundlich, teils feindlich in das Leben der Menschen eingreifen. (Henne-Am-Rhyn, a. a. O., S. 549.) Die weiße Frau zu Neuhaus erscheint bei fröhlichen Gelegenheiten im langen weißen Talar, bei Todesfällen aber in schwarzen Handschuhen. Einen Todesfall verkündet auch die weiße Frau zu Venusberg. – Ihre Doppelnatur kennzeichnet sich bei den weißen Frauen noch dadurch, daß sie nach der Volksüberlieferung bald als blühende schöne Jungfrauen, bald wieder als häßliche alte Weiber erscheinen. Ich rechne dazu die Erscheinung am weißen Fels bei Hartenstein, welche in ihrer Wandelbarkeit an die schöne Jungfrau am Fuße des Nußhardt im Fichtelgebirge erinnert, und die nur dann erlöst werden kann, wenn sie von jemandem zu der Zeit, da sie als häßliches Weib wiederkommt, auf die Stirne geküßt wird. Man sieht sie zuweilen mit einem Rechen an der Sonne Flachsknoten ausbreiten, und dadurch erinnert sie an die Hulda oder Frau Holle, die freundliche Göttin, welche den Flachsbau beschirmte und die fleißigen Spinnerinnen belohnte, die faulen aber bestrafte. Zur Weihnachtszeit hielt sie ihre Umzüge, aber sie fuhr auch nach anderen Überlieferungen, ihrer ursprünglichen Natur entgegen, auf einem Wagen mit dem wilden Heere schreckhaft durch die Lüfte, und Hexen bildeten dann ihre Gesellschaft. (Henne-Am-Rhyn, a. a. O., S. 554.) Ihre abgeschwächten Abbilder sind vielleicht die zwei Jungfrauen des Breiten- und Röthelsteins, die in feuriger Kutsche mit dergleichen Pferden umherfahren und[21] dann im Röthelsteine verschwinden; beide erscheinen zuweilen in schwarzen Kleidern. – Hexenähnlich erscheint uns auch das Fegeweib des Katzensteins, das mit einem Besen die durch die Luft fliegenden Kugeln wegfegt, bis es endlich durch einen frommen Spruch machtlos wird.
Die Überlieferungen von diesen ursprünglich göttlichen Wesen, welche zum Zeichen ihrer Göttlichkeit gewöhnlich weiß gekleidet erscheinen, fließen vielfach zusammen. So erscheint die Frau Holle in Norwegen und Schweden als die Berg- und Waldfrau Hull oder Huldra; sie liebt Musik und Gesang wie das über die Mulde bei Zelle schwebende Fräulein, welchem musicierende Bergleute ein Ständchen bringen, oder wie die Lieder singende Jungfrau des Braunsteins und das Schloßfräulein im Schönjungferngrunde bei Oberwiesenthal, welches die Laute spielt. Auch die Huldra wird bald jung und schön, bald alt und finster gedacht, und wenn sie grau gekleidet und alt an der Spitze ihrer Herde im Walde angetroffen wird, hat sie einen Melkeimer in der Hand. Ich bin geneigt, die Jungfrau auf dem Ziegenschachter Wege bei Breitenbach für identisch mit ihr zu halten, obschon sie durch die Sage zu einer wegen schlechten Maßes der verkauften Milch verwünschten Jungfrau wird, die nun ruhelos umher wandeln muß; sie trägt in der Hand ein Milchseidel und einen grünen Kranz auf dem Kopfe.
Wie die Hulda und die mit ihr verwandte Berahta beschenken auch die weißen Frauen einzelne Menschenkinder mit scheinbar wertlosen Dingen, welche sich später in Gold verwandeln. Ich verweise aus unserm Sagenkreise in dieser Beziehung auf die weiße Frau des hohen Steins bei Graslitz, von welcher ein armer Hirte eine wunderthätige Rute und Laub empfing, das sich in Goldstücke verwandelte; ähnliches wird auch von einem Hirten erzählt, den die Jungfrau des Lautersteins beschenkte, und als die beiden musicierenden Bergleute der Jungfrau bei Klösterlein Zelle ein Ständchen brachten, erhielt jeder von ihnen ein Blumensträußchen, deren eines sich in Gold verwandelte, weil es nicht weggeworfen wurde.
Die den Melkeimer in einer Hand tragende Huldra gehört als Bergfrau offenbar zu den weißen Frauen, welche nach dem Glauben unserer heidnischen Vorfahren ihren Sitz in den Wolken hatten und von da der Erde himmlische Milch, den Regen, spendeten. Wenn man ihre Wohnungen nach einem anderen Glauben auch auf die Berge verlegte, so erklärt sich dies daraus, daß die Wolken von den Naturvölkern auch als Berge angesehen wurden. Die weißen Jungfrauen hängen als Wolkenfrauen häufig Wäsche auf oder bleichen Linnen. Dies thun die Fräulein im Schönjungferngrunde am Fichtelberge und die Jungfrau[22] des Grauensteins; als der letzteren einmal die ausbreitete Wäsche geraubt wurde, verwandelte sich dieselbe in zischende Ottern. Bemerkenswert ist übrigens, daß die Grauensteiner Jungfrau keinen Kopf hat, und sie erinnert dadurch an eine der zahlreichen weißen Frauen des Vogtlandes, welche zuweilen aus den unterirdischen Gemächern der Teufelskanzel bei Ranis hervortritt und an der Stelle des Kopfes zwei goldene Hörner trägt. (Rob. Eisel, Sagenbuch des Vogtlandes, No. 235.) Die Jungfrauen auf dem Hausberge bei Graslitz hängen Wäsche auf, die sich beim Näherkommen in Spinngewebe verwandelt. Anderwärts im Gebirge scheint man die aufgehängte und plötzlich wieder verschwindende Wäsche den Holzweibeln zugeschrieben zu haben. (S. Dämonensagen.)
Da die Wolke in der Vorstellung unserer Vorfahren sowie der Slaven auch als Brunnen galt, so wohnen weiße Jungfrauen nicht bloß auf Bergen, sondern auch in Brunnen. Die Sage erzählt von einem Wunderbrunnen auf dem Fichtelberge, an dem man zu Zeiten eine Jungfrau gesehen hat. Durch diese Brunnenjungfrauen werden wir auch wieder auf die mütterliche Gottheit der Erde Nerthus und auf Frau Holle hingewiesen, welche den Aufenthalt in Brunnen liebten; in der Mittagsstunde sah man sie als weiße Frauen daselbst baden und dann wieder verschwinden. (Jac. Grimm, deutsche Mythologie, S. 166.) Derartigen Überlieferungen begegnet man in den meisten Gauen unseres deutschen Vaterlandes; so badet auch oft eine weiße Frau in dem Heribertsborn, welcher auf dem Höhenzuge Grünscheid bei Solingen entspringt. (Leibing, Sagen und Märchen des Bergischen Landes, No. 54.) Ebenso sind derartige Sagenklänge auch in Böhmen heimisch; dort wird die gütige Jungfrau Lida, welche in Brunnen wohnt und nur in mondhellen Nächten hervorkommt, auf Lada, die slavische Göttin des Frühlings und der Liebe zurückgeführt. (Grohmann, Sagenbuch von Böhmen, S. 33.)
Die auf und in den Bergen, besonders solchen, welche ehemals Burgen trugen, wohnenden weißen Jungfrauen, denen die Sage gewöhnlich ein Schlüsselbund beilegt, und von denen sie erzählt, daß sie unermeßliche Schätze hüten (s. die Schatzsagen), sind ebenfalls göttliche Wesen. Grohmann (a. a. O., S. 34) meint, daß unter ihnen in Böhmen die Tochter des Donnergottes Perun, die jungfräuliche Göttin Devana zu verstehen sei, welche Hanus als Göttin des Lichtes deutet. Während des Winters, wenn das Licht durch trübe Wolken verdeckt wird, ist dieselbe in die Wolkenberge verbannt, und sie wartet auf den Frühling, welcher sie wieder befreien soll. So warten auch die in das Innere der Berge verbannten Jungfrauen, und vielfach ist es eine Blume,[23] welche den Zugang zu ihrem Gefängnisse öffnet. Nach Schönwerth aber ist die Schätze hütende Jungfrau in den rein deutschen Bezirken die verhüllte Erdenmutter, die bereits genannte Hel, oder auch die Nerthus oder Freya; letztere, als Gemahlin Wuotans und Wolkenfrau, nähert sich in vielen Zügen der slavischen Devana, soweit sie aber neben der Herrschaft über Winde, Wolken und Blitze auch Macht über den Sonnenschein besaß und so auch der Erde Segen spendete, verschmolz sie wieder mit der Erdgöttin. (Mannhardt a. a. O., S. 271.) Aller Germanen Mutter und somit die gemeinsame Ahnfrau aller auf den Burgen herrschenden adeligen Geschlechter ist die Erde. Diese göttlichem Geschlechte angehörende Ahnfrau erscheint nun nach der Volkssage noch heute an denjenigen Plätzen, wo ihre Kinder wohnten, welche das Christentum für sich gewann. Durch dasselbe will auch sie erlöst werden, und sie bietet daher ihre Schätze, um dafür Ruhe zu erlangen und wieder mit den Ihrigen vereint zu werden. (Zapf, Sagenkreis des Fichtelgebirges, S. 22.)
Einen mythischen Hintergrund haben die Sagen von gespenstischen Hunden, Hähnen und Hasen. Erstere erscheinen gewöhnlich schwarz, vereinzelt aber auch feurig, und erschrecken die einsamen Wanderer. Vielleicht sind sie in einigen unserer Sagen auf die Hunde der Schicksal verkündenden Nornen zurückzuführen, und damit sind sie auch Verkündiger des Todes oder Krankheit bringend, wie der schwarze Pudel, welcher sich zuweilen auf dem Hemberge bei Bockau sehen läßt. Wo der Hund in Gesellschaft einer Jungfrau im Innern des Berges Schätze hütet, ist derselbe Sarmr, der Hund der Unterwelt.
Daß auch der Hahn mythisch ist, erzählt uns die nordische Götterlehre, nach welcher der Hahn Fialan kräht, ehe das Weltende herannaht; durch Hähne werden Hexen und böse Geister verscheucht und ein schwarzer Hahn ist nach dem Volksglauben dem Teufel geweiht. Ebenso tritt auch der Hahn in den Schatzsagen auf. So führt z. B. ein solcher diejenigen irre, welche auf dem Burgberge bei Lichtenberg den daselbst liegenden Schatz heben wollen. In böhmischen Sagen vertreten goldene Hähne die Stelle von Schätzen, und Hühner legen auch nach anderen Überlieferungen goldene Eier. – Endlich sprechen für die mythische Bedeutung des Hasens viele abergläubische Meinungen; so ist z. B. im Vogtlande ein Hase, welchen man beim ersten Ausgange zuerst erblickt, Unglück verkündend. Er ist ein Göttertier, denn die Göttin Hulda ließ sich bei ihrer nächtlichen Wanderung, welche sie als Mond ausführte, von Hasen Lichter voraustragen. Als einst ein Arbeiter in Blauenthal nach einem an der nahen Steinwand, wo sich[24] auch andere Spukgespenster sehen lassen, wiederholt nächtlich erscheinenden weißen Hasen schlug, war er in der nächsten Nacht tot.
Unter den erzgebirgischen Spukgeschichten giebt es viele, nach denen die Seelen verstorbener Menschen, welche der himmlischen Ruhe nicht teilhaftig geworden sind, auf Erden umherwandeln. »Sie gehen um«, wie der Volksmund sagt, denn sie bleiben als schattenhafte Wesen in der Nähe des Ortes, welcher ihnen einst in ihrem irdischen Leibe als Wohnplatz angewiesen war. Nicht immer ist dies, wie bei dem Rachhals zu Aue, nach dem Volksglauben eine Strafe für begangenes Unrecht, oft sind diese Gespenster warnende Geister, ja sie haben sich vereinzelt selbst zu gutmütigen Hausgeistern umgewandelt. Andererseits aber werden auch solche Gespenster zu Quälgeistern, die sich gleich böswilligen Kobolden dem Wanderer aufhocken, oder ihre Angehörigen in anderer Weise ängstigen; dies thun z. B. das Gespenst, welches als feuriger Hund bei Graslitz erscheint, und die gespenstischen Frauen, welche ihre Ehemänner beunruhigen. Der »schwarze Mann«, mit welchem Namen sich häufig die Kinder gegenseitig schrecken, ist ein Schattengeist, der zuweilen nur erscheint, um zu drohen, ohne jemandem sonst weiter ein Leid zuzufügen. Teilweise, wie in Schneeberg, meldet die Sage bloß, daß er sich sehen läßt, sie teilt aber über die Bedeutung und Ursache seines Erscheinens nichts weiter mit. An anderen Orten, wie in Königswalde, ist er ein bösartiges Wesen, welches ein eben getauftes Kind holen will; er erinnert so an den Vernichtungsgott Surtr. Ursprünglich aber ist der schwarze Mann wohl auf den Schutzgeist zurückzuführen, welchen jeder Mensch zu eigen hatte. (Rochholz, deutscher Glaube und Brauch, I. S. 104.)
Die Sagen von den umherwandelnden Geistern Verstorbener werden durch altheidnischen Glauben begründet. Nach demselben tritt mit dem Tode keine Vernichtung ein, ja der Krieger ist nach solchem Glauben imstande, auch im Grabe einen ins Land fallenden Feind zurückzuschrecken. Der deutsche Häuptling Iwar befiehlt sterbend, daß man ihn an derjenigen Landesgrenze begrabe, an welcher am meisten feindliche Einfälle zu befürchten seien. (Rochholz a. a. O., S. 117.) Nach der Darstellung der Edda behalten die Helden ihren Körper; kämpfen sie doch in Walhalla mit vollkommenem Leibe, den keine Wunden töten; aber die Bösen,
kommen in einen Saal, »fern von der Sonnen, das Thor gegen Norden am Leichenstrand. Da saugt und frißt an entseelten Leichen der wölfische Neidhagen«. (Edda, die Kunde der Wala 13.) Wenn also[25] nach diesem altheidnischen Glauben der Leib der Bösen vernichtet und in den Urstoff aufgelöst wird, so müssen ihre Seelen ruhelos auf der Erde umherwandeln, bis ihre Strafzeit vorüber ist und sie einen anderen Leib finden.
So ist also der Gespensterglaube ein Überrest heidnischer Vorstellungen, welche in die Gegenwart hineinragen, deren Ursprung jedoch dem Volke nicht bekannt, deren tiefere Bedeutung vergessen worden ist.
(Christ. Lehmann, Histor. Schauplatz etc. S. 77.)
Insonderheit hatte der höllische Jäger vor und in dem 30jährigen Kriege auf den hohen Wäldern sein Affenspiel, indem es, vornehmlich, wenn etwa eine feindliche Armee einbrechen sollte, wie ein starkes Jägergeschrei »Hu! hu! hu!« erschallte. Man hieß es insgemein das wütende Heer, und war ein böser Vorbote. Anno 1626 ritt Junker Rudolf von Schmertzing, Erbsaß auf dem Hammergute Förstel, halbtrunken von Annaberg ganz allein, und vermeinte den geraden Weg über Schlettau auf die Scheibenbergischen Mühlen durch die Unter-Scheibner Räume zu nehmen. Es verführte ihn aber eine Jagd mit Jägergeschrei und Hundegebell, welchem er nachritt, und fiel mit seinem Pferde in einen Morast, darin das Pferd halbversunken stecken blieb. Er arbeitete sich endlich heraus, lief nach den benachbarten Vorwerken, kleidete sich um und ließ Leute auftreiben, welche das Pferd mit Stangen und Seilen aus dem Morast zogen.
Einst reiste auch ein alter Priester von Wiesenthal sehr frühe durch den Wald nach Annaberg. Da erhob sich mitten im Walde ein ungemeines Jägergetöne, um welche Zeit doch kein Arbeiter und Jäger in dem Walde zu finden war. Sein Fuhrmann besann sich bald darauf und sagte: »Herr, es ist das wütende Heer; wir wollen in Gottes Namen fahren, es kann uns nicht schaden.«
(Mündlich.)
An dem von der Straße in Weißbach nach Kirchberg abführenden Hohlwege soll sich oftmals das wütende Heer haben hören lassen.
(I. Gräße, Sagenschatz d. K. Sachsen, No. 499. II. Mündlich.)
I. Eines Tages sind zwei Brüder, Spitzenhändler, auf der Straße von Stangengrün nach Hirschfeld geritten, da haben sie plötzlich am hellerlichten Tage auf freiem Felde das laute Hohoschreien des wilden Jägers gehört, aber ihn selbst nicht gesehen; nur unter ihren Pferden, die sich furchtbar gebäumt, sind eine Menge kleiner Dachshunde herumgelaufen, ohne daß sie jedoch einen derselben hätten von den Pferden treten sehen, und plötzlich ist alles wieder verschwunden gewesen.
II. Zwischen Hirschfeld und Stangengrün liegt der Teufelswald. In demselben hat man mehrmals die wilde Jagd gesehen und gehört. Dies widerfuhr unter anderen einem Tischler, welcher einst des Nachts um 12 Uhr mit einem Karren durch den Wald fuhr. Da hörte er Pfeifen und Gebell, und darauf sah er auch den wilden Jäger als schwarze Gestalt zu Fuße an sich vorübergehen; derselbe führte zwei Hunde bei sich.
(Grohmann, Aberglauben und Gebräuche aus Böhmen und Mähren. 1. B. 1864. S. 5.)
Eine alte Frau aus Komotau erzählte: Geht man an Adam und Eva früh zur heiligen Beichte und Kommunion und fastet dann den ganzen Tag, selbst abends, und geht dann um Mitternacht auf einen Kreuzweg, so sieht man die wilde Jagd vorüberziehen, und der letzte aus derselben giebt einem einen Thaler, der, so oft man ihn auch wechselt, immer wieder zurückkehrt.
Wenn Grohmann (Aberglauben und Gebräuche aus Böhmen und Mähren, Vorrede S. 7) bemerkt, daß den Slaven der Glaube an den wilden Jäger fehlt, so bezieht sich dies wohl nur auf die Czechen. Veckenstedt teilt eine größere Anzahl wendischer Sagen vom Nachtjäger mit. Auch nach dem Glauben der Niederlausitzer Wenden erscheint der Nachtjäger wie bei uns auf Kreuzwegen; ebenso ist er selbst sowie sein Pferd ohne Kopf. (Wendische Sagen und Märchen, Graz 1880, S. 35 etc.)
(Mitgeteilt vom Lehrer Thuß in Tellerhäuser.)
Bei Karlsfeld ist der wilde Jäger mit seinem Heere öfters gesehen und gehört worden. Sein Gefolge besteht aus den Seelen von Jägern, die in ihrem Leben Böses gethan haben und nicht zur Ruhe kommen können.
(Grohmann, Sagenbuch von Böhmen und Mähren, I. S. 78.)
Auch bei Schönlinde läßt sich zuweilen der wilde Jäger sehen; man nennt ihn dort Banditterch (Berndietrich). Er soll daselbst in den Schweinsgründen und in Budersdorf mit hölzernen Hunden herumjagen.
Die hölzernen Hunde sind ebenfalls gleichbedeutend mit Holzhunden, wie man in Norddeutschland die Wölfe heißt; der wilde Jäger jagt also nach dieser Sage mit Wölfen. Die Wölfe aber, welche schon in der Edda Hunde genannt werden, sind Lieblingstiere Wuotans.
(Köhler, Volksbrauch etc. im Vogtlande, S. 509.)
Noch im vorigen Jahrhunderte hatte der wilde Jäger sein Revier in der Gegend von Neustadt bei Falkenstein. Da zog er des Nachts in der Luft mit seinen Hunden oft über Neustadt hinweg und ließ sein »Hoho!« hören. Einmal sah ein dortiger Bauer zum Fenster hinaus, als der wilde Jäger in der Luft hinzog, und er äffte das »Hoho!« nach. Am nächsten Morgen fand der Bauer auf seinem Fensterstocke draußen einen toten, übelriechenden Hasen. Er verscharrte ihn in seinen Düngerhaufen, aber am nächsten Morgen lag er doch wieder auf demselben Fensterstocke. Er verscharrte ihn zum zweiten und dritten Male, aber der Hase lag am nächsten Morgen immer wieder auf dem alten Platze. Auf den Rat anderer Leute vergrub ihn der Bauer endlich unter gewissen Förmlichkeiten auf einem Kreuzwege, und der ihm vom wilden Jäger zugedachte Braten kam nimmer wieder.
Wir finden im Erzgebirge für die Züge des wilden Jägers oder Wuotans sowohl die Bezeichnung »wilde Jagd«, als auch »wütendes Heer.« Unser Gebirge bildet die Grenzscheide zwischen Nord- und Süddeutschland, und daher vermengen sich hier beide Namen, von denen der eine (wilde Jagd) vorzugsweise Nord-, der andere (wütendes Heer) aber Süddeutschland angehört. Wuotan ist übrigens in seinem Namen, welcher den »stürmisch Schreitenden« bedeutet, mit dem Worte »Wut« verwandt.
Die Sagen von dem wilden Jäger lassen uns Umschreibungen von Naturvorgängen erkennen. Der Sturmgott Wuotan ist der Sturm selbst; sein Roß, Hut und wallender Mantel sind die Wolken, Wolken sind ursprünglich vielleicht auch die von ihm gejagten Frauen. (S. die Sagen von den Holzweibchen.)
Der Hase ist ein gespenstisches oder teuflisches Tier; in der Lausitz glaubt man, daß die Hexen zuweilen in der Gestalt von Hasen durch das Dorf laufen. Der Hase war den Asen geweiht. Das Hinwerfen eines Hasen durch den wilden Jäger hat also eine mythische Bedeutung, ebenso wenn anderwärts ähnliche Sagen erzählen, daß der wilde Jäger dem Rufenden ein Pferdeviertel zugeworfen habe. In letztgenannter[28] Überlieferung findet sich vielleicht eine Erinnerung an die alten heidnischen Opfermahlzeiten, bei denen das Pferdefleisch nicht fehlte.
(Mitgeteilt vom Lehrer R. Bachmann aus Markneukirchen.)
Auf dem Tossen, einem kahlen Landrücken bei Schönbach in Böhmen, jagt allnächtlich der graue Jäger mit seinem Hunde. Als einst eine Frau aus der sogenannten Hetaschen von Markneukirchen aus heimkehrte, gesellte sich zu ihr der graue Jäger und begleitete sie bis nach Hause. Die Frau erzählte dies ihrem Manne. Am andern Morgen lag ein Stück Hirschfleisch auf dem äußern Fensterbrette. Der Mann stieß es hinab, und drei Tage darauf war er eine Leiche. Seitdem hat man den grauen Jäger nie wieder gesehen oder jagen gehört.
(Grohmann, Sagen aus Böhmen. S. 115.)
In Rodau, einem Dorfe bei Graslitz, erzählt man sich viel von dem Waldschützen. Es soll dies ein Mann sein, der in dem nahegelegenen Walde zu mitternächtlicher Stunde umgeht. Er schlägt dabei mit großer Kraft und Gewalt an die Bäume und verursacht dadurch einen großen Lärm. Zugleich setzt er dem Wilde nach, scheucht es auf und treibt es so lange herum, bis ihn die Geisterstunde zurückruft. Dabei hört man, wie er die Hunde hetzt. Deshalb nennen ihn die Leute den Waldschützen. Er geht immer tiefer in den Wald und verliert sich endlich im Forste.
Dieser Waldschütz hat endlich auch die Gewohnheit, die Leute in diesem tiefen Walde irre zu führen. Eines Tages ging ein Holzhauer aus dem Walde nach Hause. Er war noch nicht lange gegangen, als es stockfinster wurde und er furchtbare Axtschläge in seiner Nähe vernahm. Der Holzhauer ging herzhaft auf den Lärm los, weil er glaubte, daß es Holzdiebe seien. Wie er aber auf den Platz kam, wo die Schläge erschallten, sah er einen fremden Mann in Jägertracht, der an die Bäume klopfte. Der Holzhauer fragte: »Wer bist Du?« »Ich bin der Waldschütz!« sagte der Mann und klopfte weiter. Der Holzhauer folgte dem Mann nach. Um Mitternacht waren sie schon tief in den Wald geraten, da fühlte der Holzhauer plötzlich einen Axtschlag, daß er halbtot zu Boden stürzte. Am anderen Morgen, als er aufwachte, standen einige Leute bei ihm, die ihn gefunden hatten. – In der Hochgart geschah es, daß dieser Geist sich am Tage sehen ließ;[29] dann ist er böswillig und läßt niemanden ungeschoren. Ein armer Mann sah ihn und rief ihn dreimal beim Namen: »Waldschütz, Waldschütz, Waldschütz!« Da drehte sich derselbe um und sprach: »Für dein Necken sollst du hier in einen Baumstumpf verwandelt so lange stehen, bis dich der Zufall erlöst.« Augenblicklich ward der Mann zu einem Baumstumpf und wurzelte im Boden. Seine Erlösung aber blieb nicht lange aus. Eines Tages waren Köhler in der Nähe; einer derselben sah den Stock dastehen und dachte, er sei gut, das Mittagsessen darauf einzunehmen. Er legte daher sein Brot darauf, schnitt es mit dem Messer durch, so zwar, daß er auch noch in den Stock schnitt, und hackte auch seine Hacke darin ein. In demselben Augenblicke schrie es heftig auf, der Baumstumpf verschwand und der verzauberte Mann stand erlöst vor den Augen der Köhler.
(Sachsens Kirchengalerie, 2. B. S. 177.)
In der Mitte des 17. Jahrhunderts gehörte der Ort Klingenberg einem Herrn Reichbrod von Schrenkendorf, der ein großer Jagdfreund gewesen zu sein scheint, indem eine nach Colmnitz hin gelegene Waldwiese, genannt »Reichbrods Wiese«, heute noch von den Landleuten ungern zur Nachtzeit passiert wird, weil daselbst Reichbrod einen Jagdlärm treibt, als ob wilde Schweine gehetzt würden.
(Ziehnert, Sachsens Volkssagen. Anhang, No. 29.)
In dem Hofbusche bei Schlettau, durch den der Weg nach Unter-Herrmannsdorf führt, läßt sich bei Nacht oft ein gespenstischer Jäger ohne Kopf sehen. Er soll vor alter Zeit die Armen, welche sich das dürre Reißholz sammelten, oft unbarmherzig mißhandelt haben und zur Strafe nach seinem Tode nun umgehen müssen. Rechtliche Leute läßt er ungeneckt, aber die Holzdiebe hat er schon oft in Todesangst gejagt und bisweilen festgebannt, so daß sie Stunden lang an einer Stelle stehen bleiben mußten.
(Nach der poetischen Bearbeitung von Ziehnert bei Gräße, Sagenschatz des K. S. No. 572.)
Auf dem Ziegenberge bei Zwönitz soll sich ein Reiter ohne Kopf sehen lassen, von dem sich das Volk folgendes erzählt:
Einst (im 17. Jahrhundert) soll ein Müller in Zwönitz eine sehr schöne Tochter gehabt haben, die mit dem Förster von Grünhain heimlich versprochen war; derselbe war übrigens mit den übrigen Gliedern ihrer Familie so gut wie gar nicht bekannt. Nun hatte aber der Müller auch einen Sohn, von dem er sich losgesagt hatte, weil derselbe ohne seine Erlaubnis die Tochter des Scharfrichters geehelicht und damit nach den Ansichten jener Zeit seine Familie beschimpft hatte. Gleichwohl kamen die Geschwister an diesem und jenem Orte mit einander zusammen, und als nun eines Tages die schöne Müllerstochter in die Schenke wo sie ihren Liebhaber zu treffen dachte, zum Tanz gegangen war, traf sie ihren Bruder mit seiner Frau und konnte es ihm natürlich nicht abschlagen, ein Tänzchen mit ihm zu machen. Während dem war aber der Förster angelangt und gleich vom Pferde aus, wie er war, auf den Tanzsaal geeilt; als er nun seine Braut in den Armen eines ihm Fremden erblickte und sah, wie sie freundlich mit ihm scherzte, ergriff ihn rasende Eifersucht. Er lockte sie also unter Schmeichelworten auf den Ziegenberg, indem er vorgab, er habe bei dem schnellen Ritte etwas im Walde verloren und sie solle ihm suchen helfen. Das Mädchen ging auch, nichts Böses ahnend, mit; als sie aber an eine recht wilde, verwachsene Stelle des Berges kamen, warf er ihr ihre Untreue vor und erstach sie, ohne nur ihre Verteidigung anhören zu wollen. Leider hatte er nur zu sicher getroffen, die Unglückliche gab in wenigen Minuten ihren Geist auf, indem sie nur noch so viel Zeit hatte, ihrem Mörder zuzurufen, ihr vermeintlicher Verführer sei ihr Bruder gewesen, den er noch nicht gekannt habe. In wilder Verzweiflung warf sich der Förster über die Sterbende, allein er vermochte sie nicht wieder ins Leben zurückzurufen. Er eilte also auf den Tanzsaal und schrie ihrem Bruder zu, er habe seine Schwester gemordet, er wolle sich selbst dem Gerichte übergeben. So geschah es auch. Da er den Tod suchte, dauerte die Untersuchung nicht lange, schon nach drei Monden fiel sein schuldiges Haupt zu Grünhain auf dem Schafott; auf dem Flecke aber wo die blutige That geschehen, ward ein Rosenstrauch gepflanzt, dessen weiße Rosen des Nachts wie mit Blut besprengt aussehen und der seine Blätter traurig zur Erde zu senken scheint. Um Mitternacht aber kommt, wenn böse Zeiten bevorstehen, ein Reiter, den Kopf unter dem Arme, vom Grünhainer Hochgericht nach dem Rosenstock geritten, verweilt kurze Zeit daselbst und kehrt dann wieder zurück.
Der letzte Teil der Sage erinnert an die poetische Vorstellung, daß die entweichende Seele eine aufblühende Blume ist, durch welche sie auch symbolisch dargestellt wird. Die weiße Rose, welche des Nachts wie mit Blut besprengt dasteht, ist die Seele des ermordeten Mädchens. Die Seelen Verstorbener wachsen als Blumen[31] aus dem Grabe. Erhob sich doch auch auf den Gräbern Tristans und Isoldes eine Rebe und ein Rosenstock.
(Gräße, Sagenschatz etc. No. 267.)
Auf der von Hainsberg nach Tharand führenden Chaussee soll sich an gewissen Tagen um Mitternacht ein Spukgeist sehen lassen; er reitet auf einem Pferde ohne Kopf und trägt den seinigen zuweilen selbst unter dem Arme, er jagt bis Tharand und kehrt dann wieder zurück.
(Christ. Lehmann, Histor. Schauplatz etc. S. 75.)
Eine halbe Meile von Grünhain gegen Waschleite ist einem Gerber von Elterlein, der des Nachts von Schwarzenberg heimfuhr, eine ganze Rotte Reiter ohne Köpfe und in mancherlei Gestalt entgegengekommen, denen mußte er ausweichen, worauf er infolge des gehabten Schrecks krank wurde. Daselbst hat man auch zuweilen die schönste Geistermusik gehört.
(Nach Mitteilung des Lehrers R. Schlegel aus Wildenfels.)
Die Holzhauer erzählen, daß sich an dem sogenannten neuen Teiche im Wildenfelser Walde ein Reiter ohne Kopf sehen lasse, welcher dann im Wasser verschwinde.
Unselige Geister erscheinen häufig hauptlos, wie uns die Sagen aus zahlreichen Orten erzählen. Ohne Kopf sieht man z. B. den Reiter im Wiesenthale bei Königerode. Auch der wilde Jäger im Zellgrunde zeigt sich ohne Kopf. (Größler, Sagen aus der Grafschaft Mannsfeld, No. 54 und 162.) In einem bei Weimar gelegenen Hölzchen läßt sich des Nachts ein Reiter sehen, welcher seinen Kopf wie einen Hut unter dem Arme trägt; er führt die Leute irre. (Witzschel, Sagen aus Thüringen, No. 297.) Bemerkenswert ist dabei, daß solche unselige Geister vielfach auf halben oder dreibeinigen Rossen reiten und mit einer Meute dreibeiniger Hunde den Zug des wilden Jägers begleiten. Es ist dies eine Erinnerung an die Todes- und Pestgöttin Hal, welche auf einem dreibeinigen Pferde erscheint.
(Mitgeteilt vom Seminarist Osw. Hübner aus Bernsbach.)
Auf der Straße von Bernsbach nach Beierfeld, im sogenannten Kirchgraben, soll öfters ein Reiter ohne Kopf gesehen worden sein.
(Mitgeteilt von J. G. Müller, Kirchner und Lehrer in Lößnitz.)
In der Mitte des Weges zwischen Lößnitz und Schloß Stein ist ein Waldort, genannt »die hohle Linde.« Zur Zeit steht an der Stelle neben einer Vertiefung eine junge Linde; ehemals befand sich eine umfangreiche hohle Linde daselbst. Früher stieg aus derselben um Mitternacht ein Reiter ohne Kopf, der den Wald durchirrte und die Leute schreckte. Noch jetzt soll derselbe zuweilen aus der kleinen Senke daselbst aufsteigen.
(Gräße, Sagenschatz d. K. Sachsen, No. 574; z. T. mündlich.)
In der Gegend von Stollberg soll bei Nacht ein Reiter ohne Kopf, in einen langen schwarzen Mantel gehüllt, auf einem schwarzen kopflosen Rosse herumreiten. Vor ihm her flattert eine grau und schwarz gefleckte Krähe, welche sich auch bisweilen auf einer großen Linde in der Oberstadt sehen ließ und durch ihr nächtliches Krächzen jedem, der es hörte, den Tod binnen drei Tagen verkündigte. Nach anderen sollen vor dem Reiter drei Raben fliegen; auf welchem Hause sich dieselben niederlassen, daraus soll jemand in demselben Jahre sterben. Den Reiter nennt man den Panzerreiter.
(Grohmann, Sagen aus Böhmen, S. 95.)
Einst gingen einige Leute von Lichtenstadt nach Karlsbad; als sie den Berg hinuntergingen, war es gerade 11 Uhr in der Nacht. Da sahen sie unten viele hunderte von feurigen Männern und Pferden ohne Köpfe sich herumtummeln. Um 12 Uhr war alles wieder verschwunden.
(Mitgeteilt vom Seminarist Paul Mothes aus Bockau.)
Ungefähr 20 Minuten von dem durch seinen früher lebhaft betriebenen Arzneihandel bekannten Bergflecken Bockau befindet sich ein[33] Sumpf, von den Bewohnern einfach »die Pfütze« genannt. Dabei erhebt sich ein Felsen, auf dem in gewissen Nächten zwischen 11 und 12 Uhr ein großes Schloß mit unzählig erleuchteten Fenstern zu sehen ist. Jeder aber, welcher auf das Schloß zugeht, wird in der Irre umher geführt. An demselben Platze hat sich auch zuweilen ein Reiter ohne Kopf sehen lassen.
(Mitgeteilt von Lehrer E. Schlegel aus Zschorlau.)
Da, wo von der Chaussee zwischen Schneeberg und Bockau der Communikationsweg nach Albernau abgeht, steht eine steinerne Säule. Von diesem Platze wird verschiedenes erzählt. Einige wollen daselbst in gewissen Nächten zur Mitternachtsstunde einen Reiter ohne Kopf gesehen haben, der mit wildem Geheule vorüberjagte; andere erzählen, daß sich dort des Nachts zwischen 12 und 1 Uhr ein Licht hin und her bewege, wobei zugleich deutlich Gewinsel zu hören sei.
(Gießler, Sächs. Volkssagen, Stolpen, S. 618.)
Schon von vielen Personen wurde auf der Chaussee vom Gasthofe zu Bärenburg aufwärts nach Altenberg, da wo die Straße der Steigung halber die großen Krümmungen macht, eine Erscheinung ohne Kopf beobachtet. Bei der letzten »Drehe« pflegt die Gestalt, welche sonst immer in gleicher Höhe mit dem Wanderer auf der andern Seite der Straße fortschreitet, zu verschwinden. Die oft einsam fahrenden Postillone der Nachtpost wollten in früherer Zeit den Spuk neben den Pferden hergehend gesehen haben.
(Chr. Lehmann, Histor. Schauplatz. S. 943.)
In Neustädtel bei Schneeberg erzählt man von einer gespenstischen weißen Frau, welche eine Sechswöchnerin gewesen und endlich verbannet worden. Auf deren Grab ist immer ein Grüblein, einer Backschüssel groß, geblieben, ob man es gleich zufüllete.
(Lehmann a. a. O. S. 942.)
Auf dem herrschaftlichen Hofe zu Venusberg bei Thum kennt man eine weiße Frau von langen Jahren her, ohne daß jemand wissen[34] will, wer sie gewesen. So oft bei der Herrschaft oder ihrer Familie und nächsten Anverwandten ein Todesfall sich ereignen soll, lässet sie sich eine gute Zeit zuvor von vielen öffentlich sehen, und zwar, wenn ein Todesfall im Hause geschehen soll, gehet sie aus selbigem heraus, die Treppen hinunter, über den Hof hinab bis zu demjenigen Thor, durch welches die Leiche hinausgetragen werden soll. Ist aber der Todesfall außerhalb des Hauses unter den nächsten Anverwandten zu vermuten, so läßt sie sich nur bald hier, bald dort, auch wohl zu den Fenstern herab sehen. Es ist aber niemandem dadurch ein Leid oder eine Krankheit widerfahren, weil sie ohne Beleidigung ihr Wesen treibt.
(Mündlich.)
In der Kosaken- und Webergasse zu Schneeberg hat sich des Nachts mehrere Male eine weiße Frau sehen lassen.
(Mitgeteilt vom Lehrer Thuß in Tellerhäuser.)
Auf dem Wege von Wildenthal nach Karlsfeld ist öfters des Nachts bei Mondenschein eine Frauengestalt in weißem Gewande erschienen. Dieselbe ging stets vor dem Wanderer her, ließ sich aber von demselben nicht erreichen, so sehr er auch seine Schritte beschleunigte.
(Bürgermeister Schönherr im Freiberger Anzeiger 1883, No. 181. 1. Beilage.)
Der Weg durch die sogenannte lange Gasse in Altenberg, welche nach Zinnwald führt, wird vielfach begangen; man findet darin eine einfache unbearbeitete Porphyrsäule, der Brautstock genannt. Eingearbeitet sind die Jahreszahlen 1716 und 1820. Der Sage nach soll von Zeit zu Zeit und in gewissen Nächten eine weiß gekleidete junge Frau zu erblicken sein, welche am Steine seufzt, betet und dann zu versinken scheint. Im Anfange des vorigen Jahrhunderts soll unter seltsamen Umständen an dieser Stelle eine Vermählung stattgefunden haben. Ein in einem Duell verwundeter Offizier ließ sich hier die Geliebte antrauen und gab darauf sein Leben Gott zurück.
In Wirklichkeit dürfte der genannte Brautstock nichts anderes als ein großer Rainstein sein, der bei der großen Verrainung vom Jahre 1716 zwischen der kurfürstlichen Waldung und derjenigen der Zwitterstocksgewerkschaft zu Altenberg gesetzt wurde. Der Stein trägt zunächst das Waldzeichen letzterer Gewerkschaft, das Jupiterzeichen aus den Kalendern, welches einem lateinischen »Z« ähnelt, sodann die Jahreszahlen »1716« und »1820«, die Rainungsziffer 53, nach Süden abermals das Jupiterzeichen und nach Westen ein lateinisches »A« (Altenberger Staatsforstzeichen). Eine Innschrift führt der Brautstock nicht und doch ist derselbe schon seit Jahren unter diesem Namen als Grenzrainungsmarke in verschiedenen Karten und Fluraufrissen geführt worden.
Der vorigen Sage von der weißen Frau am Brautstocke liegt eine wirkliche Begebenheit zu Grunde. Auf einer kleinen sumpfigen Waldwiese südlich von Peterswalde fand zu Anfange des vorigen Jahrhunderts ein Duell auf Kugeln statt, bei welchem der Garde-Capitän von Siemensky tödlich verwundet wurde. Seine Braut war in einem Wagen mit einem Arzte gefolgt und als der letztere äußerte, der Verwundete könne vielleicht noch gerettet werden, wenn es gelänge, die Kugel durch einen sachverständigen Beistand zu entfernen, wurde der Garde-Capitän in dem Wagen auf einer vierstündigen Fahrt über Schönwalde und Voitsdorf bis nahe vor Altenberg gebracht. Hier aber auf der steinigen Landstraße fühlte der Verwundete sein Ende herannahen und begehrte, daß ihn ein Geistlicher mit seiner Braut trauen sollte, um letztere in den ungeschmälerten Besitz seiner Güter zu setzen und ihre Ehre vor der Welt zu retten. Eilig wurde aus Altenberg der Pastor Johann George Bretschneider geholt und dieser vollzog unter freiem Himmel die Trauung. Darauf starb von Siemensky. Seine angetraut Gattin starb bei der Geburt eines Knaben, welcher von einem Herrn von Nostitz erzogen wurde und später das Erbe seines im Duell getöteten Vaters antrat.
Forstleute haben später durch den einfachen »Brautstock« die Stelle bezeichnet, wo jene tragische Begebenheit der Vermählung im Angesichte des Todes sich ereignete.
(S. Näheres bei Gießler, Sächsische Volkssagen. Stolpen ohne Jahreszahl. S. 607 etc.)
(Ziehnert, Sachsens Volkssagen. Anhang No. 15.)
Auf dem Schlosse Scharfenstein zwischen Zschopau und Wolkenstein geht seit Jahrhunderten eine weiße Frau um. Des Nachts mit dem zwölften Glockenschlage wird sie rege und wandelt, in lange, weiße, nebeldünne Gewänder gehüllt, durch alle Gemächer des Schlosses, bleibt bisweilen stehen und seufzt und ist überhaupt traurig. Oft hat man gewagt, sie anzureden, aber nie hat sie Antwort gegeben, sondern ist immer sogleich entflohen. Sie muß eine schwere Sünde begangen haben; welche aber, weiß niemand.
(Anton Aug. Naaff und Friedr. Bernau in der Comotovia, 4. Jahrg. Komotau 1878. S. 84.)
Zu Unterchodau bei Elbogen stand früher an der Stelle der Porzellanfabrik ein einfaches, einstöckiges Schlößchen, an das später eine Glashütte angebaut wurde. Erst später entstand hier eine Porzellanfabrik. In diesem Schlößchen nun wohnte die Witwe eines ehemaligen Littmitzer Brauers, welche Wohnung ihr von der Stadt Elbogen mildherzig verliehen wurde, nachdem sie mit ihrem Manne gänzlich von Vermögen gekommen war. Sie ging nun einst bei ihrem Schwager vorbei, der gegenüber der Schule wohnte; derselbe rief sie ins Haus und gab ihr ein Krüglein Bier. Da blickt sie gegen das Schlößchen und sieht plötzlich im Erkerfenster eine weiße Frau stehen. Ach Gott! rief sie, ich habe meine ganze Wäsche auf dem Boden, man will sie mir gewiß stehlen! Sie läuft nach Hause, ihre Kinder weinen, sie nimmt das jüngste auf den Arm und eilt die Treppe hinauf. Auf dem Boden angelangt, bleibt sie jedoch ganz starr stehen, – sie sieht die weiße Frau mit verschränkten Armen und auf dem Dachboden einen Haufen Gold, auf welchem Pergamentrollen lagen. Statt von dem Golde zu nehmen, lief sie zum Schwager mit der Bitte, ihr das Gold wegtragen zu helfen; bei der Rückkehr jedoch war alles verschwunden. Auch als schon die Glashütte stand, hielt sich kein Arbeiter abends gerne in der Werkstätte auf und selbst jetzt noch hält man es dort nicht für geheuer.
(Anton Aug. Naaff und Friedr. Bernau in der Comotovia, 4. Jahrg. Komotau 1878. S. 84.)
Bei dem Hofe Premlowitz bei Karlsbad geht eine weiße Frau um. Vor fünfzig Jahren noch will man sie täglich von 11 bis 12 Uhr mittags mit verschränkten Armen auf dem Hofgang gesehen haben.
Einmal sah die weiße Frau ein Knecht, der auf dem Felde ackerte. Er rief sie mit den Worten an: Du könntest mir auch ausspannen helfen! erhielt aber plötzlich einen solchen Schlag ins Gesicht, daß ihm der Backen anschwoll und er mehrere Wochen das Bett hüten mußte.
(Joh. Böhm in der Erzgebirgs-Zeitung, 2. Jahrg. S. 131.)
Es weidete einmal ein Junge aus Waltersdorf, einem Dorfe am Südostfuße des hohen Steines, seine Herde, als um die Mittagszeit herum eine weiße Frau erschien und ihn fragte, was er denn in seinem Zwerchsacke trage. »Mein Brot,« antwortete furchtsam der Hirt. »Gieb mir etwas davon,« bat die Frau, und während der Angesprochene ihrem Wunsche willfahrte, sagte er, daß er ihr nur wenig bieten könne, indem seine Bäuerin ein geiziges Weib sei, die ihrem Gesinde die Brocken in die Schüssel zähle. Da überreichte ihm die weiße Frau eine kleine Rute mit dem Bedeuten, das geizige Weib damit zu berühren, wenn sie im Begriffe stehe, ihm sein Brot mit auf die Hutweide zu geben. Außerdem streifte sie mit der Hand das Laub von dem Aste eines Baumes und sprach: »Nimm auch diese Blätter und hebe dieselben wohl auf; sie sind der Lohn für das mir gereichte Brot.« Nach diesen Worten entschwand die Frau den Blicken des Hirten, der das erhaltene Geschenk in seinen Taschen barg. Als er aber am Abend seine Herde nach Hause trieb, wurde ihm das Tragen der Blätter unbequem, und einfältig, wie er war, warf er sie von sich. Wie reute ihn aber sein Thun, als er zu Hause angelangt, in seiner Tasche drei funkelnde Goldstücke fand, welche durch Verwandlung dreier von den geschenkten Blättern, die in seiner Tasche kleben geblieben, entstanden waren. Wohl lief er schnell zurück, um das so leichtsinnig weggeworfene Geschenk der gütigen Frau wieder aufzunehmen; allein sein Suchen war und blieb vergeblich. Die Blätter blieben verschwunden. Als ihm am andern Morgen die Bäuerin sein Brot schnitt, berührte sie der junge Hirte, ungesehen von ihr, mit der erhaltenen Rute und war erstaunt, das geizige Weib alsbald sprechen zu hören: »Dem Hirten muß ich heute ein großes Stück Brot samt einer Butterflade und mehrere Kuchen mit auf die Weide geben; er verdients.« Und es geschah. So oft der Hirt die Bäuerin mit seiner wunderthätigen Rute berührte, erhielt er eine reichliche und gute Zehrung. – Einst aber unterzog die Magd des Hauses den Stall einer durchgreifenden gründlichen Reinigung, und bei dieser Gelegenheit warf sie des Hüters Rute, der sie im Stalle oben unter einen Balken gesteckt hatte, mit hinaus. Weinend beklagte dieser nach seiner Nachhausekunft seinen unersetzlichen Verlust; aber das half ihm nichts. Die Bäuerin schnitt fortan das trockene Brot fast noch kleiner als vordem und bitter bereute es der Betroffene, das wohlthätige Geschenk der weißen Frau nicht sorgsamer aufbewahrt zu haben. Diese erschien dem jungen Hirten[38] zwar noch einige Male, aber nur in der Ferne. Ihre Gesichtszüge waren finster auf ihn gerichtet und drohend erhob sie manchmal den Zeigefinger ihrer Rechten gegen den Unachtsamen, vielleicht dadurch ihre Unzufriedenheit mit ihm zu erkennen gebend.
(A. Blüml in der Erzgebirgszeitung, 5. Jahrg. S. 173.)
Wenn man von Brandau, das mit dem zugehörigen Orte böhm. Grünthal den am weitesten vorgeschobenen Zipfel des Brüxer Bezirks ausfüllt, nach Kallich wandert, so muß man durch das wegen seiner Naturschönheiten berühmte und deshalb von Touristen sehr besuchte Teltschthal, in dem der Grenzbach Natschung zahlreiche Brettmühlen und auch das jetzt allmählich verfallende Eisenwerk Gabrielenhütte treibt. Am Eingange in dieses Thal befindet sich zur rechten Hand, unmittelbar über dem zu Brandau gehörigen Wirtshause zu »Beneschau,« vielleicht 8 Minuten vom eigentlichen Dorfe entfernt, in dem der Gemeinde Brandau gehörigen Walde ein Felsen, der schon steil gegen die Straße, noch mehr aber gegen das Natschungthal abfällt. Hier auf diesem Felsen will man noch Mauerüberreste sehen und man nennt den Platz das Raubschloß. Die Sage erzählt davon folgendes:
Auf dem Raubschlosse stand früher eine Burg, die einem mächtigen Ritter gehörte, der gar oft viele Wochen von ihr sich entfernte, aber immer reich mit fremden Schätzen beladen zu ihr zurückkehrte. Als er einst wieder auf Raub auszog, überfielen seine Feinde die Burg, nahmen die Besatzung gefangen und legten sich in den Hinterhalt, um auch den nur von wenigen Reisigen umgebenen Ritter zu fangen. Als dieser zurückkehrte, erkannte er sogleich die ihm drohende Gefahr und sprengte, um der Gefangenschaft zu entgehen, mit seinem Pferde den steilen Berg hinab in das Thal, wo er zerschmettert anlangte. Die Burg wurde dem Erdboden gleich gemacht.
Seit jener Zeit treibt dort ein graues Männchen sein Wesen, das einst einem Försterburschen eine Thür zeigte, durch die er in ein großes Zimmer im Berge trat. Das Männchen erlaubte ihm auch, von dem vielen hier aufgespeicherten Gelde täglich eine bestimmte Summe zu holen. Als der Bursche aber noch einen seiner Kameraden mitbrachte, damit auch dieser die Schatzkammer kennen lerne, blieb er in der Höhle eingeschlossen.
Wenn am Pfingstmontage nach dem Gottesdienste die Lichter in der Kirche ausgelöscht werden, öffnet sich die Thür, und eine weiße[39] Frau kommt heraus, die aber schon wieder nach einer halben Stunde hinter derselben verschwindet. Benutzt man diese halbe Stunde, so kann man die verborgenen Schätze aus der Höhle holen.
Ein Knabe aus dem sächsischen Grenzorte Rothenthal spielte eben auf der Violine, als die weiße Frau aus dem Felsen trat und ihn aufforderte, ihr etwas vorzuspielen. Furchtlos überschritt er den Grenzbach und spielte der Frau seine schönsten Melodien vor, in der Meinung, von ihr reich belohnt zu werden. Als die halbe Stunde verflossen war, nahm ihn aber die Frau nicht, wie er vermutet hatte, mit in den Berg, sondern füllte nur seinen Geigenkasten mit Laub.
Ärgerlich warf er dasselbe heraus und lief heim. Dort sah er noch einmal in den Kasten und fand drei Thaler darin. Eilends kehrte er zurück, fand aber weder die Frau, noch das weggeworfene Laub.
Ein andermal saß ein Mann am Ufer der Natschung und fischte. Da öffnete sich wieder die Thür im Raubschloß, und drei weiße Frauen traten heraus, gingen zum Bache und wuschen ihre Hände. Als sie den Mann sahen, riefen sie ihm zu, er möge drei Säcke holen, was sich dieser nicht zweimal sagen ließ. Obwohl die Frauen die Säcke nur mit Laub füllten, trug sie der Mann doch eine weite Strecke. Als sie ihm aber zu schwer wurden, schüttete er das Laub aus. Doch blieben in jedem Sacke einige Blätter, die er später als reines Gold erkannte. So oft er auch später die Stelle wieder aufsuchte, wo ihm das Glück so gelächelt hatte, die Frauen sah er nie wieder.
Am Palmsonntage ging eine Frau mit ihrem kleinen Kinde in derselben Gegend spazieren und kam zu einer Thür, die sie noch nie gesehen hatte. Neugierig versuchte sie die Thür zu öffnen, was ihr auch gelang. Sie trat in ein einfaches Zimmer, in dessen Mitte ein Tisch mit Geld stand. Während sie das Kind auf den Tisch setzte, raffte sie schnell das Geld zusammen und trug es hinaus. Hier sah sie aber nur Laub in ihrer Schürze und fand, als sie ihr Kind wieder holen wollte, die Thür verschlossen. Ein Priester, den sie in ihrer Verzweiflung um Rat fragte, schalt sie ihrer Habsucht wegen und sagte ihr, daß sie in einem Jahre genau um dieselbe Stunde wieder bei der Thür warten müsse, bis sich diese öffne. Sie that dies und fand auch wirklich ihr Kind, mit roten Äpfeln spielend, die sich im Freien in Goldklumpen verwandelten.
(Christ. Lehmann, Histor. Schauplatz, S. 948.)
Am 15. September des Jahres 1695, Sonntags spät, ritt Christoph Kaiser, Müller zu Blumenau, nach Hause, und als er hinter die Pfarrwohnung[40] zu Olbernhau kam, wo ihn sein Weg nach Hause führte, gingen drei Männer geschwind und ohne Gruß vorüber, worüber er sich verwunderte, weil er sie für Blumenauer ansah. Als er ein wenig fortreitet, kommen ihm auf dem Wege vier verschleierte Weiber entgegen, welche eine Totenbahre mit einem Sarge und Leichentuch tragen. Darüber erschrickt er und weiß nicht, wo er ist; bald dünkt ihm, er reite durch ein großes Wasser, bald scheint es ihm, als müsse er einen hohen Berg hinan reiten, bis es ein wenig licht wird und er sich bekennet, daß er auf dem rechten Wege sei. Als er zu des Richters Teich, der nahe bei dem Gerichte ist, kommt, sieht er abermals fünf bis sechs Paar verschleierte Weiber daher kommen, die über den Steig, darüber er auch gewollt, gehen, daß er nicht weiß, was er thun soll. Er lässet aber dem Pferde seinen Gang; dasselbe ist des Weges wohl gewohnt, will jedoch über den Steig nicht gehen, sondern lenket sich mit Schnauben neben demselben durch ein Bächlein, und bringet so seinen Reiter gesund nach Hause, wie wohl es sehr geschwitzet. Des andern Tages hat es der Müller ausgesagt und hat ihm nichts geschadet.
(Leopold, Chronik und Beschr. der Stadt Meerane, S. 252.)
In alter Zeit lebte auf dem Schlosse zu Meerane ein Herzog, der von seiner Gemahlin keine Kinder bekam. Daher nahmen sie ein junges Mädchen, eine Gräfin, an Kindesstatt an. Als diese 17 Jahr alt war, starb des Herzogs Gattin. Sie ward bald vergessen und kurze Zeit darauf von dem Herzoge jenes Mädchen zur zweiten Gemahlin erwählt, welche ihm in der Folge zwei Kinder gebar, einen Knaben und ein Mädchen. Auch der Vater starb, als jener acht, dieses zwei Jahre alt war, und die junge Witwe ließ sich bald darauf den Zutritt eines fremden, ihr nicht ganz ebenbürtigen Mannes gefallen. Als er nun während der Zeit seiner Bewerbungen einmal wieder abreiste, hatte er die Worte fallen lassen: es sei alles gut, wenn nur vier Augen nicht wären. Das verblendete Weib und die dabei unnatürliche Mutter deutete obige Worte so, daß ihr Liebhaber sie gern heiraten würde, wenn nur ihre zwei Kinder nicht wären. Und sofort war auch ihr Entschluß gefaßt. Die Wartefrau mußte mit den beiden Kindern in den nahen Wald, das Gottesholz, gehen und ein gedungener Bösewicht alle drei ermorden. Die Wartefrau fiel als erstes Opfer. Als der Knabe sie in ihrem Blute hinsinken sah, fiel er dem Mörder um den Hals und versprach, er wolle ihm fünf Rittergüter von seinen acht geben, wenn er ihn nur leben ließe. Doch auch ihm senkte der Schändliche[41] den Dolch in die Brust. Das Mädchen hielt ihm zur Abwehr, wie zur Beschwichtigung, in jeder Hand eine Puppe entgegen, die sie mitgenommen hatte. Auch dies Kind wurde nicht geschont. Die Mutter ließ hierauf die drei Leichen heimlich in die Burg bringen, und nach dem sie ausgesprengt, alle drei seien schnell einer bösartigen Krankheit erlegen, in der Burgkirche beisetzen. Ihrem Liebhaber schrieb sie, das Hindernis ihres Ehebundes sei beseitigt und er solle nun kommen. Und er kam – aber mit strafendem Blicke und dem Bedeuten, daß er sie nur habe prüfen wollen, ob bei ihr sinnliche Liebe über Kindesliebe siegen könne, und daß nun ein Ehebündnis mit ihm unmöglich sei. Jetzt überfiel die Unglückliche die entsetzlichste Reue und da sie meinte, daß ihre so große Schuld nur durch die schwerste Buße zu sühnen sei, ließ sie sich beide Knie mit Polstern umkleiden und trat nun in Begleitung ihrer Kammerfrau und in leichtem Gewande ihre Bußreise zu dem Papste nach Rom immer auf den Knien rutschend an. Auf der Hälfte des Weges starb ihre Begleiterin, sie selbst mußte allein weiter reisen. Als sie endlich an dem ihr bezeichneten Kloster in Rom angekommen war, war es nachts 12 Uhr; sie vermochte es nicht mehr, sich aufzurichten und an der Schelle zu ziehen, sank vor Erschöpfung nieder und wurde früh morgens vor der noch ungeöffneten Pforte des Klosters von Vorübergehenden tot aufgefunden. Ihre Seele fand daher keine Ruhe, sondern schweift seitdem als weiße Frau in dem Rotengarten oder Raubgarten, dem jetzigen Pfarrgarten von Meerane, umher.
In einem alten Buche über Meerane soll die Ermordung der beiden Kinder abgebildet sein mit den Unterschriften:
Fast ganz übereinstimmend mit unser Sage ist die von der Gräfin von Orlamünde. (Richter, deutscher Sagenschatz, 4. Heft, No. 51.)
(Nach Mitteilung des Lehrers G. Günther aus Lößnitz.)
Auf dem zwischen Schloß Stein und Nieder-Schlema auf der Höhe des rechten Muldenufers emporragenden weißen Fels und in dessen[42] Umgebung hat sich vorzeiten eine Frauengestalt sehen lassen. Anfangs erschien dieselbe als weiß gekleidete Jungfrau, später aber als altes Mütterchen. In dieser Gestalt ist sie noch vor einigen Jahren von Holzlesern gesehen worden.
(Br. Grimm, deutsche Sagen, I. No. 11.)
Bei Annaberg liegt vor der Stadt ein hoher Berg, der Pöhl- oder Pielberg genannt, darauf soll vor Zeiten eine schöne Jungfrau verbannt und verwünscht sein, die sich noch öfters um Mittag, weshalb sich dann niemand darf sehen lassen, in köstlicher Gestalt, mit prächtigen gelben, hinter sich geschlagenen Haaren zeigte.
(Wg. im »Glückauf«, 2. Jahrg. No. 5.)
Einst hütete ein junger Hirte aus Lauterbach seine magere Herde bei der Ruine Lauterstein und legte sich auf den weichen warmen Rasen, um sich zu sonnen. Schon wollte er zu Mittag eintreiben, als er ein Geräusch hinter sich hörte. Er sieht sich um und erblickt eine Jungfrau, groß und stark, in einer Kleidung, wie sie niemand mehr trug; dieselbe war beschäftigt, Laub zusammen zu rechen. Freundlich kommt sie auf den Hirten zu, steckt ihm alle Taschen voll Laub und verschwindet, als er sich nach ihr umsieht. Voll Verwunderung und innerem Grauen treibt der Knabe seine Herde eilig nach Hause. Hier erzählt er bei Tische von der Erscheinung, greift in die Tasche nach dem Laube und zeigt es vor. Welch Wunder! Die Blätter hatten sich in eitel Gold verwandelt. Noch an demselben Tage gingen seine Leute in die Gegend der Ruine, um Laub zu rechen. Sie brachten ganze Säcke davon nach Hause, aber es war und blieb Laub. Der Hirtenknabe kaufte später das Lehngericht in Lauterbach; aber die goldspendende Jungfrau hat er nie wieder gesehen.
(Köhler, Volksbrauch im Vogtlande, S. 519.)
An den Breiten- und Röthelstein bei Beerheide knüpft man folgende Sage: Im grauen Altertume sollen von Ellefeld bei Falkenstein aus zwei alte Jungfrauen hierher verbannt worden sein, die noch jetzt ihr Wesen in dieser Gegend treiben. Denn bald fahren dieselben in feuriger[43] Kutsche mit dergleichen Rossen bespannt vom Breitenstein über den Göhlenbach zum Röthelstein, der dann seine Thore öffnet und sie aufnimmt; bald gehen dieselben in schwarzen Kleidern um den Röthelstein spazieren. Zuweilen findet man dort die schönsten Silber- und Kupfermünzen, die, wenn man sie aufgehoben und in die Tasche gebracht hat, aus derselben wieder verschwinden. – Auch wird erzählt, daß am Morgen des ersten Osterfeiertags die Jungfrauen des Röthelsteins tanzen.
(Grohmann, Sagen aus Böhmen, S. 88.)
Vor Jahren ging ein Mann im Graslitzer Amtshofe herum. Da bemerkte er auf dem Hausberge mehrere verwunschene Schloßfräulein, die eben Wäsche aufhingen. Um sich zu überzeugen, daß er sich nicht täusche, ging er auf den Berg, der Stelle zu, wo das Linnen aufgehängt war. Allein je weiter er ging, desto weiter schien sich das Linnen zu entfernen. Endlich stand es stille. Als er aber darauf losging, verschwanden die Jungfrauen und auch das Linnen und statt des letzteren sah er eine Masse von Spinnweben, die ihn so dicht umhüllten, daß er sich nur mit Not herausfitzen konnte.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 44.)
Droben am Braunstein zwischen Schlackenwerth und Joachimsthal hat ein verwunschenes Schloß gestanden, das ist mit einer verwunschenen Jungfrau und vielen Schätzen versunken. Holt sie einmal ein recht frommer Mann, dann wird er mit ihr auch die Schätze heimführen.
Der Petermüller unten hat es mit seinen eigenen Ohren zu Ostern jedesmal in der Passionszeit gehört, wie da die Jungfrau im Berge drinnen geweint, und bald darauf hörte er auch einen solchen Engelgesang, wie ihn die Leute niemals vernahmen. Die Jungfrau hat noch niemand zu holen versucht.
An einem heißen Augusttage des Jahres 1848 schritt um die elfte Vormittagsstunde ein Mann aus Joachimsthal heiteren Sinnes an der »Petermühle« vorbei. Seine Verwunderung war nicht gering, als er bemerkte, daß die Müllerin, seine Verwandte, auf der unterhalb der Mühle gelegenen Wiese Heu wendete, da doch Sonntag war. Überzeugung kann nicht schaden, dachte sich unser Joachimsthaler und ging in die Mühle, um dort nach der Ursache zu fragen, daß die Frau des[44] Hauses heute am Sonntage, am Tage des Herrn, Heu mache. Doch welche Überraschung! Seine Verwandte stand gerade beim Ofen und bereitete das Mittagsmahl. Man eilte schnurstracks auf die Wiese, allein die Heumacherin, welche die Braunsteiner Jungfrau gewesen sein soll, war verschwunden. Derselbe Mann erzählte, daß sein Vater, als er Schafe hütete, die Braunsteiner Jungfrau habe herrliche Lieder singen hören.
Drei Männern aus Mariasorg träumte einmal, sie sollten auf den Braunstein gehen, dort würden sie ungeheure Schätze finden, welche von einer verwunschenen Jungfrau bewacht würden. Als die Männer früh zusammen kamen, erzählten sie sich gegenseitig den seltsamen Traum und entschlossen sich, in der folgenden Nacht zwischen elf und zwölf Uhr auf den Braunstein zu gehen. Dort angelangt, fanden sie den Berg offen, gingen furchtlos hinein und erblickten wirklich eine große Pfanne mit Gold- und Silbermünzen und eine schöne Jungfrau, welche die Männer freundlich begrüßte und zu ihnen mit wohltönender Stimme sprach: »Diese Schätze gehören Euch; doch müßt Ihr die Pfanne samt dem Inhalte auf einmal forttragen.« Als aber einer der Männer, der die Ausführung dieser Forderung für unmöglich hielt, seine Meinung unverhohlen zum Ausdrucke brachte, verspürten alle drei gleichzeitig eine so derbe Ohrfeige, daß sie besinnungslos zu Boden sanken. Als die Männer wieder zum Bewußtsein erwacht waren, machten sie große Augen, weil sie sich, in ihrer Hoffnung getäuscht, auf der Oberfläche des Berges befanden.
(I. F. A. Türke im Glückauf, 2. Jahrg. No. 3. II. Ziehnert a. a. O. Anhang, No. 32.)
I. Wer von Neudorf nach Oberwiesenthal wandert und die Richtung durch den Wald nach dem Fichtelberge einschlägt, kommt nach seinem Austritt aus dem Walde zuerst bei dem roten Vorwerke, sodann auf der andern Seite bei dem weißen Vorwerke vorbei und hierauf an den Schön-Jungfern-Grund, einen tiefen, von der Höhe des Fichtelberges beginnenden und sich nach Osten ziehenden Einschnitt. In diesem Grunde liegt oft der Schnee in den Wintern viele Meter tief und zeigt noch schmutzigweiße Reste im Spätfrühling, wenn längst schon Feld, Wiese und Wald sich grün geschmückt haben. Die Sonne kann ihm nicht gut beikommen und das herabrieselnde Gewässer kann nur den tiefliegenden fortbringen. So erklärt es der gewöhnliche Verstand. Die Sage weiß es anders und zwar so: Vor langen Zeiten stand hier ein schönes Schloß und darin wohnten noch schönere Burgfräulein.[45] Darauf kamen böse Raubritter, zerstörten das Schloß und ermordeten die schönen Jungfrauen. Sie leben aber doch noch, wohnen im Innern des Berges und bleichen im Frühlinge ihre Leibwäsche.
II. Der Jungferngrund soll seinen Namen von zwei Jungfern haben, welche sich oftmals im Neumond sehen lassen. Es sind Schwestern; die eine spielt auf der Laute und die andere windet einen Kranz. Wer sie eigentlich sind, weiß niemand.
Den Wiesenthalern dient der Jungferngrund auch als Wetterprophet. Denn wenn der Himmel über demselben hell ist, so wird – ob es auch sonst allenthalben trübe aussieht – zuverlässig schönes Wetter; wenn aber der Jungferngrund voll Nebel ist, so sagt man: Die Jungfern trocknen ihre Wäsche! und dann folgt kalte und nasse Witterung.
(Karl Jentscher in der Erzgebirgs-Zeitung, 1. Jahrg. S. 66.)
Die Sage berichtet, daß einst in dem Bache am Schlosse Pürstein ein Knabe fischte, was die Aufmerksamkeit der Burgfrau erweckte. Sie saß nämlich oben auf dem Söller und winkte ihrem Gemahl, welcher in den Krieg zog, ihre letzten Scheidegrüße zu. Heftig erzürnt über den Knaben, der es wagte in diesem Bache Fische zu fangen, ließ sie ihn sofort gefangen nehmen und vorführen. Der Vater des Knaben, der Brücknerhäusel-Besitzer gewesen sein soll, warf sich zu Füßen der Burgfrau und bat um Gnade, allein vergebens; ja man fesselte jetzt beide und warf sie in das tiefste Burgverließ. Ein Knecht öffnete des andern Tages den Kerker, um dem Vater die Freiheit, aber auch den Befehl zu bringen, daß er sofort diesen Ort und die umliegende Gegend zu verlassen habe, sein Eigentum sei unter die Schergen verteilt und sein Weib ausgejagt worden. »Und mein Kind?« rief der Alte. Der Knecht deutete auf den Mühlberg, wo soeben das Haupt des Kindes unter dem Beile fiel und über die Höhe des Berges hinabrollte. Der arme Vater, auf das tiefste getroffen, wankte langsam den Burgweg hinab und nie kehrte er wieder. Seitdem wurde der Gipfel des Mühlberges »Kopfleiten« genannt und zum Andenken ein Kreuz dort errichtet, welches noch bis in die dreißiger Jahre dort stand. Wenn der Allerseelensonntag seine trüben Nebel über die Gegend wirft, dann wandelt der Knabe als eine lichte Gestalt traurig dahin, und aus den Felsen des Hinterwaldes ertönt ein Jammergeschrei. Die Burgfrau aber, von Gewissensbissen getrieben, hatte keine Ruhe mehr gefunden, weshalb auch ihr Gemahl das Schloß verließ und es seinen[46] nahen Vettern übergab. Ihr Schatten zog noch lange und oft auf dem Wege dahin, welchen das unglückliche Opfer zur Richtstätte genommen hatte. Viele wollte die alte Burgfrau zu den Schätzen des Schlosses locken, um durch diese von ihrem Schicksale erlöst zu werden, oft hatte sie sich den Dorfbewohnern in später Nachtstunde gezeigt, ein Becken mit Geld und Gold auf den Schultern tragend, – doch jeder wich scheu zurück und dachte an den armen Brücknersohn. Nur einem Manne gelang es, wie die Sage weiter erzählt, sich in einer Nacht reich zu machen. Ihm träumte, er solle dreimal auf die Brücke von Rodisfort gehen und zwar immer zur bestimmten Zeit; während er das dritte Mal zur Stelle war und harrend sann, kam die Burgfrau als ein altes, häßliches Weib hinkend auf ihn zu und deutete mit erhobener Krücke gegen Pürstein mit den Worten: »Gehe dahin gegen Pürstein auf das alte Schloß! Wenn dann der Mond am höchsten steht, so glänzt dir in der alten, schwarzen Mauer ein weißer Stein entgegen, diesen hebe hinweg, und was du suchtest, das wird dir mehr als zuviel!« Und er hob um Mitternacht diesen verhängnisvollen Stein hinweg, und fand so viel Gold, daß er nicht stark genug war, alles fortzubringen. – Seit dieser Zeit hat niemand mehr die alte Frau gesehen, und während früher in den alten Mauern nachts oft Getöse hörbar war, herrscht dort jetzt Grabesstille.
(Mitgeteilt vom Dir. Ludwig Lamer in Hainsberg.)
Von Zeit zu Zeit ließ sich auf dem Schloßhofe zu Rabenau ein Fräulein sehen, welches des Nachts ruhelos auf demselben mit einem hellen, weitleuchtenden Lichte umherwandelte und auf Erlösung von dem Banne wartete. Welcher Art diese Erlösung sein sollte und warum das Fräulein umging, hat man nicht erfahren können.
(Dietrich und Textor, Die romantischen Sagen des Erzgebirgs I. 1822. S. 123 etc.)
Am Hofe des Böhmenherzogs Wratislaw lebte im 11.Jahrhunderte ein Ritter Otto von Greifen, welcher sich, des Hoflebens müde, mit seiner Gemahlin in das damals unwegsame Erzgebirge zurückzog und im jetzigen Freiwalde eine Burg erbaute. Von dieser Burg, Greifenburg genannt, will man jetzt noch Überreste auf dem Greifensteine bei Ehrenfriedersdorf sehen. Seine Gemahlin schenkte ihm einen Sohn,[47] und als derselbe fünf Jahre alt war, brachte der Ritter ein zweijähriges Mädchen mit, welches er im Walde schlafend angetroffen hatte. Das Mädchen erblühte nach und nach zur herrlichen Jungfrau und so geschah es, daß sie von dem Junker Werner, dem Sohne Ottos von Greifen, mit welchem sie auf der Burg erzogen worden war, herzlich geliebt wurde. Werners Eltern ahnten nichts von diesem Verhältnisse; doch eine Entdeckung konnte nicht ausbleiben, da die Frucht der heimlich gehaltenen Liebe heranreifte. Unglücklicherweise aber geschah die Entdeckung zu einer Zeit, wo Werner angezogen war, einem alten Freunde seines Vaters, dem Ritter Bruno von Scharfenstein, gegen den räuberischen Rekko von Rauenstein, welcher vor achtzehn Jahren Brunos schwangere Gemahlin geraubt hatte, und seitdem mit jenem in Fehde lebte, in einem Kampfe beizustehen. Als Ritter Otto von Greifen von dem heimlichen Verhältnisse seines Sohnes zu seiner Pflegeschwester hörte, zieh' er dieselbe in seinem Stolze der Verführung und ließ sie in das Verließ seiner Burg hinabstoßen. Hier genaß das verlassene Mädchen eines Kindes und in einer sie befallenden Geistesstörung schleuderte sie dasselbe an die Mauer des Gefängnisses. Plötzlich aber stieg aus dem Boden eine Geistergestalt auf und sprach: »Heil mir, wehe dir! Seit langen Jahren bin ich wegen einer gleichen That zum ruhelosen Umherwandeln verurteilt worden. Jetzt bin ich durch dich erlöst und du wirst meine Stelle so lange einnehmen, bis einst ein keusches Weib, das niemals einen unreinen Gedanken in seiner Seele gehabt hat, in stiller Mitternacht deinen Namen dreimal ohne Furcht rufen wird!« Die Gestalt verschwand, und das gefangene Mädchen sank zu Boden, um in fürchterlicher Raserei wieder zu erwachen, wobei sie sich endlich den Kopf wie den ihres Kindes an der Gefängnißmauer zerschmetterte. Ihr Geist aber erschien in der Nacht dem hartherzigen Pflegevater und verkündete seinem Hause Verderben. Reuig eilte er in den Kerker, wo er den Leichnam seiner unglücklichen und verstoßenen Pflegetochter neben dem ihres Kindes fand. Da ließ er beiden ein ehrendes Begräbnis bereiten; doch eben, als dies geschah, kehrte sein Sohn wieder zurück. Derselbe war voller Freude, denn durch ihn war der räuberische Rekko von Rauenstein gefallen, und in der Todesstunde hatte derselbe bekannt, daß Brunos von Scharfenstein geraubte Gemahlin eines Töchterchens sehr schwer genesen und an den Folgen der Entbindung gestorben sei. Das Kind aber habe er bei einem Köhler des großen Schellenberger Waldes zwei Jahre lang erziehen lassen und dann, als es ihm lästig geworden sei, weiter für dasselbe zu sorgen, im Freiwalde, ohnweit Ottos Burg aussetzen lassen. Dieses Kind war also kein anderes, als Werners[48] unglückliche Pflegeschwester; sie war ihm durch ihre Geburt ebenbürtig und daher war er hoffend, daß seine Eltern in eine Verbindung mit ihr willigen würden, zurückgekehrt. Als er nun alles erfuhr, was sich während seiner Abwesenheit zugetragen hatte, sank er in tiefe Ohnmacht. Als er wieder erwachte, hatte stiller Wahnsinn seine Seele umnachtet; er endete sein Leben in einem Kloster der Ritter vom Hospital zu Prag. Otto von Greifen und seine Gemahlin erlagen bald dem Übermaße ihres Grams. Die Greifenburg fiel als erledigtes Lehen an Herzog Wratislav, wurde aber später, da die folgenden Besitzer zum Räuberhandwerk griffen, auf Befehl Wipprechts von Groitzsch zerstört. Sie ist nie wieder aufgebaut worden.
Historisch ist, daß auf dem Greifensteine eine Burg »Gryfenstein« gestanden hat; sie wird als ein markgräflich meißnisches Lehen der Dynasten von Waldenburg urkundlich im Jahre 1372 angeführt. (Herzog, Archiv für sächs. Gesch. II. S. 76.)
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 101.)
In der zur Gemeinde Breitenbach gehörigen Ortschaft Ziegenschacht lebte vor langer Zeit eine Jungfrau, welche ihres Geizes und ihrer Ungerechtigkeit wegen gefürchtet war. Seit ihrer Verlobung kannte ihre Habsucht keine Grenzen. Um ihr Heiratsgut, woran ohnedies schon die Thränen der Armut hingen, zu vergrößern, bediente sie sich sogar beim Verkaufe der Milch eines so schlechten Maßes, daß sich darüber allgemeine Klagen erhoben. Als die hartherzige Jungfrau dieselben jedoch nicht berücksichtigte, wurde sie von einer Milchkäuferin verwünscht. Von dieser Stunde an wandelt die Jungfrau auf dem Ziegenschachter Wege noch bis heute herum. In der Hand trägt sie ein Milchseidel und auf dem Kopfe einen grünen Kranz. Doch sehen die verwünschte Jungfrau, die bloß zu gewissen Zeiten erscheint, nur wenige Menschen.
Auf die mögliche Verwandtschaft der Ziegenschachter Jungfrau mit der Huldra wurde bereits in der Einleitung hingewiesen. Eine thüringische Sage ist übrigens der unsrigen sehr ähnlich. Eine Krämerin, welche ihre Käufer durch falsches Gewicht und Maß betrog, wandelt ebenfalls als Gespenst in der Nähe von Mehlis bei dem Reißigersteine umher und ruft dabei: »Drei Viertel für ein Pfund! Drei Quärtchen für eine Kanne!« (O. Richter, Deutscher Sagenschatz, 3. H. No. 10.) Daß aber gerade der Betrug beim Milchverkauf mit dem gespenstischen Umherwandeln der Betrüger bestraft wird, ist eine in der Volkssage erhaltene Erinnerung an den hohen, alle übrigen Besitztümer überragenden Wert der Milch und Milch gebenden Tiere aus dem frühesten Zeitalter der indoeuropäischen Völker.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 64 etc.)
Sehr viel wird von der Grauensteiner Jungfrau erzählt, welche keinen Kopf hat und sich zuweilen blicken läßt. Einst ging ein Weib von Joachimsthal nach Holz, da bemerkte sie einen schönen rasigen Platz, auf dem sich Wäsche ausbreitet fand. Darauf zugehend, um es näher anzuschauen, bemerkte sie, daß die Wäsche immer reiner und schöner ward. In ihrem Innern regte sich der Wunsch, ein Stück Wäsche zu nehmen, was sie auch that. Plötzlich hörte sie hinter sich ein Geschrei; als sie aber, sich umsehend, niemanden bemerkte, nahm sie noch ein Stück Wäsche und ging ihren Weg, auf ein abermaliges Rufen nicht achtend. Sie erreichte eben einen Kreuzweg, als die unbekannte Stimme zum dritten Male sich hören ließ: »Wenn kein Kreuzweg gekommen wäre, wärest Du des Todes!« Hätte sie alle Wäsche gestohlen, so wäre die Grauensteiner Jungfrau erlöst worden.
Es geht noch die Sage, daß das Weib an derselben Stelle, wo es ein Stück Linnen erbeutete, um Mitternacht eine wundersam blaue Flamme als Wahrzeichen eines verborgenen Schatzes emporschlagen sah. Als sie, um den Geist zu bannen und den Schatz zu heben, ihren Rosenkranz in den blauen Flammenschein geworfen hatte, siehe da! des Morgens lagen an dieser Stelle zwei funkelnde Silbersiebzehner.
Eines Tages ging ein altes, gebücktes Mütterchen in den Wald, um dürre Reiser zu sammeln. Als die Alte in der Nähe des Grauensteines das aufgeschichtete Reisigbündel zusammengebunden hatte und es auf den Rücken nehmen wollte, tönte ihr von dort bezaubernder Gesang entgegen. Das Mütterchen lauschte eine Weile, faßte sich dann ein Herz und schritt dem Grauensteine zu. Doch welch eine Überraschung! Es erblickte daselbst ein prächtiges Schloß, vor dem eine schöne, weißgekleidete Jungfrau Wäsche bleichte. Kaum wurde die Jungfrau des Weibes ansichtig, so zog sie sich stillschweigend und langsam hinter die Mauern des Schlosses zurück. Als aber das herzhafte Mütterlein nach einem Stück Wäsche griff und mit dem gestohlenen Gut davontrippelte, verschwand unter Blitz und Donner das Zauberschloß, an dessen Stelle wieder die Halde war. – Wie die Sage weiter erzählt, soll das Weib, das auf diesen weggenommenen Linnen ein paar Jahre gelegen hat, darauf schmählich verkommen sein.
Der Bergschmied Bernhard ging eines Tages nach der Schönerzzeche, um dort sein Gezähe in Ordnung zu bringen, all die Fäusteln und Stopfer, Stecher und Bohrer, Hacken und Sägen, mit denen der Bergmann hantiert. In der Mondscheinnacht kam er zwischen elf[50] und zwölf Uhr am Grauensteine an. Potztausend! Auf der blanken Wiese, wo weitum keine Einschichte liegt, rings Wäsche um Wäsche, die ganze Wiese ist von Linnen vollauf überspannt. Bernhard nahm sich sein klopfendes Herz in die Hand, und eine innere Stimme sagte ihm: Ei! für wen liegt so herrliche Wäsche ausgespannt? die Geister haben genug daran, unsereins wäre reich fürs ganze Leben! Greif zu, Bernhard! Nimm, so viel du schleppen kannst! Und er griff zu, faßte die Wäsche mit beiden Händen, schlug sie über den Rücken, wand sie um den Leib und lief hastig; doch horch! Hollah! hinterher welch ein Gepolter, welch ein Getümmel, welch ein Gekrach! Ist der Grauenstein geborsten? Schnell, wie er sie zusammenraffte, warf er die Wäsche wieder von sich. – Da hat er die Poltergeister versöhnt; denn mit einemmale ist es stille geworden ringsum, und die Wäsche war verschwunden, als er sich umsah, und er lief voll Entsetzen nach der Schönerzzeche.
Einem Weibe aus Joachimsthal träumte in einigen aufeinander folgenden Nächten, sie solle auf ihre unweit des Grauensteins gelegene Wiese gehen, dann könne sie reich werden. Als sie sich endlich in einer mondhellen Nacht auf den Weg machte und zwischen 11 und 12 Uhr auf der Wiese anlangte, sah sie zu ihrer Verwunderung auf derselben ringsum Kinderwäsche ausbreitet. Find' ich auch kein Geld, dachte sie, so lasse ich doch auch dieses Zeug nicht liegen. Sie nahm also die Wäsche in ihre Schürze und trat die Heimkehr an. Doch siehe! Kaum näherte sich das Weib einem Graben, da rührte es sich mit einemmale in der Schürze und als sie dieselbe öffnete, erblickte sie darin lauter zischende Ottern. Vor Furcht und Ekel warf sie alle in den Graben und lief bestürzt nach Hause; nur zwei Schlangen erreichten den jenseitigen Rand. Als das Weib des anderen Tages zu dieser Stelle kam, fand sie zwei Häufchen Gold.
(Lehmann, Histor. Schauplatz, S. 943.)
Im Jahre 1666 im September hat sich in einer Bergstadt folgendes begeben. Eine Frau war in der Fastenzeit gedachten Jahres Todes verblichen. Da nun der Witwer zur andern Heirat schreiten wollte, kam immer ein Gespenst in der Gestalt der verstorbenen Frau und ängstigte ihn, daß er keine Ruhe haben konnte. Daher gebot er seinem Gesinde, sie sollten in der Stube schlafen und ihr Bette vor seine Schlafkammer schieben. Am Donnerstage zuvor spricht das Gesinde: Herr, wenn ihr doch zuvor, ehe ihr wieder Bräutigam seid, eurer[51] vorigen Frau einen Leichenstein legen ließet, vielleicht bliebe sie außen. Er bestellte am Freitage die Maurer und läßt ihn legen und sagt: Nun habe ich meine Alte fein eingeschwert, sie wird nicht wiederkommen, der Teufel müßte sie denn heraus führen. Er nimmt die Maurer mit sich nach Hause, ißt und trinkt mit ihnen, bestellt einen Boten, der morgens frühe soll weglaufen, gehet zu Bette, und das Gesinde liegt vor der Kammerthür. Zur Mitternacht kommt ein Gespenst in die Stube, sucht erst in den Registern und blättert darin, darnach rauschet es über das Gesindebette weg, kam in die Kammer und würgte den Mann. Früh kam der bestellte Bote und wartete zwei Stunden; das Gesinde hieß ihn anpochen, rufen und gar hinausgehen, da findet er ihn tot. Und dieser Mann hat sich nach dem Tode gleichfalls sehen lassen.
(Lehmann, Hist. Schauplatz, S. 946.)
In Joachimsthal hat sichs begeben, daß ein Gespenst in Gestalt einer daselbst verstorbenen Frau immer in ihres hinterlassenen Mannes Haus kam und ihn bei Tag und Nacht beunruhigte. Der Witwer klagte seine Not dem Pfarrer und bat, ob er nicht gegen Mittag zu ihm kommen und wider den Geist beistehen möchte. Der Pfarrer kam endlich auf des Mannes inständiges Bitten, und da erschien die gespenstische Frau gleich am Mittage in ihrem Todeshabit, wie sie im Sarg war beschicket worden. Der Pfarrer redete den Geist getrost an und fragte ihn, was er hier im Hause zu schaffen habe. Das Gespenst sagte: Ich habe eine Kette verborgen, die liegt da und da vergraben; ebenso fürchte ich auch, mein Mann möchte eine Person in der Nachbarschaft heiraten, mit der ich nicht kann zufrieden sein, darum kann ich auch im Grabe nicht ruhen. Der Pfarrer aber verwies dem Teufel seine Bosheit und trieb ihn mit Gottes Wort so weit, daß er keine Ausflucht mehr hatte, sondern es verschwand die gespenstische Gestalt allmählich und ließ endlich an der Stelle, da sie gestanden, eine Hand voll Asche übrig. Sie ist auch von der Zeit an nicht wieder gesehen worden.
(Lehmann, Hist. Schauplatz, S. 947.)
Im Jahre 1694 hat sich im September in einem Bergstädtchen zugetragen, daß eines Fleischhackers Frau vier Wochen nach ihrem Begräbnis[52] wieder kam. Sie hatte sonst den Nachruf eines frommen und eingezogenen Lebens und man sagte von ihr, daß sie sich zu ihren Lebzeiten unterschiedlichemal über das böse Leben beklagt habe, so ihr zweiter Mann mit Fluchen und Streit nebst den Kindern treibe, und daß sie es nicht vertragen könne, sie müsse viel leiden, daß es kein Wunder wäre, sie ließe sich lebendig begraben. Als sie kurz darauf starb, hinterließ sie auch eine arme Schwester, welche bei dem Witwer allerhand Erbstücke suchte, aber nichts erhalten konnte. Ungeachtet nun diese Erbforderung gerichtlich beigelegt worden war, wollte sich doch die blutarme Schwester nicht so abweisen lassen und vergoß viel Thränen. Der Witwer lag nebst seinem Sohne krank in der Unterstube. Da kommt ein Gespenst zu Mitternacht in Gestalt der Verstorbenen und setzt sich vor sein Bette. Er erschrickt und fängt an zu beten: Gott, der Vater steh' uns bei! zu dreien malen, aber die gespenstische Frau will nicht weichen, der Kranke kann nicht fort und schwitzet gar sehr. Es schlägt 12 Uhr, da meint er, nun werde sie fortgehen, aber sie bleibet sitzen bis nach 2 Uhr. Da fängt er an: Alle guten Geister loben Gott den Herrn. Sie antwortet, zwei Schritte zurücktretend: Ich auch. Der Kranke fragt: Was wollet ihr hier? Gehet hin, wo ihr hingehöret. Sie antwortet: Ihr sollt meiner Schwester Magdalena nicht alles nehmen. Und damit fuhr der Geist zum vordern Fenster hinaus. Eine Hausgenossin wohnte in der Oberstube, die auf der Bank liegend eben dieses Gespenst gesehen, welches sie angegriffen und begehrt, man solle ihre Schwester nicht kränken; damit warf's ein Biermaß nach ihr und blieb außen.
(Mündlich.)
In der früheren, jetzt nicht mehr vorhandenen Kirche zu Wildenfels befanden sich die Begräbnisse der verstorbenen Glieder der erlauchten gräflichen Familie der Herrschaft. Alte Leute erzählen noch jetzt, einst habe eine verstorbene Gräfin daselbst nicht Ruhe finden können, sondern sei oft in der Kirche umhergewandelt und habe die Orgel gespielt. Als sich endlich der Pfarrer des Ortes entschloß, sie zur Ruhe zu bringen, habe er den Kantor vor der Kirchthüre mit der Weisung stehen bleiben lassen, während seiner, des Pfarrers Abwesenheit in der Kirche, ein Gebet zu verlesen. Als der Kantor aus Neugierde durch ein Schlüsselloch sah, soll eine Stimme gerufen haben: »Es guckt!« Nach Beendigung der Beschwörung trat der Pfarrer aus der Kirche[53] und verkündete dem Kantor, daß sie beide in dem Jahre sterben müßten. Solches soll dann auch geschehen sein.
(Gießler, Sächs. Volkssagen. Stolpen, S. 618.)
Auf der Straße zwischen Altenberg und Zaunhaus, in der Nähe des Kahlenberges gesellt sich nach der Sage manchmal eine schweigsame, dunkelgrün und nach längst vergessener Mode gekleidete Frau zu dem Wanderer, geht neben ihm her, ohne ihm Rede zu stehen, biegt auch wohl auf einen sonst nicht sehr betretenen Waldweg ein und verschwindet daselbst. Dieselbe zeigte sich zumeist nach Eintritt der Abenddämmerung, seltener des Nachts, ist aber auch schon im Morgengrauen bemerkt worden. Ein Mann erzählte, daß er in seiner Jugend, als er am frühesten Morgen der verbotenen Lust des Vogelstellens in der Nähe von »Paradies-Fundgrube« am Kahlenberge nachgehen wollte, einer lustwandelnden Dame begegnete, die er höflich begrüßte und anredete, da er selbige für die alte Schwester des damaligen Bergmeisters hielt. Der junge Mann erhielt keine Antwort; die Frau ging an ihm vorbei, in einen Waldweg hinein und verschwand dort vor seinen Augen.
Diese Sage könnte vielleicht besser unter den Dämonensagen stehen, da die grüngekleidete Frau an Holzweibchen erinnert, welche im Vogtlande grün erscheinen. Ebenso erzählen Tyroler Sagen von den grüngekleideten Norgen oder Wildmänneln, die zu den Pflanzendämonen gehören und mit denen auch die grünen, in Menschengröße erscheinenden Männchen der Burgundischen und Schweizer Sage, welche die Leute im Walde irre führen, verwandt sind.
Grün ist auch die Farbe des Teufels. Auf dem Blocksberge erschien der Teufel grün und ebenso waren auch die Hexen bei ihren Tänzen in Grün gekleidet. (Österreich. Touristenzeitung, I. No. 5.)
(Nach einer Mitteilung von L. Fischer aus Aue.)
Vor langer Zeit war auf dem Rittergute Klösterlein bei Aue ein Fräulein gestorben, welches nach seinem Tode des Nachts auf der Mulde dahin schweben sollte. Da geschah es, daß zwei Bergleute einst eines Sonntags in einer schönen Sommernacht von Schlema nach Zelle gingen, um daselbst Musik zu machen. Ihr Weg führte sie über die sogenannte Ochsenwiese und den Klostersteg. Als sie an die Ochsenwiese kamen, setzten sie sich nieder, um ein wenig auszuruhen; dabei kamen sie auf den Gedanken, dem Fräulein ein Morgenständchen zu bringen, und als sie eine Weile geblasen hatten, näherte sich ihnen[54] das in einen Schleier gehüllte Fräulein und warf jedem ein Sträußchen in den Schoß. Der eine von ihnen steckte dasselbe in eine Tasche seines Kittels, der andere aber warf es weg. Als am nächsten Morgen derjenige, welcher sein Sträußchen eingesteckt hatte, den Kittel wieder anziehen wollte, kam ihm derselbe so schwer vor, und da er in die Tasche griff, um nachzusehen, zog er sein Sträußchen heraus, welches sich in pures Gold verwandelt hatte. Voll Freude teilte er dies seinem Kameraden mit. Da nun derselbe eilends nach der Ochsenwiese lief, um das andere Sträußchen zu suchen, konnte er es nirgends finden und er mußte unverrichteter Sache wieder nach Hause zurückkehren.
Ähnlich ist die Sage von den Musikanten aus Kleingölitz, welche des Nachts am alten Schlosse vorbeigehen und dem alten Grafen, welcher in der Burg umgeht, ein Ständchen bringen. Jeder von ihnen erhält ein grünes Buchenreis, welches jedoch nur einer behält; am andern Morgen sieht er, daß es vom reinsten Golde ist. (Witzschel, Sagen aus Thüringen, No. 193.)
(Mündlich.)
Wenn man in Eibenstock in der Johannisnacht um 12 Uhr um eine gewisse Straßenecke geht, so sieht man eine weiße Frau mit einem weißen Tragkorbe. Redet man dieselbe furchtlos an, so wird man von ihr beschenkt. – Auf dem alten Gottesacker befindet sich eine Begräbnishalle, in welcher oft des Nachts eine Frau mit einem Kindlein auf dem Arme gesehen wurde, die heftig weinte. Welche Bewandnis es mit dieser Frau hat, kann niemand sagen.
(Mündlich.)
In dem jetzigen Mehlhornschen Gute neben der Pfarre in Wildbach diente vor Jahren ein Mädchen, welches draußen bei der damals noch besser erhaltenen Isenburg die Kühe hüten mußte. Zu diesem Mädchen kam eines Vormittags eine alte Frau, welche von ihm verlangte, es solle mit ihr gehen. Sie führte dasselbe hierauf zwischen das zerfallene Gemäuer der Burg und hier in ein bis dahin verborgen gewesenes Zimmer, dessen Thür sie wieder zuschloß. Dann verlangte sie, das Mädchen solle ihr das Zimmer kehren. Als solches geschehen war, gab sie ihm zum Lohne 2 Groschen. Dies wiederholte sich vielmals; jedesmal, wenn das Mädchen das Wohnzimmer[55] der Frau ausgekehrt hatte, erhielt es 2 Groschen. Da geschah es, daß das Mädchen einmal zum Jahrmarkte nach Schneeberg ging. In der Abwesenheit öffnete die Bäuerin, welche bereits längst gemerkt hatte, wie ihre Dienstmagd mehr Geld besaß, als sie zum Lohne erhielt, deren Lade und fand darin eine große Menge Zweigroschenstücke. Als nun das Mädchen am Abend wieder heim kam, erzählte es auf dringendes Befragen die Geschichte, wie es zu dem vielen Gelde gekommen war. Von dieser Zeit an ist ihm jedoch die alte Frau von der Isenburg nie wieder erschienen.
(Poetisch von Freih. v. Biedermann. Eine Sängerjugend. 1847, S. 27. Darnach Gräße, Sagenschatz des K. Sachsen, No. 452.)
In der letzten Zeit des Mittelalters lebte ein wilder Raubritter auf einer Burg, die auf dem Katzensteine an der schwarzen Pockau bei Pobershau gelegen war, und machte die ganze Umgegend durch seine Unthaten unsicher. Da beschlossen denn die in der nächsten Umgebung ansässigen Ritter diesem Treiben ein Ende zu machen, sie rückten also vor die Burg, umschlossen sie aufs Engste und fingen an, sie aus Kartaunen und Feldschlangen zu beschießen. Allein alle Kugeln fielen, sowie sie die Mauern trafen, kraftlos und unschädlich nieder, denn auf der Mauer stand die alte Amme des Ritters, welche mit dem Teufel im Bunde war, hatte einen Besen in der Hand und fegte mit demselben die fliegenden Kugeln aus der Luft weg; sie selbst natürlich traf keine derselben, ebenso wenig wie irgend jemanden im Schlosse. Schon wollten die Belagerer schier verzweifeln, da trat der Burgkaplan eines der Ritter auf und sprach, er wolle die Kugeln segnen, denn er wisse einen Spruch, dem nichts widerstehen könne. Wie gedacht, so geschehen, er that es; die erste Kugel, die man abschoß, schmetterte die Hexe zu Boden, die zweite riß ein großes Loch in die Mauer und nicht lange dauerte es, so war die feste Burg so zerschossen, daß die Mannschaft auf Gnade und Ungnade sich ergeben mußte. Der böse Ritter ward hingerichtet und seine Burg der Erde gleich gemacht; noch heute aber soll man um Mitternacht bei Mondschein die gespenstige Amme die Trümmerhaufen fegen sehen.
(A. Flader, Wiesenthälisches Ehrengedächtnis, 1719. S. 110. Darnach bei Gräße, Sagenschatz d. K. S., No. 463.)
Im Jahre 1675 im Monat Oktober hat sich auf der Superintendentur zu Glauchau ein Gespenst sehen lassen, welches einen weißen[56] Trauerhabit anhatte und sich für eine von Adel ausgab, so bei dem zu Glauchau früher befindlichen Nonnenkloster die Stelle einer Äbtissin vertreten habe. Das erste Mal ist dieses Gespenst, welches man später nur die weiße Frau genannt hat, einer hier dienenden Nähterin aus Leipzig, namens Marie Sabine Demantin erschienen, ist vor das Bett, in welchem sie mit der Kindermagd lag, getreten, hat geächzt und geseufzt, dann hat es die silbernen Eßlöffel, welche in einem Körbchen gelegen, gezählt und, da ihrer nur elf gewesen, gesagt: »Ei, des Herrn Löffel fehlt!« was auch der Fall gewesen. Hierauf hat es des Superintendenten langen Mantel und die mit Pelz gefütterte Schaube seiner Frau, welche an der Wand gehangen, heruntergenommen, den Mantel und die Schaube oben darauf umgenommen und ist so in der Stube herumspaziert, als aber das Kindermädchen darüber gelacht und gesagt: »Was macht denn der Narr!« ist es ihr schlecht bekommen, denn sie hat augenblicklich im Munde und Gesicht heiße Blasen bekommen und deshalb 14 Tage das Bett hüten müssen. So oft aber, als das Gespenst erschienen, hat es einen hellen Glanz und Schimmer um sich verbreitet, daß man einen Pfennig auf der Erde erkennen konnte. So haben denn zwei Männer, G. C. Müller und A. Flader, sich, nachdem die beiden Mädchen aus der Kammer weggebettet worden waren, in dieselbe niedergelegt, um das Gespenst abzulauern, es ist aber nicht von ihnen wahrgenommen worden, sondern hat sich nur durch Geräusch kundgegeben, hat auch mit einem schweren Steine in die Kammer geworfen, daß darüber alles erschüttert worden ist; darauf ist es in den Stall gegangen, und hat daselbst einer alten Ziege den Hals umgedreht, auch in dem Hühnerhause gegenüber eine Henne erdrückt. Seit dieser Zeit ist das Gespenst fast alle Nächte zu der Nähterin gekommen und hat sich mit traurigen Geberden vor ihr Bett gestellt, auch öfters bitterlich geweint, da denn die herabfallenden Thränen wie weiße Milch ausgesehen, welche das Gespenst mit einem schönen weißen Schnupftuch abgewischt hat. Ob nun gleich der Superintendent dem Mädchen verboten, sich mit dem Gespenste in ein Gespräch einzulassen, hat sie es doch nicht lassen können, sondern gefragt, was es denn wolle, worauf es mit einer ganz ungewöhnlichen Stimme geantwortet, sie solle mit ihm gehen und einen Schatz heben, der gehöre zwar dem Superintendenten, allein sie solle davon allen im Hause soviel bringen, daß sie alle genug hätten.
Nun hat das Gespenst sein Begehren alle Nächte wiederholt, endlich ist die Nähterin mitgegangen, und wie sie durch des Superintendenten Studierstube gehen und zwei angezündete Unschlittlichter in den Händen haben, thut sich auf einmal die Thüre auf den Saal[57] hinaus von selbst auf, worauf ihr ein ziemlicher Haufe von schwarzgekleideten Mönchen entgegenkommt, unter welchen ein sehr langer war, der sich nach ihr hinneigte und beide Lichter ausblies, daher sie seufzte: Ach Jesus! Aber diese Worte zogen einen solchen Tumult nach sich, daß es schien, es wolle alles zu Grund und Boden gehen. Hierauf ist sie vor Schreck davon gelaufen, hat sich aber verirrt und ist in das Schlafgemach des Superintendenten gekommen, der von dem Lärm aufgewacht war und gemeint hatte, es sei ein großer Stein in seine Studierstube geworfen worden. Als er aber die Nähterin erblickt, hat er ihr zugerufen zu beten, und selbst angefangen zu singen; das Mädchen aber hat gesehen, wie die ganze Kammer nach und nach durch das Absingen der geistlichen Lieder von den schwarzen Mönchen, mit denen sie angefüllt war, leer ward. In der nächsten Nacht ist das Gespenst zu der Nähterin, die mittlerweile krank geworden war, wiedergekommen und hat gesagt, sie hätte sich nicht fürchten sollen, denn die schwarzen Männer würden ihr nichts gethan haben, der Schatz stehe schon außen und bestehe aus Kirchenkleinodien, welche vor etlichen 100 Jahren dorthin gebracht worden seien, sie möge nur nachsuchen lassen, so würden sich gewiß Vorzeichen finden. Als man nun nachgesucht, haben sich verschiedene Gefäße von Zinn und etliche Lampen von Thon gefunden, welche noch so neu und weiß waren, als wenn sie erst gestern hineingelegt worden wären. Unter der Grundmauer hat man auch ein mit Ziegelsteinen ausgemauertes Behältnis und am Ende desselben starke Pfosten von Eichenholz und nach denselben schöne Schiefertafeln gefunden, mit welchen das Behältnis oder die Kästen zu den Kleinodien bedeckt gewesen waren, die letzteren sind aber nicht mehr zu sehen gewesen, sondern waren, wie man meinte, verrückt worden. Aber über den Ziegeln hat ein großer Ziegelstein, ein Quadrat, gelegen, auf welchem ein Crucifix ganz kenntlich geprägt gewesen ist. Während dem hat sich auch das Gespenst sehen lassen und außen an der Mauer über der Erde ist ein ziemliches Getöse bemerkt worden, wie wenn Bergleute da arbeiten und etwas bewältigen wollten, allein als man zum Fenster hinabgesehen, hat man nicht das Geringste wahrgenommen. Während des Grabens hat man auch etliche Totenknochen gefunden, welche vermutlich Reliquien von diesem und jenem Heiligen gewesen, so zu diesem Schatz gelegt worden, daß er sich nicht verrücken möchte. Es hat auch das Gespenst bei dem Ausfüllen des gemachten Loches nicht wenig Widerwillen, zum Teil auch Spötterei sehen lassen, denn nachdem man lange Bratspieße genommen und an dem Orte, wo die Ziegelsteine herausgegangen waren, herabwärts in den Erdboden gefühlt, ob sich etwa die Kästen gesenkt, hat es bei der Nacht auch einen[58] Bratspieß mitgebracht und hin und wieder in der Kammer mit solchem gegen den Boden gefühlt. Da man nun wirklich anfing, den Berg wieder einzufüllen, hat es nicht allein mit Ziegeln und Steinen um sich geworfen, daß die Arbeitenden davon liefen, sondern es hat auch in der folgenden Nacht die Betten des Frauenvolks mit Schutt und Erde bestreut, daß darüber etlichen, zumal den Mägden, der Mund mit Erde angefüllt ward, den sie im Schlafen offen gehalten.
Als nun die Nähterin nicht wieder mit dem Gespenst allein gehen wollte, hat dieses ihr vorgeschlagen, das 3jährige Söhnlein des Superintendenten mitzunehmen, von welchem die weiße Frau gesagt, sie habe sich gefreut, als es geboren worden, denn es werde sie erlösen. Wirklich hatte man bemerkt, daß seit der Geburt dieses Kindes sich das Gespenst sehen ließ; es kam auch mit einem großen Bund Schlüssel in die Kammer, wo die Schwester des Superintendenten schlief, und sagte: Nun ist der geboren, der mich erlösen wird! Als später die Kindermagd einmal das Knäblein mit sich ins Bett genommen, ist das Gespenst darauf losgegangen und hat es aus dem Bett reißen wollen mit den Worten: »Harre, harre, Du bist mein!« Darüber ist die Magd aufgewacht, hat aber das Kind so fest an seinem Hemdchen gehalten, daß dasselbe entzweiriß, das Gespenst aber hat das Kind fahren lassen und ist auf die Magd gefallen und hat solche dermaßen gedrückt, daß sie kaum mehr Atem holen können. Von dieser Zeit an hat sich das Gespenst aber auch in der eigenen Schlafkammer des Superintendenten, wo dessen Söhnlein in einem Gitterbettlein schlief, eingefunden, hat dasselbe öfter beunruhigt, die Flügel in dem Bettchen aufgemacht und es gereizt, es solle aufstehen und mitgehen, sie wolle ihm schöne gelbe Pfennige geben, es hat auch dergleichen Goldstücke mitgebracht und dem Kinde gezeigt. Während dem ist aber die Nähterin einmal über das andere von dem Gespenste genötigt worden, sie möge doch nur einmal mitgehen, weil auch das Kind mitkommen werde, es solle weder ihr noch dem Kinde ein Leid geschehen, und sie werde soviel finden, daß sie für ihre Lebtage daran genug haben werde. Daher hat sie eines Tages ihre Zeit und Gelegenheit abgesehen, ist auf das Geheiß des Gespenstes aufgestanden und in die Studierstube gegangen und hat dort so lange geharrt, bis die weiße Frau das Knäblein aus seinem Bettchen genommen, auf den Arm gehoben und hineingebracht hat, welches in der Nacht zwischen 1 und 2 Uhr geschehen ist. Nachdem sich aber mit der Thüre ein großes Gerassel erhoben, auch der Wachsstock, den das Gespenst nebst einem langen Briefe mit Mönchsschrift beschrieben, in der rechten Hand gehabt, sehr helle, wie wenn des Morgens die Sonne aufgeht, geleuchtet, ist das Knäblein gleich[59] darüber aufgewacht und hat dem Gespenst eine Ohrfeige nach der anderen gegeben, daß sie es endlich vom Arme herabgelassen und mit der linken Hand fortgeführt, weil es nicht weiter hat mitgehen wollen. Da dann der ganze Saal zur rechten und linken Hand voller schwarzer und weißer Mönche gestanden, mitten durch ist ein enger Durchgang geblieben, und haben sich auf beiden Seiten Musikanten gefunden, welche mit Geigen, Posaunen und Trompeten aufs Lieblichste musiciert, wie solches alle im Hause gehört. Als nun das geängstigte Kind samt der Nähterin an die Treppe kommt, sieht es daselbst einen großen schwarzen Hund sitzen, der eine feurige Zunge aus seinem Rachen reckt, ist aber davon noch mehr erschrocken, und fängt an zu schreien: Ach, Hund beißt! Hund beißt! worauf es sich aus den Händen des Gespenstes gerissen und wieder in die Studierstube gelaufen ist. Da nun die Nähterin solches gesehen, entfällt ihr der Mut auch, sie kehrt ebenfalls um, allein es ist ihr wie das erste Mal nicht wohl bekommen, sondern die bösen Geister haben sie bei den Haarzöpfen ergriffen, zurückgezogen und etliche Mal wider den Boden gestoßen, wobei es ihr vorgekommen ist, als wenn neben ihrem Kopfe lauter Pistolen losgeschossen würden. Indem sie nun noch mit großer Mühe in die Studierstube gekommen und niedergesunken, nicht wissend, wo sie sei noch wie ihr geschehen, da hat sich das Knäblein umgewandt, sie bei der Hand genommen, und vollends in seines Vaters Schlafkammer geführt, wohin die Frauenzimmer aus der anderen Kammer gelaufen kamen und sie hier zu erquicken suchten. Der Superintendent hat nun die ganze Zeit hindurch mit seiner ganzen Familie und Gesinde des Morgens und Abends seine Andacht gehalten, die Nähterin aber, weil sie zum zweiten Male nicht gefolgt, wegziehen heißen. Kaum ist sie jedoch fort gewesen, so hat das Gespenst sich die folgende Nacht darauf in der Kammer, wo die Nähterin sonst gelegen, mit vernehmlicher Stimme hören lassen: »Wo Ihr mir die Marie Sabine nicht wieder herschafft, so will ich auf den dritten Abend so turnieren, daß Ihr nicht sollt darinnen bleiben können.« Worauf der Herr des Hauses, der solches gehört, geantwortet: »Der Teufel ist ein Lügner, er wird's auch diesmal bleiben!« Und wirklich ist es in der darauf folgenden Nacht ganz still geblieben und hat sich seit der Zeit nichts wieder von dem Spuk hören lassen.
(Nach Iccander, Sächs. Kernchronik, bei Gräße, Sagenschatz des K. S., No. 453.)
In Olbernhau starb im Jahre 1719 eine hochschwangere Frau und ward gewöhnlicher Weise begraben. Da kommt einige Tage darauf ein Student auf den Kirchhof und liest dort die Inschriften der Grabsteine. Plötzlich sieht er auf einem Grabe eine weinende Frauensperson stehen, die auf sein Befragen, warum sie das thue, antwortet: »Ach, daß Gott erbarm, ein Kind und keine Windeln!« Da hat der Student aus Mitleid sein Halstuch abgebunden und es ihr zugeworfen, worauf sie sogleich verschwunden war. Nun hat den Studenten eine große Angst befallen, es möge diese Person kein lebendes Wesen, sondern ein Gespenst gewesen sein, er ist also sogleich zum Ortsgeistlichen und in's Amt gegangen und hat die Sache angezeigt, worauf die Obrigkeit jenes Grab öffnen ließ und man fand, daß jene Frau im Grabe ein Kind geboren hatte, welches tot zu ihren Füßen in das Halstuch des Studenten, welches dieser, durch seinen darin gestickten Namen als sein recognosciert hat, eingewickelt lag.
(F. A. Türke im Glückauf, Jahrg. 2, No. 3.)
Zwischen den Feldern von Neudorf und Crottendorf liegt ein schmaler Streifen Staatswaldung, die Braunelle genannt, in welchem die Sage den Katzenhans des Nachts sein Wesen treiben läßt. Sein weithin tönendes »hollerndes« Geschrei schreckt den Einsamen und treibt ihn auf Irrwege. Zuweilen begiebt er sich auch durch die Luft über Crottendorf hinweg nach einer sumpfigen Gegend zwischen diesem Orte und Scheibenberg, um allda sein Wesen zu treiben. Die Sage berichtet aber nicht mehr, wer jener Katzenhans gewesen sei und woher es komme, daß er gerade dort sein Wesen treibe. Sein Parteigänger ist der Glasmeister mit sehr großen Glasaugen, der in der oberen Braunelle, da, wo die Straße von Neudorf nach Crottendorf den Wald durchschneidet, den Wanderer in der Nacht schreckt und irre führt. Ob sein Herkommen auf die ehemalige Glashütte in Ober-Crottendorf zurückzuführen ist, weiß aber niemand zu sagen. – Ist nun der Fußgänger des Nachts glücklich durch Ober-Crottendorf und ein gutes Stück auf der Straße nach Scheibenberg weiter gekommen, so begleitet ihn eine gespenstische Laterne eine gute Strecke.
In Neudorf berichtet die Sage von einem zweiten Kameraden des Katzenhans, dem Bachreiter, der zuweilen des Nachts den Sehmabach auf- und abwärts durchreitet und durch sein Erscheinen Unglück verkündet, wenigstens macht er darauf aufmerksam, daß in der Nähe des Ortes, wo die Hufeisen seines Rosses Funken schlagen, bald ein Feuer entstehen werde.
Von einem Bach- oder Schimmelreiter erzählt auch die schwäbische Sage. Derselbe reitet die Wald- und Wiesenthäler entlang, folgt dem Laufe des Wassers oder setzt durch dasselbe des Abends hindurch. Die ihn Begegnenden führt er irre. Sein Roß hat er sich aus dem Meere geholt, vor Sonnenaufgang stieg der herrliche Schimmel daraus hervor, ließ sich vom Reiter an den Ohren fassen und ihn aufsitzen, trug ihn ohne Sattel und Zaum, wohin er wollte. In den Fahrten dieses geisterhaften Reiters lassen sich Nebelbilder erkennen. (Mannhardt, die Götter der deutschen und nord. Völker, S. 54.)
(Nach einer Mitteilung von C. Vieweg aus Aue.)
In früheren Zeiten lebte in Aue ein Förster mit Namen Rachhals. Derselbe war rauh in seinem Wesen und flößte allgemeine Furcht ein, so daß man seiner Person so viel wie möglich aus dem Wege ging. Nach seinem Tode ging die Sage, Rachhals sei in eine finstere Kammer seines Hauses, durch welche eine Esse führte, verbannt worden und spuke darin um Mitternacht. Die Kammer hatte nur ein kleines Fenster nach dem Hofe, und es wurde erzählt, sobald dieses Fenster geöffnet werden würde, sollte Rachhals erlöst sein, gleichzeitig aber würde auch das Haus abbrennen. Das Haus stand in der Nähe des jetzigen Gasthofs zum Engel. Als daselbst im Jahre 1859 Feuer ausbrach, wurde auch das ehemals Rachhals'sche Haus ein Raub der Flammen.
(Chr. Lehmann, Hist. Schauplatz, S. 944 und 945.)
Im Jahre 1670 den 30. September hat sich in einem Bergorte zugetragen, daß ein Mann seinen Sohn von 13 Jahren in Verrichtung über Feld ins nächste Dorf schickte. Als der Knabe wieder zurückgeht, begegnet ihm sein gewesener Pate, ein Hammerherr, der schon vor zwei Jahren gestorben war, in der Gestalt, wie er ihn hatte im Sarg angezogen gesehen, der sieht ihn an und spricht: »Siehe Pat, bist Du es? Steht mein Hammer noch? Ist er noch nicht weggebrannt?« Der[62] Knabe erschrickt, schüttelt den Kopf und eilet nach Hause. Die Erscheinung aber ist bald vorn, bald hinter ihm, brummt etwas, was er nicht verstehen konnte und verändert sich dreimal in den Kleidern. Da der Knabe über das Dorf heraus kommt, fängt es an: »Ach, wie müde bin ich, ach, wenn mich jemand trüge! Pat, gehe in meinen Hammer, an dem Orte wirst Du Geld finden, Dir ist's beschert.« Und damit däuchte es dem Knaben, er sähe Geld vor sich liegen und schimmern. Als er seinem Städtlein nahe kam, und zuvor durch ein Gebüsch gehen mußte, da fing sich erst ein Alarm an, das ganze Büschlein war voll schwarzer Männer, die den Hammermeister umringten. Bald verwandelten sie sich in große rote Hirsche, daß der Knabe nicht wußte, wo aus oder ein; bald sah er einen Mann kommen, der hatte eine Rute in der Hand und drohte damit den Gespenstern und den Hirschen. Der Knabe lief aus Furcht und Zittern fort, die Hirsche verloren sich, aber das Hammergespenst begleitete ihn noch eines Stück Weges, und ehe es von ihm bergunter Abschied nahm, lehnte sich's noch einmal über den Knaben hinüber, und sahe ihn scharf unter die Augen, ging davon einen anderen Weg, bei sich murmelnd. Der Knabe kam heim, klagte es den Eltern und lag acht Tage krank.
Im Jahre 1658 starb im Gebirge ein Bergbeamter, welcher ein guter Kirchen- und Schulfreund, ein weltkluger, bergerfahrener Mann, ein geübter Sänger und Musikus, ehrbar im Gespräch, ohne Fluchen und Schelten und gutthätig gegen seine Arbeiter gewesen ist. Dennoch hat der Teufel nach seinem Tode einen gefährlichen Lärm angerichtet. Er ließ sich in des Verstorbenen Gestalt nicht nur auf dem Hammer, da er gewohnet, sondern auch in seinem Hause, meistens aber auf einer Schmelzhütte sehen, schlug Knechte und Mägde im Stall, seine Tochter über dem Nähen, daß sie acht Wochen krank gelegen, vexierte die Arbeiter, daß niemand bleiben wollte. Ein Jahr lang darauf war Ruhe und Friede bei ihm; aber da nach dieser Zeit ein Bauer ungefähr über eine unbekannte Waldhütte kommt, die Bretter losreißet und sie heimfahren und nun das letzte Brett abreißen will, drückte ihn der gespenstische Mann, daß er sterben mußte. Von da fing er sein Mordspiel wieder an und drückte erstlich Caspar Bibera, einen Kohlenmesser, auf dem Hofe tot. Die Nacht vor dem Christfest des Jahres 1659 schlägt er stark an's Thor, der Wächter meint, es sei eine nötige Post und macht auf; da präsentiert er sich in einem schwarzsamtnen Pelz und mit einem spanischen Rohr, drückt dem Wächter alle Glieder entzwei und begehet andere Thaten mehr, daß sich die Nachbarn vor diesem gespenstischen Gaste sehr gefürchtet haben.
(E. Heger und J. Lienert, Ortskunde des Dorfes Schmiedeberg i. B. 1879. S. 60.)
Zuweilen kann man in und bei Schmiedeberg einen Umzug, ähnlich der wilden Jagd, beobachten. Von Norden, über die Schmiedstättheide, kommt nämlich hoch in den Lüften der unheimliche Hansmichel dahergebraust. In einem mit Ziegenböcken bespannten Wagen stürmt er beim Glaserbergel über den Ort und verschwindet im Walde. Während seiner rasenden Fahrt läßt er den Ruf »Hoho! Hoho!« erschallen, bethört dadurch die Wanderer in der Waldung und leitet sie auf falsche Wege. Früher hauste der unheimliche Hansmichel auch mit besonderer Vorliebe am sogenannten Hammerwege. Nach der Sage soll er Herr des ehemaligen Weiperter Spindlerhofes gewesen und irgend einer großen Ungerechtigkeit wegen zu dieser ruhelosen Luftfahrt verurteilt worden sein. Sonst bösartig hat sich der unheimliche Hansmichel nie gezeigt.
(Heger und Lienert, Ortskunde von Schmiedeberg i. B., S. 61.)
Der hohe Stein ist ein nächst Neugeschrei bei Schmiedeberg hervorragender steiler Felsen, von dem man eine schöne Fernsicht gegen Westen und Norden, nach Sachsen in die Gegend von Dresden, Zwickau und Altenburg genießt. »Denkmal der Freundschaft« kann man auf seiner Plattform lesen; in die übrigen Wände sind aber auch andere merkwürdige Zeichen eingegraben. Auf diesem Felsen sieht man zu Zeiten und zwar alle 5 Jahre von 12 bis 1 Uhr mittags, ein Männlein mit langem roten Bart, in roter Kleidung sitzen. Das ist der Hohensteiner. Angesprochen hat ihn noch niemand; die ihn sahen, eilten entsetzt vorüber, denn er läßt ein zorniges Kreischen, wie von kämpfenden Katzen, ertönen. Der rote Hohensteiner harrt auf Erlösung, und die kann ihm nur von einem furchtlosen Mädchen werden, wenn ihn dasselbe recht mutig anspricht.
Der rote Hohensteiner erscheint hier als eine teuflische Gestalt. Der Teufel hieß auch der Rote, und mit Hinweis darauf sagte man: »Rote Lütli, Tüfelshüttli« und »Rotbart, Teufelsart!« »Wenn du numme rot wurdist« heißt: »Daß Dich der Teufel holte!« Der einen roten Bart tragende Gewittergott Donar wurde zum Teufel. (Rochholz, deutscher Brauch und Glaube. II. S. 224.)
(Gräße, Sagenschatz des K. Sachsen, No. 514.)
Auf dem Schlosse Hartenstein, dem Stammschlosse der Schönburge, fand sich einst jeden Tag ein Schattenritter ein. Man nannte ihn Vollmer den Geisterkönig. Er hatte, man weiß nicht wie, die Liebe der schönen Kunigunde von Schönburg, als sie noch Kind war, gewonnen, und dieselbe hatte erklärt, ihn und keinen anderen wolle sie ehelichen. So ritt er denn jeden Tag auf unsichtbarem Rosse in's Burgthor ein, zog ersteres, ohne daß jemand es sah, – nur hören konnte man seinen Tritt, – in den Stall und stieg dann selbst unsichtbar, und nur am Schall seines Trittes kenntlich, die Schloßtreppe hinan. Dort kam ihm seine Braut entgegen, der reichte er seine Hand, – das war der einzige fühlbare Teil seines Körpers, weich und glatt aber eiskalt – und nun sprachen und koseten sie zusammen wie zwei Liebende es thun. Dann schritten sie in den Speisesaal, wo ihrer schon der Bruder des Fräuleins harrte, und alle drei setzten sich zu Tische und aßen und tranken nach Herzenslust; die dem Schattenritter vorgelegten Speisen und der Wein in seinem Becher verschwanden, und doch sah niemand, wo es hinkam. Man hörte nur des Schattenbräutigams Stimme, und der Graf, dem früher vor seinem geisterhaften Schwager gegraut, faßte immer mehr Neigung zu ihm, denn er hatte an ihm einen steten treuen Berater und Warner bei bevorstehendem Unglück. Wenn das Mahl vorüber war, verließ der Graf die beiden Brautleute, und so saßen sie bis kurz vor ein Uhr; dann nahm der gespenstische Gast eilig Abschied, so trieb er es viele Jahre; da äußerte einmal das Fräulein, wie sie sich nach einem Kusse von seinem Munde sehne, und siehe, ihr geisterhafter Bräutigam antwortete: »Lebe wohl auf ewig; weil ich an Deine rein geistige Liebe glaubte, verließ ich mein himmlisches Reich, um bei Dir zu sein; jetzt wo Du an irdische Liebe denkst, ist mein Bleiben nicht mehr hier, Du siehst mich nie wieder!« Damit verschwand er und nie hat das Fräulein wieder seine Nähe empfunden.
(Christ. Lehmann, Histor. Schauplatz etc., S. 75.)
Fünfzig Jahre nach der Verwüstung des Grünhainer Klosters hat sich am Elterleiner Wege, wo, wie die Schlackenhaufen ausweisen, des Abts Hammer gestanden, ein Gespenst in Mönchsgestalt sehen lassen, welches die Vorübergehenden, sonderlich Trunkene und Jauchzende, übel bezahlte, und einst einen Bergmann von Elterlein, der das[65] Gespenst in seiner Trunkenheit herausforderte, mit den Beinen den Berg hinunter geschleppt, in den Bach geworfen und am Kopfe arg verwundet. Einen Richter, der trunken in der Nacht von Grünhain heimgeritten, hat's mit dem Pferde gestürzt, daß er den Arm brach, und ist der Richter mit großer Lebensgefahr nach Hause gekommen.
(Alfr. Moschkau in der Saxonia II., S. 91.)
Wie in alten Burgen Ritter und Ritterfräulein, so hausen in alten Klöstern auch oft gespenstische Mönche. Während man aber diese Wesen meist in den Mitternachtsstunden belauscht haben will, erzählt man sich, daß im Klostergarten zu Altzella in der Mittagsstunde ein Cisterziensermönch mit langem weißen Barte promeniere und oft gesehen wurde. Er soll zumeist, das Haupt sinnend auf die Hand gestützt, in den Abteiruinen sitzen, sich aber, sobald man ihm zu nahen versucht, sich in einer weißen Rauchwolke verflüchtigen.
(Grohmann, Sagen aus Böhmen, S. 282.)
Wenn man in Komotau das alte Rathaus besichtigt, so kommt man in einen Hof, der das »Mönchshöfel« heißt. An der einen Wand desselben bemerkt man ein Steinbild, das einen Mönch vorstellt, dessen Haupt und Hände getrennt sind. Im Rathause soll nämlich, so oft der Stadt eine Gefahr droht, ein Mönch herumgehen, der den Kopf unter dem Arme trägt. Er geht vom Rathause bis zur Kaserne, einem ehemaligen Jesuitenkloster, wo er verschwindet. Viele Leute wollen ihn schon gesehen, namentlich soll er im Jahre 1832 sich gezeigt haben, und drei Tage nach seinem Erscheinen ist die ganze Stadt abgebrannt.
(Lehmann, Histor. Schauplatz, S. 250.)
Abraham Munsch, ein alter frommer Hutmann in Wiesenthal, erzählte, daß er einstmals oben auf dem Fichtelberge einen überaus schönen Brunnen angetroffen, dessen Grund und Boden von eitel Goldflammen geleuchtet habe. Da er sich niedergesetzt, um den schönen Quell zu betrachten und wieder aufgesehen, sei ein schönes buntes Vöglein auf einer Seiten, auf der anderen aber ein Mönch mit einem[66] offenen Buche gesessen, darüber er erschrocken und davon gelaufen. Er habe aber seit dieser Zeit den Brunnen nicht wieder antreffen können.
(Mitgeteilt von J. G. Müller, Kirchner und Lehrer in Lößnitz.)
An unbestimmten Tagen, besonders wenn der Mond nicht scheint, entsteigt dem Keller des alten Rittergutes Alberode nachts 12 Uhr ein Mönch mit einer großen, hellleuchtenden Laterne, vom Volke der Laternenmann genannt. Derselbe geht unbeirrt langsamen Schrittes auf dem Marktsteige nach dem Klosterholze und verschwindet in einem Keller des Rittergutes Klösterlein. Er thut niemandem ein Leid.
In Sagen anderer Gegenden nähert sich der Laternenmann dem feurigen Manne ohne Kopf; ohne Kopf geht z. B. der Mann mit der Laterne bei Hackpfiffel in der Grafschaft Mannsfeld umher. (Größler a. a. O. No. 195.) Wir finden überhaupt, daß in den Sagen von Laternen tragenden und feurigen Männern, sowie von Irrlichtern mancherlei Berührungspunkte vorhanden sind. In Kärnten z. B. heißt das Irrlicht »Lichtmandl« d. h. Lichtmännchen; es wird also hier ganz als persönliches Wesen gedacht und entspricht unserm feurigen Manne. Das »Lichtmandl« hat flammende Hände, mit denen es einen Mann züchtigte, als es derselbe anrief, ihm Feuer in seine Pfeife zu geben. (Österr. Touristenzeitung 1884, No. 21.)
(Gräße, Sagenschatz d. K. Sachsen, No. 469.)
In der Stadt Chemnitz bei dem sogenannten Kloster in der Vorwerksstube war früher ein Mönchskopf zu sehen, auf dem, so oft man die Stube reparierte, allemal ein Groschen Geld liegend gefunden ward. Dieser Kopf war aber sehr empfindlich, wenn jemand mit ihm Kurzweil treiben wollte. So ist einmal ein Steinmetzgeselle nach Chemnitz gekommen, und weil er vieles von diesem Kopf gehört, hat er ihn sehen wollen. Als er nun dessen altes, zorniges Gesicht genau betrachtet, hat er es nachzumachen und überall auszuspotten sich eitel Mühe gegeben. So ist es geschehen, daß er mit einer Gesellschaft von Kameraden einmal nach Hause ging, da kam ihm ein Bedürfnis an und als unterdessen seine Reisegefährten weiter gingen, ist er, wie er später aussagte, von einem Mönch in einen mit Eis bedeckten Teich – es war gerade Winterszeit – geworfen worden, und hat ihn derselbe dermaßen geängstigt, daß, als seine Kameraden, die wieder umkehrten, ihn suchten, sie ihn winselnd und fast vor Schrecken stumm antrafen,[67] für tot herauszogen und so nach Hause brachten. Sein Mund war ihm dergestalt der Quere gezogen, daß er über ein halb Jahr zubrachte, ehe er wieder gesund ward, auch in der Kirche für ihn gebetet ward.
(Chr. Lehmann, Histor. Schauplatz etc. S. 74.)
Im Jahre 1632 ließ der Stadtschreiber zu Scheibenberg, Theophilus Groschupf, einen Raum an der Erbisleite zu Acker machen. Da nun ein Arbeiter, Georg Feuereisen, mittags hinunter an einen Brunnen ging, um Trinkwasser zu holen, fand er dabei einen häßlichen unbekannten Mann liegen, der ihm auf seinen Gruß nicht dankte, sondern auf dem Rückwege ihm auf den Hals fiel und ihn braun und blau drückte, so daß er infolge dessen acht Wochen krank lag.
(Christ. Lehmann a. a. O. S. 76.)
Zur Herbstzeit des Jahres 1654 kommt der Kirchvater von Stützengrün aus dem Walde, ist gar schwermütig und klagt auch, es habe ihn ein Gespenst erschreckt. Als er im Februar des nächsten Jahres wieder hinausgeht, höret er eine Stimme: »Erwürge Dich, oder ich thue es! Greif lieber selber zu!« Damit zieht der bestürzte Mann sein Messer heraus und schneidet sich den Bauch auf, daß die Gedärme in den Schnee fallen. Weil er aber vor Schmerzen heftig schreiet, finden ihn etliche Köhler in seinem Blute liegen und führen ihn noch lebend heim. Nachdem er gebeichtet und das Abendmahl genommen hatte, auch getröstet worden war, ist er bald darauf verschieden.
(Moritz Spieß, Aberglauben, Sitten und Gebräuche im sächs. Obererzgebirge. Programmarbeit. 1862. S. 39.)
Zwischen Geiersdorf und Königswalde, am linken Ufer der Pöhla, liegt die sogenannte Reicheltwiese, welche, da sie sumpfigen Untergrund hat, sehr weich und »papprich« ist. In derselben soll ein Fuhrmann, der Salz geladen hatte, mit Wagen und Pferden versunken sein. Abends 9 Uhr soll derselbe mit seinem Fuhrwerk wieder erscheinen, mit seiner Peitsche knallen und dabei »Hüoh!« rufen.
(Grohmann, Aberglauben und Gebräuche aus Böhmen. 1. B. 1864, S. 21.)
In Komotau läßt sich zu manchen Zeiten ein feuriger Mann sehen, der den Kopf unter dem Arme trägt. So oft er erscheint, bricht in derselben Gasse, wo man ihn sieht, Feuer aus.
(Nach Mitteilung des Sem. Richter in Schneeberg.)
Den Weg von Mittel-Pobershau nach Zöblitz über den sogenannten »Berg« des Nachts zu gehen, ist gewiß jedem Einheimischen unangenehm, da schon mancher von einer Gestalt, die dort mit einem Lichte herumläuft, geäfft worden ist.
(Lehmann, Histor. Schauplatz, S. 950.)
Im Juli des Jahres 1696 wurden Hans Neuber, ein Köhler, und sein Weib Anna Katharina Metznerin, beide fromm und in friedlicher Ehe lebende Leute zu Königswalde auf der Amtsseite, von Gott mit einer jungen Tochter begnadet. Nachdem das Kind getauft, hat sich in der Nacht darauf ein langer schwarzer Mann, der aus der Stubenkammer hinein in die Stube gekommen, vor dem Bette der Frau eingefunden und hat sie angeredet: »Gieb mir Dein Kind!« Als sie sich aber dessen geweigert, ist er wieder hinausgegangen und hat das Schloß hinter sich zugeschlagen, daß es geschmettert. Nach 14 Tagen kam etwas an den Laden, daß sie auch den Schatten am Fenster sehen konnte, und weil sie es für einen Hund gehalten, hat sie auf dasselbe gerufen: »Gehst Du garstiges Aas!« Worauf es den Fensterladen gewaltig zugeschlagen und weiter nichts unternommen. Die folgende Nacht hat es ihr Kind aus dem Bettchen gezogen, worauf sie es quer über dem Badewännchen auf dem Gesichte liegend wieder gefunden, welches darauf eine Nacht um die andere wiederholt worden. An einem Sonnabend im August hat die Mutter zu Nacht das Kind kurz vorher gestillet und wieder hinaus in das Wännchen gelegt. Da träumte dem Vater, es hätte ein Kind einen Arm gebrochen, worüber er erschrocken aufgefahren; doch, weil er sich besonnen, es sei ja sein Kind nicht, welches er bei sich in der Kammer habe, ist er bald wieder[69] eingeschlafen. Hierauf wurde ihm das Bette vom Leibe gezogen, worüber er auffuhr und nach dem Kinde schrie, welches sie leider aus dem Kißchen ganz bloß auf dem Gesichte liegend tot fanden. Als nach dessen Beerdigung der Mann wieder an seine Arbeit im Kohlenhau gegangen und seines Bruders Weib des Nachts bis zu seiner Wiederkunft dazubleiben vermocht hatte, so hat sich zur Nacht zwischen 11 und 12 Uhr etwas an dem untern Bettbret angegeben, damit geknacket, ist endlich gar ins Bett gefallen, daß es ganz schwer geworden, und da sie ihre schlafende Schwägerin aufgeweckt, habe das Ungetüm gesagt: »Harre, ich will Dir Deinen Rest schon geben!« Womit es weggekommen, und hatte sie es ordentlich auf dem Stroh hingehen hören, und der Hund hatte es gemerkt und sehr gewinselt.
(Mündlich.)
Auf dem Gottesacker in Schneeberg ist früher am Tage ein schwarzes Männchen gesehen worden, welches ein Buch in der Hand hatte. Eines Tages erblickte es auch der Totengräber; derselbe erschrak darüber so sehr, daß er bald darauf starb.
(Jugenderinnerung eines geborenen Nosseners.)
Auf dem Fußwege, der an der Südseite des Schloßberges von der Unterstadt (dem früher sogenannten »Loch«) nach der Oberstadt führt, trieb noch vor fünfzig Jahren ein Spukgeist, der Schamprich, sein Wesen. Er pflegte sich des Nachts den Leuten am Anfange des Weges nach einigen Schritten »aufzuhucken« und sich den Berg hinauf bis zum Stumpfe einer großen Eiche tragen zu lassen, wobei die Last immer schwerer wurde. Mit dem Neubau der Dresdner Straße, bei der auch der obere Teil des Weges in Wegfall kam, ist er verschwunden. Der Eichenstumpf befand sich gegenüber dem dicken runden Eckturme, in welchem Lips Tullian einige Zeit verwahrt worden sein soll, links am Wege.
In früherer Zeit mußte der Stadtnachtwächter am nördlichen Schloßgraben entlang gehen und von der äußersten Bergecke aus, an der sogenannten Dechanei, die Stunde abtuten. Da hat er einmal in einer Winternacht von unsichtbarer Hand eine Ohrfeige bekommen, daß ihm die Pelzmütze den Berg hinabrollte. Er schrieb den Schabernack dem Schamprich zu.
(Nach Mitteilung des Seminarist Förster aus Bärenwalde.)
Zwischen Bärenwalde und Giegengrün erhebt sich ein Granitfels, der Jüden- oder Giegenstein genannt. Es sollen einst in der Umgebung desselben Soldaten einen Lagerplatz gehabt und die umwohnenden Bewohner hart ausgeplündert haben. Dabei hat einer von den Soldaten einem armen Manne, welcher nichts geben konnte, das Hüttlein angezündet. Da verwünschte ihn der Arme und zur Strafe muß nun die Seele des Soldaten in der Gestalt eines schwarzen Mannes an dem Jüdensteine, wo auch reiche Schätze vergraben sein sollen, ruhelos umherwandeln. Viele Leute wollen diesen schwarzen Mann schon gesehen haben.
Ein Mann aus Bärenwalde sagte einmal, er fürchte sich nicht, denn es gebe keinen schwarzen Mann; er sei schon oft des Nachts an dem Steine vorbeigegangen, ohne etwas gesehen zu haben. Da geschah es, daß er einst wieder an dem Jüdensteine vorbeifuhr. Plötzlich setzte sich ein schwarzer Mann zu ihm auf den Wagen, der immer schwerer und schwerer wurde; zuletzt konnten die Pferde den Wagen nicht mehr weiter ziehen. Der Bärenwalder glaubte, der Mann wolle ihn nur erschrecken, deshalb drehte er sich um und gab ihm eine Ohrfeige. Aber ebenso schnell bekam er eine solche von unsichtbarer Hand wieder. Er mußte den Wagen stehen lassen, ging nach Hause und starb nach neun Tagen.
(Mündlich.)
Als in Weißbach bei Schneeberg ein Jüngling gestorben war, zog man ihm seine schwarzen Kleider an; in der Westentasche aber befand sich noch ein Pfennig. Da kam der Verstorbene zweimal des Nachts um 12 Uhr wieder nach Hause. In der zweiten Nacht soll der Pfarrer anwesend gewesen sein, der hat ihn gefragt, was er wolle. Darauf sagte die Erscheinung, sie fände im Grabe nicht eher Ruhe, bis man den mitgenommenen Pfennig wieder geholt hätte.
(Flader, Wiesenthälisches Ehren-Gedächtnis, 1719, S. 97.)
Anno 1655 ging ein Fleischhauer aus Wiesenthal sehr frühe bei Mondenschein und wollte nach Elterlein. Als er aber eine halbe Meile[71] zurückgeleget und auf einen Platz kommt, tritt ihm ein grausames Gespenst mit feuriger Zunge und Augen entgegen, in Gestalt eines verrufen gewesenen Gebirgers, der manchem auf dem böhmischen Wald das Licht ausgelöschet. Dies Gespenst verlegt ihm den Weg mit seiner Kette um den Leib, daran eitel Totenköpfe hingen. Der Fleischhauer erschrickt, betet und kehrt eilends zurück nach Haus. Das Ungetüm aber begleitet ihn bis in seine Stube, stellet sich daselbst vor ihn und sieht ihn an, bis die Wirtin aufgestanden ist und ein Licht angezündet hat. Da ist das Gespenst wieder verschwunden.
(B. C. (Cotta), Tharand und seine Umgebungen. 1835. S. 91. Gräße, Sagenschatz etc. No. 264.)
Ganz in der Nähe des Städtchens Tharand befindet sich das Thal der roten Weißeritz. Hier gestatten schroffe Felsriffe und wild aufbrausende Fluten im Frühjahr kaum einen schmalen Pfad am linken Gehänge hin. Eine felsige Landzunge, der sogenannte Einsiedel, wo einmal ein Einsiedler seine Klause gehabt haben soll, ist in der Umgegend als ein Ort, wo es spukt, berüchtigt. Man erzählt sich von grauen Männchen, die da herumgehen, und von Geistern, die einen dort verborgen liegenden Schatz bewachen sollen, den nur eine ganz reine Jungfrau heben kann. Ein Mann aus dem nahegelegenen Sommsdorf sah vor Jahren, wie ein kleiner, höhnisch lachender Zwerg eine alte Frau vom Berge herabzerrte, die dann zerkratzt und halb besinnungslos in ihrer Heimat ankam. – In demselben Thale, bei der langen Brücke am Felsen hin, befindet sich auch der Nixentump, der sehr tief und von zwei Wassernixen bewohnt ist.
(Märker, Chronik von Großhartmannsdorf. Marienberg, S. 36.)
Der älteste Flügel der herrschaftlichen Gebäude in Großhartmannsdorf bei Freiberg, welcher eine Anzahl finsterer Gewölbe enthält, soll der Schauplatz mancher gespenstischen Erscheinungen sein. Einmal soll des Nachts zur Zeit, da kein Mensch das Herrenhaus bewohnte, eine Gestalt mit Licht durch alle Zimmer gegangen sein; einmal wieder eine lange weibliche Gestalt in alter Tracht und mit einem großen Schlüsselbunde zum öftern im Hofraume des Nachts umhergewandelt,[72] und noch ein anderes Mal ein Lärmen und Poltern wahrgenommen worden sein.
(Leopold, Chron. und Beschr. d. St. Meerane, S. 101.)
Von dem Tannicht, einem feuchten Thale bei Meerane, sagte man früher, daß es daselbst einem aufhocke, d. h., daß ein Geist sich da manchem schon mit bleierner Schwere auf die Schultern gesetzt habe.
Dr. Leopold, der Verfasser der Chronik von Meerane, führt den Ursprung dieser Sage auf den Umstand zurück, daß Leute, die stark schwitzend von der Höhe des Crimmitschauer Weges in den Tannicht hinabstiegen, sich verkühlten und von Blutandrang nach Kopf und Brust befallen wurden.
(Engelschall, Beschreibung der Exulanten- und Bergstadt Johanngeorgenstadt. Leipzig, 1723, S. 135.)
Im Jahre 1719 fährt Abraham Friedrich einem Schmiede in Johanngeorgenstadt Kohlen ein. Da er nun Nachmittag um 1 Uhr wieder an die Meilerstätte kommt und den Schmiedegesellen, welcher ihm beim Aufladen helfen soll, nicht findet, im Gebüsch sich aber etwas bewegen sieht, so meint er, es sei der Gehülfe und ruft ihm daher zu, er solle sich herpacken und mit aufladen. Hierauf erschallt eine Stimme: »Jetzt gleich.« Es kommt auch wirklich jemand und hilft ihm etliche Kübel Kohlen auf den Karren laden, also daß Friedrich nicht anders meint, er habe seinen Gesellen. Nachdem sich aber der Kohlenstaub ein wenig legt, sieht er an dessen Unterleib eine seltsame Gestalt, er stößt ihn daher von sich und spricht, er solle sich packen, seine Hülfe begehre er nicht. Indem nun Friedrich weiter aufladet, kehrt der andere das Löschfäßlein um und belegt es mit lauter neuem kurfürstlichen Gelde. Dabei begehrt er, weil Friedrich ein armer Mann sei, solle er's nehmen, und so oft er etwas brauche, möge er wieder an diese Stätte kommen, da er ihm ein mehreres geben wolle. Darüber wurde Friedrich unwillig und stieß das Faß mit dem Gelde um, so daß letzteres über den ganzen Platz verstreut wurde. Der andere aber raffte es im Hui wieder in seinen Beutel und hielt es von neuem vor. Friedrich jedoch kehrte sich nicht daran und fuhr fort. Er mußte aber seinen Gefährten noch ein gut Stück Weges bei sich haben. Derselbe hielt ihm immer den Beutel vor, schüttelte mit dem Gelde und[73] wollte es ihm aufdringen, bis endlich Friedrich aus Ungeduld ihn garstig gescholten und mit der Peitsche darnach geschlagen. Da ging der andere seitwärts ins Holz und hinterließ einen solchen Dampf und Gestank, daß Friedrich zu ersticken meinte und auch in der Folge krank wurde.
(Nach Mitteilung des Seminarist Richter in Schneeberg.)
In Pobershau bei Zöblitz sieht man neben der alten Schule eine große Steinhalde. Hier soll ein Gespenst sein Wesen treiben, denn schon oft hat man daselbst Stöhnen, Rufen und Gepolter gehört, und es wird überhaupt viel darüber gemunkelt. Nach der allgemeinen Sage soll dies Gespenst der Geist eines früheren Grundbesitzers sein, welcher als sehr hartherzig verschrien war.
(Mündlich.)
Ein Teil des Schloßwaldes bei Chemnitz trägt den Namen »Die sieben Ruten.« Jeder, der diesen Teil betritt, soll keinen Ausweg finden können. Der Sage nach soll hier einst einer besonderen Krankheit wegen ein Mann begraben worden sein, der jedem, welcher dies Gebiet betritt, den Ausweg verstellt.
(Ziehnert, Sachsens Volkssagen. Anhang, No. 18.)
Zwischen den Dörfern Auerswalde und Glößa bei Chemnitz liegt ein Wald, die sogenannten Sechsruten. In diesem spukt der Schatten eines bösen Beamten, welchen die Volkssage den bösen Seidelmann nennt. Er hat bei seinen Lebzeiten die ihm Untergebenen übel behandelt und viele Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten verübt, wofür er zur Strafe im Grabe keine Ruhe findet. Sein spukender Geist führt die Wanderer irre und neckt und erschreckt sie durch gellendes Rufen. Niemand in der Umgegend weiß, was zu Seidelmanns Erlösung vonnöten ist.
Ein Walddistrikt zwischen Roßleben und Ziegelrode heißt »der Sechse«. Auch hier spukte einst in einem Zauberkreise ein dorthin verbannter Geist, der sogar Prügel austeilte. (Größler, Sagen der Grafschaft Mannsfeld, No. 260.)
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 91.)
Unterhalb der letzten Häuser von Platten, welche an der nach Breitenbach führenden Straße liegen, erhebt sich jenseits des Baches ein ziemlich hoher, mit dunklen Fichten bewachsener Felsen, der allgemein »der Baslerfels« genannt wird. An der Stelle, wo dieser Fels emporragt, soll vor so und so viel Jahren ein stattliches Schloß gestanden haben, das der reiche Basler bewohnte. Er verdiente in der That diesen Beinamen, denn er war der reichste Bergwerksbesitzer in der ganzen Umgegend. Allein Reichtum erzeugt nicht selten Hochmut, und Hochmut führt leicht zum Fall. Auch Basler, pochend auf seine Gold- und Silberschätze, lebte in verschwenderischer Pracht und Herrlichkeit, bedrückte über die Maßen die Armen und ließ in frevlem Übermute seinen Pferden sogar silberne Hufeisen aufschlagen. Und als er in seiner Verstocktheit noch größere Frevelthaten verübte, ereilte ihn die Strafe des Himmels. Basler wurde samt der Burg zum warnenden Zeichen für alle Zeiten in harten Stein verwandelt. Seit dieser Zeit ist es beim Baslerfels nicht richtig.
Drei Bergleute, von denen einer taub war, gingen einmal nach beendigter Schicht nach Hause. Als sie bei der unteren Mühle anlangten, da, wo sich im Felsen ein Stollen befindet, vernahm der taube Bergmann deutlich das Getrabe von Pferden und das Gerassel einer Kutsche und machte seine Kameraden darauf aufmerksam. Dieselben sahen fürwahr aus dem Stollen eine vierspännige Kutsche herauskommen, doch hörten sie diese weder rasseln noch die Pferde traben.
Andere Leute wollen zu einer bestimmten Zeit bei der sogenannten Kühbrücke, die sich am Fuße des Baslerfelsens befindet, ein weißes Schaf gesehen haben, das manchen bis zu dem bereits oben genannten Stollen geführt haben soll.
Neben der Kühbrücke liegt heute noch ein großer Stein, auf welchem einst ein Mann, der eine schwere Bürde trug, ausruhte. Während seiner Rast schimpfte er gewaltig auf den Baslerwald, weil er sich darin verirrt hatte. Wie er vom Steine wieder aufstehen wollte, konnte er trotz aller Kraftanstrengung sich nicht in die Höhe erheben. Erst dann, als der Mann sein Fluchen bereute, kam er von der Stelle.
Auch führt es Holzleute, die in das Bereich des Baslerfelsens kommen, irre, so daß sie erst nach längerem Hin- und Herlaufen wieder den rechten Weg gewinnen.
Überdies soll sich im Baslerfelsen ein Hemann aufhalten, der[75] Personen, welche sein ihm zugeteiltes Gebiet betreten, so lange herumtreibt, bis sie tot zu Boden stürzen.
(Mitgeteilt durch Lehrer Günther aus Lößnitz.)
Ein böser Graf von Wildenfels ist einst in ein Pfund Hirse verbannt worden. Er muß so lange darin bleiben, bis der Haufen, von dem jedes Jahr nur ein einziges Körnchen abfällt, verschwunden ist. Dieser Graf ist nämlich bei seinen Lebzeiten sehr unbarmherzig und geizig gewesen. Während einer großen Teuerung war ihm das Getreide noch nicht teuer genug, daher verkaufte er seine Vorräte nicht. Da kam ihm aber der Wurm hinein, der das ganze Getreide durchwühlte. Auch jetzt gönnte es der Graf niemandem, sondern ließ es fuderweise in die Mulde schütten. Zur Strafe wurde er nach seinem Tode in den Hirse verbannt.
(Mitgeteilt vom Lehrer Thuß in Tellerhäuser.)
In dem Oberförstergebäude zu Karlsfeld wohnte in früheren Zeiten ein reicher Mann, der sehr geizig war. Nach seinem Tode mußte er, an einem bestimmten Erkerfenster des Hauses sitzend, zur Strafe für seinen Geiz ein Viertel Hirse zählen. Ob er damit fertig geworden und somit erlöst ist, weiß die Sage nicht zu melden.
(Gräße, Sagenschatz des K. Sachsen, No. 476.)
In der Nähe des Dorfes Wildbach bei Schneeberg liegen auf einem Vorberge des Muldenthales die Überreste der Isenburg, welche vielleicht eine Art Vorfestung von Schloß Stein war, mit welchem sie durch einen unterirdischen, unter der Mulde hinführenden Gang verbunden gewesen sein soll. Hier hauste nach der Sage im 14. Jahrhundert ein Raubritter, Konrad von Kauffungen, der solche Schandthaten verübte, daß ihm der Teufel den Hals brach und sein Geist verdammt ist, bis auf den heutigen Tag die Umgegend in Zwerggestalt zu schrecken.
(Ziehnert, Sachsens Volkssagen. Anhang, No. 38.)
Nahe bei den Rittergutsgebäuden des Dorfes Tanneberg bei Geyer steht ein uralter viereckiger Turm. Seine starken Mauern sind noch jetzt an dreißig Ellen hoch und von einem Wassergraben umgeben. Viel erzählt man von ihm, aber wenig zusammenhängendes.
In uralter Zeit soll einmal ein Graf, der Besitzer dieser Gegend, eine große Jagd abgehalten und sich dabei verirrt haben und mit seinem Rosse in einen Sumpf gesunken sein. Dem Tode nahe, wäre er noch von den Jägern mit Mühe gerettet worden und hätte zum Andenken den Turm erbaut.
Jetzt noch soll in dem Turme der Geist eines der späteren Besitzer spuken, aber warum? weiß niemand. Auch wollen alte Holzhauer und Bergleute den Baum wissen, wo die Seele dieses unglücklichen Spukers eingespündet sein soll. Es wäre sonst ein eiserner Reif um den Baum gelegt gewesen, um die Seele recht festzuhalten, aber die Holzdiebe hätten zuletzt auch den Reif gestohlen.
(Mitgeteilt von J. G. Müller, Kirchner und Lehrer in Lößnitz.)
Die sogenannte hintere Aue, ein Thal von Dreihansen bis Niederlößnitz, war einst mit Wald bewachsen, und in diesem wohnten viele Geister. Der Wald wurde nach und nach gerodet, das Thal urbar gemacht und die Geister vertrieben. Dieselben kommen aber noch in den warmen Sommernächten auf ihre alten Spielplätze und führen ihre munteren Tänze das Thal entlang aus.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 48.)
Ein altes Weib aus Joachimsthal begab sich einst in den Wald am Braunstein, um Beeren zu sammeln. Am Fuße des Berges bemerkte sie einen großen steinernen Wassertrog. Verwundert darüber blieb sie stehen und sprach halblaut zu sich: So alt ich bin, hab ich weder den Wassertrog gesehen, noch etwas von ihm gehört. In Gedanken vertieft, stieg das Weib weiter bergauf und erblickte auf einmal auf einem sonnigen Platze drei mit reifen Erdbeeren gefüllte Töpfe. Bist du doch nicht allein hier, dachte sie bei sich und ging[77] an den Töpfen vorbei, ohne eine Erdbeere anzurühren. Kaum hatte sich jedoch das Weib einige Schritte entfernt, da vernahm sie hinter sich ein lautes Jammern und Schluchzen. Rasch drehte sie sich um. Als sie aber nichts mehr von den Töpfen mit den Beeren sah, überkam sie ein solches Grauen, daß sie im Sturmschritt über den Abhang des Braunsteins hinunterlief, um in kürzester Zeit aus dem Walde zu kommen. Daheim erzählte das Weib, was ihr begegnet war, verfiel in eine längere Krankheit, lebte aber noch viele Jahre.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 63 etc.)
Nach einer Überlieferung soll der Grauenstein ein verwünschtes, durch Zaubersprüche unsichtbar gewordenes Schloß sein. Einst veranstalteten die nächsten Umwohner eine Prozession, um die am Grauenstein polternden Geister und Gespenster zu bannen und zur Ruhe zu bringen. Auf einmal hörte man Musik und Gesang in den Lüften, ja noch mehr, ein ganzer Schwarm von Geistern kam auf die Herannahenden zu. Erschreckt ergriffen die Leute die Flucht, und der Grauenstein ward umsomehr gefürchtet.
Einem armen Bergmanne träumte drei Nächte hinter einander, er solle um 12 Uhr des Nachts auf den Grauenstein gehen, er könne das Schloß erlösen. Er machte sich auf den Weg, und als er sich demselben näherte, hörte er lärmende Musik. Er sah zwei Reiter dahersprengen, die zwischen sich ein leeres schmuckes Pferd führten und dem Erschreckten winkten. Da sank sein Mut, er kehrte den Reitern den Rücken, und mit Krachen und Zischen war alles verschwunden.
Andere Bergleute wollen zur Abendzeit Musik vernommen haben, die sich vom Grauensteine gegen die Schwedenschanze gleichsam fortbewegte und dort in die Töne des pfeifenden Windes sich auflöste; ja einer erzählte sogar, er habe einmal zwischen elf und zwölf Uhr des Nachts die erleuchteten Fenster des verwünschten Schlosses gesehen und sie gezählt, als er zu dieser Zeit Holz holte.
In dem Thalgrunde, wo jetzt bei Joachimsthal die große k. k. Cigarrenfabrik steht, wohnte vor etwa siebzig Jahren ein Mann, mit Namen Huß. Als derselbe eines Abends bei mattem Lampenscheine in seinem Stübchen saß, klopfte es plötzlich an sein Fenster. Er öffnete dieses mit der Frage, wer so spät da sei? »Mach' auf Kamerad!« war die Antwort des Klopfenden. Huß hieß ihn in die Stube treten und erkannte in dem Ankömmling seinen alten Kriegsgenossen aus[78] Tirol. »Sage mir doch, mein Lieber,« sprach Huß, »was Dich in so später Nacht zu mir führt?« »Mir hat geträumt«, antwortete der Tiroler, »daß ich nach der Bergstadt St. Joachimsthal gehen und das unweit davon gelegene verwünschte Grauensteiner Schloß von seinem Zauber befreien soll. Du bist in der Gegend bekannt und wirst mir gewiß den Weg zum Grauenstein zeigen.« »Diesen Freundschaftsdienst kann ich Dir, Waghals, schon erweisen; wir gehen um elf Uhr hinauf,« entgegnete der treuherzige Huß seinem ehemaligen Waffengefährten. – Nachdem beide den freien Platz erreicht hatten, der im Volksmunde »Kuhplatz« heißt, hörten sie aus der Ferne eine liebliche Musik. Hier blieb Huß stehen, während der Tiroler bergauf in der Richtung weiter ging, woher die Wunderklänge drangen. Endlich kam er gegen Mitternacht am Grauensteine an und sah auf einmal vor sich das verzauberte Schloß, strahlend im wundervollen Lichtglanze, wie er sein Lebtag noch keinen gesehen. Furcht und Freude kämpften bei diesem Anblicke in seinem Herzen; aber jemehr er sich dem Schlosse, dem Ziele seiner Wünsche, näherte, desto größere Schweißtropfen traten auf seine Stirn. Schon stand er beim offenen Portale, da kehrte er, von Angst und Grauen überwältigt, wieder um; in demselben Augenblicke jedoch donnerte und krachte es und im Nu waren die Lichter samt dem Schlosse, das noch immer seiner Erlösung harrt, verschwunden.
(Mündlich.)
Fünfzehn Minuten von Platten liegt ein Wald, der Leidenswald genannt; in diesem soll vor vielen Jahren ein Mann nach seinem Tode seines gottlosen Lebenswandels wegen verbannt gewesen sein. Wenn man früher durch diesen Wald ging, hörte man ein leises Glockengeläute; dasselbe ist aber verstummt, seit man in dem nahen Platten des Nachts 12 Uhr eine Glocke läutet. Die Leute glauben nun, daß damit auch der Verbannte im Leidenswalde erlöst worden sei.
(Mitgeteilt vom Lehrer E. Schlegel aus Zschorlau.)
Als vor Jahrhunderten im Erzgebirge die Pest wütete, berührte sie auch den kleinen Ort Neidhardsthal. Die Leichen wurden auf einem[79] Platze zwischen Neidhardsthal und Zschorlau begraben und ein Weg, welcher beide Dörfer verbindet, heißt noch heute der Leichenweg. Auf demselben sieht man zu Zeiten in der Mitternachtsstunde Gestalten ängstlich hin und her laufen, oder man erblickt auch eine Frau mit feurigen Augen. Der Begräbnisplatz ist jetzt eine Wiese voller Hügel und Löcher; er wird »das Gottesäckerle« genannt. Auch dort will man in der Mitternachtsstunde Gewimmer gehört haben. Alte Personen erzählen wieder, daß auf diesem Platze die Heiden begraben worden seien, welche einst auf dem nahen Steinberge wohnten. Auf dem Gipfel desselben sieht man noch jetzt ein Gemäuer und einen ebenen Rasenplatz. Dort sollen sie zu ihren Göttern gebetet haben. Das Gemäuer wird von den Bewohnern der Umgegend »Kirchel« genannt.
(Mitgeteilt von Heinr. Weißflog aus Raschau.)
Zwischen Mitweide bei Schwarzenberg und dem nördlich davon gelegenen Dorfe Schwarzbach befindet sich eine alte, nach dem Städtchen Scheibenberg führende Marktstraße, die Ämmlerstraße genannt. Dieselbe soll ihren Namen von einem früheren Bergherrn Ämmler haben, auf dessen Rat sie angelegt wurde. Von dieser Straße nun wird gar Schauriges erzählt. So soll daselbst des Nachts 12 Uhr, wenn alles recht ruhig ist, ein Leichenzug zu sehen sein, und den ihn begleitenden Gesang hört man über sich in der Luft. Dieser Gesang soll überaus lieblich klingen, so daß schon manche wie bezaubert stehen geblieben sind und gelauscht haben. Wer aber darauf hört, dem wird es verderblich, denn er findet seinen Weg nicht mehr. Erst wenn man irgend ein Kleidungsstück umwendet, so soll man sich wieder zurecht finden.
Auf der Ämmlerstraße soll auch in stürmischen Nächten das wilde Heer zu sehen sein. Neben dem »Hussa!« der vorüberjagenden Reiter hört man dann aber auch eine schöne, himmlische Musik.
(Nach der poet. Bearbeitung Ziehnerts in Gräße, Sagenschatz d. K. S., No. 238.)
In das in der Nähe von Lauenstein liegende Dorf Dittersdorf ist auch das Dörfchen Neudörfel eingepfarrt, welches früher nur ein einziges[80] Vorwerk war, zu dem der ohnweit davon im Grunde gelegene Eisenhammer, jetzt die Herrenmühle, gehörte. Beide Grundstücke waren vor langen Jahren im Besitz eines gewissen Pessel, der ein zwar reicher, aber ebenso habsüchtiger Mann war, dem alle Mittel recht waren, wenn sie nur zur Vergrößerung seines Mammons dienten. Einst ging derselbe in der Liebenauer Kirche, wohin das Vorwerk früher gepfarrt war, zur Kommunion und sah, wie der Lauensteiner Schösser ein funkelnagelneues Goldstück als Opferpfennig auf den Altar legte. Da gab ihm der Teufel den bösen Gedanken ein, sich dieses Goldstückes zu bemächtigen; er wartete also, bis alle übrigen Kommunikanten an den Altar getreten waren, und als er nun als der letzte hinzutrat, um die Hostie zu empfangen, stahl er mit gewandter Hand das Goldstück vom Altare herab. Der Geistliche hatte jedoch den Frevel bemerkt, und als nun Pessel auf der anderen Seite des Altars den Kelch empfangen sollte, zog jener ihn zurück, verkündete öffentlich seine Schandthat und verfluchte ihn. Pessel wankte nach Hause, allein der Schreck und die Reue warfen ihn aufs Krankenbett, von dem er nicht wieder aufstand. Als nun aber einige Tage darauf in früher Morgenstunde ihn seine Hammerknechte nach Liebenau zu Grabe trugen, überraschte sie beim Eingange des Trebnitzgrundes ein plötzliches Donnerwetter; sie stellten den Sarg am Rande einer Wiese hin und flüchteten in die im Grunde gelegene Mühle. Als nach einem furchtbaren Donnerschlage das Gewitter sich verzogen hatte und sie aus der Mühle heraustraten, um den Leichenkondukt wieder fortzusetzen, war der Sarg spurlos verschwunden und man glaubte, daß der Teufel denselben samt dem Inhalte entführt habe. Seit dieser Zeit aber erblickt man jede Mitternacht den Schatten des alten Pessel, der nach der Mühle zu umherirrt und mit schaurigem Geheul seine Leichenträger sucht und sie bittet, ihn doch zur Ruhe zu bringen. Durch diesen Spuk kam aber auch die Mühle selbst sehr bald in Verruf. Niemand wollte mehr dort mahlen lassen und noch weniger hatte jemand in ihr Ruhe, woher es kam, daß sie bald von ihren Bewohnern verlassen ward und als Ruine für ewige Zeiten von dieser schauerlichen Geschichte Kunde giebt.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 99.)
Auf einer Wiese am Abhange des Plattenberges bei Platten sah man vor längst entschwundenen Jahren öfters einen Mann umherwandeln,[81] der auf der Achsel einen Grenzstein trug und schrie: »Wohin soll ich ihn setzen?« Das war ein gespenstischer Mann, der zu Lebzeiten, um seinen Besitz zu vergrößern, den Rainstein auf der Wiese zum Nachteile seines Nachbarn verrückte und deshalb zur Strafe für diese ungerechte Handlung so lange herumirren mußte, bis ihn jemand erlösen würde. Als an einem Abende einen Bürger aus Platten der Weg über diese Wiese führte, stand plötzlich der verwünschte Mann mit seinem Steine vor ihm und rief in kläglichem Tone: »Wohin soll ich ihn setzen?« Gefaßt erwiderte der Angesprochene: »Trag ihn hin, woher Du ihn genommen hast!« Diesen Worten folgte ein Blitz und Donnerschlag und der Mann mit dem Steine war verschwunden; man hat ihn auch seitdem nie wiedergesehen.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 31.)
Vor hundert und mehr Jahren lebte zu Joachimsthal ein ehrsamer Fleischhauer, der in einem Schlick'schen Hause wohnte. Eines Abends befahl er seinem Gesellen, des anderen Tages in aller Frühe zu Dorfe zu gehen, weil er dringend Schlachtvieh benötigte. – Der Fleischerbursche, welcher seinem Herrn mit größter Treue und Pünktlichkeit diente, hatte auf seinem Nachtlager keine Ruhe und Rast und machte sich, da der Mondschein so freundlich zum Wandern einlud, schon um die elfte Stunde auf den Weg. Dieser führte an dem auf dem steilen Schloßberge gelegenen Schlosse Freudenstein vorüber, dessen wiederhergestellte Türme noch heute auf der Westseite der Stadt Joachimsthal stolz in die Luft ragen. – In dem Augenblicke, als der Bursche daselbst seine Schritte vorbei lenken wollte, geriet er in einen tiefen grubenähnlichen Gang, den er vorher nie bemerkt hatte, und stand plötzlich in einem prachtvoll erleuchteten Saale, in welchem viele vermummte Ritter waren. Dieselben unterhielten sich mit Kegelspiel, wobei sie mit silbernen Kugeln schoben, schritten aber sofort auf den Fremdling, der wie Espenlaub zitterte, mit freundlichem Gruße zu und luden ihn zum Spiele ein. Jedoch erst auf wiederholtes Drängen nahm der erschrockene Fleischerbursche eine Kugel, die aus purem Silber war, in die Hand, schob und – traf alle neun, was die Ritter über die Maßen sehr erfreute. Beim zweiten Ausschub traf er gleichfalls alle neun Kegel. Wie er nun über abermalige Aufforderung zum dritten Male sein Glück versuchen wollte, schlug gerade die Uhr auf dem nahen Stadtturme zwölf, und alles war verschwunden.[82] Der Geselle aber befand sich, ohne einen Gang zu sehen, auf demselben Platze, wo er früher seinen Weg fortsetzen wollte; er glaubte geträumt zu haben, allein die Silberkugel, die er noch in der Rechten hielt, belehrte ihn, daß alles Wirklichkeit gewesen. – Voll Entsetzen und Grausen eilte er beflügelten Schrittes nach Hause und erzählte seinem Herrn das seltsame, unheimliche Erlebnis. Da ihm derselbe jedoch keinen Glauben beimessen wollte, zeigte er als Wahrzeichen seiner Aussage die silberne Kegelkugel, durch welche beide, Meister und Geselle, reiche Leute wurden.
Derartige Sagen von kegelschiebenden Geistern oder dämonischen Wesen finden sich noch an zahlreichen Orten. Ein Ziegenhirt setzt auf dem Kyffhäuser Kegel auf, nach denen 12 ernste Ritter schieben. Er war während dessen 20 Jahre aus seinem Dorfe abwesend und niemand wollte ihn daselbst anfangs kennen. Auch ein Sängerchor aus Kelbra sah auf dem Kyffhäuser eine Gesellschaft, welche sich am Neujahrsmorgen daselbst mit Kegelschieben vergnügte. Der einem von ihnen geschenkte Kegelkönig verwandelte sich unten am Berge in Gold. (O. Richter, deutscher Sagenschatz, I. No. 5 und 10.) Im Hausberge im Mannsfeld'schen schieben verzauberte Herren Kegel. (Größler, Sagen der Grafschaft Mannsfeld No. 60.) Mit goldenen Kegeln und Kugeln spielen stattliche Herren in der Dämmerung oder des Nachts in den Ruinen der Neu-Habsburg in Luzern und auf einem langen waldigen Hügel zwischen Sargans und Wallenstad. (Henne-Am-Rhyn a. a. O. S. 43 und 44.) Eine Kugel, mit welcher auf dem Löbauer Berge Zwerge Kegel geschoben hatten, verwandelte sich in Gold; auf dem Oderwitzer Spitzberge dagegen waren es Riesen, die mit 6 goldenen Kugeln nach 9 goldenen Kegeln schoben. (Haupt, Sagenbuch d. L. No. 29 und 91.) In den Gewölben der Ruine Schauenforst soll ein goldenes Kegelspiel vergraben sein. (Witzschel, Sagen aus Thüringen, No. 230.)
Schönherr hat vermutet, daß alle diese Sagen von kegelschiebenden Geistern Nachklänge von dem heidnischen Himmel, dem Asgard, sind, in welchem die Götter friedlich mit goldenen Tafeln und Würfeln spielten, »und wenn nach der Götternacht die goldene Zeit wiederkehrt, werden sie wieder mit goldenen Tafeln werfen auf dem Idafelde.« (Zapf, der Sagenkreis des Fichtelgebirges, S. 76.) Nach Anderen soll das Kegelspiel die fallenden und aufstehenden Kämpfer bei den allabendlichen Spielen der Einherien in Walhalla bedeuten, nach Nork aber stelle die goldenen Kugeln Gestirne vor. In der Annaberger Kirche soll sich ein Gemälde befinden, auf welchem kegelschiebende Engel abgebildet sind. (Haupt, Sagenbuch d. L. No. 91.)
Wenn nach der Sage im Kyffhäuser der deutsche Kaiser Friedrich mit seinen Knappen Kegel spielt und in der Johannisnacht ein Hirte, der dazu kam, einen silbernen Kegel oder nach andern Überlieferungen eine Kugel erhielt, welche zu Gold wurde, so erinnert dies an den gütigen Wuotan, der alle Wünsche erfüllen konnte. Auf ihn weist auch unsere Sage hin. In der deutschen Mythe ist das Kegelspiel jedoch auch ein Sinnbild des Donners. In der Mark Brandenburg sagt man beim Rollen des Donners: »Der liebe Gott kegelt.« Obschon nun Donar die eigentliche Gewittergottheit ist, so herrscht doch auch Wuotan oder Odhin im Gewittersturme.
(Grohmann, Sagen aus Böhmen, 1863, S. 104.)
Ein Abt des Klosters Ossegg war der im Munde des Volkes noch fortlebende Hieronymus Bösneker. Unter den vielen Gerüchten, die von ihm verbreitet sind, ist folgendes das erheblichste. In einer Nacht, als der Nachtwächter der Abtei die Klosterhöfe durchwandelte, klopfte es an den Thoren und herein kam der erst verstorbene Abt Hieronymus. Da sich diese Erscheinung wiederholte, meldete er es am gehörigen Orte, wo man ihm seine Furcht zu benehmen suchte und zugleich dem Nachtwächter die Weisung gab, sollte ihm dies Gesicht noch einmal erscheinen, so möchte er sogleich zu dem Nachfolger im Vorsteheramte eilen. Beruhigt betrat der Hüter wieder seinen Posten. Um Mitternacht pochte es abermals am Thore gegen Herrlich. Das Thor öffnete sich und herein zogen vier schwarze Rosse schnaubend eine Kalesche, worin sich der Verstorbene befand. Auf das Rufen des Nachtwächters kam der damalige fromme und gottesfürchtige Prälat Cajetan im Ornate, ganz wie er beim Altare erscheint, herbei. Der Mann trat ab und es entspann sich zwischen dem furchtbaren Gaste und ihm ein Gespräch in lateinischer Sprache. Alsbald führte der fromme Cajetan seine Begleiter durch die Thür im Sommersalon, der schon vorbereitet war, hinaus in den Garten, und man sah durch die Lindenallee nach Herrlich wieder die greuliche Gestalt dahinfahren. Diese Allee wurde von dem Wiedererschienenen angelegt. Bald nachher entstand ein heftiges Gewitter, der Blitz schlug in eine Linde dieser Allee und die Krone kam in die Erde, die Wurzel aber oben zu stehen und seit dieser Zeit war nichts mehr zu sehen und zu hören. Der Enkel jenes Nachtwächters Woitzendörfer ist ein Mann von 70 Jahren und lebt als Lehrer in Rathschitz.
In Zittau jagt ein gespenstischer Ratsherr des Nachts um 12 Uhr in einem schwarzen, von dergleichen Rossen gezogenen Wagen durch die Straßen der Stadt. Ähnliches erzählt man von Görlitz, Köln, Bremen und a. O. (Haupt, Sagenbuch d. L. No. 154 und 155.) Der gespenstische Baron Hußmann von Tachau fährt in einem feurigen Wagen, der von vier schwarzen Pferden gezogen wird. (Grohmann a. a. O. S. 101.) Der Wagen ist der Höllenwagen oder die Höllenkutsche. Die Todesgöttin Hel führte die Seelen der Verstorbenen auf einem schwarzen Wagen, der ein Gegenbild vom Wagen Wuotans ist, in die Unterwelt.
Wie in unserer Sage der Geist eines Verstorbenen in einem Wagen wieder auf der Erde erschien, so läßt der Volksglaube in manchen Gegenden die Toten auch[84] in einem Wagen abholen. In Komotau heißt es mit Beziehung auf diese Vorstellung in einem Volksliede:
(Chr. Lehmann, Histor. Schauplatz, S. 944.)
Im Jahre 1674 wohnte in Brand, einem gebirgischen Dorfe unter Joachimsthal, eine Müllerin, die Mühl-Adelin genannt, welche die armen Bergleute und Zinnseifner auf Gottesgab mit Brot verlegte, dasselbe aber so armselig buk und gab, daß es fast eitel Spreu und Kleie war und in der Suppe zerschwamm. Da ihre Arbeiter sich beklagten und über das ärmliche Brot beschwerten, sagte sie mit Trotz: »Ei, meine Gottesgaber Säue könnens schon fressen!« Als sie aber gestorben war, ist sie oft wiedergekommen und hat den Mann geplagt. So oft der Müller seine Säue fütterte, ist allezeit eine fremde gespenstische Sau mit zugelaufen und hat samt den andern aus dem Troge gefressen.
(Mündlich.)
Im sogenannten Vogelwalde unterhalb Pöhla soll zu manchen Zeiten des Nachts 12 Uhr ein Leichenzug zu sehen gewesen sein. Begegneten demselben Personen, so mußten dieselben wie festgebannt stehen bleiben; nur derjenige, welcher eine brennende Zigarre bei sich führte, konnte ungehindert seines Weges ziehen.
(Fr. Bernau, Comotovia, 1877, S. 77.)
Bei dem unweit Komotau gelegenen Dorfe Pritschapel erhebt sich ein nach allen Seiten ziemlich steil abfallender Hügel, auf dessen Gipfel noch im Jahre 1859 eine alte Kirche stand, welche jedoch im Juli 1860 infolge eines Blitzschlages gänzlich abbrannte, so daß von ihr gegenwärtig nur geringe Überreste vorhanden sind. Als diese Kirche gebaut werden sollte, so erzählt die Sage, war eigentlich schon ein Platz im Thale dazu bestimmt und ausgemessen worden. Als aber[85] der Bau begonnen hatte, gewahrte man am folgenden Tage, daß Bausteine, Mörtel u. s. w. nebst der begonnenen Grundmauer sich auf dem Gipfel des Berges befanden. Man zerbrach sich wohl den Kopf, wie das zugegangen sein konnte, gelangte aber zu keinem Resultate und führte die Materialien wieder bergab zur alten Baustelle. In der Nacht darauf tobte ein furchtbares Gewitter, so daß die Leute nach dortiger Sitte aufstanden, um zu beten. Wie nun die Blitzstrahlen über den Himmel dahinfuhren, will man auf dem Berge ein übermäßig großes, sehr schönes weißes Maultier gesehen haben, das die Baumaterialien den Berg wieder hinauftrug. Man sah dies als einen Wink Gottes an, und die Kirche wurde auf dem Gipfel des Berges erbaut.
Bei dieser Sage ist wohl nicht, wie Naaff in der Comotovia 1877, S. 77 meint, an die jüdisch-römischen Wundergeschichten von den Tempelbauversuchen nach der Zerstörung Jerusalems unter Titus zu denken. Das weiße Maultier erinnert vielmehr an das weiße Roß Odhins oder des slavischen Gottes Swantowit, oder an die weissagenden Rosse, welche sowohl die heidnischen Germanen als auch Slaven besessen haben. Eine große Ähnlichkeit mit unserer Sage hat diejenige vom weißen Pferde in Löbau, welches jede Nacht die Baumaterialien vom Schafberge, auf welchem man ursprünglich die genannte Stadt gründen wollte, hinab ins Thal trug, so daß nun hier die Anlage der Stadt erfolgte. (Haupt, Sagenbuch d. L. II. No. 189.)
(Meißner, Nachricht von der Bergstadt Altenberg, 1747, S. 430–32. Gräße, Sagenschatz d. K. Sachsen, 1855, No. 208.)
Am 24. Januar 1620, früh zwischen 4 und 5 Uhr, hat sich zu Altenberg der dritte und größte Bergbruch ereignet. Ob nun schon dadurch der größte Teil der Stadt überaus heftig erschüttert worden ist, so ist es doch durch des allmächtigen Gottes Fürsehung noch so abgegangen, daß nur eine bereits vorher gewesene Binge weiter und tiefer einging, sowie vier Zechen und ein Schacht verfielen und des Bergschmieds Wohnhaus versank. Die meisten Bergleute sind glücklich gerettet worden, obschon sie zum Teil 3 Tage und Nächte lang ohne Speise in der Tiefe ausharren mußten. Nur ein alter Bergmann von 79 Jahren, mit Namen David Eichler (oder Siemon Sohr), ist nicht zu finden gewesen, auf welchem die meiste Schuld hernach sitzen geblieben, weil er nämlich aller Warnung ungeachtet, alle Bergvesten, d. h. Pfeiler, welche man zum Schutze der Decken stehen läßt, nach[86] und nach weggehauen habe. Derselbe soll auch sonst ein gottloser Mensch gewesen sein und an diesem Tage ohne Gebet und in Teufels Namen eingefahren sein. Nach Inhalt der folgenden Klagereime sind aber ihrer wohl noch mehrere an diesem Unglücke Schuld gewesen; sie lauten also:
Das Unglück aber ist nicht ohne Warnung von oben geschehen, denn man hat einige Zeit vorher, wenn die Bergleute früh zwischen 4 und 5 Uhr im Zechenhause ihr Gebet vor dem Einfahren abgewartet hatten, wahrgenommen, daß ein weißes Pferd im vollen Lauf von oben bis zum Ende der Binge sprang und alsbald verschwand. Man hat dies auch für eine Warnung angesehen, weil zuvor viele vor dem gemeinschaftlichen Gebet eingefahren, den das Gebet versäumenden Bergleuten zwei Groschen von ihrem Lohn für arme Leute abgezogen, wovon dann das sogenannte Aufrufen gekommen ist. Im Jahre 1729 hat man, als man das damals Eingestürzte wieder aufzuarbeiten suchte, was jedoch nicht gelungen ist, eine alte Bergmütze von Filz gefunden, die man für die Fahrmütze jenes Eichler gehalten hat.
(J. Mann in der Erzgebirgs-Zeitung, 1882, S. 14.)
Die Straße zwischen Udwitz und Komotau durchschneidet eine Gegend, in der bei Nacht Geister und Gespenster ihr Unwesen treiben und den Vorübergehenden oder Fahrenden allerlei Schabernack spielen. So spukte während einer längeren Zeit daselbst ein schwarzer Hund, der gleichsam auf der Lauer lag und der, sobald sich ein Bauer mit seinem Fuhrwerke näherte, auf dessen Wagen sprang. Der Bauer konnte sich anstrengen und machen, was er wollte, er mochte dem Hund zurufen oder ihm Peitschenhiebe versetzen, um sich desselben zu entledigen, alles umsonst, der schwarze unheimliche Gast blieb liegen, bis der Bauer die sogenannte St. Josephsstatue passiert hatte; dann war sein Begleiter verschwunden.
Einmal mußte ein Bauer um die Mitternachtsstunde mit seinem Wagen den Weg passieren. Da gewahrte er plötzlich den schwarzen Hund, der, als er näher kam, mit einem Sprunge auf dem Wagen war. Der Bauer wurde leichenblaß; er bebte und zitterte an allen Gliedern, nahm die Peitsche, schlug nach dem Hunde und fing an entsetzlich zu schimpfen; allein das unheimliche Tier rührte sich nicht. Da der Bauer einsah, daß er im Bösen nichts ausrichte, fing er an zu beten und zu seiner Überraschung wurde der Hund auf einmal halb weiß, blieb aber immer noch liegen. Jetzt wußte sich der schlichte Bauer keinen Rat mehr; er rief nun mit lauter Stimme: »Lieber Herrgott, laß mich doch nur wissen, was dieses Höllentier von mir will!« Sobald er diese Worte gesprochen, wurde der Hund ganz weiß und verschwand, und eine Stimme rief dem Bäuerlein zu: »Tausend Dank! Du hast meine arme Seele erlöst und mich von meinem Leid befreit!«
Im Jahre 1867 ging am heiligen Weihnachtsabende ein mutiges Bürschchen, das bei einem Görkauer Meister in der Lehre stand, heim zu seinen Angehörigen nach Komotau. Furchtlos schritt der Jüngling vorwärts. Ein kalter Frost wehte ihn an, lautlose Stille herrschte ringsum, nur unterbrochen von dem Knirschen des Schnees. Schon hatte er Udwitz hinter sich; da, kaum noch 100 Schritte von der St. Josephsstatue entfernt, erblickt er den schwarzen Hund, dessen feurige Augen wohl auch dem Beherztesten Schrecken eingejagt hätten. Halbtot schleppte sich der arme Junge weiter, kein Auge von dem unheimlichen Begleiter wegwendend. Da griff er plötzlich in die Tasche, zog sein Messer heraus und stach auf die Bestie los. Zwar schwang der Arm das Messer, ein Schwefelgestank verbreitete sich, aber – ruhig schritt das Tier wieder neben dem Wanderer einher. Kalter Angstschweiß bedeckte die Stirn des armen Knaben; schon glaubte er, sein letztes Stündlein sei gekommen. Da faltete er die Hände und fing an zu beten. Kaum hatte er ein Vaterunser geendet, so war auch das Untier verschwunden. Bleich und verstört kam der Ärmste bei den Seinen an. Längere Zeit hindurch mußte er das Bett hüten.
In den frühesten Zeiten hat der Hund wohl allen Ariern als ein den Göttern geheiligtes und darum mit der Gabe der Weissagung ausgestattetes Tier gegolten. Später wurde er Hüter der Unterwelt und galt dann als Tod- und Unglücksverkündiger. Der eine von den beiden »Wege bewachenden« Hunden, welche nach der indischen Sage dem Todesgotte Yama beigesellt sind, ist der schwarze Sarameya, der die Sterbenden heimsucht. Auch die griechische Mythe weiß von einem Höllenhunde und geistersichtigen Hunden wie die germanische Sage. Nach letzterer wittern es auch die Hunde der Sterblichen, wenn die Nornen und Walkyren ausgesandt[88] werden, oder wenn die Pestseuche naht. Odhin und seine Walkyren werden von einem Hunde begleitet. Gespenster erscheinen als Hunde, so z. B. der holländische Nachtgeist Lodder, welcher seinem Namen nach dem Bruder Odhins und Mitschöpfer der Menschen, Lothur, entspricht. (Rochholz, deutscher Glaube und Brauch I., S. 101.)
(Grohmann, Sagen aus Böhmen, S. 236.)
Auf dem Schönauer Berge bei Graslitz soll in der Nacht ein Hund herum gehen, mit einer brennenden, feurigen Zunge. Derselbe soll den Leuten, besonders Mädchen auf den Rücken springen und sich dann eine Strecke forttragen lassen.
(Mündlich.)
Kurz vor dem sogenannten Zigeunerwalde zwischen Rittersgrün und Pöhla sollen sich manchmal des Abends zwei weiße Pudel mit glühenden Augen und an feuriger Kette festgehängt sehen lassen.
Das Erscheinen weißer Tiere gilt als Tod verkündend. Wahrscheinlich hat sich diese Prophezeihung ursprünglich auch mit dem Erscheinen der beiden weißen Pudel, so wie eines weißen Widders und Schafes in den beiden folgenden Sagen verknüpft. Die Bewohner der Glarner Alpen sprechen, wenn ein Gemsenjäger in der Wildnis umkommt, er habe eine weiße Gemse gesehen, und ebenso verkündet auch nach einem Volksglauben in der Lausitz und in Böhmen ein weißer Schmetterling den Tod. Vielleicht hängt damit auch die weiße Trauerkleidung der Slaven zusammen. Rochholz (deutscher Glaube und Brauch I., S. 138.) vermutet, daß eine Zeit bestanden haben müsse, in welcher das Kennzeichen von Trauer und Freude durchgehend die weiße Tracht gewesen sei, da letztere ursprünglich »ein feierliches ins Leben treten und ein unergründliches Geheimnis des Wiederverschwindens« bezeichnete.
(Mündlich.)
Auf dem Gleeßberge bei Schneeberg heißt ein Felsen der Pandurenfelsen. Man erzählt, daß auf und an ihm einst die Bewohner von Aue mit Panduren gekämpft haben sollen. Noch läßt sich auf ihm zuweilen des Nachts ein weißer Widder mit feurigen Hörnern sehen.
(Mündlich.)
Bei dem nahe am Weinberge gelegenen Gottesacker zu Wildenfels soll sich zu nächtlicher Stunde früher ein weißes Schaf haben sehen lassen, welches die Vorübergehenden erschreckte.
(Mitgeteilt vom Lehrer G. Günther aus Lößnitz.)
In der Nähe der bei Niederschlema über die Mulde führenden Eisenbrücke stand vor Jahrhunderten und noch ehe Schneeberg gegründet wurde, ein Eisenhammer. Auch wurde das Eisenerz, welches damals am Schneeberge gegraben ward, über die alte Brücke nach Lößnitz gefahren, um es daselbst auf der Ratswage wiegen zu lassen. Die Brücke war mit einem Dache versehen und deshalb sehr dunkel, und weil außerdem auf beiden Seiten der Mulde bis an das Ufer finstere Waldungen waren, wurden an dieser damals schauerlichen Stelle viele Greuelthaten verübt. Unter andern wurde daselbst auch ein Mann erschlagen, welcher einen schwarzen Pudel mit sich führte. Dieser Pudel ist dann noch nach langen Jahren bei der Brücke gesehen worden, seinen Herrn suchend, und darauf ist er jedesmal plötzlich wieder verschwunden.
(Mitgeteilt durch Sem. Paul Mothes aus Bockau.)
Auf dem Hemberge bei dem Bergflecken Bockau ist ein bestimmter Kreis, in welchem ein schwarzer Hund haust. Wer sich in diesen Kreis verirrt, der sieht den Hund und trägt jedesmal eine Krankheit davon.
(A. Blüml in der Erzgebirgszeitung, 5. Jahrg., S. 174.)
Noch jetzt hört man von alten Leuten, besonders Hüttenarbeitern in Grünthal die feste Behauptung, daß um den Kupferhammer daselbst ein großer schwarzer Hund schleiche, aber nicht wie andere dieser Tiere auf vier, sondern nur auf zwei Beinen, und daß er oft heimkehrenden Arbeitern ins Genick springe, sie auch wohl bis über die nahe Landesgrenze verfolge.
(Mitgeteilt von Ernst Michael in Niederhaßlau.)
An der Straße von Bockwa nach Niederhaßlau, auf der sogenannten »Köppe« oberhalb des neuen Bockwaer Friedhofes, soll sich öfters um Mitternacht ein schwarzer gespenstischer Hund sehen lassen, der entweder neben den ihm Begegnenden ein Stückchen hinläuft und dann plötzlich verschwindet, oder auch sich diesen eine Weile in den Weg stellt und sie im Weitergehen hindert. Den oder jenen soll er zuweilen auch genötigt haben den Straßendamm hinabzuspringen, wohin er darauf selbst gefolgt ist, um in den nahen Muldengebüschen, von woher er zumeist gekommen war, sich zu verlaufen. – Von den letzteren ist bekannt, daß sich darin etliche Personen erhängt, ebenso, daß in dem daneben rauschenden Muldenwehre mehrere Lebensüberdrüssige ihren Tod gesucht und gefunden haben.
(Mündlich.)
Auf dem Walksteige zwischen Dippoldiswalde und Ulberndorf läßt sich zuweilen ein schwarzer Pudel mit feurigen Augen sehen, den die Umwohnenden Walk- oder auch Waldpudel nennen.
(Mündlich.)
An dem Huthause bei Ober-Karsdorf oder beim Stollen an der Naundorfer Brücke sind schon viele von einem gespenstischen Hunde, welcher der Hüttenmops heißt, erschreckt worden. Der Hüttenmops erscheint auch in Olbernhau, Oberneuschönberg, Rothenthal, Grünthal und Umgegend. Er heißt dort meist »Hüttenmatz« oder »Hüttenmutz«, und die ihn gesehen haben, beschreiben ihn als einen großen, schwarzen Pudel mit feurigen Augen, der des Nachts umherstreicht, ja zuweilen sogar auf Bäumen angetroffen wird. Gesagt wird weiter, daß der Hüttenmops ein böser Geist sei. Einst ist er einem ruhig dahinschreitenden Fleischer auf den Rücken gesprungen, und trotz allen Schüttelns, Betens und Fluchens konnte ihn der Mann nicht wieder herunterbringen, bis er vor seiner Thür angelangt war, wo das Gespenst mit einem höhnischen Schrei verschwand. Der Fleischer aber starb nach drei Tagen.
Auch auf der Straße zwischen Freiberg und Erbisdorf ließ sich früher der Hüttenmops in Gestalt eines riesenhaften Pudels mit feurigen Augen sehen. Man hielt ihn für einen verwandelten Bergbeamten, der ohne Rast von Grube zu Grube wandern mußte. (E. H. Müller, Beschreibung der Bergstadt Brand, S. 4.)
Gespenstische Hunde sind meist Tod oder Unheil verkündend, auch wenn ihnen die Sage nicht ausdrücklich die prophetische Gabe beilegt. Wenn des Nachts vor seinem Hause ein Hund heult, so sagt man in Schleswig: die Hel ist bei den Hunden, d. h. Hunde wittern die umziehende Pest. Letztere aber wird mit einem Feuer verglichen, das als blaue Flamme erscheint. Damit hängt nun jedenfalls wieder der Glaube zusammen, daß der Hund eine Feuersbrunst anzeigt. (Rochholz, Deutscher Glaube und Brauch, I. S. 159.) Im Erzgebirge sagt man: Heult ein Hund mit erhobenem Kopfe, so bricht Feuer aus, senkt er den Kopf dabei, so stirbt jemand.
Sich den Menschen aufhockende gespenstische schwarze Hunde kennt auch die slavische Sage. (Veckenstedt, Wendische Sagen, S. 330.)
(Gräße, Sagenschatz d. K. Sachsen, No. 471.)
An der Frankenberger Straße, die nach Chemnitz führt, steht in einem Dorfe ein schöner neugebauter Gasthof, in dem kein Besitzer lange bleibt, denn da läßt sich am Tage und des Nachts ein Hase sehen, der überall neben dem Hausherrn herläuft, allerdings ohne ihm etwas zu thun, für alle anderen aber unsichtbar ist.
(Nach Liberius Veridicus, Unmaßgebliche Gedanken von den Dittersbacher Vögeln. Frankenberg 1707, bei Gräße a. a. O., No. 588.)
Im Monat Oktober des Jahres 1706 entstand des Nachts eine große Feuersbrunst in dem bei Frankenberg gelegenen Dorfe Dittersbach. Bei derselben versammelten sich wilde Enten, wilde Gänse, Quäker, Kiebitze, Sperber, Eulen, Lerchen, Rotkehlchen u. s. w. und gegen Morgen kamen Raben und Krähen dazu und machten ein gräßliches Geschrei. Die Vögel flogen um das Feuer herum, viele verbrannten, viele aber wurden gefangen. Weil man sich aber den Grund dieser Vögelversammlung nicht denken konnte, ist vom Gerichtsamte am 6. November eine Registratur hierüber aufgenommen und an die sächsische Regierung eingeschickt worden.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirk, S. 49.)
In der Joachimsthaler Gegend hauste früher ein gewisser Schinderhans, von welchem man manches drollige Märchen erzählt; dem Volksglauben nach soll er mit dem Teufel im Bunde gewesen sein.
Ein anderer Räuber hieß Schwabenkunert; dieser verstand die Kunst, verschiedene Gestalten anzunehmen.
Beide wurden nach Verübung vieler Unthaten am Galgenberge gehängt; als dort vor einiger Zeit Steine gebrochen wurden, fand man noch ihre Skelette. Als man diese herausnahm, reichten sich die zwei Galgenvögel die Hände.
Auch geschah einst im Schindergründel ein Mord; als ein Fuhrmann später über diese Stelle fuhr, bemerkte er zu seinem Entsetzen rückwärts am Wagen einen großen schwarzen Hund; er hieb ihn mit der Peitsche, aber siehe da, der Hund wurde viermal größer, und erst als der Fuhrmann aus dem Schindergründel kam, verschwand der Hund, der Fuhrmann aber starb nach einer kurzen Zeit. – Auch war das Schindergründel berüchtigt als Aufenthaltsort vieler Diebe und Räuber.
(Mündlich.)
Als vor einigen Jahrhunderten viel falsches Geld von Österreich nach Sachsen geschafft wurde, kamen auch mit solchem Gelde einige Fuhrleute in die Nähe von Blauenthal, da wo sich am linken Ufer der Bockau die sogenannte Steinwand erhebt. Es kam ein schweres Gewitter und die Fuhrleute suchten deshalb Schutz unter einem überhängenden Felsen. Da das Unwetter lange anhielt, so vertrieben sie sich die Zeit mit Kartenspiel. Plötzlich fuhr ein Blitz nieder, ein schwerer Donnerschlag folgte und die Felsenhöhle mit den darin sitzenden Männern war im Nu verschwunden. Die stehengebliebenen Wagen wurden nach Eibenstock gebracht. An gewissen Tagen lassen sich nun in der Nähe der Steinwand Spukgespenster sehen. So kam einst wiederholt des Nachts ein weißer Hase. Ein Arbeiter des Hammerwerks schlug nach ihm und rühmte sich dann, er habe ihm eins ausgewischt. Aber in der folgenden Nacht fand man den Mann tot.
(E. H. Müller, Beschreibung der Bergstadt Brand, 1858, S. 119 etc.)
An die ältere Geschichte des Gasthofes zum Erbgericht in Brand knüpft sich folgende Sage:
In früheren Zeiten war eine wohlhabende Witwe im Besitze dieses Erbgerichts. Dieselbe übertrug den ganzen Reichtum ihrer Liebe auf ihre siebenjährige Tochter, und an einem Weihnachtsfeste wollte sie derselben eine seltene Freude bereiten und schenkte ihr eine Puppe, die mit der Tochter von fast gleicher Größe war. Als aber das Töchterchen die Puppe erblickte, zeigte es mehr Furcht als Freude, und auch an dem folgenden Tage mochte das Kind die Puppe nicht sonderlich anschauen, vielmehr wurde es krank und starb noch in den 12 Nächten an dem bösen Scharlachfieber. Als einen Ersatz ihres geliebten Töchterchens nahm nun die Witwe die Puppe zur Hand, kleidete sie an mit den Gewändern der Verstorbenen, ließ sie neben sich auf einem besonderen Stuhle sitzen, setzte ihr Speisen und Getränke vor und sprach mit ihr wie mit einem Kinde. Eine Magd mußte die Puppe aus- und anziehen und regelmäßig ins Bett bringen. Ja die Frau ging allen Ernstes mit dem Plane um, einen Hauslehrer für ihren Liebling zu berufen, als der Tod ihrem wunderlichen Treiben ein Ende machte. Seltsame Gerüchte verbreiteten sich über ihr Dahinscheiden; feierlich wurde sie zur Erde bestattet und mit Grauen gedachte man der Puppe, die still in ihrer Lade lag.
Allein nach dem Begräbnisse der Hausmutter hatte dieselbe keine Ruhe mehr; in nächtlicher Weile stand sie auf, suchte ihre Kleider, die der neue Besitzer an sich genommen, und lief im ganzen Hause umher, so daß jeder Einwohner sich in der Nacht nicht getraute, über die ängstlich verschlossene Kammer zu schreiten. Selbst an Sonn- und Festtagen, wenn sich das junge Volk durch Spiel und Tanz ein Vergnügen bereitete, trippelte sie hinter den kräftigen Bergburschen und den rotwangigen Mädchen her, so daß man anfangs floh, später aber, an die Erscheinung gewöhnt, sich nicht sonderlich mehr stören ließ. Der Wirt aber nahm sich ernstlich vor, dem Spuk ein Ende zu machen. In St. Michaelis wohnte nämlich in einem einsamen halbverfallenen Häuslein eine alte triefäugige Frau, von der man behauptete, es sei nicht ganz richtig mit ihr, auch habe man in ihrer Stube einst ein Geschöpf, einer Fledermaus ähnlich, bemerkt. Sie wurde nur die Haldenhexe genannt. An diese Person wandte sich der Wirt in seiner peinlichen Lage, und sie versprach unter seltsamen Geberden die Puppe in der Lade. Allein die Geschichte scheint nicht geholfen zu haben,[94] vielmehr rumorte die Puppe mehr als je, und es schien ihr gar nicht in der zugenagelten Lade zu gefallen. Kurze Zeit darauf kam auch das letzte Stündlein der Hexe und sie starb eines rätselhaften Todes. In seiner Not wandte sich nun der geplagte Erbgerichtsbesitzer an den Ortsgeistlichen in Erbisdorf. Der Pastor erschien, las einige lateinische Gebete vor, beschwor die Gestalt und schloß mit den Worten apage satanas! Darauf entfernte sich der Geistliche. Unterwegs aber hörte er ein leises Husten und als er sich umdrehte, tanzte die Puppe spottend hinter ihm her, so daß er voll Grausen eilends nach Hause lief und Thür und Thor fest zuschloß. Und so blieb denn die Puppe ungebannt im Hause. Lange Zeit wohl mochte sich dieselbe ruhig verhalten haben, bis sie dann endlich wieder mit ihrem Spuke auftrat. Ihrem Treiben sollte aber nunmehr ein baldiges Ende bereitet werden. An einem sonnenhellen Nachmittage wurde die Lade mit allem Zubehör auf einen Schubkarren geladen und von einem Tagelöhner dem dunklen Spitalwalde zugefahren. Je näher er demselben kam, desto schwerer wurde die Lade, so daß ihm der Schweiß von der Stirne rann. Unter einer Birke machte er ein Loch, einige Fuß tief; doch war ihm bei dieser Arbeit nicht ganz wohl, denn der Himmel umzog sich mit dunklen Wolken, Blitze leuchteten durch des Waldes Düster und in der Ferne rollte der Donner. In aller Eile setzte er die Lade in das gegrabene Loch, schaufelte Erde darauf, bedeckte es mit Rasen und begab sich nun eiligst auf den Rückweg. Je näher er an Brand kam, desto eiliger hörte er hinter sich trippeln und trappeln und als er sich auf einen Augenblick umsah, erblickte er zu seinem Entsetzen die begrabene Puppe mit hellleuchtenden Augen. Außer sich vor Schreck kam er halbtot nach Hause, aß und trank nicht und legte sich zu Bette. Das hitzige Fieber übermannte ihn und schon nach drei Tagen war er eine Leiche.
Seit jener Zeit hat man von der gespenstischen Puppe nicht mehr viel vernommen. Als jedoch das Erbgericht neu aufgebaut wurde, wollen einige Bauleute dieselbe gesehen haben, wie sie auf den halbvollendeten Mauern herumgesprungen sei, und man sagt, daß sie heimlich samt der Lade wieder aus dem Spitalwalde hereingeschafft worden wäre.
(Mündlich.)
Im Dönitzgrunde bei Eibenstock, in welchem noch die Überreste früherer Zinnseifen zu sehen sind, zeigt man auch eine alte Binge.[95] Von derselben wird erzählt, daß einst zwei Reiter über dieselbe setzen wollten, daß sie aber dabei mit ihren Pferden hinabstürzten. Wer nun in der Johannisnacht an diese Binge kommt und aufmerksam horcht, der vernimmt in der Tiefe nicht nur das Klirren von zusammenschlagenden Hufeisen, sondern auch das leise Ticken einer Uhr.
(Mündlich.)
In Eibenstock zeigt man ein Haus, welches früher einem Schmied gehörte, dessen Frau mit dem Teufel ein Bündnis geschlossen hatte. Als die Frau gestorben war, verkaufte der Mann das Haus und zog fort; doch ließ er verschiedene Gegenstände in dem weitläufigen und in viele Gänge auslaufenden Keller zurück. Da geschah es, nachdem das Haus wieder bewohnt war, daß eines Abends eine Frau hinab in den Keller ging, in welchem sich ein Brunnen befindet, um daselbst noch Wasser zu holen. Da hörte sie heftige, wie auf einen Ambos ausgeführte Schläge, von denen sie jedoch nicht sagen konnte, woher sie rührten. Dies wiederholte sich noch zweimal nach einander. Darauf ist aber der Frau der Mut plötzlich gesunken und sie ist eilends davongegangen. Solche Ambosschläge sind übrigens noch mehrmals in der Nacht in jenem Keller gehört worden.
(Gräße, Sagenschatz etc. No. 585.)
Hinter Bockwa, seitwärts von Hohndorf nach Reinsdorf zu, gab es vor einigen dreißig Jahren noch einige verfallene Kohlenschächte; in einen derselben soll einmal ein Offizier beim Spazierengehen hineingestürzt und sein Leichnam erst nach langer Zeit wiedergefunden worden sein. Wenn man in die Nähe dieses Ortes kam, so hörte man fortwährend Winseln aus jenen Schächten, ohne heraus zu bekommen, woher dasselbe kam.
(Gräße, Sagenschatz etc. 2. Aufl., No. 611.)
Vor dem Schneeberger Thore an dem Wege nach Oberhohndorf liegt ein Feld, auf welchem sich ein Kreuzweg befindet, den die Wege von Schedewitz, Reinsdorf und Oberhohndorf bilden; über diesen geht des Mittags zwischen 12 bis 1 Uhr niemand, auch soll denselben kein Fuhrwerk passieren. Vor einigen Jahren fand man daselbst um diese Zeit einen umgeworfenen Wagen, aber ohne Pferde und menschliche Begleiter, und hat sich zu demselben auch nachmals kein Besitzer gefunden.
Auch die Sagen von den Dämonen, d. h. mit göttlichen und natürlichen Eigenschaften ausgestatteten Wesen, welche wir sonst im Mythus mit den Gottheiten selbst verkehren sehen, wurzeln in dem alten Götterglauben. Wo die mit übermenschlichen Eigenschaften und daher mit der Kraft, den Menschen zu helfen oder zu schaden, begabten, dabei ein eigenes, abgeschlossenes Reich bildenden Dämonen in den Überlieferungen des Volkes nicht mehr gefürchtet, sondern geneckt und verspottet werden, da zeigt sich bereits der Einfluß des Christentums, dessen Verkündiger und Hüter bestrebt waren, die alten heidnischen Gottheiten in ihrer Ohnmacht und ihrem Nichts darzustellen.
Die Dämonenwelt zerfällt in Zwerge, Vegetationsgeister, Wassergeister oder Nixe, Riesen und Tierdämonen; wenn wir aber diese Dämonenwelt an uns vorüberziehen lassen, empfangen wir nicht bloß die Überlieferungen des germanischen, sondern zugleich auch solche des slavischen Götterkreises. In den Volkssagen der Wenden, Czechen und anderer sprachverwandter Nationen leben gleiche mit menschlichen und göttlichen Eigenschaften ausgestattete Wesen fort; sie sind demselben Quell entsprungen, aus welchem alle dem indogermanischen Sprachstamme angehörigen Völker schöpften, und das böhmische Volk erzählt vom Ursprunge dieser Dämonen: »Als Gott die übermütigen Engel aus dem Himmel verstieß, wurden aus ihnen die bösen Geister, welche den Menschen bei Tag und Nacht beunruhigen, ihn necken und schädigen. Die in die Hölle stürzten und in die Löcher und Abgründe, das sind die Teufel und die Todmädchen. Aus denen aber, die auf die Erde fielen, wurden die Kobolde, Schrätlein, die Zwerge, Daumlinge, die Alpe, die Mittags- und Abendgespenster und die Irrlichter. Die in die Wälder fielen, wurden zu Waldgeistern, als da sind: die Hemänner, die wilden Männer, die Waldmänner und die wilden Weiber und Waldfrauen. Jene endlich, die ins Wasser fielen, wurden zu Wassergeistern, zu Wassermännern, zu Meerjungfern und Meerfrauen.« (Grohmann, Sagenbuch aus Böhmen und Mähren, I. S. 108.)
Die Zwerge, welche die Volkssage nicht bloß in Böhmen, sondern auch in Tirol und der Schweiz als gefallene, obschon nicht ganz verdorbene, sondern nur verführte Engel ansieht, die aber nach einer Überlieferung[100] aus Schwaben einst über die Menschen herrschten und von diesen göttlich verehrt wurden, sind vorzugsweise die Phantasiegebilde der Gebirgsbewohner. Sie gleichen vielfach den gnomenartigen Yakschas der indischen Sagenwelt, welche in den Gebirgen die Schätze des Metallgottes Kuveras hüten, und wie nach dem Glauben der alten Griechen die Pygmäen wie Ameisen in der Erde wohnten, so halten sich auch die Zwerge des deutschen Sagenkreises, dem sie hauptsächlich angehören, vorzugsweise in Höhlen und Klüften auf, während die Wenden der Lausitz die Wohnungen ihrer Zwerge, der Ludki, in die heidnischen Grabhügel verlegen, deren Urnen nach dem Volksglauben Hausgeräte des Zwergvolkes sind.
Von allen Wesen wurden die Zwerge nach der Edda zuerst geschaffen, sie schmiedeten gleich den Göttern Erze und lebten in dem Körper des aus Reif oder gefrorenem Tau entsprungenen Riesen Ymir, der die Welt bedeutet. (Henne-Am-Rhyn a. a. O. S. 282.) Unter einem Könige zu einem Volke vereinigt, lebten sie friedlich mit den Menschen, für welche sie arbeiteten und die sie häufig für kleine Dienste reichlich belohnten. Besonders thaten sie frommen und armen Leuten Gutes. Gewisse übermenschliche Eigenschaften und Fähigkeiten, die Kenntnis von geheimen Heilkräften, z. B. denen der Bärwurz und des Baldrian gegen die Pest, ihr Auftreten als Hüter unermeßlicher Schätze, aber auch nach Jakob Grimm die Liebe zu den Tönen, knüpft ihr Geschlecht an höhere Wesen, vorzüglich an Halbgötter und Göttinnen. (Deutsche Myth., S. 264.) Während sie auf der einen Seite dadurch, daß sie den Menschen beistehen, ihnen Glück bringen und sie belohnen, sich denselben nähern, scheinen sie, um mich der Worte Jacob Grimms (a. a. O. S. 259.) zu bedienen, doch überhaupt von ihnen zurückzuweichen, und »so machen sie den Eindruck eines unterdrückten, bedrängten Volksstammes, der im Begriffe steht, die alte Heimat den neuen mächtigeren Ankömmlingen zu überlassen«. Übereinstimmend damit bemerkt auch Preusker in seinen Blicken in die vaterländische Vorzeit (I. S. 54.), daß die Zwergsagen der Lausitz, des Vogtlandes, Harzes und Thüringens auf zerstreute slavische Ansiedler hinweisen, die später von den vordringenden Deutschen verdrängt und unterdrückt wurden, so daß sie sich verbergen und ihre Wohnsitze verlassen mußten. Ja nach einer Lausitzer Sage, die Veckenstedt (Wendische Sagen, S. 157.) mitteilt, stammen die Wenden von den Ludkis ab. Unsere erzgebirgischen Sagen erzählen, wie die Zwerge durch Lauch, den man in die Milch that, durch Aufrichtung der Pochwerke, Eisenhämmer und des »Klippelwerks«, sowie dadurch vertrieben wurden, daß man die Knödel im Topfe und die Brote im Backofen zählte. Sie werden aber wiederkommen, »wenn die Hämmer würden abgehen.« Von Schmiedeberg[101] zogen sie über die Eger. Ähnlichen Überlieferungen begegnen wir anderwärts. In der Lausitz konnten sie das Kümmelbrot und Glockengeläute nicht vertragen und sie ließen sich von einem Bauer aus Hainewalde über die böhmische Grenze fahren. Bei Langenberg fuhren sie in einer mondhellen Nacht über die Elster, und die Zwerge, welche ehemals in den Hüttener Bergen, besonders in dem Kindelberge und im Pläterberge bei Wittensee wohnten, kamen in der Nacht an die Hohner Fähre und ließen sich übersetzen. (Müllenhof, Schleswig-Holst. Volkssagen, No. 329.) Auch die Wichtel- oder Heinzelmännchen des Spatenberges fuhren über einen Fluß. (Witzschel, Sagen aus Thüringen, S. 107.)
Überall spricht sich dabei der Groll über menschliche Treulosigkeit und Unduldsamkeit, ursprünglich wohl über den Abfall von den heidnischen alten Göttern aus. Wenn aber in anderen Gegenden der Glockenton die Zwerge vertrieb und letztere demnach in der Sage der Kirche unfreundlich gegenüber treten, so bauten sie wieder nach einer dazu fremdartig erscheinenden Überlieferung im Erzgebirge die Steiner Pfarrkirche, indem sie des Nachts das Baumaterial von unten, wo man die Kirche zu errichten beabsichtigte, auf den Berg trugen. Sie übernehmen hier eine Arbeit, welche nach anderen Sagen einem weißen Pferde oder einem anderen gespenstischen Wesen zugeschrieben wird.
In den Volksüberlieferungen werden die Zwerge, deren Frauen nach einer unserer Sagen die Klagemütter, in der Lausitz jedoch die Busch- oder Holzweibel sind (Preusker a. a. O., S. 52.), in mehrere Gattungen mit verschiedenen Namen geschieden, welche jedoch nicht immer streng von einander zu trennen sind. Vielfach gehen die eigentlichen, bunte Röcklein oder spitze rote Hüte tragenden und Höhlen und Schluchten des Gebirges bewohnenden Zwerge in Berggeister über. Letztere, als ursprünglich gutmütige und in Gestalt sehr verschieden, meist als Bergleute, Mönche, jedoch auch in einer erzgebirgischen Sage in Roßgestalt auftretende Wesen, nähern sich wieder, indem sie zuweilen boshaft werden, den Kobolden.
Der Berggeist kommt nur beim Bergwerke vor, und die Sagen von ihm sind gewiß so alt wie der Bergbau selbst. Mit Recht weist daher Wrubel (Sammlung bergmännischer Sagen, S. 5.) darauf hin, daß man unsern Berggeist wohl vom Rübezahl des Riesengebirges, welcher besser »Gebirgsgeist« zu nennen sei, unterscheiden müsse. Wenn wir auch in den Sagen vom Berggeiste einen Überrest des heidnischen Götterglaubens haben, so mochten doch die stetigen Gefahren, denen der Bergmann bei seinen Berufsgeschäften ausgesetzt ist, das von verschiedenen abergläubischen Meinungen beeinflußte Gemüt mit Bangen vor einer unterirdischen Macht erfüllen, welche allmählich festere Form[102] annahm und zu einem Beherrscher des unterirdischen Reiches wurde. (Wrubel a. a. O., S. 8.)
Die Berggeister waren die Hüter von edlen Erzgängen, und vielleicht sind die sagenhaften Überlieferungen von den rätselhaften Fremden, welche das Erzgebirge, den Thüringerwald, das Vogtland, Fichtelgebirge und andere Landschaften nach Gold durchsuchten, und die als Venetier oder Wahlen von dem Volke mit überirdischen Kräften ausgestattet wurden, die das Innere der Berge kannten und mancher Zauberkünste kundig waren, zum Teil auf die Schätze hütenden Berggeister zurückzuführen.
Venetier, die nach der Volkssage in verschiedenen Gestalten auftraten, wuschen auch die Goldkörner aus den Brunnen und Flüssen, und so gehört wohl auch die Sage von dem Hutmanne in Wiesenthal, welcher einstmals auf dem Fichtelberge an einem Brunnen, dessen Boden von eitel Goldflammen leuchtete, einen in einem Buche lesenden Mönch antraf, ebenfalls hierher.
Ein anderes Geschlecht der Zwerge sind die Hausgeister und Kobolde, welche eine mehr heitere und neckische, zuweilen selbst boshafte Natur besitzen. Sie halten sich vorzugsweise in den Wohnungen der Menschen, aber auch in Bergwerken auf, und nur ganz vereinzelt erscheinen sie im Freien. Wie die Zwerge und die später besprochenen Moosweibchen sind auch die Kobolde unselige Geister. Daher hat ein Knabe in Lauter, welchem ein solcher Kobold keine Ruhe ließ, fleißig gebetet und gesagt: »Laß mich doch in Ruhe; wenn Du nicht beten willst und auch nicht beten kannst, so gehe Deiner Wege.« Andere Hausgeister sind befriedigt, wenn man ihnen ein wenig Milch aufstellt, und wäre es auch nur in einem Katzenschüsselchen, so daß sie daher Katzenveit, Heinzelmann, Katermann u. s. w. heißen. (Rochholz, Deutscher Glaube und Brauch, I. S. 18.) Der erzgebirgische Katzenveit, dessen Jacob Grimm nur kurz und zwar als eines »Waldgeistes« im Fichtelgebirge gedenkt, erinnert in mancher Beziehung wieder an den Rübezahl des Riesengebirges.
Ein Hausgeist, wie das vogtländische »Schreckgökerle«, vor dem sich die Kinder fürchten, ist das »Schreckagerl«, welches wie andere Kobolde bei der Arbeit hilft; nur muß man ihm dafür zu essen geben. Dieses hilfreiche Beistehen bei der häuslichen Arbeit, das Füttern des Viehes, das Fegen der Küche und dergl. mehr gehört so recht zum Wesen der Kobolde. Unser Bahnbrecher in der Kenntnis der germanischen Götterlehre sagt in seiner deutschen Mythologie (S. 284.), daß es ihm scheine, man habe früher aus Buchsbaumholz kleine Hausgeister geschnitzt und dieselben in dem Zimmer aufgestellt; der Ernst habe sich in Scherz[103] umgewandelt und die christliche Ansicht habe die Beibehaltung des alten Brauches geduldet. In gleicher Weise mag aber auch aus dem ursprünglich dienstfertigen Kobolde, welcher das Gesinde weckte und nach dem Rechten im Hause sah, mit der Zeit ein Polter- und Plagegeist geworden sein, der dann mehr teuflisch und gespenstisch auftrat. So sank, wie Jakob Grimm sich ausdrückt, der getreue Hausfreund des Heidentums zum Schreckbild und Gespött der Kinder herab, ein Los, das er mit Göttern und Göttinnen teilt. (Deutsche Myth., S. 293.)
Als Kindergespenst tritt überall im Erzgebirge das »Jüdel« oder »Hütchen« auf, welches den letzten Namen vielleicht von dem roten Hute der Zwerge hat. Das Jüdel spielt während ihres Schlafes mit den Kindern; es spielt auch des Nachts mit den Kühen. Will man das Jüdel als Hausgeist unterhalten, so muß man demselben Spielsachen geben. Wie unter den Kobolden der Katzenveit vom Kohlberge bei Zwickau und die Männchen des Koboldsteins bei Kloster Maria Sorg, so waren auch der Kaspar des Greifensteins und der Geist Mützchen bei Freiberg keine eigentlichen Hausgeister; bei letzterem ist durch die Nebelkappe deutlich seine Zwergnatur gekennzeichnet.
Zahlreich melden uns endlich Sagen von koboldartigen Wesen, welche in den Zechen den Bergknappen entgegentraten. Sollen doch die beiden Metalle Kobalt und Nickel, nach denen gegenwärtig vorzugsweise die Gruben des Schneeberg-Neustädtler Reviers abgebaut werden, von zwei neckischen Geistern ihre Namen erhalten haben. Von dem Kobalt, dessen Name zwar auch von dem böhmischen Kow, das Erz, kowalty, erzhaltig, abgeleitet wird, sagt ein alter Bergprediger: »Ihr Leute heißt es Kobalt und die Deutschen nennen den schwarzen Teufel Kobel, der Menschen und Vieh durch Zauberei Schaden thut. Es haben nun aber der Teufel und seine Hallraunen oder Drutten dem Kobalt, oder der Kobalt den Zauberinnen den Namen gegeben, so ist Kobalt ein giftig und schädlich Metall.« (Merkel, Erdbeschr. v. Kursachsen I. S. 176.)
Mit den Kobolden teilweise verwandt sind die Irrlichter, welche man sich als lebende Wesen vorstellt. Sie führen Menschen irre, hocken sich ihnen auf oder bestrafen sie auch, wie die erzgebirgische Sage von der unheimlichen Fackel erzählt. Irrlichter können aber auch in feuriger Gestalt umherschweifende Seelen sein, welche nicht der himmlischen Seligkeit teilhaftig wurden, und dann nähern sie sich den zum Gespensterspuk gehörenden feurigen Männern.
Aus der Klasse der Vegetationsgeister begegnen wir im Erzgebirge, als einem ursprünglichen Waldgebirge, hauptsächlich den Walddämonen unter den Namen von Waldgeistern, Waldteufeln,[104] Moosmännchen, wilden Weibern und Holzweibchen. Wie die Nixe fügen sie sich nicht in die Civilisation, und obschon sie zuweilen freundlich mit den Menschen verkehren und dieselben für geleistete Dienste belohnen, so ist ihnen doch der Humor, welcher die Zwerge auszeichnet, fremd, und Schwermut oder große Wildheit charakterisiert sie. Zuweilen treten die Holzweibchen als Schicksalsverkündiger oder Wetterpropheten auf. Der wilde Jäger oder der Teufel verfolgt sie auch im Erzgebirge und ein Baumstamm mit eingehauenen Kreuzen gewährt ihnen gegen denselben Schutz, wenn sie sich auf ihm niederlassen. Die vogtländische Sage, welche von ihnen das meiste weiß (Jul. Schmidt, Topographie der Pflege Reichenfels und Witzschel, Sagen aus Thüringen), erzählt, daß sie vor dem wilden Jäger Ruhe finden, wenn sie sich auf einen Stamm setzen, in welchem während der Zeit, da man den Schall des niederfallenden Baumes hört, drei Kreuze in einem Zwickel gehauen wurden. Im Sagenschatz des K. Sachsen (zu No. 550.) bemerkt hierzu Gräße, daß viele glauben, die Holzweibchen seien aus den heidnischen Sorbenfrauen entstanden, die vor dem Christentume in die Wälder geflohen, wenn sie dieselben aber wieder verlassen hätten, von den Christen verfolgt bei Stämmen, auf denen drei Kreuze eingehauen gewesen, Schutz gesucht und gefunden hätten. Dagegen zählt Jakob Grimm die Holzweibchen, die nach ihm einen Übergang zu den Zwergen bilden, zu dem heidnischen Gespensterspuk, der sich aus den Vorstellungen von halbgöttlichen Wesen, mit denen das Heidentum den Wald bevölkert dachte, entwickelte. (Deutsche Myth., S. 243 und 520.) Und Nork greift in den Sitten und Gebräuchen der Deutschen (S. 63.) sogar auf die Gnomengestalten der indischen Sagen zurück, mit denen er unsere ähnlichen Sagenstoffe wie Ausläufer aus einer gemeinschaftlichen Wurzel in Verbindung setzt. – Unsere Sage nennt die Holzweibel auch Buschweibchen und faßt sie teilweise als den Moosweibchen gleiche Wesen auf. Die Moosweibchen waren immer zwerghaft und über und über mit Moos bewachsen; nach der thüringischen Sage wohnten sie an dunklen Orten und in Höhlen unter der Erde. (Richter, Sagen des Thüringer Landes, IV. S. 43.) Wie in Thüringen die Moosweibchen, so kamen auch im Erzgebirge die Buschweibchen zuweilen in die Wohnungen der Menschen und begehrten daselbst Essen. Sie beschenkten mit Spänen und Laub, welche Dinge sich später in Gold verwandelten. Bei uns wurden sie wie die eigentlichen Zwerge vertrieben, als man das Brot im Backofen zählte.
Neben den Sagen vom Erscheinen der Holzweibchen im Erzgebirge, von denen ein Teil allerdings nur noch in älteren schriftlichen Überlieferungen vorhanden ist, leben im Volke noch Redensarten, welche[105] sich auf den Glauben an das frühere Erscheinen dieser dämonischen Gestalten beziehen. So sagt man in der Gegend von Schneeberg: »Das Holzweibel hat aufgehängt«, wenn man früh an den Büschen Spinnweben ausgespannt sieht, die auf beständiges schönes Wetter gedeutet werden. Steigen weiße Nebel aus den Waldungen auf, so sagt der Gebirger: »Das Holzweibel heizt ein, es wird ander Wetter!« (Lindner, Wanderungen durch das sächsische Obererzgebirge, I. S. 4.) Bei Brunnersdorf warnte man noch vor wenigen Jahren die Beeren suchenden Kinder vor dem Buschweibchen und ermahnte sie, im Walde der Sicherheit wegen beisammen zu bleiben; bei Kupferberg sagt man von eilig Dahinlaufenden: »Der läuft wie der Teufel, wenn er dem Holzweibel nachläuft«, und in der Gegend von Platz nennt man kleine vermummte Kinder scherzweise Buschweibel. (Edw. Heger in der Erzgebirgszeitung VI. S. 55 und 56.) Ähnliche Redensarten sind in anderen deutschen Gegenden gebräuchlich. So sagen z. B. die Bauern in der Zittauer Gegend, wenn daselbst die Berge dampfen: »Die Holzweibchen kochen Kaffee« (Haupt, Sagenbuch etc. No. 38.), während die Erdmännchen am Eisengraben backen, wenn gewisse Nebel auf dem Kaisacker im Frickthale aufsteigen, und die Wölkchen, welche hoch am Gebirge schweben, in Tirol für die aufgehängte Wäsche der Holzweibchen gehalten werden, die schönes Wetter verkünden. (Gartenlaube, 1880, No. 31. und Henne-Am-Rhyn a. a. O., S. 261 und 278.)
Mir scheint, als ob sich auch der Name »Käthel« in manchen Volksüberlieferungen auf ein dämonisches Wesen, vielleicht ein Holz- oder Buschweibchen bezieht.
Das enge Muldenthal zwischen dem Mehltheuer und der hohen Rieß unterhalb der Haltestelle Niederschlema heißt im Volksmunde das »Käthelloch« und man prophezeit auf Grund der in ihm lagernden Nebel auf eine Änderung des Wetters. Es erinnert dies an Volksmeinungen in Nordböhmen. Die Frauen in Neuland bei Gabel sagen, wenn der Rollberg von Wolken umzogen ist, daß das Roll-Kathel koche und in Sukohrad spricht man in ähnlicher Weise: »Die Geltsch-Käthe kocht.« (Mitteilungen des Nordböhm. Excursions-Clubs, 7. Jahrg. S. 95.)
Während den Holz- und Moosweibchen ein Grad von Gutmütigkeit und Zuneigung zu den Menschen zukommt, sind die Waldgeister und Feldteufel schreckhafte Gestalten. Auch der Hemann, welcher sich ebenfalls im Gebirge sehen läßt und Antwort giebt, wenn man ihn im Walde laut mit »He he, hu hu!« ruft, hat Freude an dem Schaden der Leute.
Zu den Vegetations- und insbesondere zu den Feldgeistern ist[106] weiter das Mittagsgespenst zu zählen. Schon die alten Kirchenschriftsteller des 6. Jahrhunderts schreiben eine Reihe von Krankheiten dem Mittagsteufel zu; seinetwegen wurden die Kirchen, welche sonst den ganzen Tag bis zum Abendläuten offen stehen sollten, während der Mittagsstunde zugeschlossen. In der Schweiz wandeln bei der vom Volke keineswegs als gnadenreich gehaltenen Mittagssonne die verwünschten Schloßjungfern umher, und wie die Pest früher morbus meridianus hieß, so ist auch das Mittagsgespenst der Wenden teilweise zugleich die Pestjungfrau. (Rochholz, Deutscher Glaube und Brauch, I. S. 67.)
Die slavische, zu den Feld- und Waldgeistern gehörende Marzebilla tritt ebenfalls im Erzgebirge auf. Sie führt die Leute ins Dickicht und an fruchtbare Stellen, wenn sie beten, überläßt sie aber ihrem Schicksal, wenn sie fluchen.
Die Wehklage aber gehört teilweise wie das Klopfen an die Thüre, ohne daß jemand draußen steht, das Rufen des eigenen Namens, als ob derselbe aus weiter Ferne hertönte, und viele andere geheimnisvolle Laute, aus denen das Volk auf Tod oder bevorstehendes Unglück schließt, zu den Voranzeichen. (Rochholz a. a. O., I. S. 143.) Auf dem Harze ist die Klagemutter Frau Holle, (Henne-Am-Rhyn, a. a. O., S. 562.), anderwärts ist eine »Heulmutter« oder »Frau Hel« die Schattengöttin Hel, welche an dunkeln Furten sitzt. (Rochholz a. a. O., I. S. 90.) Nach einer Sage aus der Gegend von Fulda ist die Wehklage dagegen unverkennbar ein Waldgeist, denn man sagt daselbst, wenn jemand sterben sollte, so sei eine Waldfrau von der wilden Frauen-Loch hergekommen und habe sich wehklagend in der Nähe des Sterbehauses gezeigt. (Wolf, Hessische Sagen, S. 53.) Eine erzgebirgische Sage bezeichnet die Klageweibel als Frauen verbannter Berggeister und Zwerge. – Wenn nach der Edda die Zwerge und Riesen dem Menschen in der Schöpfung vorangingen und weiter nach alter Überlieferung von beiden Dämonen die Zwerge zuerst geschaffen wurden, um das wüste Land und Gebirge zu bauen (J. Grimm, Myth., S. 253.), so fügt noch eine Oberpfälzer Sage hinzu, daß alle Zwerge, da sich das trockene Land noch nicht abgeschieden hatte, zunächst im Wasser lebten. Sie waren demnach im Anfange gleich den Nixen. Der männliche Nix, Necker oder Nicker, erinnert nach einer anderen Überlieferung wieder an den skandinavischen Odhin, dessen Beiname Nikarr ihn als den Wellen besänftigenden Meergott bezeichnet. (J. Grimm a. a. O., S. 276.) Der Nikur soll als schönes apfelgraues Roß am Meeresstrande erscheinen, und ein großes Pferd mit ungeheuren Hufen zeigt sich auf dem Wasser, wenn Sturm und Gewitter[107] aufsteigen. Anklängen an diese Vorstellungen begegnet man im Erzgebirge. Es mag dabei auf die Sagen vom Grundtümpel bei Wildenau und von dem Sturmwinde bei Oberscheibe, der in die Teiche fuhr und das Wasser in die Höhe warf, »als wenn sich zwei Pferde im Wasser mit einander schlügen«, hingewiesen werden. Vorherrschend schildert die Sage den männlichen Nix als häßlich, ausnahmsweise wird er als von schöner Gestalt beschrieben. Er hat struppige grüne Haare und grüne Zähne, Rock und Hosen sind immer zerrissen und kotig. Auch die slavischen Flußnixen sind grünhaarig und der finnische Wassergott Ahto hat einen Grasbart. (Rochholz, a. a. O., II. S. 281.) Der Nix im Grundtümpel bei Wildenau, welcher ein Krönlein auf dem Haupte trug, sah blau aus. Grün und blau aber sind dämonische Farben, und besonders weist letztere Farbe auf Wuotan hin, dessen Leibfarbe ebenfalls blau ist. Haupt bemerkt in seinem Sagenbuche der Lausitz (No. 44.), daß, obschon der skandinavische Odhin im Gegensatze zu dem deutschen Luft- und Sturmgotte Wuotan auch Nix ist, bei den Slaven vielleicht der Luftgott zu einem Wassergotte wurde. Hier berühren sich jedenfalls germanische und slavische Überlieferungen. Die Freude aller Wassergeister ist Tanz, Gesang und Musik. Auch die erzgebirgische Nixensage erzählt von zu Tanze gehenden Wasserjungfrauen, sowie vom »thörichten See« bei Satzung, in welchem ein Nix seine Wohnung hatte, daß man daselbst mittags großen Tumult und Alarm von Jauchzen, Schreien, Geigen und Pfeifen gehört habe, als ob eine lustige Bauernhochzeit in dem See abgehalten würde. In dem Sagenbuche der Lausitz hat Karl Haupt mehrere unter der slavischen Bevölkerung lebende Sagen mitgeteilt und er bemerkt dabei, daß der musikalische Nix der Wenden ebenso bezeichnend für die slavische Anschauung sei, wie die Querxe oder Zwerge und der wilde Jäger, die Berg- und Luftbewohner, für die Anschauung der Deutschen.
Das was Jacob Grimm (deutsche Myth., S. 280.) im Allgemeinen bei den Wassergeistern hervorhebt, nämlich ein Zug von Grausamkeit und Blutdurst und die Ausübung blutiger Rache, welche in den Sagen von diesen Geistern so vielfach wiederkehren, dabei aber auch ein Beispiel für die Aufrechterhaltung der männlichen Ehre, welche dem Nix charakteristisch ist, finden wir in der Sage von dem obengenannten thörichten See vereinigt. Hier belohnt auch der Nix einen Holzhacker für den geleisteten Dienst, indem er ihm einen Beutel schenkt, der nie leer werden sollte, so oft er auch hineingreifen würde. Die Belohnung für geleistete Dienste, scheinbar unbedeutend und doch so reich, ist eine Handlung, welche uns an ähnliche Handlungen in den Zwergsagen erinnert; das Wesen der Kobolde und Poltergeister aber[108] nehmen die Nixe an, wenn sie ohne Veranlassung, wie dies bei Elterlein geschah, ruhige Arbeiter und Spaziergänger erschrecken.
Der Nix der Zschopau fordert jedes Jahr sein Opfer. Es ist dies eine Überlieferung, welche auch der Lausitz nicht fehlt und die sich in gleicher Weise bei der Saale, Elster, Donau, Oder u. s. w. wiederholt. In die Bode bei Quedlinburg warf man früher in bestimmter Frist einen schwarzen Hahn; geschah dies nicht, so forderte der Fluß ein Menschenleben. Wenn auch nicht bei allen Überlieferungen von den jährlich ein Menschenleben fordernden Flüssen die Nixe ausdrücklich genannt werden, so ist doch immer dabei an heidnische Menschenopfer, welche den Wassergeistern gebracht wurden, zu denken. (Haupt a. a. O., No. 45.) Als man die Opfer nicht mehr freiwillig brachte, holte sich diese der Flußgeist selbst.
Schließlich mag noch auf die in unserem Sagenkreise etwas fremdartig erscheinende Seebergjungfer, welche zuweilen an den Hoderwiesteich bei Seestadtl kam, um daselbst zu baden, hingewiesen werden. Sie erschien halb als Fisch und zur Hälfte als Mensch und erinnert durch diese Gestalt an die keltische Brunnennymphe Melusina, deren Namen wir aber in einer Sage aus dem böhmischen Teile des Erzgebirgs einer Luftgottheit beigelegt finden. Jac. Grimm ist geneigt, alle Vorstellungen von geschwänzten Nixen als echt deutsche anzuzweifeln. (Deutsche Myth., S. 277.) – Der vielleicht bis zur europäischen Völkerwiege zurückreichende Glaube an Wasserdämonen hat bei den auseinandergehenden Völkerstämmen mancherlei Gestalt angenommen. Verwandt mit unsern deutschen und slavischen Nixen und den keltischen Brunnennymphen sind die indischen Apsaras, d. h. die aus dem Wasser Entsprossenen. – Zur Dämonenwelt gehören auch die Riesen, welche nach der germanischen Mythe erst nach den Zwergen erschaffen wurden, um die Ungeheuer und Würmer zu erschlagen. Abgesehen von den chronikalischen Überlieferungen von Riesenknochen, welche da und dort gefunden wurden, fehlen im Erzgebirge eigentliche Sagen von Riesen und ebenso ist es jedenfalls auch bemerkenswert, daß sich bei uns nicht, wie dies in anderen Gebirgen der Fall ist, Riesensagen mit gewaltigen Felsmassen verknüpfen, welche nicht selten mauerartig aufgetürmt, die bewaldeten Höhen krönen, oder die durch ihre absonderliche Form – ich erinnere dabei an die granitischen »Hefenklöse« bei Johanngeorgenstadt und den Rockenstein bei Schönheiderhammer – die Aufmerksamkeit der Bewohner gewiß schon in früherer Zeit erregten. Die so häufig im oberen Erzgebirge auftretenden Blockwerke hat das Volk nüchtern betrachtet, während es z. B. im Vogtlande in ihnen die Hinterlassenschaft von Riesen erblickt, und[109] spitze Felskegel haben seine Phantasie nicht wie in der Lausitz erregt, wo ein solches bei Heidersdorf anstehendes Naturgebilde als Keule eines Riesen gedeutet wird. (Eisel, Sagenbuch des Vogtl., No. 22–25. Haupt, a. a. O., No. 90–93.)
Die kindlichen Naturmenschen konnten sich entfernte Erscheinungen, welche sie am Himmel oder im Luftkreise beobachteten, nur durch Vergleichung mit näheren bekannten erklären. So war ihnen der Blitz eine feurige Schlange, im Heulen des Sturmes hörten sie die Stimmen bekannter Tiere und die Wolken erschienen ihnen als Kühe oder Ziegen, welche statt der Milch Regen spendeten. Noch jetzt begegnen wir dieser Vorstellung in einem schwedischen Volksrätsel, dessen Lösung die Wolke ist: »Eine schwarzrandige Kuh ging über eine pfeilerlose Brücke, kein Mensch in diesem Lande die Kuh aufhalten kann.« (Manhardt, a. a. O., S. 89.) Jedoch sah man die Tiere der Erde im Himmel größer und gewaltiger wieder, und man fing an, diese himmlischen Wesen zu fürchten oder fühlte sich veranlaßt, ihnen für ihre Segensspenden zu danken. Als sich dann der Glaube an menschenähnliche, im Himmel wohnende Götter entwickelte, trat eine Verschmelzung derselben mit jenen himmlischen Tieren ein, indem man meinte, daß sich Götter selbst in solche Tiere verwandeln könnten, oder letztere ihnen als ihre Begleiter nahe standen. Später hefteten sich diese Überlieferungen an irdische Tiere und an Menschen, so daß z. B. aus dem die Blitzschlange bändigenden Sturmgotte Wuotan ein Mann wurde, welcher eine wunderbare Macht auf wirkliche Schlangen auszuüben imstande war. In dieser Weise haben wir die Sagen von dämonischen Tieren aufzufassen. (Grohmann, Sagenbuch von Böhmen und Mähren, I. S. 216.)
Ein wendischer Aberglaube berichtet, daß jeder Kobold die Gestalt eines Kalbes annehmen könne. (Haupt, Sagenbuch d. L., No. 88.) In unseren Sagen ist das gespenstische Kalb Anzeichen eines Krieges oder es springt des Nachts jemandem, der dann sterben muß, auf den Rücken und läßt sich forttragen. Zu Ypern wurde ein reicher Mann, der ein goldenes Kalb anbetete, nach seinem Tode verwünscht, die Gestalt eines Kalbes anzunehmen, das jedem, dem es begegnet, auf den Rücken springt. (Nork, Sitten und Gebräuche d. Deutschen, S. 281.)
Das bereits genannte Mittagsgespenst nimmt auch zuweilen Tiergestalt an; so erscheint es im Jura unter dem Namen »Stollnwurm« als Drache. Als Bock sonnt es sich des Mittags am Charfreitage auf der Ruine Hagberg. In diesen Vorstellungskreis gehört vielleicht auch der Bock, welcher sich zuweilen des Mittags (aber auch des Nachts) um 12 Uhr am Bocksloche, einem alten Stollen in Oberschlema[110] sehen läßt (s. Ortssagen.) Als Lamm erscheint das Mittagsgespenst am Tobelhötzli in der Aargauer Gemeinde, und hierher gehören wohl auch unsere Sagen vom weißen Schafe, das Menschen erschreckt, und vom weißen Widder mit goldenen Hörnern.
Aus der Auffassung des Blitzes als Schlange sind zahlreiche mythologische Vorstellungen hervorgegangen. Wie der Blitz die Gewitterwolke gleichsam spaltet, so daß dann die goldene Sonne wieder aufleuchtet, so sollen die himmlischen Schlangen einen kostbaren Edelstein verfertigen. Diese Vorstellung wurde später auf die irdischen Schlangen übertragen. (Mannhardt, a. a. O., S. 103.) Weit verbreitet sind die Sagen von dem Schlangenkönige, welcher auf seinem Kopfe eine goldene Krone trägt. Es drängt sich hier auch die Vermutung auf, daß die gelben Flecke hinter den Augen der Ringelnatter bei der Häutung zu dem Glauben von einer goldenen Krone Veranlassung gegeben haben. Wie der Schlangenkönig von Lübbenau in der Niederlausitz seine Krone auf ein feines weißes, großes Tuch niederlegte, so erzählt auch die erzgebirgische Sage gleiches von unserem Otternkönige oder unserer Schlangenkönigin. Karl Haupt (Sagenbuch d. Lausitz, No. 84.) bemerkt dabei, daß die weiße Farbe, welche das Tuch haben muß, auf die Repräsentanten der Finsternis einen zwingenden und siegreichen Zauber ausüben muß, so daß sie nun ihre Schätze opfern. Nach einem anderen Volksglauben aber, welchen Mannhardt (a. a. O., S. 103) anführt, legt der Schlangenkönig seine Krone auf ein rotes Tuch nieder.
(Joh. Böhm in der Erzgebirgs-Zeitung, 1881, S. 133.)
Der hohe Stein zwischen Graslitz und Markneukirchen war der Aufenthalt der Zwerge, welche von hier aus die umliegenden Häuser besuchten, den Leuten bei ihren Arbeiten halfen und ihnen manche Wohlthat erwiesen. Als aber die Knödel in den Topf und die Brote in den Backofen gezählt wurden, verschwanden sie nach und nach aus der Gegend.
Beim Baue der Steiner Pfarrkirche zeichneten sich dieselben besonders aus. Dieselbe sollte nämlich am Fuße des Berges, auf dessen Abhange sie sich gegenwärtig erhebt, zu stehen kommen, und viel Material hatte man bereits dorthin gebracht. Allein die Zwerge trugen des Nachts zu wiederholten Malen das Baumaterial auf die Anhöhe, bis man sich endlich entschließen mußte, dort das Gotteshaus aufzurichten. Der Bau schritt ungemein rasch vorwärts. Was die Maurer[111] und Werkleute am Tage begonnen hatten, wurde von dem arbeitsamen Zwergenvolke während der Nachtstunden zur vollsten Zufriedenheit des Baumeisters hergestellt, so daß in kurzer Zeit der eherne Mund der Glocken die Gläubigen zum Hause des Herrn rufen konnte. Zum Andenken setzte man drei in Stein gehauene Bilder von Zwergen außen an die südliche Wand der Kirche, wo sie heute noch zu sehen sind.
(Edw. Heger in der Erzgebirgszeitung, 6. Jahrg., S. 57.)
Häufig haben sich die Zwerge auf dem Pürsteiner Burberge, sowie auf dem Leskauer Schloßberge aufgehalten. Ihr Hauptsitz war jedoch auf dem Schwarzberge und viele Höhlen führten in die Tiefe des Berges zu den Versammlungssälen. Diese merkwürdigen Höhlen, glatt ausgemeißelt und schön gewölbt, sind noch gegenwärtig im Volksmunde unter dem Namen »die Zwerglöcher« allgemein bekannt, und eines dieser Zwerglöcher enthält in einer etwas geräumigeren Weitung einen Brunnen, dessen Wasser in der ganzen Gegend gerühmt wird. Der Ort, wo die meisten Zwerghöhlen münden, wird die »Lihtmerskirch« genannt, und man sagt, es sei vor geraumer Zeit eine Kirche dort gewesen.
Die Zwerglein, die ehemals in diesen Höhlen gewohnt haben, beschäftigten sich hier häufig mit Kuchenbacken. Auch haben sie daselbst einmal ein Menschenkind beherbergt und das ging so zu: Eine Frau aus dem nahen Dorfe Leskau hatte in diese wilde Waldgegend einst ihr Kind mitgenommen, sie entfernte sich ein wenig von demselben und konnte es zu ihrem Schrecken nicht wieder auffinden. Alles Rufen und Suchen war erfolglos und so mußte die verzweifelnde Mutter ohne ihr Kind heimkehren. Ein langer Zeitraum war vergangen, als die Frau wieder einmal und ganz zufällig in jenen Wald kam. Da trieb sie ein unerklärliches Gefühl an, in eine der Zwerghöhlen hineinzugehen, und wen erblickte sie darin? Zu ihrem freudigsten Erstaunen ihr totgeglaubtes Kind, frisch und gesund und recht groß geworden, und es aß ein Stück Kuchen; denselben hatte es von den guten Zwergen bekommen, die seine Pfleger und Behüter geworden waren, seit es damals von der Mutter weggekommen und aus Neugierde in die Zwerghöhle geschlüpft war.
Edw. Heger leitet das Wort »Lithmer« von lih, der Leichnam, und mere, die in der Unterwelt herrschenden, den Tod bezeichnenden Mächte ab, so daß es[112] also eine Stätte bezeichnen soll, welche die den Unterweltsmächten Verfallenen aufnimmt. Konnte man nicht auch eine andere Ableitung, nämlich vom mhd. lîte, der Abhang, die Halde, und maere, berühmt, berüchtigt, versuchen, so daß dann der Name »Lihtmerskirche« eine Kirche bezeichnet, welche auf einem berüchtigten, d. h. durch die Zwerge berüchtigten Abhange steht?
(Ziehnert, Sachsens Volkssagen, Anhang, No. 33. Winter in der Constit. Zeitung, 1854, No. 282.)
An der Morgenseite des Scheibenberges befindet sich eine unbedeutende Höhle, das Zwergloch genannt. Darinnen wohnten sonst viele Zwerge, deren König Oronomossan hieß. Sie waren nicht über zwei Schuh lang und trugen recht bunte Röckchen und Höschen. Es schien ihr größtes Vergnügen zu sein, die Leute zu necken; sie thaten aber auch manchem viel Gutes und halfen vorzüglich frommen und armen Leuten. Einst, im Winter, ging ein armes Mädchen aus Schlettau in den am Fuße des Scheibenberges gelegenen Wald, um Holz zu holen. Da begegnete ihr ein kleines Männchen mit einer goldenen Krone auf dem Haupte, das war Oronomossan. Er grüßte das Mädchen und rief gar kläglich: »Ach, Du liebe Maid, nimm mich in Deinen Tragkorb! Ich bin so müd' und es schneit und ist so kalt und ich weiß keine Herberge! Drum nimm mich mit zu Dir in Dein Haus!« Das Mädchen kannte den Zwergkönig zwar nicht, aber da er gar zu flehentlich bat, so setzte sie ihn in ihren Tragkorb und deckte ihre Schürze über ihn, damit es ihm nicht auf den Kopf schneien möchte. Darauf nahm sie den Korb auf den Rücken und trat den Rückweg an. Aber das Männchen in dem Korbe war zentnerschwer und sie mußte alle Kräfte zusammennehmen, daß sie die Last nicht niederdrückte.
Als sie nach Hause gekommen, setzte sie den Tragkorb keuchend ab und wollte nach dem Männchen darin sehen und deckte die Schürze ab. Aber – wer schildert ihr Staunen? – das Männchen war fort und statt seiner lag in dem Tragkorbe ein großer Klumpen gediegenen Silbers!
Nach einer anderen Sage soll jenes Mädchen eines Schneiders Tochter aus Schlettau gewesen sein und um das Jahr 1535 gelebt haben. Sie sei auch nachher noch mehrmals bei dem Zwergkönige im Scheibenberge gewesen und habe für ihn, seine Frau und Kinder Kleider machen müssen. Dafür habe sie solche Geschenke erhalten, daß sie zu großem Vermögen gekommen sei und nachdem sie sich verheiratet,[113] eine der reichsten Familien in Schlettau begründet habe. Nach dem dreißigjährigen Kriege aber seien ihre Nachkommen verarmt und zuletzt wieder so herabgekommen, wie zu der Zeit, wo sie den Zwergkönig zuerst gesehen hatte.
Das Geschlecht der Zwerge hat seine Wohnungen in den Bergen. Zwerglöcher kennt man wohl überall in Deutschland. In Schlesien ist eins auf dem Prudelberge bei Stonsdorf, in der Lausitz giebt es welche auf dem Dittersberge bei Schönau auf dem Eigen und am Fuße des Breitenberges bei Zittau (Haupt, Sagenbuch etc. I. No. 24.), in Böhmen bei Warnsdorf und im Kammerbühl bei Franzensbad (Grohmann, Sagenbuch etc. S. 180.), im Vogtlande bei Stublach und bei der Milbitzer Ziegelei (Eisel, Sagenbuch d. Vogtl. No. 26.), im Mansfeldischen am Kammerbache bei Freiersdorf und in der Steinklippe zwischen Hermerode und Wippra (Größler, Sagen der Grafsch. Mannsfeld, No. 153 und 155.), und so erzählt die Sage noch von vielen anderen Orten, an denen die Zwerge die Zugänge zu ihrem unterirdischen Reiche hatten.
(Richter, Umständliche aus zuverlässigen Nachrichten zusammengetragene Chronica der freyen Bergstadt St. Annaberg. Annaberg, 1746, S. 4.)
Die Sage erzählt, es hätten in der Gegend bei dem Pöhlberge, ehe die Stadt Annaberg erbauet gewesen, kleine Leutlein, einer Ellen lang, gewohnet.
(Heger und Lienert, Ortskunde d. Dorfes Schmiedeberg i. B. S. 60.)
In Schmiedeberg wohnten lange Zeit Zwerge. Dieselben erreichten nur die Größe eines zwei- bis dreijährigen Kindes und trugen einen spitzen Hut, rot wie ihre Haare, außerdem gefeite Stiefel. Sie hielten sich in Ställen, Scheuern, Kellern und Stuben auf, waren nicht menschenscheu, kamen im Gegenteil oft freiwillig unter dem Herde hervor und boten ihre Dienste an. Nachts um die zwölfte Stunde kamen alle zusammen, gingen dabei durch verschlossene Thüren und begannen nun emsig das aufzuarbeiten und zu vollenden, was die Menschen verabsäumten oder unvollendet ließen. Im Nu war ihre Arbeit zierlich und fein gethan, dann ging es an's Tanzen. Punkt ein Uhr verschwanden sie wieder. Neckereien konnten sie nicht vertragen; sie zogen dann fort. Man vertrieb sie übrigens auch, wenn man Lauch in die Milch that und ihnen diese vorsetzte.
Von den Bewohnern Schmiedebergs wurden diese Zwerge nur »Holzweibchen« genannt. Seit jeher hatten sie im Hause No. 172[114] ihren ständigen Aufenthalt und brachten durch nächtlichen Fleiß Glück und Segen in die Wirtschaft. Endlich aber schien es ihnen hier nicht mehr zu gefallen, denn sie sagten: »Hier ist nimmer gut wohnen, sie (die Hausfrau) zählt die Knödeln im Topf und im Backofen das Brot.« So zogen denn die Zwerge fort, weit fort, über die Eger bei Aubach, wo sie den Fährmann, um ihn zu entlohnen, gefragt haben sollen, was ihm lieber wäre – ein roter Heller oder ein Sturmhut voll Goldstücke. Der Fährmann wählte natürlich das letztere. Die Leutchen sagten ihm, er habe schlecht gewählt und werde schließlich noch weniger besitzen als einen roten Heller. Das traf auch ein, der Fährmann verarmte in kürzester Zeit gänzlich.
(Edw. Heger in der Erzgebirgszeitung, 6. Jahrg., S. 58.)
Von den Bergen aus besuchten die Zwerge häufig die benachbarten Ansiedelungen der Menschen, um deren Gastfreundschaft in Anspruch zu nehmen, und man gab ihnen auch gern etwas von Lebensmitteln ab. Sie suchten aber nicht nur Gastfreundschaft, sondern gewährten auch solche; ward jedoch ihre Gabe verschmäht, so gerieten sie leicht in Zorn, ja rächten sich an dem Unwürdigen, was ihnen nicht schwer fiel, da sie mit geheimen Kräften begabt waren.
Als einst ein alter Bauer aus Redenitz und dessen Knecht an der Berglehne zwischen Leskau und Spinnelsdorf ihre Ackerfurchen zogen, vernahmen sie plötzlich ein sonderbares Gespräch in der Nähe, ohne daß die Sprechenden zu sehen waren. »Bringt erst die Weißen, dann die Schwarzen!« »Nein, erst die Schwarzen, dann die Weißen!« so rief es rätselhaft durcheinander.
Als die beiden Lauscher aber einen äußerst angenehmen Geruch nach frischem Kuchen verspürten, da wußten sie auf einmal, was alles zu bedeuten habe, und der Knecht sagte: »Das sind ja die Zwerglein, die in ihren nahen Wohnungen eben Kuchen backen, schwarze und weiße (d. h. von geringerem und feinerem Mehle); sehen kann man freilich nichts, denn sie haben sich unsichtbar gemacht.«
»Ja«, – meinte der Bauer – »aber diese Kuchen riechen auch gar zu gut; wer doch einen davon hätte!«
»Nun, da werde ich halt einen bestellen«, sprach der Knecht im Spaße und rief dann, so laut er konnte: »He, backt uns doch auch einen Kuchen mit, aber einen recht guten!«
Als die Ackerleute nach dem Mittagessen ihre Arbeit wieder beginnen wollten, da fand jeder von beiden auf seiner Pflugschar einen[115] wunderschönen, duftenden Kuchen liegen. Der Bauer biß herzhaft in den Kuchen und ließ sich ihn ausgezeichnet schmecken, der Knecht aber mißtraute der geheimnisvollen Gabe und verschmähte sie. Klatsch! – da hatte der Undankbare auch schon von unsichtbarer Hand eine tüchtige Ohrfeige erhalten, an die er sich noch lange nachher schmerzlich erinnerte.
(Nach Grimm in der Erzgebirgszeitung, 2. Jahrg., S. 6.)
An der Eger, zwischen dem Hofe Wildenau und dem Schlosse Aich, ragen große Felsen empor, die man von Alters her die Heilingsfelsen nennt. Am Fuße derselben erblickt man eine Höhle, inwendig gewölbt, auswendig aber nur durch eine kleine Öffnung erkennbar, in die man, den Leib gebückt, kriechen muß.
Diese Höhle wurde von kleinen Zwerglein bewohnt, über die zuletzt ein unbekannter alter Mann, namens Heiling, als Fürst geherrscht haben soll. Einmal vor Zeiten ging ein Weib, aus dem Dorfe Daschwitz gebürtig, am Vorabende von Peter Pauli in den Forst und wollte Beeren suchen; es wurde Nacht, und sie sah neben diesem Felsen ein schönes Haus stehen. Sie trat hinein, und als sie die Thüre öffnete, saß ein alter Mann am Tische, der schrieb emsig und eifrig. Die Frau bat um Herberge und wurde willig angenommen. Außer dem alten Manne war aber kein lebendes Wesen im ganzen Gemach, allein es rumorte heftig in allen Ecken; der Frau ward greulich und schauerlich und sie fragte den Alten: »Wo bin ich denn eigentlich?« Der Alte versetzte, daß er Heiling heiße, bald aber auch abreisen werde, »denn zwei Drittel meiner Zwerge sind schon fort und entflohen.« Diese sonderbare Antwort machte das Weib noch unruhiger, und sie wollte mehr fragen, allein er gebot ihr Stillschweigen und sagte nebenbei: »Wäret Ihr nicht gerade in dieser merkwürdigen Stunde gekommen, solltet Ihr nimmer Herberge gefunden haben.« Die furchtsame Frau kroch demütig in einen Winkel und schlief sanft ein. Als sie am Morgen mitten unter den Felssteinen erwachte, glaubte sie geträumt zu haben; denn nirgends war ein Gebäude zu sehen. Froh und zufrieden, daß ihr in der gefährlichen Gegend kein Leid widerfahren sei, eilte sie nach ihrem Dorfe zurück; es war alles so verändert und seltsam. Im Dorfe waren die Häuser neu und anders aufgebaut, die Leute, die ihr begegneten, kannte sie nicht und sie wurde auch nicht von ihnen erkannt. Mit Mühe fand sie endlich die Hütte, wo sie sonst wohnte, und auch die war besser gebaut; nur dieselbe[116] Eiche beschattete sie noch, welche einst ihr Großvater dahin gepflanzt hatte. Aber wie sie in die Stube treten wollte, ward sie von den unbekannten Bewohnern als eine Fremde vor die Thür gewiesen. Sie lief weinend und klagend im Dorfe umher. Die Leute hielten sie für wahnwitzig und führten sie vor die Obrigkeit, wo sie verhört und ihre Sache untersucht wurde. Siehe da, es fand sich in den Gedenk- und Kirchenbüchern, daß gerade vor hundert Jahren an eben diesem Tage eine Frau ihres Namens, welche nach dem Forst in die Beeren gegangen, nicht wieder heimgekehrt sei und auch nicht mehr zu finden gewesen war. Es war also deutlich erwiesen, daß sie volle hundert Jahre im Felsen geschlafen hatte und die Zeit über nicht älter geworden war. Sie verlebte nun ihre übrigen Jahre ruhig und sorgenlos und wurde von der ganzen Gemeinde anständig gepflegt, zum Lohne für die Zauberei, die sie hatte erdulden müssen.
(Friedr. Bernau in der Comotovia, 1877, S. 77.)
Drei Bergleute fuhren einst an, um die Erze aus dem tiefsten Schachte zu holen. Um jene Zeit waren noch reichhaltige Gruben im Kupferhügel, vorzüglich auf Kupfer und Eisen, wie es noch die vielen Schachte und unterirdischen Gänge in demselben beweisen. Fleißig und frohgemut arbeiteten nun die Bergleute in den Felsen hinein, um ihn zu zerkleinern und die Erze daraus zu gewinnen. Noch waren sie nicht mit einer Schicht fertig, als sie plötzlich durch eine liebliche Musik, die aus dem Innern des Berges zu kommen schien, überrascht wurden. Alle gerieten in Spannung und Freude. »Wahrhaftig«, sagten sie zu einander, »eine so schöne Musik haben wir noch nie gehört, selbst am Prokopitage nicht, wenn wir Schritt für Schritt, angethan mit unserer festlichen Bergkleidung, die Hacke und die brennende Lampe in der Hand, hinter unserer Bergmusik zur Kirche ziehen!« Um den Berggeist, wie sie glaubten, in seiner Unterhaltung nicht zu stören, schickten sich die Bergleute schon an, an den Tag zu fahren, als sie von der Seite her, von welcher die Musik kam, eine Menge kleiner Männchen, kaum größer als eine Menschenhand, auf sich zukommen sahen, die mit den verschiedenartigsten Musikinstrumenten versehen waren. Hinterdrein zog ein munterer Schwarm von Zwergen, die unter fröhlichem Hüpfen endlich in einem großen Felsengewölbe Platz nahmen. Bald kamen auch einige Zwerge näher zu den Bergleuten,[117] grüßten sie freundlich mit dem Bergmannsgruße »Glückauf!« und sagten: »Ruhet aus und seid fröhlich mit uns; was Ihr versäumt, das wollen wir Euch nach dem Tanze nachholen.« Flink legten die Bergleute ihre Werkzeuge bei Seite, denn sie waren schon müde von der anstrengenden Arbeit, und folgten gerne der zutraulichen Einladung. Alles freute sich und war guter Dinge. Die Zwerge tanzten, und die Bergleute schauten ihnen vergnügt zu, so daß oft der Berg sich mit den beglückten Bergleuten zu drehen schien. Endlich erhob sich eines der kleinen Männchen, gab ein Zeichen mit der Hand und alles stellte sich in einem enggeschlossenen Kreise auf, in den auch die Bergleute eintreten mußten. Die Musiker befanden sich in der Mitte und es schien, als ob sie erst jetzt recht ergreifend spielen wollten, wohlgeordnet und langsam setzte sich der Kreis, dem ein Vortänzer voranging, in Bewegung; die Bewegung wurde unter dem seltsamen Hüpfen, Springen und Laufen immer schneller. Bald standen die Zwerge stille, schienen sich zu bedenken, dann fingen sie plötzlich wieder an, mit Händen und Füßen zu zappeln, dabei sprangen sie in die Höhe, der eine über den andern, bis alle in größter Unordnung waren. Die drei Gäste konnten sich des lauten Lachens nicht erwehren, was die Zwerge in ihrer Lust auch ungestraft ließen. Endlich setzten sich alle wieder auf ihre Plätze, nur ein altes, ganz graues Männlein trat zu den Bergleuten, strich mit seiner flachen Hand über deren Augen, die also bald erblindet zu sein schienen; dann nahm es die Bergleute bei der Hand und führte sie eine ziemliche Strecke aufwärts, bis sie in eine Kammer gelangten, wo sie rasch wieder sehend wurden. Hier ergriff sie nun das höchste Staunen, denn das ganze Gewölbe war mit goldenen Platten belegt; Gold- und Silberstangen lagen da aufgeschlichtet, wie daheim die Späne in der Küche; die Tische beugten sich unter der Last von Edelsteinen, die ein blendendes Licht verbreiteten. Die Bergleute standen da wie versteinert. Endlich nach langem Schweigen sprach der Alte zu ihnen: »Nehmet Euch nun, was Euch nützlich ist; Ihr sollt damit so lange glücklich sein, als Ihr dabei fleißig und sparsam bleibt; thut Ihr das nicht, so werdet Ihr trotz des Reichtums noch elend sterben müssen.« Ein jeder nahm nun so viel, als er in beide Hände bringen konnte, und bald befanden sie sich wieder unter den kleinen Männchen, die während der Zeit, als die Bergleute in der Goldkammer waren, für sie gearbeitet hatten. Mächtige Kupferadern waren aufgeschlossen und große Haufen Erze herausgearbeitet. Als die Bergleute den Zwergen danken wollten, war alles verschwunden; nur aus der Ferne hörte man noch die bezaubernde Musik. Bald begaben sich auch[118] die Bergleute, da es doch schon Nacht sein mußte, auf die Fahrt, um heimzukehren; um so größer aber war ihr Erstaunen, als sie die Sonne im Osten aufgehen sahen und von den Leuten erfuhren, daß schon der fünfte Tag verflossen war, seitdem sie in die Grube gestiegen. Dennoch glaubte ein jeder von ihnen nur geträumt zu haben; allein die großen Goldstücke in ihren Händen überzeugten sie eines anderen. Ein jeder von ihnen kaufte sich ein Häuschen und lebte glücklich mit seiner Familie. Nur einer wurde stolz und glaubte nicht mehr arbeiten zu sollen, wofür ihn, wie der Zwerg gedroht hatte, das Los bitterster Armut traf; die beiden andern arbeiteten fleißig wie früher und erinnerten sich in ihrem Glück oft an den alten grauen Zwerg, den Begründer ihres Wohlstandes. Noch heute zeigt man im Kupferhügel Spuren jenes Gewölbes und heißt dieselben seit dieser Begebenheit »die Zwergkammer.«
Die Zwerge sind elbische Wesen, welche für sich ein eigenes Reich bilden und durch Zufall oder Drang der Umstände bewogen, mit den Menschen, denen sie helfen oder schaden können, verkehren; sie sind jedoch meist wohlthätig und hilfreich. Die Liebe zur Musik verknüpft sie mit höheren Wesen, besonders mit Halbgöttinnen und Göttinnen. Ja eine Stelle in einem mittelhochdeutschen Gedichte: »da sassen fideler und videlten all den albleich«, spricht ihnen die Erfindung einer eigenen Weise zu. Neben der Musik liebten die Zwerge besonders den Tanz. Elbe tanzten des Nachts im Mondschein, und aus der Erscheinung tanzender Berggeister prophezeite man ein gesegnetes Jahr. (Grimm, Deutsche Myth., S. 264.) Auch die Ludki, die Zwerge der wendischen Sage, waren Spielleute und besuchten als solche und manchmal auch als Tänzer die Feste der Menschen, wobei sie Geschenke mitbrachten. (Haupt, Sagenbuch etc. I., No. 43.)
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 40.)
Nahe bei Joachimsthal führt der sogenannte »Apostelsteig« nach der »Prokops-Kapelle.« Ein greiser Mann aus dem Gewerbestande erzählte: Mein Vater hat als vierzehnjähriger Junge im Frühjahre bei Abenddämmerung ein graues Männlein, nicht länger als sein eigener Bart, plötzlich sich breit vor ihn hinstellen gesehen. Kein Gebet, aber auch kein Fluch hat das wie im Boden wurzelnde graue Männlein verscheucht. Vor Verwirrung griff der Vater zuerst nach der Tabaksdose, dann räusperte er sich, betete und weinte, endlich ist ihm bei allem Entsetzen das Evangelium Johannes in den Sinn gefahren, und als er sprach: »Das Wort ist Fleisch geworden«, ist das Männlein verblitzt.
Das graue Männchen als zwerghaftes Wesen ist der Berggeist; die graue Farbe ist Erdfarbe.
(Mündlich.)
Wenn man auf der Straße von Burkhardsgrün nach Blauenthal geht, so hat man, ehe die Muldenbrücke erreicht wird, zur linken Hand einen Waldbezirk, welcher das »graue Männel« heißt. Dieser Name soll von folgender Begebenheit herrühren. Einst herrschte in Blauenthal und Umgegend die Pest. Da waren Holzhauer in dem genannten Walde, die unterhielten sich beim Vesperbrot und klagten über das viele Sterben. Auf einmal stand ein graues Männel vor ihnen das ihnen vorher unbemerkt zugehört hatte; dasselbe sagte:
In Nordböhmen soll zur Zeit einer großen Pest ein Engel gerufen haben:
(Grohmann, Aberglauben etc., S. 92.)
Während einer Pest in Hinterpommern kam eine Taube vom Himmel und rief:
(Die Natur von Ule und Müller, 1866, No. 2.) Dieselbe Sage findet sich auch im Spessart. (Henne-Am-Rhyn, a. a. O., S. 305.)
Als nach dem 30jährigen Kriege die Pest im Vogtlande und Erzgebirge furchtbar wütete, kam von Norden her ein weißer Rabe geflogen, welcher rief:
(Gräße, Sagenschatz des K. Sachsen, No. 628.)
(Mündlich. Köhler, Volksbrauch etc., S. 497.)
In Bernsdorf bei Werdau war eine Seuche, an der viel Menschen starben. Des Abends pochte es an die Hausthüre, und so vielmal es gepocht hatte, so viel Menschen starben am andern Morgen in dem Hause. Es war aber ein graues Männchen, das von Haus zu Haus ging und klopfte. Dasselbe Männchen kam auch zu einem Manne und dessen Frau und sagte: »Eure Nachbarn werden alle sterben und Ihr sollt die Totengräber machen.« Am anderen Tage waren[120] die Nachbarn tot und der Mann mußte sie mit Hilfe seiner Frau begraben. Da sich aber beide darüber entsetzten und sich vor dem Tode fürchteten, kam das Männchen wieder und sprach:
In einer Lausitzer Sage wird Baldrian von einem Vogel als Mittel gegen die Pest empfohlen. (Veckenstedt, Wendische Sagen, S. 337.)
(Mitgeteilt von J. G. Müller, Kirchner und Lehrer in Lößnitz.)
Bei dem sogenannten weißen Stein, einem einzelnstehenden Felskegel zwischen der Mulde und Alberode, sitzt zuweilen ein graues Männchen. Wenn der rechte Mann kommt und zur rechten Stunde und sagt das richtige Sprüchelchen, der sieht den Zwerg, und dieser zeigt ihm große Schätze, ganze Backschüsseln voll Gold.
(Edw. Heger in der Erzgebirgszeitung, 6. Jahrg., S. 59.)
Das Verhältnis zwischen den Zwerglein und Menschen blieb nicht immer ein freundliches. Es kam dahin, daß die kleinen Leute, wenn sie bittend vorsprachen, häufig von der Thür gewiesen, ja daß sie sogar verfolgt und an Freiheit und Leben bedroht wurden.
Einst war ein Zwergweiblein nach Langenau gekommen, man ließ es aber nicht mehr fort und einige Unbarmherzige sperrten es sogar ein. Es bat und flehte inständig um seine Freiheit, denn es habe ein ganz kleines Kindchen zu Hause und müsse es warten und pflegen; aber sein Bitten war umsonst.
So saß es über Nacht gefangen und man hörte es in einem fort jammern und klagen: »Mein Spinnerl spinnt nit, mei Waferl waft nit, mein jüngstes Bübel greint Tag und Nacht!«
Als man am Morgen öffnete, war das Weiblein tot.
Aber diese Unthat ward gerächt. Aus dem Hause, wo sie geschehen, floh das Glück und der Segen für immer; die Besitzer gingen zugrunde, sie mochten arbeiten und sich mühen, wie sie wollten.
(Christ. Lehmann, Histor. Schauplatz etc., S. 185 und 190.)
Der gemeine Mann trägt sich mit der Sage, daß vor alten Zeiten, ehe das Obererzgebirge angebaut worden, auf dem Waldgebirge und in dessen Felslöchern Zwerge gewohnt hätten, welche aber durch Aufrichtung der Pochwerke, Eisenhämmer und des »Klippelwerks« sollten sein verjagt worden. Sie wollten aber wiederkommen, wenn die Hämmer würden abgehen.
S. auch die Vorbemerkungen zu diesem Abschnitte. – Das »Klippelwerk« ist ein Pochwerk, in welchem die Erze durch niederfallende Stampfen (Klippel) zerstoßen werden. Später verstand man unter Klippelwerk eine Bauart ärmlicher Häuser, nach welcher Holzscheite zum Aussetzen der Zwischenräume im Säulenwerke oder auch in Verbindung mit Lehm und Stroh zur Herstellung der Feueressen verwandt wurden. (Joh. Poeschel, Eine erzgebirgische Gelehrtenfamilie. 1883, S. 124, Anmerkung.)
Ich finde bei Meltzer (Beschreibung der löbl. Bergkstadt Schneebergk, 1684, S. 471.) noch eine dritte Erklärung des Wortes. Darnach wäre darunter das Spitzenklöppeln zu verstehen, und bei dieser Erklärung würde die Tautologie »Pochwerk und Klippelwerk« wegfallen.
(Wg. im Glückauf, 2. Jahrg., No. 5.)
Die Burg Oberlauterstein ist im Hussitenkriege geschleift worden. In den noch längere Zeit gebliebenen Überresten wohnten Berggeister und Zwerge, welche sich nicht miteinander vertrugen, sich stets zankten und des Nachts einen furchtbaren Lärm verursachten, so daß die Wanderer oft auf den Gedanken kamen, es donnere daselbst. Da kam einst aus dem Baierlande ein Geisterbanner, ein Feilenhauer von Profession, in diese Gegend. Es war ein langer, hagerer Mann mit zerlumpten Kleidern, als Geisterbanner gesucht hier und da, gefürchtet aber von jung und alt. Der Amtmann im Schlosse Niederlauterstein bat ihn, die Geister in der Ruine Oberlauterstein zu bannen, denn sie ließen auch ihn nicht ungeneckt. Der Feilenhauer versprach alles und hielt auch Wort. In einer finsteren Nacht nahm er seine Beschwörungen vor, pfiff dreimal ganz laut, und die unruhigen Geister krochen allzumal in den vorgehaltenen Ranzensack. Diese Geister trug der Mann in der folgenden Nacht im Ranzen, wie eine Partie junger Katzen, in die entferntere Ruine des Raubschlosses am Katzenstein, wo[122] sie sich nun unter dunklen Fichten die Zeit mit Würfel- und Kartenspiel vertrieben. Als jedoch die Ruinen des Raubschlosses immer mehr zusammenbrachen, hatten die gebannten Geister nicht alle mehr Platz und zogen aus. Nicht selten zeigen sie sich jetzt noch in der Nähe des alten Oberlauterstein in feuriger Gestalt. Die Frauen dieser Geister heißen Klageweibel. Sie zeigen den nahen Tod der Bewohner an und haben ihren Sitz auf den sumpfigen Wiesen von Ansprung. Zuweilen erscheinen sie auch in Zöblitz in Gestalt kleiner Kinder, bittere Thränen vergießend.
(Meltzer, Hist. Schneebergensis, S. 1019.)
Außer höchster Not wegen der bösen aufsteigenden Wetter und Schwaden, welche die zwei edelsten Glieder des menschlichen Leibes, das Gehirn und Herz ergreifen, sind die Bergleute auch nicht in geringerer Gefahr wegen der Bergteufel, Mönche und Berggespenster, die in der Finsternis herrschen und in den Strecken herumfahren wie brüllende Löwen, und suchen, wie sie Bergleute, wo dieselben nicht mit Gebet und Glauben widerstehen möchten, verschlingen. Und ob auch wohl die Bergmännlein einfältige Bergleute nicht so furchtsam machen, sondern doch wohl ein Zeichen eines guten künftigen Anbruchs, wo sie gesehen werden, sein sollen, so ist doch ein Teufel so arg wie der andere, und welcher am freundlichsten sich stellet, der ist wohl am schädlichsten und verursacht durch Gottes Verhängnis Fälle und Brüche. Es ist bekannt, wie einst dergleichen Bergteufel in Gestalt eines Mönchs einen Arbeiter in dem alten reichen St. Georg ergriffen und nicht ohne Beschädigung seines Leibes in der großen Weite in die Höhe geworfen.
Im Jahre 1538 ist ein Bergmann in der Höflichen Besserung Fundgrube, vom Ungeheuer erwürget worden, weshalb Kurfürst Johann Friedrich darüber in einem besonderen Befehle umständlichen Bericht verlangte.
Am 26. März des Jahres 1683 ging die Levitenzeche mit 3 Schächten in Haufen, daß man nichts von der Kaue sahe. Kurz zuvor aber war ein dicker Mann, mit Silber und Gold geschmückt, aus dem Kämmerlein heraus in die Kaue zu einem Bergmanne, Israel Ficker, welcher daselbst Schachtholz zurichtete, gekommen, und hatte ihn mit diesen Worten gefragt: »Kennst Du mich nicht?« Und da der Bergmann geantwortet: »Herr, wie soll ich Euch kennen, Ihr werdet wohl einer vom Herzog aus Holstein (der diese Zeche bauete)[123] sein!« Da hat er ihn heißen anfahren, und, weil er es nicht thun wollte, dergestalt getäuscht, daß er darüber des Todes war und am 30sten desselben Monats begraben wurde.
(Nach Mitteilung des Lehrers E. Schlegel aus Zschorlau.)
Es war eines Jahres am 24. December, als ein Bergmann in der Grube »Sieben-Schlehen«, nachdem er sein Gebet verrichtet hatte, getrosten Mutes einfuhr. Rüstig ging er an seine Arbeit. Da gegen Mitternacht ließen sich in der Ferne Schritte vernehmen, und der Bergmann glaubte, einer seiner Gesellen komme, um ihn abzulösen. Doch als das »Sappen« näher kam, erblickte er einen Mann, der trug an der Brust eine goldig funkelnde Blende mit einer Kerze darin; seine Kleidung war dunkel bis auf die weißen Strümpfe; an den Füßen hatte er glänzend schwarze Schuhe und der Kopf war mit einem Hute, ähnlich den Napoleonshüten, bedeckt. Sein Gesicht konnte jedoch der Bergmann vor Glanz nicht sehen; nur das eine sah er, daß ein silberweißer Bart bis auf die Brust hernieder hing. Die Erscheinung blieb vor ihm stehen und sagte nichts, leuchtete ihn aber an und kehrte auf demselben Wege wieder zurück. Als der Bergmann am anderen Morgen von seinem Begegnis erzählte, sagten ihm seine Gesellen, das sei der Berggeist gewesen.
In demselben Schachte arbeitete am nächsten Charfreitage ein anderer Bergmann. Derselbe hörte in seiner Nähe ein unaufhörliches Sägen und Hämmern, wiewohl er wußte, daß keine Zimmerlinge da waren. Er zeigte dies beim Ausfahren dem Steiger an, welcher sogleich einfuhr und die Töne ebenfalls hörte. Darauf ließ derselbe den Ort mit Bretern verschlagen. Nach wenigen Tagen aber war er tot.
(Ziehnert, Sachsens Volkssagen, 4. Aufl. Anhang, No. 7.)
Auf dem Donat Spath im Bereiche der Elisabeth-Fundgrube zu Freiberg sieht man in der Nähe eines alten Schachtes den Namen »Hans« in Stein gehauen, wahrscheinlich zum Andenken eines Verunglückten. Das Bergvolk aber erzählt davon folgende Sage:
Vor Zeiten arbeitete auf dem Donat auch ein Bergknecht Hans, welcher so arm war, daß er manchmal hätte verzweifeln mögen. Er weinte oft stundenlang in der Grube und eines Tages, als er sich keinen Rat mehr wußte, brach er in laute Klagen aus. Da zerteilte sich der Felsen und aus dem steinernen Thore trat ein kleines Männchen hervor. Das war der Berggeist, der sagte: »Armer Hans, ich will Dir helfen, aber Du mußt mir jede Schicht dafür ein Pfennigbrot und ein Pfenniglicht geben und ewiges Schweigen geloben!« Hans, welcher sich bald von seinem Schrecken erholt hatte, versprach alles mit Freuden. Darauf verschwand der Berggeist wieder und ließ ihm des Silbers in Menge zurück. Nun war Hans ein gemachter Mann, der schon ein paar Groschen aufgehen lassen konnte. Niemand konnte begreifen, woher er das Geld habe, und er nahm sich wohl in acht, davon zu plaudern. Aber da kam das Stollnbier, wo das Bergvolk sich der Freude hinzugeben pflegt. Hans war diesmal vorzüglich auf dem Zeuge und sprach dem Glase wacker zu. Bald war er berauscht und konnte in der Lust des Herzens das Geheimnis nicht länger verschweigen. Als aber am andern Tage sein Taumel verflogen war und die Freunde ihm erzählten, was er geplaudert habe, da erschrak er und fuhr mit Zittern und Zagen an. Sein Geschäft war, den Knechten, welche am Haspel standen, das Zeichen zu geben. Diese warteten lange vergeblich, er gab kein Zeichen, sie riefen ihn, er antwortete nicht. Da plötzlich zuckte es rasch am Seile und ein helles Licht erglänzte in der Teufe. Die Haspelknechte wußten nicht, was das zu bedeuten habe, drehten aber den Rundbaum mit Eile banger Erwartung, und bald war der Kübel zu Tage gefördert. Rings um den Rand desselben brannten Pfenniglichte, und drinnen lag der arme Hans tot, mit blauem Antlitz, wie ein Erdrosselter, und auf ihm das letzte Pfennigbrot. Der grausame Berggeist hatte ihn umgebracht.
(Mitgeteilt vom Lehrer E. Schlegel aus Zschorlau.)
Nahe bei »Sieben-Schlehen« befand sich ein Schacht, in welchem folgendes geschah: Als der Kunstwärter daselbst das Kunstzeug einölte und dabei an den Hauptzapfen kam, ließ sich ein Gesicht an der Wand sehen, welches sprach: »Diesen Zapfen schmiere ich.« Der Kunstwärter gehorchte und ließ von da an diesen Zapfen unberührt, bis er doch einmal das Gebot übertrat. Kaum hatte er den Hauptzapfen[125] eingeölt, so geriet er mit dem rechten Arme in das Kunstzeug, welches ihm den Arm abriß. Doch empfand er dabei nicht den geringsten Schmerz und die Wunde blutete auch nicht. Als er den weggerissenen Arm aufhob, erblickte er das Gesicht an der Wand wieder; dasselbe sah ihn höhnisch an, ohne etwas zu sprechen.
(Meißner, Umständliche Nachricht von der Bergstadt Altenberg, 1747, S. 239.)
Gottfried Behr, welcher im Zwitterstock zu Altenberg arbeitete und einen Brennofen beschickte, erzählte folgendes: Es sei am 31. August 1713, als er in seinem Hause zu Neu-Geising früh vor 3 Uhr habe aufstehen wollen, ein Mann, grau von Haaren und Bart, in einer vollkommen menschlichen Gestalt, in einer langen grauen Kutte vor sein Bett getreten und hätte gesagt: »Warte immer noch ein Bißchen!« Und als Behr geantwortet: »Ich muß anfahren«, hätte dieser weiter gesagt: »Du sollst noch eher droben sein, als der, so mein Volk zählen läßt. Warte noch ein Bißchen, ich will Dir was sagen. Ich will mit Dir ins Zechenhaus gehen und Dir was weisen, wie ich mein Volk will wegnehmen. Du hast unterschiedliche Warnungen gethan und dabei haben Dich viele verunglimpfet; dieselben haben ihr Teil schon gekriegt. Und wenn sie Dich itzo werden wieder so verunglimpfen, wenn Du es sagen wirst, so soll es denen wieder so gehen, wie den ersten. Und Du sollst eher droben im Zechenhause sein, wie der Geschworene, das merke Dir zum Wahrzeichen gewiß!« Darauf wäre der Mann verschwunden und er hätte nicht gesehen wohin. Hierauf sei er aus dem Bette aufgestanden, hätte sich angezogen, und wie er seinen ordentlichen Weg den Mühlberg hinan ins Zechenhaus gegangen, habe er daselbst den alten grauen Mann innen an der Thür stehend wieder angetroffen und gesehen, daß er vom Ofentopfe an einen Strich mit dem rechten Arme über die Bergleute nach dem Fenster zu gethan, und ihn an der linken Seite berührt, daß er solches die ganze Woche lang sehr gefühlet und manche Thräne darüber vergossen. Nach diesem hätte er wahrgenommen, daß die Leute alle weggewesen, bis auf zehn Personen, so an dem Ofen traurig gesessen. Der graue Mann aber hätte dazu gesagt: »Da haben sie die Zwölf, die mögen sie auszählen.« Darauf sei er wieder verschwunden, und habe er, nämlich Behr, die Leute, welche fortgewesen,[126] mitten unterm Gebete wieder um sich gesehen; es sei auch gleich der Herr Geschworene hineingekommen und habe sich sofort am Tische an seinen Ort gesetzt und mit den Burschen sein Gebet gethan; weiter aber habe er damals weder im Zechenhause, noch in der Grube, oder sonst etwas mehr gemerket. Freitags hernach, den 8. September, habe sich ferner begeben, daß, als er zu seiner Zeit aufgestanden und ins Zechenhaus sich begeben, auch in die Stube hineingetreten, dieser alte graue Mann in voriger Gestalt und Tracht beim vorderen Fenster am Tisch auf seinem Orte gesessen. Nachdem er nun näher gegangen, den Tisch mit der Hand ergriffen und sich setzen wollen, sei derselbe aufgestanden und gleich wieder vor seinen Augen weggekommen, worauf er sich gesetzet und mit den Bergleuten gebetet. Am 11. September, früh 5 Uhr, erschien der graue Mann dem Gottfried Behr wieder vor dem Bette und sagte, er solle mit ihm wohin gehen, da würde eine Hochzeit sein, es wären schon drei Tafeln gesetzt. Nachdem aber seine Frau dazu gekommen und ihn gerufen, wäre der graue Mann wieder verschwunden.
(Nach einer mündlichen Mitteilung.)
In der St. Georgenzeche zu Schneeberg ist früher einem Knappen ein Berggeist erschienen und hat ihn so gewaltig auf einen Stein gesetzt, daß er wie angemauert sitzen bleiben mußte. Ebenso erging es einem Steiger, welcher die Bergleute sehr streng behandelte. Später erschien der Berggeist wieder und schlug mit der Faust gewaltig an die Felswand. Die Bergleute, welche daselbst arbeiteten, sahen darauf eine Höhlung, in welcher viel Silber lag. Hätten sie sogleich eine Hacke oder ein anderes Gerät in die Höhle geworfen, so würden sie den Schatz gewonnen haben. So aber unterließen sie es aus Unkenntnis und der Schatz verschwand; auch der Berggeist ließ sich von dieser Zeit an nicht wieder sehen.
(Br. Grimm, Deutsche Sagen, I. No. 2. Wrubel, Sammlung bergmännischer Sagen, 1883, S. 29.)
In der St. Georgsgrube zu Schneeberg erschien der Berggeist in Gestalt eines schwarzen Mönches, ergriff einen Bergknappen, der sich in der Teufe ungebührlich aufgeführt, hob ihn auf, und setzte ihn[127] auf einer ehedem silberreichen Grube nieder, so hart, daß ihm das Hinterleder platzte und alle Rippen krachten.
(Br. Grimm, Deutsche Sagen, I. No. 2. Wrubel, a. a. O., S. 29.)
Zu Annaberg war eine Grube, genannt »der Rosenkranz«, darinnen arbeiteten 12 Knappen. Die schwatzten mit einander possenhaft, wollten sich gegenseitig mit dem Berggeist fürchten machen und leugneten ihn als einen lächerlichen Popanz. Da mit einem Male sahen sie eine Roßgestalt mit langem Halse und mit feurigen Augen an der Stirne und erschraken zum Tode. Dann ward aus der Roßgestalt die wahre Gestalt des Bergmönches, die trat ihnen schweigend nahe und hauchte jeden nur an. Sein Atem aber war wie ein böses Wetter, sie sanken tot nieder von des Geistes Anhauch, und nur einer kam wieder zu sich, gewann mit Mühe den Ausgang und sagte, was sich zugetragen. Dann starb auch er. Darauf ist die silberreiche Grube »der Rosenkranz« zum Erliegen gekommen und nicht mehr angebaut worden.
(Meltzer, Hist. Schneebergensis., S. 1146.)
In den erzgebirgischen Bergstädten sind die Bergteufel in manchen Gestalten erschienen, bald als Bergmönche inner- und außerhalb der Gruben, bald mit einem Irrlicht, als einem vermeinten Grubenlicht. So ließ sich im Jahre 1684 in einer Auischen Wohnung beim Schnorrschen Hammerwerk ein Geist hören und darauf in Gestalt eines Bergmanns sehen. Derselbe hüpfte in einer gewissen Gegend unweit der Mulde, und da man an diesen Ort mit der Rute ging, soll dieselbe auf Silber geschlagen haben.
(Mündlich.)
Frauen, welche mit Butter durch den Zechengrund bei Zinnwald, wo früher reiche Bergwerke waren, gingen, sahen oftmals daselbst Bergknappen, obgleich schon längst kein Bergbau dort im Gange mehr war.
(Lehmann, Historischer Schauplatz, S. 75.)
Am Bache zwischen Rittersgrün und Pöhla ist ein Fels, in dessen Nähe sich ein Gespenst als Bergmann hören und sehen ließ, oben auf dem Kopfe mit einem brennenden Grubenlichte. Derselbe erschreckte des Nachts die Leute und warf sie in den Bach.
(Chr. Lehmann, Historischer Schauplatz, S. 76. Wrubel, Sammlung bergmännischer Sagen, 1883, S. 79.)
Am Scheibenberge hat sich oft ein Gespenst in Gestalt eines Bergmanns sehen lassen. Dasselbe ist den Maurern, welche dort Sand gesiebt, plötzlich auf den Hals gekommen; andere hat es hinter dem Berge an eine eiserne Thüre geführt, wie zum Eingange eines Schatzes, die man aber darauf nicht hat wieder finden können. Auch hat daselbst ein Gespenst in Gestalt einer Jungfrau, oder in der von Wölfen, Füchsen und Irrwischen manche irre geführt und geäfft.
Im Jahre 1632 hat Hans Schürf zu Crottendorf eine Tochter von 8 Jahren im Walde verloren, die man innerhalb 13 Tagen nicht auffinden konnte, bis sie von einer Köhlerin im Walde angetroffen und heimgebracht wurde. Da man sie nun fragte, was sie denn gegessen und getrunken, antwortete sie, ein Männchen habe ihr alle Tage eine Semmel und zu trinken gebracht.
(Gräße, a. a. O. Nr. 499.)
Einmal ritt ein beherzter Mann ganz allein in der Abenddämmerung nicht weit von Annaberg auf der gewöhnlichen Heerstraße, da sah er einen alten Bergmann vor sich hergehen. Als er an ihn herankam, bot er ihm einen guten Abend, erhielt aber keine Antwort, ebenso wenig auf die Wiederholung des Grußes, und da er etwas hitzig war, schrie er: »Ei, so soll Dich Grobian gleich der Teufel –!« und zog ihm eins mit der Reitgerte über. Aber siehe, auf einmal wußte er nicht mehr, wo er war; er ritt bis in die Nacht in der Irre herum und erst gegen Mitternacht hörte er Stimmen. Er rief, es kamen Leute, er fragte, wo er sei, und erfuhr, er sei in seinem eigenen Heimatorte. Man führte ihn bis an sein Haus und noch immer kannte[129] er sich nicht; erst als seine alte Mutter mit einem Lichte vor die Thür trat, wußte er wieder, wo er war. Der Bergmann hatte ihn geäfft.
(K. Fr. Döhnel im Erzgeb. Anzeiger, Schneeberg 1803, S. 180.)
Eine geraume Zeit hatte der alte Bergmann Kapuzer redlich und treu in den unterirdischen Klüften gearbeitet, und wer ihn gesund und von der verderblichen Bergluft verschont in seinem grauen Kopfe sah, der mußte ihm gut sein. Freilich hatte er sich auf der Fahrt seines Lebens durch Kämme[1] und Knauer[2] winden müssen, und manches Wetter und manche Felsenwand hatten ihn auf seiner Fahrt bedroht. Es schien fast, als hätte ihn das Schicksal als ein taubes Gestein auf die Halde des Lebens geworfen; aber nie verlöschte das Grubenlicht der Hoffnung in seiner Hand, und mit diesem glaubte er noch einen reichhaltigen Gang zu treffen. Aber eine fürchterliche Teuerung brach herein, und Berghenne[3], die sonst ihm und seinen Kindern Sonntagskost gewesen war, mußte er ganz entbehren und oft Tage lang hungern. Die Kleinen jammerten ihn sehr, und ob er sich schon manches entzog, um nur ihren Hunger zu stillen, so wollte es doch nicht zulangen. Einstmals fuhr er zur Frühschicht an und sang mit frohem Mute das schöne Lied: Wer nur den lieben Gott läßt walten, obschon er seit zwei Tagen wenig gegessen hatte. Unter den letzten Versen des Liedes begann er seine Arbeit und verfolgte rasch mit dem Fäustel den am Tage vorher getroffenen Gang. Da sprang ihm gediegenes Silber ins Auge. Die Stufe, die er abhieb, war reichlich, und von ihrem Verkaufe konnte er langen Unterhalt für seine Kinder hoffen. Das Elend der Kinder stand vor ihm, die Mittel, es zu mildern, auch, und schon streckte er in Erwägung der wachsenden Not seine Hand nach der Silberstufe. Da schlug ihm etwas auf die Achsel. Er drehte sich um und sah ein kleines graues Männchen im Berghabite hinter sich stehen, das mit der einen Hand auf die Silberstufe zeigte und die andere drohend erhob. Kapuzer schauderte, warf die Silberstufe hin und das Männchen verschwand. Sogleich fuhr er aus, um es seinen Vorgesetzten zu melden, daß Gott das Gebet der Gewerken erhört und Gänge und Klüfte aufgethan hätte. Die Vorgesetzten umarmten den[130] redlichen Mann, fuhren in den Schacht und sahen den reichen Fund. Die meisten Gewerken waren bemittelte Leute, sie wollten den alten Kapuzer mit Ruhe in seinen alten Tagen für seinen Fund belohnen, aber er schlug es aus, obschon sie ihm doppelten Lohn boten. »Ich will in meinem Berufe sterben, ist ja das Grab auch nur ein Schacht, in dem der Silbergang der Ewigkeit glänzt,« rief der Greis mit Thränen in den Augen; »ich kann noch arbeiten.« Die Bitte ward ihm gewährt, seine Kinder wurden gekleidet und er durch ein ansehnliches Geschenk der drückenden Nahrungssorgen für sich und die Seinen entzogen. Noch sechs Jahre arbeitete er mit gleicher Thätigkeit. Da rief ihn der Bergfürst von der Schicht. Früh morgens um drei Uhr wollte er zur Arbeit aufstehen, aber er vermochte es nicht. Um acht Uhr rief er seinen ältesten Knaben: »Geh' zum Bergmeister,« sprach er, »und sag' ihm, der alte Kapuzer werde bald Schicht machen, sein Grubenlicht wolle verlöschen, er solle mich noch einmal besuchen.« Der redliche Bergmeister kam zu dem Sterbenden und dieser erzählte ihm die Geschichte von dem Bergmännchen. Der Bergmeister stand gerührt an seinem Bette. Dann faltete der Kranke die Hände, betete still und endlich sprach er mit schwacher Stimme: »Es ist vollbracht, Glückauf!« und verschied.
Wenn ein redlicher Bergmann aus Armut stehlen will, warnt ihn das Bergmännchen, und nur die, welche geübte Bösewichter sind, überläßt es der Stimme ihres Gewissens und der strafenden Hand der Obrigkeit.
[1] Kämme sind festere Gesteinslagen.
[2] Knauer, ein festes und rohes Gestein.
[3] Berghenne ist eine Wassersuppe oder auch Brot und Käse.
(Engelschall, Beschreib. d. Bergstadt Joh.-Georgenstadt. 1723, S. 136.)
In dem Bergwerke zur »Treuen Freundschaft« hat sich am 7. Aug. 1719 folgendes begeben: Es arbeitete vor Ort Johann Christoph Schlott, und da man zu Mittag ausgepocht hatte, hörte er gegen den Schacht noch jemanden husten. Da meinte er, es werde der Steiger vor Ort fahren, solches in Augenschein zu nehmen. Nachdem sich aber niemand eingestellt hatte, wollte er ausfahren; aber kaum hatte er sich umgewendet, da nahm er wahr, wie ihm jemand vom Schachte her mit brennendem Grubenlichte entgegen kam. Dadurch wurde Schlott in seiner früheren Meinung, daß es der Steiger sei, wieder bestärkt. Doch als sie endlich beide auf der Strecke zusammenstießen, nahm er wahr, daß es ein sehr kleiner Mann in einem braunen Kittel war. Derselbe hing eben, als Schlott vorbei fuhr, sein Grubenlicht[131] ans Gestein, so daß es auch sofort hängen blieb, legte die Tasche ab und sprach zu Schlotten. »Ists schon Schicht?« denn die Bergleute fuhren an diesem Tage wegen der Beerdigung des Hammerwerksbesitzers eine Stunde früher aus. Bei dieser Anrede überfuhr Schlotten ein Schauer, er eilte davon und traf keine Arbeiter mehr in der Grube an. Dies Begegnis erzählte er darauf dem Steiger, welcher anfangs nicht viel davon wissen wollte; doch mußte Schlott später den Ort zeigen, woran das Männchen sein Grubenlicht gehangen hatte. Daselbst nahm man eine kleine Kluft wahr und es wurde an der Stelle ein Schuß gebohrt, der einen Gang öffnete, von dem man mehrere Quartale nacheinander eine gute Ausbeute machte.
(Mündlich.)
Ein Bergjunge fuhr einst auf dem Bergschachte Orschel bei Schneeberg an; da erschien ihm ein Berggeist, welcher ihn töten wollte. Doch ließ er es bei der Drohung bewenden, wenn ihm der Junge alle Tage eine Semmel mitbrächte; aber er solle niemandem etwas davon sagen. Eines Tages brachte der Junge keine Semmel mit und wurde in einem Kübel erwürgt. Als man ihn fand, lagen um ihn herum viele verschimmelte Semmeln, mit denen er an das Tageslicht gefördert wurde.
Diese Sage hat eine unverkennbare Ähnlichkeit mit der vom Berggeiste am Donat zu Freiberg. Das Geschenk einer Semmel, welches dem Berggeiste gemacht werden muß, erinnert an das Essen, welches man nach deutschen Sagen den Kobolden hinsetzen mußte. Wie die Kobolde sind hier vielleicht auch die Berggeister als Geister der Vorältern und zwar derjenigen, welche in der Erde ruhen, aufzufassen. Zwergen und Berggeistern werden an gewissen Orten Speisen und Getränke hingestellt, wofür sie sich durch Geschenke dankbar bezeugen. (Nork, Sitten und Gebräuche, S. 241) In Idria stellen die Bergleute den Wichtlein, die man im Bergwerke öfters klopfen hört, ein Töpflein Speise an einen besondern Ort. (Grimm, deutsche Sagen, I. No 37.)
(Ed. Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke. 1882, S. 1. etc.)
Vor langen Jahren lebte in Joachimsthal ein erfahrener, aber armer Bergmann, namens Christoph Wattmer, der sich und seine zahlreiche Familie, so gut es eben ging, durch seiner Hände Fleiß redlich[132] ernährte. War auch oft in seiner Hütte Schmalhans Küchenmeister, so bewahrte sich doch Wattmer stets einen heiteren, zufriedenen Sinn, um den ihn seine Kameraden nicht selten beneideten. Einmal hatte er aber in der Nacht einen bösen Traum, der ihn recht traurig stimmte, da er ein großes Unglück befürchtete. Deswegen wäre er gern von der kommenden Morgenschicht weggeblieben, allein er mußte seiner Pflicht folgen. Mit sorgenschwerem Herzen machte sich also Wattmer beim Tagesanbruch auf den Weg zum Grubenhause, verrichtete daselbst sein Gebet und mit dem üblichen »Glück auf!« fuhr er im Namen Gottes in den tiefen Schacht. Als er vor Ort war, arbeitete er fleißig und unverdrossen, bis er plötzlich in der Nähe ein Klopfen und Hämmern, ein Ächzen und Stöhnen vernahm, das ihn nichts Gutes erwarten ließ. Wie er nun in Gedanken versunken dastand, sah er einen großen, dicken Mann im schmierigen, erdfahlen Grubenkittel auf sich zuschreiten. Er hatte einen großen runden Hut auf dem Kopfe, Schlägel und Eisen im breiten Gürtel, in der rechten Hand aber trug er ein Grubenlicht, das die ganze Strecke taghell erleuchtete. Je näher die unheimliche Gestalt kam, desto enger schnürten Furcht und Grausen des Bergmanns Brust zusammen. »Fürchte Dich nicht,« redete der Berggeist den zitternden Bergmann an, »ich will Dir kein Leid zufügen, denn Du bist mir gerade willkommen. Sorge täglich für eine Pfennigsemmel, es soll nicht Dein Schaden sein!« Der Bergmann that, wie ihm befohlen ward, und brachte dem Berggeiste jede Schicht eine Pfennigsemmel. Darüber erfreut, sprach der Berggeist eines Morgens zu Wattmer: »Da Du bisher meinen Wunsch erfüllet hast, will ich Dich zum reichen Manne machen.« Nach diesen Worten schlug er an die Wand und sofort öffnete sich eine Strecke voll Silbererzes. »Melde den Anbruch«, fügte er hinzu, »Deinen Vorgesetzten, doch sage niemandem, daß ich mit Dir im Verkehre stehe, sonst bist Du unrettbar verloren!« Der Bergmann versprach Stillschweigen, schied mit dankerfülltem Herzen von seinem Gönner und fuhr vergnügt zu Tage. Er eilte alsdann zum Berghauptmann und hinterbrachte ihm die Nachricht von dem reichen Silberanbruche. Wie ein Lauffeuer ging diese Kunde von Mund zu Mund und Freude strahlte auf allen Gesichtern. Die gesamte Bergknappschaft veranstaltete nun zu Ehren des wackern Christoph Wattmer ein glänzendes Mahl, bei welchem er obenan saß. Als die Teilnehmer des Freudenfestes im Saale schmausten, zechten und sich lustig machten, bestürmten sie unablässig Wattmer, er möge ihnen doch endlich über das unerwartete Auffinden des Anbruches näheren Aufschluß geben. Die Aussage, die derselbe machte, genügte den neugierigen Kameraden, welche den Zusammenhang der Sachlage[133] ahnen mochten, noch lange nicht, sie wollten mehr erfahren. Ihrem Drängen gab endlich der unbesonnene Wattmer nach und erzählte mit beklommenem Herzen die ganze Begebenheit; dafür aber sollte er schwer büßen. Als er nämlich am folgenden Tage mit Zittern und Zagen anfuhr, erwartete ihn schon mit geballter Faust der ergrimmte Berggeist, der ihm mit donnernder Stimme zurief: »Heißt das, armseliger Erdenwurm, mir, dem Herrn über alle Gebirge dieser Gegend, Wort gehalten?« Dann ergriff er Wattmer und schleuderte ihn unbarmherzig in den Schacht hinunter, wo er zerschmettert tot liegen blieb.
(Novellistisch in Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 12. etc.)
Die Grube St. Barbara zu Joachimsthal hatte einst einen bösartigen gottlosen Obersteiger, welcher über Kirche und Gebet spottete, unmäßig trank und spielte, seine Untergebenen drückte und einen schändlichen Unterschleif machte. Seinem Beispiele folgten die meisten seiner Untergebenen; nur acht oder zehn Bergleute glaubten treu an Gott und Vergeltung, hielten in frommer Gemeinschaft zu einander und wurden von der bösen Rotte ihrer Kameraden spottweise »Moses und die Propheten« genannt. Zu diesem kleinen Häuflein, welches vergebens der einreißenden Verwilderung entgegenstrebte und sogar mit einer Anzeige drohte, gehörte auch Daniel. Derselbe war ein junger Mann voll Geist und Leben und dabei ausgestattet mit reichen Kenntnissen im praktischen Bergbau, so daß er bereits von dem verstorbenen Vorgänger des gottlosen Obersteigers dem Bergamte zur Beförderung vorgeschlagen worden war. Doch hatte man ihn bald wieder vergessen, so daß die Hoffnung Daniels, seine Braut Marie, welche die hinterlassene Tochter des verstorbenen Obersteigers war, heiraten zu können, in weite Ferne rückte. Dazu kam noch, daß ihn der gottvergessene neue Obersteiger wegen seines frommen Wesens haßte und bei den übrigen Vorgesetzten verleumdete. Nur die Trostworte seiner Braut und eines alten Freundes, des eisgrauen Martin, welcher mit ihm auf derselben Grube anfuhr, trösteten ihn. Als nun Daniel eines Tages vor Ort arbeitete und es schon stark gegen das Ende der Schicht gehen mußte, da sein letztes Licht in der Blende fast ganz heruntergebrannt war, hörte er unter seinen Füßen ein Klopfen und Hämmern, und er wußte wohl aus den Erzählungen des alten Martin, daß dies von den Erdgeistern herrühren müsse, da er ja auf der Sohle der Grube stand[134] und unter ihm keine Häuer arbeiteten. Da suchte er sein Arbeitszeug zusammen, um wieder auszufahren. Als er aber im Stollen um eine Ecke bog, trat ihm plötzlich aus einem von den Alten betriebenen und wieder verlassenen Orte ein kleiner, dicker Mann im Grubenkittel entgegen. Schlägel und Eisen, die ihm im Gürtel staken, waren ungeheuer groß und stark. In der rechten Hand hielt er eine Blende, in der aber kein Licht brannte, sondern ein herrlicher grüner Stein befestigt war, der einen wunderlieblichen Schein in hellen Strahlen nach allen Seiten hinwarf. Wie nun Daniel schweigend vorübergehen wollte, ward er mit Erstaunen gewahr, daß der unbekannte Bergmann mit seinem Leibe die Breite des Stollens so genau ausfüllte, daß an ein Vorbeischlüpfen nicht zu denken war. Er trat also einen Schritt zurück, schlug ein Kreuz vor der Gestalt und sagte: »Wer Du auch seist, gieb einem frommen Bergmanne Raum, der auf seinem Berufswege wandelt!« Aber der kleine Kerl lachte und sagte: »Ich fürchte mich vor Deinem Zeichen nicht, Kamerad, und magst Du daraus abnehmen, daß ich Dir kein Leid zufügen will. Im Gegenteil, ich will Dir helfen. Du bist ein armer Kerl, hast manchmal kaum satt Brot und verdienst mehr, als alle die Schurken, die hier anfahren. Ich bin der, den Ihr den Bergmönch nennt, bin Herr über alle Gebirge dieser Gegend und kenne alle edlen Flötze und reichen Gänge. Dich hab ich lieb gewonnen und will Dich zum reichen Manne machen. Hier nimm!« Damit langte er aus seinem weiten Grubenkleide eine Menge der herrlichsten Schaustufen von Rotgüldenerz hervor. »Gott behüte«, sprach Daniel, »daß ich Euer Geschenk annehme, und somit meinen Landesherrn bestehle. Wißt Ihr wirklich, wo edle Geschicke brechen, so zeigt es dem Steiger an, und wir bekommen dann alle einen höheren Lohn. Schimpft mir auch nicht auf meine Kameraden, es sind auch noch ehrliche Kerls darunter.« »Narr Du,« brummte der Bergkönig, »mit Deinen ehrlichen Kameraden; und Dein Steiger ist ein Schuft, der die Grube bestiehlt und dem ich noch einmal den Hals umdrehen will! – Du nimmst also mein Geschenk nicht?« »Ich darf nicht, Herr!« entgegnete Daniel. »Nun, so krieche hinaus, Du blöder Maulwurf!« Mit diesen Worten faßte ihn der Berggeist bei den Schultern und warf ihn den Stollen vor bis an den Fahrschacht, ohne daß dem Daniel jedoch ein Glied weh gethan hätte. Derselbe stieg nun hinauf, und als er so hoch oben war, daß das Tageslicht in den Schacht fiel, sah er wieder den Berggeist, welcher bereits oben war und mit dem Neffen des Steigers seine Silberstufen theilte. Da der Neffe aber immer die größere Hälfte in seinen Kittel steckte und darauf den übrigen Teil dem Berggeiste zuschob, packte ihn dieser beim Gürtel,[135] riß ihm die versteckten Stücke heraus, rannte ihn mit dem Kopfe gegen die Fahrt, wobei er immer schrie: »Heißt das ehrlich geteilt, Du Galgenstrick? heißt das ehrlich geteilt?« und schleuderte ihn endlich in den Schacht hinunter. Glücklicherweise gelang es dem auf der Fahrt feststehenden Daniel, den Neffen des Steigers aufzufangen und wieder mit heraufzubringen. Er trug ihn zum Steiger, dem er die ganze Geschichte erzählte. Dieser aber hieß ihn einen Narren, der wohl betrunken gewesen sei, und gebot ihm nach Hause zu gehen. – Am anderen Morgen wurde Daniel vor den Steiger gefordert, der ihn der Lüge beschuldigte, indem sein Neffe ausgesagt habe, wie Daniel betrunken in die Grube gekommen sei, Händel angefangen und ihn, den Neffen, blutrünstig geschlagen habe. Das Märchen vom Bergmönch sei nur erfunden worden, damit sich Daniel auf diese Weise entschuldige. Zur Strafe solle derselbe nun 8 Tage lang zur Huntejungenarbeit, welche die jüngsten Anfänger verrichteten, verurteilt sein. Diese neue unverschuldete Kränkung empörte Daniels Herz; er beschloß, seinen Abschied zu fordern und auf einem ausländischen Bergwerke ein Unterkommen zu suchen. Seine Braut Marie bestärkte ihn in seinem Entschlusse. Am nächsten Lohntage wollte er seinen Abgang anzeigen.
Im Bewußtsein seiner Unschuld war er wieder angefahren und begann eben seine Strafarbeit. Plötzlich stand der Berggeist vor ihm und sprach: »Siehst Du, Tropf, wie Deine Gutmütigkeit belohnt wird, und was Du für ehrliche Kameraden hast? So nimm nun ein Stück Silber von mir, damit Du wenigstens einen Zehrpfennig auf die Reise hast!« »Hebe Dich weg, Versucher!« antwortete Daniel; »jetzt leide ich unschuldig, deshalb bin ich heiter und guter Dinge; so ich aber Deinen Reichtum nähme und mein Gewissen mit ungerechtem Gut belastete, was bliebe mir dann für ein Trost?« Da entgegnete der Berggeist: »Ich sehe wohl, daß Du ein ehrlicher, wackrer Bursche bist, und deshalb soll es Dir wohl gehen. Jetzt merke wohl auf, was ich Dir sage. Wenn Du zu Abend aus der Grube fährst, so bitte den Steiger, er möchte Dich morgen frei lassen, Du wolltest Deine Andacht halten. Das darf er Dir nicht abschlagen. Dann gehe zum Geistlichen, empfange das heilige Sakrament und halte Dich ruhig. Hüte Dich aber jemand ein Wort zu sagen, es wäre zu Deinem Schaden. Wenn nun der Steiger die Knappen beruft, so gehe und thue frischen Muts, was Dir befohlen wird, Du bist auf guten Wegen, Gott wird Dich schützen und ich werde Dir behülflich sein!« Daniel that, wie ihm gesagt ward. Er verrichtete am andern Morgen seine Andacht und saß nun stillbetend in seinem Kämmerlein, wartend, was da kommen sollte. Einige Stunden nach Mittag hörte er ein Zusammenlaufen[136] und lautes eilendes Gespräch vor seiner Hütte. Als er hinaustrat, vernahm er, daß in der Grube ein großes Unglück geschehen sein müsse, denn das Gestänge stehe still und man höre in der Tiefe ein ungewöhnliches Brausen und Poltern. Bald rief die Bergglocke die Arbeiter, welche sich nicht auf der Schicht befanden, beim Steiger zusammen, welcher wetterte und fluchte. Beim Zählen fehlte bloß der alte Martin, welcher am vorigen Tage die Erlaubnis erhalten hatte, in sein Geburtsdorf zu gehen. Nun ordnete der Steiger an, daß einer hinabsteigen müsse, um nachzusehen, was unten geschehen sei. Dazu veranlaßte er seinen eigenen Neffen, weil er ihm Gelegenheit verschaffen wollte, sich auszuzeichnen. »Ich verspreche Dir,« so sagte er zu ihm, »einen Bericht an's Bergamt, der Dir den Untersteiger einbringen soll!« Der Neffe weigerte sich anfangs, versuchte es dann, stieg wieder empor und bat schließlich, ihn zu verschonen, da ihn die Angst umbringe. Da stieß ihn der erzürnte Oheim in die Grube hinab und warf die schwere Fallthüre zu. – Unterdeß hatte sich die Kunde von dem Unglücke in der Grube weiter verbreitet, die Frauen und Kinder von mehr als zwanzig Bergleuten, die auf der Schicht arbeiteten, kamen herbei und überhäuften den Steiger mit Vorwürfen; unter ihnen war auch Marie, welche von tödlicher Angst um Daniel an den Unglücksplatz getrieben wurde. Da gebot der Steiger, durch die Vorwürfe erbittert, durch seines Neffen vorsätzlichen Mord noch mehr verwildert, Daniel solle nun hinab und ihm Kundschaft bringen, woraus er dann den Bericht abfassen könne. Daniel trat darauf, obwohl ihn Marie davon zurückzuhalten suchte, die gefährliche Fahrt an. Er tröstete seine Braut und sagte, sie würden sich gewiß wiedersehen. Der Steiger aber warf die Fallthür wieder zu, schob den Riegel vor und sagte lachend: »Der fromme Mann wird wohl pochen, wenn er wieder heraus will!« Damit ging er nach seinem Hause. Auf Mariens Bitten öffneten die oben stehenden Bergleute den Schacht wieder und das Mädchen lauschte hinab. Plötzlich rief sie aus: »Ich sehe ein Licht in der Tiefe!« und dann wieder: »Gottlob, es ist Daniel!« So war es. Daniel stieg glücklich hinauf, alle Arme streckten sich nach ihm aus, um ihm zu helfen. Um seinen Leib hatte er ein Seil geschlagen, und an dem Seile hing der leblose Körper des vom eigenen Onkel hinabgestürzten Neffen. Das erste, was Daniel that, war, des Neffen Schläfe zu reiben; man entzündete Sprengpulver vor dessen Nase, und endlich gelang es den vereinten Bemühungen, ihn wieder zum Leben zurückzurufen. Als er die Augen aufschlug, sah er Daniel und stammelte: »Daniel, unschuldiger, verleumdeter Daniel, zweimal mein Retter, ach, vergieb!« Dieser drückte ihn an sein Herz. Während[137] dessen war ein höherer Bergbeamter mit dem Steiger an die Grube gekommen. Der Bergoffizier beugte sich über den Schacht, starrte hinab und sagte: »Unglaublich! die Wässer steigen noch immer. Seht nur selbst, Obersteiger!« Dieser eilte herbei, sich weit über den Abgrund legend. Aber plötzlich fuhr, allen sichtbar, eine Riesenfaust aus der Tiefe, drehte im Nu des Steigers Angesicht auf den Nacken, daß man alle Wirbel brechen hörte, hielt das gräßlich verzerrte, blaue Todenantlitz der Menge entgegen und verschwand mit seinem Raube unter der Flut. Darauf hörte man ein fürchterliches Donnern in der Tiefe. Als sich die Umstehenden von ihrem Schreck etwas erholt hatten, sprach der Bergbeamte sehr ernst: »Gott hat gerichtet und meinen schwachen Händen dies Amt entnommen! denn auch ich war gekommen zu richten!« Er erzählte nun, wie die Unredlichkeit des Steigers dem Bergamte bekannt geworden sei, und wie er vor seiner Abreise von dem alten Martin, den er als einen frommen Bergmann kenne, noch mehr vollgiltige Beweise der Schuld erhalten habe. Hier an der Grube habe er den unredlichen Mann seines Amtes entsetzen und zur Strafe ziehen wollen. Und als der Bergoffizier nun weiter von Daniel hörte, wie derselbe in der Grube seinem Tode in den hereinbrechenden Wassern entgangen sei und wie er den Körper des Neffen vom Steiger gefunden und auf wunderbare Weise gerettet habe, da erkannten er und alle Anwesenden die Hand Gottes und die Hülfe des Berggeistes. Daniel war mit dem Körper des von seinem Onkel Hinabgestürzten von den Fluten verschlungen worden, und als er wieder zum Bewußtsein kam, fand er sich mit letzterem in einer geräumigen, trocknen Halle, zu seinen Füßen stand die angezündete Blende und lag ein Stück Seil. So gelang es ihm, wieder die Fahrt zu gewinnen und den leblosen Körper mit hinauf zu ziehen. – Der Bergoffizier ernannte hierauf Daniel im Auftrage des Bergamtes zum Untersteiger an der Grube St. Barbara, und ebenso wies er auch dem alten Martin einen Zuschuß an, der es ihm erlaubte, den Rest seines Lebens außer der Grube zuzubringen. Darauf schied der Beamte von ihnen, indem er dem Daniel noch Glück zu seinem neuen Berufe wünschte.
Nach acht Tagen war Marie Daniels glückliches Weib. Der Berggeist erschien zwar nicht wieder, aber mehrfach konnten die Glücklichen seine Nähe spüren. Zwar blieb die ersoffene Grube liegen, jedoch entdeckte Daniel in demselben Reviere die herrlichsten Anbrüche. Die Grube ward nach seinem Namen »Daniel-Zeche« genannt, gab überreiche Ausbeute und baute sich gut aus. Als aber nach einem Jahre Daniel den Beamten und den alten Martin zu Gevattern bei seinem neugeborenen Söhnlein bat und ersterer ihm die Ernennung[138] zum Obersteiger mit Gehaltszulage mitbrachte, da klingelte es auf einmal wie goldene Schellen auf den zinnernen Tellern, die an der Wand standen, und siehe, es fielen eitel neue Goldstücke durch die Decke herab, hundert an der Zahl. In der Mitte war ein Mönch darauf geprägt, und rund herum standen die Worte: »Beschert Glück zur Daniel-Zeche!« Jetzt erkannte Daniel wohl seinen alten Freund, den Berggeist, und in der Freude seines Herzens griff er nach einem Becher Weins und brachte auf den Berggeist die Gesundheit aus. Da that ihm jedermann Bescheid, die Gläser klirrten und zugleich ertönte eine starke, liebliche Musik von Harfen und Zithern, Hörnern und Schalmeien. Als man aber die Thüre öffnete und den Spielleuten zu trinken geben wollte, da war niemand zu sehen und zu hören.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 84.)
Am ältesten Ende von Abertham liegen mächtige Halden der ehemaligen »Kreuzzeche,« welche in der letzten Periode des dortigen Bergbaues allein zur Förderung sämtlicher Erze und Gesteine der Aberthamer Grubengänge benutzt wurde. Über 300 Bergknappen waren bloß zur Förderung angelegt. Als man aber daran ging, in genannter Zeche mancherlei Fördermaschinen einzusetzen, waren viele Bergleute um ihr Brot besorgt und trauerten und jammerten. Ihr Klagen rührte sogar den mächtigen Berggeist, der sich entschloß, die bedrängte Lage von den armen Bergleuten abzuwenden. Er ließ sich daher mehrmals an verschiedenen Orten der Kreuzzeche sehen und stieß bei seinem jeweiligen Erscheinen die warnende Drohung aus:
Da sich jedoch der Bergherr an diese Drohung nicht kehrte, sondern unablässig darauf sann, immer mehr Maschinen in Anwendung zu bringen, trat endlich, nachdem des Berggeistes Langmut ein Ende genommen, die unglückliche Katastrophe ein, welche die gesamte Knappschaft schon längst befürchtet hatte. Es brach nämlich eines Tages der sogenannte tiefe Stollen, auch Schlickenstollen genannt, zusammen und ließ sich nicht mehr bewältigen. Alle angewandten Kunstgriffe, die Entsumpfung der nach Erz führenden Horizonte zu bewerkstelligen, erwiesen sich zwecklos; die Mittel waren und blieben abgeschnitten.
(Mitgeteilt von P. Mothes aus Bockau.)
Bei der alten Zeche auf dem Ochsenkopfe haben verschiedene Leute einen kleinen Jäger mit erdfahlem Gesichte gesehen. Derselbe ladet jeden, der ihm begegnet, zu einem Spiele ein, und wenn ihm dann der Betreffende folgt, so führt er ihn auf unbekannte Flecke, von wo aus derselbe sich nur schwer wieder zurecht findet.
(Ziehnert, Sachsens Volkssagen. Anhang, No. 40. Dietrich und Textor, die romantischen Sagen des Erzgebirges. I. 1822, S. 150. etc. Gießler, Sächs. Volkssagen. Stolpen (o. J.) S. 107.)
Vor langer Zeit lebte in Geyer ein armer Häuer, mit Namen Hans Geißler, der war blutarm und hatte ein schwangeres Weib und viele Kinder und wußte sich oftmals keinen Bissen Brot zu verdienen. Am größten aber war seine Not am Sylvesterabende, als die Niederkunft seines Weibes auf wenig Stunden nahe war und er weder eine warme Stube, noch sonst eine Erquickung, ja nicht einmal eine Wehmutter für sie hatte. Er eilte hinaus, eine erfahrene Muhme aus Günsdorf zu holen, verirrte sich aber bei dem gräßlichen Schneegestöber von dem Wege und kam, durch tiefe Wehen sich mühsam durcharbeitend, zuletzt an die Felsenschichten des Greifensteines. Erschrocken wollte er umkehren, als der Berggeist ihm erschien und mit freundlichem Blick ihn also ansprach: »Eile, glücklicher Vater! Gott hat Dein Weib mit drei holden Knäblein gesegnet! Wenn Du nichts dawider hast, will ich Dein Gevatter sein!« Da verließ Hansen die Furcht und er antwortete: »In Gottes Namen magst Du mein Gevatter sein, aber wie thue ich Dir die Stunde der Taufweihe kund?« Wie nun der Berggeist lächelnd sagte, daß er ohnedem kommen würde zur rechten Zeit, da verließ sich Hans darauf und eilte heim. Sein Weib hatte ihm drei holde Knäblein geboren.
Am andern Tage, als alles zur Taufe bereitet war, da ließ auch der Gevattersmann vom Greifenstein nicht auf sich warten. Er erschien in Häuerkleidung und übte das fromme Werk mit inniger Andacht; als die heilige Handlung vorüber war, da schenkte er Hansen einen Schlägel und ein Eisen und sprach: »Lieber Gevatter, bete und arbeite! Wo Du mit diesem Gezäh einschlägst, da wirst Du reiche Ausbeute finden, und dann denke allemal an Gott und Deinen Gevattersmann.«[140] Darauf verschwand er; seine Worte aber trafen ein. Hans ward ein reicher Mann und soll die Siebenhöfe bei Geyer gebaut haben.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 105.)
Die Holzweibchen sollen kleine zwerghafte Wesen gewesen sein, die sich in verschiedenen Wäldern des Joachimsthaler Bezirks aufhielten.
Ein Holzhauer setzte sich einmal zur Mittagszeit auf einen gefällten Baumstamm und verzehrte sein hartes Brot. Da kam aus dem Gebüsche ein altes Holzweibchen, füllte den Hut des Mannes bis an den äußersten Rand mit Holzspänen und verschwand. Alsbald sprang der Holzhauer, welcher diesem harmlosen Treiben ruhig zugesehen hatte, auf und schüttelte die Späne aus. Als er abends zu Hause den Hut abnahm, fiel klingend ein Stück Gold zur Erde, welches die Form eines Spanes hatte. Einer der Späne, die das Holzweibchen dem Holzhauer geschenkt und die er weggeschüttet hatte, war im Hute hängen geblieben und zu Gold geworden.
(Nach Mitteilung des Sem. Richter.)
Ungefähr zehn Minuten von Pobershau und nicht weit vom Walde zeigt man auf der sogenannten Amtsseite das Burkhardtsloch. Hier sollen vor vielen Jahren Waldweibchen oder wilde Weibchen gelebt haben, welche sehr gutmütig waren und oft armen Leuten in ihrer Not halfen. Deshalb werden sie noch heute in der Gegend, so oft man von ihnen erzählt, »Feen« genannt.
(Edw. Heger in der Erzgebirgszeitung, 6. Jahrg., S. 56.)
Auf dem großen Spitzberge bei Preßnitz haben sich ehedem Holzweibel aufgehalten. Sie sind aber fortgezogen, als die Bewohner der umliegenden Orte anfingen, die Knödel im Topfe zu zählen. Nur ein Holzweibel blieb zurück, führte aber gegen die Menschen nichts Gutes im Schilde, weshalb man ihm aus dem Wege ging. Dem aber, der ein gutes Sprüchlein konnte oder ein Stückchen geweihte Kreide oder »Charsamstagskohle« bei sich führte, konnte es nichts anhaben.[141] Ältere Bewohner von Preßnitz beschrieben es als von winziger Gestalt, mit einem Körbchen auf dem Rücken und einem Rührlöffel in der Hand.
(Edw. Heger a. a. O., S. 83.)
Ein Gebirgsholzhauer in der Gegend von Pürstein ward während seiner Waldarbeit häufig von einem Holzweibel besucht und mit Geld beschenkt. Einmal kam aber das Weibel in eiliger Flucht, denn der Teufel wollte es holen, und es rief schon von weitem: »Holzhauer, hacke geschwind drei Kreuze auf den Stock.« Das that denn auch gleich der dankbare Mann, das Holzweibchen setzte sich flugs auf den Stock und der Teufel mußte mit leeren Krallen abziehen.
(Christ. Lehmann, Histor. Schauplatz etc., S. 78.)
Vom Holzweibchen werden dann und wann einige alte Sagen herumgetragen, daß es vom Satan gejagt würde und in solcher Flucht einen Stock, darin die Holzhacker ein Kreuz gehauen, suche, sich darauf setze und alsdann erlöset würde. Man hat auch von alten Leuten zu Grum- und Steinbach erzählen hören, daß vor alten Zeiten ein Holzweibel gekommen, sich auf den Ofenherd gesetzet und gesponnen und das Gespinst in die Stube geworfen habe; dem hätten sie müssen zu essen geben.
So wollte man auch im Februar 1681 auf dem Pfannenstiel, einem Schönburg'schen hohen Walde, ein Holzweib gesehen haben, welches einen großen Schnee, schnelle Wasserfluten und hitzigen Sommer angedeutet, darauf viel Menschen und Vieh hinsterben würden.
(Christ. Lehmann a. a. O., S. 187.)
An der Aschermittwoch des Jahres 1633 hatte Adam Beyer im Walde bei Steinbach einen Baum gefällt. Indem der Baum im Fallen ist, hauet er nach der Holzhacker Gebrauch ein Kreuz hinein; sogleich kommt ein gejagtes Waldweibchen und bleibet an dem mit dem Kreuz bezeichneten Baume stehen, da es dann sicher geblieben. Unterdessen füllet es dem Holzhacker seinen Kober mit Spänen, er aber[142] schüttet die Späne wieder aus, und da ungefähr ein Spänlein hängen geblieben und er nach Hause kommt, findet er an dessen statt einen ganzen Thaler. Er gehet alsobald wieder in den Wald, in der Hoffnung, solcher Thaler viel aufzulesen, aber vergebens. Doch weil dieser Mann damals in kurzer Zeit zu seinen Mitteln gekommen, hat man vermutet, er müsse etwas gefunden haben. Von dieser Begebenheit an gehet niemand gern an der Aschermittwoche daselbst ins Holz, in der Meinung, der Teufel jage das Holzweibchen an der Aschermittwoche.
Auch im Thüringerwalde und Fichtelgebirge wohnen Waldweibchen zuweilen bei den Menschen, sie geben ihnen Geschenke und sind vor dem wilden Jäger auf Baumstämmen, in welche drei Kreuze eingehauen wurden, sicher. Dasselbe wird von den Moosweibchen erzählt, welche Menschen um Brot bitten. Wenn in Pfaffenreut bei Wunsiedel beim Mahl an dem Rande der Schüssel durch Herausschöpfen Tropfen hängen blieben und diese die Kinder oder auch Erwachsene mit dem Löffel abstreifen und verzehren wollten, sagten die Ältern: »Das dürft ihr nicht, das gehört dem Moosfräula!« Ein Beweis von dem freundschaftlichen Verkehre, in welchem die Wald- und Moosweibchen mit den Menschen standen. (Witzschel, Sagen aus Thüringen, No. 206, 212, 221, 235. Zapf, Sagenkreis des Fichtelgebirges, S. 37.)
Mannhardt erklärt die Holz- und Moosweibchen für Genien der Wälder und Personifikationen des Blättergrüns; darauf fußt der Glaube, daß ihr Leben an dasjenige der Waldbäume gebunden ist. Wenn die Sage erzählt, daß der wilde Jäger (d. h. der Sturmgott Wuotan) die Waldweibchen jage, so ist dann darunter der Sturm zu verstehen, welcher die Blätter vor sich her treibt. Damit hat sich aber die ältere Vorstellung, nach welcher unter den gejagten Frauen Wolken zu verstehen sind, verändert; die Wolkenfrauen, welche durch Regen die Pflanzenwelt befeuchten, sind später auf die Erde herabgezogen und zu Waldgenien geworden. (Mannhardt, die Götter der deutschen und nordischen Völker, S. 112 und 116.)
(Edwart Heger in der Erzgebirgszeitung, VI. S. 84.)
In der Gegend von Kupferberg erhielten Waldarbeiter von den Holzweibchen häufig Geschenke; doch mußten sie sich auch manchen Schabernack gefallen lassen. Oft machten sich die Weibel unsichtbar und nahmen den Leuten die mitgebrachten Lebensmittel weg. Der hungrige Waldmann fand dann manchmal statt des Mittagsbrotes höchst ärgerlicherweise nur eine Menge Hackspäne in seinem Schnappsacke vor, die er meist achtlos wegwarf. Zuhause angekommen, erstaunte er freilich, wenn einige hängengebliebene Spänchen und Splitter zu purem Golde geworden waren. Ähnliches passierte auch einmal zweien armen Weibern, die oberhalb des Pürsteiner Burberges und unweit[143] des Dorfes Gesseln in der Waldung dürres Holz sammelten. Sie trafen da ein kleines Wesen, das ihnen eine Menge Hackspäne zeigte und sie aufforderte, diese Späne noch mitzunehmen. Die Weiber, obwohl schon ziemlich belastet, gehorchten und füllten die letzten leeren Plätzchen in ihren Körben mit den Spänen, auf dem Heimwege aber, als die Bürden sich gar zu schwer erwiesen, sagten sie: »Was sollen uns eigentlich auch die Späne!« und warfen sie hinaus. Nur ein paar dieser Späne blieben an den Körben hängen, und diese wurden zuhause – o Wunder! – zu blankem Golde. Jetzt freilich ärgerte es die Weiber ungemein, daß sie die reiche Gabe so leichtsinnig weggeworfen hatten, und das ließ in ihnen leider die Freude über den verbliebenen Rest schönen Goldes sowie das Gefühl der Dankbarkeit gar nicht recht aufkommen.
(Mündlich.)
Ein Mann von Zinnwald trieb etwas Spitzenhandel, der ihn öfters nach Böhmen führte. Einmal ritt er durch den Seegrund nach Eichwald, da begegnete ihm ein Waldweibchen. Dasselbe redete ihn an: »Bruder, willst Du mit mir schnupfen?« dabei that es sonderbarer Weise seine Schürze auf und die war voller Laub. Als der Spitzenhändler hineingriff, um sich des Spaßes halber, wie er meinte, eine Hand voll Laub zu nehmen, blickte er zugleich auf und sahe das Gesicht des Waldweibchens gleich einem alten Käse. Da erschrak er so sehr, daß er seine Hand schnell zurückzog und fortritt. Das Weibchen aber rief ihm nach: »Nun muß ich noch hundert Jahre warten; hättest Du das Laub genommen und wärest nicht erschrocken, so wäre ich erlöst!« Ein Blatt war ihm jedoch unter den Ärmel gefahren, und das war, als er es später fand, lauter Gold.
Das Ansehen des Gesichts vom Waldweibchen gleich einem Käse erinnert an die Zwerge Tirols und der Schweiz, welche »Kasermandeln« (Käsemännchen) heißen und goldene Käse oder sich erneuernde Gemskäslein verschenken. Förstemann hat in Kuhns Zeitschrift für Sprachforschung I. S. 426 nachgewiesen, daß Quark (= Käse) und Twarg (vergl. mhd. querx und twere) im deutschen Norden bis Lievland beides Zwerg und Käse bedeutet. (Rochholz, Deutscher Glaube und Brauch, I. S. 12.) In den Lausitzer Sagen heißen die Zwerge Querxe. Nach einer schottischen Sage haben auch die Elfen, welche sich durch ihre gewöhnlich grüne Kleidung unsern Holzweibchen nähern, eine Vorliebe für Käse. Auf dem Gipfel des Minchmuir in Peebleshire befindet sich die Käsequelle, welche den Elfen geweiht war und die ihren Namen davon erhalten hat, daß die Vorübergehenden gewohnt[144] waren, ein Stück Käse hineinzuwerfen. (Henne-Am-Rhyn, die deutsche Volkssage, S. 269.)
(Chr. Lehmann, Histor. Schauplatz, S. 758.)
Als Kurfürst Joh. Georg I. im Jahre 1644 um Rabenstein gejagt hatte und am 18. August an Chemnitz vorbeizog, bekam er die Nachricht, daß seine Jäger ein wildes Weiblein in der Stallung gefangen hätten, welches einer Ellen lang, von menschlicher Gestalt, rauher Haut, doch im Angesicht und an den Fußsohlen glatt war. Endlich habe dasselbe angefangen zu reden und gesagt: »Ich verkündige und bringe den Frieden.« Darauf hat der Kurfürst befohlen, dasselbe wieder laufen zu lassen und gesagt: »Wir erinnern uns, als wir vor 25 Jahren auf den Lautersteinischen und Crottendörfischen Wäldern gejagt, daß wir dergleichen Männlein gefangen, welches uns den Krieg verkündiget und gesagt: »Ich bring euch Krieg.«
(Illustrirtes Familien-Journal. VI. No. 157.)
Da droben im Schönecker Walde lebte vor Jahren ein Holzhauer, ein braver, stämmiger Bursche, der aber trotz rastloser Thätigkeit kaum soviel verdienen konnte, um eine alte kranke Mutter und ein paar kleinere Geschwister zu ernähren. Es ging immer knapp her, und doch mußte hie und da noch ein Groschen für ein rotes Band oder etwas dergleichen abfallen, womit der Bursche die Tochter des Nachbars beschenkte. Die jungen Leute waren einander gut; aber an's Heiraten durften sie noch lange nicht denken, denn es fehlte ihnen ein eigenes Hüttchen, und die Wohnungen der Ältern hatten nicht Raum für einen neuen jungen Hausstand. Da entschloß sich der Bursche schweren Herzens, ein paar Jahre hinaus in die Welt zu wandern und sich irgendwo zu vermieten, bis er sich das Nötige verdient haben würde. Als er bald darauf durch den grünen Wald zog und trübe Bilder der nächsten Zukunft in seiner Seele auftauchten, da sprang plötzlich vor ihm ein kleines graues Mütterchen mit einem Körbchen Reisig aus dem Gebüsche, und wie gehetzt lief es auf ihn zu und bat flehentlich, er möge schnell in eine niedergebrochene Fichte, die just über den Weg lag, drei Kreuze schneiden, der wilde Jäger sei ihr auf dem Fuße und der sei ihr Feind und werde sie töten. Das alles war das Werk eines Augenblicks, und alsbald hatte der[145] Bursche auch mit seinem Messer die drei Kreuze in den Baumstamm geschnitten, und war selbst mit dem fremden Weibchen darunter gekrochen, als auch schon das wilde Heer ankam. An den drei Kreuzen aber hatte die Macht des wilden Jägers eine Schranke, er zog fluchend und wetternd zurück und das Holzweibchen war gerettet. Dasselbe gab seinem Helfer einen grünen Zweig aus seinem Körbchen, dankte gar geheimnisvoll und – war verschwunden. Dem Burschen war's noch ganz wirbelig und drehend im Kopfe von all dem Spuk, aber so viel war ihm doch klar, daß das graue Mütterchen, wenn es einmal etwas schenken wollte, sich schon ein wenig mehr hätte angreifen können. Mißmutig wollte er den Zweig wegwerfen, besann sich aber doch noch und steckte ihn zum Andenken an das sonderbare Erlebnis auf seine Mütze. Wie er nun frisch weiter schritt, da ward ihm sein Mützlein immer schwerer und schwerer, und als er es endlich abnahm, da war der Zweig gewachsen, und was war's überhaupt für ein Zweig geworden? Gelbe glitzernde Blätter waren d'ran, und wuchsen immer noch mehr, daß ihm schier Sehen und Denken und am Ende die Lust, weiter zu wandern, verging. Er kehrte um, ohne eigentlich zu wissen, warum, und war noch vor Abend wieder daheim. Was die alte Mutter sich wundern mochte! Der Tochter des Nachbars aber war's eben recht, denn: Wiederkommen bringt Freude.
Der wilde Jäger hatte wohl Ursache, das Holzweibchen zu verfolgen, denn dasselbe hatte in seinem Garten von dem wunderbaren Goldbaume sich ein Körbchen der besten Zweige geholt. Davon hatte nun der Bursche einen bekommen und der trieb immer neue Blätter. Die Blätter schüttelte unser Holzhauer ab und verkaufte sie in den Städten, wo sie noch heute von den schönen Damen als Schmuck getragen werden. Nun konnte er seines Nachbars Kind heiraten, und sie mögen sich wohl auch ein gar hübsches Haus gebaut haben. Das Goldbäumchen aber ist mit der Zeit eingegangen, vielleicht hat sichs auch das Holzweibchen wieder geholt, vielleicht auch der wilde Jäger selber.
Auch Christ. Lehmann erzählt im Histor. Schauplatze, daß sich die Holzweibchen in ihrer Gutmütigkeit und um die Menschen glücklich zu machen, zuweilen an dem zauberhaften Baume im Garten des wilden Jägers vergreifen, daß sich aber die von ihm abgebrochenen Zweige und Blätter in Gold verwandeln. Deshalb werden nun die wilden Weibchen vom Satan, d. h. dem wilden Jäger verfolgt.
(Joh. Böhm in der Erzgebirgs-Zeitung, 1881, S. 135.)
Wie im hohen Steine zwischen Graslitz und Markneukirchen menschenfreundliche Zwerge wohnten, so hielten sich in den umliegenden Wäldern Buschweibchen auf, welche häufig in die Häuser kamen und dort Essen begehrten, wofür sie manch' seltenen, kostbaren Stein, manch' heilkräftige Pflanze zurückließen.
Manche Leute nennen sie auch Moosweibchen, und man schildert sie als zwerghafte Gestalten, über und über mit Moos bewachsen und Kleider aus Baumrinde und Flechten tragend. Einst bezeigte sich ein solches Wesen besonders wohlthätig, wie uns die folgende Sage berichtet.
Zu wiederholten Malen vernahmen Beerweiber und Schwämmesammlerinnen aus einem dichten Gestrüppe in der Nähe des hohen Steines heftiges und anhaltendes Niesen; aber keiner von ihnen fiel ein, »Helf Gott!« zu rufen. Wenn sie sich dann auf den Heimweg begaben, sahen sie aus dem Gebüsche ein Moosweibchen treten, das sich unter schweren Seufzern und traurigen, vorwurfsvollen Blicken entfernte. Einst aber, als das Niesen denn gar zu laut und häufig erschallte, sagte ein Weib: »Nun so helf Gott der Person, welche so heftig da drin nieset!« Augenblicklich stand eine weiße Frau vor ihr und sagte freudig: »Du hast mich erlöst, hier empfange Deinen Lohn!« Mit diesen Worten überreichte sie dem armen, erschrockenen Weibe einen schweren Moosknollen und verschwand. Der überreichte Knollen aber enthielt ein großes Stück Gold, welches das Weib reich machte.
Eine ähnliche Sage aus der Grafschaft Mannsfeld erzählt von einem Görsbacher, welcher am »Wahle«, einem Stück Land, wo jedenfalls früher ein alter Gerichts- und Opferplatz war, vorüberging und dabei wiederholt jemanden niesen hörte. Der Görsbacher rief jedesmal »Gott helf!«, aber kein Dank schallte zurück. Als es nun zum dritten Male nieste, sagte der späte Wanderer: »Ei, wenn Du mir nicht dankst, so schweig ich auch.« Da rief es ihm kläglich zu: »Ach, hättest Du mir doch nur noch einmal »Gott helf!« zugerufen, so wäre ich erlöst gewesen; nun muß ich wieder 100 Jahre nach Erlösung schmachten!« (Größler, Sagen der Grafschaft Mannsfeld, No. 221.)
Ganz ähnlich sind die Sagen vom Spuk am roten Steine bei Oberhof in Thüringen, (Richter, Deutscher Sagenschatz, 3. H. No. 7), und von den verfluchten Jungfern bei Eisenach und am Falkensteine bei Schmalkalden. (Witzschel, Sagen aus Thüringen, No. 113 und 153.)
Die Sitte, beim Niesen dem Betreffenden »Gott helf!« oder dem Entsprechendes zuzurufen, reicht jedenfalls bis ins graue Altertum zurück, obschon der Anfang dieses Gebrauchs gewöhnlich in das 6. Jahrhundert verlegt wird, als eine Beulenpest[147] in Italien auftrat, welche mit Niesen begann und mit dem Tode endete. Damals soll man zuerst demjenigen, welcher zu niesen anfing, zugerufen haben: »Nun helf' Dir Gott!« (Hahn, Geschichte von Gera I. S. 287.) Jedoch gedenken dieser Sitte schon Aristoteles und Plinius. Aristophanes bezeichnet das Niesen als eine göttliche Kundgebung, und als eine solche galt dasselbe auch bei den Indianern Amerikas; denn als die Spanier in Florida eindrangen, sahen sie, daß, wenn der einheimische Herrscher nieste, die Anwesenden sich vor ihm beugten und die Arme flehend nach der Sonne ausstreckten.
Daß die Buschweibchen und wilden Weiber heilkräftige Kräuter kannten, wie unsere Sage meldet, erfahren wir auch aus dem Gudrunliede. Wate von Stürmen verband sich und die im Kampfe Verwundeten und nahm eine gute Wurzel in seine Hand, denn längst hatte man vernommen, »heilkundig sei Herr Wate von einem wilden Weibe!«
(Edw. Heger in der Erzgebirgszeitung, 6. Jahrg., S. 55.)
Man erzählt in der Gegend von Hohentann und Platz, daß in alten Zeiten, wenn das Gesinde auf den Feldern und die Hausfrau allein zu Hause war, daß die Buschweibel öfters in den Häusern erschienen und bei verschiedenen häuslichen Verrichtungen hülfreich an die Hand gingen und sogar die Kinder warteten. Diese gute Zeit ging aber vorüber wie die Buschweibel selbst prophezeiten, denn sie sagten: »Wenn man wird die Knödel im Topf und das Brot im Ofen zählen, dann ist unsere Zeit vorbei, dann werden wir nicht mehr da sein!«
(Grohmann, Aberglauben und Gebräuche aus Böhmen und Mähren. 1. B., S. 14.)
Der Holzweibchen sind vormals viele in den erzgebirgischen Wäldern gewesen; sie können aber jetzt nicht mehr daselbst leben, seit das Brot im Backofen gezählt wird. Früher wurde es nicht gezählt und da konnten sich die Holzweibel unbemerkt davon holen.
Mehr noch wie die eigentlichen Zwerge machen die Holzweibchen den Eindruck von Angehörigen eines unterdrückten und nur geduldeten Volksstammes. Bemerkenswert ist dabei, daß sie niemals wie die Berge bewohnenden Zwerge als Volk, sondern nur vereinzelt auftraten. Die Eigentümlichkeit ist ihnen nicht bloß bei uns, sondern auch in den Sagen der Lausitz und des Vogtlandes beigelegt. Eine Lausitzer Sage ermöglicht die Deutung, in den Holzweibchen versprengte Slaven zu sehen. In dem Dorfe Königshain wird nämlich einem solchen Weibchen, welches sich den Winter über bei einem Bauer aufgehalten hatte, von einem anderen, das vorübergeht,[148] »Deuto, Deuto!« zugerufen. Es könnte dies ein Warn- oder Fluchtruf sein und so viel wie »Deutsche kommen!« bedeuten. (Haupt, Sagenbuch d. Lausitz I. No. 37.) Unsere Sage deutet an, daß die Holzweibchen sich heimlich das Brot holten, denn als man es zählte, konnten sie nicht mehr in der Gegend unbemerkt leben und zogen deshalb fort.
Doch weisen wieder andere Züge, welche die Sagen von den Holzweibchen anführen, auf mythische Wesen hin, wie sich denn überhaupt die Vorstellungen von unterdrückten Volksstämmen und diejenigen ihrer Gottheiten im Laufe der Zeit mit einander vermengten.
(Edw. Heger in der Erzgebirgszeitung, 6. Jahrg., S. 60.)
Als die Holzweibel von den Menschen nicht mehr gastlich aufgenommen wurden, nahmen sie immer heimlich etwas weg: hier ein paar Klöße aus dem Topfe, dort ein frisch gebackenes Brot, und das war ihnen ein Leichtes, denn sie konnten sich unsichtbar machen. Doch man merkte endlich den Diebstahl und nun zählte die geizige Hausfrau allemal ihre Klöße und Brote, und die Weibel konnten dann nichts davon wegnehmen. Das war schlimm für die kleinen Leute, und sie beschlossen, die ungastlichen Stätten der Menschen zu verlassen und weit fortzuziehen.
Auf der Sosauer Flur wollte die Auswandererschar den rauschenden Egerfluß übersetzen, und ihr König rief dem Fährmann zu: »He Ferge, Du sollst Deinen Lohn im voraus wählen: entweder einen roten Kreuzer für jede Person oder Deinen Hut voll Goldstücke ein für allemal!«
Da sich die Weibel unsichtbar gemacht hatten, so kannte der Fährmann ihre Zahl nicht, und er dachte: Du nimmst das Gewisse! Er entschied sich daher für das Gold. Aber der Zug Leutchen wollte schier kein Ende nehmen, und Nacht und Tag ohne Unterlaß mußte der Mann die Fähre lenken. Endlich sagte der König: »Ferge, Du bist jetzt zu Ende; willst Du aber einmal sehen, was Du mit Deiner Arbeit geleistet hast?« Als dies der Fährmann bejahte, winkte der König und alsbald wurden die Weibel sichtbar, die alle kleine Sturmhütlein trugen. Da erstaunte der Fährmann über die Menge der kleinen Gestalten, die auf den angrenzenden Feldern des Dorfes Pokatitz am nordöstlichen Fuße des Kaadner Burberges aufgestellt waren, eng zusammen, so daß alles rings kohlschwarz aussah. Er merkte nun, wie thöricht seine Wahl gewesen, und daß ihm der verschmähte rote Kreuzer viel mehr eingebracht hätte.
(Mündlich.)
Auf der mitternächtlichen Seite des Kahleberges sind schon viele irre gegangen. Das geschah durch Moosmännchen, welche sich hier aufhielten und an gewissen Tagen besonders die Holzhauer neckten. Ein Holzarbeiter sah einmal ein solches Männchen; es war klein und sein Gesicht war mit Moos überzogen. Der Holzhauer konnte es aber nur sehen, wenn er etwas seitlich blickte; wendete er sich eilig um, damit er es anredete, so war es verschwunden; er sah es aber immer wieder von der Seite, wenn er weiter ging.
Auch die wilde Jagd hat man vielmals am Kahleberge gehört.
Deutsche Sagen und unter diesen auch solche aus dem böhmischen Erzgebirge erzählen uns ebenfalls von Moosweibchen, welche vielfach mit Wald- oder Holzweibchen zusammenfließen. Moosweibchen lebten z. B. im Harz in der Gegend von Wildemann. Sie werden uns als freundlich und liebreich geschildert und hatten Gänsefüße. Gleich den Holzweibchen wurden sie vom wilden Jäger verfolgt. Eine Erinnerung an die Moosmännchen hat sich im Harze noch darin erhalten, daß bei Volksfesten verkleidete und über und über in Moos gehüllte Knaben mit einem kleinen Tannenbaum in der einen und einer Sparbüchse in der andere Hand umhergehen und milde Gaben erbitten. (Heine, Sagen etc. aus dem Harze, S. 29.) Eine ähnliche dunkle Erinnerung an diese mythischen Wesen findet sich auch im Vogtlande, wo man an einzelnen Orten, wie in Reichenbach, zu Weihnachten kleine Moosmännchen auf den Tisch stellt.
(Christ. Lehmann, Histor. Schauplatz etc., S. 75.)
Hinter Grünhain liegt ein Wald, der Pfannenstiel genannt, auf welchem nicht allein viel Menschen erschlagen worden sind, sondern es hat auch daselbst ein Waldgeist viel Leute geneckt und erschreckt, daß sie davon starben. Dergleichen ist einem Schneeberger mit Namen Mehlhorn begegnet, den es in den Rumpelsbach geworfen, nachdem er dieses Gespenst auf dem Rücken den Berg hinan getragen hatte.
(Christ. Lehmann, Histor. Schauplatz etc., S. 76.)
Im Jahre 1654 hielt der Richter zu Grumbach einen Dorfknaben von 13 Jahren zu seinen Schafen. Von diesen führte ihn ein Feldteufel zweimal weg; das eine Mal warf er ihn nach dem Kitzwalde[150] ins dürre Fichtengras, das andere Mal sahe das Gespenst seinem verstorbenen Vater ähnlich, bald mit, bald ohne Kopf, und es trug ihn in der Höhe über drei Äcker weg und warf ihn dann in einen Morast, so daß der Knabe krank wurde und nicht mehr hüten wollte.
(Spieß, Aberglaube, Sitten etc. des sächs. Obererzgebirges. Programmarbeit. Dresden 1862, S. 14; z. T. mündlich.)
Am Johannesabende in der sechsten Stunde kommt der sogenannte Getreideschneider, der über die Ecke eines Stückes Getreide durchschneidet, von welchem er dann, wenn der Bauer drischt, den vollen Nutzen hat. Um diesem vorzubeugen, nimmt der Bauer Liebstöckelöl (Öl aus Levisticum officinale) und macht, nachdem er den Finger in das Öl getaucht, ebenfalls in der sechsten Abendstunde des Johannestages, drei Kreuze an jede Ecke des Feldes auf die Erde. Ist aber der Getreideschneider bereits dagewesen, so hängt der Bauer, bevor er das Getreide einfährt, ein Büschel Reisigspitzen (frischgrünende Tannenzweige) über dem Scheunenthor auf, drischt sobald als möglich und macht dabei mit dem Reisigbüschel den Anfang. Dann ist der Bann gelöst und der Getreideschneider zieht keinen Nutzen.
In Thierfeld geht die Sage, daß in der Mittagsstunde des Walpurgistages die Vogelbeerbäume und Feldfrüchte von dem Getreideschneider beschnitten würden, ohne daß man ihn sieht.
Auch in Thüringen hat man ein ähnliche Mittel, um den Getreideschneider, den man daselbst, sowie im Vogtlande, Bilmschnitter nennt, zu erkennen. Man belegt die Tenne mit sieben Reisigbündeln und bearbeitet dieselben mit dem Dreschflegel; die Person nun, welche während dieses Dreschens an das Scheunenthor tritt, wird für den Bilmschnitter gehalten. (B. Sigismund in »Aus der Heimat«, 1862, No. 13.) – In Süddeutschland heißt der Bilmschnitter »Bilwitzschneider«, und dieser Name erinnert an den slavischen Pilwitz oder Plon, den Gott des Reichtums und zugleich des Todes. Auch die »Pilweisen« der schlesischen und Lausitzer Sagen sind Kobolde oder von Kobolden besessene Menschen, die andern Schaden zufügen. In einer Sage von den Pilweisen zu Lauban tritt ein schwarzer Bock auf; da derselbe auf den Teufel hinweist, so verbindet sich mit den weiblichen Pilweisen (und mit dem Bilmschnitter?) der Begriff der Hexen. – Da die Sagen von gespenstischen Tieren im Kornfelde mit denen vom Bilmschnitter in einer gewissen Verbindung stehen, so erklären sich dadurch vielleicht auch die im Erzgebirge vorkommenden Bezeichnungen »Stoppelhahn« (jetzt allerdings nur in der Bedeutung eines Festes am letzten Erntetage gebraucht) und »Panzelhahn«. Der letztere Ausdruck erinnert an die oben angeführte Sitte des Reisigbüscheldreschens; denn wenn beim Dreschen des Getreides der letzte Schlag fällt, so ruft man demjenigen, welcher diesen Schlag gethan hat, zu: »Du hast den Panzelhahn geschlagen!«
(Anton Aug. Naaff und Friedr. Bernau in der Comotovia, 4. Jahrg., S. 80.)
Während der Hemann im nördlichen Böhmerwalde einen schwarzen Mantel trägt und ein Hut zum Teil sein bärtiges Gesicht beschattet, erscheint derselbe im Erzgebirge, in der Gegend von Preßnitz, Sonnenberg, Weipert u. s. w. ganz in Grau gekleidet. Den Tag über hält er sich verborgen, kommt aber bei einbrechender Dunkelheit aus seinem Verstecke hervor, um seine nächtliche Wanderung zu beginnen, auf welcher er Ungläubige und Frevler erschreckt und nicht selten mit dem Tode bestraft.
(Grohmann, Aberglauben und Gebräuche aus Böhmen und Mähren. 1. B. 1864, S. 15.)
In Bäringen neckt und ängstigt der Hemann die Menschen. Doch giebt es dort auch noch andere Waldgeister, die gar nicht einmal sichtbar werden, sondern dem nächtlichen Wanderer nur einen »Traf« geben, ihn »muschen« oder ihm einen Tappen anhängen und ihn so erschrecken, daß er krank wird oder einen Ausschlag im Gesichte erhält.
Sollte unser Hemann mit dem schwäbischen »Hojemann«, d. h. Waldmännlein, oder dem »Hoymann« in der Oberpfalz identisch sein? Beide Namen werden von »hojen« d. h. hegen, den Waldhüten, abgeleitet. (Leipziger Illustr. Zeitung, No. 1738.)
(Grohmann, Sagen aus Böhmen. 1863, S. 118.)
Seitwärts von den Dörfern Krima und Neudorf dehnt sich der Tenichwald bis nach Sonnenberg aus. Wenn man des Nachts durch diesen Wald geht und mit lauter Stimme ruft: He, he! Hu, hu! so erhält man aus der Ferne Antwort. Hierauf hockt sich etwas auf den Rücken des Wanderers und zwingt ihn, es bis ins nächste Dorf zu tragen, wo es verschwindet. So ging es einmal einem Heger, der mußte die Last bis Krima tragen. Dort war es ihm, als ob etwas hinabspringe, aber er konnte nichts sehen, so rasch war es verschwunden.
(Grohmann, Sagen etc., S. 118.)
In Graslitz ist das Hemännchen ein neckender Waldgeist, der seine Freude hat an dem Schaden der Leute. Mehrere Holzhauer fuhren einst mit ihren Karren in den Wald, um Bäume zu fällen. Als sie den ersten Baum zu Falle brachten, hörten sie ein heiseres Lachen hinter sich und sahen, daß ihre Karren genau an die Stelle geschoben waren, wohin der Baum fallen mußte. Einen Augenblick später waren alle Karren zersplittert. – Einige Weiber suchten Heidelbeeren. Nachdem sie ihre Krüge gefüllt hatten, stellten sie dieselben auf den Boden und gingen ein wenig bei Seite. Als sie aber zurückkehrten und ihre Krüge aufheben wollten, blieb der Boden derselben auf der Erde. Zugleich erscholl hinter ihnen ein wildes Gelächter und als sie sich umschauten, sahen sie zwar nichts, erhielten aber eine tüchtige Ohrfeige.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 97.)
Einst lebte zu Platten ein Mann, der hieß Pänkert. Er führte ein lasterhaftes Leben und soll sogar mit dem Teufel im Bunde gestanden sein. Nach seinem Tode entstand in dem Hause, das er bewohnt hatte, ein solcher Tumult, daß darin niemand mehr bleiben konnte. Deswegen kam auf Geheiß der Verwandten ein Schwarzkünstler aus Sachsen, der den polternden Geist auf einen grünen Platz zum sogenannten großen Rainstein bannte, wo er ihn verwünschte, ewig in den Wäldern des Rammelsberges umherzuirren. Seit dieser Zeit treibt dort der gebannte Pänkert als Hemann sein Unwesen. Er erschreckt die durch den Wald gehenden Leute, welche auf sein He-He-Rufen Antwort geben, durch seine löschpapierfarbige, eisgraue Gestalt und drückt sie, wenn sie nicht die Kraft besitzen, über den nächsten Graben zu springen. Über das Wasser wagt sich, wie man sagt, der Hemann nicht.
Einstmals ging ein Weib in den Wald, um ihrem Manne, der Holz fällte, das Mittagessen zu bringen. Auf einmal hörte sie ein lautes He! He! He! Sie dachte, ihr Mann wolle sie ein wenig necken, deshalb gab sie gar herzhaft zur Antwort. Daher! daher! Aber kaum war das Wort verhallt, da stand vor ihr ein baumlanger, eisgrauer Mann mit wütenden Geberden. Vor Furcht und Schrecken eilte das Weib einem Bache zu, den sie mit knapper Not übersetzte, sonst[153] wäre sie unrettbar in die Hände des Hemannes gefallen, welcher ihr dicht auf den Fersen gefolgt war.
(Mündlich.)
Zwischen Scheibenberg und Crottendorf liegt eine sumpfige Gegend, welche die Heide genannt wird; daselbst geht zu bestimmten Zeiten das Heideweibchen um.
(Grohmann, Sagen aus Böhmen. 1863, S. 114.)
In der Gegend von Preßnitz befindet sich ein Berg, namens »Bartelwulfenberg«. Hier soll vor Jahren ein Schloß gestanden haben. Der Besitzer desselben hatte eine Tochter, die in ein Nonnenkloster ging. Hier hatte sie eine Liebschaft mit einem Ritter und kam zu Falle. Sie entfloh und starb im Elend. Seit dieser Zeit läßt sie sich nun im Kaiserwalde bei Preßnitz öfter sehen und ist allgemein bekannt unter dem Namen Marzebilla. Sie trägt an ihrer linken Hand einen Handschuh von Blech. Einmal soll ein Bauer aus Neudorf in den Wald gefahren sein, um Holz zu holen. Da blieb plötzlich sein Gespann stehen und konnte nicht weiter. Er sah sich um und erblickte auf dem hinteren Ende des Wagens ein altes Weib, das er an dem Blechhandschuh gleich als die Marzebilla erkannte. Sie bat ihn, sie mitfahren zu lassen. Allein der Bauer sagte, sie sei zu schwer und als sie nicht heruntersteigen wollte, schlug er sie so, daß sie herabfiel. Als aber der Bauer nach Hause kam, legte er sich in's Bett und starb nach acht Tagen. Der Leichnam aber war verschwunden. Erst nach einigen Jahren fand man beim Fällen alter Bäume ein Gerippe im Walde, das man an einem Amulet als das des Bauern erkannte.
Einige Schnitter mähten das Gras am Rande des Kaiserwaldes. Um Mittag, als im Dorfe geläutet wurde, erschien die Marzebilla und forderte die Arbeiter auf zu beten. Diese waren zu faul dazu. Als sie aber nachher zur Quelle gingen, um zu trinken, fanden sie Blut statt des Wassers. Einer von den Schnittern wollte sich besser überzeugen und stieß mit dem Stock in den Schlamm. Da erschien die Marzebilla, gehüllt in einen feinen Nebel, sprach eine Formel und die Schnitter verwandelten sich in Aschenhäufchen.
Wenn Leute in den Wald gehen, um Beeren zu suchen, so erscheint ihnen oft die Marzebilla und führt sie in undurchdringliches Dickicht. Fluchen dann die Leute, so überläßt sie die Marzebilla[154] ihrem Schicksale, beten sie aber, so führt sie dieselben an fruchtbare Stellen, von wo sie den Heimweg leicht treffen.
(Spieß, Aberglaube, Sitten, etc. d. s. Erzgeb. Dresden, S. 36.)
Ein unter sechs Wochen altes Kind soll nicht »über den Wechsel getragen werden« (d. h. wohl, bald auf dem rechten, bald auf dem linken Arme), sonst holt es der Wechselbalg.
Hier erscheint der Wechselbalg als der auswechselnde Dämon. In der Lausitzer Sage ist dagegen der Wechselbalg ein geistesschwaches, mißgestaltetes Kind, welches von einer aus dem Gebirge oder Walde kommenden alten Frau gegen das wohlgebildete, unter sechs Wochen alte Kind umgetauscht wird, wenn keine Person in dessen Nähe ist. (Haupt, Sagenbuch d. L. No. 71.) Ebenso tauschten nach einer schlesischen Sage die Feenixweibel ein auf dem Felde allein gelassenes kleines Kind gegen das ihrige um, welches verbuttet blieb und ebenfalls Wechselbalg genannt wurde. (Mitteilungen des mähr.-schles. Sudeten-Gebirgsvereins, 2. Jahrg. No. 7.)
(Grohmann, Aberglauben und Gebräuche aus Böhmen und Mähren. 1. B., S. 13.)
In Bäringen sagt man: Das Mittagsgespenst hockt den Wöchnerinnen auf, die zu Mittag von 11 bis 12 Uhr auf die Gasse treten oder in den Keller oder auf den Boden gehen, und »muscht« sie.
Das Lausitzer Mittagsgespenst, die Mittagsfrau (Pripolniza), welche zur Mittagszeit zwischen 12 und 2 Uhr als großes weibliches Wesen auf den Feldern zu erscheinen pflegt, ist streng genommen von der slavischen Todesgöttin oder Pestfrau (Smertniza) zu unterscheiden. (S. die Einleitung zu diesem Abschnitte.) Die Smertniza wandelt ebenfalls als weiße Frau umher und macht sich durch Pochen in dem Hause bemerklich, in welchem innerhalb dreier Tagen jemand sterben soll. (Haupt, Sagenbuch d. L. I., No. 74. Schäfer, Deutsche Städtewahrzeichen, S. 91.)
(Mündlich.)
Der Alp ist ein dämonisches Wesen, welches schlafende Menschen drückt, so daß sie keinen Laut von sich geben können. Man nennt dieses Drücken Alpdrücken.
Ein Mädchen erzählte, der Alp käme durchs Schlüsselloch zu ihr, aber sie könne dann nicht um Hülfe rufen; daher bat sie ihre Schwester, dieselbe solle sie nur des Nachts bei ihrem Namen rufen, dann würde der Alp durchs Schlüsselloch wieder fortgehen. In Zwickau erzählt man, daß der Alp fortgehe, wenn man ihn für den andern Morgen zum Kaffee einlade. (Nach Spieß.) Auch glaubt man, daß der Alp Tiere tot drücke. Wenn man nämlich junge Gänse in einen Schweinstall steckt und sie sterben, so spricht man, der Alp habe sie erdrückt. Sterben die Kuhhasen (Kaninchen) und sie sehen dann breitgedrückt aus, so legt man einen Besen in den Stall; dann verliert der Alp die Macht.
Wie in Zwickau wird auch von den Lausitzer Wenden der Alp mit den Worten »Pschindz justje ksnje danju« (Komm morgen zum Frühstück) zum Frühstück eingeladen, und es stellt sich dann der Alp gewiß am Morgen dazu ein. Es ist nur schlimm, daß der Alp am Sprechen hindert. (Haupt, Sagenbuch der Lausitz, No. 68.)
Der Alp ist gleichbedeutend mit Elb. Elbe, welche in lichte und schwarze Elbe zerfallen, sind höhere Wesen, denen die Lust innewohnt, die Menschen zu necken, die aber auch teuflische Eigenheiten besitzen. (Grimm, Myth. S. 252.)
In Sagen anderer Gegenden fällt der Alp mit dem Trut, d. h. einem nächtlichen Gespenste zusammen, welches die Menschen ebenfalls im Schlafe ängstigt und drückt. In Kärnthen sagt man:
(Leipz. Zeitung, Wissensch. Beilage. 1884, No. 11.)
(Grohmann, Aberglauben und Gebräuche aus Böhmen und Mähren, 1. B. Prag und Leipzig, 1864, S. 3.)
In Bäringen heißt der Sturmwind »Melusina's Klagen um ihre Kinder«, und wahr muß dies sein, sonst würde man nicht am heiligen Abende, an welchem man neunerlei essen soll, das Tischtuch mit dem Überreste in eine Staude ausschütteln, damit die Melusina, die man wohl hie und da auch heilige Melusina nennt, etwas zu essen habe.
Die Melusina tritt nach allen Überlieferungen unverkennbar als Luftgeist auf. So sagt man z. B. noch anderwärts in Böhmen, wenn der Wind recht pfeift und heult, das sei die Melusina, welche mit ihren Kindern durch die Luft fliege und jammere. Im Jungbunzlauer Kreise denkt man sich dieselbe angethan mit einem schwarzen Mantel und in der Hand ein Sieb haltend, aus welchem Schloßen und Hagel herausfliegen. Bemerkenswert ist schließlich, daß die Czechen für »sterben«[156] die Redensart haben: »mit der Melusina Salz lecken.« (Grohmann, Aberglauben und Gebräuche etc., S. 3 und 234.)
In den Niederlanden sagt man von dem Wirbelwinde, er sei die »fahrende Frau« oder »fahrende Mutter«, und nach einem Glauben in Westflandern hält die von ihren Ältern verwünschte Königstochter Alvina im heulenden Sturmwinde ihre Umfahrt und weint.
Wenn man im Anfange den Wind mit einem heulenden und gefräßigen Tiere verglichen hat, das alles, was in seinen Weg tritt, vernichtet, so lag dann der allmähliche Übergang dieser Vorstellung in diejenige von einem Geiste, der hungrig im Winde dahinfährt, nahe. In manchen Gegenden Baierns findet sich der Gebrauch, bei heftigem Sturme einen Mehlsack zum Fenster hinaus für den Wind und sein Kind auszuschütten, wobei man spricht: »Nimm das, lieber Wind, koch' ein Mus für Dein Kind!« In diesem Gebrauche zeigt sich eine große Übereinstimmung mit demjenigen in Bäringen, wo die Speisereste aus dem Tischtuche für die im Sturmwinde klagende Melusina ausgeschüttet werden. Der Gebrauch, dem Wind Mehl zu streuen, scheint auch in den deutschen Alpen vorhanden zu sein; wenigstens findet sich bei Rosegger (die Schriften des Waldschulmeisters, 3. Aufl. S. 170) folgende Stelle: »Sie (die Waldleute in den Winkeln) streuen Mehl in den Wind, um dräuende Stürme zu sättigen – so wie die Alten den Göttern haben geopfert.« In anderen Gegenden nehmen die Landleute, wenn der Wind 12 Tage vor Weihnachten am ärgsten tobt, Apfel und Nüsse und werfen sie in den Ofen, indem sie sagen, daß sie das der »Windsbraut« zum Essen geben. (Henne-Am-Rhyn, a. a. O., S. 55.)
Wie aber ist zu erklären, daß der Sturm Melusinas Klage um ihre Kinder genannt wird? Als nach der Erzählung Gustav Schwabs (Deutsche Volksbücher, 3. B.) die Brunnennymphe Melusina von ihrem Gemahle Raimund Abschied genommen und sich, halb zur greulichen Schlange verwandelt, zum Fenster hinausgeschwungen hatte, hörte man dreimal um das Schloß lautes Rauschen und ein Klaggeschrei; zur Nachtzeit aber sah die Amme der beiden kleinen Söhne Melusinas, wie letztere in gespenstischer Gestalt wiederkehrte und die Kinder aus der Wiege nahm und säugte, so daß dieselben zusehends gediehen.
(Chr. Lehmann, Histor. Schauplatz. 1699, S. 205. etc.)
Der thörichte See, eine halbe Meile über Satzung an einem wilden, mit jungen Kiefern bewachsenen rauhen Orte, ist ins Gevierte 30 Schritte breit und lang, der Pfuhl ist mit rotem Moos bewachsen, und das Wasser gehet einer Elle hoch darüber ohne Abfluß. Der See soll unergründlich sein, und niemand machet sich gern allein an den Ort, weil die Leute, welche sich im 30jährigen Kriege dorthin geflüchtet, daselbst viel Anfechtung gehabt haben. Es ist umher auf eine halbe Meile lang nichts als eitel sumpfiges Land, daß auch kein rechter Baum darauf wachsen kann, es verwimmert und verbuttet alles. Insonderheit erzählen die Umherwohnenden, daß sich bisweilen viel ungeheure[157] Dinge und Gespenster da sehen lassen. Als einstmals Veit Vogel, ein Mann von Satzung, in selbiger Gegend Vogel gestellet, habe er von 9 Uhr an bis 12 Uhr mittags einen großen Tumult und Alarm von Jauchzen, Schreien, Geigen und Pfeifen gehört, daß es nicht anders geschienen, als würde eine volkreiche Bauernhochzeit oder ein lustiger Schmaus in dem See gehalten; dergleichen Freudentöne haben auch andere zu anderer Zeit gehört.
Ein Mann von Sebastiansberg, Georg Kastmann genannt, hat in derselben Gegend Feuerholz gemacht; zu diesem kam ein schöner Reiter auf einem großen Pferde mit einer langen Spießrute in der Hand, welcher den Holzhauer grüßte und fragte, ob er den thörichten See wüßte. Da der Holzhacker mit Ja antwortete, hat ihm der Reiter ein Trinkgeld versprochen, wenn er mit ihm ginge und den Ort zeige. Da sie nun beide hinzu kamen, ist der Reiter vom Pferde gesprungen und hat gesagt. »Ich bin ein Wassermann, und ist mir mein Weib von einem andern Wassermanne entführt worden; die habe ich in der weiten Welt in vielen Wassern und Seen gesucht und doch nicht gefunden, und soll sie nun an einem so garstigen und wilden Ort finden. Halt mir mein Pferd fest, daß es mir nicht nachspringt, ich will hinein und mein Weib heraus holen.« Darauf hat er mit seiner langen Rute in das Wasser geschlagen, daß es sich zerteilet, dann ist er hineingegangen. Sobald er aber darin gewesen ist, hat sich ein so großes jämmerliches Geschrei und Wehklagen erhoben, daß der Holzhacker nicht wußte, wo er vor Angst bleiben sollte, weil sonderlich das Pferd sehr wild und ungebärdig wurde und immer ins Wasser springen wollte. Mittlerweile ist unter diesem Tumult das Wasser ganz rot geworden und da hat der Reiter sein Weib heraus gebracht und gesagt, er habe sich nunmehr an seinem Feinde gerächt und den Räuber, der ihm sein Weib entführt, erwürget. Damit hat er sich samt seinem Weibe aufs Pferd geschwungen und ist davon geritten; doch hat er zuvor dem Holzhacker ein Beutelein, darin ein Kreuzer gewesen, zum Trinkgeld verehret, mit dem Versprechen, so oft er würde in diesen Beutel greifen, sollte er soviel, als jetzt darin wäre, finden. Der Ausgang hat es auch bestätigt, so daß der arme Mann viel Geld zusammengebracht, weil er oft in den Beutel gefühlet. Da er aber den Beutel zu frei und sicher gebrauchte, ist er ihm entwendet worden; doch hat der Räuber keinen Genuß davon gehabt.
(Nach Ziehnerts poet. Bearb. bei Gräße a. a. O., No. 578.)
Einst wohnte ein alter Fischer am Ufer der Pöhl, der hatte eine wunderschöne Tochter. Dieselbe hatte sich aus der großen Anzahl ihrer Anbeter einen der hübschesten jungen Burschen angesucht. Nun war sie aber heitern und muntern Sinnes, und daher kamen oft aus dem benachbarten Dorfe die jungen Mädchen und Burschen bei ihrem Vater zusammen und vertrieben sich die Zeit mit heiteren Scherzen und Spielen. Da begab es sich einst, am Andreasabend, daß das junge Volk auch wieder beisammen war und im Scherz darauf kam, die Zukunft zu befragen. Man schaffte Blei herbei und ein jeder versuchte sein Glück mit Gießen. Als nun die Reihe auch an die schöne Fischerstochter kam, da spritzte auf einmal beim Guß helles Feuer aus dem Wasser, das Blei zerfuhr und nahm sich auf dem Wasser wie Blutstropfen aus. Das Mädchen schrie laut auf und alle schwiegen bestürzt ob des traurigen Anzeichens. Endlich schlug ihr Bräutigam vor, das Schicksal noch einmal zu befragen, nämlich nach dem Pöhlwasser zu gehen und dort Reiser zu suchen. Zwar wollte das Mädchen nicht mit fort, allein durch Zureden ließ sie sich endlich bewegen mit zu gehen; alle ihre Begleiter brachen sich ihre Zweige, als aber die Fischerstochter nach einem derselben langen wollte, glitt sie aus und ein Nix zog sie hinab in die Fluten. Der Nix sah am ganzen Leibe blau aus und trug auf dem Haupte ein Krönlein. Verzweiflung erfaßte den Bräutigam und den betagten Vater. Letzteren entrückte der Tod bald seinen irdischen Leiden, der Bräutigam aber irrte jede Nacht am Ufer der Pöhl in halbem Wahnsinn herum und behauptete, er sähe seine Braut in blauer Nixentracht aus der Flut auftauchen, sie breite die Arme nach ihm aus und rufe ihm zu, in einem Jahre werde sie wieder mit ihm vereinigt sein. So verging ein Jahr; der sonst so blühende Jüngling war fast zum Schatten zusammengeschwunden, und als die Andreasnacht kam, da war er an seinem gewöhnlichen Orte. Allein dieses Mal sahe er seine Braut nicht mehr aus den Fluten winken, als Leiche lag sie im Sande, und als der andere Morgen kam, da fand man ihn neben ihr tot liegen und begrub beide in einem Grabe. Seit jenem Tage aber sieht man dort unzählige Irrlichter auf- und abfliegen, die manchen schon verführt haben; wo aber der Nix das Mädchen hinabzog, da ist das Wasser grundlos geworden, ohne Unterlaß wirbeln die Wellen dort im Kreise und wehe dem Schwimmer, Kahn oder Floß, die sich dahin verirren, der Strudel[159] zieht sie ohne Erbarmen in den Grundtümpel (so nennt man jene Stelle) hinab.
(Lehmann, Histor. Schauplatz, S. 208.)
Im Jahre 1613 wollte ein Bürger zu Gottesgab einen alten Teich, der lange als Sumpf wüste gelegen, wieder herrichten lassen. Als nun zwei Bergleute den Sumpf abführten und zu Grund arbeiten wollten, fuhr ein Wasserteufel im Sumpf auf, wütete und tobte und trieb die Bergleute mit Wasser und Schmutz fort, so daß sie ausreißen mußten.
Solch unbändiges Wesen zeigten auch Niederlausitzer Nixe. In einem Teiche bei Branitz bei Cottbus verursachten sie im Wasser ein »Prusten und Schnaufen, als wären Pferde hineingefallen und dem Ertrinken nahe.« (Veckenstedt, Wendische Sagen, S. 189.) S. auch No. 227.
(Ed. Wenisch in der Erzgebirgs-Zeitung, 2. Jahrg., S. 5.)
Hinter dem Dörfchen Aich erhebt sich dicht am linken Ufer der Eger eine Felsengruppe, welche den Namen Hans-Heiling-Felsen führt. Über dies Steingebilde meldet die Sage folgendes:
Vor alten Zeiten, als noch die mächtigen Markgrafen von Vohburg Schloß und Gebiet Elbogen beherrschten, fand ein armer Bauer, der auf das Schloß Frondienste zu leisten ging, dort, wo der Hochaltar der Schlaggenwalder Kirche steht, zwischen zwei großen Steinen ein verlassenes weinendes Knäblein. Andere sagen, am Berge Krudum sei dies gewesen, wieder andere, bei den drei Linden, dem heutigen Schönfeld. Von Mitleid ergriffen, hob er es auf und trug es mit sich. Im Schlosse angekommen, begab sich der Bauer sofort zu der Markgräfin Johanna und sprach: »Es ist pflichtiger Gebrauch, beim Erscheinen auf dem Schlosse eine Gabe mitzubringen. Ich habe heute, als ich eben zur Frone hierher ging, dies Kindlein gefunden und biete es Euch als Gabe dar. Möchtet Ihr doch, gnädige Herrin, an dem armen, hülfsbedürftigen Waislein Barmherzigkeit üben und sein besser pflegen als die eigene Mutter!« Die Worte des biederen Mannes erweichten der Markgräfin Herz. Sie nahm sich des Knäbleins an, das auf ihr Verlangen in der Taufe den Namen Hans, nach seinem Finder aber den Zunamen Heiling erhielt.
Hans Heiling wuchs unter dem liebreichen Schutze der Markgräfin zum blühenden Jüngling heran, der an den Wissenschaften, in die ihn der Burgkaplan einweihte, mehr Gefallen fand, als an den Ritterspielen. Er liebte die Einsamkeit, durchstreifte Wald und Flur und beschädigte sich unablässig mit dem Gedanken, den Urgrund aller Wahrheit zu erforschen.
Als er einmal am Ufer der rauschenden Eger saß und gedankenvoll nach dem Wasserspiegel schaute, tauchte aus demselben eine holde Nixe empor, die mit lieblicher, wunderbarer Stimme dem Überraschten zurief: »Ich kenne, wißbegieriger Jüngling, Deines Herzens tiefen Kummer, die schwarze Kunst ist Dein Begehr. Diese will ich Dir lehren, doch nur unter der Bedingung, daß Du Dich nie vermählst.« Hans Heiling, bezaubert durch die vielversprechenden Worte, strahlte vor Freude, daß er nach langem, erfolglosen Forschen endlich sein so heiß ersehntes Ziel erreichen könne, und schloß mit der Wassernixe unbesonnen den Bund. Die Nixe hielt Wort und Hans Heiling wähnte sich der Glücklichste unter der Sonne zu sein, als er des Wissens Drang erfüllt sah. Seit der Begegnung mit der Nixe war manches Jahr verflossen. Da faßte Hans Heiling mit Hintenansetzen seines gegebenen Versprechens den Entschluß, sich zu vermählen; denn er hoffte, selbst auf seine Kunst vertrauend, die Macht des geheimnisvollen Wasserweibes zu hemmen. Unbesorgt veranstaltete er also die Hochzeit. Der Tag der Trauung war erschienen und die Hochzeitsgäste hatten sich in den Räumen des Schlosses versammelt. Schon stand der Brautzug vor dem Traualtare, eben wollte das glückliche Paar das Jawort aussprechen – da stieg plötzlich mit furchtbaren Blicken die erzürnte Nixe aus den tobenden Wellen der Eger, ließ unter Blitz und Donner das Schloß verschwinden und verwandelte durch ihren Fluch die ganze Hochzeitsgesellschaft in Stein: das Brautpaar, den Mönch, die Gäste und die Musikanten.
Friedrich Bernau bemerkt in der Comotovia (4. Jahrg. S. 17), daß die Sage vom Hans Heiling zur Faustsage gehöre und jedenfalls durch diese erst hervorgerufen worden sei. Der in unserer Sage angeführte Berg Krudum, südlich von Elbogen gelegen, ist ebenso wie der Heilingsfels und die Stätte, wo einst Alt-Elbogen lag, von mythischer Bedeutung. Ursprünglich ist Hans Heiling die »heilige Wiese«. Im Archive zu Elbogen befindet sich ein aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts herrührendes Schriftstück, welches besagt: »Daß wißmuth So zum Stein Elpogen gehörig, vff der Heiling wissen 2 tagwergk Machen vnd haven die lethaditzer giebt 2 Fuder hew.« Noch im Jahre 1680 wird eine »heilige Wiese« genannt; der Zusatz »Hans« kommt zu dieser Zeit noch nicht vor, ebenso wie noch heute die Redeweise »Am Heiling« die allgemein übliche und gebräuchliche ist. Die in der obigen[161] Elbogener Urkunde genannten »lathaditzer« sind die Bewohner eines seit dem dreißigjährigen Kriege verschwundenen Dorfes auf dem Nordabhange des Aberges.
(Grohmann, Sagen aus Böhmen, S. 162.)
Bei Seestadtl am Fuße des Erzgebirges liegt an der Straße ein großer Teich, welcher durch einen breiten, mit Gebüsch bewachsenen Damm eingeschlossen ist und der »Steinteich« genannt wird. Bei diesem Teiche soll sich ein Wassermann öfter am Ufer sehen lassen. Gewöhnlich flickt er dann seine Kleider. Nach dem Glauben der Landleute steigt er immer nur während des Mittagsläutens an's Ufer, setzt sich am Fuße des Dammes hart am Wasser nieder und flickt. Wer ihn verspottet, der wird von ihm in's Wasser hinabgezogen; bloß demjenigen, welcher des Morgens vor dem Ausgehen gebackene Semmelschnitte verzehrt, kann er nichts anhaben. Hat einer den Wassermann beleidigt und keine Schnitten gegessen, so nutzt ihm selbst das Hersagen des Spruches nicht mehr:
Der Wassermann ist immer schlecht gekleidet. Sein alter zerdrückter Hut ist voll großer Löcher, durch welche oft Büschel struppiger, grüner Haare herausragen. Sein Gesicht ist mit einem starken Barte bewachsen, und wenn er seinen Mund öffnet, erblickt man seine großen grünen Zähne. Sein Rock sowie seine Hosen sind immer zerrissen und kotig, und er flickt daran, so oft er ans Ufer steigt. Hat er jemandem nachgestellt und ihn unter's Wasser gezogen, so läßt er sich lange nicht sehen.
Eines Morgens trug ein Bauernmädchen Gemüse hinauf nach Eisenberg, und nahm, um zuzustrecken, ihre Richtung über den Damm. Sie war fast hinüber, als sie unten am Damme einen alten Mann sitzen sah, der an einem zerrissenen Rocke flickte und ihr zunickte. Das Bauernmädchen, welches eben nicht an den Wassermann dachte, gab ihm einen Schimpfnamen, worauf sich der Wassermann erhob und seinen Mund öffnete. Die Bäuerin erschrak und lief, so schnell es ihre schwere Last erlaubte, über den Damm hin; der Wassermann hinter ihr drein. Trotz ihres Schreiens sprang er auf den Korb, den sie auf dem Rücken trug und faßte sie beim Halse. Vor Todesschrecken[162] rief sie: »Jesus Marie!« und sogleich war der Wassermann verschwunden. Das Mädchen kam halbtot im Schlosse an und wurde noch dazu ausgelacht, als sie vom Wassermann erzählte. Nach 3 Tagen starb sie und alle Leute waren fest überzeugt, daß daran nur die Berührung des Wassermanns schuld gewesen sei.
Der Nix hat hier grüne Zähne und Haare. Bereits in der Einleitung zu diesem Abschnitte wurde darauf hingewiesen, daß grün eine dämonische Farbe ist. Eine erzgebirgische Sage erzählt von einer grünen Frau am Kahleberge bei Altenberg. Dämonisch wird die verzauberte, ein Schlüsselbund tragende und Schätze hütende Jungfrau des Hausberges in der Grafschaft Mannsfeld; sie erscheint ganz grün gekleidet (Größler, a. a. O., No. 59); in Grün gekleidet waren auch die Hexen bei ihren Tänzen, und auf dem Blocksberge erschien der Teufel grün, der deshalb auch der »Grüne« genannt wird. (Österreich. Touristenzeitung 1881, No. 5.)
Wie der Wassermann bei Seestadtl flicken auch Nixe in der Niederlausitz ihre Kleider; ja ein Nix in einer grundlosen Lache bei Buckow bittet Vorübergehende um einige Lappen und Flecken. Ein Nix in einem Teiche bei Wintsdorf besserte seine Schuhe aus. (Veckenstedt, Wendische Sagen, S. 187–198.)
(M. Spieß, Aberglauben etc. des sächs. Obererzgebirges. Programmarbeit, 1862, S. 39.)
In der obern Zschopau lebt ein Nix, welcher jedes Jahr sein Opfer fordert.
S. die Einleitung zu diesem Abschnitte.
(Alfr. Moschkau, Gesch. des Benedictiner Klosters St. Walpurgis im Zellwalde, 1874, S. 8. Saxonia I., S. 172.)
In dem genannten, ungemein lieblich im Zellwalde gelegenen Teiche sollen Nixe ihren Wohnsitz haben.
(Dr. Theile in »Über Berg und Thal«, 7. Jahrg., No. 5.)
Im Chemnitzthale hat das nagende und mit Sand und Geröllen schleifende Wasser in den Blöcken des Cordieritgneißes zahlreiche Strudellöcher[163] gebildet, welche man daselbst »Nixenwannen« nennt. Einen Teil der Chemnitz zwischen Alt- und Neuschweizerthal, eine Strecke von ungefähr 300 bis 400 Metern, wo die Chemnitz, zumal im Frühjahr und Herbst, am wildesten ist und so heftig schäumt und brüllt, daß man an ihren Ufern sein eigenes Wort nicht hört, bezeichnet man als Nixensteufe. Mitten in dieser Strecke befindet sich im Flusse ein großer, vollständig durchlöcherter Steinblock, der zu einer förmlichen Höhle ausgewaschen worden ist. Diese Höhle galt beim Volke als der Ausgang eines unterirdischen Nixenschlosses und man erzählte sich, daß man, besonders in mondhellen Nächten, die Nixe in langen weißen Gewändern durch das Thal habe ziehen sehen.
Nahe bei der Nixensteufe erhebt sich am rechten Ufer der Chemnitz ein mächtiger Fels, im Volke die »Ullrichsburg« genannt, der ehedem ein Raubschloß getragen haben soll.
Vor circa 35 Jahren aber war das ganze Terrain, welches jetzt den Namen Schweizerthal führt, ein großer Wald, der im Munde des Volks »Zietsch« hieß, und durch dessen Dunkel weder Weg noch Steg führte. Die Zietsch war gefürchtet von den Leuten, und nach Dunkelwerden wagte sich kein Wanderer mehr auf den unwegsamen Pfad, welcher der Chemnitz entlang lief. Dabei mußte man die obengenannte unheimliche Nixensteufe passieren.
(Ludw. Lamer im Glückauf 1882, S. 105.)
Etwa halbwegs im Rabenauer Grunde, da wo die rote Weißeritz, nachdem sie schäumend zwischen großen Steinen sich durchgewunden, einen Bogen macht und sich vertieft, also daß man trotz klaren Wassers nicht auf den Grund sehen kann, ist der Nixentump, in welchem der alte Nix haust.
Wenn die Lübauer Bauern mit ihren schwerbeladenen Wagen den steilen Feldweg am Anfange der nahegelegenen Planwiese hinauffuhren und die Gespanne trotz allen Antreibens die schweren Gefährte nicht den Berg hinaufzubringen vermochten, dann kam wohl der alte Nix mit seinen zwei Schimmeln, legte sich vor den Wagen und nun gings unter fröhlichem Hohrufen und Peitschenknall den Berg hinauf, als wären es bloß leere Geschirre; waren die Gefährte oben angelangt, so daß nur noch ebene Straße vor ihnen lag, dann verschwand plötzlich der alte Nix mit seinen Schimmeln, ohne Lohn oder Dank abzuwarten.
Auf der Planwiese pflegten auch die zwei Töchter des alten Nix die schneeweiße Wäsche zum Bleichen ausbreiten; war aber das Wetter dazu im Grunde nicht günstig, oder störte sie sonst öfteres Begängnis oder des Holzhauers Axtschlag, dann bleichten sie auf der Wiese, da wo rote und weiße Weißeritz ihre Wasser mischen.
Manchmal verlangte es die beiden Töchter des Nix auch nach menschlicher Gesellschaft; dann kamen sie wohl nach Lübau, wenn in der Schenke die Fiedeln zum fröhlichen Tanze aufspielten, und tanzten da mit den jungen Burschen, so daß sie nichts von den Bauerndirnen unterschied, wie ein handbreiter nasser Streifen am Saume des Gewandes. Sie ließen sich dann auch wohl von ihren Tänzern manchmal bis an den Nixentump geleiten, entschwanden aber, dort angekommen, plötzlich ihren Augen; nie hat man gehört, daß sie einem Burschen den Zugang zum Nixentump eröffneten.
(Grohmann, Sagen aus Böhmen, S. 143.)
Geht man von Eisenberg auf dem Fußwege nach der Hütt' und nach dem Orte Kunersdorf, so kommt man aus dem Walde auf die Heide, die sich von Eisenberg bis gegen Kunersdorf und vom alten Seeberg bis hinab an die Straße ausbreitet. Der untere Teil besteht aus schönem Wiesengrunde, den man nur die »Haderwies« nennt. Über dem Eisenberger Walde liegt ein kleiner, stark mit Schilf bewachsener Teich, der »Haderwiesteich« genannt. Gegenüber demselben, einige hundert Schritte aufwärts, quillt aus steinigem Boden ein Bächlein. Diese Quelle hält sehr gutes Wasser, welches immer rein und kühl ist, und heißt das »Quakbrünn'l«.
Vor Zeiten kam oft die Seebergsjungfer herab, um sich in dem Teiche zu baden. Die Hütbuben, welche das Vieh auf der Haderwiese weideten, sahen sie oft dahin kommen. Sie war halb Fisch und halb Mensch. Einstmals war nur ein Junge auf der Wiese. Da stand auf einmal die Seebergsjungfer vor ihm und fragte, ob er sie wohl erlösen möchte, sie wolle ihm so viel Geld geben, daß er die Haderwiese kaufen könnte. Der Junge war damit zufrieden. Hierauf sagte sie ihm, er solle sich jetzt vom Teiche entfernen und nicht eher kommen, als bis sie ihm winken würde. Wenn er ohne Erlaubnis komme, so werde es ihm nicht gut gehen. Der Hütjunge lief eiligst weg, und während er nach seinem Vieh sah, badete sich die Seebergsjungfer in dem Teiche. Als sie fertig war, winkte sie dem Hütjungen. Der kam und[165] schimpfte und warf mit Steinen nach ihr. Weinend kehrte sie nach dem Seeberge zurück und in der folgenden Nacht hörte man sie bis hinab nach Barthelsdorf weinen und jammern. Lange Zeit kam sie nicht mehr, um zu baden.
Auch erschien sie den Leuten oft in Gestalt eines alten Weibes.
Eines Tages ging ein Weib von Eisenberg in den »Busch«, um Holz einzuführen. Als sie am Seeberge ankam, ihre Huck niedersetzte und Holzstücke aufklaubte, sah sie ein altes Weib, welches ihrer Arbeit mit Aufmerksamkeit zusah. »Wohin geht Ihr?« fragte das Eisenberger Weib. »In's Gebarg'sche!« (übers Gebirge) antwortete die Alte und verschwand vor den Augen des Holzweibes. Diese hatte aber gesehen, daß sie hinter sich einen Fetzen von ihrem Kleide nachschleppte; es war also die Seebergsjungfrau gewesen.
Über die der deutschen Sage fremdartige Erscheinung einer Wassernixe, halb Mensch und halb Fisch, s. die Einleitung zu diesem Abschnitte. Noch mag darauf hingewiesen werden, daß auch die Nixe der Totenlache zwischen Schleusingen und Rappelsdorf hinter sich einen häßlichen Fischschwanz schleppt. (O. Richter, Deutscher Sagenschatz, 3. H., No. 19.)
(Chr. Lehmann, Hist. Schauplatz, S. 949.)
Im Jahre 1695, kurz vor Weihnachten, ereignete sich zu Lauter in einer Schenke bei einem Fleischhacker in der Kammer, wo er mit seinen Kindern geschlafen, von ungefähr 9 bis 11 Uhr abends, und von 1 bis 3 Uhr nach Mitternacht, bei der Kinder Bette ein Kratzen, welches sie in der Ruhe merklich störte. Anfänglich hielt er's für eine große Ratte und hat fleißig aufgestellt, aber nichts gefangen. Mit der Zeit hat's auch angefangen so laut zu pochen, daß man's im Keller hat hören können, und hat den Kindern keine Ruhe gelassen. Ein Knabe von zwölf Jahren hat fleißig gebetet und zu ihm gesagt: »Laß mich doch in Ruhe; wenn du nicht mit beten willst, auch nicht beten kannst, so gehe deiner Wege!« und ist dabei unerschrocken gewesen. Im Januar 1696 hat ein Kind von ohngefähr ein Band in den Händen mit ins Bette genommen, welches das Ungetüm dem zulaufenden Volk, durch ein Astloch der Decke herab ins Haus steckend, gezeigt und damit gespielt; wenn es jemand hat ergreifen wollen, ist's entwischt und bald zu einem andern Loch auf solche Weise herunter gehangen worden. Gedachter Fleischhacker hat dabei sein Geld aus einem verschlossenen Kasten vermisset und ist dazu gekommen, daß es eine ganze Bürde Wäsche[166] bis an die Kammerthür gebracht, welche er noch rettete. Der Schulmeistersubstitut des Ortes unterstand sich das Ungeheuer zu fragen, da es denn viel geredet, in einem Tone, wie ein zarter Knabe oder eine Weibsperson, es ist auch zornig auf ihn geworden, daß es ihn hinein in die Kammer gefordert, wohin er sich jedoch nicht getraute, sondern ist in der Thür stehen geblieben. Hernach haben auch andere ihren Fürwitz gebüßt und allerlei gefragt: unter andern, ob es von einer gewissen Person dahin gebannet wäre, da es denn mit Ja geantwortet. Als am 19. Januar die Wirtin eines Kindes genesen, und am 20. darauf das Taufmahl gegeben wurde, wobei sich auch nebst den Gevattern der Pfarrer und andere Leute befunden, ist weiter nicht das geringste gehöret worden.
Es ist bereits in der Einleitung zu diesem Abschnitte darauf hingewiesen worden, daß die Kobolde als unselige Geister erscheinen, welche nicht beten können. Als der Bauer dem Kobolde in Schmalzerode vorbetete und an die Worte kam: »Das Blut Christi,« setzte der Kobold an und sprach: »das Blut – das Blut –« dann sprang er verdrießlich auf, stampfte mit dem Fuße und rief: »Ach was, das Blut zicke, zacke, zicke, zacke!« bleckte die Zähne und lief aus der Stube und ist nicht wieder gekommen. (Größler, Sagen der Grafschaft Mannsfeld, Nr. 32.)
In einigen Sagen erscheinen die Kobolde sogar mit teuflischen Zügen. So nahm ein Kobold in Kloster Mannsfeld seinen Weg durch den Schornstein, als er einer Frau während des Gottesdienstes Speisen und Getränke brachte; er war dabei wie helles, loderndes Feuer anzusehen. Im Dorfe Wettelrode trug eine alte Frau Kobolde zum Verkaufe; wer einen solchen gekauft hatte, der mußte seinen Namen mit dem eigenen Blute in ein Buch schreiben, welches die Frau bei sich hatte. (Größler, Sagen der Grafschaft Mannsfeld, Nr. 146 und 201.) Die zum Verkaufe ausgetragenen Kobolde erinnern übrigens an die Bilder von Hausgöttern (S. die Einleitung); Kobolde waren wie letztere klein, denn der Kobold (vom wälschen cob, der Daumen) ist ein Däumling.
(Lehmann, Histor. Schauplatz, S. 951.)
Auf dem adeligen Vorwerk Grüna bei Scharfenstein hat ein Poltergeist im Stall an Menschen und Vieh großen Mutwillen geübt, daß fast kein Gesinde mehr bleiben konnte. Endlich sind Leute in einer Kammer, da es sich am meisten hat spüren lassen, mit bloßem Gewehr geordnet worden, welche alle Winkel durchhauen mußten, da sich endlich eine alte Haube oder Mütze soll gefunden haben, und hat damit die Gaukelei ein Ende gehabt.
(Lehmann a. a. O., S. 952.)
Bei dem Oberförster zu Thalheim war ein Kobold im Hause, welcher den Leuten große Last und Schalkheit anthat, daß sie nicht mehr bleiben konnten. Endlich brannte das Haus weg; etliche meinten, das böse Ding hätte es angezündet, andere, der Hausherr hätte es selber lassen anzünden, um das Ungetüm los zu werden. Da sie aber ihre Sachen ausgeräumt hatten und auf einem Wagen davon fahren, lässet es sich unter denselben mit vernehmlicher Stimme hören: »Wären wir nicht so gerannt, so wären wir wohl mit verbrannt.«
Ursprünglich sind die Kobolde schützende Hausgeister; sie gehören als Geister der Vorältern zur Familie, daher ist auch ihre Anhänglichkeit zu letzterer und allem was ihr gehört, erklärlich. Ihre neckische Natur ist ein späterer Zusatz.
Rochholz erzählt in »Deutscher Glaube und Brauch« (I. S. 162.), daß man eine Wohnung abbrach, um dem darin spukenden Gespenste zu entgehen. Als man aber mit dem letzten Fuder alten Holzwerks in den Neubau einfuhr, sprang der Kobold als Katze zusammengebuckelt vom Wagen in die offene Scheune.
(Christ. Lehmann, Histor. Schauplatz, S. 951.)
In eines Geistlichen, des M. Enoch Zobels Bürgerhause zu Annaberg hat sich im August und September des Jahres 1691 folgendes begeben:
Es hat mit Auf- und Niedergehen, Klappern, Schlagen, Auf- und Zumachen der Thüren, Werfen, Fallen, Verschleppen des Hausrats, Rufen, Lachen, Zupfen bei den Kleidern, schimpfliches Necken einer Magd viel seltsame Händel getrieben. Bisweilen ist es als ein dunkelgrauer fortrauschender Schatten erschienen und hat sich einst mit einem nackenden Arm erblicken lassen; im verschlossenen Gewölbe sahe man Licht brennen, es steckte grünes Waldreisig auf die Hausthüre, desgleichen es auch auf und an den Spiegel gethan. Im hintern Hofgewölbe hat sichs hören lassen, als ob Bergleute arbeiteten. Eine Kugel hat es die Treppe herunter ins Haus geworfen. Alte Kleider hat es hervorgetragen und seltsam aufgehängt. Den Schlafenden wollte es die Betten nehmen, bei Tage hat es etliche Betten verschleppt und brennendes Licht auf den Boden getragen. Einem wachenden beherzten Bürger überfiel etwas in der Nacht, seinen Gedanken nach wie ein zottiger brauner Bär. Es sah bisweilen zum Stallfenster heraus[168] wie ein altes Angesicht mit einer schwarzen Haube. Es gab der Hausgenossin eine starke Ohrfeige, daß man die roten Striemen noch des andern Tages sehen konnte. Es steckte die Ofengabel, Ofenkrücke, einen langen Borstwisch mit allerlei Lumpen behangen zur Hausthür hinaus auf die Gasse. Ferner zog es den großen Wassertrog ab und versteckte die Zapfen, setzte ein brennendes Licht auf die Hausbank und schürte Feuer auf dem Herde. Dergleichen Schalkheiten verübte es sehr viel, und wenn es etwas angestiftet, so lachte es. Es versteckte die Schlüssel, streute Korn vom Boden hinab in den Hof. Der Hausgenossin Betten trug es auf den Gang hervor, aber man sahe keinen Träger. Es steckte allerlei Sachen zusammen in den Ofentopf. Ein Studiosus sahe etwas wie ein altes Gesicht, es warf ihn mit einem Steinchen und hielt ihm rücklings beim Claviocordio mit kalten Händen die Augen zu. Es entführte unterschiedliche ausbreitete Wäsche. Den 26. Sept. befand sich Feuer und Dampf auf dem Holzstalle, worauf die Bewohner des Hauses Lärm machten, so daß es bald gelöscht wurde. Mittlerer Zeit war allenthalben gute Anstalt wider alle Gefahr getroffen worden. Im Hause wurde täglich zu gewissen Stunden gesungen und gebetet. Es wurde auch öffentlich in der Kirche Fürbitte angestellt. Nachgehends hat sich weiter nichts mehr spüren lassen.
Dieser Sage liegt eine wirkliche Thatsache zu Grunde, doch hat der Aberglaube viel dazu gedichtet. Richtig ist es nämlich, daß der Spuk in dem Hause des Archidiakonus Zobel zu Annaberg zum Teil von einem Manne mit Namen Anton Friebel hervorgerufen worden war, welcher sich in eine zottige Decke gehüllt und in dieser Verkleidung entweder als Hund oder selbst als altes Weib die Bewohner zwei Monate lang geängstigt hatte. Trotz des Geständnisse von Friebel hielt man eine derartige Täuschung auf natürlichem Wege für unmöglich, so daß selbst in dem Urteile des Schöppenstuhls zu Leipzig vom 8. Januar 1698, wodurch der Inquisit zum Strange verurteilt ward, seiner spukhaften Erscheinungen ausdrücklich und lebhaft gedacht wurde. Der Geistliche, der ihn hiernächst zum Tode vorbereitete, drang mit der Frage in ihn, ob er nicht ein geheimes Bündnis mit dem Satan habe, und als er sich erbot, seine Zauberstückchen vor aller Augen zu wiederholen, wenn man ihm seine zottige Decke geben wollte, verwies ihm dies der Geistliche mit heiligem Schauer und ermahnte ihn, die wenigen Stunden, welche er noch zu leben hätte, nicht zu zu solchen Teufeleien, sondern zu seiner Bekehrung zu verwenden. (Unterhaltungsblatt zum Erzgeb. Volksfreunde, 1884, No. 32.)
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirk, S. 50.)
Wer von Joachimsthal aus auf der steilen, nach Mariasorg führenden Gemeindestraße wandert, genießt auf der Mariasorger Höhe[169] eine bezaubernde Fernsicht auf das gesegnete Schlackenwerther-Lichtenstädter Becken, die Ruine Engelhaus, auf das Mittelgebirge und einen Teil des Egergebietes; rechts streckt der Pleßberg, links der Koboldstein sein Haupt empor. Zu letztgenanntem Berge, der eine herrliche Aussicht gewährt, gelangt der Reisende in südlicher Richtung. Dahin wandert die Einwohnerschaft der Bergstadt Joachimsthal am Ostermontage um ein Uhr morgens. Vor Sonnenaufgang sieht man oben die Kobolde tanzen; doch die Auferstehung des Herrn verkündend, gewahrt man die Sonne, bevor sie sich ruhig über den Horizont hebt, vorerst dreimal emporhüpfen.
Man will jetzt den »Koboldstein« zu einem »Kobaltsteine« machen, weil daselbst Kobalterz mit Hornstein zu gewinnen sei. (Karl Viktor Ritter von Hansgirg.) Fremdartig ist in unserer Sage, daß Kobolde, welche doch vorzugsweise Hausgeister sind, auf einem Berge tanzen; jedoch mag daran erinnert werden, daß Kobolde auch zuweilen als Waldgeister auftreten.
(M. Spieß, Aberglauben etc., des sächs. Obererzgebirges. Programmarbeit. 1862, S. 39. Gießler, Sächs. Volkssagen, S. 116.)
Auf dem Greifensteine bei Geyer läßt sich der Kaspar sehen. Er erscheint in weißen Hosen, rotem Fräckel, großen Kanonenstiefeln und Bonaparthut. Man erzählt: Eines Tages, nachmittags 4 Uhr, als die Arbeiter eines Steinbruchs, welcher dem Greifenstein sehr nahe liegt, ihr Brot verzehrten, ruft aus Unmut einer von den Arbeitern gegen die Höhe des Felsens: »Komm, Kaspar, iß mit!« In demselben Augenblicke kommt ein großer Stein vom Felsen herab und fällt gerade neben dem Arbeiter hin.
(Gräße, Sagenbuch des K. Sachsen, No. 554.)
Nicht weit von Freiberg ist ein Gehölz, das heißt der heimische Busch, und in demselben hauste vordem ein Kobold, den die Leute Mützchen nannten und damit an den bekannten Kobold Hütchen erinnerten. Geist Mützchen gehörte zu jenen gespenstischen Hockelmännchen, die sich den Reisenden und solchen Leuten, die im Walde Geschäfte hatten, aufhockten und sich weite Strecken tragen ließen, bis die Leute[170] ganz abgemattet waren und fast odemlos umsanken. Wenn sie ihn nun fast nicht mehr tragen konnten, hüpfte er von ihrem Rücken plötzlich weg, schnellte auf einen Baum und schlug ein schmetterndes Gelächter auf. Dies arge Possenspiel trieb Geist Mützchen absonderlich im Jahre 1573 und sind viele Personen durch sein Aufhockeln krank geworden. Einst fand eine Butterhökerin einen prächtigen Käse im heimischen Busche. Des Fundes froh und überrechnend, was sie dafür lösen werde, legte sie ihn in ihren Tragkorb; da wurde der Korb so schwer, daß sie endlich von der Last niedergezogen ward und in die Knie sank und den Korb abwarf. Da rollte ein Mühlstein aus dem Korbe und in die Büsche, und aus den Büschen schaute Mützchen mit gellendem Gelächter, daher man auch von einem hell und grell Lachenden sagt: »Der lacht wie ein Kobold.« Den Namen aber hatte Mützchen von seiner Nebelkappe, die ihn unsichtbar machte, und wenn er sie abthat, so sah man ihn, und dann setzte er sie oft plötzlich wieder auf und war im Nu verschwunden. Davon ist das Sprichwort entstanden, wenn jemand etwas sucht und es an einem Orte gesehen zu haben glaubt und es doch nicht finden kann, daß man sagt: »Ja, da sitzt er und hat Mützchen auf!« – nämlich der Zwerglein unsichtbar machendes Nebelkäppchen.
Vom Geist Mützchen wird hier ausdrücklich hervorgehoben, daß er im Besitze der überhaupt keinem Zwerge fehlenden Tarn- oder Nebelkappe gewesen sei. Er hat aber offenbar die neckische Koboldnatur, welche den eigentlichen Zwergen fehlt. Letztere leben mit den Menschen auf freundschaftlichem Fuße und treten auch gewöhnlich als Volk auf; Kobolde leben dagegen meist einsam. Die Nebelkappe ist ein Abbild des Berges, dem Wohnorte der Zwerge. Auch nach anderen deutschen Sagen tragen Kobolde Mützchen und zwar von roter Farbe. (Sommer, Thüringsche Sagen, S. 171.) Der hildesheimische Kobold »Hütchen« hat von dem spitzen roten Hute seinen Namen. (Jac. Grimm, deutsche Myth., S. 290.)
(Ein gründlicher Bericht vom Schnackischen Katzen-Veite. Als einem wercklichen und würcklichen Abentheure beym Kohlenberge im Voigtlande etc. An den Tag gegeben von Steffen Läufepeltzen, aus Ritt mier ins Dorff. o. O. u. J. (1651.) Daraus bei Gräße, Sagenschatz d. K. Sachsen, No. 616.)
Um den Kohlberg bei Zwickau soll sich ein Gespenst sehen lassen, welches seiner lustigen Streiche wegen viele Ähnlichkeit mit dem Rübezahl hat und der Katzenveit heißt. Jener Berg hat seinen Namen von[171] den Steinkohlen, die er enthält und soll seit dem Jahre 1479, wo einmal ein Jäger einen Fuchs gehetzt und nachdem er solchen verfolgt, sein Gewehr von ohngefähr in eine Grube losgebrannt, innerlich brennen. Wer jener Katzenveit ursprünglich gewesen, darüber sind vielerlei Vermutungen aufgestellt worden. Unter anderem sagt man, er sei einst ein sehr ungetreuer Schösser oder Statthalter der Hessen, also ein Katten-Vogt gewesen, habe aber so viele Gelder und Einnahmen unterschlagen, daß er nach seinem Tode nicht habe ruhen können, sondern immer spukend umgegangen sei, bis er von einem Hexenmeister und Teufelsbanner in diese Wildnis verbannt worden; weil er sich nun nicht unter diesem Berge wolle bergen lassen, sondern sich über die schwere Last beschwere, so bewege er den Berg und speie aus Bosheit und Gift Feuer von unten in die Höhe. Am meisten läßt er sich zur Zeit des St. Veitstags spüren, wo die Sonne in das Zeichen des Krebses tritt. Von ihm werden nun verschiedene lustige Streiche erzählt.
So zog einst in einem vogtländischen Städtchen ein fremder Hausierer mit Brillen und einer Menge Kurzwaaren herum und betrog die Leute durch seine geschickte Redegabe um ihr Geld und hing ihnen dafür seinen unnützen Kram auf. Das verdroß den Katzenveit, der gerade dort herum strich, gewaltig, er kaufte ihm also ein hölzernes Pfeifchen für 15 Pfennige ab, obgleich jener 18 gefordert hatte, und versprach ihm noch mehr Waren abzunehmen, wenn er mit sich handeln ließe, betastete dann jedes einzelne Stück und steckte es wieder an seinen Ort, worauf er, angeblich um Geld zu holen, sich entfernte. Sobald er aber weg war, da hatte sich der ganze Kram des Hausierers in Seile, Stricke, Stränge, Sackbänder, Peitschenschnüre und Bindfaden verwandelt und an seinem Halse befand sich ein natürlicher Diebsstrang, an dem ein kleiner hölzerner Galgen baumelte. Da stand nun Matz Flederwisch ganz bestürzt da und wunderte sich, daß er auf einmal aus einem Materialisten ein Seiler geworden.
Einst hatte ein geiziger Bauer seinen ganzen Sinn auf die Bienen gestellt und wo er nur einen Schwarm vermutete, derselbe mochte nun von den Seinigen abgezogen oder anders woher gekommen sein, da hat er seinen Korb angeschlagen. Das hat den Katzenveit schwer verdrossen. Er hat sich also in Gestalt eines Bienenschwarms an einen Baum gehängt und ist von dem geizigen Bauer schnell in den Bienenkorb geschlagen worden. Als derselbe nun nachsehen will, wie sich der Schwarm im Gefäße geberde, da wird er gewahr, daß die vermeinten Bienen schon darin gearbeitet, Zellen und Honig gesetzt haben. Darüber hat er sich erst sehr verwundert, aber als er näher zuschaut, findet er, daß der vermeintliche Honig stinkender Kot sei, welchen ihm eine im[172] Stocke sitzende Eule mit den Flügeln ins Gesicht schleuderte, dann herausfuhr und auch seine übrigen Bienenstöcke, 200 an der Zahl, mit entführte; der Bauer aber, der ihr nacheilte und sie aufhalten wollte, brach vor lauter Eifer beide Beine.
Ein anderesmal kam ein fremder Botaniker auf den Kohlenberg und dachte dort kostbare Pflanzen zum Goldmachen zu finden; zu dem gesellte sich der Katzenveit als Kräutermann gekleidet und nannte ihm das reife Silberblatt, Pfennigkraut, Tausendgüldenkraut, Goldblümchen, Frauenmütze etc. als lauter Kräuter, die Gold brächten. Der Thor grub nun alle diese Kräuter aus, weil er meinte, Gold unter ihnen zu finden, allein er fand nichts, und als er mit seinem Funde schnell nach Hause eilte, brach er unterwegs den Arm, ja er erschlug zu Hause in der Hitze seine Frau, die ihn ausgelacht hatte, und grämte sich dann teils deswegen, teils weil er aus den Wurzeln nicht reich geworden war, zu Tode.
Einst ist er nach Tripstrille als Kammerjäger gekommen und hat vorgegeben, er könne Ratten und Mäuse vertreiben. Dafür hat man ihm eine Partie schöner Thaler versprochen, allein als er das Ungeziefer weggebannt, ihm solche nicht ausgezahlt. Da ist er nach Art des Rattenfängers von Hameln wiedergekommen und hat alle Katzen der Bürger, deren 666 gewesen sein sollen, aus der Stadt geführt, und seit dieser Zeit sollen dort keine Katzen mehr fortkommen.
Einmal hat ein Saufbruder vor Pfingsten Maien beim Kohlberge geholt und in seine Behausung gebracht, in Willens, eine grüne Lust dabei zu genießen und seine Biergötzen damit zu beehren; das hat den Katzenveit, der der rechte Waldmeister und Baumherr ist, schwer geärgert. Wie nun solcher Birkenschmuck hin und wieder in der Stube ausgebreitet und damit gleichsam eine Laubhütte gemacht worden war, da wird das Bierfaß hereingeschleppt, in die Mitte gestellt und der Saufbartel und seine Freunde setzen sich auf Schemeln rund herum und gießen so einen Becher nach dem andern in die Gurgel hinab und bringen sich einen Toast nach dem andern zu. Auf einmal fängt aus dem Laube ein Kuckuck zu schreien an, was ihnen anfänglich gar närrisch vorkommt, darauf fängt ein Storch an zu klappern und endlich singt die Nachtigall ihr Runda Runda Dinellula. Da erschrecken sie bald ein wenig und wissen nicht, wie ihnen geschieht, denn bald werden sie gezupft und sehen doch nicht, woher es kommt, bald schwingen und schütteln sich die Maien und schlagen auf die Tagediebe los, daß sie Zeter und Mordio schreien und aus der Stube hinweglaufen. Gleichwohl hoffen sie, der Spuk werde sich bald wieder verlieren, damit sie zu ihrem Gelage zurückkehren können. Sie gucken darüber zum Fenster[173] hinein, siehe da waren aus allen Maien junge Mägdlein geworden, welche schöne Gläser in den Händen hatten. Da sprangen alle eilig wieder in die Stube, faßten sie an und sprangen mit ihnen um das Bierfaß herum. Wie sie sich aber ein wenig umschauen, da haben die Damen Teufelsklauen an Händen und Füßen, ein großes rundes Auge mitten im Kopfe und an diesem Ziegenhörner. Ei, wie teuer wurde ihnen jetzt das Lachen, wie gern wären die Hengste jetzt hinaus und davon gewesen! Aber sie mußten ausharren und bei etlichen Stunden also herumhüpfen, daß ihnen der Angstschweiß an allen Orten ausbrach und sie endlich für tot niedersanken. Zwar haben sie sich bald wieder erholt, aber ihre lose Pfingstlust war ihnen für immer vergangen.
Oft zog der Katzenveit als fahrender Schüler im Lande herum und foppte die Wirte. So kam er einst als armer Student zu einer Wirtin und legte sich ohne Weiteres in ein schönes Gastbett. Sie aber trieb ihn heraus, er aber stahl ihr das Bett und verkaufte es. Ein anderesmal sah er, daß eine Schankwirtin gebratene Tauben am Spieße stecken hatte; als sie nun aus der Küche abgerufen ward, huschte er hinein, nahm sie mit sich und aß sie ungescheut in der Stube am Tische auf. Wie nun die Frau das sah und ihr Eigentum vermißte, fragte sie ihn, wie er zu den Tauben komme, und er antwortete. »Wie kommt der Tag zum Winde (sintemal es gerade sehr stürmte)?« Damit nahm er die andere gestohlene Taube beim Kopfe und fraß sie auch auf. Endlich kam er einst in ein Dorf, wo ein geiziger Pfarrer wohnte, der niemandem etwas gab, sondern alle Ansprechenden entweder selbst, in einem dicken Bauernpelz vermummt, oder durch seine Leute oder mittelst seines Kettenhundes forttrieb. Bei diesem trug er sich so an, als gehe er auf Freiersfüßen und wolle seine Tochter ehelichen. Da nahm man ihn mit Freuden auf, der Vater ließ etliche Tauben zurichten und braten und die Mutter lief etliche Male vom Feuer weg und ließ die Küche leer stehen. Nun zog er schnell mitgebrachte junge, abgerupfte Raben aus dem Ränzel, lief zum Herde, spießte sie an und so wurden sie zusammen fertig. Als sie aber aufgetischt wurden, da partierte er letztere auf den Teller des Pfarrers und seiner Frau, und kehrte es also, daß die rechten Tauben auf den seinigen kamen, dann aber machte er sich, nachdem sein Appetit gestillt war, aus dem Staube.
Einst fragte man ihn, warum jetzt alles so teuer sei, und er antwortete, es gebe jetzt mehr Tribulierer und Flegel als sonst, besonders junge Drescher, die Prokuratoren hießen und sich für ihre Dienste allemal zuvor bezahlt machten, also, daß wenig in den Scheunen blieb.[174] Das hörte zufällig ein Advokat, der dabei stand und sprach: »Ganz recht mein Knecht!« und indem er ihn bei der Hand faßte, sagte er: »Ich greife nach dem Flegel und marschiere auf die Tenne in Willens, den Rest vollends auszuklopfen und darauf zu schlagen, bis ich das Stroh aufreibe.« Aber jener nicht faul, packte den Rabulisten bei der Kartause, fuhr ihm erstlich über's Maul, warf ihn dann zu Boden und sprach. »Halt, Geselle, ich muß dich ein wenig zudreschen!« und indem schlug er mit allen beiden Klöppeln auf die ungegerbte Garbe los, daß das Schrot und Korn haufenweise (denn der Geizhals hatte eben einen Haufen Geldes bei sich) aus dem Strohjunker heraussprang, also daß der neue Drescher nicht allein eine große Ernte an ihm hielt und seine Säckel anfüllte, sondern auch die Zuschauer eine gute Nachlese halten konnten, weil der Katzenveit ihn wund geschlagen. So hatte der Patient keinen Beweis, seinen Beleidiger zu verklagen, und damit zu wuchern, sondern er mußte die Stöße hinnehmen, als hätte ihn ein Hund gebissen.
Es ist bereits in der Einleitung zu diesem Abschnitte auf die Ähnlichkeit des erzgebirgischen Katzenveit mit dem Rübezahl des Riesengebirges hingewiesen worden. Unter den derben Neckereien des ersteren erinnert z. B. die mit dem kotigen Bienenkorbe an eine Sage von Rübezahl; derselbe verkaufte nämlich Bienenkörbe, welche mit Menschenkot bestrichen waren. (Das Riesengebirge in Wort und Bild, 4. Jahrg. 1. und 2. H., S. 11.) Beiden Sagengestalten ist die Fähigkeit, verschiedene Gestalten anzunehmen, sowie Gegenstände zu verwandeln, gemeinsam.
(Jugenderinnerung eines gebornen Nosseners.)
In der Beiermühle bei Siebenlehn sprach einmal der gespenstige Mühlknappe an, der seines eigentümlich geformten Hütchens wegen »Pumphut« genannt wurde. Die Leute waren eben beschäftigt, ein neues Wasserrad einzusetzen, sahen den Fremden gar nicht an und fertigten ihn kurz ab. Kaum war Pumphut weiter gegangen, so fand sich, daß die Zapfen am Rade zu kurz waren. Die Zeugarbeiter, die ihr Werk so sorgfältig wie immer ausgeführt hatten, zerbrachen sich den Kopf, bis einer auf den Gedanken kam, der Fremde möge wohl Pumphut gewesen sein und ihnen einen Schabernack angethan haben. Sofort eilten sie ihm nach und bald sahen sie ihn gemächlich an der Mulde weiter wandeln, aber so sehr sie auch rannten, sie konnten ihn nicht einholen, auch hörte er lange nicht auf ihr Rufen. Endlich blieb er stehen, erwartete sie und kehrte nach vielen Bitten mit um[175] nach der Mühle. Dort klopfte er mit seinem Hütchen rechts und links an das Rad und nun paßte alles vortrefflich. Da ihm nun alle Ehre erwiesen ward, bannte er noch die Sperlinge, die dem Müller immer viel Schaden gethan hatten. Seitdem soll sich kein Sperling mehr dort wohlbefinden.
In Gräßes Sagenschatz von Sachsen (No. 672) ist eine im Wesentlichen mit der unsrigen übereinstimmende Sage vom Pumphut mit der Burkhardtsmühle im Vogtlande verknüpft; eine andere Sage, die Gräves Laus. Sagen entlehnt ist und auch von Karl Haupt mitgeteilt wird, verlegt die Begebenheit nach Volkersdorf (Sagenschatz No. 841.) Ebenso teilt Veckenstedt in seinen Wendischen Sagen und Märchen S. 86 etc. drei Überlieferungen mit, nach denen Pumphut Mühlwellen verkürzte. Mehr noch als durch seine übernatürlichen Künste, wie das Fahren in papiernen Kähnen über Flüsse, z. B. die Mulde, das Zerschneiden eines Mühlsteins in Bautzen, das Auffangen von Kugeln in seinem Hute u. a. m., erscheint uns Pumphut durch sein Ende und eine Begebenheit in seiner ersten Kindheit als ein dämonisches Wesen. Da er noch als Kind in der Wiege lag, verschwand er plötzlich und an seiner Stelle fand sich eine Schlange; wie ihn nun seine Eltern vergeblich überall gesucht hatten und wieder in die Wiege blickten, lag er auf einmal frisch und gesund in derselben. Hier tritt die dämonische Schlange an die Stelle des ebenfalls dämonischen Wechselbalgs. Pumphut wurde endlich nach seinem Wanderleben, auf dem er hauptsächlich Mühlen aufsuchte, von einer Schlange, welcher ein Kopf nach dem andern aus dem Halse wuchs, bis es an die Hundert waren, lebendig verzehrt.
Eine wendische Sage bezeichnet ihn als großen Nix, der aber nicht gern im Wasser lebte. (Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, No. 220 und Veckenstedt, Wendische Sagen und Märchen, S. 86 etc.)
(Lehmann, Hist. Schauplatz, etc. S. 930. Gräße, Sagenschatz d. K. Sachsen No. 561.)
Man kennt im ganzen Erzgebirge ein Kindergespenst, das sogenannte Jüdel (richtiger »Gütel«, von gut) oder Hebreerchen und erzählt, daß, wenn die kleinen Wochenkinder während des Schlafs die Augen halb aufthun, die Augäpfel in die Höhe wenden, als wollten sie etwas sehen, dabei zu lächeln scheinen und dann wieder fortschlafen, manchmal auch zu weinen anfangen, daß das Jüdel mit ihnen spiele. Damit nun aber die Kinder nicht ferner von demselben beunruhigt werden, so kauft man ein kleines, neues Töpfchen samt einem Quirlchen, und zwar so teuer, als man es bietet, ohne zu handeln; da hinein wird von dem Bade des Kindes gegossen und es dann auf den Ofen gestellt und man sagt, das Jüdel spiele damit und plätschere das Wasser[176] so lange heraus, bis nichts mehr im Töpfchen sei. Andere blasen Eier aus den Schalen in des Kindes Brei und der Mutter Suppe und hängen solche hohle Eierschalen samt etlichen Kartenblättern und anderen leichten Sachen mehr mit Zwirn an die Wiege des Kindes, daß es frei schwebe. Wenn nun die Thür aufgemacht wird, oder es geht und bewegt sich jemand in der Stube, also daß die am Faden schwebenden Sachen sich in der Luft bewegen, so sagen die Weiber, man solle nur acht geben, wie das Jüdel mit den Sachen an der Wiege spiele. Wenn zuweilen die Kinder rote Flecke haben, da sagt man, das Jüdel habe sie verbrannt; dann soll man das Ofenloch mit einem Speckschwärtlein schmieren. Das Jüdel spielt aber auch des Nachts mit den Kühen, dann werden sie unruhig und brummen, macht man aber Licht an, so sieht man nichts. Ebenso geht es in die Pferdeställe und fängt an die Pferde des Nachts zu striegeln, dann werden dieselben wild, beißen und schlagen um sich, ohne daß sie sich des Gespenstes, welches auf ihnen hockt, entledigen können. Um das Jüdel als Hausgeist zu unterhalten, muß man ihm Bogen und Pfeile und Spielsachen in den Keller und die Scheune legen, damit es damit spiele und Glück in's Haus bringe. Wenn aber die Wöchnerin vor demselben ganz sicher sein soll, so muß ein Strohhalm aus ihrem Bette an jede Thür gelegt werden, dann kann weder das Jüdel noch ein anderes Gespenst herein.
Man will auch das nächtliche Fallen, welches einen Tod anzeigen soll, mit dem Jüdel in Verbindung bringen.
In Scheibenberg diente vor Jahren eine alte Magd, welche bei solchem nächtlichen Fallen sagte. »Gütchen, ich geb' dir mein Hütchen, willst du den Mann, ich gebe dir den Hahn; willst du die Frau, nimm hin die Sau; willst du mich, nimm die Zieg'; willst du unsere Kinder lassen leben, so will ich dir alle Hühner geben!« Es ist in Elterlein geschehen, daß man bei solchem gespenstischen Fallen eine Henne oder Ziege dem Ungetüme gegeben, auch solche Stücke des Morgens tot gefunden hat.
Das erzgebirgische »Jüdel« ist das »Gütel« (Heugütel) der vogtl. Sage, oder das »Hütchen« in den deutschen Sagen der Brüder Grimm (I. No. 75.) Es ist ein guter, hülfreicher Hausgeist, dessen Name jedenfalls auf »gut« zurückweist. Es mag hierbei auch an das in Oberungarn gebräuchliche »Gödchen« für Patenkind und an das oberösterreichische »Göd« ein Taufkind, hingewiesen werden. Göthe spricht im Faust von den »frommen« Gütchen. In mancher Beziehung hat es Ähnlichkeit mit den Kobolden, welche in Gestalt kleiner Kinder erschienen.
(Grohmann, Aberglauben und Gebräuche aus Böhmen und Mähren. 1. B. 1864, S. 16 und 234.)
Das Schrackagerl ist im Erzgebirge ein Hausgeist; es sitzt im Stalle auf der Raufe und sieht aus wie ein kleines Kind. Wo es ist, gedeiht alles, das Vieh, das Geflügel; nur darf man nicht fluchen, sonst verwirrt es den Pferden die Mähnen, bindet die Kühe los und treibt sie durcheinander. Das Schrackagerl hilft den Mägden arbeiten, so daß alles rein im Hause ist; nur muß ihm die Magd von ihrem Essen immer einen Teil aufheben und hinlegen.
In Heinrichsgrün heißt das Schrackagerl auch Strackagerl; es verwirrt den Kindern die Haare. Wenn die Kinder des Morgens mit verwirrten und verfilzten Haaren aufstehen, sagt man: Da ist auch das Strackagerl darüber gewesen.
Das Schrackagerl von Heinrichsgrün ähnelt dem Schreckgökerle der vogtländischen Sage, vor dem sich die Kinder fürchten und mit dem deshalb letzteren gedroht wird. (Köhler, Volksbrauch etc. S. 477.)
(Lehmann, Hist. Schauplatz etc., S. 784. Gräße, Sagenschatz d. K. Sachsen, No. 568.)
Im Erzgebirge giebt es ein Gespenst, die sogenannte Klagefrau oder Klagemutter; diese geht vor das Haus, wo ein Kranker liegt und fängt an jämmerlich zu heulen. Will man nun wissen, ob derselbe stirbt oder nicht, so wirft man vor die Thüre von oben ein Tuch herab, das demselben gehört; nimmt die Klagefrau, die nun zu heulen aufhört, dasselbe mit fort, so stirbt der Kranke, läßt sie es aber liegen, so findet das Gegenteil statt.
Im Jahre 1626, da ein großes Sterben war, wohnte Nikolaus Köhler, ein Schuster in Oberwiesenthal, am Markt. Da er sich abends zur Ruhe gelegt, höret er ein jämmerlich Geheule auf dem Markt, so daß er nicht schlafen kann. Er siehet hinaus und wird gewahr, daß es um den Holzstoß eines gegenüber wohnenden Nachbars so winselt und jammert. In dem Hause desselben aber lagen zwei Sterbende, wie er des folgenden Morgens allererst erfahren. Er spricht: »Ja heule, daß Dir was anders in Rachen fahre!« und legt sich wieder nieder. Gleich kommt das Heulgespenst vor die Kammer und heulet noch gräßlicher.[178] Er fähret ins Bett hinein mit Furcht und Grausen, und das Weib verweist ihm seine Verwegenheit, warum er bei elenden Sterbezeiten so frech hinaus geschrien; sie fangen an mit einander zu beten. Das Heulding fähret hinauf auf den Oberboden, und von dannen zum Fenster in das Quergäßchen herunter, und heulet wieder aufs neue vor des Büttels Thür, und des Morgens erfuhr er, daß auch darinnen ein Patient am Tode läge. Der Schuhmacher aber hat noch über 30 Jahre gelebt und ist erst anno 1664 an der ungarischen Soldatenkrankheit gestorben.
(Nach Ziehnerts poet. Bearbeitung bei Gräße, Sagenschatz des K. Sachsen, No. 530.)
In der Nähe von Grünhain fließt der sogenannte Oswaldsbach. An demselben soll um die Mitternachtsstunde ein gespenstischer Schatten auf- und niederhuschen, der beständig Klagetöne ausstößt. Das Volk nennt denselben die Winselmutter und erzählt sich, einst habe ein Jüngling, dem seine Geliebte die Treue gebrochen, in dem genannten, an vielen Stellen sehr tiefen und reißenden Bache seinem Leben ein Ende gemacht; seine ihn liebende Mutter habe ihn darauf sieben Tage lang aufs sorgfältigste gesucht, aber doch seinen Leichnam nicht wiederfinden können, und so sei sie zuletzt selbst an Erschöpfung und gebrochenem Herzen gestorben. Weil sie dabei gegen Gottes weise Fügung gemurrt, so sei es nun ihr Los, ewig den Körper ihres ertrunkenen Sohnes unter steten Klagen und Wimmern suchen zu müssen.
Die Sagen von der Klagefrau, Winselmutter oder Wehklage sind auch dem Vogtlande und der Lausitz nicht fremd. Im Vogtlande stellt man sich jedoch das Gespenst nicht in menschlicher Gestalt, sondern als Kalb oder Schaf mit feurigen Augen vor, oder es wird als unförmliches Wesen beschrieben. (Köhler, Volksbrauch etc., S. 478.)
(Chr. Lehmann, Hist. Schauplatz, S. 421. Moritz Spieß, Aberglauben etc. des sächs. Obererzgebirges. Programmarbeit. 1862, S. 39.)
Am Schottenberge unter Annaberg giebts alte Bergkessel und Bingen, an denen der Fußsteig vorbei geht. Daselbst sind etlichemal bei Nacht, sonderlich zur Winterszeit, Reisende von Irrlichtern bethört und in Löcher und tiefen Schnee geführt worden, so daß man sie auf[179] ihr jämmerliches Schreien und Rufen mit Laternen aufgesucht und gerettet hat.
Im Jahre 1683 ging ein Witwer mit seiner Braut beim Scheibenberger Gottesacker vorbei und sagte: »Da drinnen liegt mein voriges liebes Weib.« In dem Wort blendet sie ein Licht und umgiebt sie ein Feuerschein zweimal, so daß sie mit Schrecken davon gelaufen sind.
Auch bei der Grube »Dorothea« auf Geiersdorfer Gebiet und bei der Grube »Stern« auf Mildenauer Revier läßt sich zu gewissen Zeiten ein Lichtlein sehen.
(Andrä, Chron. Nachrichten von Annaberg. 1837, S. 77. Gräße, Sagenschatz d. K. S., No. 491. Grimm, Das sächs. Erzgebirge, 1847, Seite 253.)
Nordöstlich von Geyer gegen den Greifenstein hin zeigt sich an Herbstabenden eine merkwürdige Lufterscheinung oder ein rötlich leuchtendes, beinahe 7 Ellen hohes Irrlicht, das, sobald es sich zu bewegen anfängt, immer kleiner wird, bis es endlich gar verschwindet, in der dortigen Gegend aber die Staatslaterne von Geyer genannt wird.
Sagen von Irrlichtern sind ungemein zahlreich; dabei erscheinen die Irrlichter entweder als selbständige Flammen, oder sie fließen mit der Vorstellung von feurigen Männern zusammen. Eine Laterne wandelt des Nachts zwischen dem Pfaffenholze und Martinsrieth bei Sangerhausen, dergleichen im Loh, einem Hölzchen bei Buttstädt; beide Laternen werden von einer Hand gehalten, ohne daß man sonst jemanden sieht. (Witzschel, Sagen aus Thüringen, No. 267 und 303.) Im Vogtlande will man dagegen bemerkt haben, daß jedes Irrlicht den Kopf zu einer dunkeln, gewöhnlich nicht sichtbaren Gestalt bilde. Hier nähert es sich dem feurigen Manne. Als wirklicher feuriger Mann, also offenbar als Kobold, erscheint es auf einer sumpfigen Strecke bei Loitzsch. An einem andern Orte tanzen die Nixe mit Irrlichtern. (Eifel, Sagen aus dem Vogtlande No. 449, 159 und 60.) In dem Volksglauben gelten die Irrlichter vielfach als die Seelen ungetauft verstorbener Kinder; die beiden Irrlichter in Holzzelle im Mansfeldischen sind dagegen die Seelen eines Mönchs und einer Nonne (Größler a. a. O. No. 49.) Das Licht ist ein Symbol für den Geist des Verstorbenen, darum erscheinen die Seelen als Lichter. Haupt weist dabei (Sagenbuch etc. No. 57.) auf den Gebrauch in der Lausitz hin, daß man zwei Lichter anzündet, wenn Brautleute bei Tische sitzen; wessen Licht zuerst verlischt, der stirbt zuerst. Eine ähnliche Bedeutung haben auch die Lichter, welche man im Erzgebirge wie anderwärts am Andreasabende oder zu Sylvester in Nußschalen auf einem Becken mit Wasser schwimmen läßt, um daraus die Zukunft der betreffenden Personen zu erfahren. In dem Märchen vom Gevatter Tod (Br. Grimm, Kinder- und Hausmärchen,[180] 1. B. No. 44) zeigt letzterer seinem Paten in einer unterirdischen Höhle die Lebenslichter der Menschen, und vielleicht ist auch auf die gleiche Vorstellung der Gebrauch zurückzuführen, daß man in katholischen Ländern bei Begräbnissen dem Sarge brennende Lichter voranträgt, oder am Vorabende des Allerseelenfestes Wachslichtchen anzündet.
(Heger und Lienert, Ortskunde von Schmiedeberg i. B., S. 61.)
Man hat bei Schmiedeberg dann und wann Irrlichter gesehen, die man unheimliche Fackeln nannte. Die Leute hüteten sich, mit denselben Bekanntschaft zu machen und wichen ihnen aus, wo sie konnten.
Einst soll im Bogenhaus, in der Nähe des »letzten Pfennigs«, ein Mann durchs geöffnete Fenster eine unheimliche Fackel bemerkt und ihr vorwitzig zugerufen haben: »Komm her auf Courage!« In diesem Augenblicke erhielt er von unsichtbarer Hand eine tüchtige Ohrfeige; die Fackel aber war verschwunden.
Eine tüchtige Ohrfeige erhielt auch vom Irrlichte jener Schulmeister, welcher demselben bei der sogenannten Lerch am Saalwalde im reußischen Oberlande mit den Worten entgegentrat: »Was bist Du für ein Licht?« Neben der Ohrfeige erhielt er noch die Antwort: »Kümm're Dich um Dich, ich bin ein Licht für mich!« (Eisel, Sagenbuch des Vogtl., S. 163.)
(Chr. Lehmann, Histor. Schauplatz., S. 207 und 208.)
Zu Wildenau ist im Pöhlwasser ein unheimlicher Ort, der Grundtümpel genannt, da sich das Wasser einer Stuben groß in die Runde dreht, und sich öfters darin allerlei Spukgestalten sehen lassen, als Weiber, Männer und Pferde. Man hat auch in selbiger Gegend bis nach Schwarzenberg und Sachsenfeld viel Irrwische und feurige Drachen ziehen und spielen sehen. Wenn die Leute aus Raschau nach Wildenau gingen, oder von Schwarzenberg herüber gehen wollten, hat es sie oft die ganze Nacht irre und gar nahe an den besagten Tümpel geführt, so daß sie beim Anbruche des Tages an dem Wasser gesessen haben.
Teilweise ist ihnen ein Fischer mit Hamen begegnet, der sie bis an die Dorfhäuser täuschte, so daß sie 10 bis 12 Wochen darnach krank gelegen haben. Im Jahre 1624 wollte Andreas Illings Vater am Wildenauer Berge mit seinem Pferde arbeiten; da kam ein fremdes weißes Pferd mit allem Geschirr gelaufen und spannete sich selbst an.[181] Nachdem es aber eine Weile hurtig gegangen, ahnte der Ackermann nichts gutes und wollte ausspannen und Mittag machen. Damit aber riß sich das wilde Pferd mit Haken und dem andern Pferde los und lief nach dem Tümpel zu; der Ackermann hing sich an sein Pferd, schrie und gab gute und böse Worte, bis sich das Gespenst verlor und ihn mit seinem Pferde in großer Bestürzung zurückließ.
(Lehmann, Histor. Schauplatz, S. 208.)
Eine starke Viertelstunde unter Scheibenberg, am Elterleiner Wege, läuft der tiefe Stollen in einen Teich aus. Daselbst hat es die Leute oft bei Tag und Nacht erschreckt und den Weg bald in Gestalt eines großen, ungeheuren Mannes, bald eines Wolfes vertreten, oder sonst mit Tumult und Gerassel bethört.
(Lehmann, Histor. Schauplatz, S. 208.)
Im Juli des Jahres 1644 waren die Oberscheibener oben bei ihren Teichen im Heumachen. Da kommt am Sonnabende vor dem zehnten Trinitatissonntage ein mächtiger Sturmwind mit Sausen und Pfeifen, fährt in die Teiche und wirft das Wasser hoch in die Höhe, als wenn sich zwei Pferde im Wasser mit einander schlugen. Darüber erschraken die Leute, liefen an die Heuschöber, die bösen Geister aber fuhren aus den Teichen in die Heuschöber, spielten damit in der Luft, fuhren über die Äcker hinaus und nahmen, wo sie gegen Crottendorf zu antrafen, alle Wipfel von den Bäumen mit.
(Mündlich. Spieß, Aberglaube etc. Progr., S. 30. Lehmann, a. a. O., S. 207.)
Auf einer sumpfigen Wiese unterhalb Neustadt bei Falkenstein, nach Dorfstadt zu, ist öfters der Drache gesehen worden. – Vielfach verbreitet ist der Glaube, daß der Teufel denen, welche mit ihm ein Bündnis geschlossen haben, in der Gestalt eines Drachen Geld und andere Gegenstände zuträgt, welche er anderswo geraubt hat. Der Drache fährt bei solchen Leuten zur Feueresse herein, und man muß ihm dann[182] eine Schüssel Hirsebrei auf den Oberboden setzen; er verzehrt den Brei und legt statt dessen Geld in die Schüssel. Bei Marienberg sagt man, daß ein solches Geldstück, welches der Drache gebracht hat, stets wiederkommt, wenn es auch ausgegeben worden ist. Thut es dagegen der Empfänger in ein Glas, das er mit einem Deckel verwahrt hat, auf den er einen Kreis mit Kreide beschreibt und innerhalb desselben die Kreide liegen läßt, so muß es bleiben.
Feurige Drachen hat man zugleich mit Irrlichtern auch in der Gegend von Schwarzenberg ziehen und spielen sehen.
Der Glaube, daß man dem Drachen eine Schüssel Hirsebrei auf den Oberboden setzen müsse, steht jedenfalls mit dem auch im Erzgebirge vorhandenen Gebrauche in Verbindung, am Neujahrstage Hirse zu essen, damit man das ganze Jahr über Geld habe. Auch nach einer slavischen Sage mußte der Drache, welcher einem Bauer Geld brachte, mit Hirse gefüttert werden. (Veckenstedt, Wendische Sagen, S. 166.)
(Mündlich.)
Drei Bürger in Schneeberg kamen einmal des Nachts in der zwölften Stunde aus dem Wirtshause. Als sie an den Frauenmarkt gelangten, trennten sich zwei von ihnen und der dritte ging allein über den genannten Markt. Auf einmal sprang ihm daselbst ein Kalb auf den Rücken und legte die beiden Vorderbeine fest auf seine Schultern; so mußte es der Mann bis an sein Haus tragen. Dort verschwand es, als die Frau ihrem Manne die Thür aufmachte. Die Frau verwunderte sich, daß ihr Mann so bleich und erschrocken aussah und fragte ihn nach der Ursache; doch er wollte ihr unter 9 Tagen nichts erzählen. Da drang seine Frau noch mehr in ihn, bis er ihr endlich das Begebnis erzählte und ihr zugleich die Spuren auf seinen Achseln zeigte, welche das gespenstische Kalb mit seinen Pfoten darauf zurückgelassen hatte. Das war sein Unglück, denn man soll von derartigen Erlebnissen, wenn sie nicht dem Betreffenden Verderben bringen sollen, unter 9 Tagen nichts erzählen. Der Mann starb auch noch innerhalb dieser Zeit.
Betreffs der dämonischen Natur des Kalbes s. die Einleitung. Auch nach einer wendischen Sage mußte ein Bauer vom Koselbruch in der Lausitz ein Kalb[183] ohne Kopf, das sich ihm auf den Rücken wälzte, bis in sein Dorf tragen. (Veckenstedt, a. a. O., S. 411.)
(Chr. Lehmann, Histor. Schauplatz, S. 673.)
Ein Vorbote war es, daß vor dem deutschen Kriege, da der Feind einfallen sollte, sich zu Mildenau im Herbst des Nachts ein gräßliches Geblöke und Geschrei erhob; es lief etwas im Dorfe durchs Wasser auf und nieder in Gestalt eines Kalbes und brüllete so abscheulich, daß die Leute alle bestürzt wurden. Den folgenden Sommer ist der Feind eingefallen und hat geplündert und verheert.
(Mündlich.)
Zwischen der Stadt Eibenstock und dem dortigen Bahnhofe liegt in einem flachen Wiesengrunde der »Mielahr« oder Windischteich. Darin soll ein wunderbarer Fisch mit einem goldenen Reifen leben, und um den Fisch zu fangen, hat man vor einer Reihe von Jahren den Teich ausgepumpt, aber den Fisch doch nicht gefunden. Von dem Fische erzählt man, daß denselben einst eine Prinzessin in den Teich gesetzt habe.
Die Sage erzählt auch von dem Dorfbache in Neugersdorf in der Oberlausitz, daß darin Karpfen mit goldenen Halsbändern leben. Die goldenen Halsbänder der Fische erinnern an die Halsringe mythischer Schwäne. (Haupt, Sagenbuch d. L., No. 156.) Als mächtiger Karpfen mit einem goldnen Ringe um den Kopf erschien in der Oder bei Breslau auch Rübezahl. (Das Riesengebirge in Wort und Bild, 4. Jahrg. 1. und 2. H., S. 13.)
Fische treten in der Sagenwelt seltener als andere Tiere auf. Seine dämonische Natur offenbart der schöne Fisch in der Elster bei Stublach; derselbe ist ein Nixenkind. (Eisel, Sagenbuch des Vogtlandes, No. 73.) Ein Fisch im Altshausenbache in Schwaben verläßt das Wasser und erscheint in Menschengestalt. Der Zwerg Andwari, welcher sich in einen Hecht verwandelt, ist Hüter des Schatzes. Nach der wendischen Sage verwandeln sich Kobolde in Hechte. (Veckenstedt a. a. O., S. 420.) Auf dem Grunde des großen Arbersees befinden sich Fischlein, deren Schuppen gediegen Gold und deren Augen kostbare Edelsteine sind, jeder ein Königreich wert. (Pröhle, Deutsche Sagen, S. 225.)
(Joseph Fritsch in der Erzgebirgs-Zeitung, 3. Jahrg., S. 114. Grohmann, Aberglauben und Gebräuche aus Böhmen und Mähren, 1. B. 1864, S. 79.)
Die Beerensammler im Erzgebirge erzählen von einem Otternkönige, welcher ein goldenes Krönlein trägt und über das ganze Natterngezücht herrscht. Derselbe hat die Gewohnheit, in einer Quelle zu baden und zu trinken; weiß man die Stelle und breitet daselbst ein weißes Tuch aus, neben das man eine Schüssel mit Semmel und Milch gestellt hat, so legt dann der Otternkönig sein Krönlein während der Mahlzeit auf jenes Tuch. Wer sich desselben schnell bemächtigt, dem bringt es Reichtum und Glück; wird er aber von den durch das Pfeifen des Königs gerufenen und von allen Seiten herbeieilenden Nattern erreicht, so ist er unrettbar verloren.
In Schönlinde erzählt man: Wenn man mit Schlangen und Nattern in guter Freundschaft leben will, muß man sich vor allem die Schlangenkönigin zur Freundin machen. Dies geschieht, wenn man an einem heißen Tage zum Waldrande geht, ein weißes Tüchlein ausbreitet und ein Schüsselchen Milch mit Weißbrot darauf stellt. Jeden Tag muß man das thun, bis die Schlangenkönigin endlich ihr Krönlein auf dem Tuche liegen läßt. Wer dies Krönlein hat, ist vor Schlangen und Nattern sicher.
S. die Einleitung. Sagen vom Schlangenkönige oder der Schlangenkönigin, welche goldene Kronen tragen, finden sich allgemein. Im Fichtelgebirge wird erzählt, daß die eine goldene Krone tragende Schlange zuweilen zu den Kindern in die Stube kommt und dort ihre Krone ablegt, mitunter auch beim Weggehen vergißt. Einige behaupten, es sei ein Ei, besetzt mit kostbarem, strahlendem Gestein. (Zapf, Sagenkreis des Fichtelgebirges, S. 49.)
(Gräße, Sagenschatz des K. Sachsen, No. 365. Alfr. Moschkau in der Saxonia I., S. 22 und 23. Moschkau, Führer durch Nossen und Altzella, S. 8.)
In dem großen und gar zierlich gewölbten, aus dem Kloster Altzelle stammenden Hauptportale der Kirche zu Nossen hängt seit undenklichen Zeiten ein sonderbares Gewächs, welches von einigen für die Rippe eines Meerwunders oder Elephanten, von anderen für die[185] eines Riesenfräuleins von Nideck im Elsaß, deren Ältern hierher gezogen seien, ausgegeben wird. Diesen Gegenstand hat man auch der Rarität wegen in das Siegel der Stadt Nossen selbst mit aufgenommen. Erzählt wird von dem genannten Riesenfräulein, daß sie einst in Rhäsa einen auf dem Felde arbeitenden Bauer mit Pflug und Pferden in ihre Schürze nahm und ihrem Vater hineintrug. Auch soll sie öfter nach Haslau »in die Haselnüsse« gegangen sein. – Die Rippe kam Anfang des 17. Jahrhunderts in die Königl. Kunstkammer nach Dresden, 1657 aber wieder zurück nach Nossen. Nach einer andern Meinung wäre diese Rippe identisch mit der in Gold gefaßten Rippe der heiligen Katharina, welche zu den Reliquien des Klosters Altzella gehörte.
(Chr. Lehmann, Histor. Schauplatz, S. 759.)
Im Jahre 1650 ließen die Grumbacher ihre Kirche erweitern und den Grund graben, da sie dann übermäßig große Gebeine mit Verwunderung ausgegraben. Anno 1652, als der Amtmann zu Wolkenstein, Johann Rechenberg, in der Kirche allda den kostbaren Altar von Marmor und Alabaster erbauen und dazu den Grund graben ließ, haben die Maurer riesenmäßige Menschenknochen angetroffen, von denen die Arme und Beine eine halbe Elle länger gewesen, als diejenigen gemeiner Mannspersonen.
Ob die in den Kirchen zu Grumbach und Wolkenstein gefundenen großen Knochen wirklich menschliche Gebeine gewesen sind, erscheint als etwas fraglich, wenn man weiß, daß es allen Völkern gemeinsam zu sein scheint, die Knochen großer urweltlicher Tiere für menschliche Riesenknochen zu halten. S. auch E. Krause, Erasmus Darwin, S. 208 und Perty, Anthropologie I., S. 13. Albin Kohn erzählt (die Natur 1878, No. 51), daß es in der Provinz Posen mehrere Kirchen giebt, in denen sich an Ketten aufgehängte fossile Mammutzähne finden, welche das Volk für die Rippen vorsündflutlicher Riesen hält; dieselben wurden in der Nähe der Orte gefunden, in deren Kirchen sie sich jetzt befinden. Es läßt sich übrigens der Knochenkultus bis in die früheren Zeiten zurück verfolgen; besonders waren es auch die Gebeine von Helden und Heiligen, welche man aufbewahrte und gegen Zerstörung zu schützen suchte, weil man ihnen Wunderkräfte beilegte. – Es könnte noch eine Deutung versucht werden. Die Germanen veranstalteten zu Ehren ihres obersten Gottes Pferdeopfer, Pferde weissagten und die alten Sachsen steckten die Köpfe ihrer geschlachteten Rosse auf die Dächer ihrer Häuser. Dies sind Zeugnisse dafür, daß bei unsern deutschen Vorfahren das Pferd ein ihren Gottheiten geweihtes Tier war. Damit hängt auch der Glaube in Dänemark zusammen, nach welchem unter jeder Kirche, welche gebaut wird, ein lebendes Pferd eingegraben werden müsse. Sollte man auch bei[186] uns dem Glauben an eine besondere Wirkung, wenn auch nicht lebendig vergrabener Pferde, so doch von Pferdegebeinen beim Baue von Kirchen gehuldigt haben?
(Fr. Bernau in der Comotovia, 5. Jahrg., S. 85.)
Als im Jahre 1753 zur Erbauung des neuen kostbaren Preßnitzer herrschaftlichen Amthauses das alte Hassenstein'sche Schloß niedergerissen und der Grund gegraben worden, hat man viele, zum Teil ungeheure große Menschengebeine gefunden; es soll auch öfters daselbst, bis diese Gebeine wieder begraben wurden, sehr gepoltert haben.
Als die christliche Bekehrungsarbeit bei den Deutschen und später den Slaven begann, war es Klugheit, das Vorhandensein der heidnischen Götter nicht in Frage zu stellen. Die christlichen Bekehrer bequemten sich vielmehr der festgewurzelten Überzeugung an, daß jene Wesen wirklich existierten, nur lehrten sie, daß dieselben Unholde und teuflische Gewalten seien, welche dem Gott der Christen widerstrebten und die Menschen irre führten. Die alten heidnischen Götter und Dämonen sind demnach im Volksglauben zu Teufeln geworden. Der aus der griechischen Sprache entlehnte Name Diabolos ging in die lateinische und später auch als Diufal, Tiuvel, Tüvel u. s. w. in die deutsche, sowie als djabel in die slavische Sprache über; in letzterer wurde er später durch das Wort czert, welches den Begriff eines schwarzen Wesens in sich schließt, ersetzt.
Daß die Neubekehrten dem Teufel und allen Unholden entsagen mußten, ersehen wir aus fränkischen Taufgelöbnissen des 8. und 9. Jahrhunderts, welche bei den Sachsen und Thüringern in Anwendung kamen und worin es heißt: »Forsachistu diabole? Ec forsacho diabole«, oder: »Forsahhistu unholdun? Ih forsahu.«
Dem Teufel, der in verschiedenen Gestalten den Menschen entgegentrat, wurde später alles Ungewöhnliche und Unheimliche zugeschrieben. Verbreitet war der Glaube, daß der einzelne Mensch mit ihm ein Bündnis eingehen könne, um dann mit seiner Hülfe gewisse irdische Vorteile zu erlangen. Dafür mußte er sich jedoch dem Teufel mit Leib und Seele ergeben, und zum Zeichen, daß er dies gethan, sich ihm mit seinem Blute verschreiben. Zur Erklärung dieses mit dem Blute Verschreibens weist Rochholz (Deutscher Glaube und Brauch, I., S. 55.) darauf hin, daß nach dem früheren Volksglauben nicht nur alle verstorbenen Menschen, sondern auch die entthronten Götter und der Teufel, als ein gestürzter Engel, an Blutmangel leiden, und daß deshalb besonders der letztere geizig auf ein Tröpflein Bluts desjenigen Menschen besteht, der sich zu ihm in ein Schutzverhältnis begeben will. – Wenn der Teufel einem Menschen dienstbar geworden ist, so erscheint er vielfach nach dem slavischen Volksglauben als Drache. – Zahlreich sind die späteren Sagen, nach denen er sich in[190] seiner Ohnmacht und Kraftlosigkeit darstellt, so daß er von menschlicher List überflügelt wird. Dies geschieht z. B., wenn er junge Mädchen, wie auch im Erzgebirge erzählt wird, heimsuchen will.[4] Ein gläubiges Bekenntnis Christi jedoch vertreibt ihn; gottlosen Säufern und Fluchern aber dreht er die Hälse um; hier hat er Macht über den Menschen. Obschon der Teufel ein natürlicher Feind der Menschen und unter diesen besonders der Müller ist, vielleicht weil diese das ernährende Mehl liefern, so baut er auch wieder unter gewissen Bedingungen Mühlen auf. Bei Wehrau in der Oberlausitz wurde er von einem Müller betrogen, so daß er in seinem Zorne dessen Mühle, von welcher nur noch ein Wehr, »das Teufelswehr« vorhanden ist, zerschmetterte. Ein »Teufelswehr« giebt es auch in der Mulde oberhalb Auerhammer; doch scheint eine dazu gehörige Sage verloren gegangen zu sein. – Teuflische Tiere sind Katze, Kuckuck, Rabe u. a.; über dieselben werden noch einige Bemerkungen bei den einzelnen Sagen folgen.
Felsen, welche gegenwärtig die Bezeichnungen »Teufelsstein« und »Teufelskanzel« tragen, waren vielleicht heidnische Opferplätze. Einen Teufelsstein, mit welchem eine Wundersage verknüpft ist, giebt es bei Lauter. Teufelskanzeln kennt man an der Göltzsch zwischen Auerbach und Mühlgrün und zwischen Waldkirchen und Grün bei Lengenfeld. Denselben Namen führt auch der obere Teil des Friedrich-August-Steins in Schöneck.
[4] In Böhmen sagt man, wenn der Wirbelwind dahin fährt, darin fahre die Braut, welche sich der Teufel von der Erde holt. (Grohmann, Aberglauben und Gebräuche aus Böhmen und Mähren, S. 35.)
(Meltzer, Historia Schneebergensis, S. 1148–1153.)
Im Jahre 1559 hat sich zu Platten, der Schneebergischen Kolonie, wo damals noch alles evangelisch gewesen, ein Teufelsspiel geäußert, da der Satan eines Schmieds Tochter, mit Namen Anna, leibhaftig besessen und sie grausam gequälet, bis er wieder ausgetrieben worden. Bemeldete Schmieds Tochter hat sonst ein gutes Zeugnis gehabt, wie sie christlich, keusch und züchtig gelebt, zur Kirche gegangen, das heilige Sakrament oft gebraucht und die Evangelien mehrenteils auswendig gelernt; aber doch wäre sie zu Fastnacht aus Verhängnis Gottes vom bösen Geiste besessen und darauf krank niedergeworfen worden. Zu[191] Ostern habe man die leibliche Besitzung des Teufels verstanden, nachdem der Satan aus der Jungfrau leibhaftig zu reden angefangen und in der Stube in der Gestalt eines Kuckucks, Rabens und einer Hummel sich sehen und mit solcher Vogelstimme sich hören lassen und je länger je mehr von Tag zu Tag wunderliche Dinge geredet, sonderlich bei dem großen Zulauf des Volkes von Einheimischen und Fremden. Und wenn der Name Jesus genannt worden, habe er sich in der Jungfrau Augen gesetzt und ihr dieselben wie große Henneneier aus dem Kopfe herausgetrieben, daneben die Zunge einer Spanne lang wie eine zusammengeflochtene Wiede zum Mund herausgestreckt und ihr das Angesicht auf den Rücken gewendet. Wenn sie einmal Ruhe gehabt und gefragt worden, wie es ihr ginge, habe sie kurz geantwortet, es dünke sie, als wenn sie stets auf einem Wasser läge und ertrinken solle, aber es kämen noch allewege fromme Leute und hülfen ihr davon. Einstmals habe der Teufel bekannt, daß die Jungfrau ihn zu Fastnachten in einem Trunk Bier unter einer Fliege Gestalt getrunken, nachdem er ihr zwei Jahre nachgegangen wäre. Ein frommer Mann, mit Namen Elias Hirsch, ist alle Nacht bei der Jungfrau gewesen, hat ihr vorgebetet und sie getröstet. Einstens habe der böse Geist zu ihm gesprochen: »Elias, thue einen Reihen oder Tanz mit mir, tanz vor oder tanz nach!« Und da Elias geantwortet: »Du Schelm, Du gehörest nicht unter die Menschen, mit ihnen zu tanzen, tanze in das höllische Feuer!« so habe er wieder geantwortet: »So gehe hinweg, Du wirst einen feinen Tanz sehen.« Und indem er angefangen zu pfeifen, wäre eine Katze zur Stube herein, und ein Hund unter dem Tische hervorgelaufen, und diese hätten miteinander einen langen Tanz gethan, bis die Katze wieder zur Stubenthüre hinaus, und der Hund sich auch wieder verlaufen. Dergleichen seltsame Possen hätte der Teufel noch mehr angerichtet. Endlich aber ist er aus der Jungfrau durch der Priester und vieler frommen Christen Gebet und Seufzen getrieben worden und wie ein Fliegenschwarm zum Fenster hinausgefahren, nachdem er vorher von der Jungfrau ein Glied, dann einen Nagel vom Finger und zuletzt nur ein Haar begehret, gleichwohl aber nichts erhalten. Dabei hat er gesagt: »Alle, die nicht gern zur Kirche gehen wollen, selbst daheim lesen, zum Sakramente nicht gehen, im Fressen, Saufen und Wucher liegen, sind alle mein mit Leib und Seele. Und sofern diese Buße thun wollen, so will ich ausfahren.« Zu dem mit anwesenden Geistlichen von Schlackenwerthe sagte er noch: »Und Du Pfaff von Schlackenwerthe, vermahne die Deinen zur Buße, dahin fahre ich!« Welches denn dieser Pfarrer seiner Gemeinde öffentlich auf der Kanzel auch angesagt mit Vermahnung zur Buße.
Der Teufel läßt sich hier in Gestalt eines Kuckucks, Raben, oder einer Hummel sehen und schließlich fährt er wie ein Fliegenschwarm zum Fenster hinaus.
Daß der sonst als Frühlingsbote erscheinende Kuckuck auch ein Teufelstier ist und als Teufel selbst auftritt, beweisen die Redensarten: »Das weiß der Kuckuck! Des Kuckucks werden! Der Kuckuck hat ihn hergebracht!« Jedoch findet sich diese Vorstellung nur bei den Deutschen; bei den Slaven hat der Vogel nichts teuflisches (Grimm, Deutsche Myth., S. 393.) Auch der Rabe, einst dem Odhin dienstbar und ein prophetischer Vogel, ist zum Höllentiere geworden; die Seelen der Verwünschten und bösen Geister nahmen oft Rabengestalt an. (Rochholz, Deutscher Glaube und Brauch, I. S. 156. Grohmann, Aberglauben und Gebräuche aus Böhmen und Mähren, S. 65.)
Daß der Teufel auch die Gestalt einer Hummel annimmt, erzählt uns ebenfalls eine Sage aus Thüringen. Da gingen Mann und Frau, Bruder und Schwester zu Hauf heimlich in ein Haus und beteten den Teufel in einem Keller an; der kam in einer Hummel-Gestalt und flog jedem in den Mund. Und wer sich vor der Hummel neigte, dem ward viel Gutes. (Größler, Sagen der Grafschaft Mansfeld, S. 159). Eine andere Sage erzählt, daß auch der Kobold in Gestalt einer Hummel erschienen ist. (Größler, a. a. O., No. 87.) Der Teufel (Beelzebub) heißt Fliegengott. Märchen erzählen von teuflischen Geistern, die als Fliegen in einem Glase verschlossen sind. Der dem Bösen sich hinneigende nordische Gott des Feuers, Loki, verwandelt sich in eine Fliege. (Jac. Grimm, a. a. O., S. 559.)
Die nach unserer Sage einen langen Tanz aufführenden Hund und Katze sind hier ebenfalls bedeutsam. Die Katze, besonders die schwarze, gilt bald als Hexentier, bald als Hexe selbst oder ein verwünschter, böser Geist. Der anfänglich den Göttern geweihte Hund aber, dem auch die Gabe der Weissagung verliehen ist, wurde Bote und Hüter der Schatten in der Unterwelt. (Rochholz, a. a. O., I., S. 158.)
(T. Schmidt, Chron. Cygnea. II., S. 692.)
Im Jahre 1645 ist ein Soldat von der schwedischen Besatzung zu Chemnitz nach Zwickau gekommen, hat aber bald darauf seine Frau und Kinder wieder böslich verlassen und ist wieder zu den Schweden gelaufen. Als nun dessen Weib in höchster Armut lebte und sich sehr bekümmerte, wie sie sich und ihre Kinder nähren solle, ist der Teufel etlichemale zu ihr gekommen, hat ihr ein Säcklein mit Geld vorgehalten und gesagt, wenn sie sich ihm ergeben wolle, werde er ihr dieses geben, und so dies verzehrt, noch mehr bringen. Die Frau hat sich aber des allezeit durch's Gebet erwehrt und es endlich so weit gebracht, daß er sie ganz in Frieden gelassen.
(Moller, Theatr. Freiberg. S. 425 etc. Gräße, Sagenschatz d. K. Sachsen, No. 284.)
Im Jahre 1600 ist Anna Stephan Fiedlerin zu Freiberg eines Kindes genesen, und als ihr Mann bei ihr am Bette gesessen und der Gevatterschaft halber sich mit ihr unterredet, ist dieser plötzlich krank geworden, worüber sie sich dermaßen entsetzt, daß ihr Blut über sich gestiegen und ihr Schmerzen über Schmerzen zugezogen. Von da an hat sie immer abscheuliche Convulsionen und Gesichte gehabt, ist ihr auch der Teufel mehrmals, das eine Mal in Gestalt der Hebamme erschienen und hat sein Spiel mit ihr getrieben. So hat er sie einmal aus dem Bette gerissen und oben auf die Dachrinne zwischen ihrem und ihres Nachbars Hause gesetzt, ein anderes Mal hat man sie um drei Uhr des Morgens auf dem Ofen, ein andermal vor dem Fenster auf einem Stein gefunden, endlich ist sie einmal in Gegenwart zweier Zeugen im Bette mit dem ganzen Leibe, Händen und Füßen aufgehoben worden, und ohne daß sie irgendwo angestoßen, hat sie so frei geschwebt, also daß man geglaubt, sie wolle zum Fenster hinaussehen etc.; in der Kirche ist der Teufel wie eine Katze oder Hund ihr um die Beine gekrochen, dann hat sie aber zum öftern einen weißen hellen Glanz gesehen, der sie getröstet und in die Zukunft hat sehen lassen, worauf sie vielerlei wunderbare Sachen, unter andern die Drangsale Freibergs im 30jährigen Kriege, prophezeit hat. Endlich, nachdem weder Beschwörungen noch Zureden und Ermahnungen der Geistlichkeit, noch Arzneimittel geholfen, sondern ihr Zustand an die 20 Jahre angedauert, also daß sie zuletzt drei ganze Jahre verschlossenen Leibes gewesen, ist sie den 10. Oktober 1620 selig verstorben.
(Gräße, Sagenschatz d. K. S., No. 363.)
Im Kloster Zelle befand sich im Jahre 1630 eine Magd, welche dem abergläubischen Brauche nach in der heiligen Christnacht hinterrücks durch die Stubenthüre hinausgriff. Sie ist aber durch göttliches Verhängnis von einem höllischen Gespenst gar hinausgezogen und sehr übel traktiert worden, also daß sie ihr Lebtage hat hinsiechen müssen.
(Moller, Theatrum Freib. Chron. II., S. 203.)
Zu Anfang der Reformation lag zu Freiberg ein ehrlicher Bergmann, namens Benedix Reisiger, sehr krank darnieder. Zu diesem ist der Teufel mit einem langen Papier, fast einer Kuhhaut gleich, gekommen und hat gesagt, er wäre als Notar abgefertigt, alle Sünden, die er begangen, aufzuzeichnen. Dabei hat er sich beim Bette niedergesetzt, Feder und Tinte zur Hand genommen und den Bergmann ernstlich vermahnt, ihm die Sünden aufzuzählen. Wiewohl nun der Bergmann etwas darüber erschrocken, so hat er doch wieder Mut gefaßt, sich des Herrn Christi getröstet und geantwortet: »Ich bin ein armer Sünder, das bekenne ich; willst Du meine Sünden ja aufschreiben, und bist Du deswegen hergekommen, so schreib oben an: Des Weibes Samen Jesus Christus hat der Schlange den Kopf zertreten.« Wie solches der Teufel gehöret, ist er alsbald mit Papier und Tinte verschwunden, daß nichts als ein übler und abscheulicher Gestank von ihm übrig geblieben. Der Bergmann aber ist im festen Glauben an das Verdienst Christi kurz darauf sanft und selig verstorben.
(Moller, Theatrum Freibergense. II., S. 393.)
Es geschahe im Jahre 1609, daß ein Bergmann, welcher sonst seines stillen und eingezogenen Wandels wegen gutes Lob gehabt, in der Fastnachtszeche von einem andern zu Üppigkeit und etlichen leichten Reden über Gott und göttliche Dinge verleitet wurde. Unter andern meinte er, daß er schon gute Gesellen genug in der Hölle antreffen würde, für den Fall er einmal dahin käme. Diesem Bergmanne nun ist eines Abends auf dem Heimwege der Teufel in schrecklicher Gestalt erschienen, hat ihm gedroht und gesagt, daß, wenn er erst rechte Macht über ihn habe, wolle er ihn an den Ort führen, wo er seine guten Gesellen fände. Der Teufel ist auch eine Zeit lang neben ihm in die Grube und aus derselben wieder herausgefahren, so daß der Bergmann nirgends Ruhe fand. Endlich suchte er Trost bei seinem Beichtvater, nahm das heilige Abendmahl, mied böse Gesellschaften und begann wieder ein gottesfürchtiges Leben. Darauf hat sich der Teufel nicht wieder bei ihm sehen lassen.
(Meltzer, Hist. Schneebergensis, S. 1267.)
An der böhmischen Grenze soll sich zugetragen haben, daß einst sechs berufene Säufer in der Nacht vom Sonnabend zum Sonntage bis zum Morgen bestialisch gesoffen und dem Gemälde des Teufels an der Wand etliche Mal zugetrunken haben. Da einer von ihnen wegen empfundenen Schreckens zeitlich davon gegangen, sind die andern fünf des Morgens um sechs Uhr mit schlotternden und gebrochenen Hälsen tot gefunden worden. So haben sie zum Schrecken anderer bis an den dritten Tag gelegen.
Im Wesentlichen damit übereinstimmend, erzählt auch eine Oberlausitzer Sage von fünf wüsten Gesellen bei Zittau, welche gar sehr miteinander geflucht hatten, so daß ihnen der böse Geist die Hälse so jämmerlich verdrehte, als wenn ihnen der Diebeshenker dieselben mit einem Rade zerstoßen hätte. Andern zum Abscheu ließ man die häßlichen Leichname ebenfalls drei Tage lang liegen. (Haupt, Sagenbuch der Lausitz, No. 126.)
(Gräße, Sagenschatz d. K. Sachsen, No. 553.)
Zur Stadt Chemnitz gehört ein altes, im gotischen Stile gebautes Schloß, und hier zeichnet sich besonders die Schloßkirche aus, deren prächtiges Portal von der Kunst der Vorfahren deutlichen Beweis liefert. Das Schloß selbst war früher ein Kloster, das wegen der Sittenverderbnis seiner Mönche im ganzen Lande weit und breit verrufen war. Mit der Erbauung des Schlosses war aber der Teufel keineswegs zufrieden. Er beschloß daher ein ewiges Zeichen seiner Mißbilligung der Mit- und Nachwelt zu hinterlassen. Kaum war die Kirche des neuen Mönchsklosters vollendet, als er in einer Nacht die Treppen herauf schritt und dem Altare und der Kanzel gegenüber noch eine Kanzel zu bauen begann. Rasch, mit höhnischem Lächeln vollendete er seine Arbeit. Um aber den Mißmut der geistlichen Brüder zu vergrößern, vermauerte er die Kanzel, damit niemand sie betreten und benutzen könnte. Der Tag begann zu dämmern, als er mit seiner Arbeit zustande gekommen war, und er ging, um seinen Heimweg anzutreten. Zuvor aber trabte er in das Schiff der Kirche, beschaute sich sein Werk und befand es für gut. Dann entfernte er sich eiligst. Am Morgen aber, als die Brüder zu beten kamen, erstaunten sie nicht wenig über die neue Kanzel und stiegen die Treppe aufwärts, um zur Kanzel zu gelangen. Siehe, sie war vermauert. Voll[196] Entsetzen fanden sie aber auch die Spur eines eingedrückten Pferdehufes. Sogleich erkannten sie den Schöpfer dieses Werkes und zugleich seinen bösen Willen. – Noch jetzt sieht man die Kanzel unbeschädigt und kennt sie in der ganzen Gegend unter dem Namen der Teufelskanzel.
(F. A. Türke im Glückauf, 2. Jahrg., No. 3.)
Von der alten, kleinen Katzenmühle bei Buchholz erzählt die Sage, daß einst in einem zu derselben gehörigen Stalle der Teufel sein Wesen getrieben und einige Zeit darauf ein Bärenführer seine zwei Bären nach einigen Bedenken des Müllers die Nacht über darin eingestellt habe, die den Teufel nach großem Lärm vertrieben hätten. Mehrere Tage darauf sei der Teufel im Walde zu dem Müller gekommen und habe ihn gefragt, ob er seine großen Katzen noch habe. Diese Frage sei vom Müller bejaht worden, worauf der Teufel sich schnell entfernt hätte und nie wiedergekehrt wäre.
Der Bär war ein Bild des Winters, der Vernichtung und des Todes. In der Schweiz erscheint er als neckendes Nachtgespenst und in Tirol als Ungetüm, das einen geisterhaften See bewohnt. Die nordischen Sagenhelden Dietrich und Artus erscheinen als Bären (Henne-Am-Rhyn, die deutsche Volkssage, S. 150); der Bär vertreibt Gespenster und beschützt, wenn er im Stalle ist, das Vieh vor Behexung. Ein Bär besiegt Unholde, welche einen Bauer beunruhigen; er ist dem Dämonenüberwinder Donar, vielleicht weil er wie dieser im Winter schläft, geheiligt. Nach einer Lausitzer Sage wird in der Ölmühle bei Frauendorf nicht der Teufel, sondern ein lästiger Wassernix von einem Bären vertrieben, und wie in der Katzenmühle bei Buchholz fragt er später den Müller, ob er seine große Katze noch habe, um nicht wieder zu kommen, als er auf diese Frage eine bejahende Antwort erhält. – In einer norwegischen Sage nennt ein Unhold den Bären ebenfalls große Katze. (Haupt, Sagenbuch d. Laus., No. 49. Veckenstedt, Wendische Sagen, S. 195.)
(Nach K. Winter in Gräße, Sagenschatz d. K. Sachsen, No. 209.)
Auf dem Wilischberge bei Glashütte, einem der letzten Ausläufer des Erzgebirgs, erblickt man noch einige wenige Trümmer von dem Schlosse des Raubritters Wittig, der eigentlich Dietrich von Bern geheißen haben soll; aber unten am Fuße des Berges, im Teufelsgrunde, wohnte seine Mutter, eine schreckliche Zauberin, in einer Mühle, die der Teufel erbaut hatte. Sie hatte dieselbe vom Teufel in Pacht, durfte aber nur auf zwei Gängen mahlen, den dritten hatte sich der Teufel als Auszug[197] vorbehalten; da konnte er mahlen, was er wollte. Niemand kam der Mühle zu nahe, und wenn sich jemand im Walde verirret hatte und das Klappern der Teufelsmühle hörte, welches ganz anders wie bei einer gewöhnlichen Mühle klang, schlug er ein Kreuz und rannte, was er konnte, davon.
Beim Baue der großen Mühle in Bautzen hatte ebenfalls der Teufel geholfen; dafür mußte ihm der Müller den 16. Gang überlassen. Auf diesem dem Teufel verschriebenen Gange mahlte derselbe (als Beelzebub oder Kotgott) Pferdeäpfel (Haupt, Sagenbuch etc. No. 98 und 109). Vielleicht that er dies auch auf dem dritten Gange der Teufelsmühle am Wilischberge, wenigstens deutet die Bemerkung, daß es dort ganz anders wie bei den gewöhnlichen Mühlen geklungen habe, darauf hin. – Es giebt auch eine Teufelsmühle zwischen Querfurt und Obhausen, welche mit Hülfe des Teufels erbaut wurde; dafür sollte letzterem zwischen 12 und 1 Uhr nachts die Mühle allein zur Verfügung stehen. (Größler, Sagen der Grafschaft Mannsfeld, No. 283.)
(Gräße, Sagenschatz des K. Sachsen, No. 519.)
Im Dorfe Frohnau bei Annaberg lebte vor alter Zeit ein Steiger, Namens Günzer, ein frommer und redlicher Mann. Einst kehrte er zur Winterszeit von seinem Tagewerke in der Grube nach seiner Wohnung mitten durch den Wald zurück, da trat plötzlich ein Mann aus dem Dickicht vor ihn hin und bat ihn, er möge ihm doch gestatten mit in sein Haus zu gehen und daselbst die Nacht hinzubringen, weil er sich nicht getraue im tiefen Schnee und der herrschenden Finsternis den Weg weiter zu finden. Zwar gefiel dem Steiger weder die Stimme noch das Aussehen des Bittenden, allein er hatte Mitleid mit ihm und gewährte ihm also seinen Wunsch. Sie schritten nun stumm neben einander bis ins Dorf, als sie aber an das Haus Günzers gekommen waren und ihnen die Tochter desselben, Katharina, die Thür geöffnet hatte, stieß diese bei dem Anblicke des fremden Gastes ein furchtbares Wehegeschrei aus, ließ vor Schreck die Lampe fallen, welche sie in der Hand trug, und als der bekümmerte Vater dieselbe wieder angezündet und seine in Ohnmacht gefallene Tochter wieder zum Leben gebracht hatte, sah er erst, daß jener verschwunden war. Er hatte nun nichts Eiligeres zu thun, als seine Tochter zu fragen, warum sie so erschrocken sei, allein diese antwortete, es sei der Teufel gewesen, der sie als Braut heimführen wolle; sie habe nämlich vergangene Nacht geträumt, sie liege im Walde und es komme ein Mann, ganz so wie der eben verschwundene Fremde, auf sie zu und nenne sie seine[198] Braut, küsse sie und lasse dann bei seinem Weggehen sich durch seine Hörner, Schwanz und Pferdefuß als den Teufel erkennen. Der alte Günzer war eben daran, sie zu trösten, da erblickte er auf dem Tische ein Blatt Papier, auf welchem geschrieben stand: In 9 Wochen werde ich um Mitternacht an's Fenster pochen und meine Braut heimführen! Nun war kein Zweifel mehr, daß der Traum in Erfüllung gegangen war. – Vater und Tochter verlebten nun 9 Wochen in Angst und Sorgen, sie beteten zwar von früh bis abends, gingen auch zum Abendmahl, allein eine innere Stimme sagte ihnen, daß der Böse nicht so leicht von ihnen lassen werde. Und so war es auch; als die Mitternachtsstunde des letzten Tages jener Frist verstrichen war, da pochte es ans Fenster und schrie mit schrecklicher Stimme: »Braut heraus, Braut heraus!« Günzer aber rief laut Gott um Beistand an und der Gottseibeiuns verschwand unter Donner und Blitz mit den Worten: »Noch 9 Tage Frist, dann bist Du meine Braut, oder Eure Hütte steht in Flammen!« So verstrichen abermals 9 Tage unter Angst und Sorgen; wieder kam die gefürchtete Mitternachtsstunde heran und mit dem zwölften Schlage klopfte es an das Fenster und rief: »Heraus die Braut, sonst brennt das Haus!« Aber der alte Günzer schloß seine besinnungslose Tochter in seine Arme und sprach: »Um Christi Wunden hebe Dich weg von uns, Satanas!« Da brüllte der Teufel: »Braut, das Haus steht in Flammen! Nochmals 9 Wochen Frist, und bist Du dann noch nicht mein, so wird Dein Vater elendiglich enden!« Mit diesen Worten verschwand er zwar, allein auch das ganze Haus stand in Feuer und nur mit der größten Mühe retteten beide ihr Leben. – Sie flohen nun zuerst zu Verwandten, allein bald bauten ihnen mitleidige Menschen eine andere Hütte am Rande des Waldes, denn ihre frühere war zu einem stinkenden Schwefelpfuhl geworden. Allein auch hier ward es nicht besser; schon kam wieder die neunte Woche heran, da übermannte einst am hellen Mittag Käthchen der Schlaf und es träumte ihr, der Teufel mit seinem Gefolge schaue zu ihrem Fenster herein und wolle sie in seine höllische Residenz entführen, und als sie unter einem furchtbaren Schrei aus dem Schlafe auffuhr, da that sich auf einmal die Thüre auf und ein Engel, umstrahlt von Rosenlicht, schwebte herein, ein Crucifix hoch in der Hand tragend, winkte ihr und sprach: »Folge mir, ich bringe Dir Frieden!« Er führte sie nun mitten durch den Wald auf einem ihr gänzlich unbekannten Wege, bis sie an einen Felsen kamen, der öffnete sich, als der Engel ihn mit dem Kreuze berührte, und nun schritten sie durch eine Felsenspalte, bis sie an ein hohes Thor kamen, was wie Silber glänzte; vor diesem saßen sieben Greise mit spitzen[199] Mützen und langen Bärten. Als sie aber das Crucifix erblickten, da neigten sie sich tief und der Engel und die Jungfrau traten in einen hohen Saal, der mit lauter Edelsteinen verziert war und durch deren Glanz sein Licht empfing; in diesem lag auf kostbarem Lager unter einem prächtigen Baldachin eine wunderschöne Frau, umstrahlt von einem Sternenkranz und zu ihren Füßen lagen sieben Zwerge betend auf den Knieen. Als diese den Engel erblickte, fragte sie ihn, was ihn herführe, dieser aber erzählte ihr die furchtbare Gefahr des unglücklichen Mägdleins und bat sie um Hülfe. Hierauf gebot die Fürstin der Berge – denn das war sie – einem der Zwerge, ihr eine Urne von Sardonyx aus einem Krystallschränkchen zu bringen, nahm daraus ein Kreuz von blitzenden Diamanten und sprach: »Käthchen, trage dieses Kreuz stets auf Deiner Brust und der Böse wird Dir nichts anhaben können!« Bei diesen Worten nahm der Zwerg eine Schnur Perlen aus der Urne, knüpfte daran das Kreuz und hing es ihr um den Nacken. Damit nahm der Engel Käthchen wieder bei der Hand und führte sie denselben Weg wieder zurück, den sie gekommen waren, und als er den Felsen wieder mit Hülfe des Crucifixes geöffnet, da nahm er Abschied von ihr und sprach, sie solle ruhig sein, denn sie stehe in Gottes Schutz. Als Käthchen nach Hause kam, fand sie ihren Vater daheim und erzählte ihm, was ihr begegnet war, zeigte ihm auch das Kreuz als Beweis der Wahrheit ihrer Erzählung. Da erwiderte ihr derselbe, daß auch ihm etwas Ähnliches widerfahren, denn er habe im Schachte beim Graben ein goldenes Jesuskreuz gefunden. Als sie es näher betrachteten, um vielleicht ein Merkmal zu finden, an welchem sie den rechten Besitzer erkennen könnten, sahen sie den Namen des Steigers darauf geschnitten, mit den Worten: »Dem Gläubigen hilf Jesus Christus.«
So erwarteten sie voll guten Mutes das Ende der Woche und die früher so gefürchtete Mitternachtsstunde. Endlich schlug sie, und kaum war der letzte Schlag verklungen, da pochte es an das Fenster und brüllte: »Heraus die Braut, heraus die Braut!« Da öffnete Käthchen selbst das Fenster und hielt dem Bösen ihr schimmerndes Kreuz entgegen und unter furchtbarem Wehgeschrei wich er zurück, zuvor aber rief er: »Käthchen, Dich schützt Gottes Macht, ich habe keinen Teil an Dir, aber jetzt ist die Reihe an Dir, Günzer, mir in die Hölle zu folgen; komm heraus, daß ich Dich packen kann!« Allein auch hier mußte er weichen, denn Günzer hielt ihm sein goldenes Jesuskreuz entgegen. Aber diesmal verschwand er nicht so ruhig, wie die frühern Male. Ein furchtbares Gewitter begann sich zu entladen, ein Orkan warf die stärksten Bäume nieder und erschütterte das Häuschen in[200] seinen Grundfesten, der zum Strom angeschwollene Waldbach drohte dasselbe wegzureißen, allein kaum schlug es Eins, so war alles wieder still und der Mond leuchtete silberhell durch die finstern Wolken.
So ward nun Käthchen ihres höllischen Bräutigams ledig, und nach zwei Jahren ehelichte sie ein wackerer Bergmann aus Frohnau, der ihr schon längst sein Herz geschenkt hatte, der Bergmeister aber verlieh demselben die Stelle des alten Günzer, der sich nunmehr zur Ruhe setzte und den Rest seines Lebens bei seinen Kindern zu verleben gedachte. Noch schenkte ihm Gott zehn Jahre und er hatte die Freude, innerhalb dieser Zeit drei Enkel auf seinen Armen zu wiegen.
Als ihn aber Gott abrief, da vergaß sein Käthchen nicht, welches Los er mit ihr geteilt und wie die Fürstin der Berge sie herrlich geführt hatte. Darum ließ sie ihren Vater an jener Stelle am Felsen bestatten, wo der Engel denselben gespalten hatte, und nun ging sie jeden Tag hin, um dort für das Seelenheil des geliebten Verstorbenen zu beten. Dies that sie lange Jahre, bis sie selbst eine Greisin war. Einst aber ging sie auch, um an dem Grabe ihres Vaters zu beten, und kehrte nicht zurück, und als ihr Mann und ihre Kinder hinausgingen, um sie zu suchen, da fanden sie nur ihre Leiche; aus dem Felsen trat aber ein Engel im Rosenlicht, küßte die Entseelte auf die Stirne, nahm ihr das Demantkreuz ab und schwang sich damit zum Himmel auf. Der tiefbetrübte Gatte aber rief einige seiner Kameraden herbei und brach ihr ein Grab in den Felsen ein, und als Raum genug vorhanden war, um den Sarg hineinzusetzen, und die Leidtragen eben damit beschäftigt waren, denselben an seinen Ort zu stellen, da schwebten zwei Engel herab, hoben ihn von der Bahre, stellten ihn in den Felsen und schlossen denselben wieder mit einem großen Quadersteine so geschickt, daß niemand mehr sehen konnte, wo die Öffnung gewesen war. Seit jener Zeit aber nennt man jenen Felsen, wo Käthchen den ewigen Schlaf schläft, den Käthelstein.
(Deutsche Volkssagen. Herausgegeben von den Brüdern Grimm. 2. Aufl. 1. B., No. 329.)
An der Eger, dem Dorfe Aich gegenüber, ragen seltsame Felsen empor, die das Volk »Hans Heilings-Felsen« nennt und wovon es heißt, vor alten Zeiten habe ein gewisser Mann, namens Hans Heiling, im Lande gelebt, der genug Geld und Gut besessen, aber sich jeden Freitag in sein Haus verschlossen und diesen Tag über unsichtbar geblieben[201] sei. Dieser Heiling stand mit dem Bösen im Bunde und floh, wo er ein Kreuz sah. Einst soll er sich in ein schönes Mädchen verliebt haben, die ihm auch anfangs zugesagt, hernach aber wieder verweigert worden war. Als diese mit ihrem Bräutigam und vielen Gästen Hochzeit hielt, erschien mitternachts 12 Uhr Heiling plötzlich unter ihnen und rief laut: »Teufel, ich lösche Dir Deine Dienstzeit, wenn Du mir diese vernichtest!« Der Teufel antwortete: »So bist Du mein!« und verwandelte alle Hochzeitsleute in Felsensteine. Braut und Bräutigam stehen da, wie sie sich umarmen, die übrigen mit gefalteten Händen. Hans Heiling stürzte vom Felsen in die Eger hinab, die ihn zischend verschlang und kein Auge hat ihn wieder gesehen. Noch jetzt zeigt man die Steinbilder, die Liebenden, den Brautvater und die Gäste, auch die Stelle, wo Heiling hinabstürzte.
(Mitgeteilt vom Dir. Röder im Glückauf, 3. Jahrg., S. 21.)
Der wilde Graf Iso von Isenburg saß noch in mitternächtiger Stunde in seiner Burg beim Weinkrug. Er langweilte sich und meinte, wenn er nur einen Genossen hätte, derselbe könnte selbst der Teufel sein. Da erschien der Teufel und forderte den Grafen zum Würfelspiel auf. Dem kam diese Aufforderung gerade recht; denn das Würfelspiel liebte und trieb er leidenschaftlich. Mancher Wurf ward gemacht, doch der Graf verlor fortwährend und hatte schon alle seine Knechte und Mägde und zuletzt sich selbst verspielt. Da gelüstete es dem Teufel nach Isa, der einzigen Tochter des Grafen. Dieser liebte aber seine Tochter über alles und hätte für sie sein Leben jederzeit geopfert; denn sie war in seinem rohen und wüsten Leben der einzige Stern, zu dem er mit aufrichtiger Ehrfurcht emporblickte. Ihre Schönheit und sittliche Reinheit hatte schon manchen Rittersmann bezaubert, doch nur dem edlen Kuno von Stein hatte sie ihre Liebe mit jungfräulicher Schüchternheit erwidert. Der Graf wollte seine geliebte Tochter Isa nicht auf den Wurf setzen. Doch der Teufel bot ihm die Freiheit für sich und seine Knechte und Mägde und noch so viel Geld, als er mit seinem gewaltigen Streitrosse wiege, wenn er gewönne. Der Graf zögerte trotz der Versprechung und wollte den verhängnisvollen Wurf nicht thun. Der Teufel drängte, denn in kurzer Zeit war die Mitternachtsstunde vorüber und seine Macht zu Ende. Da that der Graf einen gewaltigen Zug aus seinem Humpen, ergriff die beiden Würfel und warf – jubelnd sprang er auf – er hatte[202] 12 geworfen. Unter Hohngelächter forderte er den Teufel auf, mehr zu werfen. »Soll geschehen!« sprach dieser, schüttelte die Würfel und mit einem gewaltigen Donnerschlag rollten diese auf den eichenen Tisch und zeigten – 13. Da riß der Graf in furchtbarem Zorn sein Schwert heraus und wollte den betrügerischen Teufel erwürgen. Doch dieser hauchte seinen schwefeligen Odem aus – und kraftlos sank der Graf auf seinen Stuhl zurück. »Wehe, wehe! Niemals sollst Du meinen Engel, meine Isa haben!« murmelte der zerknirschte Graf und sah mit ängstlich stierem Blick auf seinen schrecklichen Spielgesellen. Da schien der Teufel Erbarmen zu fühlen und machte dem Grafen den Vorschlag, er solle seine Isa entweder seinem Todfeinde Riedhard von Eisenbrück zum Weibe, oder dem Kloster Grünhain als Nonne übergeben. Der Graf war aufs tiefste empört und wollte nichts von dem Vorschlage wissen; denn der fürchterliche Riedhard war ihm ebenso verhaßt, wie seiner lieben Isa das Lebendigbegrabensein hinter Klostermauern. Der Teufel drängte zur Entscheidung, da die Mitternachtsstunde zu Ende ging, und drohte, den Grafen mit sich fortzunehmen. Dieser gelobte, Isa dem Kloster zu übergeben. In einer blauen Wolke verschwand der Satan. Der Graf aber gedachte den Teufel zu betrügen und seine Isa dem Kloster wieder zu entführen. – Die schweren Thore des Klosters Grünhain schlossen sich hinter der jammernden Isa. Weder die tröstenden Worte der Oberin, noch die freundlichen Zusprachen der Klosterschwestern vermochten die arme Isa zu beruhigen. Ein unbezwinglicher Gram zerstörte das blühende Leben. – Nach einigen Monaten stand an der westlichen Klostermauer allabendlich im Dunkel eine vermummte Gestalt, die stets mit dem frühesten Morgengrauen wieder verschwand, während im Kloster ein einziges Fensterlein matt erleuchtet war. In der siebenten Nacht nach der Mitternachtsmesse durcheilte flüchtigen Laufs eine Nonne den baumreichen Klostergarten und gelangte mit Hülfe des Vermummten über die Mauer. Beide verschwanden im Dunkel und eilten dem nahen Walde zu. Als das Glöcklein zur Frühmesse rief, kam Schwester Barbara (das war der Klostername Isa's) nicht aus der Zelle – sie war verschwunden. – Alle Räume des Klosters wurden durchforscht, jedoch vergeblich. Da entsandte die Oberin Klosterknechte mit Spürhunden in die umliegenden Wälder, doch die Flüchtigen hatten einen großen Vorsprung nach dem dichtbewaldeten Gebirge zu gewonnen. Als am 3. Tage die Sonne sich neigen wollte, standen die Flüchtigen auf einer hohen Felswand, an deren Fuß das Schwarzwasser rauschte. Da verkündete Hundegebell die Nähe der Verfolger und zwischen den uralten Fichtenstämmen zeigten sich die Klosterknechte. Schon sind die[203] Hunde heran, die Fliehenden hören den Zuruf der Klosterknechte – da ertönt ein markdurchdringender Schrei – der jähe Sprung in die schauerliche Tiefe erfolgt. – Hunde und Häscher finden weder in den Wellen noch im Walde eine Spur der Flüchtigen. Der Felsen bedeckte sich mit schwefeligem Gelb und wird heute noch der Nonnenfelsen genannt.
Der um einen Einsatz mit dem Menschen würfelnde Teufel kommt in mehreren Sagen vor. Nach einer Lausitzer Sage (Haupt, a. a. O., No. 103), wird jedoch dabei der Teufel, welcher 6 Augen warf, betrogen, da sein Gegner ein Auge mehr hatte; eins war nämlich beim Werfen herausgesprungen und lag neben dem Würfel.
(Gießler, Sächs. Volkssagen. Stolpen o. J., S. 282.)
Hinter dem Gute Turmhof vor der Stadt Freiberg bemerkt man die Überbleibsel eines ehemaligen bedeutenden Bergbaues. Dort war vor mehr als drei Jahrhunderten das Berggebäude »Turmhof« gangbar, welches zu den hervorragendsten der damaligen Zeit gehörte und in seinen Anfängen vielleicht bis in die Zeit der Gründung Freibergs zurückreichte. Wie aber alles in der Welt der Vergänglichkeit zum Opfer fällt, so waren auch die Tage dieser Grube gezählt, denn schon vor Jahrhunderten kam sie zum Erliegen, wie manche ihrer Genossinnen, und die Ausbeute der Gewerken verwandelte sich in Zubuße. Wodurch nun der Turmhof zum Erliegen gekommen, darüber giebt folgende Sage Aufschluß.
Eine wichtige Person bei der Grube war der Kunststeiger Heinrich; er verstand das Maschinenwesen seiner Zeit wie keiner, das aber wußte er auch und ließ sich deshalb von niemand in sein Fach hineinreden, nicht einmal vom Obersteiger, der doch sein Vorgesetzter war. Deshalb gab es auch mancherlei Zwiespalt zwischen den beiden, und mit der Zeit hatte sich eine Feindschaft herausgebildet, die namentlich dem Obersteiger seine Stellung sehr verleidete. Der Kunststeiger war bekannt und gefürchtet wegen seines abstoßenden Charakters. Neid, Habsucht, Rachetrieb, Streitsucht, namentlich beim Kartenspiel, dem er absonderlich zugethan war, und sonstige üble Eigenschaften hafteten an ihm und brachten ihn fortwährend in Händel mit seiner Umgebung. Auch erzählte man sich von ihm, daß er einen Pakt mit dem Teufel geschlossen habe. Dieser Kunststeiger hatte nun einen Sohn mit Namen Veit, einen muntern, freundlichen und friedliebenden Jüngling mit bravem, rechtschaffenem Herzen, der ebenfalls dem Bergmannsstande[204] angehörte und auf dem Turmhofe anfuhr. Sein Vater, obschon ein rauher und harter Mann, war ihm doch mit wahrhaft abgöttischer Liebe zugethan.
Auch der Obersteiger Gebhardt vom Turmhof hatte ein Kind und zwar ein vielumworbenes hübsches Töchterchen, welches Johanna hieß. Alle Bemühungen um ihre Hand wurden aber von Johanna zurückgewiesen, denn sie hatte sich bereits mit des Kunststeigers Sohn Veit heimlich verlobt, und wenn letzterer die ihm bereits verheißene Anstellung als Untersteiger erhalten haben würde, wollten sie Hochzeit machen, falls ihre Väter (die Mütter waren bereits gestorben) nichts dagegen hätten. Der Obersteiger erfuhr auch sehr bald aus dem Munde seiner Tochter, wie die Sache stand, und seine Bedenken wurden durch die Thränen und Bitten der Tochter und im Hinblick auf Veits bergmännische Tüchtigkeit und untadelhafte Aufführung endlich beseitigt.
Anders war es bei dem alten Kunststeiger. Derselbe grollte mit dem Obersteiger fort und trachtete darnach, demselben Schaden zuzufügen. Dazu sollte ihm das unlängst geschlossene Bündnis mit dem Teufel helfen. Für die Dienste, welche ihm letzterer zu gewähren versprochen hatte, sollte ihm der Kunststeiger Heinrich alljährlich die Seele eines Menschen liefern, und zwar sollte es jederzeit derjenige sein, welcher am letzten Tage des Jahres der letzte beim Ausfahren aus der Grube Turmhof wäre. – Wieder war der letzte Tag des Jahres erschienen, an welchem nach dem Vertrage der Plan des bösen Kunststeigers zur Ausführung kommen mußte. Die Schichtzeit war abgelaufen, die Zeit zum Ausfahren gekommen. Die sämtliche Mannschaft befand sich auf der Fahrt; der Obersteiger war vom Kunststeiger durch irgend einen Vorwand in der Grube zurückgehalten worden. Jetzt kamen sie zum Schachte; da bestieg der Kunststeiger schnell die Fahrt und gab vor, dem Obersteiger beim Hinausfahren das Öffnen des Schachtdeckels ersparen zu wollen. So gelangte der Obersteiger als der letzte zum Ausfahren.
Der Himmel aber fügte es, daß der Kunststeiger dennoch eine falsche Rechnung gemacht hatte. Sein eigener Sohn Veit war, unbemerkt von ihm, noch in der Grube zurückgeblieben. So wurde dieser nun derjenige, der zuletzt zum Ausfahren kam; – aber er hat das Tageslicht nicht mehr gesehen und keines Menschen Auge erblickte den Unglücklichen jemals wieder. Der Teufel lauerte seinem Opfer auf und stürzte es rücklings in die grausige Tiefe. Als der Kunststeiger seinen Feind, den Obersteiger Gebhardt, rüstig und ohne Fährlichkeit Sprosse um Sprosse hinter sich nachfahren sah, mochte er sich wohl wundern, daß der Satan sich nicht des letzteren bemächtigte. Mit Unwillen und Staunen bemerkte er, daß sein Widersacher unbeschädigt nach ihm die[205] Schachtkaue betrat. Als er aber mit düster forschendem Blicke die Mannschaft überschaute, und unter ihr seinen Sohn Veit vermißte, da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen; der Teufel hatte ihn um das liebste, für welches sein verknöchertes Herz noch Gefühl gehegt, betrogen. Bewußtlos sank er zusammen.
Die Abwesenheit Veits war bald bemerkt worden; man wunderte sich über sein Außenbleiben. Da erhob sich der endlich zum Bewußtsein gekommene Kunststeiger mit irrem Blicke. Hastig schrie er: »Ich will sehen, wo mein Sohn geblieben ist!« Dann fuhr er zurück in die Grube. »Niemand folge mir, dem sein Leben lieb ist!« herrschte er den Knappen zu, die sich erbötig zeigten, den bekümmerten Vater zu begleiten.
Die Berghäuer gehorchten und lauschten nur hinab in die Tiefe.
Da erscholl es drunten wie von mächtigen Axthieben und man vernahm bald darauf ein entsetzliches Geprassel. Erschrocken flohen die Leute, denn sie befürchteten des Schachtes baldigen Einbruch und hatten sich nicht getäuscht. Der Kunststeiger zerhieb mit furchtbaren Axtschlägen die Kunstgestänge und zerstörte die Gerinne, in welchen das starke Aufschlagwasser zum Umtriebe des Kunstrades über den Schacht geleitet war, so daß die ganze Wassermasse sich in die Tiefbaue ergoß und bald die ganze Grube ersoff. In den wild hereinstürzenden Gewässern hat der Kunststeiger seinen Tod gefunden. Der Teufel verpaßte seine Zeit nicht: er hatte ihn drunten geholt.
Des Obersteigers Tochter Johanna verfiel infolge jenes trübseligen Ereignisses in ein hitziges Fieber, an welchem sie lange in Lebensgefahr darniederlag. Die Jugend half ihr die Krankheit überwinden, aber sie war und blieb für immer tiefsinnig. So trat sie in das in der Sächsstadt zu Freiberg gelegene Jungfrauenkloster zur heiligen Maria Magdalena ein. Erst später verließ sie es wieder, als dasselbe bei der Reformation gänzlich aufgelöst wurde, und kehrte in die Welt zurück. Die Grube Turmhof kam nach jenem unglücklichen Ereignisse zum Erliegen, denn wo der Teufel gehaust hat, kann kein Segen aufkommen.
(Fr. Bernau: Comotovia 1877, S. 80.)
In einem friedlichen Thale bei Neudeck lebte ein Bauersmann still und zufrieden mit seiner Familie; nur seine älteste Tochter, bereits zur blühenden Jungfrau herangewachsen, machte ihm manche Sorge.[206] Sie unterhielt nämlich ein Liebesverhältnis mit einem armen Burschen aus der Umgebung des Dorfes, der als Bergknappe im Schoße der Erde sein Brot verdiente. Schon lange wurde von den Liebenden eine Verbindung angestrebt, allein der Vater versagte die Einwilligung, so sehr auch das Mädchen darum bat. Da beschloß der Knappe, sich noch auf einige Jahre in eine andere Gegend zu wenden, dort fleißig zu arbeiten und nach seiner Rückkehr wieder um die Hand der Geliebten anzuhalten. Diese gelobte ihm beim Abschiede ewige Treue, und dadurch getröstet zog er von dannen.
Anfangs schien der Schmerz des Mädchens über die Entfernung des Geliebten sehr groß; doch nach und nach mäßigte sich die Sehnsucht, und Zeit und Arbeit brachten es dahin, daß sie den Geliebten allmählich vergaß. Da gelang es denn einem andern Dorfburschen ohne Mühe, sich ihre Gegenliebe zu erwerben, und da er reich war, erhielt er auch die Einwilligung des Vaters. Es wurden Vorbereitungen zur Hochzeit getroffen, und der Tag der Trauung war nicht mehr fern. Da kehrte plötzlich der Bergknappe zurück. Er hatte sich in der Fremde manches erspart und hoffte nun, bald im Besitze des geliebten Mädchens zu sein. Abends, als es schon im Thale zu dämmern begann, ging er an das Haus seiner Geliebten und hoffte sie zu sehen; er sah sie auch – aber in den Armen eines andern. Wie ein Blitzstrahl durchfuhr es seine Glieder, er wollte vorwärts, doch sein Fuß war wie angewurzelt; einen Fluch zwischen den Zähnen murmelnd, stürzte er hinweg. Von diesem Tage an war er fahrlässiger in seinen Arbeiten und siechte vor Gram immer mehr dahin. Oft sah man ihn spät abends seine Hütte verlassen und einem Platze zuwandern, welchen selten ein Mensch betrat, da, wie es hieß, die bösen Geister dort ihr Wesen trieben. Hier schloß er nun ein Bündnis mit dem Bösen, um die treulose Geliebte und ihren Bräutigam zu verderben. Acht Tage vor der Hochzeit begab er sich in die Wohnung der Braut. Obschon von seiner Ankunft unterrichtet, erschrak sie doch sehr über sein verstörtes Aussehen; er dagegen gab sich den Anschein, als wüßte er nichts von ihrer Treulosigkeit. Vor Schreck war sie keines Wortes mächtig; da er hieraus nur zu deutlich ersah, daß sie wirklich treulos an ihm gehandelt, kündigte er ihr mit kurzen Worten seine Rache an; er werde mit Hülfe des Teufels alles das, was sie vom Hause aus mit bekäme, verderben, weil es ihr Reichtum war, der ihren Vater von der Einwilligung zur Verbindung mit einem armen Burschen abgehalten hatte. Und auch sie selbst werde den Folgen seiner Rache erliegen zur Strafe für ihre Treulosigkeit. Und so geschah es. Die Hochzeit wurde gehalten und das Ehepaar begab sich in die neue[207] Heimat; der hochbepackte Kammerwagen folgte. Eben passierten sie eine Höhe, von welcher sie die Hütte des Bergknappen erblicken konnten. Da erbebte von einem dumpfen Donner der Boden, der Kammerwagen ward umgestürzt, die Betten und alle sonstigen Geräte lagen am Boden und wurden in demselben Momente zu Stein. Die vor den Wagen gespannten Tiere wurden scheu und stürzten wie wütend den Berg hinab, den Kammerwagen gänzlich zertrümmernd. Die Braut aber warf der Schreck aufs Krankenlager, und dies, sowie die Reue über die begangene Treulosigkeit, brachten ihr einen schnellen Tod. Dieses war nach der Sage die Rache des Bergknappen; er selbst war nach diesem Vorfalle aus der Gegend verschwunden und nie hat man ihn wieder gesehen. Aufgehäufte Steinmassen bezeichnen noch heute die Stelle seiner Rache.
(Mündlich.)
Man hat eine Redensart, womit man die Bewohner des langgestreckten, aus zerstreut liegenden Häusern bestehenden Dorfes Schellerhau neckt: »Euch Schellerhauer hat der Teufel im Sack verloren!« Dies rührt davon her: Der Teufel fuhr einmal durch die Luft und hatte ganz Schellerhau in einem Sacke. Der Sack jedoch hatte ein Loch, so daß ein Haus nach dem andern herab zur Erde fiel. Wie nun der Teufel merkte, daß der Sack so leicht geworden war, weil er fast ganz Schellerhau verloren hatte, da warf er ihn im Ärger hin und rief: »Zum Schinder!« Da wurde dort, wo der Sack ganz am Ende des Dorfes nieder gefallen war, die »Schinderei«, wie man allgemein die Abdeckerei nannte; und in diese »Schinderei« mußte jedes gefallene Stück Vieh abgeliefert werden.
Wie hier die Häuser von Schellerhau, so verlor der Teufel auf den Fluren der Kolonie Fichtenthal bei Heide-Gersdorf aus seinem Sacke die vielen Steine, welche daselbst noch liegen und die er sich zum Baue eines Hauses vom Riesengebirge geholt hatte. (Haupt, Sagenbuch d. Lausitz, No. 112.)
Ebenso erzählt eine lausitzisch-wendische Sage, daß der Teufel einmal auf dem Wege war, um Kneschki, d. i. kleine Herren oder Junker auszusäen. Als er von der Bautzner Gegend aus über Wittichenau, Hoyerswerda und Senftenberg kam, um in der Niederlausitz seine Saat fortzusetzen, verlor er bei dem Dorfe Skado bei Senftenberg einen solchen Kneschk. Ärgerlich sagte er: »to je skoda!« (das ist schade!), weil er den Junker für die Niederlausitz hatte aufsparen wollen. Davon hat denn jenes Dorf seinen Namen erhalten. (Preusker, Blicke in die vaterländische[208] Vorzeit, I., S. 180.). Auch das Dorf Langenschade in Thüringen verdankt seinen Namen einem gleichen Ausrufe des Teufels. Der Teufel flog hoch durch die Luft und trug in seiner Schürze eine Menge Häuser mit sich davon. Ohne daß er es merkte, fiel eines nach dem andern aus der Schürze. Als er es endlich gewahr wurde, rief er ärgerlich aus: »Das ist schade!« So entstand der Ort Langenschade. (Richter, Deutscher Sagenschatz, 4. Heft, No. 23.)
Die letzten beiden Sagen zeigen besonders darin eine große Ähnlichkeit mit der unsrigen, als der ärgerliche Ausruf des Teufels einem Dorfe, bei uns aber dem letzten Hause von Schellerhau seinen Namen verschaffte.
Neben dem Götterkultus bestanden bei den alten Deutschen auch Übungen in der Zauberei, d. h. in dem Vermögen, höhere geheime Kräfte auf andere, und zwar anfänglich gut oder böse, später jedoch nur schädlich wirken zu lassen. Durch die christlichen Priester wurden diese heidnischen gottesdienstlichen Gebräuche für sündhaftes Blendwerk erklärt und mit dem Teufel in Verbindung gesetzt, so daß sich die Vorstellung von einem unmittelbaren Zusammenhange des bösen Feindes mit dem Wesen der Zauberei ausbildete. (J. Grimm, Deutsche Myth., S. 580.)
Im Zusammenhange mit dem Zaubern steht auch das Beschwören, d. h. ein Zaubern durch Segensformeln, sowie das die Zukunft enthüllende Wahr- und Weissagen; letzteres geschah einst bei germanischen Völkern durch das Auflesen der auf ein Tuch geworfenen Runen. Besonders wurde die Kraft der Weissagung den mit einem reizbaren Nervensystem begabten und mehr von der Außenwelt abgezogenen Frauen, welche deshalb bei den alten Deutschen Priesterinnen und Wahrsagerinnen zugleich waren, zugeschrieben; sie waren auch die Wisserinnen mancher Geheimnisse, und sie kannten die heilende Kraft der Kräuter, so daß sich daraus später der Glaube des Mittelalters an Hexen und Hexerei entwickelte. Wie das Christentum den Begriff zaubernder Frauen bereits bei dem Heidentume vorfand und nun vielfach veränderte, so läßt sich bis in die Gegenwart in dem ganzen Hexenwesen noch ein offenbarer Zusammenhang mit den Opfern, den vielfach mit religiösen Veranstaltungen verbundenen Volksversammlungen und der Geisterwelt der alten Deutschen nachweisen. (J. Grimm, a. a. O., S. 587.) Es mag nur daran erinnert werden, daß die Hexen nach den Volksüberlieferungen am Walpurgis- oder Hexenabende fast immer nach Orten durch die Luft fahren, welche ehemalige Gerichts- oder Opferplätze sind. Ob übrigens die »Drutenau«, mit welchem Namen man schon seit Jahrhunderten das Thal von Auerhammer bezeichnet, ein solcher Platz war, mag dahin gestellt bleiben; die Drut, welche teilweise die Frau Holle oder Perchtha vertritt und mit der man in der Schweiz lärmende Kinder beschwichtigt, gilt häufig auch als Hexe. Eine solche erkennt man nach dem Glauben der Erzgebirger an den[212] Platt- oder Drudenfüßen, an den roten Haaren, den roten, triefenden Augen und großen, buschigen, über der Nase zusammengewachsenen Augenbrauen. (Spieß, Aberglauben etc., S. 29.) Das Behexen richtet sich hauptsächlich auf das Vieh und Getreide der Nachbarn; in unsern Sagen wird dadurch gute Milch in blutige verwandelt. Außerdem schreibt der Volksmund noch das Beschreien, wobei jemand wegen irgend einer guten Eigenschaft gelobt wird, damit dann das Gegenteil davon eintrete, der Hexerei zu. Als Schutz gegen Zauberei und Hexerei gelten Kreuzeszeichen an der Thüre, das Durchkriechen unter sogenannten Schleifbrämen, das Versprechen und anderes mehr.
Nach dem Volksglauben stehen nicht bloß die Hexen, sondern überhaupt alle Zauberer in einem Bunde mit dem Teufel. Die ersten Überlieferungen von solchen Bündnissen des Teufels mit Männern finden sich bereits im 10. Jahrhunderte, während die erste sichere Erwähnung eines Bundes des Teufels mit Hexen in der Mitte des 14. Jahrhunderts in Italien vorkommt. Jacob Grimm vermutet dabei, daß die Veranlassung zu dem Glauben an Teufels- und insbesondere Hexenbündnisse in der Verfolgung der Ketzereien, welche in der Mitte des 13. Jahrhunderts von Italien und Frankreich nach Deutschland kam, zu suchen sei. Man legte den Zusammenkünften der Ketzer abgöttische Ausschweifungen zur Last und die Kirche eiferte gegen die neuen Irrlehren und Überreste des Heidentums, welche sich jenen da und dort zugesellten. (Deutsche Mythologie, S. 600.)
In unsern Sagen wird der Teufel zur Dienstleistung citiert, oder er wird durch Beschwörungen in Fliegen- oder Hummelgestalt aus Personen ausgetrieben. Durch gewisse Zauberformeln, welche in geheimnisvollen Büchern stehen, werden die höllischen Geister in verschiedenen Gestalten, hauptsächlich als schwarze Vögel, herbeigerufen. Mit Hülfe des Teufels verbreitet sich die Pest, und Speisen werden so fest gemacht, daß man nichts davon abschneiden kann. Durch teuflische Künste festgemachte Personen können auf gewöhnliche Weise nicht verwundet werden; dies gelingt erst durch einen abgeschossenen Dukaten oder silbernen Knopf, oder durch einen Degen, welchen man zuvor unter dem Schuh durch die frische Erde oder durch ein Brot gezogen, oder dessen Spitze man wenigstens vorher in die Erde gestoßen hat.
Die musicierenden und tanzenden Katzen erscheinen offenbar als Hexentiere. Katzen werden aber auch als Wesen gedacht, von deren Lebensdauer der Bestand der Familie abhängt. (Rochholz, a. a. O. I., S. 160); zuweilen verkündigen sie etwas Erfreuliches. Bei uns sagt man, daß eine über den Weg laufende Katze, besonders eine[213] schwarze, Unglück bedeutet. Wenn eine Katze sich putzt oder einen krummen Rücken macht, so kommt Besuch. – Wie als Kühe und Ziegen hat man sich die Wolken auch als Katzen gedacht, und man meinte weiter, daß die in den Wolken waltenden Weiber die Gestalten von Katzen annehmen könnten; daher nennt man die durch Luft und Wolken ziehenden Hexen auch Wetter- und Donnerkatzen. (Mannhardt, a. a. O., S. 90.) – Katzen zogen den Wagen der Freya.
(Lothar, Volkssagen und Märchen. 1820. S. 69. Darnach Gräße, Sagenbuch d. K. S., No. 450.)
Vor vielen Jahren ward zu Geyer ein Totengräber gefangen genommen und in einen Turm gesetzt, so daß er mit den Füßen die Erde nicht hat berühren können. Man glaubte nämlich früher, daß Zauberer und Hexen, wenn sie die Erde nicht mehr berühren könnten, unschädlich würden, und sperrte sie daher oft in eiserne Käfige ein. Der genannte Totengräber hatte seine Frau ermordet, ihren Mund mit schwarzen Beeren angestrichen, als sei sie an der Pest gestorben, alsdann ihr den Kopf abgeschnitten, das Herz aus der Brust genommen, verbrannt, solches auf die Straße ausgestreut und wer darüber gegangen, ist gestorben. Seines Kindes Kopf hat er an die Feuermauer gehängt; so viele Tropfen Blutes von ihm gefallen, so viele Menschen sind gestorben. Dann hat er die sterbenden Leute aufs Gesicht gelegt und ihr Sterben hat kein Ende genommen. Drei Ruten hat dieser Mann ausgesteckt, eine nach Annaberg, die andere nach Schweinitz, die dritte nach Alterle (Elterlein?). Zuletzt hat er erzählt, wie viel Glück er mit seiner Kunst in großen Städten gemacht habe. Er meinte, wenn er nur die Erde oder einen Kreuzweg oder eine Dachtraufe erreichen könnte, so wollte er sich schon die Freiheit verschaffen.
Blutstropfen sind Symbole für die Seele. Drei frische, auf die Hand fallende Blutstropfen zeigen einer Mutter den Tod ihres gemordeten Kindes an. (Grimm, Deutsche Sagen, No. 353.)
Jacob Grimm bemerkt (Deutsche Myth., S. 607), daß früher der Glaube verbreitet gewesen sei, eine Hexe könne sich verwandeln, sobald sie die Erde berühre. Eine Frau in Zittau, welche als Hexe galt, wurde, damit sie die Erde nicht berühre, im Stockhause frei aufgehängt. Ähnliches geschah 1678 in Bautzen mit einem Räuber und Mörder, der den Teufel hatte. (Pescheck, Gesch. v. Zittau, II. S. 746.)
(Lehmann, Histor. Schauplatz etc., S. 987.)
Im Jahre 1680 wurde zu Geyer der Totengräber wegen Zauberei auf dem Gottesacker gefänglich eingezogen. Denn man hatte ihn auf den Markt gehen und aus einer Schachtel etwas ausstreuen sehen. Als darauf allerhand Beweismittel gesucht wurden, ihn seiner Bosheit zu überführen, so fand man unter anderen, daß er sein eigen Weib wieder ausgegraben, ihr Augen, Nase und Zunge ausgeschnitten und zu Pulver gebrannt und dieses Pulver auf die Gasse gestreuet hatte. Er erhielt dafür den Staupenschlag und wurde des Landes verwiesen.
Im Jahre 1614 hatte ein Totengräber zu Wolkenstein einer Pestleiche den Kopf im Grabe abgestoßen, diesen in seiner Stube an einer Schnur in des Teufels Namen aufgehängt, darein Hefen, Bier und Blut von Verstorbenen, sowie Milch aus der Pestleichen Brüsten gegossen und darnach eingeheizt. So viel Tropfen nun aus dem schwitzenden Hirnschädel gefallen, so viel Pestleichen hat er denselben Tag gehabt. Dieser Pestzauberer hatte auch zweierlei Pulver, ein gutes wider die Pest, und ein ansteckendes, so er aus einer Pestdrüse gemacht. Wegen solcher schrecklichen Unthaten ist er verbrannt worden.
Im Jahre 1623 hauste die Pest in Gottesgab, welches Städtchen halb ausstarb. Der Totengräber kam in den Verdacht, daß er diese Seuche mit bösen Mitteln verursacht habe. Hans Leonhardt, ein verwegener Mühlknecht, welcher kürzlich erst aus dem Kriege gekommen war, wagte sich hinein in des Totengräbers Häuslein und fand einen Totenkopf über dem Ofen hängen, darüber er sich erboste, und er hieb den Totengräber samt dem Weibe krumm und lahm, holte Feuer und brannte das Spital gar weg, daraus zwar die tötlich Gehauenen gekrochen, aber dennoch an ihren Wunden gestorben sind.
Im Jahre 1633 hatte eine gewisse Pittelia samt ihrer Tochter zu Abertham die Pest durch Zaubermittel vermehren helfen. Bei der Marter bekannte sie, daß sie eine Bürste neben einer Leiche ins Grab geworfen habe; man müsse dieselbe wieder herausnehmen, wo nicht, müsse ganz Abertham aussterben, da schon 26 Personen gestorben waren. Es hat sich mit der Bürste auch also befunden, und wurde diese Pestzauberin am 18. November genannten Jahres in Joachimsthal an einem Pfahle mit dem Strange erwürgt, ihre Tochter von 13 Jahren enthauptet, beide Körper verbrannt, der Sohn aber des Landes verwiesen.
(Tob. Schmidt, Chron. Cygn. II., S. 374. Gräße, a. a. O., No. 550.)
Im Jahre 1557 den 22. Mai ist zu Zwickau die alte Zauberelse gefänglich eingezogen worden. Die hatte den Leuten Tränke gesotten, den Mägden Kinder abgetrieben, auch vielen Menschen in ihren Gliedmaßen, Armen, Beinen, Fingern, Brüsten und in die Fersen »gefärtigt«, auch viele andere Zauberei mehr getrieben. Sie hatte auch einem Maler zu Glauchau Gift beigebracht, daß er gestorben. So hatte sie auch leiblich mit dem bösen Feind gebuhlt und eine lange Zeit mit ihm zugehalten, der ihr auch Geld gebracht, bisweilen 2 und 3, bisweilen auch 4 Thaler, mehr aber nie. Da man sie gefragt, wie er aussehe, hat sie geantwortet, er wäre ein alter grauer, häßlicher Teufel. Dieser böse Geist ist auf der Gasse oftmals mit ihr gegangen, doch, sprach sie, es hat ihn niemand als sie sehen können. Als sie gefangen gesessen, ist er oftmals zu ihr vor's Gefängnis und an das vergitterte Fenster gekommen und hat sie gefragt, was sie mache, ob sie heraus wolle, er wolle ihr helfen. Sie hat aber geantwortet, sie wolle gern hinaus, aber sie habe noch ihre Seele zu bedenken. Auf diese Rede ist er davon geschieden, sie aber hat gesessen bis zum 18. Juni, da hat sie wegen vielfälliger Zauberei ihre Strafe empfangen und ist am Galgen verbrannt worden.
Jacob Grimm weist (Deutsche Myth., S. 599) darauf hin, daß, nachdem die heidnischen Vorstellungen von einer Verbindung der Helden mit Schwanenfrauen und Elbinnen verdrängt worden seien, der Glaube an einen geschlechtlichen Verkehr des Teufels mit Hexen, durch welchen das geschlossene Bündnis besiegelt und dem Teufel freie Macht über die Zauberinnen verliehen ward, Platz greifen konnte.
(Mitgeteilt vom Sem. Osw. Hübner aus Bernsbach.)
Eine alte Frau in Bernsbach, die selbst schon Großmutter war, erzählte, daß ihr Großvater einst einen alten Freund, der Gasthofsbesitzer in einem andern Orte war, besucht habe. Da gerade Heuernte gewesen, sei der Wirt mit allen seinen Leuten auf die Wiese gegangen, so daß nur sein alter Freund in dem Gasthofe zurückblieb. Dieser erhielt den Auftrag, Bier zu verschänken, wenn Gäste kämen. Als er nun allein gewesen, hätte er ein Buch aus einem Schranke genommen und sich mit Lesen darin vertieft. Auf einmal wäre eine Krähe an[216] das Fenster gekommen, und bald darauf wären noch mehrere gefolgt, welche sich sämtlich vor der Hausthüre niedergelassen hätten. Auf einmal wäre aber der Wirt atemlos in das Haus gestürzt gekommen, hätte dem sonst sehr lieben Freunde eine Ohrfeige gegeben, das Buch weggenommen und die Worte gesprochen: »Wäre ich nicht gekommen, so wärest Du in einer Viertelstunde tot gewesen, denn die Krähen hätten Dich umgebracht!«
Daran ist bloß das Lesen in dem geheimnisvollen Buche schuld gewesen.
Die Raben, an deren Stelle bei uns im Glauben des Volkes auch die Krähen und Dohlen getreten sind, gelten als Teufelsvögel, deren Erscheinen gewöhnlich Unglück und insbesondere einen Todesfall verkündet. Nach einem slavischen Aberglauben sind überhaupt Vögel die Seelen Verstorbener; Raben und Krähen gelten als die Seelen Verdammter. Nach Aargauer Sagen entschweben die Seelen der Erlösten in Gestalt von Tauben, die von Verwünschten und Erhängten dagegen verwandeln sich in Raben. (Rochholz, a. a. O. I., S. 156.) Auf dem Kirchhofe zu Scherpenheuvel wurden die Nahewohnenden nach dem Begräbnisse eines Mannes, der ein schlechte Leben geführt hatte, durch das Geschrei eines Raben in ihrer nächtlichen Ruhe gestört. (Nork, a. a. O., S. 275.)
Wie unter dem Einflusse der christlichen Bekehrer die alten heidnischen Gottheiten zu dämonischen und teuflischen Gestalten wurden, so auch die ihnen einst geheiligten Tiere. Auf den Schultern Odhins saßen zwei Raben, »Hugin und Munin«, d. h. Gedanke und Erinnerung, welche jeden Tag durch die Welt flogen und dann dem Gotte Nachrichten ins Ohr raunten. In Erinnerung an diese einst dem Gotte beigegebenen Vögel erzählt die Sage, daß der Kaiser Friedrich Barbarossa, auf dessen Gestalt, ebenso wie auf die anderer beliebter Helden, Odhin übertragen wurde, im Kyffhäuser einen Hirten frug, ob noch die Raben um den Berg flögen. Nach einer lausitzischen Sage dagegen wurde der wilde Jäger, d. i. Odhin, in einen Nachtraben verwandelt.
(Köhler, Volksbrauch im Vogtlande, S. 537.)
In dem Dorfe Werda bei Falkenstein lebte ein junger Mann, der saß an einem Sonntagabende im Winter ganz allein zu Hause und hatte ein Buch aus einem alten Schranke zur Hand genommen, um darin zu lesen. In dem Buche aber waren verschiedene Zeichen und Figuren, die er sich nicht sogleich ausdeuten konnte. Deshalb zog er die Lampe näher an sich heran, um besser sehen zu können. Als er nun so eine Weile im Lesen und Ausdeuten vertieft ist, blickt er zufällig in die Höhe, fährt aber wieder erschrocken zurück, denn zu dem kleinen Schiebefenster herein sieht ein rabenschwarzer Mann mit grinsendem[217] Gesichte. Der Bursche fragt nach dem Begehr, erhält aber keine Antwort. Nachdem er sich vom Schreck etwas erholt hatte, las er ruhig weiter und war bemüht, die Figuren ordentlich zu deuten. Er sah sich wieder um und wurde zu seinem Schrecken gewahr, daß zu jedem Fenster ein schwarzer unheimlicher Gast hereinsah. Dabei war er auf seinem Sitze wie festgebannt und konnte fast kein Glied mehr regen. Jetzt wollte er das Buch zumachen, denn es flimmerte und tanzte ihm alles vor den Augen. Aber wie von einer unsichtbaren Macht gefesselt, konnte er seinen Blick nicht von dem Buche abwenden und er fing wieder an zu lesen. Plötzlich aber entstand im Hause ein groß Getöse und Gepolter, die Thüre flog auf und ein langer schwarzer Mann kam herein und blieb in der Mitte der Stube stehen. Der Lesende fragte zum zweiten Male, was sein Begehr sei, erhielt aber wieder keine Antwort. Dabei mußte er in dem Buche immer weiter lesen, und es dauerte gar nicht lange, so ging das Gepolter von neuem los und eine zweite schwarze Gestalt trat in die Stube und stellte sich neben die erste hin. Ohne von seinem Buche aufzusehen, las der Bursche fort. Jetzt aber that es einen Schlag, daß das ganze Haus in seinen Grundfesten erschüttert wurde, Fenster und Thüren sprangen auf, ein blitzähnlicher Schein fuhr durch die Stube und eine dritte Gestalt, länger als die beiden ersten und wild von Aussehen, trat nun in Begleitung von allerhand Tieren, als Raben, Eulen und Elstern, in die Stube und stellte sich nun zwischen die beiden ersten hinein. Jetzt wurde es unserm Geisterbeschwörer himmelangst und er rief aus vollem Halse nach Hülfe. Es dauerte aber lange, ehe die gewünschte Hülfe kam. Endlich kam der Bruder des Burschen mit noch einigen Nachbarssöhnen nach Hause, und diese sahen nun, was vorgefallen war. Der Sohn des Wirtes, der auch mit hinzugekommen war, lief sogleich zum Pastor, welcher auch erschien, aber dessen Kraft zu schwach war, die Geister wieder zu bannen. Er gab den guten Rat, es solle doch gleich einer nach Theuma zum Pater reiten, der könne Hülfe schaffen. Ohne sich lange zu besinnen, ritt der Sohn des Wirtes nach Theuma und erzählte daselbst dem Pater, was vorgefallen war. Der Pater ließ sich auch bewegen mitzukommen. Da er ankam, war bereits das halbe Dorf vor dem Hause versammelt, und sogleich begann er seine Beschwörungen. Es dauerte auch nicht lange, so entfernten sich die ungebetenen Gäste, nur der letzte hielt noch stand und wollte nicht weichen. Als aber der Theumaische Pater ein großes Buch hervorzog, entfloh er unter fürchterlichem Gebraus durch den Schornstein und ließ einen Schwefelgeruch zurück. Das Buch aber, welches der Bursche gebraucht hatte, nahm[218] der Pater mit und ermahnte noch den jungen Mann, solche Sachen fernerhin zu lassen und nichts zu unternehmen, was er nicht verstehe.
Das Buch, in welchem der Bursche las, ist Faust's Höllenzwang, von dem uns der Volksmund erzählt. Ähnlich wie dem jungen Manne in Werda erging es den Buben eines Wunderdoktors in Schumburg, die in Abwesenheit ihres Vaters dies geheimnisvolle Buch aus einem Schranke nahmen und darin lasen, worauf eine Menge von teuflischen Vögeln ins Zimmer kam. (Grohmann, Sagen aus Böhmen und Mähren I., S. 315.) Ein alter Mann in Eichelborn in Thüringen hatte große Kenntnisse in geheimen Künsten. Einst las er abends in einem großen Buche, während ein Knabe bei ihm in der Stube war. Da wurde er hinausgerufen. Der Knabe las trotz des Verbotes in dem Buche, und da kamen viele Raben, welche von außen an das Fenster pochten. Auf das ängstliche Geschrei des Knaben kam der Alte zurück, gab dem Ungehorsamen eine derbe Ohrfeige und las in dem Buche schnell einige Worte; siehe, sofort verschwanden die Raben nieder. (O. Richter, Deutscher Sagenschatz, 4. Heft, No. 3.) Dieselbe Sage findet sich auch bei den Lausitzer Wenden. Als ein Bauer, welcher am Schloßberge zu Burg in der Nieder-Lausitz wohnte und der im Besitze eines »Charakters« war, einmal auf dem Felde arbeitete, suchte daheim sein Sohn das Zauberbuch hervor. Beim Lesen desselben kamen ebenfalls Hasen, Krähen und andere Vögel zu Thür und Fenster herein. Der Vater, von Unruhe und Angst getrieben, lief eilig nach Hause und sahe, was der Sohn angerichtet hatte. Da nahm er das Buch zur Hand und las alle Stellen, welche der Sohn gelesen hatte, rückwärts; da verschwanden die Ungetüme wieder. (Veckenstedt, Wendische Sagen, 1880, S. 273.)
(v. Weber, Aus vier Jahrhunderten, I. S. 371. Darnach bei Gräße a. a. O., No. 552.)
Im Jahre 1529 sind zu Schellenberg im alten Schloß, welches an der Stelle der vom Kurfürst August erbauten Augustusburg stand, die beiden Hexen, die alte und junge Rodin, weil sie mehrmals zu Schönerstedt auf dem Hexensabbath gewesen, Diebsdaumen verkauft, untreue Männer durch Zaubermittel zu ihren Frauen zurückführen gelehrt, Hexensalben gesotten und Abwesende citiert, gefoltert und dann wahrscheinlich hingerichtet worden.
(Lehmann, Hist. Schauplatz, S. 908.)
Im Jahre 1080 war Böhmen voller Zauberer, Hexen, Wahrsager und Beschwörer, wider welche Herzog Ulrich inquirierte und 107 in einem Jahre hinrichten ließ. Die andern zerstreuten sich in Mähren[219] und unser Gebirge. Um Klostergrab und Ossegg behexten sie die Leute, daß sie erkrankten, besonders die Schwangern.
Im böhmischen Erzgebirge stellt man sich die Hexe in Gestalt eines hämischen, boshaften, alten Weibes vor, das im Bunde mit dem Teufel steht, auf Ofengabeln, Schürhaken oder Besen durch den Schlott fährt und durch die Luft reitet, den Brand ins Getreide legt, die Kühe verhext, daß sie keine oder rote Milch geben, die Kinder in der Wiege mit Wechselbälgen vertauscht und ähnlichen Unfug treibt. Ihre Macht über den Menschen und über alles, was ihm lieb ist, soll in der Walpurgisnacht am stärksten sein. (Joseph Fritsch in der Erzgebirgs-Zeitung, 4. Jahrg., S. 101.)
(Nach Wenisch, a. a. O., S. 40.)
Nicht weit von der Johanneskapelle bei Joachimsthal zeigte man auf einem Feldraine das gegenwärtig durch einen Steinhaufen verdeckte »Hexenloch«. Die Sage erzählt von demselben, daß sich hier Hexen aufhalten. In der Walpurgisnacht führen sie ihre Tänze auf, essen und trinken und spielen um die Seelen von Selbstmördern Karten. Zum Schutze gegen ihr Eindringen in die Wohnungen werden von vielen Leuten am Walpurgisabende mit geweihter Kreide oder Kohle drei Kreuze an die Thüren gemacht.
(Lehmann, Histor. Schauplatz, S. 900.)
Zwei junge Eheleute in Pöhl waren von einer rachgierigen Dorfhexe so verzaubert, daß sie einander spinnefeind wurden und eines das andere ein ganzes Jahr lang nicht ansehen konnte. Endlich krochen sie beide durch sogenannte Schleifbrämen, das sind Brom- oder Kratzbeerzweige, welche einen Bogen geworfen und wieder in die Erde gewurzelt. Damit ist ihnen geholfen worden.
(Lehmann, a. a. O., S. 908.)
Zu Arnsfeld bei Wolkenstein wurde eines Mannes Vieh bezaubert, daß es Blut gab. Da die Magd melken wollte, merkte sie das lose Stück, nahm ein Seihtuch, stach's voller Nadeln und kochte es im Ofen. Darauf kam der Nachbarin Mann gelaufen und begehrte Citronenschalen. Dieselben wurden ihm abgeschlagen, denn der Magd[220] war es verboten worden, das geringste zu geben. Da kam der Mann wieder und bot etliche Hühnchen zum Verkaufe an; aber auch jetzt wurde er abgewiesen. Er kam zum dritten Male und verlangte nur eine Birne vom Baume im Garten; doch erlangte er nichts. Endlich kam er und bekannte, daß seine Frau brennende höllische Schmerzen habe und bat, so sie etwas gebraucht, es weg zu thun. Damit wurde es offenbar und mußte der Mann mit Weib und Kind davonlaufen.
H. Heine erzählt in seinen Sagen, Märchen und Bildern aus dem Harze (No. 79), daß einst eine Hexe, welche Milch verzaubert hatte, jämmerlich verbrüht und zerstochen wurde, als der Wirt, gegen den die Zauberei gerichtet war, die Milch kochte und dann mit einer Gabel in der kochenden Milch herum fuhr.
(Spieß, Aberglaube etc. im Erzgeb., Progr., S. 13; z. T. mündlich.)
Am Walpurgisabende, dem Abende vor dem 1. Mai, zünden überall im Erzgebirge Knaben auf hochgelegenen Punkten Besen an und springen damit herum; es wird geschossen, geschrieen, mit Peitschen geknallt und mit Bretern zusammengeschlagen, um ein rechtes Getöse hervorzurufen. Dies geschieht, um den Hexentanz darzustellen, oder, wie allgemeiner behauptet wird, um die zum Blocksberg ziehenden Hexen zu vertreiben. Am Walpurgisabende ziehen auch die Hexen ein, und man muß daher Besen oder landwirtschaftliche Geräte vor die Stallthüre legen, um sie abzuhalten. In Neustädtel erzählt man: Als Karl der Große die alten Sachsen vom Brocken oder Blocksberg jagen wollte, kamen die Hexen und allerhand Gespenster mit glühenden Besen und auf Ziegenböcken geritten, um ihn zu vertreiben.
Walpurgis, welche in der Mitte des 8. Jahrhunderts lebte und eine Tochter des Königs Richard von England war, wurde später heilig gesprochen und als Beschützerin gegen den Bosheitszauber verehrt. Die angezündeten Feuer sind die Opferflammen für die Frühlingsgöttin Ostara; das Umherspringen ist ein Rest der alten religiösen Tänze; die Hexen, welche in der Walpurgisnacht eine so große Rolle spielen, sind die weisen Frauen, welche Kräuter kochten und, mit dem Priesteramt bekleidet, als »Alrunen« in dem germanischen Götterkultus auftreten. Sie versammeln sich in der ersten Mainacht auf dem Hörsel- und Inselberge in Thüringen, auf dem Stoffelsteine bei Bamberg und an vielen anderen Orten, besonders aber auf dem Blocksberge im Harz. In Schweden war ihr Sammelplatz die kleine Felseninsel Blakulla, zwischen Oeland und Smaland gelegen; dorthin reisten sie aber am grünen Donnerstage. Die Böcke, mit denen nach unserer Sage die Hexen nach dem Blocksberge ziehen, sind die Opfertiere.
[221]Vor dem Eintreten der Hexen schützen drei Kreuze an der Stallthüre oder die Buchstaben C. M. B. (Kaspar, Melchior, Balthasar, nach der Legende die Namen der heiligen drei Könige); oder man legt einen alten Besen oder ein Stück frischen Rasen vor die Thürschwellen.
Es mag schließlich noch darauf hingewiesen werden, daß der Glaube an Hexen in den indischen Çâkinî, Dâkinî und Yeginî, welche kraft mythischer Zaubersprüche des Nachts durch die Lüfte reiten und ihre Tänze abhalten, eine Parallele findet. Es ist demnach die Vorstellung von weiblichen Unholden bereits der indogermanischen Urzeit eigen, und so mag vielleicht unserm Worte »Hexe« die Wurzel, çak, mächtig sein, zu Grunde liegen. (Fr. Hirsch, Gesch. der Deutsch. Litteratur, I., S. 6.)
(Gräße, Sagenschatz d. K. Sachsen, No. 507.)
Am 1. Mai des Jahres 1726 ist ein gewisser zuverlässiger Mann im Erzgebirge von einem Orte zum andern gereist und am Abend bei düsterer Witterung bei einem Walde vorbeipassiert, da denn er sowie sein Begleiter, den er bei sich hatte, ein dem Anschein nach in einem Hause scheinendes Licht bemerkt, welchem beide in der Hoffnung, eine Herberge zu finden, zugelaufen. Nachdem sie aber näher und näher gekommen, hören sie eine zum Tanz gehende Musik, und der eine von ihnen geht aus Neugierde ans Fenster und wird durch selbiges gewahr, daß eine große Anzahl Katzen darin zu finden, davon etliche musicieren und die andern darnach tanzen. Sein Begleiter beschließt nun, in das Haus hineinzugehen, wird aber von dem andern davon abgehalten, und jetzt nimmt einer von ihnen wahr, daß seine große Hauskatze ebenfalls dabei anzutreffen. Aus Entsetzen gehen beide fort und kommen in spätester Nacht nach Hause. Als nun des andern Tags zu Mittag sich die große Hauskatze bei der Mahlzeit in der Stube einfindet, spricht ihr Hausherr, sie anschauend: »Nun, Du machtest Dich gestern Abend auch sehr lustig!« Da springt ihm alsbald der alte Kater auf den Hals und kratzt ihn in den Kopf und das Gesicht, hätte ihn auch sicherlich getötet, wofern nicht das Hausgesinde herzugelaufen und mit Schlägen und Schreien diesen verteufelten Feind abgetrieben.
Diese Sage hat viel Ähnlichkeit mit der vom sogenannten Katzenberge zwischen Leipzig und Merseburg. Um die Mitte des 16. Jahrh. ist nämlich ein Bischof von Merseburg, namens Michael, ein großer Katzenfreund gewesen und hat eine große schwarze Katze besessen. Dieser Bischof ist einst nach Leipzig gereist und hat auf dem oben genannten Hügel, der nachher davon seinen Namen bekam, eine ganze Katzengesellschaft angetroffen. Er rief derselben im Scherze zu: »Ihr Katzen, seid ihr alle beisammen?« Da hat eine geantwortet: »Es mangelt keine, ausgenommen Bischof Michael seine Katze.« Bei seiner Rückkehr erzählte er seiner Katze die wunderliche[222] Begebenheit und fragte zugleich, warum sie den andern Katzen nicht Gesellschaft geleistet? Alsbald fuhr die Katze zum Fenster hinaus und ist nicht mehr gesehen worden.
Katzen sind Hexentiere, sie bilden entweder das Gespann der Hexen, oder diese nehmen die Gestalt jener Tiere an.
Auf der Brüßlerstraße zu Dendermonde liegt ein Haus, worin sich ehedem eine Brauerei befand. Hier diente Hans Zimmermann als Knecht. Da er sein Handwerk sehr gut verstand, so konnte er nicht begreifen, warum das erste, zweite und dritte Gebräu mißlang. Nun hatte er aber bemerkt, daß jedesmal, wenn er am Brauen war, eine Katze rund um den Kessel lief. Als er sein viertes Gebräu begann, und die Katze wieder miauend um den Kessel strich, redete er sie in der Überzeugung an, daß sie eine Hexe sei; er bekam zwar nur ein Miau zur Antwort, worauf sie weglief, aber bald mit einem Dutzend Katzen wieder zurückkam; die faßten sich Pfote an Pfote und begannen einen Tanz um den Kessel, wobei sie unaufhörlich sangen: »Hansken Temmermann vroeg aen my: Katze, van wear kom drgy?« (Hänschen Zimmermann mich frug: Kätzchen, woher kommst denn Du?) Da wurde Hans böse, füllte einen Eimer mit dem kochenden Bier und goß das über die Katzen hin. »Miau! Miau!« schrien alle und verschwanden, das Gebräu aber glückte. Am andern Morgen jedoch sah man im Rochusgäßchen sechs Frauen mit verbrannten Gesichtern tot auf der Straße liegen. Da blieb kein Zweifel mehr, wer die Katzen gewesen waren. (Nork, Sitten und Gebräuche der Deutschen, S. 556.) Eine ähnliche Sage erzählt Leibing (Sagen und Märchen des bergischen Landes, No. 64). Nach ihm verwundete ein Brauknecht zwei Katzen, die eine am Ohr und die andere büßte eine Pfote ein; am andern Tage hatte die Frau des Braumeisters ein zerschmettertes Ohr und eine andere Frau in der Nachbarschaft hatte ein Stück eines Fußes eingebüßt. Auch Jacob Grimm weist in seiner Deutschen Mythologie (S. 623) darauf hin, daß viel von verwundeten Katzen erzählt wird, die man hernach an verbundenen Weibern wieder erkannte.
Ebenso fehlen auch die gleichen Überlieferungen der slavischen Sage nicht. Zu einem Bauer in Saspow in der Nieder-Lausitz kam oft eine graue Katze in den Stall und das Vieh wurde krank. Als diese Katze mit einer Düngergabel in den Hals gestochen wurde, sprang sie weg. Am andern Tage hatte eine Frau im Dorfe mehrere Löcher im Halse; diese war die Hexe. – Ähnliches geschah in der Mühle bei Leipa im Spreewalde, wo viele Katzen des Nachts einen fürchterlichen Spuk trieben, bis endlich der zu Hülfe herbeigezogene Scharfrichter mit dem Messer eine Katze in die Pfote schnitt. Am andern Tage hatte die Frau des Amtmanns im nächsten Dorfe eine kranke Hand und es hieß, sie habe sich geschnitten. (Veckenstedt, Wendische Sagen, S. 281 und 292.)
(Moller, Theatrum Freiberg. Chron. II., S. 254. Wilisch, Kirchen-Hist. v. Freyberg etc. II., S. 378.)
Im Jahre 1552 hat in den Dörfern um Freiberg die Pest grassiert, sonderlich starb viel Volk zu Hermsdorf, Claußnitz und Dittersbach. Das Volk glaubte dabei, daß die toten Körper in den Gräbern anfingen zu essen und einer den andern nachholete. Etliche,[223] die auf den Gräbern gestanden, erzählten, daß sie gehört, wie die Toten unter der Erde schmatzten. Deswegen hat man den Verstorbenen die Köpfe mit einem Grabscheite abgestoßen oder sie ganz verbrannt und dabei gemeint, so das Unheil und Sterben abzuwenden. Es hat aber nichts geholfen, denn die Pest hat als Strafe Gottes noch heftiger überhand genommen, so daß einzelne Dörfer fast ausstarben.
Das Schmatzen der Toten in den Gräbern ist nur eine besondere Form des besonders im Aberglauben slawischer Völker herrschenden Vampyrismus. Der Vampyr wird meist als die Seele eines Verstorbenen gedacht, welcher im Grabe keine Ruhe findet, letzteres verläßt und sich auf schlafende Menschen, besonders Blutsverwandte legt und ihnen auf körperlich kaum wahrnehmbare Weise das Blut aussaugt. Nach der Lausitzer Sage wird ein solcher Vampyr gebannt, wenn ein Priester den Leichnam ausgraben läßt, ihm den Kopf abschneidet, das Herz mit einem Pfahl durchsticht, selbiges sodann verbrennt und die Asche auf das Grab streut. (Haupt, Sagenbuch d. L., No. 69.) Der Pfahl mußte bei den Slaven von Eichenholz oder vom Weißdorn sein. (Grohmann, Aberglauben und Gebräuche in Böhmen, S. 191.)
Nach Görres ist der Vampyrismus, welcher sich bereits bei den alten Griechen vorfand, nur eine besondere Form des Alpdrückens. (Nork, Sitten und Gebräuche etc., S. 686.) Er beruht auf dem Glauben, daß der Verstorbene des Blutes entbehrt und darum sein Grab verläßt, um einem noch Lebenden Blut auszusaugen. (Rochholz, Deutscher Glaube und Brauch I., S. 55.)
(Moller, Theatrum Freib. Chron. II., S. 221. Br. Grimm, Deutsche Sagen I., No. 231.)
Als ein Bürger zu Freiberg, namens Lorenz Richter und seines Handwerks ein Leinweber, welcher auf der Weingasse gewohnet, seinem Sohne von 14 Jahren etwas zu thun befohlen und derselbe nicht gehorcht, sondern in der Stube an derselben Stelle stehen geblieben, hat ihn der zornige Vater verwünscht und gesagt: »Ei stehe, daß Du nimmermehr könntest fortgehen!« Auf diese Verwünschung des Vaters ist der Knabe stehen geblieben, und er hat drei ganze Jahre an derselben Stelle gestanden, so daß er tiefe Gruben in die Dielen getreten, und man ihm des Nachts, wenn er schlafen wollte, ein Pult untersetzte, damit er den Kopf und die Arme darauf legen konnte, um ein wenig zu ruhen. Weil er aber nahe an der Stubenthüre beim Ofen den eintretenden Leuten im Anlaufe war, haben ihn die Geistlichen der Stadt durch ihr Gebet von diesem Orte aufgehoben und gegenüber in den andern Winkel der Stube glücklich und ohne Schaden gebracht. An diesem Orte hat er ferner bis ins vierte Jahr gestanden und die[224] Dielen noch tiefer durchgetreten, als zuvor. Damit ihn die Aus- und Eingehenden nicht so sehen könnten, hat man ihn auf seine Bitten durch einen Umhang verdeckt; er hat wegen steter Traurigkeit nicht viel gesprochen. Endlich hat Gott die Strafe etwas gemildert, indem er das letzte halbe Jahr sitzen, sich auch ins Bette, das man neben ihn gestellt, legen konnte. Er hat ganz elende ausgesehen, ist blaß von Angesicht, hagern Leibes und auch sehr mäßig im Essen und Trinken gewesen. Nach sieben Jahren wurde er den 11. September 1552 durch den Tod erlöst. Die Fußtapfen sahe man noch lange an den betreffenden Plätzen, und als sie der Vater nach dem Tode seines Sohnes aussetzen lassen wollte, weil er sich derselben wegen seines Fluches schämte, hat ihm der Rat solches verboten.
(Lehmann, Histor. Schauplatz, S. 869 und 870.)
Ein Bergmann in Seifen hatte ein Doctor Faustsches Kunststück, indem er zur Lust in Gesellschaft über dem Essen alle Speisen stahlfest machte, daß kein Mensch, ehe er wollte, einen Bissen abschneiden konnte. Desgleichen war zu Elterlein ein Schlosser, Zacharias Vogel, der eine gute Zeit im Kriege gedient hatte; dieser konnte nicht nur sich selbst, sondern auch andere Menschen und alles Vieh, wie auch Käse, Butter, Brot und andere Speisen fest machen.
(Lehmann, a. a. O., S. 873 und 874.)
Im Jahre 1632, den 3. Januar, wurde Jochim Escher erschossen, auf welchen sein Feind erstlich eine bleierne Kugel losbrannte; weil diese aber nicht einging, riß er eilend einen Dukaten aus der Tasche, biß ihn zusammen, brauchte ihn anstatt der Kugel und schoß den Escher Knall und Fall vom Pferde.
Im Jahre 1677 schlugen sich zwei freche Kerle auf Böhmisch-Wiesenthal. Der eine war stahlfeste und konnte gar nicht verwundet werden. Da sein Gegenpart dieses merkte, sagte er: »Halt, ich will dir besser kommen!« Zieht hiermit den Degen unter dem Schuh durch die frische Erde und verwundet ihn dann dreimal nacheinander. Andere haben Magnet in die Kugeln gegossen, oder den Degen durch ein Brot gezogen, oder mit Kugeln von Wißmut geschossen, oder die Degenspitze nur in die Erde gestochen und damit die Festgemachten überwältigt.
(Lehmann, Hist. Schauplatz, S. 873 u. 874.)
Im Jahre 1652 lebte zu Satzung ein ehemaliger Soldat, Michael Vogel, welcher der Festigkeit wegen ein Amulet am Halse trug und nun beim Trunk immer Zank und Schlägerei anfing. Als er aus dem Kriege nach Hause kam, warf er das Amulet weg, aber es kam aus Feuer und Wasser wieder. Endlich wurde sein Beichtvater auf das Amulet aufmerksam und nahm es an sich. Michael Vogel sagte, er müsse es mit gewissen Ceremonien abnehmen, doch der Priester versicherte, der Teufel habe über ihn keine Gewalt, er wolle es schon wegschaffen. Damit ging er zu einem Schmied und warf es ins Feuer. Da fuhr's zur Esse hinaus mit Ungestüm und platzte wie ein Doppelhaken. Darauf wurde der Kerl ganz anders, friedlich und sittsam.
Ähnliches begab sich 1639 in Grünhain. Ein junger Fleischer hatte sich bei den damals auf Scharfenstein liegenden Schweden fest machen lassen; davon wurde er so blutdürstig und unbändig, daß er beim Trunk keines Menschen Freund war. Als er sich aber verheiratete und in die Zunft aufnehmen ließ, trachtete die Freundschaft darauf, wie er die Festigkeit los werden möchte. Man brauchte allerlei Mittel, aber vergebens, bis endlich einer die Teufelei aus dem Leibe purgierte und eine Hummel von ihm kam.
Sowohl die römische als auch germanische Götterlehre erzählt uns von Göttern, welche unverwundbar waren. Cygnus, der Sohn Neptuns, konnte von keinem Pfeil verwundet werden und ebenso wurde Baldr durch die Gunst seiner Mutter Frigg gegen alle Waffen geschützt. Nur das Holz des Strauches Mistiltein (Loranthus europacus) tötete ihn, da Frigg von demselben keinen Eid gefordert hatte. Wie Götter wurden auch Helden unverwundbar. Siegfried badete sich im Drachenblute, das seine Haut fest gegen Waffen machte; nur wo das Lindenblatt zwischen seinen Schultern gelegen, war er verwundbar. Im Mittelalter hielt man die sogenannte Waffensalbe, die Gemskugel, die Wurzel Doronicum, das Nothemde u. s. w. für Mittel, um sich waffenfest zu machen. (Nork, Sitten und Gebräuche d. D. S. 707). Auch die Lausitzer Sage erzählt von Hieb- und Stichfesten. Das Garn zu einem Nothemde, welches auch hier als Zaubermittel dient, muß von einem Mädchen unter 7 Jahren gesponnen, die Nähte müssen mit Kreuzstichen gemacht und schließlich müssen noch drei Messen darüber gelesen werden. (Haupt a. a. O. I. N. 240.)
(Gräße, Sagenbuch d. K. S., No. 362.)
Im Zellwalde bei Kloster Zelle und zwar besonders in dem alten[226] Gemäuer, welches gemeine Leute für den Stadel eines alten Nonnenklosters ansehen, hatte sich ein Fleischer, namens Hartenkopf aus Siebenlehn, festgesetzt und beschlossen, hinfüro von Raub und Mord zu leben, weswegen die Leute den Fußweg, der von Siebenlehn nach Roßwein führt, nicht mehr sicher wandeln konnten, noch wollten. Weil sich nun dieser Schnapphahn nicht nur am Leibe festgemacht, sondern auch mit Geschütz und Gewehr versehen, also daß allen denen, so ihm zu nahe kommen würden, der Tod drohte, konnten die aufgebotenen Landgerichte und Amtsunterthanen, weil jeder für seine Haut fürchtete, wenig schaffen, bis endlich eine von Roßwein aus kommandierte kurfürstlich sächsische Korporalschaft vom Leibregiment zu Roß dieses Raubnest ersprengte, und weil die bleiernen Kugeln an dem Räuber nirgends haften wollten, haben sie endlich noch mit einem eingeladenen silbernen Knopfe den Zauber gelöst und den Leib zugleich mit gefällt.
Die durch Hülfe des Teufels erworbene Kugelfestigkeit besteht nicht gegen einen geerbten silbernen Knopf. Von einem solchen wurde der Stadtkommandant Bruse von Greifswalde, auf welchen mehr als zwanzig schwedische Kugeln erfolglos abgeschossen worden waren, getötet. (Temme, Pommer'sche Sagen, No. 244.) Ebenso erzählt eine Sage, wie der Reitknecht König Augusts des Starken den seinen Herrn verfolgenden Husaren durch einen silbernen Knopf niederschoß. (Johannes-Album, Chemnitz 1857. 2. T. S. 181.) An die Stelle des silbernen Knopfes treten auch silberne Kugeln. Nach einem rumänischen Volksliede konnten den Freischarenführer Pintye nur drei silberne Kugeln, drei Maß Frühjahrsroggen und drei Nägel von einem Frühlingsfohlen verwunden. (Jahrbuch des Ungarischen Karpathen-Vereins XII., S. 87.)
(Grohmann, Sagen aus Böhmen, S. 317.)
In der sogenannten Holzmühle zu Neudorf bei Sebastiansberg lebte einst ein Müller, der war so reich, daß er den Fußboden seiner Stube mit lauter harten Thalern gepflastert und darüber erst die Dielen gelegt hatte. Er verstand aber auch die schwarze Kunst. Als er einmal ganz allein in der Mühle war, drangen plötzlich zwölf Räuber in die Stube und forderten sein Geld. Der Müller hieß sie niedersetzen und that, als ob er das Geld holte. Bald aber merkten die Räuber, daß sie nicht aufstehen konnten. Nun baten sie den Müller, er möge sie loslassen; der erbarmte sich, schnitt aber jedem mit seinem Messer ein Zeichen ins geschwärzte Gesicht und entließ sie. Als er nun am nächsten Sonntage seine Verwandten besuchte, fand er in ihren Gesichtern das eingeschnittene Zeichen. Oft schon hatte man versucht ihn zu erschießen,[227] er war aber kugelfest. Endlich hat ihn ein Jäger auf dem Wege nach Krümau mit einer gläsernen Kugel erschossen; auf der Stelle, wo dies geschehen, steht heute noch ein Kreuz.
(Moller, Theatrum Freibergense Chron. II., S. 19.)
Im Jahre 1260 hat sich zu Freiberg ein Schüler (einige halten dafür, daß es ein Priester gewesen sei) in eine Jungfrau heftig verliebt, und um dieselbe zu gewinnen, hat er Rat und Hülfe bei einem Schwarzkünstler gesucht. Derselbe führte ihn in der Sachsenstadt in ein abgesondertes Gemach, stellte ihn in einen Kreis und begann seine gewöhnlichen Beschwörungen. Der Teufel ließ sich nicht lange bitten und erschien plötzlich in der Gestalt der begehrten Jungfrau. Da stand der Jüngling heftig auf und bot ihr aus dem Kreise die Hand. Doch zu seinem höchsten Unglück und Verderben riß ihn der Teufel zu sich und warf ihn gegen die Wand, so daß er auf der Stelle tot blieb. Aber auch der Schwarzkünstler erhielt seine Strafe. Der Teufel nahm den zerschmetterten Körper des Schülers und warf damit mit solcher Gewalt nach ihm, daß er daran »versterret die ganze Nacht winselnd gelegen und auch früh noch also gefunden wurde.« Er wurde darnach zu gebührender Strafe gezogen.
(Moller, a. a. O. II., S. 201. Wilisch, Kirchen-Historie von Freyberg etc. II., S. 327. Ziehnert, Sachsens Volkssagen, 4. Aufl. Prosaischer Anhang, No. 5.)
Am Montage nach Palmarum 1536 hat ein Pfaffe aus Mulda in einem Weinhause zu Frauenstein allerlei Üppigkeit getrieben, ist auch des Nachts daselbst ganz voll und toll liegen geblieben, morgens aber mit umgedrehtem Halse tot gefunden worden. Man hat ihn für einen Zauberer gehalten, von dem gemeldet wird, daß er in Wirtshäusern böhmische und andere Groschen nach Belieben aus den Wänden herausgegraben und sonst allerlei Gaukelspiel zur Verwunderung gemeiner Leute getrieben habe. Er ließ z. B. auch den Wein zu Feuer werden und wußte es im Spiele zu machen, daß er allein alles gewann.
(Grohmann, Sagen aus Böhmen, S. 314. Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 102.)
Ein Hirte, der bei Permesgrün die Herde weidete, fand einmal unter einem Steine, der am Fuße einer uralten Eiche lag, ein altes Buch, auf welchem die Worte standen: Wende den Inhalt wohl an, und Du wirst der Menschheit nützen. Das that der Hirte, und bald war er in der ganzen Gegend als Wunderdoktor bekannt und gesucht. Da erkrankte der Sohn des Herzogs so schwer, daß der Vater in der Verzweiflung dem Retter seine Tochter zur Frau versprach. Der Wunderdoktor ging an den Hof des Herzogs und versprach die Heilung. Der Herzog wiederholte sein Versprechen, drohte aber ihn umzubringen, wenn der Versuch mißlänge.
Der Wunderdoktor machte sich an die Kur, und bald war der Prinz gerettet. Als aber der Wunderdoktor seinen Lohn verlangte, verweigerte ihm der Herzog die Tochter. Darüber ärgerte sich der Doktor, daß er sichtbar hinsiechte. Da las er in seinem Buche und befahl hierauf seinem Diener, ihn zu zerstückeln, die Stücke in eine Kiste zu legen und diese unter jener alten Eiche zu begraben; nach einem Jahre sollte er die Kiste wieder öffnen, aber nicht früher. Dann werde er wieder frisch und gesund auferstehen.
Der Diener that, wie ihm sein Herr geheißen hatte, aber er konnte die Zeit nicht erwarten und öffnete schon nach dreiviertel Jahren die Kiste, um nachzusehen, wie es mit seinem Herrn stünde. Da war die Wunderkraft vernichtet, und der Herr blieb tot.
Wir haben am Schlusse dieser Sage eine Variante des alten Glaubens, daß der alternde Mensch oder der Verstorbene durch Zauberkünste wieder nach einem gewissen Zeitraume verjüngt aufersteht, wenn man seinen Körper in Stücke zerhaut. Der junge Graf de Villano hatte zu Salamanca in der Schule des Teufels auch gelernt, wie man alte Leute wieder verjüngt. Nachdem er selbst zu Jahren gekommen, wollte er zu seinem eigenen Vorteile von diesem Geheimmittel Gebrauch machen. Er ließ sich, als es mit ihm zu Ende ging, von einigen gekauften Mohren schnell in Stücke zerhauen, die Stücke in eine Glasflasche füllen und diese in den Pferdemist setzen. Auf der Folter jedoch gestanden die Mohren, leider zu früh, was sie gethan hatten, und als man nachgrub, fand man das Glas und darin ein bereits ganz wohlgestaltetes Kind. (Rochholz, Deutscher Glaube und Brauch I., S. 121.) Nach Mannhardts Mythen (S. 66.) wurden der polnische Räuber Twardowsky und der ungarische Eisenlaci zerhauen und mit gekochten Heilkräutern begossen; nach sieben Monaten gewannen ihre Leichname wieder Kinder- oder Jünglingsgestalt. Auch der Arzt und Wunderdoktor Theophrast befahl vor seinem nahen Tode dem Diener, daß er seine Leiche in kleine Stücke zerschnitten in eine eherne Truhe lege und mit einem gewissen Pulver bestreuen solle. Nach 9 Monaten solle er die Truhe wieder[229] öffnen. Der Diener öffnete sie aber bereits nach 7 Monaten und fand ein noch nicht völlig entwickeltes Kind, das sich krümmte und vom Zutritte der kalten Luft starb. (Henne-Am-Rhyn, a. a. O., S. 672.)
(Ziehnert, Sachsens Volkssagen. Anhang, No. 128.)
Dr. Faust's Höllenzwang nennt die Sage ein Buch, in welchem die Kunst gelehrt wird, Geister zu citieren, ja selbst den Teufel sich dienstbar zu machen. Dieses Buch haben schon viele Freunde der schwarzen Kunst vergeblich gesucht, indem sie den Dornstrauch nicht wissen, unter dem es hinter dem Chemnitzer Schlosse, am Wege nach dem Küchwald, vergraben sein soll.
(Köhler, Volksbrauch etc., S. 552, Mitteilungen des Nordböhm. Excursions-Clubs, 7. Jahrg., S. 132.)
In dem nur aus wenigen Häusern bestehenden Lauterholz bei Lauterhof und Stangengrün soll man keine Sperlinge finden. Man hat sie schon in Nestern dorthin verpflanzen wollen, aber sie sind nicht geblieben. Dasselbe erzählt man von Karlsfeld, wohin man Sperlinge aus Eibenstock brachte, ohne daß sie geblieben sind. Es wird erzählt, daß diese Vögel von Zigeunern weggebracht worden seien.
Als in früheren Zeiten zur Thomasmühle bei Falkenau noch ausgedehnte Felder gehörten, wurden dieselben sehr von Sperlingen besucht, welche an den Saaten bedeutenden Schaden anrichteten. Da kam eines Tages eine alte Zigeunerin, welche den Müller um ein Almosen anflehte. Der Müller bot ihr eine gute Belohnung an, wenn sie die lästigen Gäste vertreiben könnte. Da sprach sie über die Sperlinge einen Spruch und von jener Zeit an waren auf den Feldern der Thomasmühle und auch in dem benachbarten Hillemühl keine Sperlinge mehr zu sehen. Erst, nachdem 1867 die Bahn gebaut wurde, haben sich etliche in Hillemühl angesiedelt. Die Thomasmühle aber fliehen sie noch heute.
In Fürstenwalde bat ein Soldat in einem Hause um etwas zu essen. Der geizige Hauswirt aber erwiderte: »Da geben wir's lieber den Spatzen, als euch.« Der erzürnte Soldat antwortete: »Ihr werdet den Spatzen nicht mehr viel geben.« Er hat darauf die Sperlinge verwünscht und seit dieser Zeit sind sie in Fürstenwalde nicht mehr zu finden.
Daß die Sperlinge von Zigeunern, welche von den Bewohnern freundlich aufgenommen wurden, verbannt worden sind, erzählt die Sage auch von dem Dorfe[230] Sora bei Bautzen. (Haupt, Sagenbuch d. L. I., No. 246.) In Böhmen giebt es noch verschiedene Orte, an denen sich keine Sperlinge aufhalten, weil sie daselbst verbannt wurden. Nach einem dortigen Volksglauben kann man sie von den Feldern verscheuchen, wenn man einen Span von dem Holze, woraus ein Tischler einen Sarg angefertigt hat, in's Getreide steckt. (Grohmann, Aberglauben und Gebräuche in Böhmen und Mähren, S. 73.) Aus dem Erzgebirge ist mir noch Neudörfel bei Schneeberg bekannt, von dem ebenfalls erzählt wird, daß daselbst keine Sperlinge nisten; die Sage meldet jedoch nichts davon, daß hier die Sperlinge durch Zigeuner weggebannt worden seien. Alle Orte ohne Sperlinge liegen oder lagen fast ganz von Wald umschlossen, so daß in ihrer Nähe Raubvögel einen sichern Schutz finden; ebenso tritt in der Nähe kleiner Walddörfer der Ackerbau zurück und es fehlen demnach daselbst Körnerfrüchte und Insekten, denen unsere Vögel nachgehen; ist es doch nachgewiesen, daß die Sperlinge überall dem Ackerbau gefolgt sind.
Von Interesse erscheint es, aus den mitgeteilten Sagen zu erfahren, daß das Volk das Fehlen der Sperlinge für eine Wohlthat ansieht; nur in der letzten Sage wird dasselbe als eine Strafe dargestellt. Sollte damit auch zugleich ausgesprochen werden, daß in Fürstenwalde der Ackerbau zurückgegangen sei?
(Gräße, Sagenschatz des K. S., No. 619.)
Südwestlich von Zwickau liegt das Dorf Planitz, welches der Familie von Arnim gehört. Ein früherer Herr von Arnim konnte das Feuer segnen. Wenn irgendwo viele Meilen in der Runde eine Feuersbrunst war, holte man ihn oder er eilte selbst hin, ritt um das brennende Haus herum, sprach seinen Segen und augenblicklich verlöschte die Brunst.
(Jugenderinnerung eines gebornen Nosseners.)
Vor hundert Jahren lebte in der Umgegend von Nossen ein Rittergutsbesitzer, der konnte das Feuer bannen. War irgendwo ein Brand ausgebrochen, so kam er eilends angeritten, jagte dreimal unter geheimnisvollem Murmeln um das Feuer herum, dann schnell wieder fort und über ein fließendes Wasser, worauf das Feuer erlosch. Wäre er nicht über ein Wasser geritten, so würde das Feuer ihn verbrannt haben.
Zur Zeit, als die Leute ihr Brot noch selbst einteigten, pflegte man in der Nossener Gegend bei ausgebrochenem Feuer den Backtrog vor's Haus zu tragen und nach dem Feuer gerichtet an das Haus anzulehnen. Dann wendete sich der Wind vom Hause ab. Auch schaffte man beim Retten niemals zuerst die Betten aus dem Hause, sondern irgend etwas anderes, da sonst die Kräfte gelähmt wurden.
Ein Volksglaube, welchen Veckenstedt in den »Wendischen Sagen, Märchen und abergläubischen Gebräuchen« (Graz, 1880) an die Spitze seiner Schatzsagen stellt, erzählt uns, daß da, wo des Nachts um 12 Uhr kleine Flämmchen auf der Erde herumflackern, Geld brenne; man müsse dann ein Geldstück oder ein Messer hineinwerfen, um den Schatz zu erlangen; derselbe werde jedoch von wilden Hunden oder anderen Tieren bewacht. In dieser kurzen Sage ist der wesentlichste Inhalt aller Sagen niedergelegt, welche uns erzählen, wo sich jene mythischen Schätze finden, die Henne-Am-Rhyn (Die deutsche Volkssage etc., S. 48) als niedergegangene Sterne des Himmels oder als Morgen- und Abendröte deutet, und die wieder von anderen, z. B. von Nork in seinen »Sitten und Gebräuchen der Deutschen« zu den Münzen in Beziehung gebracht werden, welche von den heidnischen Germanen und Slaven ihren Toten mit ins Grab gegeben wurden. Es wird uns aber auch in jener kurzen lausitzischen Sage mitgeteilt, wie diese Schätze zu heben sind und welche Mächte dieselben gegen das Eindringen der Sterblichen bewachen. Derselbe Sagenstoff wiederholt sich in mannigfachen Abänderungen an zahlreichen Örtlichkeiten. Auch im Erzgebirge zeigen blaue Flämmchen oder Lichter Schätze an, bei deren Heben kein Wort gesprochen werden darf. Nach Jacob Grimm (Deutsche Myth., S. 544) wird auch ein auf bloßem Leibe getragenes Kleidungsstück (nach einer unserer Sagen kann dies z. B. ein Halstuch sein) auf den Schatz geworfen, um alle Gefahr von sich abzuwehren.
Zahlreich sind ferner im Erzgebirge wie anderwärts die Sagen, nach denen unermeßliche Schätze in weiten Gewölben in Braupfannen oder Laden liegen. Die Pforten zu diesen Höhlen öffnen sich nur an bestimmten Tagen zu gewissen Stunden, und wenn die Glücklichen in die Schatzkammern eintreten, so finden sie die Schätze entweder von Hunden oder grauen Männchen, Kobolden oder Schattenmännchen bewacht. Bei den Schätzen ist gewöhnlich eine weiße Jungfrau, teilweise mit einem Schlüsselbunde. Nicht selten sind es auch Wunderblumen, welche die Pforten zu den Geldgewölben öffnen, und die von[234] denen, welchen es beschieden war einzutreten, vergessen werden. (S. Wundersagen.) Frauen, welche mit einem Kinde eintreten, lassen in der Hast, womit sie die Schätze zusammenraffen, ihr Kind zurück; sie finden dasselbe im nächsten Jahre an gleichem Tage wohlbehalten mit einem Apfel in den Händen in der Schatzkammer wieder.
In diesen Überlieferungen erkennen wir den Mythus, in welchem der Kreislauf des Jahres erscheint. Das Kind mit dem Apfel in der Hand bedeutet die Fruchtbarkeit des Jahres; die Erdgöttin (Freija) hat das Kind zu sich genommen und läßt es erst nach Ablauf eines Jahres wiederfinden. (S. Ludwig Zapf in der Leipziger Illustr. Zeitung, No. 1890.)
Unsere Sagen erzählen uns auch, wie sich die Schätze als Halme an den Bäumen sommern und dann wieder, wenn sie fortgetragen wurden, in goldene Ketten verwandelten; sie melden uns von Ziegelsteinen, Leinwandfleckchen, Kohlen, Hobel- und Sägespänen, Baumrinde und Kartoffeln, die zu Gold wurden.
Wenn auch manche Überlieferungen, wie der Gebrauch der dem Donar geweihten Hasel als Wünschelrute und die rote, blaue und zuweilen gelbe oder weiße Farbe der Wunderblumen, welche dem Blitze als gleichfarbig erscheinen, in Beziehung zur Gewittergottheit gebracht werden können, deren Blitz dem Golde gleich aus der finstern Wolke, dem himmlischen Berge, hervorleuchtet, so meine ich doch, daß auch viele Schatzsagen auf den heidnischen Gebrauch, den Toten Geld mit ins Grab zu geben, zurückzuführen und daß zahlreiche Plätze, besonders Berge und Orte, an denen einst Schlösser und Burgen standen, und an denen die Sage des Volkes Schätze verheißt, zugleich ehemalige Begräbnisplätze sind. In heidnischen Begräbnisfeldern wurden neben Münzen und Schmucksachen auch Kohlen vom Leichenbrand gefunden, und so mochte sich der Glaube bilden, daß überall da, wo in der Erde an den von Geschlecht zu Geschlecht in nebelhafter Erinnerung als ehemals geheiligt gehaltenen Orten Kohlen angetroffen wurden, auch Schätze vergraben lägen; ja die Kohlen selbst wurden später als durch Zauber umgewandelte Schätze betrachtet. (Nork a. a. O., S. 709.)
Die Toten aber finden nach einem Volksglauben im Grabe keine Ruhe, so lange sie das mitgenommene Geld nicht wieder an einen Sterblichen abgegeben haben. Ich verweise dabei auf die Sage vom Jünglinge zu Weißbach, welcher im Grab0e keine Ruhe fand, bis man den mitgenommenen Pfennig wiedergeholt hatte. Was hier der Volksmund vom geringen Pfennig erzählt, das wiederholt er in ähnlichen Überlieferungen vom Gold und reichen Geschmeide. Überall kehrt in den Schatzsagen die Erscheinung von Wesen wieder, welche keine Ruhe[235] finden, bis das Gold und Silber gehoben ist; außerdem aber zeigen sie dem Sterblichen meist auch die Mittel, deren sich derselbe bedienen muß, um in das Innere der Erde zu gelangen, wo die unermeßlichen Reichtümer liegen und gleichzeitig der Hüter seiner endlichen Erlösung aus dem Zauberbanne harrt.
(Mündlich.)
An der Plänerleite zwischen Blauenthal und Zimmersacher liegt ein zerklüfteter Granitfelsen, welchen man wegen seiner Form die Steinwand nennt. Weiter oben nach dem Zimmersacher zu aber quillt der »Goldbrunnen«, aus welchem man einst Gold gewaschen hat. In der Steinwand jedoch öffnete sich einst an einem Karfreitage, als in Eibenstock die »lateinische Litanei« gesungen wurde, eine Höhle, und wenn jemand durch das Thor derselben hineingegangen wäre, hätte er daselbst große Schätze gefunden.
(Richter, Umständliche Chronica der freyen Bergstadt St. Annaberg. Annaberg, 1746, S. 8.)
Es ist die alte Richterin zu Königswalde nebst noch zweien ihrer Nachbarn am Bärenstein im Mai Gras und Kräuter zu holen gegangen, und als sie an den Berg gekommen sind, so hat sichs am Berge aufgethan wie ein großes Scheunenthor, daß sie hinein gesehen hat, wie in eitel Silber und Gold, und als sie die andern zwei gerufen, daß sie es auch sehen sollten, so ist es wieder verschwunden.
(Chr. Lehmann, Histor. Schauplatz etc., S. 187.)
Im Jahre 1605 bekam M. Laurentius Schwabe, Pfarrer in Scheibenberg, etliche Gäste von Annaberg. Seine Ehefrau führte einige ältere Freundinnen über und um den Scheibenberg, ihnen dessen Gegend zu zeigen. Dabei trafen sie aber ein Loch, in welches drei Stufen führten und darin lag ein glänzender Klumpen, wie glühendes Gold. Darüber erschraken sie und gingen eilends nach der Stadt. Als sie jedoch den Pfarrer nebst den übrigen Gästen nach dem Orte führen wollten, konnten sie das Loch nicht wieder finden.
Im Jahre 1648 starb Hans Haß, ein alter ehrlicher Bürger zu Scheibenberg, welcher auf dem Siechbette von seiner Armut am Anfange seines Ehestandes folgendes erzählte: Als Wolf Köhler seine Tochter Elisabeth weggab, wären wir junge Eheleute gerne mit zu Ehren gezogen, aber wir hatten kein Geschenke. Wir gingen am Berge grasen und wurden eines Lochs gewahr, das mit einer eichenen Thür verschlossen, und gingen etliche Stufen hinein. Da wir Wunders halber hinein sehen, liegt ein Fuchs auf einer Stufen. Wir erschraken darüber, gleichwohl weil sich der Fuchs nicht rührete, gaben wir ihm einen Stoß und befunden, daß er tot war. Ich verkaufte den abgestreiften Balg, wir gingen auf die Hochzeit und waren lustig. Aber nach selbiger Zeit habe ich das Loch nicht wieder finden können, wie fleißig ich auch gesucht habe.
(Christ. Lehmann, Histor. Schauplatz etc., S. 183. Gießler, Sächs. Volkssagen, Stolpen (o. J.) S. 104.)
Unter einem großen Felsen des Greifensteins, wo der Vermutung nach ein altes Schloß gestanden hat, ist ein offenes Loch zu sehen, in das ein Mann bequem kriechen kann. Von diesem Loch aber wird erzählt, daß einst eine Magd aus dem Vorwerke Hayde, die, wenn sie daselbst grasete, öfters mit Namen gerufen wurde, im Beisein einer andern Magd auf abermaliges Rufen hineingegangen wäre, mit dem Verlaß, wenn sie schreien würde, daß ihr die andere zu Hülfe kommen sollte. Es hätte aber die hineingehende Magd einen großen Kasten mit Gold und Geld und einen schwarzen Hund dabei liegend angetroffen, und auf Befehl einer Stimme das Grastuch damit angefüllt. Als aber inzwischen der Eingang ganz enge geworden sei, daß sie auf die andere Magd um Hülfe geschrien, wäre der Hund auf sie losgesprungen und hätte alles Eingefaßete wieder aus dem Grastuche gescharret, darauf sie voller Schrecken von der andern herausgezogen worden, und des dritten Tages darauf wäre sie gestorben.
Besser (indem er wenigstens nicht mit dem Leben büßen mußte) erging es einst einem alten Manne aus Geyer, einem gewissen Christoph Hackebeil, der von seinem Heimatsorte nach der am Fuße des Greifensteins liegenden Gifthütte ging, durch sonderbaren Zufall auf den Greifenstein geriet, dort in dem obengedachten Loche entschlief und die ganze Nacht und den halben folgenden Tag daselbst zubringen mußte. Es ließ ihn schlechterdings nicht fort, und für die Angst und Versäumnis[237] seiner Zeit hat derselbe nicht einmal einen klingenden Lohn von den Berggeistern erhalten.
Der Hund, welcher den Schatz bewacht, ist der Hund der Unterwelt, welcher bei der Göttin Hel wacht. Ursprünglich ist derselbe das Tier Odhins, einer von den Wölfen der Walstatt. Odhin aber ist als Verleiher jedes Gutes auch zugleich der Herr der Schätze.
(I. Mündlich. II. Moritz Spieß, Aberglaube, Sitten und Gebräuche des sächs. Obererzgebirges. Programmarbeit. 1862, S. 40.)
I. Eines Tages gingen zwei Mädchen durch den Wald, in welchem der Greifenstein liegt; sie hatten Streu gesammelt und trugen dieselbe in ihren Tragkörben nach Hause. Als sie nun auf einem schmalen Wege die Höhe abwärts stiegen, sahen sie an den Zweigen der Fichten zu beiden Seiten Strohhalme hängen. Darüber wunderten sie sich, denn sie meinten, daß hier doch kein Weg für Wagen sei; es sah nämlich aus, als ob von einem mit Stroh beladenen Wagen durch die zum Teil über den Weg hängenden Zweige einzelne Halme losgerissen worden seien, wie man solches ja häufig an den mit Bäumen besetzten Landstraßen sieht. Wie die Mädchen aber nach Hause gekommen waren und ihre Streu ausschütteten, fanden sie darunter eitel goldene Ketten. Der Schatz des Greifensteins hatte sich in der Gestalt von Strohhalmen an diesem Tage gesommert und so waren einzelne Halme in die Körbe gefallen, wo sie sich in die goldenen Ketten verwandelt hatten.
II. Als der früher in Ehrenfriedersdorf angestellte Förster Töpel eines Tages bei dem Greifensteine vorbei ritt, hingen so viel Gras- und Strohhalme von den nahen Bäumen herab, daß er kaum hindurchreiten konnte. Dabei blieben einige Halme auf seinem Hute liegen. Als er daheim seinen Hut abnimmt, hat er um denselben eine goldene Kette. Es soll noch ein Stück von dieser Kette vorhanden sein.
Henne-Am-Rhyn (Die deutsche Volkssage, S. 49 und 52) deutet die Schätze der Sage als Sinnbilder der Sterne; sie bewegen sich und versinken wie letztere. Daß Schätze an gewissen Tagen aufsteigen, um sich zu sonnen, erzählen noch mehrere Volkssagen. Als einst Steinbrecher auf dem Schlatter Rehberge bei Bingen von ferne einen schimmernden Haufen liegen sahen, sagten sie: »Heute ist der erste März, da sonnen sich die Schätze.« Thönerne Scherben, welche dann einer von ihnen an jener Stelle fand, verwandelten sich zu Hause in zerbrochene Silbermünzen. Nach einer andern Sage steigen Schätze an Märzfreitagen aus dem Boden, um sich zu sonnen; dabei wird ihre Ankunft vielfach durch eine blaue Flamme verkündet. Die Schätze werden auch von Geistern unter der Erde fortgerückt. (Nork a. a. O., S. 709.)
(Joh. Böhm in der Erzgebirgs-Zeitung, 2. Jahrg., S. 130 und 132.)
Auf dem Hohen Steine zwischen Graslitz und Markneukirchen ist eine Schatzkammer, deren Eingang sich in der Nähe des sogenannten Franzosensteins, eines prismatisch zubehauenen Granitblocks mit der Jahreszahl 1808, befindet. Die Pforten zu der Schatzkammer sollen sich alljährlich am Karfreitage, während in der Kirche die Passion gesungen wird, öffnen.
Ein armes Weib aus dem naheliegenden Orte Stein nahm ihr einjähriges Kind, welches sie niemandem der Obhut anvertrauen konnte, und begab sich an einem Karfreitage mit demselben in den Wald am Hohen Stein, um »Holz zu klauben.« Schon hatte sie davon eine ziemliche Menge beisammen, als sie plötzlich in einem Felsen eine weite Öffnung bemerkte, welche von ihr früher niemals gesehen worden war. Verwundert darüber nahm sie ihr Kind, welches unterdessen auf weichem Moose gesessen, auf den Arm und faßte den Entschluß, das seltsame Thor näher zu betrachten. Hinzugetreten und in die gähnende Höhlung hineinblickend, sah sie zu ihrem Erstaunen in derselben Haufen rotwangige Äpfel, eine große Menge gleißendes Geld und funkelnde Edelsteine, ferner auf einem Tische ein Bund altertümlicher Schlüssel. Nachdem das Weib schnell seinen Korb herbeigeholt und das Kind zu den Äpfeln gesetzt hatte, mit dem Bedeuten, es möge davon essen, fing sie an, von den reichen Schätzen in ihren Korb zu raffen, bis dieser nichts mehr tragen konnte. Im Begriffe hinauszugehen, um ihre schwere Last draußen abzusetzen und hierauf ihr Kind zu holen, hörte sie eine Stimme rufen: »Vergiß das Beste nicht!« Doch sie konnte den Sinn dieser Worte nicht deuten und begab sich ins Freie. Kaum war dieses geschehen, so schloß sich hinter ihr der Felsen geräuschlos und so sehr auch das Weib jammerte und weinte, um ihr verlornes Kind bat und flehte, der Eingang war und blieb verschwunden. Todmüde und tiefbetrübt wankte sie endlich ihrer armseligen Hütte zu, laut und heftig ihre Habsucht und Geldgier verwünschend. Es verging ein Jahr und die hartgeprüfte Mutter lenkte, das nicht angetastete Geld im Korbe tragend, am Karfreitage zu derselben Stunde wie vor zwölf Monaten ihre Schritte dem hohen Steine zu. Und siehe da! der Eingang zur Schatzkammer stand offen, und als sie klopfenden Herzens und froher Hoffnung näher getreten war, sah sie zu ihrer unaussprechlichen Freude ihr totgeglaubtes Kind frisch und gesund, sowie kräftig herangewachsen auf derselben Stelle, auf welche sie es im Vorjahre gesetzt hatte. Schnell schüttete sie das Geld wieder[239] an seinen Ort, nahm das Kind und machte sich eilig davon, obwohl sie neuerdings rufen hörte: »Vergiß das Beste nicht!« Auf dem Heimwege fragte sie ihr Kind, wer es gepflegt habe. »Eine weiße, freundliche Frau,« antwortete dieses, »gab mir zu essen und zu trinken, kleidete und bewachte mich.« – Hätte das Weib den Schlüsselbund mitgenommen, so würde sich ihr der Felsen jederzeit geöffnet und seine Schätze dargeboten haben. Das war das Beste, welches die Stimme meinte.
Die genannte weiße Frau ließ sich früher, meist zur Mittagszeit, häufig in der Nähe des Hohen Steines sehen, den Bund mit altertümlichen Schlüsseln in der Rechten tragend. Sie that niemandem ein Leid, im Gegenteil, manchen würde sie reich gemacht haben, wenn er nicht unwissend und leichtsinnig die dargebotenen Geschenke von sich gewiesen hätte.
Ein Waltersgrüner Knecht machte sich in später Nachtstunde auf den Weg, um einer dringenden Angelegenheit halber nach Stein zu gelangen. Bei der untern Mühle verließ er den Fahrweg und schlug einen schmalen Fußpfad ein, der am Abhange des Hohen Steines dahinführt, und auf dem er, wie er glaubte, in kürzerer Zeit an den Ort seiner Bestimmung gelangen konnte. Allein die große Dunkelheit der Nacht und das arge Wetter waren Ursache, daß er vom rechten Steige abkam und lange Zeit in der Irre herumging. Endlich sah er zu seiner Freude ein Licht schimmern, und er verdoppelte seine Schritte in der Meinung, zu einem gastlichen Hause gelangen zu können. Wie groß war aber sein Erstaunen, als er statt der Flur eines solchen einen breiten Gang betrat, an dessen Ende von der Decke eine strahlende Lampe herabhing, die ungeheuere Schätze von Gold und Edelsteinen aller Art beleuchtete. Nachdem der Knecht eine starke Anwandlung von Furcht bekämpft hatte, da er außer den köstlichen Reichtümern noch eine weiße Frau bemerkte, welche jene zu hüten schien, trat er näher und betrachtete mit lebhaftem Verlangen das gleißende Gold und die funkelnden Juwelen. Die weiße Frau schien seine Gedanken zu erraten, denn sie erhob ihren rechten schneeigen Arm, deutete mit dem Zeigefinger auf die Schätze und sprach: »Nimm davon, soviel dein Herz begehrt; aber vergiß das Beste nicht!« Das letztere glaubte er unter den Edelsteinen zu finden und raffte mit gierigen Händen in seine Taschen, so viel diese fassen konnten. Noch zweimal trafen jene Worte sein Ohr; allein er achtete nicht darauf und verließ frohen Sinnes über den gewonnenen Reichtum den hohen und breiten Gang. Kaum war er im Freien, als sich der Eingang zu demselben donnernd schloß und eine dumpfe Stimme sprach: »Thor, das Beste war der Schlüssel, den Du[240] unbeachtet liegen ließest, und der Dir jederzeit den Eingang zu meinen Schätzen geöffnet hätte.« Von der Steiner Pfarrkirche aber trug die Luft die zwölf Schläge der Mitternachtsstunde an sein Ohr, und da sich die dunkeln Wolken zerteilt hatten und die Sterne herniederlugten auf die stille Erde, bemerkte der erstaunte Knecht, daß er sich am Hohen Steine befand.
Manche alte Leute nennen die weiße Jungfrau mit dem Schlüsselbunde das »Schwedenweibl« und erzählen, daß dieses die verwünschte Tochter eines gefürchteten schwedischen Feldherrn sei, welcher lange Zeit auf dem hohen Steine hauste und von hier aus die ganze umliegende Gegend arg heimsuchte.
Die Schweden stehen überhaupt bei den Bewohnern der um den Hohen Stein liegenden Dörfer im schlimmen Andenken. Wenn der Vater in den Feierstunden sein Büblein auf den Knieen schaukelt, spricht er dabei:
(H. Arnold im Chemnitzer Tageblatte 1882, No. 11, 2. Beilage.)
Gar nicht weit vom Hohen Steine, unweit des Dorfes Landwüst, steht eine Säule, welche die Stundensäule genannt wird. Unter dieser befindet sich, wie alte Leute erzählen, ein riesiger großer, eiserner Kasten, welcher mit Goldstücken angefüllt ist, die aber von einem Geiste bewacht werden. Derselbe sitzt auf der Truhe und wird nur dann weichen, wenn das rechte Zauberwort gesprochen wird. Wenn man den Schatz heben will, so muß man dieses Zauberwort kennen, darf aber weder auf dem Wege bis zur Säule, noch während des Grabens und auf dem Rückwege ein Wort außer dem Zauberworte sprechen. Ebenso darf man sich nicht umsehen, denn wer dies thut, dem wird das Genick gebrochen.
Mit dem Schatze aber hat es eine eigentümliche Bewandtnis.
Vor alter Zeit, als noch die Heerstraße von Adorf über Remtengrün, Schönlinde und Landwüst nach Eger hinführte, kam einmal in[241] der Nacht ein Reiter in das Dorf Landwüst gesprengt und begehrte einen Bauer als Führer. Sein Mantel pauschte ganz gewaltig, denn er hatte einen großen Sack mit lauter blanken Goldstücken, welche er durch Raub und Plünderung während des damals herrschenden Schwedenkriegs an sich gebracht hatte, darunter verborgen.
Es fand sich ein Bauer, der ihm den Weg zeigen wollte, und beide verließen das Dorf bei dichter Finsternis. Als sie an den Ort gekommen waren, wo die Säule stand, verbarg der Reiter sein Gold in einem Kasten und befahl dem Bauer, denselben in die Erde zu vergraben. Er sagte aber, daß Pulver und Blei darin verschlossen wären. Der Mann grub aus Leibeskräften, versenkte die Truhe und deckte sie wieder sorgfältig mit Schutt zu. Für seine Mühe erhielt er zehn Dukaten. Kaum war aber der Bauer einige Schritte von der Säule entfernt, so kam der Reiter ihm nach und erstach ihn, damit das Geheimnis mit dem Kasten niemandem bekannt würde. Der Offizier – denn ein solcher war der Reitersmann, – wurde im nahen Walde von seinen Kameraden, mit welchen er das Geld teilen sollte, erwartet. Weil er aber mit leerem Beutel kam, hängten ihn diese an den ersten besten Baum und ritten davon.
Am nächsten Tage fand eine Schar schwedischer Reiter, welche den Wald und andere zu Verstecken geeignete Plätze nach Spionen und Vagabunden durchsuchte, nicht allein den gehenkten Schwedenoffizier, sondern auch den ermordeten Bauer. Weil dieser aber zehn Dukaten in der Tasche hatte, die er vordem nicht besessen haben konnte, so sagten die Leute, er sei ein Schatzgräber gewesen, habe auch einen Griff in den Goldbehälter gethan, sei aber, da er jedenfalls während der Arbeit gesprochen oder sich umgesehen habe, von einem Geiste getötet worden.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 93. etc.)
Von Platten aus führt die Straße nach dem Orte Breitenbach. In mehreren Windungen zieht sie sich durch ein schönes, anmutendes Thal, das ein klares Gebirgswässerlein, der Breitenbach, durcheilt, in dessen Wellen die lustige Forelle ihr Wesen treibt, während in den kräftigen Fichten- und Tannenwaldungen, womit die Thalwände bewachsen sind, zur Zeit des Lenzes die Vögel ihre fröhlichen Weisen erschallen lassen. Beim oberen Farbwerk gewahrt man zur Rechten einen 915 Meter hohen Felsen, den Heinrichfelsen, welcher eine prachtvolle Fernsicht gewährt. Seine Spitze trägt ein aus rohem Holz zusammengefügtes[242] Kreuz, das wie eine schützende Wacht herabblickt in das stille, freundliche Thal. In der Umgebung des Heinrichsteines wachsen viele große und schmackhafte Heidelbeeren, was auch in früherer, längst vergangener Zeit der Fall gewesen ist.
Einst kamen an einem herrlichen Sommertage in die Nähe dieses Felsens zwei junge Mädchen aus Platten, um dort Beeren zu klauben. Unter heiteren Gesprächen wurden sie des Pflückens gar nicht müde, bis sie ihre Körbchen gehäuft voll hatten. Nun machten sie sich beide auf den Heimweg und verwunderten sich sehr, als sie am Fuße des Berges eine offene Thür erblickten, welche in einen weiten Gang führte. Die Mädchen gingen beherzt hinein und fanden daselbst eine eiserne Truhe, an der ein großer, altertümlicher Schlüssel steckte. Voll Hast öffneten sie mittelst desselben die Lade und sahen, daß diese mit Gold und Silber gefüllt war. Schier geblendet von den gleißenden Schätzen, schauten die Mädchen mit verblüfftem Antlitze eins das andere an und wußten gar nicht, was sie mit dem edlen Metalle anfangen sollten. Einfältig, wie sie waren, verschlossen sie, ohne etwas von den Schätzen anzurühren, die Truhe, nahmen den Schlüssel zu sich und liefen über Stock und Stein nach Hause, um ihren Eltern von dem reichen Funde Mitteilung zu machen. Außer sich vor Freude, eilten darauf die Väter der Mädchen zum Heinrichstein, aber der Eingang in den Felsen war nirgends mehr zu finden; auch die Mädchen suchten ihn vergebens, so sehr sie ihre Augen anstrengten. Noch lange soll der Schlüssel zur Schatztruhe auf dem Rathause in Platten aufbewahrt worden sein, doch ist er allda gegenwärtig nicht mehr vorhanden.
Vor vielen, vielen Jahren ging am Karfreitag ein armes Weib, ihr Kindlein auf dem Arme tragend, in den Wald am Heinrichstein, um Reiser zu sammeln. Über ihre mißlichen Verhältnisse nachdenkend, weinte sie bitterlich und meinte, ein Teil der im Felsen verborgenen Schätze genügte, mit einem Schlage ihrer Armut ein Ende zu machen. Da bemerkte sie auf einem Felsblocke des Heinrichsteines allerlei bunte Blumen. Sie schritt mit ihrem Kinde darauf zu, um für dieses einige Blümlein zum Spielen zu pflücken. Während das Weib sich dieser Beschäftigung hingab, gelangte sie plötzlich zu einer in den Felsen führenden Pforte, die sie früher niemals gesehen hatte. Höchlich überrascht, nahm sie ihr Kind, das sie auf einem grünen Platze niedergesetzt hatte, auf den Arm und trat näher zu der offenen Thüre, deren Schwelle sie ohne Bedenken überschritt. In dem Felsengewölbe standen Säcke, die mit Gold- und Silbererzen bis oben angefüllt waren, und ein Tisch. Auf letzteren setzte das nun sich glücklich fühlende Weib das Kind und begann von den funkelnden Schätzen gierig in ihre Schürze zu raffen.[243] Kaum hatte sie diese voll, da erschien ein Zwerg, der sie zum schleunigen Fortgehen aufforderte. Erschrocken lief sie dem Ausgange zu und vergaß in der Angst ihres Kindes, dessen sie sich erst im Freien erinnerte. Wohl kehrte das bestürzte Weib ungesäumt und rasch zur Öffnung zurück, allein unter Krachen hatte sich der Felsen geschlossen. Wie sehr auch die trostlose Mutter weinte und um den Verlust ihres Kindes jammerte, der Eingang war und blieb unsichtbar. Fast verzweifelnd und die in ihrer Schürze befindlichen Schätze verwünschend, mußte sie endlich nach Hause wanken. In ihrem unbeschreiblichen Schmerze wandte sie sich an den Geistlichen in Platten, der sie nicht nur tröstete, sondern ihr auch den Rat erteilte, im nächsten Jahre zu gleicher Stunde wieder zum Heinrichstein zu gehen. Lange, sehr lange dauerte diesmal der schwergeprüften, sorgenvollen Mutter das Jahr, bis endlich der heißersehnte Karfreitag erschien. Da ging sie, fest auf den Heiland vertrauend, der an diesem Tage für die Menschen den Kreuzestod litt, wieder zum Felsen. Und siehe da! Die Thür stand wie vor Jahresfrist offen. Mit unaussprechlicher Freude stürzte das Weib in das Gewölbe und erblickte auf dem Tische ihr mittlerweile herangewachsenes Kind frisch und gesund, einen schönen Apfel in den Händchen haltend. Seelenfroh nahm sie dasselbe, drückte es an ihr Herz und eilte, so schnell sie die Füße tragen konnten, aus dem Felsen. Die daselbst aufgespeicherten blendenden Schätze übten diesmal keine Zauberkraft auf die Mutter aus, der ihr gefundenes Kind mehr galt als alle Reichtümer der Erde.
Ein andermal erblickte ein armer, tugendhafter Mann aus Platten, der einstmals in dem Walde beim Heinrichstein Holz sammelte, ganz unerwartet vor sich ein Licht, das sich am Boden fortbewegte. Er ging ihm nach und gewahrte eine große, offene Truhe aus Eisen, in welcher Gold- und Silbermünzen aller Art angehäuft waren. Da er mit den Händen die Lade nicht fortzuschaffen im stande war, zog er den Schlüssel ab, deckte, damit niemand anders den Schatz finde, denselben mit Reisig zu und eilte beflügelten Schrittes heim, um einen Schiebkarren zu holen. Als der Mann an Ort und Stelle zurückgekehrt war, fand er zwar das Reisig, aber zu seiner Bestürzung war die Geldtruhe spurlos verschwunden. Hätte er, statt die Lade mit Reisig zu bedecken, ein Halstuch auf den Schatz geworfen, so wäre dieser gebannt gewesen.
Schon mancher, der den Schatz heben wollte, wurde von der wilden Jagd arg bestraft, welche um den Heinrichstein ihr Unwesen treibt. Der Vorwitzige verfiel in eine schwere Krankheit oder starb sogar an den Folgen des Schreckens. Die wilde Jagd sollen Reiter sein, welche in der Luft dahin brausen. Viele Holzleute wollen in der Nähe des[244] Heinrichsteines Hundegebell, Hörnerblasen, lautet Halloh und Peitschenknallen vernommen haben, was von der wilden Jagd herrührt.
Ähnlich wie vom Hohen- und Heinrichsteine erzählen uns Sagen aus anderen Gegenden Deutschlands von Frauen, welche beim Betreten des Schatzgewölbes ihr Kind niedersetzten und dasselbe nach einem Jahre im Innern des Berges mit einem Apfel in der Hand wiederfanden. Wie in unsern beiden Sagen geschah dies auch auf dem Löbauer Berge an einem Karfreitage (Haupt, Sagenbuch d. L. I. N. 249), auf dem Waldsteine im Fichtelgebirge jedoch am Johannestage (Zapf, Sagenkreis d. F. S. 16). Das übereinstimmende Anführen eines Apfels, welchen das Kind in der Hand hielt, ist gewiß nicht ohne Bedeutung. Vielleicht liegt darin eine Beziehung zu den verjüngenden Äpfeln, welche Idhuna, die Göttin der Jugend, besaß. Diese selbst wurde im Frühlinge aus der Gewalt der Frostriesen den Göttern zurückgebracht. Neben der »Quelle der Jugend«, die ihren Namen von der aus dem Tode erweckenden Eigenschaft ihres Wassers erhalten hatte, wuchsen Apfelbäume, von denen nach einem altfranzösischen Romane der Held Hüon von Bordeaux Wunder wirkende Früchte mitbrachte. (Nork, Sitten und Gebräuche d. Deutschen, S. 198.)
(Fr. Bernau, Comotovia. 1877, S. 76.)
In der Nähe des erzgebirgischen Schlosses Eisenberg erhebt sich der sogenannte Seeberg, der seinen Namen von dem großen See führt, welcher einst seinen felsigen Fuß umspülte. An diesen Berg knüpft sich die Sage, daß er eine ganze Braupfanne voll Gold in seinem Innern berge. Aber es giebt nur ein Mittel, in denselben und zu dem Schatze zu gelangen, und dies ist folgendes: Wenn der Priester am Palmsonntage die Passionsgeschichte liest, öffnet sich eine geheime Thüre, durch welche man zu dem Golde gelangen kann, was jedoch bis Mittag 12 Uhr geschehen muß, da mit dem zwölften Glockenschlage die Thüre wieder bis auf Jahresfrist verschwindet.
Im Jahre 1855, so erzählte ein Bauer aus jener Gegend, machte sich an dem besagten Tage ein Schneider mit noch zwei Gefährten auf den Weg nach dem Seeberge. Am Fuße desselben angelangt, eilte der Schneider voraus und bald hatte er seine schwerfälligeren Begleiter im Rücken. Er klomm von Felsen zu Felsen, durch Gesträuch und Gebüsch zum Gipfel hinan und gelangte bald auf einen grünen, baumfreien Platz, wo er seine Gefährten erwarten wollte. Allein er wurde fast starr vor Schrecken, als er in einer kolossalen Felsenwand plötzlich eine große geöffnete Thür erblickte, welche in einen langen, dunklen Gang führte. Als er seine Sinne wieder gesammelt hatte, konnte er deutlich Stöhnen, Bitten und Flehen um Befreiung aus dem Innern[245] des Berges vernehmen; er besann sich nicht lange, merkte sich die umstehenden Bäume wohl und lief in aller Eile zurück, um seine Kameraden zu holen. Diese waren jedoch noch weit zurück, und als er sie endlich erreicht, hörte er auch schon den zwölften Glockenschlag und zugleich einen furchtbaren Donnerschlag vom Berge her, daß alle drei dem Herannahen ihres letzten Stündleins schaudernd entgegensahen. Da aber der Himmel sonst ganz heiter war, auch die Natur vollkommen ruhig sich zeigte, ließen sich die beiden andern endlich bewegen, mit dem Schneider an die bezeichnete Stelle zurückzukehren. Dort angekommen, fanden sie jedoch statt der erwarteten Thüre nur die hochragende starre Felsenwand, die sie von früher her wohl kannten; von einer zu den Schätzen führenden Öffnung war keine Spur zu sehen. Dieser tragische Anblick versetzte nun den armen Schneider in ein abermaliges Erstarren, indem er das schon sicher gewähnte Glück mit einem Schlage vernichtet sah.
Ob seit jener Zeit wieder irgend ein schatzsüchtiges Menschenkind den Versuch gemacht hat, dem Seeberge seine Schätze abzugewinnen, hat man nicht erfahren.
(Erzgebirgischer Anzeiger, Schneeberg 1803, S. 322 etc.)
Die granitene Teufels- oder Steinwand liegt zwischen Eibenstock und Blauenthal am linken Ufer der Bockau, ohngefähr 1000 Schritte von dem Punkte, wo sich dieses Wasser in die Mulde ergießt. In dieser Teufelswand befindet sich eine Höhle, von welcher die Sage folgendes erzählt: Als die Menschen in allerhand Laster verfielen, verlor sich auch der allgemeine Wohlstand und drückende Armut folgte. Um aber das Elend zu vollenden, hatten sich zehn reiche Bösewichter vereinigt, alle gute und gangbare Münzen, deren es damals bei weitem nicht so viel gab, als heut zu Tage, an sich zu bringen, damit in fremde Länder zu ziehen, sie daselbst mit jüdischem Gewinne gegen schlechte umzutauschen, diese ins Land zurück zu schaffen und nach und nach unter die Leute zu bringen. Dies gelang ihnen auch und zwar noch besser, als sie gehofft hatten.
Einst fuhren sie auch mit einem Wagen Geld den böhmischen Wald hinan und gedachten noch vor Einbruch der Nacht eine Herberge zu erreichen. Da zogen von Norden herauf finstere, schwere Gewitterwolken; der Sturm sauste durch die hohen Fichten und riß so manchen Stamm mit seinen Wurzeln aus dem Boden. Die Reisenden konnten unmöglich weiter kommen und suchten deshalb ein nahes Obdach. Bald[246] kam einer von ihnen mit der Botschaft zurück, daß er unfern der Straße auf einer Anhöhe ein unbewohntes Schloß gefunden habe, in welchem sie wenigstens das Gewitter abwarten könnten. Sie ließen ihre Knechte bei dem Wagen und begaben sich an den bezeichneten Ort. Die Burg mochte schon lange von niemandem bewohnt gewesen sein, denn nur noch ein einziges Zimmer schützte unsere Reisenden vor dem herabstürzenden Regen. Sie setzten sich an eine halbvermorschte Tafel und nahmen die nötige Speise zu sich. Plötzlich tobte der Sturm noch schrecklicher, heftiger ergoß sich der Regen, dreifach durchkreuzten sich die Blitze und dreimal krachte der Donner. Im Nu stürzten die Mauern der Burg zusammen und ein gespaltener Felsen stieg aus ihren Trümmern empor.
Unten am Wege aber lagen die von den Donnerschlägen betäubten Knechte unter dem Wagen, und sie erholten sich erst, als der Mond wieder die Wolken zerteilte. Mit Schrecken sahen sie nun, daß das Geld vom Wagen verschwunden war. Eben mochte die Mitternachtsstunde geschlagen haben, als eine lichte Gestalt sich dem Wagen näherte und durch langsames Winken den zitternden Knechten befahl, zu folgen. Sie thaten es und kamen an einen hohen Felsen. Von selbst sprang eine steinerne Thür auf, und sie traten in ein Gewölbe, wo ihre Herren an einer Tafel saßen und Geld zählten. Keiner sah sich um. Da sagte die Gestalt zu den Knechten folgende Worte: »Gehet hin und erzählt, was Ihr gesehen habt. So lange sind diese zehn Unholde verdammt, Geld zu zählen, bis einst ein Mann geboren werden wird, der zehn Armen ohne Eigennutz Wohlthaten erzeigt. Diesem sei es vergönnt, wenn er mit dem Kraute, welches Lunaria heißt, den Felsen berührt, dieses Gewölbe zu öffnen und alles vorhandene Geld mit sich zu nehmen.« Die Gestalt verschwand, und die Knechte lagen wieder unter ihrem Wagen.
Zu Zeiten soll ein großes Getöse in der Teufelswand gehört werden, welches sich seit einigen Jahren sehr vermehrt haben soll.
(J. Mann in der Erzgebirgs-Zeitung 1882, S. 16.)
Der Purberg bei dem Dorfe Tschernowitz bei Komotau trug vor langer Zeit auf seinem altehrwürdigen Haupte ein prachtvolles Schloß, von welchem nur noch einige Trümmer übrig geblieben sind. Vor seiner Zerstörung schon waren aber die Schätze, welche es in seinem Innern barg, verschwunden; Geister haben sie hinweggeräumt und bewachen[247] sie in den unterirdischen Räumen des Berges Tag und Nacht. Wenn man sich in der Nacht dem Berge nähert, so bemerkt man über gewissen Stellen blaue Flämmchen, die aber bald wieder verschwinden.
Einstmals hüteten zwei Knaben Vieh auf dem Berge und, ohne sich um dasselbe viel zu kümmern, setzten sie sich nieder und spielten, nachdem sie sich vorher der Stiefeln entledigt hatten. Bald aber kamen sie miteinander in Streit. Der eine Knabe nahm jetzt den Stiefel von seinem Kameraden und warf ihn aus Bosheit in den Schloßbrunnen. Was war jetzt zu thun? Den Stiefel wollte und mußte der Beschädigte haben. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als in den Brunnen zu steigen und den Stiefel zu holen. Gedacht, gethan. Er hatte aber noch nicht den Wasserspiegel erreicht, als er zu seiner Rechten einen Gang gewahrte, in dessen Wölbung ein alter, stämmiger, weißbärtiger Mann stand; der Knabe erschrak, faßte sich aber sogleich und klagte dem Greise seine Not. Dieser gab dem Knaben den Stiefel aus Mitleid zurück; der Knabe dankte, kletterte zurück und kam glücklich wieder oben an. Aber welches Entsetzen! der Stiefel war schwer wie Blei! Er sah hinein und bemerkte einen großen Goldklumpen. Sobald der andere Knabe dieses sah, erwachte in ihm der Neid und die Habgier, und um sich ebenfalls einen solchen Schatz zu holen, stieg er auch in den Brunnen hinab, kam aber nie mehr zum Vorschein.
Ein armer Mann, dessen Weib schwer krank darnieder lag und der überdies noch drei unmündige Kinder zu versorgen hatte, beschäftigte sich, um nur das tägliche Brot zu verdienen, mit dem Sammeln von Hadern und Papierabfällen, um sie dann zu verkaufen. Einmal, am Karfreitage, ging er an sein armseliges Tagewerk, hatte aber zu seinem großen Leide nichts von seinen gesammelten Effekten verkauft. Betrübt darüber, mit Thränen in den Augen, kam er an dem Purberge vorüber und dachte darüber nach, wovon er mit seinem Weibe und seinen hungrigen Kindern heute und morgen leben werde. Wie er so in Gedanken weiter geht, sieht er plötzlich einen alten Mann, der ihn fragt, worüber er so betrübt sei. Der Hadersammler erzählte ihm ganz aufrichtig seinen Kummer und sprach ihn zuletzt um ein Almosen an. Der alte Mann aber antwortete: »Geld habe ich zwar keines, aber gehe nur nach Hause, dort wird Dir schon geholfen werden.« Der arme Mann glaubte seinen Worten, und zu Hause angelangt, schüttete er seinen Korb mit dem Papier und den Hadern aus und entdeckte zu seinem größten Erstaunen am Boden des Korbes einen großen Goldklumpen. Von nun an war er ein wohlhabender Mann.
(Joh. Böhm in der Erzgebirgs-Zeitung, 1881, S. 135.)
Ein Weib, welches mit einer Gefährtin am Hohen Steine Holz sammelte, sah plötzlich, als sie sich aus ihrer gebückten Stellung aufrichtete, einen großen Haufen Gold vor sich, über dem ein zuckendes Flämmchen schwebte. Überrascht und erstaunt betrachtete sie mit gierigen Blicken das gleißende Metall und rief laut ihrer entfernten Gefährtin zu: »Komm' doch schnell hierher und hilf mir den großen Schatz in meinen Korb raffen, welcher hier liegt!« Kaum waren diese Worte ihrem Munde entflohen, als unter zischendem Geräusche der Schatz verschwand, und die Gerufene, welche eiligen Laufes herbeigekommen war, schalt jetzt ihre Genossin tüchtig aus, weil sie so unbedachtsam den Schatz beschrieen und ihn so zum Verschwinden gebracht habe.
(Mitgeteilt vom Lehrer H. Schlegel aus Wildenfels.)
In der sogenannten »Loh,« einem stellenweise sumpfigen, nach dem nahen Dorfe Schönau bei Wildenfels zu gelegenen Distrikte, soll in früher Zeit ein Raubschloß gestanden haben. Man sah an diesem Orte auch häufig des Nachts um die zwölfte Stunde ein kleines Licht, und als man daselbst nachgrub, fand man einen großen Schatz, welcher in einer kupfernen Pfanne lag.
(Erzgebirgs-Zeitung, 1. Jahrg., S. 196.)
Oberhalb des Ortes Hohenstein bei der Haltestelle Mariaschein-Calvarienberg der Dux-Bodenbacher Bahn erheben sich auf dem 456 m hohen Bergsattel des Erzgebirgs die wildromantischen Ruinen der Geyersburg. In dem daselbst befindlichen unterirdischen Gange, welcher erst auf dem Teplitzer Schloßberge ausmünden soll, liegen ungeheuere Kostbarkeiten aufgespeichert, die man nur am Karfreitage innerhalb der Dauer der Frühmesse heben kann, vorausgesetzt, daß man dabei auch mit der erforderlichen Vorsicht zu Werke geht. Verstreicht dieser günstige Zeitpunkt, so schließt sich mit einem furchtbaren Schlage die Öffnung zu dem Raume, welcher, bewacht von neidischen Kobolden, die Schätze birgt, und der Suchende ist unrettbar verloren. So sollen vor einiger Zeit zwei Bergknappen es gewagt haben, in den Stollen einzudringen;[249] dem einen war das Glück insofern günstig, als er, wenn auch ohne die gehofften Schätze, jedoch wenigstens mit heiler Haut davon kam, während der zweite infolge seiner Verspätung aus dem unheimlichen Raume nicht mehr zurückkehrte.
(Erzgebirgs-Zeitung, 1. Jahrg., S. 192.)
Die Sage weiß von großen Schätzen zu erzählen, welche neben und unter der Prokopikirche in Graupen verborgen liegen. Sie sollen in Kriegszeiten eingegraben worden sein. Vor Jahren pflügte auf dem nahen Felde ein Landmann; plötzlich sah er einen elegant gekleideten jungen Mann vor sich stehen, der bald ein Gespräch mit ihm anknüpfte und sich eingehend um seine Verhältnisse erkundigte. Der Mann klagte über die schweren Zeiten, über harte Arbeit und schmalen Verdienst. »Ei was,« rief der rätselhafte Fremde aus, »da ist Euch bald geholfen; geht nur auf den Friedhof der Prokopikirche, dort werdet Ihr knapp an der Friedhofmauer auf einem Grabhügel ein weißes Tuch erblicken. An dieser Stelle müßt Ihr so lange graben, bis Geld zum Vorschein kommt. Finden müßt Ihr es sicher; die Tiere dürft Ihr aber unter keiner Bedingung auf den Friedhof führen.« Darauf verschwand der Jüngling. Der Bauer zog noch einige Furchen, bis die Turmuhr die zwölfte Mittagsstunde ankündigte. Er wollte aber seine Ochsen nicht allein lassen und dachte bei sich: Der Jüngling ist ja nicht da und weiß nichts davon, wenn ich sie mitnehme, zudem postiere ich sie ja ohnehin nur am Eingange. Gesagt, gethan; er betrat den Friedhof und bald war auch das bezeichnete Grab gefunden. Nun gings rasch an die Arbeit und, o Wunder! mit einem Male blenden gleißende Goldstücke, die eine große, geöffnete Kiste füllen, seine Augen. Er will darnach greifen, da tritt ein nebelhaftes, graues Männchen dazwischen, schlägt mit Gewalt den Deckel wieder zu und deutet mit wilder Geberde dem Manne an, er möge sich mit seinem Gespanne gleich von hier entfernen und den heiligen Ort nicht fürder entweihen. Kaum war er mit den Tieren draußen, so schlossen sich auch die beiden Thorflügel mit solcher Wucht, daß ihm der Schlag durch Mark und Bein ging. Das schlaue Bäuerlein ließ sich indeß durch diesen fruchtlosen Versuch nicht abschrecken, ging später wieder auf den Friedhof und grub aus Leibeskräften an jener Stelle; aber die Kiste mit den Goldstücken hat er nicht wieder gesehen.
(Mitgeteilt von Dir. Ludw. Lamer in Hainsberg.)
In der großen Mühle, welche früher zum Rabenauer Schlosse gehörte und durch einen unterirdischen Gang mit demselben verbunden gewesen sein soll, war von Raubrittern ein großer Schatz verbannt, der nur von einem ganz unbescholtenen Mädchen von zwanzig Jahren gehoben werden konnte. Dieser Schatz wurde von zwei kleinen Schattenmännchen bewacht, welche von vielen Leuten gesehen worden sind. Diese Männchen besuchten das Mühlengebiet öfter und sobald sie dasselbe betraten, blieben alle Werke stehen und waren nicht eher wieder in Gang zu bringen, bis die Schattenmännchen wieder fort waren. Sie nahmen ihren Rückweg jedesmal durch die zum Wasserbett führende Thür, gingen über letzteres weg und verschwanden bei dem daneben befindlichen Keller. Bis zu Anfang dieses Jahrhunderts wurden dieselben gesehen, und genau nach hundert Jahren sollen sie wieder erscheinen, wenn der Schatz inzwischen nicht gehoben wird.
Ein Mädchen, welches sich vorgenommen hatte, den Schatz zu heben, wurde von ihren Angehörigen gewaltsam daran verhindert, die Mühle zu betreten, um sie vor Unheil zu bewahren; sie gebärdete sich wie wahnsinnig, so daß man sie anbinden und anschließen mußte; darauf verfiel sie in eine hitzige Krankheit und starb bald.
Ende vorigen Jahrhunderts soll ein Besitzer der Mühle, dessen Name vormals auch genannt wurde, mit Hülfe eines Geistesbeschwörers den vergrabenen Schatz auch zum Teile gehoben haben; dafür wurde er aber von den Geistern so geplagt und verfolgt, daß er die Mühle verkaufte und sich bei Dresden von dem Schatze ein großes, schönes Grundstück erwarb.
Noch zu Anfang dieses Jahrhunderts ließen sich Geister in der Mühle sehen, welche den damaligen Besitzer überall so arg verfolgten und in Furcht setzten, daß er zuletzt in Wahnsinn verfiel.
(Mitgetheilt von Dir. Ludwig Lamer in Hainsberg.)
Vor 50 bis 60 Jahren standen von dem Rabenauer Schlosse noch mehrere Mauern und Gewölbe und auch ein Altan. Da erzählten alte Leute, frühere Raubritter hätten in dem Schlosse einen Schatz vergraben, welcher von einer großen, schwarzen Henne mit feurigen Augen versetzt oder verbannt sein sollte; diesen Schatz konnte nur derjenige finden, welcher eine gleiche Henne mit zur Stelle brachte. Die versetzte[251] Henne ließ sich von Zeit zu Zeit sehen und scharrte und kratzte grade auf der Stelle des Schloßhofes, wo der verbannte Schatz lag, verschwand aber jedesmal, wenn sich ihr ein Mensch näherte. Schon in früherer Zeit hat man fleißig Schatzgräberei im Schlosse unternommen und sogar bis Ende der dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts allen Ernstes Schätze gesucht, aber stets ohne Erfolg.
Hühner sind mythische Tiere. Sagen erzählen von Hühnern, welche goldene Eier legen; auch nehmen nach einem böhmischen Aberglauben Kobolde die Gestalt schwarzer Hühner an. Sollte die schwarze Henne unserer Sage ein solcher Schatz hütender Kobold, und die Henne, welche der Schatzgräber mitzubringen hat, ein Opfer sein, welches den unterirdische Mächten darzubringen ist? – Auf dem Burgberge bei Mulda, wo ebenfalls nach der Sage ein Schatz vergraben liegt, läßt sich ein Huhn sehen, welches jedoch ein verzauberter Burgherr sein soll.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 86.)
Nördlich von Abertham, dort, wo fruchtbarer Ackerboden und ein ziemlich ausgedehntes Torfmoor sich scheiden, erhebt sich eine eigentümliche Felspartie, im Volksmunde »das Fels'l« genannt. Der Sage zufolge sind diese Felsen eine Burgruine, in deren Innerem große Schätze an Gold- und Silbermünzen, Edelsteinen und Perlen verzaubert liegen. Der Zutritt zu denselben soll sich während der Christmette und der Passion am Karfreitage öffnen. Aber schon mancher, der die vermeintlichen Schätze an genannten Tagen heben wollte, holte sich durch das lange und vergebliche Zuwarten bei stürmischem Wetter nicht unbedeutende Krankheiten. Bis in die dreißiger Jahre machten Personen, deren Söhne heute noch leben, den Versuch, der Schätze habhaft zu werden.
(Fr. Bernau in der Comotovia, 4. Jahrg., S. 79.)
Der Tümpelstein ist ein großer, unterhalb Klösterle in den Egerfluß vorspringender Felsen. Sein Inneres enthält der Sage nach ungeheuere Schätze, die von verwunschenen Rittern bewacht werden; nur am Karfreitage während des Gottesdienstes ist der sonst unsichtbare Eingang offen, und die angehäuften Schätze sind sodann den Menschenkindern zugänglich.
Eine Mutter mit ihrem Kinde ging gerade am Karfreitage an dem Felsen vorbei und erblickte in der offenen Höhlung geschäftige Männchen, die ein Festmahl vorrichteten und ihr winkten, einzutreten und von den Schätzen zu nehmen. Die Frau trat schüchtern ein, setzte das Kind auf den Boden nieder und begann eifrig ihre Schürze mit Goldbarren und Edelsteinen zu füllen, als sich, da der Gottesdienst in der Kirche schon zu Ende war, das Felsenthor mit großem Getöse wieder schloß. Die Frau mußte nun ein ganzes Jahr im Felsen zubringen, während welcher Zeit das Kind kräftig und stark wurde. Am nächstfolgenden Karfreitag konnte die Frau frisch, gesund und mit Schätzen beladen nach Hause ziehen; von ihr erfuhr man auch, daß die Wächter, sobald der Eingang sich geschlossen, zu Stein verwandelt wurden.
Einst pflügte am Karfreitage ein Bauersmann in der Nähe des Felsens, erblickte ihn offen und sah darin allerlei Gestalten, die Vorbereitungen zu einer Hochzeit machten. Im Vorbeigehen rief er hinein: »Backet mir auch einen Kuchen mit!« Er ackerte dann rüstig bis zum Mittag fort, dann spannte er aus, gab den Ochsen zu fressen und nahm auch selbst sein mitgebrachtes Mittagsmahl ein. Schon hatte er eine Weile still gesessen, als ein winziges Männlein erschien und die bestellten Kuchen auf den Pflug legte. Der Bauer, eine Vergiftung fürchtend, hatte nicht den Mut, die Kuchen selbst zu verzehren; er zerbröckelte sie und fütterte seine Ochsen damit. Als er damit fertig war, erschien jenes Männlein wieder, drohte ihm mit dem Finger und sagte: »Weil du unsere Kuchen verschmähst, die du selber bestellt hast, so soll für diesen Undank deine Wirtschaft kein Glück und keinen Segen mehr haben.« Und diese Prophezeiung ging wirklich in Erfüllung, den Bauer traf Unglück über Unglück, er mußte endlich das Haus mit den Feldern verkaufen und wurde ein armer Mann.
(Wg. im »Glückauf«, 2. Jahrg., No. 5.)
Unweit der Stadt Zöblitz an den Ufern der Pockau liegen die Ruinen der alten Burgen Ober- und Niederlauterstein. Die Burg Oberlauterstein, ¼ Stunde westlich von Zöblitz über dem rechten Pockauufer auf einer felsigen Bergecke, wurde schon im Jahre 1430 von den Hussiten, die eben von der Verwüstung der Schneeberger Bergwerke herkamen, geschleift. Das Schloß Niederlauterstein, nur einige Minuten unterhalb davon am linken Pockauufer, erhielt sich über 200 Jahre länger. Vieles erzählt man sich von den früheren Besitzern desselben,[253] den Herren von Berbisdorf, deren einer 1530 bei einem Brande des Schlosses auf schreckliche Weise sein Leben verlor. Es war Georg von Berbisdorf, ein gebrechlicher Greis von 90 Jahren. Um ihn vom Flammentode zu retten, wollte man ihn, in Tücher gewickelt, zu einem der Fenster herablassen, allein die in der Eile nicht festgeknüpften Knoten lösten sich und der unglückliche Alte wurde an den Felsen zerschmettert. Nachdem im Jahre 1559 Kurfürst August das Schloß von Kaspar von Berbisdorf gekauft und zum Sitz eines Amtes bestimmt hatte, wurde es im März 1639, als am Gründonners- und Karfreitage Banners Schaaren die ganze Umgegend verwüsteten, von drei schwedischen Reitern in Brand gesteckt und nun von seinen Bewohnern verlassen. So weit die Geschichte.
In den unterirdischen Gewölben der Ruine des Schlosses Niederlauterstein sollen 3 Kessel stehen, jeder eine Elle hoch und breit, mit lauter gemünztem Golde gefüllt. In einem andern Kessel liegen Edelsteine, Kleinodien von unendlichem Wert und eine goldene Krone aus den Zeiten der böhmischen Lehnsherrschaft. Vor alten Zeiten ist ein Mönchlein aus Prag gekommen in schwarzen Kleidern, klein von Person und hinkend. Dieser hat den Schatz heben wollen. Als er aber im Gewölbe war und die Schätze bereits vor sich sah, schrie er vor Erstaunen. Die Gewölbe schlossen sich, und von ihren Kleinodien, sowie von dem mönchischen Geisterbanner hat niemand wieder etwas bemerkt.
Einst ging eine arme Frau, welche Beeren gesucht hatte, des Abends nach Zöblitz zu. Als sie die Ruine Lauterstein erblickte, sah sie auf der Höhe eine kleine Kapelle, deren Thüre offen stand. Neugierig stieg sie hinauf, setzte ihr Kind, welches sie bei sich hatte, auf die Erde, ging in die Kapelle und erblickte hier in einem Kasten vor dem Altare gemünztes Gold. Sie raffte soviel davon in die Schürze, als sie tragen konnte; freudenvoll eilte sie damit nach Hause, ihr Kind und die Beeren vergessend. Nachdem sie das Gold aufgehoben, gedachte sie ihres armen Kindes. Als sie atemlos wieder auf der Ruine ankam, war die Kapelle verschwunden, aber auch ihr Kind. Jammernd und klagend ging nun das arme Weib täglich zur Ruine; sie verwünschte das Gold und wollte es gar nicht wieder ansehen; das Liebste fehlte ihr ja – ihr unschuldiges Kind. So trieb sie es Jahre lang. Als sie nach drei Jahren an demselben Tage abermals mit verweinten Augen die Mauern der Ruine anstarrte, siehe, da zeigte sich die Kapelle wieder. Freudig eilte sie hinein und traf vor dem Altare ihr Kind schlafend an. Mit Entzücken preßte sie es an ihr mütterliches Herz und eilte mit ihm, ohne an den Schatz zu denken, nach Hause. Als sie den Berg hinunter ging und sich umschaute, war[254] die Kapelle verschwunden. Sie zog nun nach Böhmen, kaufte hier eine Grafschaft, gründete ein Kloster und that von ihren Schätzen den Armen viel Gutes.
(Wg. im »Glückauf«, 2. Jahrg., No. 5.)
Ein Holzhauer aus Zöblitz arbeitete vor vielleicht 300 Jahren in der Nähe des Oberlautersteins. Es war Abend geworden, und eben wollte er nach Hause gehen. Da trat aus einer verfallenen Burgmauer ein Mann in alter Rittergestalt hervor. Hinter ihm öffnete sich eine große Höhle, in dieser brannte ein helles Feuer, und deutlich sah der bestürzte Waldarbeiter eine Braupfanne voll rotglühendem Gold. Der alte Ritter winkte ihm freundlich und reichte dem Holzhauer einen ordinären Ziegelstein hin. Schüchtern griff der Mann darnach. Sogleich geschah ein Donnerschlag; die ganze Erscheinung war im Nu verschwunden, und der Arbeiter stand im Finstern, den Ziegelstein in der Hand haltend. Er ging nach Hause; aber da ihm der Ziegelstein zu schwer wurde und er sich nicht mit dem unnützen Gute herumtragen und zu Hause auslachen lassen wollte, so warf er ihn ins Gebüsch. »Nun, Mann, wie siehst Du nur aus?« fragte ihn zu Hause mürrisch und spottend die Frau; »Du glänzt ja, als wenn Du vergoldet wärst am Ärmel.« Der Mann sah nach und erblickte den reinsten Goldstaub an den Händen und seinen Kleidern. Nun erzählte er seine Geschichte am Schloßfelsen. Am andern Morgen suchte er bei guter Zeit nach dem weggeworfenen Steine mit Weib und Kindern. Allein umsonst; den edlen Stein hat niemand wieder gesehen.
Am Sylvestertage nachts 12 Uhr, wenn die Glocken zu Zöblitz das neue Jahr verkünden, erhebt sich mit dem ersten Glockenschlage der hohe Fels des Oberlautersteins und ein Zuschauer kann vom Thale aus die Braupfanne voll Gold betrachten und mittels eines wackern Geisterbanners heben. Mit dem letzten Glockenschlage verschließt sich die Höhle wieder und die Braupfanne sinkt in die Tiefe.
Die Sage von Ziegelsteinen, welche sich in Gold verwandeln, lebt auch im Fichtelgebirge. Ist sie von dort her in unser Gebirge verpflanzt worden? In Gestalt von Ziegelsteinen erscheinen nämlich die Schätze des Waldsteins. Wer den Fund als unscheinbar oder lästig von sich schleudert, erkennt an den goldglänzenden Spuren, die Kleid und Hand zeigen, mit Reue, daß er sein Glück weggeworfen. (L. Zapf, der Sagenkreis des Fichtelgebirgs, S. 20.)
(Erzgebirgszeitung 1880, S. 67.)
In der Gegend des Pürsteins befindet sich Silbererz in der Gestalt eines Mannes, dessen Körper im Buchwald ruht, dessen Füße nach Joachimsthal und dessen einer Arm nach Sachsen hinausragt, während der andere Arm im Tannelberge liegt.
Auf Grund dieser Sage bildete sich 1870 eine Gesellschaft mit 128 Anteilen, die den alten Silberberg beim Friedhof wieder aufmachte. Die dabei aufgefundenen alten Gänge sind verfallen, sollen sich aber ununterbrochen bis gegen Joachimsthal ziehen, so daß der Sage nach ein Arbeiter von hier den andern von dort rufen konnte.
(Ziehnert, Sachsens Volkssagen, Anhang, No. 130; z. T. mündlich.)
Ein ehemaliger Besitzer des Schlosses Rabenstein (die Sage bezeichnet ihn als einen Herrn von Carlowitz), der sehr mißgestaltet gewesen, soll in dem Schlosse an einem unbekannten Orte eine Pfanne voll Gold vergraben haben mit dem Bannspruche, daß ein Besitzer des Schlosses aus seiner Familie, welcher eben so bucklig wie er sei, den Schatz finden und heben sollte.
Erzählt wird noch, daß von dem Schlosse zu Rabenstein vor Zeiten ein unterirdischer Gang nach Schloß Chemnitz geführt habe.
(Bahn, Das Amt, Schloß und Städtgen Frauenstein. 1748, S. 19. 20. Ziehnert, Sachsens Volkssagen. 4. Aufl., Pros. Anhang, No. 4; z. T. mündlich.)
Mitten auf der Rainung der beiden Dörfer Reichenau und Hermsdorf im Amte Frauenstein, am Kreuzwald, hart an der Straße nach Böhmen, steht ein kleiner Stein mit der Bezeichnung »Kapelle«; hier stand noch bis 1876 ein Teil des Mauerwerks der Kapelle zum heiligen Kreuz oder der sogenannten wüsten Kirche, welches in dem genannten Jahre abgetragen und als Straßenbaumaterial verwandt wurde. Von der Erbauung und Zerstörung dieser Kapelle weiß man wenig; wohl aber erzählt die Sage, daß unter derselben eine ganze Braupfanne voll Gold stehe und zwölf Fässer alten Weins vergraben seien. Viele haben schon danach gegraben; daß aber von den Schatzgräbern[256] allen auch nur einer etwas gefunden hätte, davon will niemand etwas wissen. Auch soll sich daselbst des Nachts zwischen 11 und 12 Uhr zuweilen ein Reiter ohne Kopf sehen lassen, und man erzählt, daß um diese Zeit einmal an dem Orte einem früheren Pfarrer von Hermsdorf etwas passiert sei, was derselbe aber anderen nicht mitgeteilt habe.
(Mündlich.)
Im Orte Rechenberg südlich von Frauenstein sieht man nahe der Kirche auf einem Felsen die Ruinen eines Schlosses, welches vielleicht zur Bewachung der alten Zollstraße nach Böhmen erbaut wurde und das nach der Sage durch einen unterirdischen Gang mit dem Schlosse Frauenstein in Verbindung stand. In der Nähe des Schlosses zeigt man noch die Überreste von Wällen, und als man am Fuße desselben die Schule baute, traf man auf alte Gänge, welche anzusehen viele Leute weit her kamen; doch konnte man nicht tief in die Gänge eindringen. In manchen Nächten will man oben in der Ruine ein Licht gesehen haben. Erzählt wird, daß in den Gewölben große Schätze in einer Braupfanne liegen, wer dieselben heben will, muß seine eigene Tochter zum Opfer bringen; dieselbe muß aber weißhaarig sein. Doch hat auch einmal ohne solches Opfer ein Mann einen kleinen Teil des Schatzes gehoben. Als nämlich einst ein Bierknecht des früheren Rittergutes vom Berge herab fuhr, sah er von ferne auf der Ruine ein Licht. Er ging hinauf und sahe darauf an dem Lichte dreihundert Thaler liegen, welche er einsteckte und mitnahm. Nach vier Wochen war er jedoch tot.
(A. Blüml in der Erzgebirgszeitung, 5. Jahrg., S. 174.)
Geht man von Brandau auf dem Fahrwege über den »Hof« hinaus in den Wald, so findet man links leicht einen nicht zu großen schräg liegenden Stein, über den die Kinder oft herabrutschen oder »tschinnern«. Dieser Stein soll den Eingang in eine reiche Schatzkammer verschließen, und Sonntagskinder können dort am Ostermontage um 12 Uhr ein Schloß sehen und den Schatz heben, wenn es ihnen gelingt, schnell die Thür des Schlosses zu erreichen. Doch schnell müssen sie sein, da das Schloß gewöhnlich entflieht und den habgierigen Schatzjäger irre führt.
Einige Frauen rupften in der Nähe des Tschinnersteins Moos und hatten ihre Körbe auf den Stein gestellt. Als sie dieselben um 12 Uhr holen wollten, um das Moos nach Hause zu tragen, waren sie verschwunden. Schreiend entfernten sich die Frauen, bis auf eine, die nach einer halben Stunde ihren Korb wiederfand, den Boden mit Gold bedeckt.
Ein Knabe hütete am Tschinnerstein. Da scharrte eine Kuh einen Topf von Silbergeld heraus, das er seinem Vater gab. Wenn das Geld auch nicht mehr gangbar war, so wurde dieser doch dadurch reich, indem er es verkaufte.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 78.)
Auf dem öden und rauhen Kamme des Erzgebirges erhebt sich bei dem böhmischen Kirchdorfe Seifen der Heldenberg, der vor vielen Jahren mit einem dichten, fast undurchdringlichen Hochwalde bedeckt war. In diesen ging einst ein blutarmer Holzhacker, um Holz zu fällen. Als er in die Mitte des Waldes kam, vernahm er mit einemmale im nahen Gebüsche ein ungewöhnliches Geräusch. Unverweilt schritt er darauf zu und sah unter der Erde durch das Moos reines gediegenes Gold hindurchschimmern. Dem Holzhauer klopfte das Herz voll Freude über den unerwarteten Fund, der nun für immer seiner bitteren Armut abhelfen sollte. Er lief über Stock und Stein, durch dick und dünn nach Hause, um sich zum Ausgraben des edlen Metalles die nötigen Werkzeuge, als Spitzhaue und Schaufel, zu holen. Als der Überglückliche aber zu derselben Waldesstelle zurückgekehrt war, fand er weder das Gebüsch, noch schimmerte ihm vom Boden Gold entgegen; alles war verschwunden. Darob war der Holzhauer tief betrübt; er mußte nun bis zu seinem Tode sein hartes Los, Holz zu fällen, ertragen.
Die Sage erzählt weiter, daß einmal eine ganz schwarze Kuh über diese reichen Goldlager gehen und sie aufwühlen wird. Dann soll aus dem jetzt unansehnlichen Orte Seifen eine große blühende Bergstadt entstehen, die den stolzen Namen Heldenberg erhalten wird.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 46.)
Ein Hirtenjunge aus der Petermühle weidete einmal in der[258] Nähe des Braunsteins sein Vieh. Da sah er plötzlich, als er den Berg hinanstieg, eine offene Thür, die er sonst nie bemerkt hatte. Unwillkürlich trieb ihn eine innere Stimme an, in das Gewölbe hineinzugehen. Daselbst erblickte er eine Kiste mit großen Schätzen. Davon nahm er so viel, als seine Taschen fassen konnten, und ging vergnügt zu seiner Viehherde zurück. Zu Hause angekommen, versteckte er das Geld in seinem Koffer. Aber trotz aller Vorsicht hörte die Magd das Klingen der Münzen und zeigte dies ihrem Herrn, dem alten Mühlpeter, an, der den Jungen wegen des Geldes zur Rede stellte. Derselbe erzählte nun das wunderbare Ereignis und versprach seinem Herrn den Eingang zu den unermeßlichen Schätzen zu zeigen. Als jedoch beide am nächsten Tage zum Braunsteine kamen, war zu ihrer höchst unliebsamen Überraschung das Felsenthor unsichtbar. Der Mühlpeter kaufte bald darnach dem Hirtenjungen ein neues Gewand, gab ihm das größte Goldstück und schickte ihn in die Fremde. Das übrige Geld behielt er für sich und ward, freilich auf ungerechte Weise, ein reicher Mann.
Ein anderer Hirtenjunge, der gleichfalls am Fuße des Braunsteins hütete, sah eines Tages eine Menge kleiner, buntgefärbter Leinwandfleckchen auf der Erde liegen. Um den Kindern seines Herrn bei seiner Heimkehr eine Freude zu bereiten, suchte er die schönsten Flecke aus und steckte sie in seine Hirtentasche. Um die Mittagsstunde trieb er seine Viehherde nach Hause. Als er diese im Stalle versorgt hatte, ging er in die Stube und wollte die mitgebrachten Geschenke verteilen. Er griff in die Tasche, doch siehe! statt der bunten Flecklein zog er lauter funkelnde Goldstücke heraus. Darob herrschte unbeschreibliche Freude im ganzen Hause. Nur der geldgierige Herr gab sich mit dem erhaltenen Gelde nicht zufrieden, sondern schickte den Jungen eiligst zurück, damit er alle Leinwandflecke sammle und heimbringe. Als derselbe fast atemlos zur Fundstelle kam und mit einemmale ein Zwerg vor ihm stand, stiegen ihm vor Furcht die Haare zu Berge, und kein Wort kam über seine Zunge. Doch das Männlein, das die Ursache seines Kommens wußte, sprach zornentbrannt zu dem Jungen: »Du bist zwar unschuldig, aber Dein habsüchtiger und ungenügsamer Herr hat Dich hierher geschickt, um den ganzen Schatz zu gewinnen. Dafür soll er hart gestraft werden, er soll – verarmen!« Hierauf verschwand der Zwerg. Vor Angst und Schrecken eilte der arme Hirtenjunge durch dick und dünn heim, erzählte das eben Geschehene und starb bald darauf. Auch des Zwergleins Prophezeiung ging buchstäblich in Erfüllung; denn der Herr des Jungen kam an den Bettelstab.
So muß gar oft der Unschuldige mit dem Schuldigen leiden.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 41.)
Geht der Wanderer von Schlackenwerth durch das enge, anmutige Weseritzthal nach Joachimsthal, und klettert er, bei der sogenannten Petermühle (Schöffl-Mühle) angekommen, zur Rechten am reichbewaldeten Bergabhange empor, so gelangt er zum Braunstein, einem Bergkegel, welcher vor einigen Jahren mit Wald gekrönt war, jetzt aber nahezu gänzlich abgeholzt ist. – Auf dem Braunsteine stand, wie der Volksmund erzählt, in uralten Zeiten ein Schloß, dessen Nähe jeder Umwohner scheute. Obgleich es unbewohnt war, sah man doch in stürmischen, finstern Nächten die Fenster des Schlosses prachtvoll beleuchtet, und mancher Pilgrim, der dasselbe aus Neugierde betrat, kehrte nicht mehr zurück. – Trotz alledem schlug einmal ein herzhafter Handwerksbursche alle Warnungen in den Wind und lenkte eines Abends, als die Sonne hinter den Bergen verschwunden war, seine Schritte dem gefürchteten Schlosse zu, um dort zu übernachten. Ringsumher herrschte tiefes Schweigen. Er stieg die Treppe empor, schritt durch das hohe Portal ungehindert fürbaß und gelangte in einen geräumigen, tageshell erleuchteten Saal, in welchem eine lange Tafel stand. An dieser nahm er Platz und verfiel allmählich gegen seinen Willen in einen festen Schlaf. Um die Mitternachtsstunde aber weckte den Handwerksburschen ein heftiges Klopfen. Er erwachte und erstaunte, daß die Tafel gedeckt und mit Speisen und Getränken in Fülle beladen war. Da öffnete sich plötzlich die Thür, und in den Saal trat ein graubärtiger Greis, dem seine Familie folgte. Nachdem die Angekommenen sich an die Tafel gesetzt hatten, unterbrach der Alte das Stillschweigen, indem er sagte: »Willkommen, Fremdling, in meinen Hallen! Hier hast Du Speise und Trank im Überfluß; iß und trink, was Dir beliebt!« Darnach wollte er ohne weiteres die Mahlzeit einnehmen, doch der Wandersmann sprang im Nu von seinem Sitze auf, gab dem Greise einen derben Backenstreich und rief: »Beten muß man, bevor man ißt!« – Diesen Worten folgte ein furchtbarer Donnerschlag, worauf der Alte sagte: »Habe Dank, braver Geselle, Du hast durch Deine Frömmigkeit mich und die Meinen erlöst! Vernimm in Kürze meinen Lebenswandel! Mein Vater war ein mächtiger Ritter, meine Mutter eine gute und fromme Frau. Als einziger Sohn war ich der Eltern Stolz und wurde mit größter Liebe und Sorgfalt erzogen; allein ich bereitete denselben für ihre Mühen und Opfer nur unsägliches Herzeleid. Denn am Gebete fand ich keinen Gefallen, verhöhnte alles, was dem Menschen heilig und ehrwürdig sein muß, und sank in meiner Verblendung immer tiefer[260] und tiefer. Zuletzt zog ich als Familienvater Frau und Kinder mit ins Verderben. Aber Gottes gerechtes Strafgericht ereilte uns bald. Eins nach dem andern starb und wurde in dieses Schloß entrückt mit der Bestimmung, hier so lange zu hausen, bis ein frommer Mensch uns erlösen würde. Viele kamen schon vor Dir, allein da sie unlauteren Herzens waren, fanden sie insgesamt ihren Tod. Auch Dich hätte ein gleiches Los getroffen, wenn Du nicht gottesfürchtig gewesen wärest. Du kannst Dir nicht denken, welche Angst mich befiel, als ich Dich versuchte. Hättest Du die Probe nicht bestanden, so müßten wir noch länger in diesen Räumen verwünscht umherwandeln. Jetzt komm' und folge mir!« Der Handwerksbursche willfahrte dieser Aufforderung und so führte ihn der Greis abwärts in einen weiten Gang, wo dem Eintretenden Kessel mit Gold und Silber entgegenblinkten. »Nimm von diesen Schätzen,« hub der Alte an, »so viel Du tragen kannst; laß jedoch davon eine Kapelle erbauen, und gieb den Armen und Notleidenden reichliche Almosen.« Nach diesen Worten verschwand er. – Der Fremdling that, wie ihm geheißen, und verließ ungesäumt das Schloß, das schon längst von der Bergeshöhe in Staub gesunken ist. Er erfüllte aber auch aufs Gewissenhafteste des Greises Begehren und blieb glücklich sein Leben lang.
(Grohmann, Sagen aus Böhmen, S. 296.)
In der Umgegend von Graslitz erhebt sich der Hausberg, von welchem viele Sagen erzählt werden. Früher sollen darauf die Überreste einer Burg gesehen worden sein; sie wurden aber zum Baue einer großen Fabrik verwendet.
Einem Weibe träumte einmal, sie solle in den Hausberg gehen, dort würde ihr ein schwarzes Zicklein mit feurigen Augen begegnen, dem solle sie folgen. Als sie erwachte, erzählte sie den Traum ihrem Manne; dieser aber ärgerte sich darüber und verbot ihr zu gehen. Da ihr aber in der zweiten und dritten Nacht das nämliche träumte, ging sie doch auf den Berg. Und wirklich, dort kam ihr ein schwarzes Zicklein entgegen, das hatte feurige Augen und meckerte ihr freundlich zu. Sie folgte dem Zicklein und kam in eine Höhle, wo das Zicklein verschwand. In der Höhle aber erblickte sie eine schöne Jungfrau, die winkte ihr zu und füllte ihr die Schürze mit den Steinen, die neben ihr lagen. Hierauf entfernte sich das Weib und als sie heimkam, hatte sie goldene Münzen in der Schürze. Der Berg soll sich regelmäßig[261] am Karfreitage während der Passion öffnen. Eine Mutter, die zu dieser Zeit eindrang und von den Schätzen, die darin aufgespeichert sind, nahm, vergaß ihr Kind darin, fand es aber nach einem Jahre unversehrt wieder, von einer Jungfrau behütet.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 34.)
Im nördlichen Stadtteile von Joachimsthal, im sogenannten Oberthal, stand vor Jahren hart an der Gartenmauer, welche sich rückwärts des Hauses Nr. 106 befindet, ein stark gewachsener Hollunderstrauch. Da die Wurzeln desselben immer tiefer in die ohnedies sehr schadhafte Mauer eindrangen, war diese dem Einsturze nahe, deshalb schickten sich die beiden Nachbarn Anton und Franz an, die Mauer abzutragen. In der Mitte derselben fanden sie beim Abräumen einen irdenen Topf mit Kirschkernen, von denen jeder eine kleine Öffnung hatte, als ob er von einem Käfer angebohrt worden wäre. Einer der Nachbarn nahm den Topf und schleuderte ihn an einen Stein, so daß die Scherben und Kirschkerne auf ein Häufchen zusammenfielen. Dies geschah um die Mittagsstunde, als auf dem nahen Kirchturme die Glocke ertönte. – Die beiden Männer begaben sich hierauf nach Hause, um ihr Mahl einzunehmen, und erzählten ihren Angehörigen von dem Funde im Garten. Diese gingen, von Neugierde gequält, sogleich an Ort und Stelle, um den merkwürdigen Fund zu betrachten; allein weder ein Scherben noch ein Kirschkern war zu finden. Auch die Nachbarn, die mit Eifer an der Abtragung der Gartenmauer fortarbeiteten, sahen nicht die geringste Spur von dem früher verschmähten Funde, der ein großer Schatz gewesen sein soll.
Bald darauf ging Elisabeth, die Wirthschafterin des Besitzers jenes Hauses, während des Abendläutens nach dem Hintergebäude, wo eine Fallthür in den Keller führte, und bemerkte darauf ein Häufchen glühender Kohlen. Bestürzt eilte sie zu ihrem Herrn und fragte ihn, ob er auf die Kellerthür Asche geschüttet habe, was er mit Entschiedenheit verneinte. Um sich aber zu überzeugen, liefen beide zur Fallthür, das Gluthäufchen jedoch war verschwunden.
Über der Gasse, dem oben bezeichneten Hause gegenüber, befand sich zwischen zwei Häusern ein überaus schmaler, freier Raum, wo viel Stroh- und Heugesäme abgelagert war. Daselbst fand ein Mann, der mit der Säuberung des Platzes beschäftigt war, ein schweres eisernes Kistchen und stieg mit seinem Funde, um ihn in Sicherheit zu bringen,[262] auf die Leiter, die er zur leichteren Vollführung seiner Arbeit angelegt hatte. Als er mitten auf der Leiter stand, hörte er plötzlich seine Frau ängstlich rufen: »Hans, komm' herauf, das Kind hat's Bein gebrochen!« Vor Schrecken ließ er das Kistchen fallen und lief in die Stube, in welcher die Frau das lächelnde Kind in der Wiege schaukelte. Seine Verwunderung steigerte sich, als er erfuhr, daß seine Frau ihn gar nicht gerufen habe. Nachdem Hans den Vorfall seinem Weibe erzählt hatte, eilte er nach dem Orte zurück, um das in seiner Bestürzung weggeworfene Kistchen zu holen, welches er jedoch trotz allen Suchens nicht wiederfand.
Glücklicher war ein anderer Nachbar, der in späteren Jahren vor seinem Hause ein glühendes Kohlenhäufchen sah. Er nahm eine Schürze und deckte dasselbe vorsichtig zu. Dann ging er in sein Haus, holte ein Gefäß, in welches er das Häufchen schüttete, und trug es in den Keller. Des andern Tages sah er nach und siehe! aus den Kohlen waren lauter blanke Goldstücke geworden.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 39.)
Auf einer felsigen Anhöhe an der Ostseite von Joachimsthal erhebt sich die weithin sichtbare Johanneskapelle, die mit einem Wohngebäude in unmittelbarer Verbindung steht. Über die Entstehung dieses Kirchleins erzählt die Sage folgendes:
Als der Bau der Hospitalkirche zu Joachimsthal in Angriff genommen wurde, wohnte im sogenannten »Seidl-Koch-Haus,« dessen Ruinen seit dem gewaltigen Brande vom 31. März 1873 noch heute zu sehen sind, der Bergbeamte Vogelhaupt, welcher neben seinem Berufsamte die Geschäfte eines Spitalrechnungsführers versah. – Da geschah es, daß beim Grundgraben dieser Kirche ein Maurer eine eiserne Kiste fand, die sehr schwer war. Deshalb schaffte sie Vogelhaupt mittels eines Pferdegespanns auf heimliche Weise zu seiner Wohnung. Dabei zersprengte sich wegen der allzu großen Last eines der Pferde. In der Kiste lag ein Schatz nebst einer Urkunde, in welcher es hieß, daß derjenige, der die Kiste finde, von dem darin enthaltenen Gelde möge ein Kloster errichten lassen. Vogelhaupt eignete sich wohl die gefundenen Schätze an, erfüllte jedoch nicht die daran geknüpfte Bedingung. Erst seine Nachkommenschaft, die von dem reichen Funde genaue Kenntnis hatte, suchte ihr geängstigtes Gewissen durch den Bau einer Kapelle einigermaßen zu beruhigen. Und so errichtete denn Johann[263] Jakob Vogelhaupt mit seiner Gattin Maria Sophie, geb. Makasy, im Jahre 1734 die Johanneskapelle. Selbige gelangte, da Maria Barbara, die Tochter des genannten Ehepaares, sich mit Franz Ludwig Pallas vermählte, in den Besitz der Pallasfamilie. Der spätere Besitzer Franz Pallas, Domdechant in Prag, vererbte die Kapelle am 4. Juni 1823 seiner Schwester Barbara, verehelichten Walz, mit der Bedingung, daß an die Kapelle ein Haus mittels Legates von 15000 fl. Wiener Währung angebaut und dieselbe für immerwährende Zeiten als Hauskapelle erhalten werde. Diese letztwillige Verfügung des Domdechanten Pallas ist in den Jahren 1838 und 1839 erfüllt worden.
Gegenwärtig gehört die Johanneskapelle dem Bürger Hilarius Seidl, der sie am 30. November 1867 käuflich an sich brachte.
(Grohmann, Sagen aus Böhmen, S. 171.)
Im Buchwalde bei Bäringen erhebt sich ein hoher Felsen, der heißt »der weiße Fels.« Am Karfreitage soll sich der Felsen öffnen und ein uraltes Bäuerlein herauskommen, welches hier die frische Saat fürs nächste Jahr beginnt. Am nächsten Karfreitage soll nämlich an dem Orte, wo dasselbe säet, Gold hervorwachsen. Wer an diesem Tage hier vorübergeht, der kann es sehen, und wer von dem Golde etwas aufhebt, der kann mit demselben sein Vermögen bessern.
(Nach Ziehnerts poet. Bearb. b. Gräße a. a. O. No. 580.)
In der Nähe von Glauchau befindet sich der sogenannte Schafteich, der fast eine halbe Stunde im Umfange hat und beinahe den ganzen ebenen Raum zwischen dem Scheerberge, der Mulde und der Lungwitz einnimmt. Nahe bei diesem Teiche befindet sich eine Art Stolln, der weit hinein in die Erde reicht, und den man gewöhnlich die Räuberhöhle nennt. In derselben soll es aber nicht geheuer sein. So erzählt man, daß einst ein armer Hirtenknabe an jener Höhle fast täglich gespielt habe und oft von brennender Neugierde gequält worden sei, einmal hinein zu kriechen, um zu wissen, was denn eigentlich darin sei. Nun getraute er sich aber, so beherzt er sonst auch immer war, doch nicht so recht hinein, weil er den Rückweg zu verfehlen gedachte. Da sah er einmal eine schwarze, goldgesprenkelte Henne in den Eingang kriechen und gackern, gerade als wenn sie legen wolle.[264] In der Hoffnung ihr Nest zu finden, folgte er ihr einige Schritte, allein bald ward es ihm zu unheimlich und zu finster und so kehrte er wieder um. Da er nun aber die Henne auch die nächsten Tage immer wieder an demselben Orte fand, so dachte er darüber nach, wie ihm wohl die Henne den Weg in das Innere der Höhle zeigen könne. Er nahm also einen starken Knäuel Garn und band der Henne einen Faden desselben an das Bein, und diese zog ihn nun ganz langsam, gerade als ob sie seine Absicht merke, hinter sich in die Höhle. Schon war aber das Garn fast ganz abgewickelt, da sah er auf einmal vor sich ein brennendes Licht. Allein wie ward ihm, als er bemerkte, daß dasselbe aus den Augen eines schwarzen, zottigen großen Hundes mit furchtbarem Rachen und starken Klauen ausströme! Neben demselben stand aber ein Männchen in einem grauen Mäntelchen, das hatte einen großen Sack Geld in der Hand und rief ihm zu, er möge nur näher kommen. Allein der Knabe wagte es nicht und nur erst, als das Männchen ihm nochmals zurief, er könne es ohne Gefahr thun, wagte er es. Hierauf reichte ihm der Graumantel eine Hand voll Thaler und sagte, er könne hierher so oft kommen, als er wolle, er solle jedesmal eine gleiche Summe bekommen, nur dürfe er niemandem sagen, woher er das Geld habe, sonst sei er verloren. Der Knabe fand nun den Rückweg sehr leicht, allein da er niemandem, auch seinen Eltern nicht, sein Glück mitteilen konnte, so blieb ihm nichts übrig, als das Geld zu vernaschen. Dies that er auch nach und nach, und als dasselbe verthan war, begab er sich wieder in die Höhle und holte sich eine zweite Auflage des vorigen Geschenks. Weil nun aber der Knabe gar zu oft bei dem Kaufmanne Näschereien kaufte und stets in blanken Thalern bezahlte, schöpfte derselbe Verdacht, das Geld sei gestohlen, und teilte seine Wahrnehmung dem Vater des Knaben mit. Da dieser nun recht gut wußte, daß sein Sohn nicht Pfennige, geschweige denn Thaler haben könne, so suchte er erst durch Drohungen heraus zu bringen, woher das Geld sei, und als der Knabe es nicht gestehen wollte, schlug er ihn so lange aufs Unbarmherzigste, bis derselbe alles gestand, aber auch hinzusetzte, daß ihm gewiß sein Brot gebacken sei, weil er das graue Männchen verraten habe. Und so geschah es auch, denn als der Vater am andern Morgen seinen Sohn, der ihm zu lange zu schlafen schien, aufwecken wollte, war er tot; der Böse hatte ihm den Hals umgedreht.
(Mündlich.)
Vom Hammerberge bei Wittichsthal sagte ein Venetianer, als[265] er den Berg vom Fenster seines Logis aus erblickte, in ihm liege noch ein Königreich. Er wollte damit ausdrücken, daß in dem Berge ein großer Schatz liege.
(Grohmann, Sagen aus Böhmen, S. 262.)
Eine Magd, die in Komotau in einem Hause am Graben diente, ging zu Weihnachten spät des Abends zum Brunnen und schöpfte Wasser. Wie sie aber den Eimer heraufzog, war er voll Silbergeld. Sie lief eiligst zum Herrn und meldete das Wunder. Als dieser aber mit ihr wieder zum Brunnen kam, war der Eimer leer.
(Meltzer, Hist. Schneebergensis. 1716, S. 1146.)
Ungefähr im Jahre 1679 zeigte sich in dem Knappschaftshause zu Schneeberg ein Gespenst in eines alten, graubärtigen kleinen Mannes Gestalt einem Schüler, welcher daselbst seine Wohnung hatte. Es machte sich nach vielfältiger Erscheinung und Wortwechselung mit ihm dergestalt bekannt, daß er zuletzt nicht mehr so furchtsam sein konnte, sondern, um endlich Ruhe zu haben, einen angegebenen Schatz zu graben sich erkühnte. Obwohl nun der Schüler solchen Schatz, nachdem er des Tages immer darnach gegraben, endlich in vielen güldenen Ketten und Silbergeschirr, darauf die alten Schneeberger viel gehalten, erblickte, so hat er dennoch das betrogene Spiel in Händen gehabt. Denn als es zum Treffen und Heben gekommen, wie dazu das alte Männlein die Zeit gesetzet, hat der Schüler im Gewölbe, darin er allein gewesen, zwar gesehen, wie zwei anwesende Männer den Schatz aus der Erde gehoben und lauter Pretiosen auf den vorhandenen Tisch ausschütteten, wornach auch das alte Männlein ihn greifen heißen; aber wie er daneben von einem andern, der seitwärts auf einem Sessel gesessen, die Anrede gehört, wie er als ein armer Mensch sich erkühne, einen solchen kostbaren Schatz zu heben, darüber er, als der Herr der Welt, doch die Macht hätte: siehe, so ist darauf der Schüler voller Schrecken zurückgekehrt und in höchster Angst gewesen, bis der Seiger nachmittags 4 Uhr geschlagen. Denn eben bis auf diese Zeit hatte das alte Männlein die Gelegenheit zum Schatzheben gesetzt, und eben um diese Zeit hat ein Sturmwind gewütet und einen Baum im Garten gebrochen,[266] dahin zugleich, wie das Gespenst bei letzter Erscheinung sagte, der Schatz aus dem Hause fortgerückt sein sollte.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 89.)
Vor etwa siebzig Jahren kamen nach der Bergstadt Platten einige Zigeuner. Da dieselben wegen der rauhen Jahreszeit nicht im Freien ihr Lager aufschlagen konnten, gingen sie von Haus zu Haus und baten flehentlich um Herberge. Allein überall wurden die braunen Söhne mürrisch und hartherzig abgewiesen, bis sie ein armer, aber ehrlicher Bergmann, mit Namen Friedrich, in seine windschiefe Hütte aufnahm. Beseelt von edler Menschenliebe, kochte die Frau des Bergmannes sofort eine Milchsuppe, welche den hungrigen Gästen vortrefflich mundete. Nach mehrtägigem Aufenthalte beschlossen die Zigeuner, an's Wandern gewöhnt, weiter zu ziehen. Zuvor aber wollten sie sich der braven Bergmannsfamilie dankbar erweisen. Deshalb legte eine Zigeunerin das Geständnis ab, im Auffinden von Schätzen gut bewandert zu sein, und hielt alsogleich im Hause Umschau. Sie nahm die Wünschelrute, begab sich aus dem Stübchen in den Küchenraum und ließ diese schlagen. Die Rute neigte sich gegen den Ofen, ein Zeichen, daß hier ein Schatz verborgen liege. Nach mehreren anderen Schwankungen bezeichnete sie genau den Ort, und den Andreasabend als die Zeit zum Heben des Schatzes. Mit Segenswünschen schieden die Zigeuner. Der arme Bergmann jedoch konnte den festgesetzten Tag gar nicht erwarten und schritt noch vor dem Termine an die Ausführung seiner geheimnisvollen Arbeit. Zu diesem Zwecke verfertigte er einen großen Kreis aus Papier, den er mit hunderten von Kreuzen beschrieb und legte ihn auf den Platz, wo der vermeintliche Schatz sich befinden sollte. Hierauf stellten sich der Bergmann und ein Nachbar in den Kreis und fingen zu graben an. Es dauerte nicht lange, da kam eine eiserne Truhe zum Vorschein. In dem Augenblicke aber, als einer der Schatzgräber mit der Haue auf die Lade schlug, entstand ein gewaltiger Donnerschlag, und der Kreis zerriß in tausend Stücke. Sprachlos und totenblaß standen beide Männer da, und als sie sich von der Betäubung erholt hatten, sahen sie einander nicht wenig erstaunt an, denn der Schatz war wieder in die Tiefe zurückgerollt.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 100.)
Zwischen Platten und Jungenhengst steht am Wege, der in die letztgenannte Ortschaft führt, ein Bild, welches Jesum, wie er gegeißelt wird, darstellt und von den Umwohnern »schönster Jesus« genannt wird. Dort soll ein großer Schatz verborgen liegen. Denselben wollten vor vielen Jahren zwei Geschwister, Bruder und Schwester, heben. Nachdem beide sich mit den üblichen Beschwörungsformeln bekannt gemacht hatten, gaben sie sich das Versprechen, kein Wörtlein während des Schatzgrabens zu sprechen. In einer Nacht gingen sie nun an Ort und Stelle und gruben allda, bis sie nach längerer Arbeit auf den Deckel einer Geldkiste stießen. Allein welcher Schreck! Mit einemmale kommt ein Soldat gegen das schätzesuchende Geschwisterpaar heran. Nach einer Weile sprengt auf feuersprühendem Rosse ein Reiter daher, dem mit Blitzesschnelle sich eine ganze Schwadron Kriegsgefährten anschließt. Eisiges Grauen überfiel da die Geschwister, welche einander schweigend anblickten. Als aber eine Totenbahre sichtbar ward, der ein langer Leichenzug folgte, da rief die Schwester: »Jesus, Maria! Da tragen sie unsere Mutter!« Wie diese Worte ihrem Munde entflohen waren, stürzte im Innern der ausgegrabenen Grube ein mächtig sprudelnder Quell hervor. Immer höher und höher stieg das Wasser und überflutete in wenigen Augenblicken den Weg. Bald reichte es sogar den Geschwistern bis zur Brust, so daß sie, über die höchst sonderbaren Erscheinungen entsetzt, von dannen eilten. Als sie nach Hause kamen, waren sie – welch ein Wunder – ganz trocken. Das Geschwisterpaar verspürte nun keine Lust mehr, den Schatz zu holen.
(Grohmann, Sagen aus Böhmen, S. 288.)
Eine Frau fand eines Tages auf dem Hausberge bei Graslitz beim Beerensuchen ein Bündel Reisig, worin verschiedene Buchstaben zerstreut herumlagen. Sie nahm einige derselben und dachte sie ihren Kindern zum Spielzeug zu bringen. Als sie dieselben aber zu Hause aus ihrem Korbe nehmen wollte, waren es Silberstücke geworden. Nun eilte sie wohl nach dem Orte zurück, um die übrigen zu holen, allein das Bündel samt den Buchstaben war verloren. Ein andermal fand eine Frau ein Häufchen Hobelspäne, die daheim zu Thalerstücken[268] wurden, und wieder ein andermal trugen Kinder Kohlen und Steinchen heim, die sich zu Hause in Gold verwandelten.
Dämonische Wesen besitzen die Wunderkraft, die verschiedensten Gegenstände in edles Metall zu verwandeln. Auch wo sie in der Sage bei einer solchen Verwandlung nicht ausdrücklich genannt werden, ist die letztere doch von ihnen ausgegangen. Im Fichtelgebirge schenkt eine weiße Jungfrau Laub, das zu Golde wird (Zapf, der Sagenkreis des Fichtelgebirgs, S. 18), und im Harze verwandeln sich durch den Zwergkönig des Hübigensteins und die Prinzessin Ilse Tannenzapfen in Silber oder Gold. (Heine, Sagen, Märchen etc. aus dem Harze, S. 16 und 94.)
(Mündlich.)
Einst ging eine Frau aus Bermsgrün in den Wald und fand daselbst mehrere wohl geordnete Häufchen von rundlichen, abgesprungenen Fichtenrindenstücken, die man »Kutter« nennt. Da sagte sie für sich: »Wer mag nur da gespielt haben?« und nahm solche Kutter von den Häufchen mit nach Hause, damit ihre Kinder auch damit spielen sollten. Als sie aber zu Hause ankam und den Korb aufdeckte, um die dahinein geworfenen Kutter ihren Kindern zu geben, fand sie statt derselben Geldstücke. Schnell ging sie darauf zurück, um auch die liegen gelassenen Kutter zu holen, allein sie konnte keine mehr finden.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 85.)
Vor vielen Jahren ging ein Weib aus Abertham in den in der Nähe liegenden Wald, der damals den Mühlberg bedeckte, um Klaubholz zu holen. Im Walde angekommen, stellte sie ihren Korb bei einem Kreuzwege nieder und lief in die Kreuz und Quer herum, um die Reiser zusammenzutragen. Als sie zu dem Korbe zurückkam, fand sie denselben mit Sägespänen angefüllt. Da sie jedoch ihrer nicht bedurfte, schüttete sie in ihrer Einfalt die Späne aus und legte in den Korb das Klaubholz. Wie war aber das Weib erstaunt, als sie, nach Hause gelangt, den Korb leerte und darin viele Goldstücke fand! Diese waren auf wunderbare Weise aus den Sägespänen, welche an dem Korbrande hängen geblieben waren, entstanden. Mit freudestrahlendem Gesichte eilte das Weib sogleich in den Wald zurück, um die verschmähten Sägespäne aufzuraffen, allein ihr Suchen war vergeblich, denn dieselben waren spurlos verschwunden.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 98.)
Unweit von Platten steht an der Straße, die vormals von dieser Stadt nach Bäringen leitete, eine Johannes-Statue. Eines Abends – es mochte 9 Uhr sein – ging der Binder Fladerer aus Platten von Bäringen nach seinem Wohnorte. Als er bei der erwähnten Statue vorbeischritt, lagen mitten auf dem Wege frische, erst aus dem Felde genommene Kartoffeln. Ohne sich lange zu besinnen, griff Fladerer nach denselben und steckte sie ein. Wie er daheim die Kartoffeln aus den Taschen nehmen wollte, zog er lauter blanke Goldstücke hervor.
Nach der Sage soll unter der Johannes-Statue ein Silbergang sein.
(Deutsche Sagen. Herausgegeben von den Brüdern Grimm. 2. Aufl. 1. B. No. 158.)
Am Johannistag kamen zwei Hirtenknaben, indem sie den jungen Vögeln nachstellten, in die Gegend des Heilingsfelsen an der Eger und erblickten unten an demselben eine kleine Thüre offen stehen. Die Neugierde trieb sie hinein; in der Ecke standen zwei große Truhen, eine geöffnet, die andere verschlossen. In der offenen lag ein großer Haufen Geld, sie griffen hastig danach und füllten ihre Brotsäcklein voll. Drauf kams ihnen greulich; sie eilten nach der Thür, glücklich trat der erste durch. Als aber der zweite folgte, knarrten die Angel fürchterlich, er machte einen jähen großen Sprung nach der Schwelle, die Thüre fuhr schnell zu und riß ihm noch den hölzernen Absatz seines linken Schuhes ab. So kam er noch heil davon und sie brachten das Geld ihren erfreuten Eltern heim.
(Anton Bär im Glückauf, 2. Jahrg. S. 80.)
In der Schlacht an der Göltzsch, in welcher die Deutschen die Herrschaft der Sorbenwenden in den Flußgebieten der Saale, Elster und Mulde brachen, verlor auch ein adeliger Sorbe das Leben. Seine Burg lag inmitten seines ansehnlichen Grundbesitzes auf dem Borberge, welcher sich nahe bei der Stadt Kirchberg erhebt. Bevor er in den Kampf gezogen war, hatte er seine Schätze dicht neben dem Burgbrunnen, welchen man noch heute auf dem Borberge zeigt, vergraben, seine[270] Kinder aber, drei Mädchen von großer Schönheit, hinausgeführt in den heiligen Hain und sie hier geloben lassen, dem Glauben ihrer Väter treu zu bleiben und die heiligen Gebräuche ihres Volkes fortzuüben. Als die Deutschen in die Gegend einrückten, brannten sie die Burg nieder, ließen aber die drei Schwestern, welche unterdessen ein kleines Gehöfte am Berge bezogen hatten, ziemlich unbelästigt in ihrer Verborgenheit leben. Allerdings traf auch sie, was jetzt über alle ihre Stammesgenossen in der Umgegend erging: sie mußten den Weisungen der deutschen Herrschaft willigen Gehorsam leisten und die Taufe und den christlichen Glauben annehmen. Letzterer Anordnung kamen sie indessen nur widerwillig nach, denn der neue Glaube stand im Widerspruch mit ihrem dem Vater geleisteten Gelübde und erlaubte ihnen nicht, manchen alten liebgewordenen Gebrauch weiter zu pflegen; sie fühlten sich darum oft in ihrem Herzen beschwert und gingen häufig zur Nachtzeit mit anderen Genossen hinaus zum zerschlagenen Opfersteine und übten allda ihre heidnischen Gebräuche.
Lange blieb das Treiben der Schwestern und ihres Anhanges verborgen, als aber aus dem Walde am Geiersberg heraus ein Kirchlein sich erhob und die Mönche dort das Seelsorgeramt mit Strenge übten, da setzten diese auch den Zusammenkünften am Opfersteine ein Ziel, und forderten die Schwestern, als die Veranstalter derselben, zu strenger Rechenschaft. »Ihr dient dem Herrscher der Hölle«, eiferten sie; »wohlan, da ihr unsere Warnungen und Mahnungen nicht beachtet habt, so sollt ihr auch dem Bösen verfallen sein. Wir sprechen den Bann über euch aus; freud- und friedlos sollt ihr sein, bis es euch gelingt, ein Christenkind zu herzen und zu küssen, das man aus dem Walde herein nach St. Margarethen zur Taufe trägt«. – In der That gewann es den Anschein, als waltete über den aus der Gesellschaft Gestoßenen von Stund an ein freundlicher Stern nicht mehr. Jedermann vermied den Umgang mit ihnen; sie hatten weder Rast noch Ruhe mehr und mußten öfters in der Nachtzeit, wenn die wilde Jagd dahin zog, wie das gehetzte Wild den finstern Wald durchirren. Das waren böse, harte Zeiten für die Schwestern, traurige Erlebnisse, welche endlich in ihren Herzen die Reue erkeimen ließen, dem Willen des Vaters gemäß gehandelt zu haben. Vergebens erwies sich auch das Bemühen, den wenigen, zufällig in ihre Nähe kommenden Menschen sich freundlich zu erweisen, vergebens die Bitte bei den Mönchen zu St. Margarethen, den bösen Zauber zu lösen, welchen ihr Bann über sie gebracht hatte, die Not blieb und nahm zu, je älter sie wurden. Manches Jahr war bereits verschwunden und noch immer harrten die Schwestern des Zusammentreffens mit einem Kinde, das im[271] nahen Kirchlein die Taufe empfangen sollte. Zwar hatte der Zufall die Gelegenheit hierzu einigemale geboten, aber die Scheu vor ihnen war so groß, daß man bei ihrem Erscheinen stets zur Seite wich und schon aus der Ferne den Versuch einer Annäherung zu hindern suchte. Da gewahrte einst in einer Nacht die jüngste der Schwestern in der Gegend, wo, umgeben vom dichten Wald, eines Köhlers Hütte stand, noch helles Licht; von dem Wahrgenommenen unterrichtet, schlichen alle drei, begleitet von ihren zwei treuen Knechten, bis zur Hütte und bemerkten, daß des Köhlers Weib ein Kind geboren hatte. Sogleich stand der Entschluß in ihnen fest, dem Kinde, wenn es zur Taufe getragen würde, zu nahen und dessen Begleitung um die Erfüllung ihres Wunsches anzugehen. – Es währte auch nur kurze Zeit, als spät an einem Nachmittage der Köhler in Gesellschaft weniger Personen auf dem schmalen Pfade daher geschritten kam, um seinen Neugebornen nach St. Margarethen zur Taufe zu bringen. Alsogleich trat die älteste der Schwestern an ihn heran und sprach: »Lieber, laß mich Dein Kind sehen und herzen, Du sollst dafür auch diesen schönen glänzenden Stein haben, sieh' nur, wie er in der Sonne blitzt und funkelt.« Doch der Angeredete wandte sich ab und entgegnete: »Ich begehre weder Deinen Stein, noch sollst Du mein Kind sehen; halte mich nicht auf und laß mich weiter gehen.« Eine Strecke weiter kam die zweite Schwester und redete: »Lieber, sieh' dieses Goldstück, es soll Dir gehören, sobald Du mir erlaubst, Dein Kind einen Augenblick auf meinen Armen wiegen zu dürfen.« »Nein,« rief unwillig der Köhler, »Deines Goldstücks wegen gebe ich den Kleinen nicht aus meinen Händen; blicke nur empor, welch schweres Wetter am Himmel dräuet, ich will eilen, weiche zur Seite.« Abermals einen Steinwurf weiter kam die dritte Schwester dem Taufzuge entgegen. »Ei, lieber Köhler,« begann sie im muntern Ton, »Freya, die liebreiche, hat Dir ein Kind beschert, welches Du ohne Zweifel jetzt zur Taufe trägst; hier nimm diesen Wickel Flachs als Taufgeschenk, er soll Deinem Kinde Segen bringen, doch erlaube mir, den Kleinen auf einen Augenblick zu sehen.« Da reichte der Vater dem Mädchen, weil es gar so herzlich bat, das Kind und dieses drückte rasch einen warmen Kuß auf dessen Lippen. Noch redeten beide miteinander, als das Glöcklein von der Kapelle eifrig mahnte, das Gespräch einzustellen. Über den brausenden Bach auf schwankendem Steg eilte der Köhler hinauf zur Kapelle, die Jungfrau aber raschen Laufes zu den in banger Erwartung harrenden Schwestern. Wie fröhlich lenkten diese jetzt ihre Schritte dem Hofe zu, wie glücklich saßen sie, nachdem der jüngsten die Ausführung des längst gehegten Vorhabens gelungen war, dort beisammen! Die That, einst als Erfordernis bestimmt,[272] den auf ihnen lastenden Zauber zu bannen, war erfüllt und von nun an sollte der Böse keine Macht mehr über sie haben.
Die Taufe in der Kapelle hatte längst ihr Ende erreicht, aber das inzwischen zum Ausbruch gekommene Gewitter hinderte bis zum späten Abend den Köhler an der Rückkehr zu seiner Hütte. Mit mächtiger Gewalt tosete diesmal der Donnergott. Mehr als einmal fuhr der blendende Strahl, wie von der Kapelle aus zu bemerken war, auf den Borberg nieder und mußte zuletzt auch gezündet haben, denn man sah im strömenden Regen dort dichten Qualm und Rauch aufsteigen. Dazu ließ sich ein Pfeifen und Rollen in der Luft vernehmen, als wenn der Fürst der Hölle selbst sein Wesen triebe. Letzteres war in der That auch der Fall; denn erzürnt darüber, daß drei durch den Bann ihm verfallene Seelen sich seiner Herrschaft zu entringen gewußt hatten, fuhr er grimmig und tobend im Wetter davon. – Endlich hatte die Natur ihre Ruhe wieder gefunden; am Himmel leuchteten bereits die Sterne, und in reicher Fülle sandte der Mond sein silbernes Licht zur Erde, als der Köhler mit seiner Begleitung den Heimweg antrat. Ohne Aufenthalt kam er auch diesmal nicht am Borberge vorüber. Mitten auf dem Wege, an derselben Stelle, wo vor wenig Stunden eine der Schwestern den Anblick seines Kindes erbeten hatte, hörte er plötzlich seinen Namen rufen. Er blickte empor und sah zwischen den Bäumen hindurch oben auf einem vorspringenden Felsen die drei Jungfrauen stehen und hörte zugleich, wie sie ihm zuriefen: »Lieber Köhler, habe Dank, daß Du dein Kind unserer jüngsten zum Kusse reichtest; Du hast uns dadurch aus schwerer Not und Drangsal befreit. Komm nur sonder Scheu herauf zu uns und nimm den Schatz, mit dem wir Dich belohnen wollen.« Aber dem Angerufenen und seinen Begleitern liefen bei diesen Worten die Schauer bald kalt, bald heiß über den Rücken; sie schlugen eiligst ein Kreuz und suchten schnell weiter zu kommen.
Gegen den anbrechenden Morgen hin mochte es jedoch den Köhler gereuen, der Einladung nicht Folge geleistet zu haben. Der Gedanke an den angebotenen, von ihm aber so leichtfertig verschmähten Schatz beherrschte seine ganze Seele, und über sein Vorhalten peinigten ihn umsomehr allerlei Vorwürfe, als ja die Schwestern sich ihm immer freundlich erwiesen hatten. Mit dem ersten Sonnenstrahl, der seine Hütte traf, war er darum auch schon auf den Beinen, ging auf den Berg und forschte nach den drei Jungfrauen. Er kam zu ihrem Hofe, doch dieser lag still und abgebrannt vor ihm; er stieg hinauf zum zerklüfteten Gemäuer der Burg, aber auch hier war nichts von den Gesuchten zu sehen und zu hören. Mißmutig lagerte er sich nunmehr[273] in das Gras und rief mit fast weinerlicher Stimme und allerlei zärtlichen Worten nach den Schwestern. Doch auch diese Mühe schien lange des Erfolges zu entbehren. Endlich gewahrten seine Augen hinter einem Stein ein kleines graues Männlein mit langem weißen Bart, welches ihm also zurief: »Thörichter, warum störst Du die kaum begonnene Ruhe der Schwestern? Warum lohntest Du ihr Vertrauen nicht wieder mit Deinem Vertrauen? Du hast Dein Glück verscherzt, doch Deines Sohnes werden sie gedenken, sobald die Sonne achtzehnmal über die Erde gegangen sein wird. Wisse, die einst Vielgeplagten schlafen von jetzt an bei ihren Schätzen im Berge; wenn sie erwachen, erscheinen sie wieder an dem Brunnen; begegnet ihnen dann ein Menschenkind, dem sie wohlwollen, so beglücken sie es mit großem Gute.«
An des Köhlers Kinde ist die Verheißung zur Wahrheit geworden; ebenso sind im Verlauf der Zeiten die Schwestern mehreren nächtlichen Wanderern glückbringend erschienen. Aber noch sollen die von ihnen gehüteten Schätze so groß sein, daß sie davon noch vielen Erwählten zu spenden vermögen. Wer nun davon haben will, der gehe zur Zeit der Sommer- und Wintersonnenwende, sobald es nächtet, auf den Berg; vielleicht erscheinen die Schwestern und lassen ihn Gnade finden vor ihren Augen.
(Mündlich.)
Zwischen den Dörfern Lichtenberg, Burkersdorf bei Frauenstein und dem als Sommerfrischort in Aufnahme gekommenen Mulda erhebt sich der Burgberg, auf dessen Gipfel man noch die Überreste eines Doppel-Steinwalles und einen Brunnen, »Junfernbrunnen« genannt, sieht. Nach der Volkssage stand ehemals auf diesem Berge ein Schloß, und in einer weiten Felsenhöhle soll daselbst noch ein großer Schatz in einer Braupfanne liegen. Zuweilen hat man des Nachts zwischen 11 und 12 Uhr von Lichtenberg aus auf dem Berge ein Licht gesehen, und wenn man dann, wenn sich das Licht zeigt, den Gipfel erklimmt und einen weißhaarigen Jungen mitbringt, dann ist man fähig, den Schatz zu heben. Jedoch sind schon viele Personen, welche dies versuchten, von dem Lichte oder einem Hahne, welcher auf dem Platze des alten Schlosses erscheint, irre geführt worden. Der Hahn soll ein verzauberter Burgherr sein; derselbe ist erlöst, wenn es jemandem gelingt, den Schatz zu heben. Der Eintritt in den Geldkeller, und ebenso der Austritt, muß stillschweigend geschehen. Einer kam einst hinein und da sah er viel Gold und Edelsteine, von denen er sich eine große[274] Menge mitnahm. Als er aber durch das Thor getreten war und in seiner Freude einen Laut ausstieß, schloß sich plötzlich dicht hinter ihm die Pforte und die Schätze, welche er soeben noch getragen hatte, waren wie ein Traum verschwunden.
Es lebte einmal in dem Dorfe Lichtenberg ein Junge, der sehr verwegen war, und den man deshalb den »Waldteufel« nannte. Derselbe kam einst mit zwei andern Jungen auf den Berg und kletterte an den Felsen, welcher nördlich von den Wällen steil abfällt. Hier sahen sie eine tiefe Felsenkluft und über derselben waren zwei Felszinken. Da hielt sich der »Waldteufel« an diesen Zinken fest und die beiden andern Jungen halfen ihm, so daß er sich etwas in der Spalte hinablassen konnte. Da sah er in der Tiefe einen großen Haufen Knochen, so daß er sich doch fürchtete, obschon er sonst beherzt war, und schnell wieder heraufstieg. Von Geld hat er aber nichts gesehen.
Übrigens sind auf dem Berge und in seiner Nähe schon viele Leute, auch bei Tage, so bethört worden, daß sie lange Zeit in der Irre gegangen sind.
Der oben genannte Brunnen soll immer Wasser gehabt haben, und wenn man versucht hat, dasselbe auszuschöpfen, so gelang es nicht.
(Mündlich.)
Da, wo sich jetzt die Schäferei von Voigtsdorf bei Sayda befindet, soll einst ein Schloß gestanden haben, das in einem Kriege, vielleicht im Hussitenkriege, eingeäschert wurde. Bei dieser Zerstörung wurde ein Schloßfräulein mit ihren Schätzen verschüttet. Ein Mann hat vor vielen Jahren wiederholt an dem Platze gegraben, um des Schatzes teilhaftig zu werden, jedoch nichts finden können.
(Richter, Chronica der Stadt Chemnitz I. 1767, S. 54.)
Der ehemalige Schulrektor in Chemnitz, Paulus Niavis, welcher sich gegen das Jahr 1494 von da nach Leipzig gewendet, erzählt, daß bei dem Bürgerwald, das ist der jetzige Zeisigwald, ein kleiner Hügel bei des Bürgermeister Arnold Felde wäre, da habe unten an dem Fuße des Hügels eine große ausgebreitete Fichte gestanden, und daselbst wäre eine Höhle, von außen mit Dornen und Brombeersträuchern verwachsen; von dieser würde erzählt, daß in ihr ein großer Schatz[275] von Golde verborgen liege, dieweil die Leute in dem Hussitenkriege ihr Vermögen darin verstecket. Solcher Schatz aber wäre besessen; es hätten einige Schatzgräber denselbigen haben wollen, aber nichts ausgerichtet.
(Chemnitzer Tageblatt, 1882, No. 89, und nach einer poetischen Bearbeitung, mitgeteilt vom Lehrer Drescher in Burgstädt.)
In dem Taurasteine bei Burgstädt soll ein Schatz liegen. Auch erzählt die Sage von einem unterirdischen Verbindungswege zwischen dem Taurasteine und dem Rathause in Burgstädt. Einst soll auch auf dem Taurasteine ein Altar der heidnischen Wenden gestanden haben, welche sich, von ihren Priestern gerufen, im Hahnbusche versammelten, wenn sie zum Opfer hinaufzogen. Die Wenden und ihre Priester wurden vertrieben, aber noch lassen sich auf dem Platze gespenstische Männchen sehen, welche den verborgenen Schatz hüten. Es geschah einmal, daß ein Bewohner Burgstädts durch den Wald auf den Stein ging. Von der Hitze ermattet, legte er sich im Waldesgrün, wo ihn wohlthätige Kühlung umfing, nieder und fiel bald in einen tiefen Schlaf. Plötzlich rief ihm eine Stimme zu: »Stehe auf, denn ich führ Dich zu Deinem Glücke!« Als er die Augen aufschlug, war es Nacht und vor ihm stand ein graues Männchen. Mit unsichtbarer Macht zog es ihn, dem Männchen zu folgen, wohin ihn dasselbe führte. Bald standen sie vor einer geöffneten Pforte, und im Innern der Höhle lagen Haufen von hellleuchtendem Golde. Da sagte das Männchen: »Jetzt sind wir am rechten Orte. Alles was Du hier siehst, soll Dein sein und Du bist alle Deine Sorgen los. Nur eine Kleinigkeit wünsche ich dafür von Dir: Dein Weib gebar Dir einen Knaben, den sollst Du mir für all dies Gold schenken, daß er mir mit Leib und Seele gehört.« Da nahm der fromme Burgstädter schnell ein Kreuz, der Christen heiliges Zeichen, das er bei sich trug, hervor und hielt es dem Verführer entgegen. Plötzlich stürzten die Felswände krachend ein und das Gold sank wieder in die Tiefe hinab. Der Arme aber fiel mit bleichem Gesichte wie leblos zwischen dem Gesteine nieder, und als er am Morgen erwachte, wurde gar freundlich in der nahen Stadt das Pfingstfest eingeläutet. Zu Hause angekommen, fand er sein Weib, welches ihm in der Nacht ein Söhnchen geboren hatte, und als sich die Kunde von dem Geschehenen in der Stadt verbreitete, da eilte jung und alt nach dem Taurasteine, ob man noch etwas von dem Golde sehen möchte; doch jede Spur von der reichen Schatzkammer war verschwunden.
(Alfr. Moschkau in der Saxonia II. S. 107.)
Im Kaiser Wilhelmsthale bei Nossen zeigt sich in der Nähe der Pfarrbrücke, besonders an herbstlichen Abenden, ein schwarzer Pudel mit feurigen Augen, der sich einsamen Wanderern aufzuhocken pflegt. Er soll eine von 1813 hier längere Zeit lagernden Franzosen vergrabene Kriegskasse bewachen, die links unter der großen Linde liegt, des wachsamen Pudels wegen aber noch von niemandem gehoben werden konnte.
(Alfred Moschkau in der Saxonia I. S. 189.)
Den Burgberg zu Gleisberg krönt ein alter heidnischer Rundwall, in welchem angeblich im Mittelalter eine Burg stand. In dem Wallkessel, zu dem einige Stufen führen, soll ein großer Schatz liegen, dessen Dasein vielseitig bemerkte kleine blaue Flämmchen verkünden. Ein Nossener hatte sich einst daran gemacht, den Schatz zu heben, als er aber auf der Stelle, wo der Schatz liegen sollte, eine große Menge schwarze Kröten mit hellleuchtenden Augen sitzen sah, stand er von seinem Vorhaben ab. Mehrere Marbacher, die zu gleichem Zwecke auf dem Burgberge erschienen, wurden durch große schwarze Schlangen mit feurigen Augen veranlaßt, umzukehren.
Kröten und Schlangen sind wie der Drache Hüter von Schätzen. In der Lausitz sagt man, daß, wo eine Kröte sitzt, ein Schatz liege. (Haupt, Sagenbuch d. L. I. No. 301.)
(Alfred Moschkau, Führer durch Nossen und Altzella (o. J.), S. 11.)
Auf dem Rodigberge bei Nossen befindet sich ein großer Rundwall, in welchem angeblich die erste Burg Nossen stand, der aber jedenfalls ein heidnischer Wall sein dürfte. In diesem Walle giebt es Stellen, die beim Darauftreten hohl klingen und auf alte verschüttete Gewölbe jener Burg hindeuten sollen. Der Sage nach liegt darin ein bedeutender Schatz, der in der Mitternachtsstunde des Christabends gehoben werden kann. Schon viele Leute haben an erwähnten Stellen blaue Flämmchen herumhüpfen sehen.
(Alfred Moschkau, Gesch. d. Benedictinerklosters St. Walpurgis im Zellwalde, 1874, S. 7. Saxonia I., S. 172.)
Eine Stunde von Nossen entfernt und nahe dem Dorfe Marbach liegt die Stelle, auf welcher in den Jahren 1141 bis 1146 Thammo von Strehla ein Klösterlein gründete, welches aber endlich einging und dessen Gebäude abgetragen wurden. Nahe der jetzigen Bahnmeisterwohnung sieht man eine Vertiefung; diese war einst der Klosterbrunnen. In denselben hatten die letzten Mönche eine Glocke und vieles Gold- und Silbergeräte geworfen und den Brunnen dann mit 95 Klaftern Stöcke zugeschüttet. Diese Schätze harren noch der Ausgrabung. Nach einer Tradition bewacht sie ein Pudel mit feurigen Augen, der bereits oft nächtliche Wanderer des Zellwaldes, »die nicht mit Eisen oder Stahl versehen waren«, belästigte.
Die letzte Bemerkung vom Eisen oder Stahl bezieht sich jedenfalls auf den bei deutschen und Slaven verbreiteten Glauben, daß man auf den durch glühende oder erloschene Kohlen oder Flämmchen angezeigten Schatz eiserne und stählerne Gegenstände, besonders Messer u. dgl., aber auch Geldstücke, selbst Brot oder ein auf bloßem Leibe getragenes Kleidungsstück werfen müsse, um beim Heben des Schatzes alle Gefahr von sich abzuwenden. (Jac. Grimm, Deutsche Mythologie, 1835, S. 544. Veckenstedt, Wendische Sagen etc., 1880, S. 356.)
(Gießler, Sächsische Volkssagen. Stolpen o. J. S. 453.)
In der Klosterkirche zu Grünhain liegt angeblich ein großer Schatz begraben. Im März des Jahres 1657 hat der Schäfer Eucharius Bömely zu Grünhain einen Bergmann 6 Tage und Nächte darnach graben lassen, aber als derselbe in der letzten Mitternacht gehoben werden sollte, so bewegte der Bergmann mit der Keilhaue eine Wand, ließ sie jedoch der Schwere wegen wieder gehen, worauf die Wand eine Viertelelle tiefer sank und mit ihr der vermeinte Schatz. Man ließ sofort einen gewissen Rutengänger Tippmann kommen, der das Vorhandensein des Schatzes mit der Rute feststellte, doch brachte man nichts zustande, da der Schatz unter großem Geräusche immer weiter vorrückte. Es ist ein »großer, reicher Schatz gewesen, so einst der Abt zu Ebersbach in Franken Siegmund Siegeln anvertraut, aber wohl sehr flüchtig und schwer zu erlangen und darum ist es auch mißlungen«, erläutert die Chronik.
(Nach Mitteilung des Ratsaktuars Fr. Köhler in Sayda.)
Ungefähr in der Mitte zwischen Müdisdorf und Helbigsdorf erhebt sich in der Flur des letzteren Ortes auf dem höchsten Punkte des dasigen Geländes ein Gneiskegel, der »Alpstein« genannt. Vor einigen Jahren ist derselbe zum Teil abgetragen und beim Bau einer Scheune verwendet worden. Von diesem Alpstein erzählt die Sage, daß sich daselbst zu Zeiten ein Hund mit feurigen Augen, sowie ein schwarzes Männchen habe sehen lassen. Wer diesen Erscheinungen folge, der würde nach der Stelle geführt werden, wo bei dem Steine ein Schatz vergraben liege. Selten aber wird jemand zur Nachtzeit an dem Steine vorübergegangen sein.
(Mündlich.)
An dem auf der Höhe des rechten Muldenufers mitten im Walde zwischen Schloß Stein und Niederschlema sich erhebenden weißen Fels soll eine goldene Kette liegen, welche in gewissen Nächten aus der Tiefe steigt und sichtbar wird. Einst träumte einem Manne in Lößnitz, daß er an dem weißen Fels sein Glück machen werde, er solle nur in einer gewissen Nacht um die Mitternachtsstunde dorthin gehen. Der Mann that es, und da sahe er an dem genannten Felsen eine goldene Kette liegen, so groß wie eine Hemmkette. Beherzt ergriff er dieselbe, da sie aber zu schwer war, so faßte er sie am ersten Gliede und schleppte sie hinter sich fort. Auf dem Nachhausewege aber sah er neben sich allerlei Spuk und er hörte auch dicht hinter sich einen greulichen Lärm. Doch ließ er sich dadurch nicht stören, sah sich auch nicht um, sondern er zog die Kette mit sich fort bis vor seine Wohnung. Da er aber die Hausthüre öffnen wollte, wurde der Lärm noch größer und es klang, als ob alle bösen höllischen Geister dicht an seinen Fersen wären. Jetzt konnte er es nicht mehr verwinden, ohne einen Blick rückwärts in sein Haus zu treten, da er sich nun für geborgen hielt. Er sah sich um; plötzlich aber wurde alles still und die goldene Kette war verschwunden. Nur das erste Glied hielt er in seiner Hand. Es war jedoch genug, um ihn zum vermögenden Manne zu machen.
(Mündlich.)
Es war einmal ein Krieg ausgebrochen. Da vergrub einer aus der berühmten und reichen Familie derer von Römer in dem roten Berge, welcher sich nahe bei der Stadt Werdau erhebt, eine Braupfanne voll Geld, um dasselbe vor den Feinden zu verbergen. Als dann jener Römer starb, hinterließ er den Schatz demjenigen seiner Nachkommen, welcher nur mit einem Auge auf die Welt kommen würde. Von da an sahe man lange Zeit hindurch alle Nächte von 11 bis 12 Uhr auf dem genannten Berge ein Licht, und es wurde gesagt, daß sich dasselbe gerade über der Stelle befinde, an welcher in der Tiefe der Schatz verborgen worden war. Ebenso zeigte man eine kleine Höhle als Anfang des Ganges, in welchem man zu der mit Gold und Silber gefüllten Braupfanne gelangen könne.
Da nun kein einäugiger Römer geboren wurde, so beschlossen endlich zwölf Männer, unter denen sich auch der Pfarrer von Werdau befand, den Schatz zu heben. Ehe sie aber an's Werk gingen, segnete der Priester sich selbst und die Teilnehmer in der Kirche ein, und sie nahmen darauf ein aus Wachs geformtes einäugiges Kind mit, welches bei Kerzenlicht feierlich getauft worden war. Mit brennenden Kerzen zogen darauf alle in der Mitternachtsstunde nach dem Orte, an welchem der Schatz verborgen war. Unter Furcht und Zittern waren sie vor der Höhle angelangt und unter Gebet bereiteten sie sich zum Eintritte vor. Da auf einmal that sich mit einem furchtbaren Getöse der rote Berg weit auf, und ein feuriger Hund kam wie ein Löwe brüllend auf sie zu und rief: »Welchen nehmen wir zuerst?« Eine Stimme aus der Tiefe aber antwortete: »Den mit dem roten Tuche!« Wie die Männer diese schreckhaften Worte hörten, flohen sie entsetzt und freuten sich, als sie aus dem Bereiche des Ungetüms gekommen waren, ihres glücklich geretteten Lebens. Sie erzählten zwar, daß sie noch im Innern des Berges die große, mit Geld gefüllte Braupfanne gesehen hätten, doch da sie bald darauf, einer nach dem andern, starben, so ist niemandem mehr die Lust angekommen, den Schatz zu heben.
(Nach v. Weber, Aus vier Jahrhunderten, II., S. 415 bei Gräße, Sagenschatz, 2. Aufl., Nr. 590.)
Bei Christoph Müller, Besitzer eines Vorwerkes zu Elterlein, diente im Jahre 1702 eine gewisse Magdalena Gräßler, 18 Jahre alt.[280] Dieser erschien 14 Tage vor Johannis ein kleines Männlein mit einem grauen Kopfe und Bart, in ein altes graues Röckchen gekleidet, und eröffnete ihr, daß bei dem Backofen ein Kästchen mit Geld, welches eine alte Frau in Kriegszeiten vergraben, sich befinde und 500 Thaler Geld enthalte. Der Geist forderte sie auf, ihn zu begleiten, um den Schatz zu heben, mit der Bemerkung, sie solle von dem Gelde 50 Thaler der Kirche zu Elterlein, 50 Thaler ihrem Dienstherrn geben, die übrigen 400 Thaler aber für sich behalten, aber nicht an Hoffart wenden, sondern ihren alten Vater damit erhalten. Das Mädchen verkroch sich vor Angst in ihr Bett, der Geist ließ sich aber nicht abschrecken, sondern kam in den folgenden Nächten immer wieder, auch forderte er sie dringend auf, den Schatz zu heben, bis sie am Abend vor Johannis ihm versprach, sie wolle am nächsten Tage zu Mittag, aber nicht in der Gespensterstunde, nach dem Schatze graben. Sie entdeckte sich nun ihrer Dienstherrin und am Mittag begannen beide zu graben. Jene überließ jedoch bald die beschwerliche Arbeit der Gräßler, indem sie sich neben derselben hinlegte. Nach längerem Graben kam diese mit dem Spaten auf einen breiten Stein, der bei dem Berühren des Eisens wie Kettengeklirr tönte. Das Mädchen erhob den Stein, erblickte darunter ein Kästchen von Eisen, etwa ½ Elle lang und 1½ Elle breit, erhielt aber gleichzeitig von ihrer Dienstherrin einen Schlag aufs Kreuz, so daß sie sich umsah. In diesem Augenblicke entstand ein heftiges Gepolter, das Kästchen aber war verschwunden. In der folgenden Nacht erschien der Geist dem Mädchen wiederum und sagte: »Du bist heute gestört worden, allein du kriegst es noch, in sieben Jahren komme ich wieder, es ist niemandem als dir beschert, bete fleißig!« Mit diesen Worten nahm das Männchen Abschied, das Mädchen vermietete sich auf ein anderes Vorwerk, aber Ende Juli 1705 hörte es die Stimme des Geistes, welcher sprach: »Ich bin vor drei Jahren bei dir gewesen, und weil dein gewesener Herr das Geld herausgegraben und gefunden hat, so melde ich es dir.« Die Gräßler verlangte es auch von ihm und zwar auf gütlichem Wege, allein Müller leugnete alles und gab nichts heraus.
(Lotti Cori in den Mitteilungen des Nordböhm. Excursions-Clubs, 1885, S. 125.)
Auf dem Plateau des Seeberges oberhalb Eisenberg liegen die Trümmer einer Burg zerstreut, welche längst von Grün aller Art überwuchert[281] sind. Der Volksmund weiß nicht anzugeben, ob es eine Grenzveste oder ein Jagdschloß gewesen, doch wird die Erbauung in das achte bis zehnte Jahrhundert verlegt. Die Sage erzählt, daß hier ein Burgfräulein die vergrabenen Schätze bewache, und daß solches auch Holz und Beeren suchende Leute schon zu verschiedenen Malen gesehen haben wollen; doch nur einem Menschenkinde reinen Herzens sei es vergönnt, ihr zu folgen. Ersteigt ein solches während der Passionsstunde den Berg, dann erscheint das Fräulein demselben auf dreimaligen Ruf und winkt – wortlos und ohne Furcht müsse man ihr folgen und könne dann Schätze ungemessenen Wertes heben – dann sei auch der Geist erlöst. Doch auf den ersten Laut verschwinde die Erscheinung mit Weinen und Gebärden des Leides.
(A. Kunze in den Mitteilungen des Nordböhm. Excursions-Clubs, 1885, S. 124.)
Auf dem Riesenberge bei Ossegg steht ein Turm, worin ein Schatz vergraben sein soll, und der Glückliche, der ihn einst heben wird, muß erst geboren werden. Es werden einst zwei leibliche Geschwister mit einander eine Ehe eingehen, und dieses Ehepaar wird vom Himmel mit einem Kinde beschenkt werden. Dieses Kind aber muß in einer Wiege »eingeschlummert« werden, deren Holz von einer Fichte stammt, die auf dem Flecke gewachsen ist, unter welchem derjenige ruht, der den Schatz in dem Turme vergraben hat. Wenn nun dieses Kind erwachsen sein wird, so ist es berufen, den Schatz zu heben und wird ihn auch finden, ohne daß es nach demselben sucht. Denn im Traume wird ihm gesagt werden, daß es den Schatz heben soll, und es wird ihm auch die Stelle genau bezeichnet werden. Dann erst, wenn der Schatz gehoben ist, wird auch die arme Seele erlöst sein, welche bei Lebzeiten den Schatz vergraben hatte.
(Nach einer Mitteilung des Seminarist Reinmuth.)
Eine halbe Stunde von Haslau entfernt liegt ein Wald, den man nach dem Kiefernbestande das Kiefrig nennt. Hier befindet sich ein Felsen, auf welchem einst ein Raubschloß gestanden haben soll, und darnach nennt man den Felsen jetzt auch gewöhnlich kurz das Raubschloß. Unter dem Felsen aber soll ein großer Schatz liegen. In[282] dem genannten Dorfe glauben manche Leute, daß verborgene Schätze am Weihnachts-Heiligenabend gehoben werden können. Daher ging auch vor wenigen Jahren ein Oberhaßlauer Bergarbeiter zu dieser Zeit hinaus zum Raubschlosse, um daselbst den Schatz zu heben. Als er die üblichen Zeichen gemacht hatte und nun im Begriffe war nachzugraben, erblickte er auf einmal eine Gestalt, welche so zart wie Spinnwebe war. Diese gespenstische Gestalt sprang plötzlich auf seinen Rücken und klammerte sich an seinem Halse fest. Wie er dieselbe wieder los geworden, wird nicht erzählt, wohl aber, daß sich der Mann, als er glücklich nach Hause gekommen war, krank niederlegte und nicht wieder aufstand, sondern nach einem Jahre starb.
Durch Wunder geschieht Übernatürliches, d. h. alles das, was sich über die Naturgesetze erhebt. Wunder können daher nur Götter oder dämonische Wesen verrichten; wo sie von Menschen verrichtet werden, da wohnt in letzteren allemal etwas Dämonisches.
Wenn uns die Sagen von Wunderblumen erzählen, durch welche sich Berge mit darin verborgenen Schätzen öffnen, so leben wir auf dem Gebiete des Übernatürlichen, zugleich aber offenbart sich uns darin eine tiefe Symbolik. Die ersten gelben, blauen, weißen oder roten Frühlingsblumen sind die Abbilder des Blitzes, durch welchen Donar im Frühlinge die Berge des Himmels, d. h. die Wolken erschließt, so daß darauf die golden glänzende und Segen spendende Sonne sichtbar wird. Unter gewaltigem Krachen öffnet sich der Berg, unter Donner die Wolke, und Donar ist es selbst, welcher sie mit seinem Blitze öffnet, er ist der Hirte, von dessen Hand die Blume abgepflückt ward, die dann den Zugang zu den Schätzen im Innern des Berges erschloß. (Mannhardt, Die Götter der deutschen und nord. Völker, S. 204.) In allen hierher gehörigen Sagen ertönt die warnende Stimme: »Vergiß das Beste nicht!« und so ist dieser Zuruf nach Jac. Grimm (Deutsche Myth. S. 545) wohl die Blume selbst, unser »Vergißmeinnicht«, zu dessen Namen sich später erst die sentimentale Deutung bildete, oder der »Gamander« und das »Mausöhrchen«, welche beide ebenfalls vom Volke, das ihre Wunderkraft berücksichtigte, als »Vergißmeinnicht« bezeichnet wurden. Oder die Wunderblume ist die gelbe Schlüsselblume, das »Himmelschlüssel«, worauf eine Sage hinweist, welche Henne-Am-Rhyn (Deutsche Volkssage, S. 79) uns mitteilt. Darnach saß die Berg-Jungfrau am Steinböckli bei Unter-Erendingen im Aargau als Hüterin auf einem Häuflein gepflückter Schlüsselblümchen in der Morgensonne, ein Schlüsselbund, das sich hier, wie in anderen Sagen, stets auf einen verborgenen Schatz bezieht, an der Seite. Ein aufgehobenes Schlüsselblümchen verwandelte sich darauf in der Hand eines Jünglings in ein hellglänzendes Goldstück. – Wenn oben auf die Symbolik des Blitzes als Wunderblume hingewiesen wurde, so ist hier die Schlüsselblume unverkennbar eine solche, da sie sich in den Händen[286] des Jünglings in ein Goldstück verwandelt; nach einem deutschen Volksglauben schlägt der Donner Gold ins Haus, und in Tyrol sagt man von den nach einem Gewitter gefundenen Münzen, daß sie vom Himmel gefallen seien.
Wie das Eisenkraut (Verbena) als »Wunschkraut«, wenn man dasselbe beim Aufgehen des Hundssterns sammelte, ehe es von Sonne oder Mond beschienen war, und ebenso die »Wünschelsamen«, d. h. die Sporen des Farnkrauts, alle Wünsche erfüllten (Reling und Bohnhorst, Unsere Pflanzen, S. 62 und 112), so galt auch die Wünschelrute unbeschadet ihrer Beziehung zu Donar als wunderkräftiger Stab, der dem Menschen von Odhin, als dem Herrn des Wunsches und Wisser der Orte, wo Gold und Silber in der Erde liegen, verliehen ward. Nach Jakob Grimm drückt der Wunsch den Inbegriff von Glück und Heil aus. Die Wünschelrute heißt darum in David Kellners 1702 zu Nordhausen geschriebenen »Schola metallurgica« oder »wohleingerichteten Bergmanns-Schule« auch Glücksrute, und hinzugefügt wird dabei, daß man sie noch »Wicker« oder »Wahrsager« nenne, »sintemal das alte deutsche Wort wicken so viel ist, als vorher- oder wahrsagen.« Die Wünschelrute ist der Kompaß, welcher in der Mitternachtsstunde des ersten Maitages den Ort anzeigt, wo die Wunderblume blüht (Mannhardt a. a. O. S. 206); sie führt nach den ältesten Überlieferungen zu verborgenen Schätzen, ja noch mehr als dies: sie stärkte und vergrößerte fort und fort deren Gehalt und verlieh dem Besitzer übermenschliche Kräfte, und darum sagt auch die Edda von dem Nibelungenhorte, »dem Schatze, der nichts anderes als nur Gestein und Gold enthielt,«
Hier wird die Wünschelrute golden genannt, und obschon man in der Blütezeit ihres Gebrauchs vereinzelt auch aus Messingdraht gemachte Ruten, ja selbst Lichtscheren, wie uns sagenhafte Überlieferungen melden, mit gutem Erfolge anwandte, so war es doch hauptsächlich der Haselstrauch und in einigen Fällen noch der Kreuzdorn, wenn der Zweig in einem Jahre gewachsen und kein Flecken altes Holz daran war, von welchem sie abgeschnitten wurde. Nach einer Kärntner Sage von der Erbauung des Schlosses Waisenburg wurde ein Mädchen in einem Traume belehrt, sie möge mit einem Wachholderzweige einen Schatz suchen; dort, wo sich das Zweiglein der Erde zuneige, solle sie nachgraben. (Österr. Touristenzeitung 1885, No. 10.) Der dem Donar geweihte Haselstrauch ist nach der Sage mit wunderbaren Kräften ausgestattet.[287] Sein Zweig schützt gegen den Blitz, denn letzterer darf weder den Strauch, noch denjenigen treffen, welcher unter ihm Schutz sucht; ein Haselstab, mit einem Hollunderzweige übers Kreuz gebunden, schützt gegen das wütende Heer; Haselzweige in den Ställen bessern den Viehstand auf; drei derselben auf dem Boden einer Scheune sichern das Getreide gegen allen Schaden; Kühe, von den Hirten mit Haseln an die Lenden geschlagen, geben reichlich Milch; ein am Karfreitage vor Sonnenaufgang im Namen des dreieinigen Gottes stillschweigend mit drei Schnitten abgelöster Zweig überträgt die Schläge auf den Abwesenden, und so weiß das Volk noch manche Kräfte zu nennen, welche dem Strauche verliehen wurden. Im Schwarzwalde trugen einst die Hochzeitsleute eine Haselrute, und an einigen Orten Frankreichs umtanzt man noch jetzt die Johannisfeuer mit einem Haselzweige.
Für die Wünschelrute mußte vom Strauche eine jährige Zwiesel oder Gabel, welche so stand, daß Ost- und Westsonne durch dieselbe schien, im Mondschein geschnitten werden. Man wählte dazu am liebsten die Johannis-, aber auch Christ- und Karfreitagsnacht, oder die der heiligen drei Könige, nachdem man die Rute bei Neumond gesucht hatte. Sie durfte weder mit Hülfe eines Messers oder anderen metallenen Werkzeugs, sondern mußte mit einem scharfen Feuerstein rasch vom Stamme gelöst werden, damit der Strauch nicht Zeit habe, die geheimnisvolle Kraft aus dem Zweige herauszuziehen. Dabei kehrte man sein Angesicht nach Morgen, neigte sich dreimal vor der Rute und sprach: »Gott segne dich, du edles Reis! Mit Gott dem Vater such' ich dich, mit Gott dem Sohne find' ich dich, mit Gott des heiligen Geistes Macht und Kraft breche ich dich. Ich beschwöre dich Rute und Sommerlatte bei der Kraft des Allerhöchsten, daß du mir wollest zeigen, was ich dir gebiete, und solches so gewiß und wahr, so rein und klar wie Maria, die Mutter Gottes, eine reine Jungfrau war, da sie unsern Herrn Jesum gebar, im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen!« (Nork, Sitten und Gebräuche der Deutschen, S. 712.) Beim Gebrauche faßte man die Rute an den beiden Zwieselenden, so daß sich der Stiel, in welchem sie zusammenliefen, aufwärts kehrte. Kam man damit über die in der Erde liegenden Erzgänge, so beugte sie sich gewaltig nieder, während sie dann, wenn man dem Gange nicht folgte, sondern ihn überschritt, gerade über sich unbeweglich stand. Etliche Rutenschläger »gingen mit ihr stillschweigend über das Gebirge, etliche aber fragten dieselbe entweder laut oder nur in Gedanken auf allerhand Manier und faßten auch ein gewiß Metall, dergleichen sie gern erkundigen wollten, daneben in der Hand.« »Es ist aber«, wie die oben genannte Schola metallurgica[288] (S. 196) schreibt, »diese Wirkung der Rute ein Wunder der Natur und verborgenen Sache, deren Ursache man nicht wohl erkundigen kann, ebenfalls wie der Magnet das Eisen, der Agtstein, so er erhitzet, das Stroh oder Sprey, der Serpentin oder Schlangenstein, wo er im Felde lieget, die Schlangen an sich ziehet, und dergleichen natürliche Wunder viele mehr.«
Nach Jacob Grimm unterschied man von der Wünschelrute mehrere Arten: als Feuerrute, Brandrute, Springrute, Schlagrute und Beberute, und man glaubte mit ihr nicht nur verborgene Schätze und Erzadern, sowie taube Gänge, »alte Gebäude und Gezimmer in der Erde«, sondern auch Salz- und Kohlenlager und Wasserquellen, ja Mörder und Diebe zu entdecken.« (Grimm, Deutsche Myth. S. 546.) Der Verfasser der Schola metallurgica fügt außerdem (S. 490) hinzu, daß man von ihr fast alles erkundigen wolle, was in der Welt geschähe, ob nämlich diese oder jene Person zu Hause sei, oder ob man eine belagerte Festung erobern werde und dergleichen mehr; doch kann er nicht umhin, dabei hinzuzusetzen, daß ihm dieses sehr verdächtig vorkomme. Nach einer Überlieferung aus Johanngeorgenstadt schlägt die Rute auch auf verborgene Rainsteine und durch sie werden Diebe entdeckt und gestohlene Sachen wieder gefunden.
In das Bereich der Wundersagen gehören auch die Überlieferungen von den Venedigern oder Wahlen, jenen rätselhaften Fremden, welche außer dem Fichtelgebirge, Thüringerwalde, dem Vogtlande und andern mitteldeutschen Gebirgen auch das Erzgebirge nach Gold durchsuchten und von dem Volke mit übernatürlichen Kräften ausgestattet wurden. Sie kannten das Innere der Berge, wuschen die Goldkörner aus dem Sande der Flüsse und waren mancher Zauberkünste kundig. Vielleicht sind manche der von ihnen meldenden Sagen auf die Schätze hütenden Berggeister zurückzuführen, umsomehr, da in den Volkssagen der Oberpfalz die Venetianer häufig Größe und Aussehen der Bergmännchen besitzen. In der Bavaria (III. S. 269) deutet E. Fentsch die Wahlen als Wenden und verweist dabei auf eine Ansicht von Baumers, nach welcher die Vallen des Plinius ein slavischer Volksstamm waren, welcher beim Vordringen aus dem Osten Europas bis in die Fichtelgebirgsgegend gelangte und dort seine alte Kunst, nach Gold und andern Metallen zu graben, ausübte. (Zapf, Sagenkreis des Fichtelgebirgs, S. 104.) Wir können dann noch weiter gehen und auch die Venediger des Erzgebirges auf zerstreute Sorben zurückzuführen, welche, als einem unterdrückten Volksstamme angehörig, in der Überlieferung nach und nach zu zwerghaften Wesen zusammenschrumpften. Meldet uns doch auch eine alte Nachricht, »daß schon dreihundert Jahre[289] vor Aufkunft des Goslarischen Bergbaues unter Otto I. die böhmischen Wenden unser Obergebirge (Erzgebirge) jenseits, unsere Wenden aber diesseits (d. h. auf jetzt sächs. Seite) angebaut, daselbst Eisenstein gegraben, Eisenhämmer und Schmelzhütten angelegt und von Pirna bis an Hof im Vogtland alle Wälder, Berge und Hügel durchschürft hätten.« (Schurig, Beiträge zur Geschichte des Bergbaues im s. Vogtland, S. 2.)
Neben den Sagen von Wunderblumen, welche den Zugang zu unterirdischen Schätzen öffnen, von der Wünschelrute und den Gold suchenden Venedigern sind auch diejenigen für unser Gebirge charakteristisch, welche uns von Träumen und Prophezeiungen erzählen, durch welche reiche Silbergänge angezeigt wurden. Es ist ein alter Glaube, daß vermittelst der Träume durch Schutzgeister der Wille der Götter den einzelnen Menschen als Rat oder Warnung mitgeteilt wird, und daher hegte man von jeher das Vertrauen auf Erfüllung dessen, was man geträumt, weil man darin Winke des Schicksals erblickte. In gleicher Weise wurden auch die Ahnungen, d. h. das Träumen im wachen Zustande, als Eingebungen der Götter angesehen, und ebenso achtete man bereits im Heidentume auf die Erscheinungen der belebten Natur; man erblickte in denselben, sowie in allen Dingen einen ursächlichen Zusammenhang, so daß man in den wunderbaren Gestaltungen der Wolken und in anderen auffälligen Erscheinungen am Himmel und in der Luft die Beschlüsse des von Göttern über den einzelnen Menschen oder ein ganzes Volk verhängten Schicksals herauslas. Das sind die Vorzeichen. – Hierhin gehören auch die Anzeichen durch mancherlei Geräusch, wie Klopfen an Thür und Wand, das Klirren von Waffen u. a. mehr, durch welche Töne entweder gewarnt oder ein Todesfall angezeigt wird.
Von derartigen Überlieferungen einer wunderbaren direkten Äußerung der Gottheit in Bezug auf das Geschick der Menschen finden wir eine ziemliche Mannigfaltigkeit, ebenso von wunderbarer Hülfe durch heilkräftige Quellen oder von plötzlicher Strafe für Meineid oder gotteslästerliche Worte. Es wird in dieser Hinsicht schließlich auf die einzelnen Sagen verwiesen.
(Moritz Spieß, Aberglauben etc. des sächs. Obererzgebirges. Programmarbeit, 1862, S. 40. Mündlich.)
Auf dem Schlettenberge bei Marienberg lassen sich zu gewissen[290] Zeiten ein paar kleine Lichter sehen. In dem Berge steckt nämlich ein goldenes Kind und aller 50 Jahre am Johannistage mittags 12 Uhr wächst auf dem Berge eine schöne Blume. Wer dieselbe nun pflückt, der kann in den Berg hineingehen. Da sieht er dann den goldenen Jungen in einer goldenen Pfanne liegen; beide werden von einem großen Pudel bewacht. Wer aber die Blume hat, darf sie nur dem Pudel hinzeigen, dann kann er die Pfanne mit dem goldenen Jungen nehmen. Jedoch muß er darauf schnell fortlaufen; ist er über den Hammergraben gekommen, so kann ihm der Hund nichts mehr thun. Wenn ihn jedoch der Hund einholt, ehe er über den Graben gekommen ist, muß er die Pfanne mit dem Kinde wieder hergeben und der Hund trägt beides wieder in den Berg.
Der Hund ist der Wächter der Unterwelt. Aber worauf ist das goldene Kind zurückzuführen? Deutet es auf eine der goldstrahlenden heidnischen Gottheiten hin? Rochholz (Deutscher Glaube und Brauch, I., S. 4) bemerkt, daß nach den ältesten Vorstellungen nicht nur der Himmel, sondern auch die Götter selbst und ihre Lieblingstiere golden waren. Die Pfanne ist wie der in andern Sagen auftretende Braukessel möglicherweise eine Hindeutung auf ein Opfergerät.
Eine Anzahl von Beispielen, nach denen der Schatz eine bestimmte Gestalt, besonders von Tieren, angenommen hat, führt Grohmann (Aberglauben und Gebräuche in Böhmen und Mähren, S. 214) an. Hierhin gehört z. B. auch die Sage von einer goldenen Ente mit goldenen Eiern, welche im Klosterhofe zu Sittichenbach liegen soll. (Gräßler, Sagen von Mansfeld, No. 46.)
(R. im Glückauf, Organ des Erzgebirgsvereins, 1882, No. 3.)
Gegenüber dem Geringsberge zwischen Lauter und Neuwelt erhebt sich am rechten Ufer des Schwarzwassers der im Ganzen kahle Teufelsstein, den man von der Haltestelle Lauter bequem in fünf Minuten erreichen kann. Nach der Meinung einiger ist der Name Teufelsstein verfälscht und lautet eigentlich »Taufenstein«, weil sich hier in alter Zeit ein Taufstein oder Taufbecken befunden haben soll. Eine andere Sage aber bezeichnet den Teufelsstein als ein verwünschtes Schloß, welches kostbare Schätze in seinem Innern birgt und von Jahr zu Jahr des Tages seiner Erlösung aus der Hand des »Bösen« und der Hebung seines reichen Gutes harret, – doch bis jetzt vergebens. Noch immer liegt es verzaubert unter mächtigen Felsblöcken. Zwar ist ein Schlüssel, durch dessen wunderbare Macht die verborgenen Zugänge unwiderstehlich sich öffnen, vorhanden, doch noch niemandem ist[291] es gelungen, hineinzudringen. Der Schlüssel ist eine gelbe Blume, welche alljährlich im Frühjahr aufs neue emporsprießt und ihren Wunderkelch entfaltet. Ein Schäfer aus Beierfeld, welcher dort vor vielen Jahren seine Herde weidete, fand sie eines Tages und pflückte sie. Alsbald merkte er, wie sich in seiner Nähe geheimnisvoll eine Felsenspalte öffnete, und verwundert schaute er in eine Höhle, aus deren Hintergrunde ihm zauberischer Goldesschimmer entgegenblickte. Da er jedoch die Mahnung des am Eingange sitzenden bärtigen Wächters mit grauem Hute, still zu bleiben, nicht beachtete, sondern einen lauten Ausruf des Erstaunens ausstieß, so schloß sich ebenso geheimnisvoll und schnell die Öffnung wieder und hat sich bis heute noch nicht wieder aufgethan.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 72.)
In südwestlicher Richtung von Gottesgab erhebt sich der kegelförmige basaltische, mit Wald bedeckte Spitzberg. Auf demselben stand nach der Sage in alten Zeiten ein großes, festes Schloß. Dort hauste mit gleichgesinnten Spießgesellen ein Ritter, der als Räuber und Mörder sich in der ganzen Gegend furchtbar machte. Einst geschah es, daß ein greiser Mönch aus dem nahen Kloster zu Mariasorg bei dichtem Nebel sich auf dem öden Heideplateau verirrte und in die ruchlosen Hände dieser Räuber fiel. Sie schleppten den Priester auf ihr schwer zugängliches Raubnest und warfen ihn unbarmherzig ins Burgverließ, wo er eines qualvollen Hungertodes sterben sollte. – Als die gottlosen Missethäter im Saale sich bei lärmendem Becherklang ihrer ausgeführten Verbrechen in frechen Lästerreden rühmten, sank der dem Tode überlieferte Mönch auf die Knie und flehte im inbrünstigen Gebete zu Gott, dem starken Helfer in der Not, daß er die berüchtigte Mörderburg in einen Schutthaufen verwandle. Plötzlich machte ein furchtbarer Donnerschlag die Mauern des stolzen Schlosses wanken, sie stürzten zusammen und begruben die Räuber unter ihren Trümmern; nur der Mönch wurde gerettet. Die angehäuften Schätze aber versanken in des Berges inneren Schoß. – Nach langen Jahren träumte einmal einem armen, frommen Hirtenjungen drei Nächte hintereinander, daß er dazu erkoren sei, den im Innern des Spitzberges verborgenen Schatz zu heben. Zwei Tage hatte er schon seine Kühe auf diesem Berge geweidet, und noch war ihm kein Anzeichen geschehen. Als er nun am dritten Tage – es war der Karfreitag – wieder seine Herde am Spitzberge hütete, sah er auf einmal auf einem nahen[292] Felsblocke eine wunderschöne gelbe Blume stehen. Ei, dachte er, eine so schöne Blume habe ich in unseren Bergen und Thälern noch nicht gesehen! Ich werde sie pflücken und auf meinen Hut stecken, gewiß werden alle daheim die Schönheit der Blume bewundern. Gedacht, gethan. Kaum hatte er aber mit der Blume den Hut geschmückt, als unter einem fürchterlichen Knall sich der Berg aufthat. Der Hirt sah sofort eine weitgeöffnete Thür im Felsen, vor der ein kaum spannenhohes Männlein stand, das ihm zu folgen winkte. Obwohl er durch diese unerwarteten, wunderbaren Vorgänge für den Augenblick aus der Fassung gekommen war, nahm er doch allen Mut zusammen und schritt seinem Führer nach. Der Weg ging erst durch dunkle, dann magisch erleuchtete Gewölbe, deren Wände diamantartig glitzerten, bis beide endlich in einen überaus prachtvollen Saal gelangten, der mit den kostbarsten Schätzen aller Art angefüllt war, und in dessen Mitte sich eine weißgekleidete Jungfrau befand. Diese betrachtete den erstaunten Hirtenjungen mit freundlichen Blicken und hub dann lächelnd an: »Hier hast Du die feinsten und auserlesensten Speisen, genieße von ihnen! Wohin Du blickst, sind ganze Haufen von Gold, Perlen, Edelsteinen und köstlichen Gewanden aufgeschichtet. Nimm Dir davon, soviel Dein Herz begehrt; doch vergiß das Beste nicht!« Der Junge, durch die vernommenen Worte ermutigt, griff nach den besten Speisen und aß und trank, steckte sich hernach Hut und Taschen voll Gold und Edelsteine, und schickte sich zum Rückwege an. »Vergiß doch das Beste nicht!« rief lauter und ängstlicher zum zweitenmale die Jungfrau mit flehenden Gebärden. Der Hirtenjunge spähte umher und erblickte zu seiner Verwunderung eine Peitsche, welche vortrefflich zu seinem Geschäfte zu passen schien. Da dachte er: Du hast dir schon von allen Schätzen im Überfluß genommen; diese Peitsche da wird jedenfalls das Beste für dich sein! Mithin griff er ohne Bedenken nach der Peitsche. Da fing aber die Jungfrau bitterlich zu weinen und zu wehklagen an; ein plötzlicher Donnerschlag erschütterte den Saal so, daß der Boden unter den Füßen des Hirten wankte, der im Nu wieder auf der Oberfläche des Berges stand. Jetzt erst erinnerte er sich an seine Wunderblume. Mit Hast griff er an den Hut, um sie herabzunehmen, aber er bemerkte zu seinem größten Leidwesen, daß er sie unter den Schätzen im Felsensaale zurückgelassen habe. – Mit den Worten: »Vergiß doch das Beste nicht!« hatte die Jungfrau die gelbe Blume, den Schlüssel zum verzauberten Schlosse gemeint. Hätte der Junge dieselbe nicht vergessen, so würde er nicht nur die Jungfrau von ihrem Zauber befreit, sondern auch den ganzen Schatz gehoben haben. Seit dieser Zeit hat niemand die Zauberblume, die[293] alle tausend Jahre einmal zum Vorschein kommen soll, auf dem Spitzberge gefunden, in dessen Innerem auch der Schatz noch heute verborgen liegt. Der Hirtenjunge aber, der ein reicher Mann wurde, wäre zweifellos noch reicher und glücklicher geworden, wenn er nicht das Beste vergessen hätte.
Bereits in der Einleitung ist darauf hingewiesen worden, wie unter dem Hirten Donar und unter der den Zugang zu den goldenen Schätzen im Innern des Berges öffnenden Blume der Blitz zu verstehen sei. Die Wolke wird als Berg gedacht; aus ihr leuchtet nach dem Gewitter wieder die Sonne goldig hervor. Die Sonne ist der Schatz. Die Schafe oder Kühe, welche der Hirt hütet, sind ebenfalls Wolken; Donar ist der Wolkenhüter. Die den Schatz hütende weiße Jungfrau ist eine von den Wolkenfrauen, welche der Erde himmlische Milch, d. h. den Regen spendeten, aber auch in Bergen wohnten, da man sich, wie bereits bemerkt wurde, den Berg als Wolke dachte. (Mannhardt a. a. O. S. 204; Grohmann, Sagen aus Böhmen, I., S. 87.) – Der gleiche Sagenstoff, allerdings mit mancherlei Modifikationen, aber immer als Darstellung von einem Hirten, welcher eine Blume findet, die der Schlüssel zu einem großen Schatze ist und mit dem Zurufe: »Vergiß das Beste nicht!«, als die Blume vergessen wurde, tritt uns in Überlieferungen aus dem Fichtelgebirge (Zapf a. a. O., S. 19 und 25), sowie besonders zahlreich im Thüringerwalde (Witzschel, Sagen aus Thüringen, No. 125, 138, 173, 180, 276, Gräßler, Sagen aus Mansfeld, No. 20 und 211) und an noch vielen anderen Orten entgegen. Auch die Lausitz, sowie das Vogtland und der Harz besitzen Sagen von Wunderblumen, durch welche man verborgener Schätze teilhaftig werden kann; sie unterscheiden sich jedoch insofern von den vorigen, als hier nicht der warnende Zuruf ertönt, das Beste nicht zu vergessen.
Sagen von Schlössern, welche in die Erde versanken, weil ihre Insassen Raub und Mord und andere Greuelthaten verübten, erzählt der Volksmund auch in anderen Gegenden. So bezeichnet das sogenannte Silberloch bei Seesen im Harze die Stelle, wo gleiches geschah. Auch hier läßt sich zuweilen eine weißgekleidete Jungfrau mit einem Schlüsselbunde, welche die Sage als die mildthätige Tochter des Burgherrn bezeichnet, sehen, um, wie sie es im Leben gethan, auch ferner den Unglücklichen und Notleidenden beizustehen. (H. Heine, Sagen aus dem Harze, S. 10.)
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 70.)
Einmal weidete ein vierzehnjähriger Knabe am Fuße des Grauensteins bei Joachimsthal seine Herde. Da dieselbe ruhig graste, ließ er sich ins Gras nieder, vertiefte sich in den Inhalt eines Buches und gewahrte zu spät, daß sich das Vieh auf die Gebirge verstiegen hatte. So mußte er denn mit bangem Herzen von einem Berge zum andern steigen, bis er endlich die vollzählige Herde fand, die er auf die Wiese zurücktrieb. Aber ermüdet vom langen Suchen, versank der junge[294] Hirt in einen tiefen Schlaf. Als er erwachte, schimmerte ihm eine so feuerrote Lilie entgegen, wie er noch keine auf allen seinen Wanderungen über Berg und Thal gesehen hatte. Alsogleich eilte er darauf zu, pflückte sie und steckte sie auf seinen Hut.
Und wie wunderbar! Kaum berührte er sein Haupt, so ward es plötzlich auf demselben lebendig. Voll Bestürzung nahm der Junge den Hut ab; er sah eine Otter darauf liegen und warf den Hut eiligst zu Boden, wo statt des zischenden Tieres ein goldener Schlüssel niederfiel, der aber in dem Augenblicke verschwand, als er ihn aufheben wollte. – Es soll dies der Schlüssel zum Schatze in dem verzauberten Grauensteiner Schlosse gewesen sein, den bis auf den heutigen Tag noch niemand in Besitz genommen hat. Der Glückliche, dem er bestimmt ist, soll demnach noch kommen.
(Mitteilung des Lehrers E. Schlegel aus Zschorlau.)
Bei dem Orte Unter-Blauenthal findet sich eine jetzt durch Gesträuch fast völlig verwachsene Felsenschlucht und in dieser soll man einst ein eisernes Thor, welches eine Höhle verschloß, gesehen haben. Vor langer Zeit mähte in der Nähe dieser Höhle ein Einwohner des genannten Ortes Gras, und als er sich in der Mittagstunde unter einen schattigen Baum setzte, um seine Sense zu dengeln, stand auf einmal ein schwarzer Ritter vor ihm und zu seinen Füßen sah er aus dem kahlen Erdboden eine gelbe Blume hervorsprießen. Der Ritter aber sprach zu ihm, er solle diese Blume abpflücken, sie sei der Schlüssel zu der eisernen Pforte; damit solle er dieselbe öffnen und sich aus der Höhle so viel von den Schätzen mitnehmen, als ihm behage; »jedoch«, so setzte er hinzu, »laß mir die Blume nicht liegen, sonst bist Du verloren.« Der Mann that, wie ihm der Ritter geheißen hatte. Die Höhle, in welche er gelangte, war an den Wänden mit funkelnden Edelsteinen besetzt und auf dem Boden standen viel Kisten, aus denen ihm Gold und Silber entgegen glänzte. Plötzlich erweiterte sich der Raum zu einem großen Saale und an einer mit kostbaren Speisen und Getränken besetzten Tafel sah er den Ritter mit Gefolge wieder; die Speisenden wurden von Zwergen bedient. Da winkte der Ritter dem Manne, derselbe solle sich mit an die mit einem Trauerflor behangene Tafel setzen. Ängstlich setzte sich der Arbeiter nieder, aber bald bekam er wieder Mut. Nachdem er gegessen und getrunken hatte, steckte er sich auf Geheiß des schwarzen Ritters[295] so viel von dem Golde und den Edelsteinen ein, als er fortbringen konnte. Da er wieder vor der Pforte stand, schloß sich dieselbe mit einem großen Knalle, der Felsen wankte und der Eingang war nicht mehr zu sehen. Erschrocken wollte der Mann nach seiner Blume greifen; doch er besaß sie nicht mehr, denn er hatte sie in der Höhle zurückgelassen, als er die Schätze zusammenraffte. Nach wenigen Tagen starb er; man fand ihn, das Gesicht nach dem Nacken umgedreht, und das Gold war auch verschwunden. Der Fels aber, in dem sich der Eingang zu der Höhle befunden haben soll, heißt heute der Teufelsfels.
(Engelschall, Beschreibung der Exulanten- und Bergstadt Johanngeorgenstadt. Leipzig, 1723, S. 172–174.)
Die Wünschelrute, durch welche Klüfte und Gänge ausgegangen werden, wird abgeschnitten von allerlei Holz, auch zu allen Zeiten, doch so, daß sie zwei Zacken oder Zwiesel hat, und man selbige in beiden Händen zwischen den Daumen und geschlossenen Fingern halten kann. Ja man mag auch eine andere Materie dazu gebrauchen, als Messing, Eisen u. dgl. Es ist aber der Nutzen der Rute dieser, daß sie die in der Erden liegende Klüfte und Gänge andeutet, indem, wenn der Rutengeher an dergleichen Stätte kommt und die Rute aufwärts hält, sie sich gewaltig niederbeuget und sich zuweilen, wenn sie stark gehalten wird, fast entzwei windet, während die Rute da, wo man dem Gange nicht folgt, sondern ihn überschreitet, wieder grade über sich unbeweglich steht.
Die Rute schlägt aber außer auf Gänge und Klüfte auch auf andere Dinge. Es entwendete eine Magd ihrer Herrschaft unterschiedliches, worauf man endlich einen Rutengänger holte, um im Hause die Rute zu schlagen; dieselbe führte ihn zu der Lade der Magd, in welcher sich auch die gestohlenen Sachen vorfanden. Ferner wurde einem Hammerwerksbesitzer allerhand entwendet. Derselbe schrieb an seine Freundin, den Rutengänger holen zu lassen, damit dieser mit der Rute forsche, ob nicht die Mägde des Bestohlenen, und welche unter ihnen, den Diebstahl begangen hätten. Er schickte zu dem Ende deren Namen mit. Die Freundin legte beide Zettel mit den Namen auf den Tisch, aber die Rute wollte sich nicht bewegen. Da fiel es der Freundin ein, ob nicht der Junge des Hammerherrn, dem es dieser zwar gar nicht zutraute, den Diebstahl begangen habe. Sie schrieb also dessen Namen mit auf ein Papier, wickelte es zusammen und legte[296] es heimlich mit auf den Tisch. Da fing die Rute an sich zu winden, und als die Zettel gesondert worden waren, schlug sie allezeit auf denjenigen, welcher mit des Jungen Namen beschrieben war. Der Hammerherr nahm darauf den Jungen vor und die entwendeten Sachen wurden von ihm wieder erlangt. – In einem Zechenhause bei Johanngeorgenstadt wurden unterschiedliche Centner Kobalt entwendet, und weil einem frommen und christlichen Hammerwerksbesitzer, dem die Rute schlug, ein anderer Gewerke zuredete, zu versuchen, ob nicht die Rute den Dieb und dessen genommenen Weg anzeige, wollte dieser erst nicht darein willigen, in der Meinung, sie ziele nur auf Klüfte und Gänge. Er ließ sich aber doch bereden, nahm eine kleine Stufe Kobalt von dem Haufen weg, wovon ein Teil entwendet worden war, ging um das Zechenhaus, und als er an den erbrochenen Laden kam, schlug die Rute, führte ihn über die Wiese einen Berg hinauf und in einen Busch. Hier erblickte man frische Erde, und als diese hinweggeschafft worden war, fand sich eine Partie versteckter Kobalt. Darauf führte die Rute in einen zweiten und dritten Busch, so daß man wohl die Hälfte des gestohlenen Kobalts wieder bekam. Ja als sich einige Männer in der folgenden Nacht versteckten und die Diebe den Rest nachholen wollten, wurde einer davon ergriffen und nach Joachimsthal abgeliefert. – Die Rute schlägt auch auf Rainsteine. Einem Rutengänger wurde sofort der Rainstein im Boden angezeigt, ungeachtet schon Bäumchen darüber gewachsen waren. – Vielen Leuten schlägt die Rute gar nicht. Sie hat aber auch anderen von Kindheit an vortrefflich geschlagen; aber dieselben sind krank geworden oder gar ausgewachsen, und ob sie gleich wieder genesen, so hat ihnen doch die Rute keinen Zug mehr gethan.
Zu den in der Einleitung zu diesem Abschnitte über die vermeintlichen Wirkungen der Wünschelrute und deren Gebrauch vorangeschickten Bemerkungen möge noch folgendes beigefügt sein:
Man fand in früheren Jahrhunderten Analogien dazu in dem das Wasser aus einem Felsen schlagenden Stabe des Moses, in der blühenden Rute Aarons, durch welche dem Moses der zum Priestertum bestimmte Stamm der Israeliten angezeigt ward, in der Rute der Minerva, welche den alten Ulysses wieder jung machte, in derjenigen der Zauberin Circe, durch welche seine Gefährten verwandelt wurden und in dem Wunderstabe des Merkur, durch den Wachende in Schlaf fielen.
Als man statt wirklicher Ruten Metalldraht und andere metallene Gegenstände auf unterirdische Gänge und vergrabene Schätze verwandte, mochte man zunächst zur Herstellung solcher Instrumente Legierungen aus verschiedenen Metallen gebraucht haben, bis man später fand, daß auch gewöhnliches Messing genügte.
Ein frommer Prediger in Freiberg entdeckte z. B., wie eine alte Bergpredigt von Meltzer mitteilt, mittelst einer Lichtputze einen versteckten Groschen. An den[297] beiden Enden der Rute wurde auch in einem seidenen oder tuchenen Fleckchen sogenannter Erdweihrauch, d. h. Harz aus Ameisenhaufen eingenäht. Man wollte ferner durch die Rute erfahren, ob Gold oder Silber und was für ein Erz, ob Rotgüldig- oder Glanzerz u. s. w. in der Erde liege, wenn man davon ein Stückchen zugleich mit der Rute in die Hand nähme. (Physikalische Belustigungen. Berlin, 1751. S. 116 etc.)
Sicher ist, daß sich der Glaube an die wunderbare Kraft der Wünschelrute noch bis in die Gegenwart erhalten hat, obschon der Freiberger Professor Johann Friedrich Wilhelm Charpentier sich bewogen fand, auf dem Titelkupfer seiner 1778 erschienenen »Mineralogischen Geographie der Chursächsischen Lande« das alte Vorurteil mit verbundenen Augen und fliehend, den aufgeklärten Genius aber die Wünschelrute zerbrechend darzustellen. Dr. Gustav E. Stein erzählt noch von einem Versuche, welcher anfangs der vierziger Jahre dieses Jahrhunderts in Freiberg auf Veranlassung eines Markscheiders angestellt wurde. In scheinbar wissenschaftlicher Weise war dabei von seiten dieses Markscheiders in einer Abhandlung die Wirkung einer ganz metallenen oder auch hölzernen, jedoch mit einem dünnen Metallüberzuge versehenen Rute durch elektrische Ströme erklärt worden, und es sollten auch zur bessern Leitung dieser Ströme die Schuhsohlen des Rutengängers mit dünnen Metallplatten belegt sein. Selbstverständlich blieben die von dem Verfasser der erwähnten Abhandlung erwarteten Erfolge aus.
(Lehmann, Hist. Schauplatz etc., S. 197 etc. und 250. Schurig, Beiträge zur Geschichte des Bergbaues im sächs. Vogtlande, 1875, S. 36 etc. Gräße, Sagenschatz d. K. Sachsen, No. 256. Documenta oder alte Uhrkunden und Nachrichtigungen, wo hin und wieder im Römischen Reiche Gold- und Silber-Ertze, Goldkörner etc. zu finden sein sollen. Abteilung in Dr. David Kellner, Schola metallurgica. Nordhausen, 1702. Fr. Bernau in der Comotovia, 4. Jahrgang, 1878, S. 108.)
Von meißnischen Goldseifen im Ober-Erzgebirge schreibt Mathesius, daß dieselben den Welschen und Fremden viel besser bekannt, als den Inwohnern selbst. Das Wasch- und ledig Gold, das in Flüssen und Forellenbächen wächst, wird oft von Felsen und Gängen abgerissen oder von Grus und Dammerde ausgewaschen und vom Gebirge erledigt; es ist das edelste und reinste Gold, dem Kronengolde gleich gehalten und ist ein Quentlein mit 38 Groschen bezahlt worden. Solche Goldkörner, Flietschen und »Flämmigen« sind an Farbe und Gestalt nicht einerlei, etliche sind rot wie rostig Eisen, andere grau, etliche rauh und blaufarbicht, etliche wie Pech, andere dunkel und durchsichtig wie die Granaten, etliche mild und mürbe, andere zerspringen im Schlag wie Glas, etliche sind viereckig, etliche groß wie[298] die Erbsen und Bohnen, andere lassen sich »flötschen« wie Blei, und diese hält man für die besten. Solche Goldkörner, die sich flötschen lassen, hat man am Schallerberg um Lengefeld in Brunnen und Bächen gefunden. Alle Bächlein an der Zschopau, die vom roten Haus auf den Stolzenhain in das Grenzwasser am Weinberg (Weipert) fallen, haben gediegene schwarze Goldkörner bei sich geführet, und die, so sich darauf verstanden, in kurzem reich gemacht. Im Grenzwasser Pila (Pöhla) hat man ebenfalls gute Goldkörner gefunden, die sich auch flötschen lassen, desgleichen im Bächlein Conduppel schwarze Körner, die man auf dem Amboß breit schlagen konnte. Im Preßnitzer Wasser haben die Alten gut Gold gewaschen, und hinter dem Spitzberge über Jöhstadt hat der Bach viel und gute Silberkörner gegeben und heißt noch davon der Silberbach. In allen Bächen zwischen Wolkenstein und Annaberg, die in die Zschopau fallen, hat man Granaten gefunden, in Farbe schwarz, braun und rot, als der beste Zusatz zum Gold, außerdem Amethysten und Körner, dem Eisenstein gleich und so gut als Rheinisch Gold. In Forellenbächen um Marienberg, Fernrückertswald und Glashütte haben die Alten gediegene Goldflietschen klein und groß gewaschen, die sich auch fletschen lassen. Daher auch die Forellen, die in solchen Goldbächen wachsen, Auratae genannt, von Gold, nicht eben ab aureolis maculis, daß sie goldfärbig wären, dieweil sie um Annaberg und Scheibenberg auch gemeiniglich mit schwarzen Sprenklein gefunden werden, sondern von goldführenden Bächlein, oder bei sich führendem Golde, wie andere wollen. Am Schwarzwasser und seinen Einfällen über und um Platten, Gottesgab und Breitenbrunn, in ihren Zinn-, Lauter- und Küheseifen von der Goldenen Höhe herein, werden noch bis jetzt Goldflietschen im Ausmagneten und Reinmachen des Zinnsteins in Federkielen gesammelt, und bisweilen feine Stüflein gediegenen Goldes gefunden, welche von Chymisten höher denn ander Gold gehalten werden. An der Schneeberger Mulde um Schneeberg, Auerbach, Dörrbach, Fletschmaul u. s. w. werden auch Goldflietschen gefunden, und bei Eibenstock hat in einer Seifen, der Goldbrunn genannt, ein Mann des Tages 1½ Pfund Goldkörner waschen können, davon ein Pfund 14 bis 18 fl. gegolten.
Dieser Goldreichtum war die Veranlassung, daß sich seit mehreren Jahrhunderten Ausländer einfanden, welche umher zogen und Gold in Flüssen und in der Erde aufsuchten, dasselbe mit sich nach Hause trugen, daselbst gut machten und sich dadurch großes Vermögen erwarben. Man nannte diese Leute Wahlen oder Venetianer, weil sie größtenteils aus Venedig her kamen; sie stammten aber auch aus Florenz, Veltlin, Wallis, Graubündten und aus Walheim bei Mecheln[299] in den Niederlanden. So haben zu Gablenz im Schönburgischen an einem Orte im Oberdorfe Venediger alle Jahre Goldkörner »ausgeküttet«, und nach Auffindung der Bergwerke zu Annaberg sind die Wahlen auch dahin gekommen und haben das reichhaltige Erz geschmolzen und auf eine bessere Art gut gemacht, als die dasigen Bergleute konnten. Man kennt von solchen Wahlen u. A. folgende mit Namen. Dr. Markus und M. Hieronymus von Venedig und Piger, Antonius von Florenz, Bastian Dersto von Venedig, Matz Nic. Schlascau, Adam und George Bauch, Christoph und Hanß, Friedrich und Barthel Fratres und Moses Hojung von Venedig, die sich von 1400 bis 1608 im Gebirge aufgehalten haben oder an Flüssen ertappt worden sind. Übrigens scheinen diese Leute sehr oft von guter Herkunft gewesen zu sein. Wahlen werden nach der Überlieferung auch als Gründer des Bergbaus im Vogtlande bezeichnet.
Die Orte, an denen die Wahlen Gold oder Edelsteine gefunden, haben sie fleißig angemerkt und in Büchlein, sogenannte Wahlenbüchlein, eingetragen, wobei sie sich merkwürdigerweise der deutschen und nicht ihrer Landessprache bedienten. Zur Orientierung schnitten sie in Bäume oder meißelten sie in Felsen bestimmte Merkzeichen ein. Sie bedienten sich auch vieler abergläubischer Mittel; so z. B. haben sie zum Schmelzen, Rösten und zur Verwandlung der Metalle einzelne Kräuter gebraucht, wie das Mondkraut (Lunaria), bei Aufgang der Sonne im vollen Mond gepflückt, ferner Goldwurzel oder Martigen, Mondraute und Eisenkraut, auch Taubenkraut genannt. Sie sollen aber auch die Erze verthan oder verzaubert haben, damit sie niemand als sie finden könne. Sie sollen deshalb ein Stück Holz von einem Sarge genommen und an solche Orte, wo Körner, Erz oder sonst Metalle sind, oder in einen Baum in der Nähe eingeschlagen haben, und niemand habe sie dann ausfindig machen können, es sei denn, das Holz wäre verfault oder herausgefallen. Auch sollen sie Totenköpfe in die Brunnen und Erzgruben geworfen haben, die erst entfernt werden mußten, wenn man etwas finden wollte; ja zuweilen sollen sie einen bösen Geist dahin gebannt haben. Gleichwohl gab es auch wieder Mittel, um diesen Zauber aufzuheben; so wurde folgendes angegeben: »Kreuch dreymal rücklings vorne um das (verzauberte) Loch, wenn es nicht aufgethan, so ist's auf jener Seite verthan worden und so hast du es auf dieser Seite noch einmal verthan. So gehe und kreuch auf jener Seite sechsmal rücklings herum, so thust du jenes und deines auf, dann wirst du es recht finden, also kannst du auch alle anderen Sachen, die verthan sind, wieder aufmachen, sie mögen verzaubert sein, wie sie wollen.«
Jedenfalls sind die Wahlen bergverständige Leute gewesen und deshalb hat der Aberglaube sie zu Zauberern und Teufelsbannern gestempelt.
Einige Proben aus obengenannten Wahlenbüchern, soweit sie sich auf das Erzgebirge beziehen, mögen hier Platz finden.
»Im Tharandischen Walde liegen Erz- und Kupfergänge so reich an Gold und Silber, daß es nicht zu beschreiben. Wenn man von Höckendorf geht, darunter liegt ein Bergwerk, ist so reich an Silber, daß vor viel tausend Thaler daraus genommen worden. Nicht weit davon liegt der graue Stollen, da fließet die Weißeritz, über dem Wasser nach dem Tharandischen Walde, dem Berg hinauf liegt ein reiches Bergwerk, darinnen Rothgülden- und Glaserz am Bruche stehet, auch bereits das Wahrzeichen an einem Baume zu finden, eine spitze Keulhaue und unter dem Baume ein großer Stein, darauf drey Kreuze gehauen. Weiter hinauf in dem Walde wird man mehr Zeichen an Bäumen finden, und mitten durch die Bäume streichet ein sehr mächtiger Kupfergang einer Ellen breit, und liegt der ganze Mann da, nach dem Wasser der halbe Theil, der Arm nach Freiberg, und das ganze Corpus liegt nach dem Tharander Walde, wie die Zeichen vermelden.
Zu Höckendorf, wo das Silber-Bergwerk ist, welches aber durch Gottes Strafe wegen Übermuths überschwemmt ist, hat ein Bauer 1660 gediegen Silber ausgeackert.«
»Bei Dippolswald ist ein Dorff, das heist Rotenbach, davon eine Meile bricht guter gelber Kieß, der ist sehr gut.«
»Henichen (Hainichen) ein Städtlein 2 Meilen von Freyberg, darbey liegt ein Dorff, heist Machern, alldar ist ein Waschwerck von guten Körnern und Gold; liegt nicht weit von Ottendorff an der Waldeck, da man durch den Wald gehet.«
»Bey der Zella in dem Wald bey Sibeln (Siebenlehn) und Nossen an der Mulda gelegen, da liegt gut Ertz und ein guter blauer Schiefer.«
»Bey Frauenstein ist ein Fluß gelegen, 2 Meilen etwa von Soda (Sayda?), bey einem Gerichte, da findest du zween Wege, einen zur rechten, den andern zur linken Hand, da gehe den Rasenweg fort, derselbe führt dich an einen Steig, dem folge nach, so kömmst du an ein Wasser, die Grimnitz (Gimlitz?) genandt, gehe daran wohl hinauff und zwart zur rechten Seite desselben, so kömmst du an einen alten Graben, da vorzeiten eine Mühle gestanden, folge demselben abermahls nach, so kommest du an einen Fluß, darinnen Forellen sind, der führet Körner, die sind wie natürlich Gold, und hab ich Hieronymus Weigard Hauß und Hoff davon erbauet. NB. Wenn die Körner[301] naß sind, sehen sie schwärtzlich aus. Gehe von dar weiter die Grimnitz hinabwerts, biß du zu einem Steige kommest, gehe aber nicht darüber, sondern den Weg, der da das Holtz herab gehet, so kömmest du wieder an einen Fluß, dem folge nach, so kommest du an ein Brüchig, wasche dar, so findest du schwartze Körner, die ich nicht genugsam verloben kan, ihres Nutzens wegen. Darnach gehe über die Grimnitz zurücke auff eine halbe Meile Wegs, da wirst du an einen großen Berg kommen, nahe bei einem Dorff, Liechtenberg genannt, da findest du gegen das Dorff am Berge weiße Letten, so sehr gut abzutreiben ist.«
»Bey Marienberg zwischen dem Olbernhause und Katternberg (Olbernhau und Katharinenberg) bricht ein spißiger Marcasith in einem schwartzen Schiefer.«
»Bey Zwickau liegt ein Dorff, heist Rotenbach, daselbst soll ein Bach seyn, welcher Gold und Silber-Granatenstein führet.
Item bey einem andern Dorff, so eine Meile von Zwickau lieget, Nahmens Hartmanns Grüen, findet man auch Körner, die sich fletschen lassen.
Item zur Neumarck anderthalb Meilweges von Zwickau ist ein gut Gold-Seiffen, und bricht auch Silber und Antimonium daherum.«
»Wenn du kommest gegen Dürresbach oder Auerbach, frage nach dem Fluß-Maul- oder Fletschmaul, darnach Eibenstock, allda frage nach dem Gold-Brunnen, darinnen sichere und suche, so findest du schwartze Körner, deren 1 Pfund 14 biß 18 fl. gilt. Diese Gelegenheit ist eine Meile vom Schneeberg, und kannst du in einem Tage 1 biß 2 Pfund waschen.«
»Hinder Otten im Voigtlande auf der Kuttenheide gehe zu oder vor St. Peters-Capell bei 2. Ackerlänge, gegen dem Großleinwerts, so kömmst du zu einen hohen Felsen, darbey ist nahe ein alter Glaß-Ofen, und hat vorzeiten eine Glaßhütte daselbst gestanden, da findest du ein weiß Wasser gegen dem schwartzen Berge zu, darinn sind gute Goldwasch-Körner enthalten, bißweilen als Erbsen oder Bohnen groß.
Willt du allda nicht waschen, so gehe wiederum hinab zum Hirschberge, da kommest du zu einen abgeschnittenen Baum, von diesem Baum gehe eine Ackerlänge, so kömmest du zu einer zwieselichten Gabel, daselbst lege dich nieder auf die Erde, und höre wo Wasser rauschet unter der Erden, räume das Mooß daselbst hinweg, so auff Holtz, gegen Mitternacht zu gelegt ist, so wirst du einen Ertzgang antreffen, welcher das herrlichste Gold führet.
Von dannen gehe weiter auff dem Rasen fort gegen Mittag vom Holtze an, da wirst du zu einen Brunnen kommen, in selbigen ist[302] noch das schönste Gold enthalten. Von diesem Brünnlein gehe dem Wasser, das darauf entstehet, nach, so kommst du an ein Steingewölb, da warte auff.
Item Bey der Capellen unter den Fenstern gegen Mittage wirst du eine Hand in einen Baum geschnitten finden, die weiset dich nach der ziehnen Gabel, da kömmst du zu einen Brünnlein, woraus die Zwoyt (Zwota) entspringt; dem Fluß gehe nach zu der ziehnen Gabel, daselbst suche, so wirst du viel Gold finden.
Item Wenn du zur Kuttenheide, bey St. Peters Capell, bist, so frage nach St. Peters-Brunn, und gehe dem Flusse nach, biß er in einen andern Bach fällt, daran gehe förter und siehe dich um, so findest du ein Zeichen in einer Tanne und eines in einer Fichten, so nicht weit von einander stehen, dazwischen suche, da wirst du einen Schacht finden, der ist verdeckt; mache denselben auff, so findest du einen gelben Gang, von guten Gold-Ertz, davon das Pfund 10 fl. gilt.
Item, Auff der Kuttenheide frage nach Weyher, ist eine Meile davon ein Dorff, daselbst liegt eine Mühle, heist die Geigers-Mühle, am Bach, ein Armbrust-Schuß weit davon zur linken Hand ist ein Felsen, darinn bricht ein schöner Gold-Talck und sonst noch ein schwartz Ertz, das ist Marcasith.«
»Von Großlitz (Graslitz) aus gehe über eine Wiese am Wasser hinauf und siehe dich nach einer Buchen um, daran ein Kreutz gehauen ist, von derselben gehe einer Ackerlänge am Berge hinauff, so wirst du eine sehr große alte Fichten finden und nahe dabey einen alten Stollen, darinnen ist ein Gold-Ertz-Gang, dessen Pfund ist vor 14 fl. verkaufft worden.
Item. Wenn man von Großlitz aus der Holen geht, so kommt man zu einen Fohrenbach, der fleust Kreutz weiß über den Weg; daran gehe zur rechten Hand hinauff so lange biß an die Quelle desselben Baches, darauf er entstehet, die liegt auf einen hohen Berg, und wirft viel Sand aus, den sichere, so wirst du schwartze Körner finden, die viel Gold halten, davon das Pfund 15 fl. gilt.«
»Zu Schöneck frage nach der Helle und gehe von dar um St. Johannis Tag, bey St. Peters Capelle, der aufgehenden Morgen-Sonne gerad entgegen, biß zu Mittags 11 Uhr; so kommst du auf eine weite Heide, da eitel Birken stehen, davon gehe zwei Steinwürffe gegen Mittag zu, so kömmst du an ein Gemöß bey einem Wässerlein, räume das Gemöß hinweg und grabe daselbst ein, so wirst du einen großen Reichthum von Gold antreffen.
Item. Im Holenstein eine halbe Meile von Schöneck ist ein Stollen, darinnen bricht ein Quartz, so weiß Gold-Ertz hält.«
»Auffm Schneeberg frage nach dem Schloß Wiesenburg, dabey fleust ein Wasser hinweg, an diesem gehe aufwerts fort biß du kommst dem Schafstall gleich, daselbst stehet ein Teich, über diesem Teich suche in dem Wässerlein, so wirst du viel und gute reichhaltige Gold-Körner darinn finden, welche dir die Mühe wohl belohnen werden.«
»Eisenberg ist ein Schloß also genennet, laß dasselbe auff der linken Hand liegen und gehe gerichts nach demselben wohl hinauff, auff den Kamp, und gehe gegen der Sonnen-Auffgang, nach Brix zu, auf dem Kamp, dann gehe auff das Schadehauß, so nahe darbey liegt, wenn du darhinder kommst, so kehre dich um, und wende den Rücken nach der Sonnen-Auffgang, siehe von dar wieder auff oder nach den Kamp, so wirst du einen Rasenweg, auff St. Katharinberg zu, erblicken, dann gehe einen guten Armbrust-Schuß weit, nach dem Kamp zu, hinein, da wirst du einen Steinfelß finden, dem stelle dich zur rechten Hand, gegen das schlimme Thal nach dem Schadeberge zu, und gehe daselbst im Thal nach 2 Hügeln gerade fort, so wirst du in einer Tannen eine Hand eingeschnitten finden, von derselben kömmst du zu einem Wasser, das zwischen dem Schottenberg hinfleust, da kannst du viel Gold waschen.«
»Wenn man von Brix auff Seida gehet, in dem Wald fleust ein Wasser, darinn sind gute Körner.«
»Zwischen Krohenzahl (Cranzahl) und Breßnitz fleuset ein Wasser, darüber gehet ein Brücklein und nicht weit davon stehet ein großer Baum mit einem krummen Ast, als ein Arm, da findet man schwartze Körner, die man auff einen Amboß breit schlagen kann.«
»Bei Kupferberg liegt ein Dörfflein, heist zum Holitsch an einem Berge bei dem Halß-Gericht, daselbst findet man je zuweilen auch gediegene Gold-Körner.«
»Auff Satzunge gegen Konnetur (Komotau?) nicht weit von einem Wege, da stehet eine Stein-Tanne, auf welcher Wurtzel ein Zeichen eingeschnitten ist. Nicht weit davon soll ein Wässerlein fließen, und um die Tanne ist eine Grube, in welcher ein schöner Goldhaltiger Marcasith bricht.«
»Schlackenwerth oder Schlackenwerda. Frage hiervon nach der Eger in die Nössel; wohl hinden am Steige findest du ein Loch in dem schwartzen Brand, kreich darein, so wirst du viel Gutes antreffen.«
»Hawenstein (Hauenstein) liegt eine Meilwegs von Schlackenwalda, von Hawenstein gehe in das Gründlein unter die Fichten, da der gestümmelte Baum stehet, allwo der liebe Gott dran hengt, und von dar weiter zu einen Felsen, etwa einer Ackerlänge vom alten Hammer-Graben, da ist ein Loch inne, worinnen viel weiß Gold enthalten ist,[304] welches nach der Cementation dem Arabischen und Ungarischen gleich ist. NB. Lieget nach dem Fichtelberge zu.«
»Von dem Hauenstein, da man in den Stollen gehet, fleust ein Wasser herab in die Eger an den Jungfer-Stein, dasselbe Wasser hat gute Körner, so viel Gold halten, das ist das reichste Seiffenwerk im ganzen Böhmerland. Diese Körner sind schwärtzlich und gediegen.«
»Im Walde bei Hasenstein (Hassenstein) unter einer Tannen, so gezeichnet ist, stehet ein Gang Spannen breit oder mächtig, welcher eine große Feste neben sich hat, darinnen ist ein sprenglichter Kieß, hält 12 Loth.«
»Item. Von dem Hasenstein frage und gehe nach einem Dorff, heist Brunnersdorff, gehe von dar ferner oben bey dem Dorff und der Mühlen hinaus, und frage nach einem Dorff, heist Wernersdorff, so nicht weit davon ist, alldar gehe auch oben die Straß nach dem Klösterlein, so kömmst du zu einem Dorff, ehe du in das Städtlein kommst, heist Zirnabis, und an der Straßen vordem Dorff findet man Amethisten am Wege und Äckern. Zur rechten Hand nach dem Gebirge, etwa einen Armbrust-Schuß dem Berg hinan, da ist ein Loch, kreich darein, so findest du einen Gang voller Amethisten.«
»Hagensdorff liegt nicht weit von Hasenstein, oder Hasendorff und Bleißdorff, bey diesem Hagensdorff hat vor Zeiten ein Kloster gestanden, wie noch zu sehen ist, darzu gehe, so findest du ein Berglein wie eine Mauer, darunter ist ein Stollen, in welchem man viel Granaten findet, ja! wenn man suchet, auch auff den Äckern daherum. Desgleichen auch auff dem Hasenstein im Eichwald, über dem alten Kloster. Item zum Hauenstein bey der Hauß-Mühlen ist ein schöner Goldgang.«
»Item. Bey Zirnisch ist ein Gründlein auff der rechten Hand, das heist die Schona, ist ein Wasser, darinnen hat ein Hirte geseiffet oder gewaschen und viel Gold funden, daher er sehr reich worden, und seinen Hirtenstand verändert; Massen er seine Güther an einem ihme gefälligen Orthe erkaufft und sich sehr wohl eingesetzt hat.«
»Item. Von den Caden an der Eger hinauff fleust ein Wässerlein, welches von Hauenstein in die Eger fleust, darinn findet man in weißen Quärtzlein gediegen Gold, und ist der reichsten Seiffenwerken eines in gantz Böhmen-Land. Dergleichen Quärtze und Gold-Körner findet man der Orthen herum fast viel in den sandigten Flüssen und Wasser.«
»Item bey Caden im Steinbruch stehet ein Letten eines Fingers breit, dessen Centner hält 14 Loth Silber.«
»Item Bey den vierzehn Nothhelffern nach dem Klösterlein über der Steinern Brücken, jenseits des Spitzberges in der Silberbach, hat[305] ein Hirte in einem Tage, nebst seiner Huth- und Weide-Verrichtung, ein Loth Gold gewaschen, an Körnern, die er vor Gold nur angesehen und erkennet hat, die andern hat er ohnerkandt weggeworffen.«
»Zur Hohen Tanne am Galgenberg, bey der Silberbach, da die zwey Flüßlein einen Steinwurff weit herabfließen, findest du einen alten Stumpff von einer abgehauenen Birken, in welchen ein Bilgrams-Stab geschnitten ist mit einem Sack. Zwischen dem Stumpff und Bach findest du eine Hurt, die hebe auff, darunter ist ein Loch in Stein gearbeitet, in welchem ein Gang einer Ellen breit des herrlichsten Gold-Ertzes ist. Kanst du die Hurt nicht flugs finden, so rumpele oder stöhre mit den Füßen oder Stock zu rings umher, biß du es hörest dummeln, allda wirst du viel Gold finden.«
In der Umgegend von Elbogen erzählt man, daß alte Leute noch im vorigen Jahrhunderte Goldsucher aus Welschland angetroffen hätten, welche mittelst Wünschelrute und Haue den unterirdischen Schätzen nachspürten. Besonders geschah dies am sagenreichen Krudimberge. Doch hat man sie niemals bei ihrer Arbeit, sondern stets vor und nach derselben gesehen. Bei dem Dorfe Steinmeißl bei Elbogen sahen Waldarbeiter aus den »Grundhöhlen« durch eine Art Rauchfang Rauch aufsteigen; doch nie konnten die Leute entdecken, wer das Feuer angemacht. Man meinte, daß es Venediger gewesen, die hier und im Hans-Heilingsthale Erze suchten. Der Wald bei dem Hornesbauerhofe war einst für Venediger ein wichtiger Fundort von Erzen. Besonders sollen sie in einer Höhle an der Morgenseite der Felsen ihr geheimnisvolles Werk getrieben haben. Es ist das eine Höhle, welche sich, wie die Sage berichtet, am Karfreitage öffnet, so daß man in die Felsen hineingehen und Schätze heben kann. –
In Platz wird erzählt, daß ein Italiener (Venediger) namens Antonio Stoll hier auf Silber einschlug und wirklich in zwei Bergwerken Silber fand, von dem er auch an die Regierung abgeliefert hat. Die Zeit, wann dies geschah, ist unbekannt.
In den Vorbemerkungen zu diesem Abschnitte unserer Sagen wurde bereits darauf hingewiesen, daß sich die Überlieferungen von Gold suchenden Venetianern außer im Erzgebirge auch in anderen deutschen Gebirgen vorfinden. Das Volk verlegt ihre Heimat fast durchgängig nach Venedig, wo sie prachtvolle Paläste besitzen und von wo sie in gewissen Zeiträumen wiederholt kommen, um die deutschen Gebirge zu durchstreifen.
Im Zlatorog von Rudolf Baumbach wird ihr Treiben folgendermaßen geschildert:
(Ludwig Lamer im Glückauf 1882, S. 105.)
Wenn man vom Weißeritzwehre an der großen Rabenauer Mühle den Fluß aufwärts geht, gelangt man bald an ein munteres Bächlein, das von Borlas herabkommt und sich in die Weißeritz ergießt, und abermals wenige Schritte flußaufwärts steht ein großer Felskegel künstlich abgetrennt von seinem Mutterfelsen, um der Eisenbahn einen Durchgang zu schaffen.
An der Spitze des Kegels kann man bei aufmerksamer Beobachtung den Rest einer Aushöhlung erkennen, die nicht das Werk der Natur, sondern fleißiger Hände ist.
Vor viel hundert Jahren kamen in Zwischenräumen, wenn die Goldkörner in der nahen Weißeritz reif geworden, Wahlen aus dem fernen Wälschlande, deren Zunge man nicht verstand und die sich nur notdürftig verständlich machen konnten, und schafften den Sand aus dem am Fuße des Felsens befindlichen Weißeritzheger hinauf auf diesen Felsen und stampften ihn in diesem Loche mit Wasser, bis die Goldkörner sich vom Sande sonderten und von ihnen ausgelesen werden konnten.
So hatte sich nach und nach ein Loch gestampft, in dem ein Mann wohl bis an den Gürtel stehen konnte, und noch jetzt zeugen die einzigen zwei Seitenwände, die von der Goldstampe übrig geblieben sind, von der rührigen Arbeit der Wahlen.
Und auch jetzt noch führt die Weißeritz Goldkörner an dieser Stelle, sie sehen aber dem Sande gleich aus, denn sie sind noch nicht reif.
(Heger und Lienert, Ortskunde von Schmiedeberg, S. 62.)
Der ehemals so ergiebige Bergbau auf edle Erze lockte Bergleute aus weiter Ferne, darunter auch aus dem Venetianischen, sogenannte Venediger, ins Erzgebirge. Einer derselben kam Sommer für Sommer auf den Spitzberg bei Preßnitz. Man wußte lange nicht, was er hier wollte und er selbst sagte niemandem ein Sterbenswörtchen davon. Endlich aber ward er doch einmal beobachtet, wie er andächtig kniend zum Himmel betete und sodann aus einer vorüberrieselnden Quelle viele funkelnde Goldkörner in seinen Spitzhut raffte. Nachher sah man den Venediger nie wieder, sei es, daß er sein Glück wo anders versuchte, sei es, daß er, der Schätze schon genug besitzend, für immer in seine Heimat gezogen war.
(Brandner, Lauenstein, seine Vorzeit etc. 1845, S. 324–26.)
Im Dorfe Fürstenwalde lebte in früherer Zeit ein Häusler, namens Bär, bei welchem seit vielen Jahren ein schlichter Fremder, angeblich ein Italiener, alljährlich einkehrte, sich mehrere Wochen daselbst aufhielt, und die dasige Gegend bloß deshalb besuchte, um in dem Flußbette der Müglitz Goldkörner und edle Steine zu suchen. Erstere soll er in der Gegend vom Kratzhammer abwärts bis an das sogenannte Löwenbrückchen, letztere hingegen außer in der Müglitz auch im Schlotteritzer Grunde gefunden haben. Seine Bemühungen wurden jedesmal mit dem besten Erfolge gekrönt, und er lohnte daher seinem Wirte Kost und Herberge zur völligen Zufriedenheit. Nach mehr als zwanzigmaligem Wiederkehren eröffnete der Fremde endlich seinem Wirte, daß er nun nicht mehr nach Sachsen kommen, sondern seine Reisen einstellen werde, und bat ihn zugleich, ihn einmal in seiner Heimat zu besuchen, wozu er, der Fremde, die nötigen Anstalten schon[308] treffen wolle. Bär sagte zu. Nach länger als Jahresfrist erhält nun Bär von seinem frühern Gaste die Nachricht, daß er kommen solle, daß er nur bis Teplitz zu gehen und dort auf der Post sich zu melden brauche, indem das Übrige wegen seines Fortkommens und seiner Beköstigung schon besorgt sei. Halbgezwungen macht sich also Bär auf den Weg, findet alles so, wie die Nachricht es ihm gemeldet, und langt wohlbehalten in der ihm beschriebenen Stadt an. Hier geht nun Bär, die Adresse seines Freundes, welche den Namen der Gasse und die Nummer des Hauses enthielt, in der Hand, im schlichten ländlichen Anzuge die Gassen mehrmals auf und ab, ohne das Ziel seiner Reise gefunden zu haben, da er der dortigen Sprache nicht kundig ist und mithin auch sich niemandem mitteilen kann. Nach langem Suchen findet er endlich das mit der ihm angegebenen Nummer bezeichnete Haus, jedoch weit größer und prächtiger, als er sich das Haus seines Freundes gedacht. Er tritt aber demohngeachtet in dasselbe ein, um sich nach dem Namen des Besitzers zu erkundigen, wird aber von einem prachtvoll gekleideten Bedienten, der ihn für einen gewöhnlichen Bettler hält und dessen Sprache er nicht versteht, mit Gewalt wieder zum Hause hinausgebracht. In dieser Bedrängnis ruft ihm eine Stimme aus dem Hause zu: »Vater Bär, bist Du's?« und gleich darauf erscheint zu Bärs großer Freude sein Freund, um ihn bei sich einzuführen. Bär, ganz erstaunt über die große Pracht, welche ihn auf einmal umgiebt, verlebte mehrere Tage in seliger Trunkenheit. Sein Freund bot alles auf, ihm den Aufenthalt so viel wie möglich zu verschönern, und als Bär sich endlich zur Rückreise anschickte, führte ihn sein Freund noch in ein Kabinet, welches seine Schätze enthielt. Hier bat er ihn, unter mehreren dort aufgestellten, aus dem reinsten Gold gegossenen Figuren sich als Andenken eine mitzunehmen, da sie aus den Goldkörnern seien, welche er in Bärs Heimat gesammelt habe. Bär wählte nach langem Zaudern ein goldenes Lamm, und langte damit, sowie mit einer kleinen Summe Geldes, welche ihm sein Freund noch aufgedrungen, glücklich in seiner Heimat wieder an. Die Kunde von dem goldenen Lamme verbreitete sich bald in der Umgegend und kam endlich auch vor den Besitzer von Lauenstein, der am sächsischen Hofe eine Stelle bekleidete. Auf seine Veranlassung brachte Bär sein goldenes Lamm diesem aufs Schloß Lauenstein, und der Herr fand solches so kunst- und wertvoll, daß er den Vorschlag that, dieses Lamm dem Kurfürsten zu zeigen. Auch dieser fand großen Gefallen an dem goldenen Lamme und suchte Bären endlich dahin zu bestimmen, daß er dasselbe gegen eine ihm zugesicherte lebenslängliche Rente dem Fürsten überließ. Das goldne Lamm soll sich noch heute im Königlichen[309] Kunstkabinet zu Dresden befinden; aber auch Bärs Nachkommen leben heute noch im Dorfe Fürstenwalde.
Eine thüringische Sage erzählt, wie einst ein Hirte von einem Venetianer, welcher ihm die Schätze im großen Wartberge zeigte, nachdem er die Schlangenkönigin getötet und ihre Krone an sich genommen hatte, ein Wunschtüchlein und die Einladung erhielt, ihn einmal in Venedig zu besuchen. Wirklich wünschte sich der Hirte einst zu dem Venetianer hin und plötzlich schwebte er über den Türmen Venedigs und fand seinen Bekannten in einem schönen Palaste. Er wurde gut aufgenommen und beim Abschiede mit einer kleinen Kutsche und 6 Pferden von gediegenem Golde beschenkt. Dies Geschenk hat der Hirte und seine Familie lange aufbewahrt; später ist es in die Kunstkammer zu Gotha gekommen. (Richter, Deutscher Sagenschatz, II. No. 50.)
Ebenso erzählt eine fichtelgebirgische Sage, daß ein Mann aus Wilfersdorf einen Goldsucher, den er in seinem Hause beherbergt hatte, in dessen Heimat Venedig besuchte und dort gut aufgenommen und reichlich beschenkt wurde. (Zapf, Der Sagenkreis des Fichtelgebirges, S. 102.)
(Heger und Lienert, Ortskunde von Schmiedeberg i. B., S. 62.)
Unterhalb des Ortes Schmiedeberg, auf Pleiler Gemeindegebiet, befindet sich ein großer Schlackenhaufen, welcher das alte Schloß genannt wird. Zweifellos ist dies eine uralte Ansiedelungstätte des Schwarzwasserthales, die aus einem großen Eisenschmelzfeuer mit Hammerwerk bestanden haben mag. Mancherlei Sagen knüpfen sich an diese öde Schlackenhalde. Unter andern soll hier auch ein Schatz, ein kupferner Kessel mit Silber gefüllt, vergraben liegen. Oft schon haben Geldgierige am Palmsonntage oder in den Tagen der Karwoche, doch immer vergebens, darnach gesucht. Um den Schatz zu heben ist eine gute Wünschelrute von nöten.
Einst fischten beim alten Schloß einige Knaben im Schwarzwasser. Einer derselben, der sich von seinen Kameraden zufällig entfernt hatte, findet auf einmal eine große, thorähnliche Öffnung im Berge, geht dreist in die sich mehr und mehr erweiternde Höhle hinein und kann sich vor Staunen kaum fassen, denn eine solche Pracht haben seine hellen Augen noch nicht gesehen. Rings krystallene Wände, daran in Regenbogenfarben glitzernde Edelsteine und funkelnde Erze und in der Ferne ein wunderbar strahlendes Licht. Von diesem zauberhaft übergossen aber standen im Hintergrunde große Krystallvasen, gefüllt mit eitel gediegen Gold und Silber. Lange stand der Knabe, versunken in diesen herrlichen Anblick. Da plötzlich erinnert er sich seiner[310] Genossen; auch sie sollen dies alles sehen, denkt er und eilt hinweg, sie zu verständigen. Allein da die Knaben alle kamen, konnten sie trotz des eifrigsten Suchens die Wunderhöhle nicht mehr finden. Der Berg hatte sich geschlossen und zeigte wieder sein gewöhnliches Aussehen. Alle Jahre aber, am Karfreitag Punkt 3 Uhr soll er, wie man erzählt, eine Zeit lang geöffnet und samt all seinen Schätzen für jedermann zugänglich sein.
(Joh. Falke, Geschichte der Bergstadt Geyer. Dresden, 1866. S. 84.)
Vor etwa 60 Jahren ist noch an dem hintern Teile der Kirche zu Geyer auf der Südseite ein gemaltes Fenster zu sehen gewesen, das einen buntfarbigen Bauer von ½ Elle Höhe mit zwei Dreschflegeln darstellte. Dieser Bauer war der Sage nach aus Geyersdorf, das vor Annabergs Erbauung nach Geyer eingepfarrt gewesen sein soll, und derselbe ließ den hintern Teil der Kirche auf seine Kosten bauen. Unter diesem Fenster war ein Gemälde auf Leinwand mit einem Bauer in größerer Figur, zu dessen Füßen ein Leichenstein. Nach der Sage soll jener Bauer auf dem Rückwege von Geyer nach Geyersdorf, von der Nacht oder einem Schneegestöber überrascht, seine Zuflucht auf einem Baume genommen und dort geträumt haben, unter diesem Baume seien Erzgänge. Er suchte und fand so reiche Erze, daß er durch den nun begonnenen Bau in kurzem zum reichen Manne wurde und aus Dankbarkeit diesen Teil der Kirche bauen ließ. Auf dem Gemälde war er abgebildet, wie er im Begriff stand, mit einer lang gespitzten Keilhaue einzuschlagen.
(Engelschall, Beschreibung der Exulanten- und Bergstadt Johanngeorgenstadt. Leipzig, 1723, S. 28.)
Im Jahre 1713 soll in der Nähe von Johanngeorgenstadt bei einem Vogelherde, an welcher Stelle man hierauf das Bergwerk »Glockenklang und Vogelgesang« erschürfte, drei Tage nach einander von früh bis gegen Mittag Geläute gehört worden sein, was von etlichen Personen gewissenhaft an Eidesstatt ausgesagt wurde. Wie nun die Gründung der Stadt Johanngeorgenstadt durch Glockengeläute angezeigt wurde, so deutete man auch jenes Läuten als ein Anzeichen für die Erweiterung des Bergbaus in dortiger Gegend.
(Richter, Umständliche Chronica der freyen Bergstadt St. Annaberg. Annaberg, 1746. S. 6.)
Anno 1471 hat Peter Rosenkranz, ein Mönch im Kloster Grünhain, dem Herrn Abt von vielen und mancherlei Sachen gesagt, auch wie ein Bergwerk am Bärenstein aufkommen würde; dasselbe würde einen langen Bestand haben und viel Ausbeute geben. Denn es läge ein ganzer Stock Erz davor hinter dem Stein, hinab gegen das Wasser zu, ein Gang eines Wagens breit im Streichen, gegen halb Mittag und halb Abend, führte solch großes Erz, daß er nicht auszusagen wüßte. Und wenn es die Zeit geben würde, daß es sollte aufkommen und offenbar werden, so würde eine Zeche an der andern stehen, bis über die Waschleite hinauf, und wer nur einen Kux davon hätte, da würde er und seine Kinder und Kindeskinder Nahrung davon haben. Auch würde ein Bergwerk aufkommen zwischen dem Pöhlberg und Bärenstein, das würde einen guten Bestand haben und viele Ausbeute geben, und eine schöne Stadt dahin gebauet werden. Aber dieses Bergwerk wäre nur eine Ader vom Bärenstein. Und es läge auch auf den Raschauer Gütern viel Eisenstein, welcher auch bald gefunden, und gar gut Eisen daraus gemacht worden. Aber die Zeit wäre noch nicht vorhanden, daß der Bärenstein aufkommen sollte, denn es würde durch einen Aufruhr das Kloster ganz zerstöret werden, und kein Mönch darinnen sein, ja es würde so zerstöret werden, daß das Erdbeerkräutig auf denen Mauern und die Bäume über die Mauern hinauswachsen und gar miteinander an die Fürsten von Sachsen kommen würde.
Dasselbe prophezeiten später mit denselben Worten drei fahrende Schüler, die den Abt von Grünhain Johann Gottfried Küttner um Herberge und Beförderung angesprochen. Auf ihre Rede hat der Abt eine Hirsch- und Bärenjagd am Bärenstein angestellt und die drei fahrenden Schüler mit hinüber geschickt. Als man sie an Ort und Stelle fragte, welche Zeit und Jahr es sollte offenbar werden, sind sie ein wenig von dannen und unter einen Ulmenbaum getreten, und haben miteinander geredet und gesagt: Ungefähr 50 Jahre nach dem Bauerkrieg und Aufruhr würde das Kloster so wüste werden, daß das Erdbeerkräutig auf den Mauern wachsen würde, und werden die Bergstädte teils zu Grunde gehen, alsdann wird der Bärenstein angehen und aufgenommen, allein man müßte mit dem Stollen die Gänge überfahren.
(Nach Ed. Wenisch in der Erzgebirgs-Zeitung, 4. Jahrgang 2. und 3. Heft.)
Die Gegend, wo jetzt Mariasorg liegt, war bis zum Anfange des 16. Jahrhunderts eine mit Wald bedeckte Einöde. Hier wohnte damals in einer einfachen Klause »um Sanct Albrecht unten am Wolfsberg, wo der Schwarzgang hinabstreicht,« der fromme Einsiedler Johannes Niavis (Schneevogel). Seine Andacht verrichtete er in einer kleinen Kapelle, an deren Stelle sich heute die Mariasorger Kirche befindet. Dieser Johannes Niavis hat samt der alten Gräfin Kaspar Schlick deutlich von dem Thal, da jetzt die Stadt Joachimsthal liegt, geweissagt, daß allhie ein großes Gut liege und eine mächtige Stadt hierher solle erbauet werden. Es werde zwar das Bergwerk in sehr großen Abfall geraten, aber doch hernach wieder florieren und in größere Aufnahmen kommen, als es je gewesen.
Diese Prophezeiung gab Veranlassung, daß im Jahre 1515 Graf Stephan Schlick, Graf Alexander von Leisnick, Wolf von Schönberg und Hans Tommeshirn sich zu der ersten Gewerkschaft vereinigten, die alte Fundgrube am Schottenberge wieder belegten und so »mit Gewalt das Bergwerk aufbrachten.«
Die Kapelle des Einsiedlers Niavis war bei Einbürgerung der lutherischen Lehre in Joachimsthal zerstört worden, und als man 1691, da das Bergwerk infolge des dreißigjährigen Krieges und der Gegenreformation in Verfall gekommen war, an dem Platze, wo sie gestanden hatte, ein Kirchlein erbauen, und den sogenannten schwarzen Gang entblößen wollte, fand man endlich einen Stein mit einem eingehauenen Kreuze. Die Stelle, wo er lag, sollte der gesuchte Platz sein. Hier wurde nun die Mariasorger Kirche gebaut, über deren Thüre man jenen noch heute daselbst zu sehenden Stein einmauerte. Die Einweihung erfolgte 1699. Der Ort selbst erhielt nach einem wunderthätigen Marienbilde, das in der Kirche aufgestellt wurde und viel Wallfahrer anzog, den Namen Mariasorg. Später wurde an die Kirche das Kloster mit einer besondern Ordenskirche angebaut und im Jahre 1765 vollendet. In der darauf bezüglichen, von der Kaiserin Maria Theresia unter dem 16. November 1752 ausgestellten Urkunde heißt es unter anderem, daß dies auch geschähe »aus dankmütiger Erkenntlichkeit für den bisher von Gott verliehenen und ferners zu erbittenden Berg-Segen.« So war die Prophezeiung des Einsiedlers Johannes Niavis nicht nur die Veranlassung zur Gründung der Bergstadt[313] Joachimsthal, sondern auch zu derjenigen der Kirche und des Klosters zu Mariasorg.
(Richter, Umständliche Chronica der freyen Bergstadt St. Annaberg. Annaberg, 1746, S. 11–13.)
1. Es soll ein Bergmann des Nachts im Traum eine göttliche Erscheinung gehabt haben; dem habe geträumt, es komme ein Engel zu ihm, der sagte, er solle in den Wald zu einem gewissen Baume gehen, den ihm auch der Engel im Traum bezeichnet, da würde er ein Nest mit goldenen Eiern finden. Darauf sei der Bergmann, als es Tag geworden, aufgestanden und habe den ihm im Traume gezeigten Baum gesucht und auch gefunden. Als er nun vermittelst einer Fahrt auf solchen Baum gestiegen, so habe er das Nest mit den güldenen Eiern zwar gesucht, aber nichts angetroffen. Da er wieder herunter gestiegen, sei der im Traum ihm vorher erschienene Engel alsbald zu ihm gekommen und habe ihm befohlen, er solle bei diesem Baum einschlagen, so würde er das Nest mit denen güldenen Eiern antreffen. Als der Bergmann diesem Befehle des Engels gefolgt und zu schürfen angefangen, so habe er auch wirklich einen reichen Silbergang entblößet, darauf alsdann der Bergbau allhier angegangen. Es ist diese Geschichte in der Hauptkirche zu St. Annaberg an dem hintern Teile des kleinen Altars, welchen die Knappschaft 1521 erbauen ließ, abgebildet. Auch lieget in der alten Sakristei der Hauptkirche ein großer runder Stein, auf welchem dieselbe Geschichte ausgehauen steht.
2. Dr. Barth, welcher 1584 als Professor in Leipzig starb, erzählt dagegen: Einem Bergmanne, mit Namen Daniel, habe geträumt, er sollte in den finstern Wald gehen, da würde das Feuer vom Himmel fallen, dem sollte er alsbald nachgehen und an dem Orte suchen, so würde er daselbst in der Erde einen großen Schatz finden, davon er sich unterhalten und in seiner Armut leben könnte. Sobald es nun Tag geworden, wäre der Bergmann aufgestanden, hätte Gott im Gebete angerufen, daß er ihm gnädig sein und den Traum erfüllen wolle. Hernach wäre er in den Wald gegangen, hätte den ganzen Wald durchsucht, bald auf die Erde, bald gen Himmel gesehen und nicht ohne große Hoffnung zu Gott gebetet, um das ihm im Traume versprochene Feuer sehen zu lassen. Wider Vermuten wäre hernach ein Gewitter am Himmel aufgestiegen, daß es mit einem starken Donner in den Wald geschlagen. Da wäre dann der Bergmann geschwind gegangen[314] und hätte alles durchsuchet, um zu sehen, wo es hingeschlagen. Da er den Ort gefunden, habe er alsbald die Wünschelrute genommen und sie feste in die Höhe gehalten, die Rute hätte sich aber in der Hand so sehr gewendet, daß er solche fast nicht erhalten können, und also gezeiget, daß der Schatz des Silbers hier an diesem Orte in der Erde verborgen liege. Hierauf habe der Bergmann nachgegraben und auch wirklich einen reichen Gang entdeckt. Dieser glückliche Finder wäre hernach zu den Bauersleuten gegangen, hätte ihnen sein Glück angezeigt, viele von denselben zu Gehülfen in seiner Arbeit genommen und dieselben seines Schatzes teilhaftig gemacht, worauf sie dann viele Erze gewonnen und schmelzen lassen. Da sich nun der Ruf davon allenthalben ausgebreitet, so wären von allen Orten und Enden viele Fremde hierher gekommen, das neu von Gott bescherte Glück zu sehen; viele hätten auch hernach unten gegen Abend, wo der Berg abfällt, noch viele andere reiche Gänge durch die Rutengänger entdecket, und auf solche Art wäre also zuerst durch die Gnade des großen Gottes das Bergwerk daselbst entdecket worden.
(I. Mündlich. II. Ziehnert a. a. O. Anhang No. 21.)
I. Zur Zeit Friedrich des Weisen lebte im obern Erzgebirge nicht weit vom Schreckenberge ein alter, schlichter Bergmann mit Namen Daniel Knapp. Nach alter frommer Sitte beugte er jeden Abend seine Knie vor dem Muttergottesbilde. Als er dies eines Abends wieder gethan hatte, legte er sich nieder. Da erschien ihm im Traume die heilige Mutter Anna und befahl ihm, an der Stelle, welche sie ihm im Traume zeigte, einzuschlagen. Verwundert über den seltsamen Traum, machte sich der Bergmann auf und wanderte nach Wittenberg, wo damals der Kurfürst weilte. Zagend trat Daniel Knapp vor denselben hin und bat ihn, daß er ihm seinen Traum erzählen dürfe. Der Kurfürst hörte verwundert dem Bergmanne zu, und als er geendet hatte, folgte er ihm mit seinem Kanzler und begleitet von Rittern und anderen Herren. Am Fuße des Schreckenberges, an der Stelle, welche ihm im Traume geoffenbart worden war, schlug darauf der Bergmann kräftig ein und bald strahlte dem Kurfürsten und seinen Begleitern heller Silberglanz entgegen. Darauf ließ der Kurfürst zur Erinnerung an den wunderbaren Fund die sogenannten Engelsgroschen prägen und wenig Jahre später entwickelte sich aus den Ansiedelungen, welche in der Nähe des silberreichen Schreckenberges gegründet[315] wurden, die Stadt Annaberg. Von dem Bergmanne Knapp aber sollen seit jener Zeit alle Bergleute den Namen »Knappen« führen.
II. Als noch dicke Waldung den Pöhlberg und seine Nachbarn deckte, lebte im Dorfe Frohnau ein Bergmann, Daniel Knappe, fromm und brav, aber blutarm. Große Teuerung und Hungersnot war im Lande, und Knappe hatte sieben Kinder und ein krankes Weib in seiner Hütte. Er wußte seiner Not kein Ende und war nahe daran, zu verzweifeln an der göttlichen Hülfe. Da erschien ihm einst im Traum ein Engel Gottes und sprach zu ihm: »Gehe morgen in den Wald am Fuße des Schreckenberges. Dort ragt eine Tanne hoch über alle Bäume des Waldes hervor. In ihren Zweigen wirst du ein Nest mit goldenen Eiern finden; dies ist dein, brauche es wohl!« Als Knappe am Morgen erwachte, erinnerte er sich des Traumes und ging hinaus in den Wald, das Nest mit den goldenen Eiern auszunehmen. Bald hatte er die Tanne in der Nähe der Wolfshöhle gefunden und kletterte rasch in ihren Ästen bis in den höchsten Wipfel hinauf, fand aber nichts. Traurig, daß ihn der Traum getäuscht habe, stieg er wieder herab und setzte sich auf die Wurzeln des Baumes nieder, um auszuruhen. Er sann hin und her, und dabei fiel ihm ein, daß unter den Zweigen wohl auch die Wurzeln der Tanne zu verstehen sein könnten. Die Vermutung ward bald zum festen Glauben, und eilig lief er und holte aus seiner Hütte das Gezäh zum Schürfen. Eifrig begann er den Schurf, und kaum hatte er die Dammerde durchbrochen, als mächtige, nach allen Seiten streichende Silbergänge ihm entgegen blickten. Er sank auf seine Kniee und dankte Gott.
Bald war die Kunde von dem neuentdeckten Bergreichtum in alle Lande verbreitet, und Tausende zogen herzu, um sich in der bisher so wilden Gegend anzusiedeln. Dies veranlaßte den Herzog Georg den Bärtigen, eine neue Bergstadt zu gründen. Am 21. Sept. 1496 wurde der Grundstein zu dem ersten Hause gelegt, und die neue Stadt Neustadt am Schreckenberge, später aber Annaberg genannt. – Zum Andenken an Daniel Knappe aber heißen noch heute die Bergleute im allgemeinen die Knappen und ihre Gemeinschaft die Knappschaft.
(Jenisii Hist. Annaberg. II., S. 2. Darnach Gräße, Sagenschatz d. K. Sachsen. No. 514.)
Im Jahre 1502 ist ein gewisser angesehener und würdiger Mann namens Lorenz Pflock gen Annaberg gekommen; als ihm nun seine[316] Gemahlin in kurzer Frist auf einem Wagen folgte, kam es ihr, als sie etwas über das Dorf Frohnau hinaus war, vor, als wenn die Erde in dieser Gegend erschüttert werde. Nicht lange darauf legte ihr Mann an diesem Orte ein Bergwerk an, das überreiche Ausbeute gab, und ließ, weil er überzeugt war, daß durch jenes Gesicht das Vorhandensein einer reichen Silberader angedeutet worden sei, mitten im Dorfe Frohnau einen kostbaren Altar nebst Kirche erbauen.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, 1882, S. 5.)
In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts lebte in der Schweiz ein verarmter Kaufmann, der einmal den höchst sonderbaren Traum hatte, er werde auf der steinernen Karlsbrücke zu Prag sein Glück finden. Ohne sich lange zu besinnen, bestieg er sein Rößlein und ritt nach der Hauptstadt Böhmens, dem hunderttürmigen Prag. Daselbst angelangt, ging er in froher Erwartung der Dinge, die da kommen sollten, auf der Moldaubrücke auf und ab. Durch sein seltsames Benehmen zog der Schweizer bald die Aufmerksamkeit des auf der Brücke aufgestellten Wachsoldaten auf sich, welcher ihn endlich fragte, was er hier suche. »Mir hat geträumt«, erwiderte der Angesprochene, »daß ich auf dieser Brücke mein Glück finden werde. Nun gehe ich aber hier schon mehrere Stunden hin und her, ohne nur eine Spur des erhofften Glückes zu finden.« »Sonderbar«, sagte der Wachposten, »mir träumte auch einmal von meinem künftigen Glücke, das ich in den westlichen Bergen erst suchen gehen soll, aber ich lege den Träumen keine Bedeutung bei, denn Träume sind Schäume!« Kaum hatte dies der Schweizer vernommen, so eilte er in seine Herberge zurück, ließ sein Pferd satteln und ritt, seinem Sterne folgend, immer dem Westen zu, um zu dem geistreichen, durch seine Prophezeiungen bekannten Johannes Niavis (Schneevogel), dem Einsiedler am Wolfsberge, wo heute das Dorf Mariasorg liegt, zu gelangen und dann seine Reise nach »Conradisgrün« (Konradsgrün), der ersten Ansiedelung von Joachimsthal, fortzusetzen. Nach mehrtägigem Ritt kam er in die Gegend von Lichtenstadt. Wie er immer weiter trabte, blieb des Rosses Huf an etwas hängen, und das Hufeisen wurde abgesprengt. Er stieg ab, um nach der Ursache dieses Unfalles zu sehen. Da bemerkte er, daß ein Zapfen von Silbererz das Hufeisen abgerissen und freute sich, sein zwischen den Schweizerbergen geträumtes Glück gefunden zu haben. Der Schweizer kehrte, nachdem sein Pferd in der[317] nächsten Schmiedewerkstatt wieder beschlagen worden war, in die Heimat zurück, traf aber bald in Konradsgrün mit einem Zuge Schweizer Bergleute ein. Diese durchforschten die Gegend und gruben untertags mit bestem Erfolge nach Silbererzen. So wurde der Kaufmann aus der Schweiz, der in der That auf der Prager Moldaubrücke sein Glück gefunden hatte, ein grundreicher Mann, und noch heute führt ein langer Haldenzug, der damals eine sehr ergiebige Ausbeute gab, den Namen »der Schweizerzug«.
Eine im Wesentlichen gleiche Sage finden wir in den deutschen Sagen der Brüder Grimm (2. Aufl., I. B., No. 212). Hier wird aber jemandem auf der Brücke zu Regensburg die Mitteilung, daß unter einem gewissen Baume ein großer Kessel mit Geld vergraben sei, was sich auch bestätigte.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, 1882, S. 7.)
Vor vielen Jahren lebte in der alten Bergstadt Joachimsthal ein gottesfürchtiger Gewerke, mit Namen Basler. Er besaß nebst Haus und Acker eine Grube, welche eine gute Ausbeute an Silber gab und sein Vermögen beträchtlich vermehrte. Plötzlich aber blieb das blinkende Silbererz in den harten Felsadern aus, und er traf auf lauter taubes Gestein. Basler, der ein sehr unternehmender Mann war, stellte jedoch seinen nunmehr kostspieligen Bau nicht ein, sondern ließ rühriger denn je mit Fäustel und Bohrer weiter arbeiten, da er in Bälde in eine silberhaltige Teufe zu kommen hoffte. Schon war aber Schrank und Beutel leer, Haus und Acker verpfändet, und noch immer leuchtete ihm kein Hoffnungsschein in der Grube. Seine Lage gestaltete sich vielmehr von Tag zu Tag trauriger, denn er wurde von seiner Freunde Schwarm nun gemieden, und einen Bergknappen nach dem andern mußte er aus seinem Dienste entlassen. Zuletzt war er auf seine Kräfte allein angewiesen; doch ließ er auch jetzt voll Zuversicht, daß Gott ihm helfen werde, den Mut nicht sinken und baute unverdrossen und emsig im harten Gestein fort, – leider ohne allen Erfolg. Dadurch geriet seine Familie, die ehemals in guten Verhältnissen gelebt hatte, in die bitterste Not. Um die Seinigen zu ernähren, sah sich der arme Basler, dem niemand mehr Geld vorstrecken mochte, sogar genötiget, nicht bloß Hausgeräte, sondern auch halbwegs entbehrliche Kleidungsstücke zu verkaufen.
Als eines Tages die Not aufs Höchste gestiegen war, und er sich weder zu raten noch zu helfen wußte, nahm seine Frau ihr teuerstes[318] Kleinod, einen feingestickten Schleier, der noch von all ihren Habseligkeiten übrig geblieben war, in die Hand. Ihn hatte am Hochzeitsfeste die gute Mutter ihr ins Haar geknüpft und gesegnet, darum war der Schleier ihr so lieb und wert. Sie betrachtete denselben unter tiefem Seufzen lange mit thränenfeuchten Blicken; denn zentnerschwer drückte ihr Herz der schreckliche Gedanke, ihr kostbarstes Pfand mütterlicher Liebe zu veräußern. Endlich entschloß sie sich, freilich schweren Herzens, zum Verkaufe des Brautschleiers. Aus dem gelösten Gelde kaufte Basler, nachdem er für das nötige Brot gesorgt hatte, Unschlitt ein, um sein Geleucht aufschütten zu können. Er wollte nämlich, um sein Glück zu versuchen, noch einmal anfahren, dann aber, falls auch dieser Versuch mißglückte, den Bergbau, der ihn zum Bettler gemacht, aufgeben. – Als sich nun Basler zur Fahrt nach der Grube gerüstet hatte, sprach er, treu seinem gewohnten Spruche: »Bete und arbeite!« ein herzinniges Bergmannsgebet, fuhr hierauf ein und schritt an's Tagewerk. »Herr«, sprach er zu sich selbst, Du kennest mein ehrliches Sinnen und Trachten, sowie meinen und der Meinigen Jammer und Gram; erbarme Dich unser und segne heute meiner Hände Arbeit, damit ich viel, recht viel zur Verherrlichung Deines Hauses beitragen kann!« – Es gingen nämlich gerade zu derselben Zeit – es war im Jahr 1536 – die Grafen Hieronymus und Laurenz Schlick daran, in Joachimsthal, dem rasch aufgeblühten und zu den schönsten Hoffnungen berechtigenden Bergorte, eine neue, stattliche Kirche zu bauen. Wie sehr mochte sich wohl unser frommer Basler, der früher so reiche Bergherr, gekränkt haben, daß er jetzt in seiner größten Armut gar nichts zum Baue des Gotteshauses beisteuern konnte! Er ergriff, gestärkt durch sein unerschütterliches, festes Gottvertrauen, sein Gezäh und arbeitete mit solcher Kraft, daß das Gestein weit umhersprang. Da bemerkte er auf einmal, daß das Unschlitt in seiner Lampe zu Ende ging; er wollte nun sein Geleucht wieder auffüllen, allein das Unschlitt war verschwunden. Bestürzt und unmutig, daß ihm auch seine letzte Hoffnung vereitelt sei, suchte er nach dem Unschlitt und sah eine Maus mit demselben ihrem sicheren Verstecke zueilen. Über das mutwillige Tierchen erzürnt, erfaßte Basler seinen Schlägel und warf nach dem Mäuschen. Aber nicht dieses zerschmetterte sein wuchtiger Wurf, sondern das Felsgestein an der Öffnung der Wand, in der das Mäuschen verschwunden war. Doch siehe, was schimmert da unserm Basler entgegen? Ists bloß blendender Schein oder Wirklichkeit? Er prüft und findet, daß eine Silberader sich vor ihm geöffnet hat. So wurde mit einemmale Basler auf höchst merkwürdige und überraschende Weise wieder in den Stand gesetzt, den Bergbau mit vielen Knappen[319] zu betreiben. Er ward gar bald ein reicher Mann, der aber auch als solcher seinem früheren einfachen und frommen Lebenswandel treu blieb. Sein Gelübde erfüllte er treulich. Er spendete für die Kirche zu Joachimsthal ein silbernes Kreuz und ließ überdies einen Predigtstuhl verfertigen, dessen Stütze ihn selbst im Bilde in Wams und Bergkappe darstellte.
Noch bis zum furchtbaren Brande des 31. März 1873 konnte man diese interessante Bergmannsfigur in der reichen und geschichtlich merkwürdigen Dekanatkirche zu Joachimsthal, die an dem genannten Tage ebenfalls zerstört wurde, unter dem Predigtstuhle sehen.
Baslers Frau, vom ungewöhnlichen Glücke berauscht, vergaß Tugend und Frömmigkeit und wurde über alle Maßen stolz und hochmütig. Als ihr Mann auf der Totenbahre lag und die Bergknappen beim Einsegnen vor dem Hausthore standen und nach ortsüblicher Weise das Trauerlied mit den Worten beendigten:
da sprang die Übermütige, prangend im kostbaren Kleide und strahlend im Diamanten- und Perlenschmucke, zum offenen Fenster und rief voll Zorn und Hohn hinab: »Frau Basler kann und wird niemals verarmen!«
Noch in erhöhterem Grade gab sich Frau Basler von jetzt an der Verschwendung hin; sie lebte in Saus und Braus, so daß ganz unbemerkt die Silberschätze in ihren Kästen und Truhen gleich einer Seifenblase zerrannen. Eines Tages stand sie auf der Prager Brücke. Da zog die Prahlerin einen prächtigen Siegelring vom Finger, warf ihn in die Moldau und rief:
Ein Fisch aber hörte die übermütigen Worte der frevelnden Baslerin und sah das kostbare, blitzende Ringlein; da dachte er bei sich: »Ohnedies harrt der Tod mein, es soll auch für Dich der Tod sein!« Bald ließ der Lachs, der den Ring verschlungen hatte, sich fangen. Und siehe da! Des andern Tages brachte ein Fischer einen Fisch, in dessen Bauche sich der Ring befand, der zur Frau Baslerin heimgekehrt war; und wie der Ring kam zurückgeschwommen, so ist sie hülflos auch verkommen. – Die Maus hat Baslern zum Reichtume verholfen, der Fisch der Baslerin zur Armut.
Einzelne Züge dieser Sage haben große Ähnlichkeit mit solchen in der folgenden Sage von den Tellerhäusern bei Oberwiesenthal.
(Nach Ziehnerts poet. Beh. in Gräße, Sagenschatz etc. No. 502.)
Um das Jahr 1570 lebte zu Wiesenthal ein blutarmer, aber frommer und fleißiger Bergmann, namens Teller, der bei einer Grube beschäftigt war, die auf einmal keine Ausbeute mehr gab und deshalb von ihrem Besitzer, einem reichen Geizhals, nicht mehr bebaut ward. Ebenso vergebens wie er von Letzterem seinen rückständigen Lohn zu bekommen gesucht hatte, sah er sich nach neuer Arbeit um; er hatte eine kranke Frau und drei Söhne zu Hause, allein er hatte kein Brot für sie und so mußte er nach und nach alles, was er besaß, verkaufen. So kam der Ostermorgen heran und das letzte, was noch zu Gelde gemacht werden konnte, war bereits weggegeben. Siehe, da zog es ihn nach der Kirche, und als er traurig an den Eingang derselben getreten war, kam es ihm vor, als sehe er sich im Festtagsgewande, eine Stufe glänzenden Silbers auf der Schulter, an der Kanzel stehen. Er rieb sich die Augen, wendete sein Gesicht weg, aber sobald er wieder auf jenen Punkt schaute, stand auch sein Doppelgänger wieder da. Er verließ endlich die Kirche, und auf dem Wege nach seinem Hause begegnete ihm ein wohlgekleideter Unbekannter, der ihm, als er von ihm befragt, warum er so traurig aussehe, seine Not geklagt hatte, ein großes Geldstück schenkte. Damit kaufte er die notwendigsten Bedürfnisse und begab sich nach Hause. Hier hatte er aber keine Ruhe, denn überall sah er das gehabte Gesicht vor sich, und es kam ihm vor, als ziehe ihn sein Doppelgänger nach jener eben aufgegebenen Grube hin. Endlich konnte er nicht mehr diesem innern Drängen widerstehen, daher kaufte er sich von dem noch übrig gebliebenen Gelde von dem Bergmeister die Erlaubnis, in der auflässigen Grube zu bauen, und fing eifrig an einzuschlagen. Allein seine zwei Hände brachten wenig vorwärts, der Tag verfloß und er war auf kein edles Metall gestoßen; schon war der zweite halb zu Ende und er machte eben Anstalt, sein letztes Stücklein Brot zum Mittagsmahl zu sich zu nehmen, als aus einem Loche im Gestein ein Mäuschen herauskroch und ungescheut die heruntergefallenen Brosamen auflas. Er ließ dasselbe ruhig gewähren, als es aber anfing auch sein Grubenlicht zu beknabbern, warf er sein Fäustel nach demselben. Statt daß aber die Maus davon getroffen ward, sprengte er ein starkes Stück Gestein los, und siehe, hinter demselben lag ein reicher Gang gediegenen Silbers zu Tage. Kaum wollte er seinen Augen trauen, allein er konnte nicht zweifeln; er eilte nach Hause, um seine Familie mit der frohen Kunde zu erfreuen, und so ward er in wenigen Tagen aus einem armen Häuer ein reicher Bergwerksbesitzer.[321] Allein er vergaß darum seine früheren Leiden nicht, er blieb bis an seinen Tod einer der frömmsten und mildthätigsten Männer in der ganzen Gegend. Seinen drei Söhnen erbaute er von seinem Reichtum drei kleine Güter in einer wildromantischen Gegend zwischen Wiesenthal und Rittersgrün, die heute noch die Tellerhäuser genannt werden, sich selbst ließ er ganz so, wie er sich an jenem Ostermorgen in der Kirche gesehen hatte, im Sonntagsputze des Häuers in Holz aushauen und dies Bild zum Andenken in jener Kirche aufstellen, wo es noch zu sehen ist.
(Ed. Wenisch in der Erzgebirgs-Zeitung, 2. Jahrg., S. 2.)
Unweit der Bergstadt Preßnitz steht an der Straße, welche von Dörnsdorf dahin führt, eine Marienstatue. Dieselbe stellt die Mutter Gottes mit dem Jesuskindlein dar, welches die Erdkugel und das Scepter in seinen Händchen hält. Neben dem Gnadenbilde stand vor vielen, vielen Jahren eine unansehnliche, kleine Berghütte mit einer ergiebigen Grube. Im Volksmunde lebt noch die Sage fort, welche sich an die Statue und die Berghütte knüpft. Zur Zeit einer großen Teuerung lebte in einer windschiefen, halbverfallenen Hütte des Erzgebirgs eine arme, brave Bergmannsfamilie. Schlecht und recht, wie es eben bei einem Bergmanne möglich ist, hatte der arbeitsame Vater in bessern Tagen sein Weib und seine vier Kinder im Schweiße seines Angesichts ernährt. Heute aber saß er gar tiefbekümmert, das Haupt gebeugt, die schwieligen Hände gefaltet, im Kämmerlein, denn weder ein Bissen Brot noch ein roter Pfennig war in der Hütte. Als er sein Weib vor Not heiße Thränen weinen sah, und seine sterbenskranken Kinder vor Hunger schrieen, da wollte dem Vater vor Gram und Kummer schier das Herz zerspringen. Nicht länger litt es ihn unter seinem Dache. Viel Schönes hatte er ja von der Mildthätigkeit der Menschen erzählen hören, warum sollte er dieselbe nicht auch in seiner hartbedrängten Lage in Anspruch nehmen? Und er ergriff, den seinigen Trost zusprechend, den Wanderstab, um in den benachbarten Dörfern wohlthätige Mitmenschen um Gaben für seine hungernde Familie anzuflehen. Wo er anklopfte, ward ihm zwar aufgethan, allein überall traten ihm bleiche, darbende Gestalten entgegen, die selbst bittere Not litten und darüber klagten; denn schwerer als jeder andere Landesteil war diesmal das blutarme Erzgebirge von der ausgebrochenen Teuerung heimgesucht. So kam unser Bergmann ganz hoffnungslos vor Preßnitz an. Der schreckliche Gedanke, daß seine Familie[322] nun dem Hungertode zum Opfer fallen müsse, brachte ihn zur Verzweiflung. Ermattet brach der Lebensmüde auf dem Wege zusammen und wollte, da er gerade einen Strick bei sich hatte, Hand an sich legen, um so allem Elende mit einemmale zu entgehen. Doch von neuem erwachte in ihm sein echt christlicher Sinn und verscheuchte das wahnsinnige Hirngespinst; er nahm seine Zuflucht zur gnadenreichen Gottesmutter, sank auf die Knie und verrichtete ein kräftiges Gebet, das lindernden Balsam in sein wundes Herz träufelte, so daß alsbald Friede in dasselbe einkehrte. Vom Schlaf überwältigt, legte der Hungrige sein müdes Haupt auf den Rasen und schlief ein. Da klang es um ihn her wie himmlischer Engelschor, und im strahlenden Lichtglanze erschien Maria, die Himmelskönigin, mit dem holden Jesuskindlein auf dem Arme. Mit wundermilden Blicken näherte sie sich dem Bergmann und sprach: »Wach' auf, öffne die Erde unter deinem Haupte und vertraue fest auf Gott!«
Der Bergmann erwachte; heiliger Schauer durchrieselte seine Glieder, da er noch immer die überirdischen Klänge zu vernehmen meinte. Neu gestärkt sprang er auf, ergriff, um sich zu überzeugen, ob er geträumt oder gewacht habe, seinen wuchtigen Wanderstab und wühlte an jener Stelle, wo er geschlafen, die Erde auf. Kaum hatte er diese einige Zoll aufgeschürft, da sank er plötzlich in die Knie, hob seine Hände gen Himmel und rief aus: »Gepriesen sei der allmächtige Gott und die seligste Jungfrau Maria, ich bin gerettet!« Ein Klumpen Gold lag zu seinen Füßen, der nun aller Not ein Ende machte. Mit beflügelten Schritten eilte der Bergmann zu den Seinigen heim und verkündigte ihnen mit freudestrahlendem Gesichte das wunderbare, rettende Ereignis. Wer beschreibt wohl den Jubel der armen Familie, die auf überaus seltsame Weise in die Lage kam, sich die lange entbehrten Nahrungsmittel anzuschaffen und so ihre Gesundheit bald wieder herzustellen? Gottes reicher Segen aber begleitete auch fernerhin die Unternehmungen des Bergmanns, der von jetzt an auf eigene Faust den Bergbau an jener wunderbaren Stelle betrieb und daselbst viel edles Erz zu Tage förderte.
Zur bleibenden Erinnerung an die glückliche Errettung seiner Familie ließ der Bergmann aus tiefer Religiosität und Dankbarkeit neben der kleine Berghütte eine Statue der heiligen Jungfrau Maria errichten und lebte mit den Seinen noch viele Jahre glücklich und zufrieden.
(Mündlich.)
Es wird erzählt, daß man anfangs beabsichtigt habe, die St. Wolfgangskirche in Schneeberg auf dem Platze zu erbauen, wo gegenwärtig die Bürgerschule steht. Als man aber daselbst den Grundstein legte, verschwand derselbe zweimal nach einander. Da erschien einem Bergmanne im Traum ein Grubenmännchen, welches ihm die Stelle zeigte, auf welcher die neue Kirche erbaut werden sollte. Als man daselbst den Grundstein legte, blieb er liegen. Darauf führte das Männchen den Bergmann in die Tiefe und zeigte ihm unter dem Platze die reichen Silbererze.
(Mitgeteilt vom Lehrer Ludwig in Stützengrün.)
Man erzählt sich, daß auf dem Kuhberge bei Stützengrün, links von dem Fahrwege, welcher von genanntem Orte auf den Berg führt, in einer mit Heidekraut überwachsenen grubenartigen Vertiefung ein goldener Hirsch vergraben liege. Wenn der Hirsch aufgefunden wird, was bestimmt geschehen soll, wird der Kuhberg zur Stadt werden. Einen Brunnen auf dem Kuhberge heißt man Goldbrunnen.
Nach altüberlieferten Vorstellungen, welche besonders in deutschen Volksmärchen einen Nachklang haben (als z. B. das Marienkind ein wenig an den Glanz der Dreieinigkeit rührte, wurde ihm der Finger golden), war nicht nur der Götterhimmel golden, sondern auch der Leib der Götter selbst und ihrer Lieblingstiere von einem Geblüt durchronnen, welche reines Gold ist. Golden ist der Hirsch, weil er der Leben nährenden Sonne angehört. (Rochholz, Deutscher Glaube und Brauch, I. S. 4–7.)
(Nach der poetischen Bearbeitung Ziehnerts bei Gräße a. a. O. No. 610; z. T. mündlich.)
Südlich von Zwickau liegt eine Wiese, die man Eselswiese nennt. Diese Wiese soll einst von einem Zauberer bezaubert worden sein, der auf ihr einen gefährlichen Fall gethan, so daß, obschon schönes Gras und Klee darauf wuchs, sie doch von ihrem Besitzer durchaus nicht benutzt werden konnte, weil die Milch des Viehes, das von demselben fraß, so blau wie Indigo ward. Nun hatte aber nicht weit von der Wiese ein armer Holzmacher seine ärmliche Hütte gebaut; derselbe[324] wurde, da er drei Esel besaß, der Eselsgürge genannt, und er war allgemein wegen seiner Gutherzigkeit beliebt und gern gesehen. Der zog sich das Gras dieser Wiese zu Nutze und seine Esel wurden dick und fett davon.
Einst, bei einem heftigen Gewitter, pochte es des Nachts an seine Hütte, und als er die Thür öffnete, da trat eine wunderschöne Jungfrau, die trotz des Unwetters ganz trocken war, weiß verschleiert herein, rosenfarbene Sandalen an den Füßen und einen goldenen, mit Diamanten gezierten Kranz auf dem Haupte. Sie setzte sich an seinen Tisch, als er ihr aber Essen und Trinken, sowie sein armseliges Binsenlager zum Schlafe anbot, wies sie beides zurück und sagte, sie bedürfe dieser irdischen Erholung niemals, und auf sein Befragen, wohin sie wolle, entgegnete sie: »Nach oben, wo ich herkomme«. Der arme Gürge legte sich hierauf verwundert wieder nieder, als aber der Morgen anbrach, weckte sie ihn auf, um Abschied zu nehmen, und als er sie ein Stück Weges begleitete, fragte er sie, ob sie nicht die heilige Jungfrau selbst sei, sie gleiche gar zu sehr dem Bilde derselben, wie er es in den Kirchen so oft gesehen. Darauf antwortete sie: »Ja, ich bin es; Du aber, guter Gürge, sollst den Lohn für Deine Gastfreundschaft heute Abend erhalten, wenn Deine Esel von der Weide zurückkehren«. Damit verschwand sie. Als nun die Sonne im Untergehen war, da ging Gürge voll Neugier seinen Eseln entgegen, allein er konnte nichts an ihnen wahrnehmen, als daß ihre Mäuler blutig waren. Da es nun auf der Wiese weder Dornen noch scharfe Gräser gab, solche die Esel auch bekanntlich wegen ihrer Hartmäulichkeit nicht verwunden können, so begab er sich an Ort und Stelle und trat plötzlich auf etwas Spitzes. Er griff darnach und zog einen Goldbarren aus der Erde, ja er fand ohne viel Mühe eine Menge davon; er holte darauf seine Esel, die sich davon blutig gefressen, und trieb sie schwerbeladen in sein Hüttchen zurück. Am andern Morgen aber, wie er seinen Reichtum beschaute, beschloß er davon eine Kirche zu bauen. Dies soll die Marienkirche sein. Das Volk aber hält noch heute die hölzerne Statue des Obristwachtmeisters von Heldreich († 1674), welche sich über der Thür zur sogenannten Götzenkammer in der erwähnten Kirche befindet, für das Bild des armen Eselgürge, den man auch zum Stammvater der Herren von Römer gemacht hat.
Nach einer andern mündlichen Überlieferung soll das gefundene Gold eine zapfenähnliche Form gehabt haben. Die Menge desselben betrug zehn Scheffel.
(Heger und Lienert, Ortskunde von Schmiedeberg, 1879, S. 62.)
Das oben genannte Loch befindet sich unweit des »alten Schlosses«, eines Schlackenhügels auf Pleiler Gemeindegebiet, und ist ein alter verfallener Stollen, welcher von einem Irrsinnigen (Albernen) in den Berg getrieben worden sein soll. Nach einem in der Nähe befindlichen großen Schlackenhaufen, in welchem er oft herumwühlte, erhielt der Alberne auch den Namen Schlackenmann. Der Schlackenmann soll Silbererze gesucht und in Menge gefunden haben. Er verbarg sie aber so gut in seinem Loche, daß sie bisher niemand aufzufinden vermochte. Da er für seinen Schatz fürchtete, vermied er ängstlich jeden Umgang mit Menschen und kroch stets in das Bergloch, sobald jemand sich näherte. Hier ist er auch einsam verstorben. Sein Name und Andenken aber sind im Volksmunde noch lebendig.
Ein ähnlicher verfallener Bergstollen befindet sich auch hinter der Bogmühle. Er wird das Türkenloch genannt, nach einem Manne türkischer Abstammung, der hier gleichfalls Bergbau auf edles Erz getrieben haben soll. Der Türke hatte es jedoch nicht auf den Gewinn abgesehen, legte auch keinen Schatz an, wie der geizige Schlackenmann, sondern holte sich von dem Silbererz immer nur nach Maßgabe seiner leiblichen Bedürfnisse.
(Novellistisch von Textor in »Die romantischen Sagen des Erzgebirgs«, I. 1882, S. 225 etc. Darnach bei Gräße, Sagenschatz d. K. Sachsen, No. 523.)
Einst lebte in der Gegend des heutigen Annabergs ein armer Bergmann, mit Namen Daniel, der reich mit Kindern, aber nicht mit zeitlichen Gütern gesegnet war, und sich, weil seine Frau schwer erkrankt war, in großer Not befand. Denn die Grube am südlichen Abhange des Pöhlberges, wo er arbeitete, war unergiebig. Wie er nun mit seinem Gevatter, dem Steiger, lange vergeblich gearbeitet hatte, fiel auf einmal ein Teil des Gesteins von selbst herab und sie sahen einen mächtigen Gang reichen Erzes vor sich; eine Stimme aber rief: »Daniel! Ich bin der Fürst der Berge! Was Du in diesem Schachte gewinnst, ist Dein, ich schenke es Dir!« Jener aber sprach: »Ich kann nicht annehmen, denn es gehört den Gewerken«. Als nun der Berggeist ihn noch mehrmals aufgefordert hatte, das Gefundene zu nehmen und an seine Frau und Kinder zu denken, er aber sich weigerte, verschwand[326] auf einmal der ganze Erzgang wieder. Daniel ging traurig nach Hause, als er aber dort ankam, kam ihm seine Frau völlig gesund entgegen und sagte, es sei ein fremder Bergmann dagewesen, habe ihr Brot, Fleisch und Wein für ihre Kinder gebracht, und sie aus einem kleinen Fläschchen trinken lassen, und seitdem seien alle ihre Schmerzen verschwunden, jener aber habe gesagt, ihre Not werde bald aufhören, das lasse ihr der Fürst der Berge sagen. In der Nacht träumte aber der fromme Bergmann, der Berggeist stehe vor ihm und sage ihm, zum Lohn für seine Redlichkeit wolle er ihn glücklich machen, er solle früh auf den Schreckenberg gehen, dort werde er Feuer vom Himmel fallen sehen, und an dieser Stelle solle er einschlagen. Wie gedacht, so geschehen, er ging in den Wald; plötzlich fuhr aus heiterem Himmel ein Blitz in eine hohe Fichte, und als jener die bergmännische Rute an den Wurzeln des Baumes schlagen ließ, da entdeckte er beim Nachgraben einen reichen Silbergang. Diesen mutete er und sein Gevatter Steiger und beide wurden schnell reich; die Grube aber nannte man das himmlische Heer.
(Fr. Hübler in der Comotovia. 4. Jahrg., S. 76 etc.)
Eine Viertelstunde nordöstlich von Komotau liegt an der Straße und nächst dem Fußwege, welcher nach dem benachbarten Görkau führt, die Alaun- oder Schweizerhütte, eine Restauration im Schweizerstile, welche wegen ihrer reizenden Lage für die Bewohner Komotau's einen beliebten Ausflugsort bildet. Sie liegt in einem Kessel, welcher gegen Westen von einem schönen Eichenwäldchen, dem sogenannten Hüttenbusche, im Nordosten und Süden von Obstgärten eingesäumt ist, welche den in der Mitte des Kessels liegenden Hütten- oder Alaunsee einschließen. Auf dem Platze nun, den jetzt die spiegelglatte Fläche des Sees bedeckt, befand sich vor 300 Jahren ein Alaunbergwerk, von dessen Dasein noch rote Hügel an seinem Ufer zeugen. Bevor noch die Gewässer des Sees aus der Tiefe der Erde hervorquollen, befand sich dort ebenfalls ein Eichenwäldchen, wohin an Sonn- und Feiertagen die ehrsamen Bürgersleute Komotau's mit Weib und Kind hinauszogen, um sich zwischen den Bäumen und auf dem Rasen zu erlustigen und besonders an den milden Frühlingsabenden im Mai dem Gesange der Nachtigallen zu lauschen, welche sich sonst dort, wie in der Gegend überhaupt, in viel größerer Anzahl aufgehalten haben sollen, als jetzt. Noch heutzutage sieht man an dem Ufer des Sees die mitunter mächtigen Baumstrünke der abgesägten oder umgeschlagenen[327] Eichenstämme wie Klippen aus dem Wasser hervorstehen, und schon mancher Lustfahrende hat mit ihrer Tücke Bekanntschaft gemacht, saß auf und konnte nur mit Mühe sein Fahrzeug wieder flott machen. – Über die Auffindung des Alaunbergwerkes und den Ursprung des Sees erzählt nun die Sage folgendes:
Um die Mitte des 16. Jahrhunderts lebte in Komotau ein Mann, der »dürre Merten« genannt, welcher im Besitze der schwarzen Kunst und als Prophet in der Stadt eine bedeutende Rolle spielte, und welcher allgemein wegen seiner Weisheit geehrt, aber auch wegen seiner Prophetengabe und übernatürlichen Geheimmittel gescheut wurde. Er erreichte ein Alter von 118 Jahren, lebte am Ende seiner Tage im Komotauer Spitale und fand schließlich einen gewaltsamen Tod durch Mörderhand. Er erließ viele Prophezeiungen, die lange im Volksmunde blieben und jetzt noch nicht völlig verwischt sind. Seine größte Prophezeiung bezog sich auf den 30jährigen Krieg und dessen Grund, auf das Erscheinen der Jesuiten in Komotau, und auf das tragische Ende des Georg Popel von Lobkowitz, des ehemaligen Herrn von Komotau. Außerdem prophezeite er einst: »Auf einer Wiese, welche von drei Seiten ein Kessel einschließt, ist ein großer Schatz verborgen, der durch Jahrhunderte Menschen und Geschlechter ernähren wird.«
Viele Leute von Geldgier getrieben, suchten emsig solche Plätze, welche mit der Prophezeiung übereinstimmten, auf und gruben, mit Schaufel und Haue bewaffnet, zur Nachtzeit nach dem verborgenen Schatze, erschreckten sich wohl oft gegenseitig, konnten jedoch nichts auffinden.
Einmal ging nun ein Fleischhauer aus Komotau, namens Lazarus Drohmann, der sich und seine alte gebrechliche Mutter durch sein Handwerk schlecht und recht ernährte, nach Rothenhaus bei Görkau, um Schlachtvieh einzukaufen. Er verspätete sich daselbst, da er nichts Passendes hatte finden können, und begab sich bei schon hereingebrochener Nacht nach Görkau, wo er Speise und Trank zu sich nahm und dann den Heimweg nach Komotau einschlug, als gerade der Türmer 11 Uhr blies. Er bemerkte es nicht, wie vom Milleschauer her schwarze, dichte Gewitterwolken herzogen. Bald brauste der Sturmwind einher, grelle Blitze beleuchteten auf Augenblicke den Weg und die ganze Gegend bis zu den Gipfeln des Erzgebirgs, und der Donner kam prasselnd und krachend im Gefolge. Lazarus beflügelte seine Schritte, um noch die Stadt vor dem völligen Ausbruch des Unwetters zu erreichen, aber vergeblich; gerade noch eine Viertelstunde war er von derselben entfernt und er hatte eben den Eichenwald betreten, dessen Platz jetzt der See einnimmt, als das Gewitter mit aller Macht entfesselt wurde. Er[328] suchte vor dem herabströmenden Regen und dem wütenden Sturme hinter einem dichten Eichengestrüppe notdürftigen Schutz und verfiel bald, von der Müdigkeit übermannt, trotz Sturm und Wetter in einen festen Schlaf. Plötzlich, es schlug gerade 12 Uhr auf dem Komotauer Turme, fuhr, wenige Schritte von ihm entfernt, ein greller Blitz in die Erde und erleuchtete Gras, Gestrüpp und Bäume tageshell. Der grelle Lichtschein und der damit verbundene Donnerschlag erweckten ihn gewaltsam und er fuhr entsetzt in die Höhe. Da sah er, betäubt und staunend, wie der Blitzstrahl einige Sekunden auf einer Stelle wie festgebannt haften blieb, dann sich aber teilte, indem ein Teil des Strahles in die Höhe ging, der andere jedoch in der Erde verschwand. Lazarus war voll Schreck und Staunen einige Zeit sitzen geblieben. Endlich, nachdem er sich von seiner Betäubung erholt hatte, sprang er auf und setzte, da auch das Unwetter bereits weiter gezogen war, den Rückweg fort, im Herzen Gott dankend, daß ihn der Blitzstrahl nicht getroffen, und erreichte glücklich seine Hütte.
Nach acht Tagen wanderte Lazarus abermals Geschäfte halber nach Rothenhaus. Auch diesmal schlug er den Rückweg bei vorgerückter Nacht ein. Seinen Weg beleuchtete jedoch der freundliche Mond und wohlgemut trat er in den Schatten des Eichenwäldchens, wo er vor wenigen Tagen dem Tode, wie er glaubte, nur durch ein Wunder entronnen war. Wie er so sinnend auf dem weichen Rasen dahinschritt, stand plötzlich ein Mädchen in hellstrahlender Schönheit vor ihm.
Der Mond beschien durch die Zweige der Eichen ihre freundlich lieblichen Züge, und von ihrem weißen Gewande schien selbst ein heller Schimmer abzugehen. Sie grüßte ihn und reichte ihm ihre Hand. Er fragte verwundert: »Woher kommst Du und was willst Du?« »Ich komme weither aus schönen Landen und gehe dorthin, wo mich meine innere Stimme ruft. Ich fliehe die Nähe böser Menschen, aber gute suche ich auf und beglücke sie. Du hast ein gutes Herz, ich will Dich daher glücklich machen, komm' und folge mir.« Die holde Erscheinung schritt voran, so leicht, daß sie kaum den Boden zu berühren schien, freudig und beklommen zugleich folgte ihr Drohmann. Nach einigen hundert Schritten machte sie halt und zwar merkwürdigerweise auf derselben Stelle, wo er sich vor acht Tagen vor dem Ungewitter verborgen hatte. Kein Laut, kein Ton war zu vernehmen, selbst das Heimchen schlief, überall herrschte die Stille des Grabes. Da ertönten von der Stadt her die ernsten, tiefen Töne der Mitternachtsstunde und wie auf einen Zauberschlag begann es sich überall im Wäldchen auf dem Grase, zwischen den mächtigen Baumstämmen und dem niedrigen Gebüsche zu regen und zu bewegen; kleine Männlein mit Schurzleder und[329] Kappe angethan, mit Hauen und Schaufeln versehen, eilten geschäftig herbei und begannen genau an dem Punkte, wo der eine Blitzstrahl sich in die Erde gesenkt hatte, zu graben, zu schaufeln und die Erde in winzigen Karren wegzufahren, daß es eine Lust war, ihnen zuzusehen. Im Umsehen war ein Stollen in die Erde getrieben und schon kamen daraus Männchen zum Vorschein, welche winzige Fäßlein pustend und schnaufend heraufrollten, die wiederum von anderen auf Wägelchen geladen und fortgeschafft wurden. Lazarus sah schweigend und verwundert dem geschäftigen Treiben der Gnomen zu, da schlug es 1 Uhr und wie mit einem Schlage war alles verschwunden, die Zwerge, der Stollen, die Fäßchen und Wägelchen, und Stille herrschte wieder ringsum. Er glaubte aus einem Traume erwacht zu sein. Wie er sich jedoch umsah, stand noch neben ihm das schöne Mädchen. Dasselbe sah ihn mit ernster Milde an und sprach: »Du sahest hier das Bild künftigen Fleißes. Die Erde, worauf wir stehen, birgt in ihrem Schoße Alaun und Schwefel. Ihr Gewinn gehört Dir. Gehe morgen wieder hierher, aber allein, und grabe um die zwölfte Stunde auf dem bestimmten Platze; wenn Du drei Schuh tief gegraben hast, wirst Du das Gesuchte finden. Dann erst können andere Dir helfen. Der Schatz, der in der Erde schlummert, ist groß, hebe ihn zu Deinem und der Mitmenschen Frommen. Wehe aber,« fuhr sie in noch ernsterem Tone fort, »wenn das Werk gierig und hastig, oder lässig und unachtsam betrieben wird, dann werden die Erdgeister den Schatz der Mutter Erde den Lässigen und Unachtsamen entrücken und sein Segen wird dem Lande für immer verschwunden sein. Lebe wohl!« Damit reichte sie ihm die Hand und ging schwebenden Ganges zwischen den Eichen dahin und je weiter sie ging, desto mehr schien es, als ob es ein heller Nebelstreif wäre, der sich am Waldesrasen dahinzog und der in der Ferne endlich verschwand. – In der folgenden Nacht verließ Lazarus heimlich seine Hütte, ohne der alten Mutter etwas von dem Erlebten mitgeteilt zu haben, und mit Spitzhaue und Schaufel versehen eilte er dem bekannten Wäldchen zu. Wiederum ballten sich über dem Erzgebirge Gewitterwolken zusammen, er aber ließ sich dadurch nicht in seinem Vorhaben zurückschrecken, glaubte er ja sicher und fest an die ihm gewordene Verheißung. Um 12 Uhr war er am Platze angelangt. Da brach aber auch mit furchtbarer Gewalt das Gewitter los und unter betäubendem Donner fuhr ein Blitz herab und senkte sich in geringer Entfernung von ihm in die Erde, alle Gegenstände ringsum grell beleuchtend. Dort erkannte er auch die Stelle, an welcher tags vorher die Zwerge gearbeitet, und nun begab er sich herzhaft ans Werk. Kaum hatte er mehrere Schuh tief gegraben, so stieß er auch[330] auf das verheißene Alaun- und Schwefelerz. Frohlockend verließ er den Platz und eilte, da es Tag geworden, nach Sebastiansberg, um der Bergobrigkeit seinen großen Fund anzuzeigen. Er erhielt hierauf vom Erbherrn von Komotau, Johann von der Weitmühl, die Rechte und Privilegien, welche zum Betriebe des Bergwerkes notwendig waren, und nun begann ein reges Leben im stillen Eichenwäldchen, so wie er es früher schon erschaut. Er wurde ein reicher Mann und sein altes Mütterchen erlebte noch frohe Tage.
Und die armen Bewohner der Stadt, des Landes und Gebirges genossen mit an dem Segen der Erde, und derselbe schien bei fleißigem und verständigem Betriebe eher zu- als abzunehmen, denn – wie der dürre Merten prophezeit hatte – »das Alaunerz wuchs unter der Stadt mit Gewalt.« Aber die ausgesprochene Drohung der weißen Jungfrau sollte ebenfalls in Erfüllung gehen. So lange das Werk mit Fleiß und Sorgfalt betrieben wurde, trug es reichlichen Gewinn und war ein Segen für Stadt und Land. Da kam es jedoch in habsüchtige Hände, es sollte rasch und viel gefördert werden, die Gänge und Stollen wurden nicht mit der alten Sorgfalt getrieben und erhalten, weil die Kosten der Erhaltung gescheut wurden. Da stieß man eines Tages in einem neu angelegten Stollen auf ungewöhnlich reiche Alaungänge, aber auch beim Weitergraben auf eine Quelle, deren Wasser lustig hervorsprudelte. Ein erfahrner alter Bergmann riet dem Bergwerksvorsteher, hier nicht weiter graben zu lassen, sondern den Stollen zu verbauen; aber sein Rat wurde verworfen, der prophezeiten Gefahr durch die kleine Quelle gespottet, winkte ja in dem neuen Stollen reicher Gewinn. Aber siehe, je weiter man arbeitete, desto mächtiger sprudelte die Quelle hervor, alle Versuche, sie zu verstopfen, mißlangen, das Wasser füllte den neuen Stollen, es stieg in die alten und stieg von Stunde zu Stunde immer höher, so daß die Bergleute eilig die Schächte verlassen mußten und keiner mehr in die Tiefe hinab fahren konnte. Endlich stieg es im mächtigen Schwalle bis zum Ausgange und füllte schließlich die Tiefe des ganzen Kessels und beherrschte als Sieger den ganzen Raum, wo früher viele zufriedene Menschen thätig gewesen waren. So entstand der jetzige Hütten- oder Alaunsee aus einer kleinen Quelle, und so war die Drohung in Erfüllung gegangen. Die Erdgeister hatten den Schatz wieder hinabgesenkt in die Erde, und die Wassergeister hüten ihn mit zähem Neide bis an den heutigen Tag. Selbst auf dem Wasser des Sees scheint noch der alte Fluch zu liegen, denn nichts lebendes kommt darin vor, kein Fisch schnellt über dem Spiegel nach spielenden Mücken empor, kein Wasserkäfer rudert darin emsig hin und her, sein Ufer bedeckt kein rauschendes[331] Schilf, in welchem der Rohrsperling sein Unwesen treibt oder der Rohrsänger seinen schönen Gesang ertönen läßt und das Wasserhuhn scheu sich birgt, nur selten lassen sich im Fluge, von seinem Spiegel gelockt, Wasservögel darauf nieder, um ihn enttäuscht nach kurzer Rast wieder zu verlassen; es herrscht auf ihm die Stille und der Friede eines Kirchhofes. Die Quelle, welche den See geschaffen, sprudelt noch fort. Wenn im Winter der Frost seine Decke darüber spannt, friert die Stelle am spätesten zu und sie birgt gebrechliches Eis. Schon manches Opfer der Unvorsichtigkeit hat sie in ihre Tiefe gezogen.
Im Komotauer Stadtarchive befindet sich eine Original-Urkunde, nach welcher der Komotauer Bürger Lazarus Drohmann im Jahre 1558 das Privilegium, auf Alaun und andere Mineralien bauen zu dürfen, erhielt.
(Meltzer, Hist. Schneebergensis, S. 871–875.)
Im Jahre 1608 hat sich der gute Brunn auf dem Streitwalde bei Niederzwönitz offenbaret, weil er viel Leute gesund machte. Eine Bäuerin aus Kühnheide hat nämlich dieses Brunnens heilsame Kraft durch einen Traum offenbart bekommen, nachdem sie 14 Jahre lang einen bösen Schaden an einem Schenkel gehabt und viel daran ausstehen müssen. Sie hat, als sie nach ihres Traumes Anweisung den Brunnen nicht sogleich finden konnte, viel alte Leute gefragt, ob nicht bevor in dieser Gegend ein gewisser Heilbrunnen vorhanden gewesen oder noch anzutreffen sei. Da habe sie endlich einen hundertjährigen Mann angetroffen und sich bei demselben weiter erkundigt. Derselbe habe die Bäuerin getröstet und ihr angezeigt, daß er den Brunnen wüßte; das Wasser desselben habe schon viele gesund gemacht und es sei deshalb früher an demselben eine Kapelle zu Ehren der heiligen Anna aufgebaut gewesen. Darauf habe er das Weib an den Ort geführt, worauf es auch nach des Brunnens Gebrauch von ihrer Krankheit befreit worden sei.
Im Jahre 1646 ist dieser Gesundbrunnen, der auch der Brunnen zu den drei Tannen genannt wurde, aufs neue in Aufnahme gekommen; jedoch soll derselbe jetzt 12 Lachter höher hinauf seinen Ausfluß gehabt haben. Einem Mägdlein zu Gablenz, so einen Kern im Auge gehabt, träumte, es solle sich zu dem Drei Tannen-Brunnen führen und daselbst sich waschen lassen, so würde es sehend werden. Und da es dem Vater solchen Traum erzählet und inständig angehalten, er möge es dahin führen, habe es den alten Brunnen, dahin sie gelanget,[332] nicht für den rechten Brunnen erkannt, sondern gesagt, es wäre gar ein kleines, frisches Brünnlein. Und da hierauf der Vater seitwärts abgegangen und den neuen Quell in einem morastigen Sumpfe gefunden, hätte er dem Kinde die Augen dreimal mit dem Wasser gewaschen und etwas davon mitgenommen, und da er mit dem Waschen aus diesem Wasser fortgefahren, in der That erfreulich empfunden, daß das Mädchen auf dem Auge wieder sehend wurde. Darauf ist denn ein großer Zulauf der Leute von nahen und fernen Orten entstanden, so daß an manchem Tage wohl vier-, fünf- und mehr hundert Personen auf dem Platze sich befunden hätten, welche das Wasser teils kalt getrunken, teils gewärmet oder Suppen daraus gemachet, teils sich damit gewaschen oder zum Bad gebraucht hätten. Es hat auch seine Kraft und Wirkung an vielen kranken Personen gezeigt.
Die Sage, daß im Jahre 1646 der gute Brunnen aufs neue in Aufnahme gekommen sei, scheint sich auf eine zweite Quelle, welche man nach der Angabe Engelhardts (Erdbeschreibung von Kursachsen, 2. B., S. 219) in dem genannten Jahre fand und Krätzbrunnen nannte, zu beziehen. Die erste Quelle soll bereits 1498 oder 1501 entdeckt worden sein und sich so heilsam gezeigt haben, daß man bei ihr die in der Sage erwähnte Kapelle zu Ehren der heiligen Anna erbaute. Dieselbe ging jedoch bald wieder ein; doch blieb der Name St. Annenbrunnen, aus welchem das Volk später »Tannenbrunnen« oder »Brunnen zu den drei Tannen« machte, weil drei Tannen in seiner Nähe standen. Rings um den Brunnen baute man Hütten und es wurden Predigten und Betstunden bei der Quelle gehalten.
(Lehmann, Histor. Schauplatz, S. 242.)
In Grumbach wohnte ein feiner, ehrlicher Mann, Daniel Nestler, welcher große Beschwerung im Leibe hatte; diesem träumte im Jahre 1646 von einem Gesundquell. Er ging darauf durch Wiesen auf einem gebahnten Wege an die Stelle, welche nahe am Walde und nicht weit von dem sogenannten Thumshirn-Brunnen lag. Als er von dem neuen Quell getrunken hatte, grimmete es ihm erstlich sehr im Leibe, doch wurde er darauf seine Beschwerung los. Weil dann aus Meißen und Böhmen ein großer Zulauf wurde und man das Wasser im warmen Bad gebrauchte, hielt man dabei Betstunden und vermahnte zugleich, das Wasser behutsam zu gebrauchen.
Der oben genannte Thumshirn-Brunnen hat seinen Namen von einem Generale, welcher 1548 mit einigen Regimentern auf Befehl[333] des Kurfürsten Joh. Friedrich nach Böhmen zog und an dem Brunnen sich lagerte.
(Lehmann, Histor. Schauplatz, S. 243.)
Das Geschrei vom Bernsbacher Heilbrunnen entstand im Jahre 1684. Denn als die Kirchleute am 7. Sonntage nach Trinitatis nach Hause gingen, sahen sie ein Wasser, das mitten im Wege in ungewöhnlicher Weise emporquoll. Das ungebändige Volk lief zu und brauchte den Brunnen mehr zum Schaden als zum Nutzen. Denn bei manchen unreinen Leibern blieb er sitzen und machte große Ungelegenheit, etliche purgierte er heftig, etliche gar nicht. Einigen machte er die blöden Augen klar, anderen aber verdunkelte er dieselben. Es verschwand aber die heilsame Kraft samt dem Brunnen, nachdem dabei viel Unfug getrieben worden war.
(Grohmann, Sagen aus Böhmen, S. 257.)
In der Nähe des Dorfes Hartessenreuth ist ein Brunnen, dessen Wasser heilkräftig sein soll. Am Rande dieses Brunnens pflegt zur Adventszeit in der Nacht ein altes Weib zu sitzen, und wenn jemand in später Nacht vorbeigeht, so hockt sie sich ihm auf und läßt sich bis zum nächsten Kreuzwege schleppen. Dort springt sie herab und eilt lachend zum Brunnen zurück. Vor alten Zeiten soll hier ein Einsiedler seine Hütte erbaut haben. Jeden Morgen ging er zum Brunnen, wusch sich dort und verrichtete dann sein Gebet. Darin wurde er aber durch einen höllischen Lärm gestört und wenn er aufblickte, sah er, daß hinter dem Brunnen ein altes Weib hockte und ihn störte. Er suchte die Hexe zu bannen, aber sie rührte sich nicht von der Stelle. Da rief er im Zorne: »So verfluche ich Dich, ewig bei diesem Brunnen zu sitzen, aber das Wasser des Brunnens soll heilkräftig werden und Du sollst zusehen, wie die Menschen, die krank hierher kommen, fröhlich von dannen ziehen!« Seit dieser Zeit ist der Brunnen heilkräftig geworden, das alte Weib aber sitzt heute noch an seinem Rande.
(Grohmann, Sagen aus Böhmen, S. 256.)
In der Nähe von Mariakulm liegt auf einer Anhöhe das Dorf Hartessenreuth. Am Fuße dieser Anhöhe erstreckt sich eine breite Wiese und in derselben ist eine Quelle, deren Wasser fortwährend in sprudelnder Bewegung ist, wodurch ein deutlich hörbares Brausen entsteht, so daß man glaubt, das Wasser siede. Dort, wo jetzt die Quelle sprudelt, stand früher ein Gehöfte, das von einem Bauer mit seinem Weibe und seinen Knechten bewohnt ward. Der Mann und das Gesinde waren sehr gottesfürchtig, das Weib aber nicht. Sonn- und Feiertage wurden von ihr nicht geheiligt; sie hatte die Gewohnheit, während der Messe Garn zu sieden. Der Mann hielt ihr das oft vor, aber sie antwortete jedesmal mit Schimpfworten. Einst, als sie wieder des Sonntags anfing Garn zu sieden, wurde der Bauer zornig und sprach: »Dich soll das Donnerwetter bei lichtem Tage holen!« Darauf ging er mit seinen Knechten in die Kirche. Sie waren noch nicht lange dort, als sich ein furchtbares Gewitter erhob; es blitzte und donnerte schrecklich. Der Bauer dachte dabei an die Worte, die er gesprochen hatte und es wurde ihm bange. Die Bäuerin daheim aber kümmerte sich um das Unwetter gar nicht, sondern ging unbesorgt ihrer gewöhnlichen Beschäftigung nach. Da wurde es plötzlich finster wie die Nacht, ein Blitz entfuhr den Wolken und schlug in das Gehöfte. Kaum aber hatte er die Erde berührt, so öffnete sich diese und verschlang das ganze Gehöfte samt der Bäuerin. Die oben genannte Quelle soll nun der Hafen sein, worin sie das Wasser kochte und deshalb ist das Wasser darin fortwährend in siedender Bewegung.
(Chronica der Bergstadt St. Annaberg. I. 1746. S. 5.)
Es wird erzählt, auf dem Pöhlberge solle ein Wunderbrunnen sein, den aber nicht jedermann finden und sehen könne, der bald da wäre, bald aber wieder verschwinde, und säße eine Jungfer dabei.
Dr. Ewald Dietrich führt in den romantischen Sagen des Erzgebirges I. Bd. No. 1 die obige Sage unter der Überschrift: »Die Jungfrau des Bielberges« noch weiter aus. Diese novellistische Bearbeitung trägt aber ganz unverkennbar das Gepräge des Selbsterfundenen und Gemachten, so daß Abstand genommen wurde, sie hier, wenn auch nur in gekürzter Form, wieder zu geben, obschon dies Gräße in seinem Sagenschatze gethan hat. Siehe auch No. 46.
(Steinbach, Historie des Städtchens Zöblitz, 1750, S. 28; Lehmann, Schauplatz etc., S. 451.)
Man war ehemals der Meinung, daß der Serpentin ein gutes Gegengift sei, da man in den Serpentinsteinbrüchen von Zöblitz niemals eine Otter, Kröte, einen Molch oder dergleichen giftiges Tier gesehen habe. Daher wurden aus dem Steine Pflaster und Pillen, sowie eine vortreffliche Tinktur gemacht; das Pflaster gebrauchte man gegen Kopfschmerzen, Reißen und Gicht, die Pillen gegen Schwachheit des Magens und die Tinktur gegen Gift und »alle anfälligen Krankheiten.« Ein alter Reim zählt auf, gegen welche Krankheiten sich der Stein als nützlich erwiesen habe:
(Richter, Chronica der freyen Bergstadt St. Annaberg, 1746, S. 248.)
Auf dem Gottesacker zu Annaberg stehet eine große, schöne und mit Ästen stattlich ausgebreitete Linde, unter welcher der Rat und die Vornehmsten aus der Stadt auf Stühlen zu sitzen pflegen, wenn die Trinitatispredigt unter freiem Himmel jährlich zu Mittage gehalten wird.
Man hat die Tradition, daß diese Linde bei folgender Gelegenheit umgekehrt hierher gesetzt worden sei. Ein Marstaller allhier auf St. Annaberg habe einen ruchlosen Sohn gehabt, welcher sonderlich[336] an keine Auferstehung habe glauben wollen, daher ein Priester sich alle Mühe gegeben, diesen bösen Menschen auf bessere Gedanken zu bringen. Derselbe sei mit dem ruchlosen jungen Burschen auf den Gottesacker gegangen und habe ihm daselbst vorgestellt, daß dieses das Feld des Herrn sei; wie der ausgestreute Same auf dem Felde aufginge und herfür wachse, so würden auch diese Begrabenen, so zu sagen, als ein Samen, wieder aus der Erde am jüngsten Tage herfür kommen. Darauf habe dieser junge Mensch eine noch kleine Linde auf dem Kirchhof erblicket, solche angesehen und zu dem Priester gesagt, so wenig als diese Linde, wenn man sie ausreißen und umgekehrt mit den Ästen in die Erde setzen wollte, ausschlagen würde, so wenig würden diejenigen, welche einmal tot wären, wiederum lebendig werden und auferstehn. Hierauf habe der Priester, in göttlichem Eifer entbrannt, geantwortet, er wüßte gewiß, Gott würde so gnädig sein, und um solche Ruchlosigkeit zu strafen, ein Zeichen seiner Allmacht sehen lassen, er wolle diese Linde umgekehrt lassen in die Erde setzen, und würde sie ausschlagen, so sollte er hiervon seinen bösen Unglauben kennen lernen, welches auch hernach also geschehen.
Die der Frigg geheiligte Linde war Liebesbaum, welcher nicht bloß von Liebenden besucht, sondern auch als äußeres Zeichen der Liebe, welche über das Grab hinaus dauert, auf den Friedhöfen angepflanzt wurde. Außerdem galt sie unsern Vorfahren als Dingbaum, unter welchem Beratungen gehalten und Recht gesprochen wurde. Die Mitglieder des Annaberger Rats setzten sich zum Zeichen ihrer Würde und Gewalt auch während der Predigt im Freien unter den Lindenbaum. – An unsere Sage erinnert die von der großen Linde auf dem Nikolai-Kirchhof in Görlitz, insofern auch dieser Baum, verkehrt eingepflanzt und so noch fortgrünend, einen Glaubenssatz als Wahrheit bestätigte. Als nämlich zu Ende des 16. Jahrhunderts der in den Verdacht des Calvinismus gekommene Pfarrer Martin Moller zu Görlitz sterben wollte, sagte er zu den Seinen: »Wenn ich werde gestorben sein, so pflanzt auf mein Grab eine junge Linde mit den Zweigen in die Erde. So gewiß diese Linde wachsen wird, so gewiß habe ich auch Gottes Wort rein und lauter gelehrt und gepredigt.« Dieser sein letzter Wille geschah und was er gesagt hatte, traf ein, so daß alles sich hoch verwunderte und viele gläubig wurden. (Haupt, Sagenbuch der Lausitz, II. No. 125. 2.)
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 52.)
Einstmals zog aus einem Städtchen, im Innern Böhmens gelegen, ein armer braver Jüngling mit Namen Georg, da der Kaiser die Kriegstrommel rühren ließ, ins Feld, um als treuer Soldat für das bedrohte Vaterland zu kämpfen. Er nahm von seinem lieben Mütterlein[337] und von Maria, seiner Verlobten, herzlichen Abschied und gab letzterer das Versprechen, nach seiner Rückkehr sie als Gattin heimzuführen. Aber Jahr um Jahr verging, ohne daß seine Angehörigen eine Nachricht von ihm erhielten. Endlich ward der langwierige Krieg beendigt, und die siegesfreudigen Truppen kehrten in die Heimat zurück, wo ihnen allenthalben jung und alt einen festlichen Empfang bereitete. Auch Marie, die unter Hoffen und Harren sechs kummervolle Jahre verlebt hatte, eilte auf die Landstraße hinaus, um ihren Bräutigam zu empfangen, allein er kam nicht. Dies gab ihrer Mutter, welche die Hand ihrer Tochter schon längst dem reichen Nachbar Paul zugesagt hatte, eine willkommene Veranlassung, in sie zu dringen, Georg, der entweder im Kampfe gefallen sei oder sich unter liederlichem Gesindel herumtreibe, zu vergessen und in die glänzende Partie einzuwilligen. Jedoch Marie blieb standhaft und hielt fest an Georg. – Als aber Mutter und Verwandte sie mit wiederholten Bitten und mit ungestümen Drohungen bestürmten, gab sie dem Verlangen nach und erbat sich ein Jahr Aufschub; denn sie hoffte mit aller Zuversicht, daß innerhalb dieser Frist ihr Verlobter heimkehren werde. Doch auch das siebente Jahr verstrich ohne Georgs Rückkehr, und Marie wurde Pauls Gattin.
An einem trüben Septembertage schritt ein junger, kräftiger Wandersmann auf der Landstraße daher. Es war Georg, der voll Sehnsucht seiner Heimat zueilte. Derselbe war nach abgeschlossenem Frieden in der Fremde geblieben, um durch rastlose Arbeit und Sparsamkeit sich einiges Vermögen zu erwerben. Nachdem ihm sein Plan geglückt war, wollte er nun seiner alten Mutter, die ihm unter Mühen und Sorgen so viel Gutes erwiesen, das Alter versüßen und mit Marie einen eigenen Hausstand gründen. Mit wonnigen Gefühlen erreichte er beim Dunkelwerden sein heißersehntes Ziel, die ärmliche Hütte seiner Mutter, und schaute durch die Fensterscheiben ins traute, stille Stübchen, wo sein greises, gebücktes Mütterchen beim Spinnrocken saß und spann. Er klopfte leise an die Hausthür, und beim Öffnen derselben fiel ihm seine Mutter mit thränenden Blicken um den Hals und drückte ihn an ihr Herz. Nach der Freude der ersten Umarmung erkundigte sich Georg nach seiner Braut. Da erzählte ihm die Mutter, wie Marie sieben Jahre vergebens auf ihn gewartet habe, und wie sie, ihn für tot haltend, Pauls Gattin geworden sei. Wie vom Schlage getroffen stand Georg da, dann faßte er Mut und sprach mit festem männlichen Ton: »Also für tot hielt mich Marie; wohlan denn, ich will es sein für sie und die Welt! Morgen in der Frühe verlasse ich diesen Ort für immer, um mich in die Einsamkeit zurückzuziehen.«[338] Hierauf ging er zu dem Lindenbaume, welcher vor dem Hause des Nachbars Paul stand, und schnitt sich einen Stab als treuen Gefährten auf seiner Pilgerreise, die er trotz der Mutter inständigem Flehen bei Anbruch des nächsten Tages antrat, um den Einsiedler Johannes Niavis (Schneevogel), welcher im Erzgebirge ein frommes Leben führte, aufzusuchen und mit ihm sich zu vereinigen. Georg beeilte sich, in großen Tagesmärschen seine Reise zu vollführen. Und wirklich kam er nach mehrtägiger, mühsamer Wanderung seinem Ziele so nahe, daß er bis zu der einsamen Wohnung des Eremiten, welche um St. Albrecht unter dem Wolfsberge bei Joachimsthal lag, wo der Schwarzgang hinabstreicht, nur noch eine Viertelstunde Weges zurückzulegen hatte. Da klang aus der Ferne das Ave-Maria-Glöcklein. Georg zog sein Hütlein, kniete nieder und betete. Doch horch; leises Wimmern, klägliches Stöhnen dringt an sein Ohr! Der Andächtige erhob sich und eilte nach der Stelle hin, woher die Stimme ertönte. Er fand im Gebüsche einen Israeliten liegen, der aus vielen Wunden blutete. Ihn hatten Räuber, als er von seinem Hausierhandel nach Lichtenstadt zurückkehren wollte, überfallen, mißhandelt und seiner Habseligkeiten beraubt. Von tiefem Mitleid ergriffen, holte Georg in seinem Hute aus der nahen Quelle Wasser, um den Todesblassen mit einem frischen Trunke zu stärken und dessen klaffende Wunden auszuwaschen; allein sein Liebesdienst war erfolglos, denn in wenigen Minuten hauchte der Israelit seine Seele aus.
Während der Fremdling, ein wahrer Samariter, bei der Leiche kniete und mutterseelenallein das Sterbegebet verrichtete, näherten sich dem Thalorte eilige Schritte. Georg glaubte hülfreiche Unterstützung zu erlangen, um den Leichnam nach einem andern Orte schaffen zu können, und war deshalb sehr überrascht, als er von Schergen, die ihn des verübten Mordes beschuldigten, ergriffen und gebunden wurde. Dann führten sie den Unschuldigen nach der nahen Bezirksstadt Joachimsthal, wo sie ihn ins Gefängnis warfen.
Georg beteuerte beim Verhöre seine Unschuld, allein seine Aussagen wurden als freche Lügen hingestellt. Eher hätte er von den Säulen, auf denen die Saaldecke ruhete, Gnade erflehen können, als von den hartherzigen Richtern, welche ihn der vollbrachten Mordthat schuldig erklärten und zum Tode durch Henkershand verurteilten.
Des andern Tages ertönte das Sünderglöcklein. Eine unzählige Volksmenge hatte sich auf dem Marktplatze versammelt, denn alles wollte den Mörder, der zum Galgen geführt wurde, sehen. Als die Versammelten aber einen jungen Mann mit mildem Angesichte erblickten, der einmal gen Himmel, das andremal auf seinen Lindenstab[339] seine Blicke richtete, blieb kein Auge thränenleer. – Auf dem im Osten der Stadt gelegenen Galgenberge, dem damaligen Richtplatze, angekommen, sprach Georg mit lauter, weithin vernehmbarer Stimme: »Daß ich schuldlos sterbe, möge Gott der Barmherzige an meinem dürren Lindenstabe bezeugen!« Nach diesen Worten hob er ihn in die Höhe und stieß ihn mit aller Kraft in die Erde. Und siehe! kaum hatte der Henker sein Werk vollbracht, so sah man an dem Lindenstabe die ersten grünen Keime. Derselbe wurde nun ausgehoben und zum gottesfürchtigen Einsiedler Schneevogel getragen, der ihn neben seiner Kapelle in die lockere Erde einsetzte und mit Sorgfalt hegte und pflegte. Aus dem dürren Stabe aber wuchs im Laufe der Zeit ein mächtiger Lindenbaum, die Urmutter der stattlichen Linden heran, die noch heutzutage bei dem Kapuzinerkloster zu Mariasorg stehen.
(Ziehnert, Sachsens Volkssagen. Anhang, No. 51.)
Auf dem Rittergute Blankenhain im Amte Zwickau diente einst ein ehrlicher und braver Hirtenjunge, namens Liebhold, dem aber die Knechte und Mägde gehässig waren, weil er, sobald er von denselben etwas sah, was wider den Willen seiner lieben Herrin, der Edelfrau, war, ihr solches immer sogleich anzeigte. Als daher einmal der gnädigen Frau ein goldnes Kettchen weggekommen war, ergriff das gottlose Gesinde die günstige Gelegenheit, den armen Jungen zu verderben; der gewissenloseste unter den Knechten ging hin zur Herrin und zeigte Liebholden als den Dieb an, den er über der That betroffen habe. Die Edelfrau übergab den Angeklagten den Gerichten, welche ihn nach vielfachem Verhöre, wie hoch er auch seine Unschuld beteuerte, auf den falschen Schwur seines Anklägers zum Strange verdammten. Nach wenigen Tagen wurde das Urteil vollzogen. Unter wimmerndem Geläut der Sünderglocke führte man den armen Liebhold hinaus vor das Dorf, wo ein großer Balken mit einem Arme oben als Galgen aufgerichtet war. Noch einmal, ehe er in den Tod ging, betete er zu Gott, daß er seine Unschuld rechtfertigen möge und dann, zu den Umstehenden gewendet, rief er: »Der mich angeklagt hat, der hat einen falschen Eid geschworen. Denn, so wahr ich unschuldig bin, so wahr wird dieser Balken, welcher mein Galgen sein soll, nach meinem Tode anfangen zu grünen und Zweige treiben, und Jahrhunderte hindurch als ein frischer Baum bewundert werden!« Darauf wendete er sich zum Henker und litt mit frommer Zuversicht auf das Jenseits den unverdienten[340] schmachvollen Tod. – Und als das nächste Frühjahr kam, da gab Gott die Unschuld Liebholds an den Tag. Der Balken des Galgens wurde grün und trieb Zweige, so wie es Liebhold vorhergesagt hatte. Die Edelfrau wurde darüber voll Unruhe und gebot, den meineidigen Knecht zu verhaften. Aber ehe die Häscher denselben erreichten, hatte er sich im Koberbache ertränkt. Es wurden später mehrere nahe am Rittergute stehende, hohe Erlen umgeschlagen, und auf einer derselben fand man ein Dohlennest und darinnen das gestohlene goldne Kettchen der Edelfrau. – Der Galgenbaum, jetzt ein starker und hoher Baum, ist heute noch bei Blankenhain zu sehen.
Sagen von dürrem Holze, von Pfählen, Stecken und dergleichen, welche wieder grünen und dadurch die Unschuld eines unschuldig mit dem Tode Bestraften anzeigen, giebt es auch an andern Orten. So erzählt eine thüringische Sage, daß ein Bursche aus Lautersdorf, welcher, der Hexerei angeklagt, zum Richtplatze geführt wurde, beim Anblicke von Pfählen, die ein Bauer einschlug, um Bäume anzubinden, noch seine Unschuld mit den Worten beteuerte: »So wahr ich unschuldig bin, wird Gott ein Wunder thun und einen dieser dürren Pfähle ausschlagen und zum starken Baume heranwachsen lassen.« So geschah es. Als das Volk von der Richtstätte zurückkehrte, hatte einer der trocknen Pfähle grüne Blätter und braune Zweiglein bekommen. Er wuchs zu einer starken Buche empor. (O. Richter, Deutscher Sagenschatz, 3. H. No. 69.)
(Mitgeteilt von G. Fiedler.)
In der Nähe des Sahnparkes bei Crimmitschau stehen drei große schattenreiche Linden. Es wird erzählt, daß einst ein Schäfer des Rittergutes Frankenhausen eines Diebstahls wegen zum Tode verurteilt wurde, trotzdem er bis zum letzten Augenblicke seine Unschuld beteuerte. Da bat er sich noch die Gnade aus, auf dem Richtplatze drei junge Linden verkehrt pflanzen zu dürfen. Würden die auf solche Weise gepflanzten Bäumchen fortkommen, so möge man dies als Zeichen seiner Unschuld ansehen, würden sie aber verdorren, so wäre er des Diebstahls schuldig. Der Schäfer wurde hingerichtet, aber die vor seinem Tode von ihm mit den Ästen in die Erde gepflanzten Bäume gediehen zum Zeugnisse, daß er unschuldig gewesen war.
(Curiosa Sax. 1733, S. 77. Gräße, Sagenschatz etc. No. 466. Richter, Chron. von Chemnitz I. 1767, S. 100.)
Als den 19. April des Jahres 1540 die Barfüßermönche aus[341] der Stadt Chemnitz vertrieben wurden, nahmen sie ihren Abzug über den Katzberg (Kassberg), Sauanger und Altchemnitz, nach Böhmen zu; dabei hat einer derselben, Bruder Barthel genannt, auf dem Sauanger bei der Nikolaigasse eine Valetpredigt gehalten und darin verschiedene Dinge prophezeit. So hat er ein unter seinen Zuhörern stehendes Weib also angeredet: »Du liebes Weib, Du trittst allhier und hörst mir zu, weißt aber nicht, daß Dir unterdessen Dein einziges Kind im Bade ertrunken ist?« welches sie auch also tot gefunden. Ingleichen hat er verkündigt, daß der gute Mühlsteinbruch bei Chemnitz gangbar werden und daß in den beiden Kirchen zu St. Johannes und Nikolaus auf dem Altare Heidelbeersträucher wachsen würden. Dies ist auch geschehen, denn es sind beide Kirchen im Jahre 1547 von den Feinden angegriffen worden, wie sie denn viel größer und schöner denn jetzt gebaut gewesen. Weiter hat er dieser Stadt angesagt, daß sie nach ihm eine schöne wohlgebaute Stadt, volkreich und mit vielem Glück und Gaben Gottes würde begabt werden, allein wegen ihres Übermuts und anderer Sünden werde sie von Gott mit Pestilenz, Kriegsnot, Feuerschaden und endlich mit einer großen Wasserflut gestraft und heimgesucht werden, was auch leider bald nachher eingetroffen ist. Von Neukirchen im Amte Chemnitz hat dieser Mönch gesagt, daß sein Erbherr ein großes Schloß daselbst bauen, aber keiner allhier sterben und begraben werden dürfe, welches auch bis 1709 also geschehen, als in welchem Jahre der ältere Baron von Taube auf dem genannten Schlosse gestorben und in Neukirchen begraben worden. Ferner hat er gesagt, es werde daselbst auch eine steinerne Brücke erbaut werden, darauf werde eine doppelt verlobte Braut, wenn sie zur Kirche fahren wolle, versinken, welches auch die Erfahrung wahr gemacht hat.
(Staberoh, Chronik der Stadt Oederan, S. 255.)
Am 22. Januar 1763 legte sich der alte Pastor M. Schütze zu Oederan ins Grab. Wenige Stunden vor seinem Ende forderte er Feder, Tinte und Papier, da er nicht mehr sprechen konnte. Die Feder entfiel ihm ebenfalls. Da blickte er den anwesenden Diakonus Frey wehmütig an und schrieb mit dem Finger folgende Zeichen aufs Bett: »m – E – gef. –. 7 Jam – El – betet!«, das letzte Wort ganz deutlich, die ersten aber vermochte der Diakonus nur mit Mühe herauszubringen und auf ein Papier zu schreiben. Erst im Jahre 1770 sollten die Buchstaben, welche man nicht verstanden, ihre Bedeutung finden; sie hießen: »Machet Euch gefaßt in 7 Jahren auf Jammer[342] und Elend! betet!« Und es folgten drei traurige Hungerjahre, hervorgerufen durch Mißwachs. Schon im zweiten Jahre konnte niemand mehr dem Andern eine Gabe reichen. Die Ernte faulte schon auf dem Felde. Die Körner wurden auf der Mühle zu Brei statt zu Mehl und hatten einen üblen Geruch. Viele starben buchstäblich vor Hunger, so daß vom Obergebirge, wo es am traurigsten aussah, viele hundert Kinder, welche keine Eltern mehr hatten, in die großen Orte verteilt werden mußten.
(Grohmann, Sagen aus Böhmen, S. 312.)
In Graslitz sollen auf dem Marktplatze einmal Zigeuner Feuer angemacht und sich ihre Speisen gekocht haben. Als sie wegzogen, konnte niemand mehr eine Spur entdecken, wo das Feuer gebrannt hatte. Diese Zigeuner sollen denn auch der Stadt prophezeit haben, daß, wenn in Graslitz ein Brand entstünde, doch niemals mehr als zwei Häuser abbrennen würden. Diese Prophezeiung hat sich denn auch stets bestätigt.
(Gräße, Sagenschatz des K. Sachsen, No. 557.)
In dem beim Schlosse Hartenstein befindlichen Walde befand sich vor Jahren ein ungeheurer, prächtig belaubter Eichenbaum, von dem man erzählte, daß sein Bestehen auf geheimnisvolle Weise mit dem Schicksale des Schönburgischen Hauses verflochten sei. Man sagte, wenn der Baum umgehauen werde, würden drei Glieder des Schönburgischen Stammes sterben.
(Illustrirtes Familien-Journal. V. No. 116.)
Es war im vorigen Jahrhunderte an einem Sylvesterabende, da saß in der Stadt Schöneck ein alter, wackerer Schneider, zugleich Stadtrat und Gemeindeältester, mit seiner getreuen Ehehälfte im rauchgebräunten Stübchen und schneiderte noch für den Festtag. Im großen Kachelofen prasselte ein gemütliches Feuer, und in der Röhre sang der Kaffee gar lustige Liedlein. Auf einmal erhob sich die Hausmutter, kramte herum und suchte und suchte, und machte ein gar verdrießlich Gesicht, vergeblich, sie fand nicht das Kameelgarn zu den Knopflöchern.[343] Die Niederlage war aber oben auf dem Boden; deshalb mußte der Vater hinauf. Oben stand er in der schönen Winternacht an der Dachluke, und es wurde ihm so wunderlich im Herzen und er mußte sein Käppchen abnehmen und ein stilles Vaterunser beten. Wenn man aber zur Neujahrsnacht unter einem Balken steht, dessen eines Ende nach Morgen gerichtet ist, und ein Vaterunser betet, und nicht aus der Linie des Balkens heraustritt, so kann man »horchen«, d. h. einen Blick in die Zukunft thun, die in einzelnen Bildern vorüberzieht. Tritt man aber aus dem Kreise heraus, oder man erzählt jemandem, was man gesehen hat, so solls einem den Hals umdrehen. Der Alte hatte gar nicht daran gedacht, – aber auf einmal, da fängts an zu läuten, als ob eine Leiche wäre, und den Mühlberg herauf kommt ein langer, langer Leichenzug, immer näher und näher, bis er endlich vor des alten Schneiders Haus anhält. Es dauert auch nicht lange, so kommt die Schule und die Geistlichkeit, mit dem Kreuze voran, stellen sich neben der Bahre auf, singen zwei Lieder und eine Arie, und dann setzte sich der Zug in Bewegung nach dem Kirchhofe zu. Der Alte kann die Leichenbegleiter alle erkennen, Vettern, Nachbarn, Gevattern, ja sogar sich selbst und seine Ehehälfte darunter, sich selbst dicht hinter dem Sarge und mit weinenden Augen. Da ward's ihm doch ein wenig bange und er wäre gern fortgegangen; aber es fiel ihm noch zu guter Zeit das Halsumdrehen ein. Wie er nun so recht trübselig da stand und träumerisch hinausblickte, sah er aus einem Hause ein Flämmchen herausfahren, dann aus einem andern, dann wieder eins und wieder eins, und zuletzt kam fast aus jedem Hause ein Flämmchen gefahren, und das, wußte er wohl, bedeutet Feuer. Da konnte er sich denn doch nicht mehr halten, sprang aus dem Kreise, und – es schlug Eins! Als er indessen wieder herunterkam, war seine alte Ehehälfte eingeschlafen; er weckte sie auch nicht erst auf, sondern ließ die Arbeit sein und legte sich nieder, konnte aber nicht schlafen, war früh verstimmt, ging auch nicht in die Metten, sondern saß still und traurig daheim. Als er nach einigen Tagen den Wächter traf, that dieser sehr geheimnisvoll und beklommen und meinte: »Meister, Meister! 's wird ä schlecht Jahr für Euch und für uns all'! Der liebe Gott behüt' uns und die Stadt! mehr darf ich nit sagen: aber wachet und betet, daß ihr nicht in Anfechtung fallet!« Der hatte auch gehorcht, und so noch andere. – Es dauerte auch nur wenig Wochen, da starb des alten Schneiders Bruder, der Müller drunten in der Bockmühle. Es wurde zur Leiche gelauten, den Mühlberg herauf kam ein langer Zug, der vor des Alten Haus anhielt. Es kam die Schule und die Geistlichkeit voran, die stellten sich auf, sangen dieselben zwei Lieder und[344] dieselbe Arie, dieselben Leute gingen hinter dem Sarge her, der Alte mit entblößtem Haupte und weinenden Auges. Der alte Wächter aber stand am Kirchhofthore, sah den Alten verständnis- und geheimnisvoll an, und weinte so heftig, daß die Leute gar nicht begreifen konnten, wie ihm der Tod des Bockmüllers so zu Herzen gehen könne. Der hatte aber seinen guten Grund, traurig zu sein, denn er wußte, was geschehen würde. Es geschah auch. In demselben Jahre noch ist fast die ganze Stadt abgebrannt und des Alten Haus dazu. Es war nur gut, daß es gerade Eins schlug, als er aus dem Kreise sprang; sonst wäre es wohl noch schlimmer für ihn geworden.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 37.)
Zur Zeit, da in Joachimsthal das Hochgericht bestand, bewohnte der Scharfrichter, mit dem niemand verkehren wollte, ein einsames Häuschen im untersten Stadtteil. Häufig besuchte eine Frau des Henkers Familie. So oft sie mit ihrem Kinde in die Stube trat, hörte das Weib des Scharfrichters die in dem Waffenschranke hängenden Schwerter dumpf aneinander schlagen. Auf diesen merkwürdigen Vorfall machte das Weib endlich ihren Mann aufmerksam, der darüber nicht die geringste Verwunderung aussprach. Als der Scharfrichter eines Tages bemerkte, daß die Frau mit dem Kinde sich seiner Wohnung näherte, öffnete er den Schrank, worin sich die Schwerter und die übrigen Hinrichtungswerkzeuge befanden. Kaum hatten die erwarteten Ankömmlinge des Gemaches Schwelle überschritten, so bewegte sich sofort das größte Schwert im Schranke, berührte die daneben hängenden Schwerter und verursachte ein unheimliches Geklirre. »Arme Frau,« sprach bewegt der Scharfrichter, »meine Freundespflicht befiehlt mir, Euch eine höchst traurige Mitteilung zu machen. Ihr werdet an Eurem Kinde viel Kummer und Schmerz erleben, denn es wird durch Henkershand sein Leben enden. Seht, wie sich dort das Schwert bewegt, dessen Klänge Ihr hört! Dies alles zeigt mir an, daß Euer Kind einst hingerichtet werden wird durch mein Schwert.« »Um Gotteswillen! ich beschwöre Euch,« rief laut schluchzend, händeringend und schreckensbleich die Mutter, »sucht das gräßliche Los von meinem Kinde abzuwenden!« »Soll Euer Kind dem schmählichen Tode entgehen«, entgegnete der Henker, »dann muß ich dessen Körper mit dem Schwerte ein wenig ritzen, auf daß dieses sich mit dem Blute des bestimmten Opfers färbe.« Sprach's nahm das Schwert und brachte mit demselben dem Kinde[345] eine leichte Wunde bei. – Die dankbare Frau setzte mit dem Kinde ihre Besuche bei der Scharfrichtersfamilie fort, doch das Schwert blieb fortan ruhig im Waffenschranke hängen.
(Ziehnert, Sachsens Volkssagen. Anh. No. 20.)
Kurfürst August I., der Erbauer der Augustusburg, hatte auf derselben ein Schlafgemach, darin zwei Betten standen, das eine für ihn selbst, das andere für seinen Kanzler, einen Edlen von Pflug. Neben dem Bette des Kurfürsten aber stand ein Tisch, auf welchem stets eine aufgeschlagene Bibel lag, weil der fromme Kurfürst jedesmal vor dem Schlafengehen ein Kapitel aus derselben zu lesen gewohnt war.
Einst schlief er ruhig in seinem Bette, da hatte er folgenden Traum: Ein Mönch und eine Nonne traten in das Gemach und schritten zu dem Tische, auf dem die Bibel lag und das brennende Nachtlicht stand. Der Mönch nahm die Bibel auf und las darin, legte sie aber bald wieder verdrießlich weg und wollte das Licht ausblasen. Als ihm aber das trotz aller Anstrengung nicht gelingen wollte, ward er darüber voll Ärger und eilte der Thüre zu. Hierauf versuchte auch die Nonne das Licht auszublasen, und blies es auch aus, jedoch nicht ganz. Denn kaum, daß sie mit dem Mönche zur Thür hinausgeeilt war, da entzündete sich die Kerze, an deren Dochte noch einige Fünkchen glommen, plötzlich wieder und brannte mit schöner, heller Flamme.
Dieser Traum schien auf den Kurfürsten einen tiefen Eindruck gemacht zu haben, denn als er früh in der fünften Stunde erwachte, war das erste Wort, das er nach dem Morgengruße an den Kanzler richtete: »Ich habe einen seltsamen Traum gehabt in dieser Nacht!« Da nun der Kanzler antwortete, daß auch er, obgleich er bis nach Mitternacht wach geblieben, gar seltsame Dinge gesehen habe, so that der Kurfürst den Vorschlag, daß sie beide ihr Gesicht alsbald aufzeichnen wollten; dies geschah denn auch, und als sie fertig, teilten sie das Geschriebene einander mit. Wunderbar genug hatte der Kanzler ganz dasselbe mit wachen Augen gesehen, was dem Kurfürsten im Traume vorgekommen war, und noch wunderbarer war es, daß das von ihnen Aufgezeichnete in jedem Wort und Buchstaben vollkommen übereinstimmte. Der Kanzler wußte nicht, was er davon denken sollte; der Kurfürst aber sprach: »Es wird dermaleinst nach meinem Tode auch ein Augustus in diesem Lande regieren, der wird die evangelische Lehre unterdrücken wollen, aber nicht können, denn Gottes Wort und Luthers Lehr' vergehen nun und nimmermehr!«
Nach andern Nachrichten soll der Kurfürst eine harte Verwünschung desjenigen unter seinen Nachkommen, der die Lutherlehre anfeinden würde, in der Bibel aufgezeichnet haben.
Ob der Mönch und die Nonne jemals wieder in Augustusburg erschienen sind, davon hat niemand etwas erfahren. Die obige Geschichte aber erzählen viele Chroniken.
(Johann Vulpius, Plagium Kauffungense, d. i. die Chur-Fürstl. Sächß. Printzen Entführung aus dem Schlosse zu Altenburg. Anhang zu Daniel Wilh. Triller, Der sächs. Prinzenraub, 1743. S. 199.)
Die Nacht zuvor, ehe der Kurfürst Friedrich der Sanftmütige in der Woche nach Mariä Heimsuchung 1455 von Altenburg aus eine Reise nach Leipzig unternahm, während welcher die beiden Prinzen Ernst und Albrecht durch Kunz von Kauffungen entführt wurden, hatte die Kurfürstin geträumet, es wäre ein grausames wildes Schwein gekommen, welches in einem angenehmen Garten eingebrochen sei. Dasselbe habe sich unterstanden, neben den Reben und Gewächsen fürnehmlich die junge, schön aufwachsende Raute zu verderben und niemand habe ihm Widerstand gethan, bis endlich noch ein Bär (dessen Bild des errettenden Köhlers Schmidt Nachkommen auch später ins Wappen erhielten) herzugelaufen, welcher des wilden Schweines Wüten mit seiner Tatze gesteuert habe. Deshalb hat auch die Kurfürstin ihren Gemahl gebeten, die Reise aufzuschieben. Der Kurfürst aber hat darauf geantwortet, Träume wären Schäume; wer auf Träume achte, greife nach dem Schatten.
(Christ. Lehmann, Schauplatz etc. S. 793.)
Im Jahre 1642 lebte in Elterlein eine sehr andächtige Jungfrau von 24 Jahren, Margarethe, Christoph Landrocks Tochter, welche sich vor den schwedischen Einfällen sehr fürchtete und daher herzlich für sich und die belagerte Stadt Freiberg betete. Am Neujahr 1643 stand sie vom Schlaf auf, war ganz freudig und sprach: O, nun bekommen die Schweden die Stadt Freiberg nicht; heute sahe ich im Traume, daß zwar der Torstensohn die Stadt an einer Kette hatte, aber es kam ein vornehmer Reiter mit einem bloßen Schwerte geritten,[347] der hieb die Kette mit einem Streich entzwei, daß der Torstensohn mit der halben Kette zurückfiel, darüber seine Soldaten erschraken und ausrissen. Nach 7 Wochen ging der Traum aus und der Feind mußte abziehen.
(Curiosa Sax. 1762. S. 242. Darnach Gräße, Sagenschatz d. K. Sachsen, No. 228.)
Im Jahre 1760 ist ein Knabe aus Bräunsdorf nach Neumark bei Freiberg zu einem Schuhmacher in die Lehre gethan worden. Dieser Lehrjunge wird von dem Sohne des gedachten Schusters, der seinem Vater im Handwerk hilft, mit einem Schuhleisten totgeschlagen, und sie schaffen denselben in aller Stille bei Seite und geben vor, er sei davongelaufen, was auch geglaubt wird. Aber des Knaben Großmutter, die ebenfalls in Bräunsdorf wohnte und den Knaben in seiner Lehrzeit öfter als seine Eltern besuchte und ihm auch oft etwas mitgebracht hatte, erblickte nach einigen Tagen mehrere Nächte hintereinander den Geist ihres erschlagenen Enkels, der ihr erzählte, er sei nicht davongelaufen, sondern vielmehr mit einem Schuhleisten erschlagen und in der Scheune begraben worden. Diese Begebenheit ist dem Amtmann zu Freiberg gemeldet und in Folge davon im Januar des Jahres 1762 Vater, Mutter und Sohn eingezogen worden, bei deren Vernehmung sich alles, wie oben erzählt, bestätigt hat.
(Chr. Lehmann, Histor. Schauplatz, S. 781. 782.)
Den 5. Januar 1630 starb Nikolaus Walde, Pfarrer zu Schwarzenberg; dem verdorrete das Jahr zuvor sein Birnbaum. Da er's sahe, sagte er: »Ich habe lange genug vom Sterben gepredigt, jetzt wird der Birnbaum mein Prediger. Mein Baum verdorret und ich werde auch bald sterben!« Am Neujahrstage steigt er auf die Kanzel und da er anfangen will zu singen: Helft mir Gottes Güte preisen u. s. w., überfällt ihn ein Schlagfluß, daß er nach Hause geführt werden und sich auf sein Todesbett legen mußte. – Heinrich Ryhel, Pfarrer in Wiesenthal, hatte einen Zeilanderstrauch in seinen Pfarrhof gepflanzt, der trefflich grünte und im Frühjahr, da genannter Pfarrer starb, schon im April ausgeschlagen war. Sobald der Pfarrer krank wurde, fing der Strauch an sichtlich zu verdorren; darauf starb der Pfarrer.
(Lehmann, Histor. Schauplatz, S. 930.)
Das Fallen nennt der gemeine Mann das Leichenbret, und glauben manche, es müsse notwendig darauf ein Todesfall erfolgen, auch könne solcher Fall vom Menschen ab und auf ein Vieh gewendet werden, wenn man sage: Falle auf meine Henne, Ziege u. s. w. Im Jahre 1627, ehe der Pfarrer in Markersbach im September zum Tode krank wurde, lag er abends samt seiner Ehefrau schon in der Ruhe. Die Magd war noch auf, und da sie etwas oben im Hause stark fallen hörte, lief sie hinauf, in der Meinung, der Herr habe ihr gepocht, und fragte, was sie solle? Sie wurde abgewiesen als eine Träumende, sie sollte zu Bette gehen. Am neunten Tage darauf war der Pfarrer tot.
Anno 1653 lebte in Scheibenberg eine Pfarrerswittwe von Thum. Als dieselbe einst ihren Sohn, welcher verreisete, ein Stück begleitet hatte und wieder auf dem Heimwege war, thats in ihrem Hause einen ungemeinen Fall, und zwar zu derselben Stunde, da sie auf dem Rückwege von einem Fieberfrost überfallen wurde, daran sie auch nach zehn Tagen starb.
(Lehmann, Histor. Schauplatz etc., S. 785.)
Im Jahre 1664 brannte von der Stadt Annaberg über die Hälfte ab; dabei verbrannte auch jämmerlich der Stadtrichter Martin Meyer nebst seiner Frau. Des Tags zuvor geht er vor dem Gottesacker vorüber, da ruft ihn eine Stimme, die als seiner verstorbenen Schnur Stimme gelautet, etliche mal: Herr Vater! Des Nachts geht das erschreckliche Feuer gegenüber seiner Wohnung auf.
Im Jahre 1686 wurde M. Benjamin Heyde, Oberpfarrer in Schneeberg, frühe, da er predigen sollte, in seinem Bette tot gefunden. Abends zuvor rief dreimal eine Stimme, welche seines ersten Weibes Stimme gleich: Herr! Herr! Herr! und darauf erfolgte sein Tod.
(Lehmann, Hist. Schauplatz etc., S. 784.)
Im Jahre 1666 wohnte ein Kopist in Schneeberg, ein junger, starker Mann, der beim Trinken hurtig von der Faust war. Seinem Weib, Marie Böhmin, sprang der Ring vom Finger entzwei und fiel[349] auf die Erde. Sie erschrak darüber und sagte: Was soll mir das sein? Da der Mann des Abends zu Bier gehen will, hat sie große Angst und erzählt, was ihr begegnet, er solle zu Haus bleiben, aber er schlugs in ein Gelächter. Sie begleitet ihn bis zur Hausthür und vermahnt ihn, er soll sich ja in acht nehmen. Abends bringen sie ihn totkrank nach Haus, und der Schlag rühret ihn eben dieselbige Nacht, daß er starb.
(Chr. G. Wilisch, Kirchen-Histor. von Freiberg etc. II., S. 401. Kirchengalerie von Sachsen, 2. B., S. 195.)
Am Abende des 4. August 1629, welcher dem Tode der Gemahlin des Moritz v. Hartitzsch auf Krummenhennersdorf voranging, hörte letzterer mit dem Pfarrer Benedictus Scheuchler und dem Arzte (?) Däntzki, da sie miteinander in Kümmernis am Fenster des Schloßerkers standen, draußen gar nahe ein klares helles Glöcklein klingen, gleich oben über den Bäumen, anders nicht, als ob man wollte anfangen zu Grabe zu läuten. Bald darauf hörten sie gar einen lieblichen Laut, als wenn kleine Kindlein singen. Am Morgen wies sich aus, was hierdurch angedeutet worden, daß nämlich die kranke Frau seligen Feierabend machen wollte und ihr Körper zur Ruhe gebracht werden sollte.
(Jugenderinnerung eines gebornen Nossners.)
In Nossen lebte einmal ein gottesfürchtiger Tischlermeister, bei dem es manchmal des Abends, wenn die Familie still beschäftigt war, in den Brettern oder Hobelspähnen rumorte. Dann wußte der Meister, daß am nächsten Tage ein Sarg bestellt werden würde.
In ähnlicher Weise pflegten sich beim dortigen Totengräber des Abends zuweilen die Werkzeuge zu rühren, und dann wurde Tags darauf ein neues Grab verlangt.
(Jugenderinnerung eines gebornen Nossners.)
Bis gegen Ende der dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts befand sich die Stadtwache zu Nossen in einem am Obermarkte gelegenen, der brauberechtigten Bürgerschaft gehörigen, jetzt aber abgebrochenen[350] Brau- und Malzhause, vor dessen Ostseite zwei schöne Linden standen. Dort wohnte einmal ein Polizeidiener, ein altgedienter Soldat. Wenn nun in der Stadt ein schwer Kranker nicht »ersterben« konnte, erschien sein Geist des Nachts dem Polizeidiener und nötigte ihn zum Aufstehen aus dem Bette. Der mußte sich nun vollständig in Uniform kleiden und mit umgehängtem Säbel den Geist bis an die Hausthüre begleiten, worauf dieser verschwand. Der Polizeidiener pflegte manchmal zu sagen: Diese Nacht ist der oder die bei mir gewesen, und darauf hörte man bald auch von ihrem Ableben.
Still und mürrisch, wie er war, mußte er sich oft vom Bürgermeister ausschelten lassen. Das hörte er in Positur ernsthaft an und sprach dann, als wenn er schwerhörig sei: »Schön, Herr Bürgermeister, ich werd's ihm sofort sagen.« Da mußte der Bürgermeister immer lachen und das gute Einvernehmen war wieder hergestellt.
(Chr. Lehmann, Histor. Schauplatz, S. 834.)
Als im Jahre 1639 ein großes Sterben war, hatten die Raben bei Tage ein greulich Geschrei, bissen sich auch des Nachts bei Mondenschein heftig auf den Kirchen und Häusern herum, und es war furchtsam anzuhören, wenn die Eulen in den Gärten so jauchzten. Man merkte auch um selbige Zeit, daß ein Haufen Elstern mit Schreien und Schnattern alle Gassen voll gemacht und gleichsam die Post gebracht hatten, wenn räuberische Parteien kamen. Ehe einem Hausvater sein Weib und Kind in den Wochen starb, zogen die unter dem Dache nistenden Schwalben samt ihren Jungen weg. Desgleichen ist in Schneeberg geschehen, daß die Störche, welche lange Zeit auf eines Bürgers Hause genistet, im Jahre 1688, ehe der Bürger gestorben, davon gezogen und ausgeblieben sind. Im Jahre 1664 kamen des Nachts, ehe in Annaberg 400 Häuser in Asche gelegt wurden, etliche Eulen, setzten sich auf des Bürgermeisters Haus am Markte und schrien gräßlich.
(Lehmann, Histor. Schauplatz, S. 780.)
Man hat in unterschiedlichen Bergstädten wahrgenommen, daß wenn Gott mit einer Feuersbrunst strafen wollte, sich zuvor allerhand bedenkliche Vorboten gezeigt haben. Man hat in der Ratsstube des Nachts ein Licht brennen sehen, oder es ist ein Wasserkübel auf dem[351] Rathausboden herunter gefallen, oder es hat auf dem Markt mit den Wasserkübeln gerasselt und sich in den Bottichen gebadet, oder es sind auch eiserne Reifen an den Röhrenbottichen geborsten und abgesprungen, oder es haben sich ungewöhnliche Feuervögel sehen lassen, oder es sind die Kinder unversehens vorbeigelaufen und haben Feuer gerufen, oder man hat eine unbekannte Stimme des Nachts zuvor gehört: Lösche, dein Haus brennet!
(Lehmann, Histor. Schauplatz, S. 430.)
Die sonderlich bei Nachtzeiten lichterloh brennende Bergwitterung, welche in Gestalt eines ausgestreuten Pulvers plötzlich lodert und verlöscht, und die Ausgänge, Luftlöcher und Klüfte der Metalladern zeigt, ist in dem Erzgebirge gar gemein, und hat man an den Orten, da hernach Bergstädte erbaut worden, zuvor viel und starke Bergwitterung gespüret. Dies ist geschehen im Jahre 1491, da um den Pöhlberg die Bergwitterungsflammen lichterloh ausgelauscht und die Bergleute veranlaßt, daß sie hernach die Erzgänge mit der Rute erforschten und entblößten. Dergleichen hat sich auch um Scheibenberg begeben, da vorzeiten rauher Wald und Morast gewesen, daß sich des Nachts viel Witterungen von ferne sehen lassen, so daß die Nachbarn vermuteten, es müsse daselbst reiches Erz liegen. Daher hat auch Caspar Klinger von Elterlein im Jahre 1515 zuerst daselbst eingeschlagen und die erste Fundgrube gemutet.
(Meltzer, Hist. Schneebergensis, S. 1154.)
Am 25. Januar oder Pauli Bekehrungstage 1630 hat man überall im Gebirg ein Feuer- und Wunderzeichen am Himmel gesehen, als wenn unterschiedene Kriegstruppen miteinander im Gefechte wären, desgleichen hat man gehöret, als wenn Musketen losgingen und zur Begrüßung geschossen würde. Dies haben unzählige Personen mit Verwunderung und Schrecken beobachtet, aber auch mit seiner Bedeutung in erfolgten feindlichen Einfällen und Kriegsbewegungen erkannt.
(Chr. Lehmann, Histor. Schauplatz, S. 391.)
Ein Anzeichen war es, als am 15. Febr. 1625 des Nachts das mit Riegeln, Ketten und Schlössern stark verwahrte Schloßthor in[352] Joachimsthal von einem fast unnatürlich gewaltsamen Winde aufgestoßen und geöffnet wurde, denn es wurde so getrennt, daß das Hinterteil des mittleren Riegels samt dem starken Thornagel und eiserner Feder geborsten und das Vorlegschloß samt dem Kloben, der das Thor mit einer starken eisernen Kette über dem Thorriegel geschränkt, eine Stube weit davon auf dem Schloßplatze verschlossen gelegen. Und dieser ungemeine Sturm hat den damaligen böhmischen Bauernkrieg nach sich gezogen.
(Lehmann, a. a. O., S. 420.)
Man hat beobachtet, wenn Schlachten zur See oder Land vorgegangen, daß solche mit einer ungemeinen Witterungsungünstigkeit im Gebirge gleichsam angedeutet worden sind.
(Lehmann, Historischer Schauplatz, S. 207.)
Sonst hat man an dem Schwarz- und anderem Wasser gemerkt, daß sie bei bevorstehendem Unglück, Feuer- oder Wasserschaden, greulich geheulet. Im Jahr 1630, den Tag zuvor, ehe die Stadt Annaberg abgebrannt, hat der Elterleiner große Teich am Geyerschen Wege entsetzlich geheulet, so daß des Zainschmieds Junge, der mehr Wasser aufschlagen sollte, vor Schrecken davon gelaufen. Im Jahre 1645 den 10. Juni, am zweiten Pfingstfeiertage, heulte frühe in Elterlein ein Teich jämmerlich, so daß eine Jungfrau, welche über den Teichdamm ging, aus Furcht eilends fortlief. Darauf ist ein Schulknabe, des alten Richters Matthes Rüdels Sohn, im Teiche ertrunken.
(Engelschall, Beschreibung der Exulanten- und Bergstadt Johanngeorgenstadt. Leipzig, 1723, S. 28. Lehmann, Hist. Schauplatz. S. 402.)
Ein Köhler war kurz vor Erbauung von Johanngeorgenstadt auf dem gegenüberliegenden böhmischen Berge eingeschlummert. Hierauf aber hat er ein so starkes Geläute auf dem Fastenberge, worauf jetzt die Stadt steht, vernommen, wie sonst nur in einer Stadt gebräuchlich[353] ist. Darüber ist er nicht nur aufgewacht, sondern er hat sich auch wachend nicht zu fassen gewußt.
Der letzte evangelische Lehrer zu Platten, mit Namen Johann Jahn, hat einstmals einen Traum gehabt, als wären vom Joachimsthaler Wege Wagen gerasselt gekommen, deren Deichseln alle auf den Markt zugegangen; hernach wäre ein großes Wasser und rauschende Flut gekommen und hätte alles in den Grund hinabgeschwemmt.
Am Fest Mariä Heimsuchung, als am 2. Juli des Jahres 1648, sahe man zu Breitenbrunn frühe unter der Predigt gegen den Fastenberg zu, auf welchem sieben Jahre später die Stadt gegründet wurde, in der Wolke eine Stadt aufgehen, und vor der Stadt einen Gottesacker liegen, darauf zwei Totenbahren standen, und in der Mitte ein grüner Baum.
(Meltzer, Hist. Schneeberg., S. 1064.)
In Neustädtel trug sichs bei angehender Reformation zu, daß eines Morgens unterschiedliche Berg- und andere Leute zusammen kamen und auch von der Reformation redeten. Wie sie nun teils ungereimte Sachen vorbrachten und unter anderem auch auf die Lehre vom Abendmahl fielen, geschahe es, daß der eine Teil das Abendmahl in beiderlei, der andere aber in einer Gestalt verteidigte. Indem nun ein Bergschmied, welcher an dem Fenster saß, dergestalt für eine Gestalt stritt und dabei sagte, daß, wenn dieses der rechte Glaube sei, daß ein Laie das Sakrament in beiderlei Gestalt empfangen sollte, er in seiner Hand vor dem Fenster einen Vogel fangen wollte: siehe, so trug es sich, indem er im Reden mit der Hand zum Fenster hinausgriff, in einem Nu zu, daß sich zwei Sperlinge mit einander bissen und vor das Fenster fielen, solche aber von ihm beide ergriffen und in die Stube gebracht wurden, weswegen sich darauf alle Anwesende, als vor einem Zeichen, entsetzten.
(Meltzer, Historia Schneebergensis, S. 922.)
Als im Jahre 1478 in dem Mühlberge zu Schneeberg reiche Erze angetroffen wurden, da fuhr Römer, vermutlich jener Sebastian, welcher vorher Romner geheißen, mit seinem Haufen zu und wollten alles allein haben. Sie nannten die Zeche Münzer- oder Römerzeche und es galt ein Kux darauf 1200 bis 1400 Gulden. Da aber die[354] unrechten Besitzer, darunter außer Römer noch Fürsten, Grafen und Herren waren, den armen Bergmann mit seiner Gewerkschaft auf der Sattlerzeche, in welcher Lehn das Erz gebrochen war, ausmaßen und auf die Halde setzten, auch sogar der Lehenträger Römer falsch beschworen hatte, daß der Gang ihm gehöre, so war solches ein Greuel vor Gott. Alsbald verschwand das Erz dieser Zeche und verwandelte sich im Anbruch in Kohlen. Es soll auch zu derselben Zeit, da Römer draußen auf der Haspelstätte nach den alten Bergrechten den Schwur leistete, im Berggerichte zu Zwickau, wo Römer und sein Haufe mit den armen Gewerken um das Erz gestritten hatte, das Gewölbe aufgerissen sein, und das Glöcklein, womit man die Diener herein zu rufen pflegte, von selbst geklungen haben. Von dieser Begebenheit rühren die Worte Herzogs Georg her: »Der Gleeßberg ist ein tauber Berg, der Mühlberg ein verschworener Berg, sehet mir auf den Schickenberg.«
(Meltzer, Hist. Schneeberg., S. 918.)
Als Paul Gramman, insgemein der Hosenschneider genannt, im Anfang des Schneebergs eine Zeche am Wolfsberge, die der grüne Schild geheißen, fast allein zu eigen gehabt und einen Stollen hineingetrieben, hat er ein köstliches Erz angetroffen, da er aber einstmals hinter dem Steiger gestanden und zugesehen, wie derselbe das schönste Glaserz losgebrochen, ist einer seiner guten Freunde vor den Ort gekommen und hat ihm nach bergmännischem Gebrauch ein Glückauf gewünscht. Der Hosenschneider aber hat freventlich und übermütig darauf geantwortet: »Was bedürfen wir dieses Glückwünschens? Siehe, wir haben ja das Glück in Händen und vor Augen!« Darauf aber soll sich alsbald das Erz im Anbruch dermaßen abgeschnitten haben, daß man nicht gewußt, wie es verschwunden ist. Es ist auch ferner sowohl an diesem Orte, als auch am ganzen Wolfsberge wenig mehr ausgerichtet worden.
(Richter, Chronica von Chemnitz, I. 1767, S. 72.)
In einem Gange des ehemaligen Benedictiner-Klosters zu Chemnitz befand sich ein hölzernes Christusbild mit einem krummen oder schiefen Munde. Da nun die Hussiten in das Kloster einfielen und alles darin verwüsteten, soll einer von ihnen das Bild verspottet haben.[355] Von Stund an aber hatte derselbe ein offenstehendes Maul und ist stumm geworden.
(Ziehnert, Sachsens Volkssagen. Pros. Anhang, No. 9.)
Im Jahre 1471 wohnte in Freiberg auf der Burggasse, dem Oberkloster gegenüber, ein Bäcker, namens Werner Kühn, ein gottloser Mann, der an Fluchen und Lästern sein Vergnügen fand. Derselbe brachte seine Mitbürger in großes Unglück.
Als er eines Morgens (am 24. Juli) seinen Backofen heizte, wollte das feuchte Holz nicht sogleich brennen, so daß der gottlose Mann wütend darüber wurde und rief: »Ha, du verfluchtes Feuer, so brenne doch in aller Teufels Namen!« Das war ein heilloser Fluch und Gott ließ ihn in Erfüllung gehen. Das Feuer schlug alsbald zum Ofen heraus und in wenig Augenblicken stand das ganze Haus in Flammen. Nach drei Stunden lag Freiberg in Trümmer und Asche. Nur die alte Frauenkirche, die meißnische Gasse und die halbe Sächsstadt blieben stehen.
(Nach Franz Herbabny in den Mitteilungen des Nordböhm. Excursions-Klubs, 1885, S. 117.)
Am Faschingsdienstage 1588 ging es in der Stadt Görkau überaus fröhlich zu, und die Schuljugend machte mit Schreien und Peitschen einen Spektakel, daß die Häuser in den Gassen wackelten. Der Hochzeitsplampatsch ritt auf einem Grauschimmel und trank wacker aus den Gläsern, womit man ihm schenkte. Auf dem Kopfe trug er eine Narrenkappe mit einer klingenden Schelle und überdies zwei Narrengesichter, von denen das vordere lachte, das hintere weinte. Bald kamen auch die beiden Herolde hoch zu Roß, bliesen auf ihren Trompeten, und der vielerwartete Hochzeits-Schlittenzug setzte sich in Bewegung. Es war nämlich eine Faschingshochzeit. Den Vorreitern und den Stadtpfeifern folgten die Brautleute mit dem Bilde der heiligen Jungfrau, darauf der Brautführer und die Kränzeljungfern, neben ihnen der heilige Nikolaus mit zwei Teufeln an der Kette, und auch die Salzmäste warf nach allen Seiten Pfeffernüßchen aus. So folgte Schlitten auf Schlitten, vierzig an der Zahl. Und nun ging es in tollem Jagen, die Kreuz und die Quere, durch die Stadt, bis der Zug neben der Kirche ein wenig stockte. Da blies der Hanswurst-Plampatsch[356] auf seiner Trompete und rief in trunkenem Frevelmute durch das offene Thor zum Kirchhof hinein: »Auf, auf! Ihr Faulpelze! Heraus aus Euren Nestern! Heut ist Fasching! In der Stadt giebt es noch Besen genug, die nehmet zwischen die Beine und reitet mit! Hollah! Vorwärts!« Gelächter der Umstehenden folgte, und der Trunkenbold stürzte vom Pferde, aber der Zug fuhr weiter, immer bis nach Komotau, obwohl ein Sturmwind unterwegs das Brautpaar und die Salzmäste und viele andere in den Schnee geworfen hatte. In Komotau trank man Glühwein, und die Heiterkeit wuchs, wenn dies noch möglich war.
Allein als man zum Thore hinausfuhr, da hatte sich zu den drei Vorreitern noch ein vierter gesellt, einer aus Komotau, wie man wähnte. Doch seine Tracht war seltsam. Kohlschwarz vom Kopfe bis zu den Sporen, schwenkte er ein schwarzes Banner mit dem Bilde des Sensenmannes. Vielen aber war es recht unheimlich, wenn er rechts und links die Schlittenreihe auf- und absprengte und gewissermaßen die Hochzeitsgäste zählte. Als es aber finster wurde, da sprühten sogar aus seiner Fahnenstange Funken und Flammen und die dampften und rochen wie Leichenfackeln. So ging es fort bis man wieder in Görkau vor den Kirchhof kam; da öffnete der Schwarze sein Visir, schlug den Plampatsch auf die Schulter und rief: »Nun kommt mit mir; wir zwei voran, die andern kommen nach!« »Jesus, Marie!« schrie der Plampatsch, als er den fleischlosen Totenschädel erblickte. Jener aber rief mit weithallender Stimme: »Heute war ich Euer Gast; zur künftigen Fasching seid Ihr alle meine Gäste!« Sprachs und verschwand in Nacht und Gekrach. Die Fackel war verloschen. –
Auf dem Tanzboden fand sich allmählich die helle Faschingslust wieder ein. Als man aber am folgenden Tage nach altem Herkommen den Fasching begraben wollte, da erscholl das Zügenglöcklein, und man erfuhr, daß der Plampatsch totkrank darniederliege. Drei Tage später lag er auf dem Kirchhof bei den Toten, die er zur Maskenhochzeit eingeladen hatte. Ihm folgte zuerst die Braut und eine Kränzeljungfer, dann ein Vorreiter, der Brautführer und der Bräutigam. Selten verging ein Tag, an dem die Totenglocke nicht erscholl, und ein Leichenzug folgte dem anderen. So dauerte es mit geringen Pausen ein volles Jahr, und nicht weniger als 450 Personen unterlagen der schrecklichen Seuche. Am Faschingsonntage aber rief der Priester dem unglücklichen Volke zu: »Ja, Ihr sollt ausziehen, aber nicht in Larven und Maskeraden, sondern in Sack und Asche, in Buß- und Trauerkleidern!« und so geschah es. Am Faschingsdienstage, da zog jung und alt, Mann und Weib, hoch und niedrig, in Trauergewändern[357] und mit schwarzen Schärpen durch die Stadt zum Friedhofe hin. Und als man den heiligen Boden betrat, unter dem die Lieben ruhten, welche im letzten Jahre gestorben waren, da erscholl laute Klage und Wehegeschrei. In der Kirche aber las der Pfarrer ein Totenamt und vom Chor erklang das »Dies irae!« wie an einem Allerseelentage; doch von Stund an erkrankte niemand mehr, und wer schon krank war, fand meistens Genesung. Acht Wochen später war die Seuche beendet, und der Pfarrer konnte am weißen Sonntage die Pestilenzpredigt halten. Die Erinnerung an jene schreckliche Zeit aber – so sagt der Chronist – lag den Görkauern noch lange in den Gebeinen, und sie haben durch manches Jahr keine Hochzeitsmaskerade mehr am Faschingsdienstage gehalten.
(Gräße, Sagenschatz d. K. Sachsen, No. 367.)
Im Jahre 1627 zankte sich Matthes Becker, Bauer zu Pappendorf, mit seinem Grenznachbar, Christoph Dehner, um ein geringes Wiesenflecklein, und als sie nicht konnten verglichen werden, nahm er es auf sein Gewissen. Darauf hat es ihm der, dem Unrecht geschah, in Gegenwart des Amtsschössers von Nossen, Matthäus Horn, und hiesiger Gerichten, mit diesem Glückwunsch cediert und überreicht: »So nimm's hin und laß Dir's auf der Seele verbrennen!« Von selbiger Zeit an ist gedachter Becker von Tage zu Tage schwermütiger geworden, endlich am 28. August nachfolgenden Jahres um Mitternacht aus dem Bette weggelaufen und hat sich ersäuft, wessen man ihn frühmorgens unter dem blauen Steine im Striegnitzbache tot angetroffen, nur ein Schlafmützlein und Hemd an sich habend.
(T. Schmidt, Chron. Cygn. II. S. 437. Misander, Deliciae Hist., S. 277. Gräße, Sagenschatz etc. No. 608.)
Im Herbst des Jahres 1594 ist zu Zwickau M. Wolfgang Raabe, eines Tuchmachers Sohn daselbst verstorben, welcher etliche Jahre rasend gewesen war und an Ketten gelegen hatte. Es hat ihn aber Gott also wegen Gotteslästerung gestraft. Als nämlich etliche Professoren zu Wittenberg die gotteslästerische calvinische Lehre eingeführt, hat sich dieser M. Raabe auch mit verführen lassen und ist es mit ihm soweit gekommen, daß er sehr schimpfliche und gotteslästerische Reden,[358] vornehmlich vom Abendmahl ausgestoßen, worauf er bald seiner Sinnen beraubt worden. Nachdem ihn nun seine Eltern nach Hause bringen lassen, ist's nicht besser mit ihm geworden, sondern er hat sich stets ungebärdig und in Reden leichtfertig gezeigt. Dabei hat er sehr gefressen (maßen er dieses Wort in seiner Gotteslästerung auch gebraucht) und ist nicht zu ersättigen gewesen. Endlich, als etliche Knaben mit einem verdorbenen Kürbis auf der Gasse gespielt und sich mit den Stücken geworfen, hat er an den Ketten hängend und zum Fenster hinaussehend gesagt, sie sollten ihm denselben geben, was sie auch gethan. Da hat er den Kürbis im Grimm also roh hineingefressen und ist bald darauf gestorben. Er hat auch einen seinesgleichen von Reichenbach, namens N. Havel, zu Wittenberg bei sich gehabt, der auch große Gotteslästerung getrieben und eine schimpfliche Handlung mit dem Crucifix vorgenommen, der ist auch seiner Sinnen beraubt, etliche Jahre daselbst im Bollwerk in Ketten gelegen und endlich auch also gestorben.
(Mitgeteilt von Heinrich Weißflog aus Raschau.)
Ein Kriegsheer wollte einst Schwarzenberg belagern und hatte sich deshalb bei dem jetzigen Teufelssteine in der Nähe von Lauter zusammengezogen. Hier in dem Lager lebte nun alles in Saus und Braus. Da kam eines Tages ein Mönch aus dem Grünhainer Kloster daher, der einen Leuchter zur Reparatur nach Schwarzenberg tragen sollte. Als ihn sein Weg durch das Lager führte, wurde er von den Kriegsknechten angehalten und verleitet, mit ihnen zu tanzen und zu spielen. Sein weniges Geld war bald verspielt, und nun vergaß er sich soweit, daß er den Leuchter in Geld umsetzte. In diesem Augenblicke kam der Abt des Klosters, welcher zufällig denselben Weg ging, und als er das Treiben und Thun seines Ordensbruders sah, suchte er denselben mit herzlichen Worten von seinem gottlosen Treiben abzuraten. Dafür wurde er jedoch von dem Mönche und den Kriegsleuten verhöhnt und verspottet. Da übermannte ihn der Zorn und er rief: »So möge Euch, Ihr Genossen des Teufels, der allmächtige und strafende Gott, den Ihr jetzt noch eben verhöhnt habt, zu Steinen werden lassen!« Kaum waren diese Worte gesprochen, so erfüllte ein donnerähnlicher Schlag die Luft, und was der Abt in seinem Fluch erbeten, das geschah. Der Mönch und die Kriegsknechte wurden zu Felsblöcken, welche noch heute auf dem Teufelssteine zur Warnung für Gotteslästerer emporragen.
(Nach Ziehnerts poet. Bearb. bei Gräße, Sagenschatz etc. No. 531.)
Nicht weit von Waschleithe bei Grünhain, im Thale des Oswaldbaches, stehen die Trümmer einer Kirche, die Oswaldskirche genannt, welche 1514 der Grünhainer Abt Georg Küttner gegründet hat, die aber, weil die Reformation dort auskam, nicht vollendet wurde und so liegen geblieben sein soll. Anders erzählt sich das Volk, welches auch die Kirche mit dem Grünhainer Kloster unterirdisch verbunden sein läßt, die Ursache. Es soll nämlich um jene Zeit ein reicher Hammerherr, mit Namen Caspar Klinger, gelebt haben, den aber sein Reichtum so übermütig gemacht hatte, daß er keinem Gruße, selbst von seiten solcher Personen, die mit ihm auf gleicher Stufe standen, zu danken sich herabließ. Dem begegnete einst ein ebenso reicher Bergherr von Elterlein, namens Wolf Götterer, und rief ihm ein freundliches Glückauf zu; allein Klinger hielt es abermals unter seiner Würde, dem Grüßenden zu danken, und so geschah es, daß letzterer ihm darüber einige harte, beleidigende Worte sagte. So stolz nun der Hammerherr auch war, so rachsüchtig war er und er beschloß auf der Stelle, seinen Beleidiger für seine freimütige Rede büßen zu lassen. Er teilte seinem Bruder seinen Plan mit, und nachdem sie eines Tages ausgekundschaftet, daß der Bergherr allein zu Hause sein werde, weil alle seine Dienerschaft zu einer Belustigung sich entfernt hätte, gelang es ihnen, sich in die Wohnung desselben einzuschleichen, wo sie den Unglücklichen mit Beilhieben ermordeten. Weit entfernt, ihr Verbrechen, dessen sie sich freuten, zu leugnen, stellten sie sich selbst dem Gerichte, welches sie zwar zum Schein zum Tode verurteilte, allein auch kein Bedenken trug, die Todesstrafe in eine Geldbuße zu verwandeln. Letztere sollte darin bestehen, daß der reiche Hammerherr zur Sühne jenes Mordes eine Kirche zur Ehre des h. Oswald zu erbauen und auch die Armen der Stadt reichlich zu bedenken habe.
Klinger ließ nun Arbeitsleute, so viele ihrer nur kommen wollten, für seinen Bau anwerben, Bauholz in seinen Wäldern schlagen und Steine in seinen Steinbrüchen brechen, zahlte mit vollen Händen und es verging kein Jahr, da stand die Kirche fertig da. Nun ließ er es auch nicht an reicher Ausschmückung des Inneren fehlen, Kanzel und Altar waren von geschicktesten Künstlern gearbeitet und mit der größten Pracht geziert, eine herrliche Glocke hing auf dem Turme und alles war zur Einweihung der Kirche in Bereitschaft. Siehe, da zog an demselben Morgen, wo die Geistlichkeit sich anschickte, das neuerbaute Gotteshaus zu weihen, ein furchtbares Gewitter über das[360] Thal herein und man zögerte deshalb, die Prozession zu beginnen, selbst der Glöckner weigerte sich, die Glocke ertönen zu lassen, bevor nicht das Unwetter vorüber sei. Da ward Klinger ungeduldig und schwur und vermaß sich hoch und teuer, nichts sollte ihn abhalten, das einmal angefangene Geschäft zu Ende zu führen, und wenn niemand anders es thun wolle, so werde er selbst in die Kirche eilen und das Geläute zum erstenmale in Bewegung setzen. Zwar versuchten ihn die Priester von diesem Beginnen abzuhalten, aber umsonst, er stürzte in den Turm und fing an die Glocke zu ziehen. Aber sonderbar, dieselbe klang wie ein Armesünderglöckchen und lange zuvor, ehe es ausgelauten hatte, fuhr ein Blitzstrahl aus dunkler Wetterwolke herab in den Turm, tötete Klinger und zündete die Kirche an. Niemand wagte zu löschen, denn jeder sah hier das Gericht Gottes, und so war in kurzem von dem schönen Bau nichts als die Mauer übrig und niemand wagte es seitdem, die Kirche wieder aufzubauen. Klingers Leichnam ward zerschmettert im Turme gefunden und am Rande des Waldes eingescharrt. Die Umwohner aber erzählen sich, um Mitternacht gehe sein Geist ruhelos dort umher und grüße den zufällig dorthin verirrten und bei seinem Anblick ängstlich davon fliehenden Wanderer, und sein Herumirren müsse so lange dauern, bis ihm jemand danke. Seinen Bruder hatte die Strafe Gottes schon vorher ereilt, denn noch ehe das Gericht sein Urteil gesprochen, war er vom Pferde gestürzt und hatte den Hals gebrochen.
In Schumanns Lexicon von Sachsen (12. B. S. 444) wird die Gründung der Oswaldskirche, welche vom Volke gewöhnlich Duselskirche genannt wird, dem Grünhainer Amtmann Gregor Kienter und dem Elterleiner Pfarrer M. Wolf zugeschrieben und als Jahr der Gründung 1515 angegeben. In Bezug der Sage von dem Hammer- und Bergherrn Kaspar Klinger wird gesagt, daß derselbe zur Sühne des Mordes 12 silberne Schocke, 50 Harnische und Krebse, viele Büchsen und Bogen geben, Seelbäder stiften und nach Rom wallfahrten mußte. Auch hatte er von dieser Wallfahrt die Erlaubnis für die Markersbacher Kirche mitgebracht, Ablaß erteilen zu dürfen (S. 164).
Im Oswaldsthale, wo die Ruinen der Duselskirche stehen, hat man 1795 auf einem Felde einen Topf voll Brakteaten abgegraben, die wahrscheinlich vom Grünhainer Kloster stammten. Vielleicht haben diese Brakteaten Veranlassung zu der Sage von einem großen Schatze gegeben, welcher unter der Kirche vergraben liegen soll.
Der Name »Duselskirche« wird in dem Lexicon von Sachsen von »Sankt Useldskirche« und der des Oswaldbaches von einem »Asenwald« oder »Aswaldbache« d. i. Riesenwaldbache abzuleiten gesucht, indem die Meinung ausgesprochen wird, die eingewanderten Sachsen hätten den dortigen Wald vielleicht Asenwald genannt, welcher Name dann auch auf den Bach übertragen worden sei. Ich halte diese Erklärung für sehr gewagt und nicht recht glaubwürdig.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 60 etc.)
Ungefähr eine Stunde von Joachimsthal erhebt sich in der Centralgruppe des Keilberg-Gebirgsstockes der waldgekrönte »Hohe Berg«, dessen südlicher Ausläufer wegen einer großen Steinhalde, deren Farbe von der Wandschüsselflechte herrührt, der »Grauenstein« genannt wird. Zu letzterem führt von Joachimsthal aus der Weg über den mit einer Allee bepflanzten »Graben,« welcher sich um die »Schwedenschanze« herumzieht, und dann weiter rechts von dem städtischen Forsthause »Hut« über die Thaleinschichte »Rauschererb«. Von dem Grauenstein, welcher eine schöne Aussicht gewährt, erzählt man folgendes:
Vor mehreren Jahrhunderten lebte im südlichen Böhmen ein mächtiger Fürst, namens Leopold, der in den verschiedenen Landesgebieten reiche Besitzungen hatte. Von seinen Kindern bereitete ihm sein erstgeborener Sohn, mit Namen Karl, manche bittere Stunde, denn dieser führte ungeachtet aller Lehren und Ermahnungen eine liederliche Lebensweise.
Der Vater wurde deshalb veranlaßt, ihn aus dem Hause zu geben und nach der Residenzstadt Prag zu schicken, allwo er im Strome der Welt zu einem tüchtigen, charaktervollen Edelmann heranwachsen sollte.
In Prag aber bot sich dem leichtsinnigen Junker erst rechte Gelegenheit dar, die schlüpfrigen Pfade des Lasters zu betreten. Als nun der besorgte Vater von dem ausschweifenden Lebenswandel seines unverbesserlichen Sohnes Kunde erhielt und ihm deshalb berechtigte Vorwürfe machte, faßte derselbe den Entschluß, der strengen väterlichen Gewalt sich durch eilige Flucht aus Prag zu entziehen. Er wanderte also im jugendlichen Übermute dem waldesdunklen Erzgebirge zu und gelangte nach einigen Tagereisen in die Gegend des heutigen Joachimsthal, wo in damaliger Zeit das Dorf Konradsgrün lag. Überrascht und entzückt von der herrlichen, reich bewaldeten Gebirgswelt mit ihren Thälern und Schluchten, ließ er sich hier nieder und baute mit Hülfe der Einwohner ein stattliches Schloß, in welchem er in Gesellschaft verdorbener Genossen sein gewohntes wüstes Leben fortsetzte. Den unaussprechlichen Schmerz des Vaters über den Verlust des ungeratenen Sohnes hatte indeß die alles heilende Zeit gemildert.
Da trug es sich zu, daß einst der Fürst, welcher ein eifriger Weidmann war, sich auf einer Jagd, die er auf seinen sehr ausgedehnten, im Norden Böhmens gelegenen Gütern veranstaltete, im dichten Walde verirrte und sein zahlreiches Gefolge verlor. Nach langem mühevollen Umherirren erreichte er bei einbrechender Dunkelheit[362] eine Wiese, von wo er am fernen Bergesrücken ein helles Licht schimmern sah, dem er nun frohen Mutes mit starken Schritten zueilte. Als er vor dem Schlosse stand, aus welchem das Licht kam, bat er um Einlaß und ein gastlich Obdach, und er wurde darauf vor den Schloßherrn geführt, den sein Vaterauge gleich erkannte. Auch der verlorne Sohn erkannte sofort, freilich mit Schrecken, in dem Weidmann seinen Vater; aber statt mit reumütigem Herzen den Tiefgekränkten um Verzeihung zu bitten, gab er, die wohlverdiente Strafe fürchtend, den schleunigen Befehl, ihn gefangen zu nehmen.
Entsetzt und aufgebracht über dieses unerhört ruchlose Benehmen sprach der Vater über den ungeratenen Sohn den Fluch aus, welcher augenblicklich in Erfüllung ging. Die Erde erbebte mit einemmale so gewaltig, daß die Grundmauern des Schlosses erzitterten; dasselbe zerfiel in Trümmer und begrub in seinem Schutte alle Insassen. Nur der Fürst und ein Diener kamen mit dem bloßen Schrecken davon und eilten nach Konradsgrün, wo das sorgenvolle Jagdgefolge den vermißten Herrn erwartete, den es bis spät in die Nacht im Hochwalde vergebens gesucht hatte. Am Grauenstein aber treiben seitdem die bösen Geister ihren Spuk.
Eine andere Sage erzählt, daß des Grafen Schlick Urgroßmutter zwei Söhne hatte, die sich allen Lastern ergaben. Sie lästerten Gott, raubten, plünderten und mordeten. Bald aber erkannten sie ihre tiefe Verworfenheit und beschlossen, sich in die Einsamkeit zurückzuziehen und ein bußfertiges, Gott wohlgefälliges Leben zu führen. Zu ihrem bleibenden Aufenthalte wollten sie sich ein Schloß erbauen lassen und fanden zu dessen Anlegung den dazumal im tiefsten Waldesdunkel gelegenen Grauenstein besonders geeignet. Alsogleich übertrugen sie den Bau des Schlosses, dessen Steine durchweg von grauer Farbe sein sollten, zweien Maurern. Nachdem diese das Schloß vollendet hatten, erhielten sie aber den verheißenen Lohn nicht; deshalb riefen sie auf dasselbe den Fluch des Himmels herab. Und dieser Fluch der Maurer erfüllte sich schnell. Ein furchtbares Gewitter, das plötzlich übers Gebirge dahergezogen kam, entlud sich; ein Blitzstrahl traf das Schloß, zündete – und verwandelte es in einen Schutthaufen.
Nach einer anderen Sage wohnte im Grauensteiner Schlosse ein Vater, der seiner Tochter einen Bräutigam aufdringen wollte, den sie nicht mochte. Um sich zu retten, trieb die Tochter dem Vater während des Schlafes einen Nagel durch den Kopf. In den letzten Atemzügen verwünschte der Vater das Schloß samt den Inwohnern.
(Gräße, Sagenschatz des K. Sachsen, No. 349.)
Zu Nossen lebte im Jahre 1592 ein alter Zimmermann und Steinbrecher, namens Walter Koch, der zeitlebens ein großer Verächter des Gottesdienstes gewesen, auch binnen 32 Jahren niemals zur Beichte und zum Abendmahl des Herrn gekommen war. Dieser ward am 21. Juni des genannten Jahres gleich in der Mittagsstunde von einer alten Kirchmauer im Kloster Zelle, an der er hatte einbrechen helfen, erschlagen. Als man nun seinen Körper in einen Backtrog legte, ist selbiger alsbald zersprungen, darauf ist ein grausamer Wirbelwind entstanden, und als man ihm zu Grabe läuten wollte, ist der Klöppel in der großen Glocke ebenfalls zersprungen, weil er eines christlichen Begräbnisse nicht würdig gewesen.
(Lehmann, Histor. Schauplatz etc., S. 962.)
Im Erzgebirge hat es an Warnungszeichen vor der Pest nicht gemangelt. Zu Lengefeld ließen sich auf dem Kirchhofe, als in der Stadt 1680 die Pest eingezogen war, zwei weiße Schwalben sehen, die gegen den Herbst wieder fortzogen. Zu Marienberg hörte man zehn Wochen vor der Pest ein Poltern und Fallen bei Nacht in der Kirche, als wenn man Leichen in die Erde senkte und häufig die Erde auf die Särge nachschüttete; beide Kerzen verlöschten auf dem Altare, die Glocken wurden so unnatürlich schwer, daß man sie mit großer Mühe mußte in Schwung bringen, das Uhrwerk auf dem Rathause lief bei Tag und Nacht unterschiedliche Mal ganz ab, und einige Bürger haben des Nachts ein hellbrennendes Licht auf dem Rathause gesehen.
Wie hier, so wurden auch in andern Gegenden teilweise an und für sich nicht gerade bemerkenswerte Erscheinungen als Vorboten der Pest angesehen. In Böhmen prophezeit z. B. der Storch in der Gegend, durch welche er fliegt, die Pest, während er dorthin, wo er sich niederläßt, Segen bringt. (Grohmann, Aberglauben etc. S. 64.), und in der Lausitz galten als solche Vorboten: Geheul von Hunden (Hunde sehen übrigens nach einem Volksglauben Gespenster), Geschrei weinender Menschen, die man aber nicht sah, unausstehlicher Geruch und Gestank und selbst ungewöhnliches Blühen von Rosen im August und September des Jahres 1607. (Haupt, Sagenbuch, I. No. 354.)
(Moller, Theatrum Freib. Chron. II. S. 311.)
Im Juni 1572, bald nach gehaltenem Fürstenschießen, wurde Freiberg von einer gewaltigen Pest heimgesucht. Ein Töpfer beim Hospital hatte eine Thongrube aufgerissen, in welche beim Sterben 1564 etwas von alten Lumpen und Stroh aus den angesteckten Häusern geworfen worden war. Da stieg ihm alsobald ein widriger giftiger Dampf entgegen, so daß er sich legen mußte und nicht allein die Seinigen, sondern auch viele in der Nachbarschaft ansteckte. Die Seuche verbreitete sich darauf weiter und nahm dermaßen überhand, daß von da an bis Weihnachten 1577 Personen starben.
Als das reußische Dorf Langenwetzendorf infolge der Pest fast ausgestorben war, kam von dorther nach der nahen Kucksmühle eine blaue Wolke und zog in zwei Spindlöcher eines Stubenbalkens, worauf der Müller Pflöcke hineinschlug und alles im Hause wohlauf blieb. Als aber der Müller später einmal nachsah, was aus dem Dunste geworden sei, da hat sich derselbe im ganzen Hause verbreitet und alle seine Bewohner mußten sterben. (Eifel, Sagenbuch des Vogtlandes, No. 457.) Desgleichen erzählt eine Mansfeldische Sage, daß die Pest in Gestalt eines blauen Nebels nach Hübitz zog. (Gräßler, Sagen der Grafschaft Mansfeld, No 95.) Ein Zauberer aus Böhmen verschloß bei Tormersdorf in der Oberlausitz die von allen Orten der Umgegend in Gestalt einer blauen Wolke heranziehende Pest in einer Grube mit der Anordnung, daß niemand die Grube wieder öffnen sollte. (Haupt, Sagenbuch d. Laus. No. 216.) Das Vernageln der Pest in Bäume kam noch 1709 zu Conitz in Preußen vor. Das Vermauern der Pest in und an Kirchen war im Mittelalter nicht ungewöhnlich, und vielleicht war das sogenannte »garstige Ding« (eine weibliche Figur, an welcher ein Hund emporstieg) an der Mauer der 1760 eingeäscherten Kreuzkirche in Dresden das Zeichen der hinter dem Hochaltare vermauerten Pest. (Schäfer, Deutsche Städtewahrzeichen, S. 93.) Dabei mag noch darauf hingewiesen werden, daß die leichenwühlenden Nornen und Walkyren von Hunden begleitet sind und von Hunden der Sterblichen zuerst gewittert werden. In altkirchlichen Abbildungen wird dem heiligen Rochus, dem Schutzpatron gegen die Pest, ein Hündlein beigegeben. (Rochholz, Deutscher Glaube und Brauch, I. S. 159.) In Außig in Böhmen glaubt man, daß die Pest als weißer Rauch erscheint, welcher Menschen, wenn diese ihn einatmen, sofort tötet. (Grohmann, Aberglauben etc. S. 184.)
(Märker, Chronik von Großhartmannsdorf, S. 279.)
Östlich von Großhartmannsdorf liegt die große Torfheide. Hier wuchs in Menge eine Pflanze, welche unter dem Namen »Zeitheed« (Zeitheide) bekannt war und noch jetzt bekannt ist. Es sollen zu verschiedenen[365] Zeiten Weiber aus Böhmen Tragkörbe voll von dieser Pflanze, welche in gegenwärtiger Zeit mit Mühe und Fleiß gesucht werden muß, weggetragen haben. Auch soll sie in der Brauerei des Ortes mit zur Verwendung gekommen sein. Der balsamische und durchdringende Geruch machte sie berühmt in der Gegend und wohlthätig für den Ort selbst. Denn in den Jahren, in welchen die Pest das Land verheerend durchzog und benachbarte Orte aussterben ließ, soll Großhartmannsdorf durch jene Pflanze verschont geblieben sein.
Die genannte Pflanze ist der Sumpfporst, Ledum palustre.
(Lehmann, Hist. Schauplatz etc., S. 345.)
Innerhalb 10 Jahren, von 1163 bis 1173, da das Freibergische Bergwerk rege und die Stadt angelegt worden, sind allerhand erschreckliche Wunder und Erscheinungen am Himmel aufgetreten, nämlich drei Sonnen, etliche Wundersterne, brennende Fackeln, Blutregen, stürmende Donner und Blitze. Gleichwohl wars dem Bergwerk nicht nachteilig, so daß man 1171 schrieb:
Im Jahre 1472 erschien ein Komet im Zeichen der Wage, darauf das Bergwerk zu Schneeberg, welches das vorhergehende Jahr war angegangen, in hohem Flor gekommen und reichlich geschüttet hat, nach den bekannten Worten:
Im Jahre 1492 erschienen im Januar drei Sonnen am Himmel, und im März ein Komet; das schadete aber dem Obergebirge nichts, sondern es wurde das Bergwerk am Schreckenberge bei Annaberg rege, nach den Worten:
In den Jahren 1515 und 1516 brannten zwei Kometen am Himmel; dabei kamen die Silberzechen am Scheibenberg und in Joachimsthal auf, wie folgende Verse deuten:
(Moller, Theatrum Freib. Chron. II., S. 271.)
Den 13. Aug. 1559 hat man zu Niederbobritzsch bei Freiberg abends neben dem Monde eine große Menschenhand in den Wolken gesehen, darüber ein Stern in Größe der Sonne, ohne daß derselbe einen hellen Schein verbreitete. Die Hand ist im Verlauf einer halben Stunde immer größer geworden, bis sie eines Tisches Breite erreicht, darauf hat sie sich umgewandt und zugethan und ist jählings zerfahren, als wenn sie stückweise herunterfiele. Den Tag darauf erhob sich in der Umgegend ein starkes Unwetter mit Hagelstücken bis zur Schwere von über 3 Pfund; dieselben waren teils rund, teils viereckig, mit Zacken, wie Kreuze, Spangen und Rosen an Gürteln. Besonders arg war das Wetter in Niederbobritzsch, wo die ganze Zeit der Himmel voll Feuer stand, von dem auch etliche Klumpen herabfielen, die viel Bäume und Büsche versengten und großen Schrecken verursachten.
(Moller a. a. O. II., S. 277.)
Den 13. März 1562 hat man zu Freiberg des Nachts am klaren Himmel einen weißen Kreis gesehn, der sich oft von einander gethan und inwendig ganz feuerrot erschienen. Dabei haben lange Strahlen rings umher gestanden, ziemlich dick und breit, doch oben zugespitzt, die haben auf einander gestoßen. Zwischen den Strahlen aber ist es aufgefahren wie Rauch und es hat die ganze Nacht hindurch geblitzt und geleuchtet. An etlichen Orten sind zugleich zwei Regenbogen und darüber ein Kreuz, sowie auch auf der einen Seite eine gebundene Rute und auf der anderen eine große Hand mit einer Rute gesehen worden.
(Meltzer, Hist. Schneebergensis, S. 1155.)
Anno 1543 den 4. Juni hat man in Wiesenthal des Abends um 7 Uhr am hellen Himmel nachverzeichnete Wunder gesehen. Erstlich einen langen Mann schwärzlich mit einem schwarzen und breiten Bart, welcher den Kopf oft schnell hin und wider gewandt, daß man ein zorniges Gemüt hat merken können. Dem ward ein Kranz gegeben, und da er ihn empfangen, ist er vergangen. Darnach ist auf einem hohen Fels ein anderer langer Mann gestanden, welcher einen langen,[367] spitzen Schnabel und vom Haupt an durch den Rücken die Länge lange Federn gehabt, gleich eines Straußes, ist aber auch bald verschwunden. Alsdann sind auf einem ebenen Felde zwei Städte gesehen worden, eine große, mit steinernen und hohen Gebäuden herrlich gezieret, und eine kleinere, die doch je länger je deutlicher ist gesehen worden. Desgleichen ein Mann, der auf einem Pferd gesessen und in der rechten Hand ein Fähnlein geführet, in der linken aber ein jung Kind gehabt, welcher auch bald verschwunden. Darnach ist auf einem hohen Berge ein großer Mann gesehen worden, der einem kleinern mit einem Schwerte das Haupt abgehauen. Es ist auch einer zwischen zweien Felsen gesehen worden, welcher auf die Knie gefallen und die Hände aufgehoben über sich zum Himmel, als bete er. Nach ihm ist ein anderer langer Mann gesehen worden in einem langen Kleide, der unter den Armen ein junges Lämmlein und auf der Schulter ein groß Schaf getragen, dem ein stinkender Bock mit langen Hörnern gefolget. Weiter sind gefolget zwei Jungfrauen, eine hat die Arme in die Seiten gestützt und sich fröhlich erzeiget, die andere hat gegeiget. Nach diesen ist ein groß Kameel erschienen, auf welchem ein Mann aufgericht gestanden, der auf dem Rücken mit langen Federn geschmückt gewesen, dem ist ein Löwe mit aufgesperrtem Rachen entgegengegangen, hat mit den vordern Klauen das Kameel angefallen, darauf ist das Kameel alsobald zusamt dem Mann verblichen. Der Löwe hat sich den Städten genahet, welchem auf dem Fuße gefolget die zwei Jungfrauen und der Mann, der das Schäflein getragen mit dem zottigen Bock, so hernach gezottet. Letztlich sind einige andere Löwen gesehen worden, die nach der Stadt wärts gegangen, und viel groß Geschütz, welches auf die Stadt gerichtet gewesen, als wollte man jetzt abschießen, und sind die Städte bei anderthalb Stunden gesehen worden.
So viel hat in einer handschriftlichen Chronik Michael Pabst verzeichnet, der sonst ein guter Astronomus gewesen und alle Begebenheiten und Ungeheuer am Himmel fleißig aufgezeichnet.
(Flader, Wiesenthälisches Ehren-Gedächtniß 1719, S. 104.)
Am 28. November des Jahres 1692 hat ein Köhler auf dem Sonnenwirbel bei Gottesgab ein hellglänzendes Schwert am Himmel gesehen, welches frühe um 5 Uhr geschehen ist. Solches Schwert hat neben einem Stern gestanden, und auch selbst wie ein heller Stern geleuchtet; die Spitze des Schwertes aber hat sich gegen Böhmen und[368] den Egerschen Kreis gewandt. Es ist nicht anders anzusehen gewesen als ein langer Degen mit Gefäß, aber ohne Bügel, und hat nach des Köhlers Erachten so hoch gestanden, als die Sonne auf diesem gebirgischen Horizont in langen Tagen um 2 Uhr zu stehen pfleget. Nachdem es wieder vergangen und nicht länger gewähret, ist dem Köhler ein Schauer darüber angekommen, daß er sich in seinem Kohlkram niederlegen müssen.
(Moller, Theatr. Freib. II., S. 148.)
Im Jahre 1504 sind Kreuze von verschiedenen Farben den Leuten vom Himmel herab auf die Kleider gefallen, und wenn dieselben auch verschossen gewesen, hat man doch dergleichen Zeichen auf ihnen gefunden.
(Staberoh, Chronik der Stadt Oederan. 1847, S. 226 etc.)
Am Sonnabende vor dem Pfingstfeste 1707 hatte der Kantor zu Oederan, Nikol. Haberland, einen frischen Maienbaum in einen Topf mit Wasser gesetzt, worauf er wahrnahm, daß der Topf eine rote Materie ausschwitzte. Man war allgemein der Meinung, daß diese rote Materie Blut sei und deutete die Erscheinung auf kommendes Unglück. Auch als der Topf leer in die Sonne getragen wurde, blieb er ganz rot, als ob eine blutende Wunde daran abgewischt worden sei. Auf erstatteten Bericht wurde er an das Konsistorium nach Dresden gesendet. Was damit weiter geschehen, ist nicht bekannt geworden.
(Lehmann, Histor. Schauplatz, S. 853.)
Im Jahre 1666, Dienstags nach dem neuen Jahre früh um 8 Uhr, floß das Röhrwasser zu Wolkenstein in drei Trögen blutig und währte drei Stunden lang, darauf eine vielfältige große Uneinigkeit in dem gedachten Orte erfolgte.
Im Jahre 1639, in der Marterwoche, blutete bei Freiberg ein Crucifix. Anno 1666 ist zu Sayda ein Teich in Blut verwandelt worden. Am 25. Mai 1672 geschah es zu Planen im Vogtlande, daß in Leonhard Weckerleins, eines Zeugwirkers Stube an unterschiedlichen[369] Orten Blut aus den Wänden heraus drang, so häufig, daß man auch Pfützen auf der Erde gesehen. Es war eine ungeheuerliche Sache, indem aus den Stubendielen, Bank- und Wirkstuhlbeinen, dürren, abgeschälten Wachholderstecken, welche zum Wollschlagen gebraucht wurden, ferner aus einer Schreib- und Schiefertafel Blut geflossen, das man auf Tüchern und Papier auffing und klumpenweise sammelte. Und dieses Blutschwitzen dauerte an etlichen Orten der Stube beinahe eine Stunde lang; wischte man's ab, so kam es wieder, schnitt man aber ein Stück von den oben angeführten dürren Wachholderstecken ab, so war inwendig kein Blut zu spüren.
Blutzeichen, insbesondere blutschwitzende Tempelstatuen, galten schon bei den alten Römern als Gefahren verkündigend; ganz besonders aber ist das christliche Mittelalter reich an Legenden, nach denen Heiligenbilder oder andere Gegenstände Blutstropfen ausschwitzten, was entweder als Beweis einer ihnen innewohnenden wunderthätigen Kraft oder als Zeichen von bevorstehendem Unglück angesehen wurde. Eine Menge hierher gehöriger Beispiele führt Rochholz (Deutscher Glaube und Brauch. I. S. 48 etc.) an.
(Histor. Nachricht von denen Denkwürdigkeiten der Stadt Chemnitz. 1734, S. 80.)
Den 13. Mai des Jahres 1546 wurde in Chemnitz ein Weib, so ihr eigenes Kind ermordet, enthauptet, und das Kind zu ihr in den Sarg geleget, welches dann angefangen zu bluten, wiewohl es schon 14 Tage tot gewesen.
(Meltzer, Hist. Schneebergensis, S. 1159.)
Im Jahre 1564 hat zu Schneeberg in Bastian Fischers Stube ein angenageltes Hirschgeweihe geblutet und übel gerochen, gleichwie ein anderes in der nächsten Woche darauf, welches gegen 12 Jahre in der Stube gewesen, vom Fette getrieft, also daß ein schwarzer Gischt am Horn zu sehen gewesen ist, weswegen es aufs Rathaus gebracht werden mußte. Man hat sich darüber allerlei Gedanken machen müssen.
Ein Hirschgeweih führt das würtembergische Haus in seinem Wappen. Als Sophie, die Tochter des Schwabenherzogs Christoph, starb, soll ein solches Geweih an ihrer Zimmerwand geblutet haben.
Erinnert mag noch daran werden, daß während der Hirsch Eikthyrnir den Gipfel der Weltesche Yggdrasil benagte, aus seinem Geweihe eine große Honigfülle durch den Wohnsitz der Asen und zu den Menschen und bis in die Unterwelt floß. Wer von solcher Honigfülle trank, wurde hirschtrunken, d. h. selig. (Rochholz, Deutscher Glaube und Brauch, I., S. 7.)
(Meltzer, Hist. Schneeberg., S. 1020.)
Am 14. März 1615 ist in Schneeberg in Paul Leibigers Stube Christoph Büttner, ein Zahnbrecher, auf wunderbare Weise erschossen worden. Dieser war kurz zuvor am Sonntage Oculi von der Reise gekommen und wollte mit Christoph Leibigern um ein Handrohr, das über ein halbes Jahr an der Wand gespannet gehangen, tauschen. Als er aber dasselbe spannte und solches kein Feuer gehen wollte, da hat Büttner zu Leibigern, welcher dazumal das Rohr in der Hand gehabt, gesagt. »Ei, es muß Feuer geben in Teufels Namen!« Siehe, da ist alsbald das Rohr losgegangen und der leichtsinnige Büttner erschossen worden, ungeachtet, wie der damalige Pfarrer dies aufgezeichnet, man weder Kugel noch Schrot gesehen und gefunden.
(Ziehnert, Sachsens Volkssagen. Anhang, No. 125.)
Als 1546 Ferdinand, König von Böhmen, und Herzog Moritz von Sachsen Zwickau belagerten, ist aus der Stadt mit einem Stück (einer Kanone) durch beide Kirchthüren geschossen worden. Die Kirche liegt in der Stadt fast zwischen Morgen und Mittag, die Thüren aber gehen gegen Mittag und Mitternacht. Bei der mittäglichen Thüre liegt ein Berg vor und die mitternächtliche geht ganz und gar nicht gegen die Stadt. Darum haben die Alten gemeinet, daß diesen Schuß ein Zauberer gethan habe, welcher gewußt, daß eben zur selben Zeit sich in der Kirche viel vornehme Herren aufgehalten, und sind darum auch keine neuen Thüren gemacht, sondern nur Brettlein vor die Löcher genagelt worden.
(Lehmann, Histor. Schauplatz, S. 481.)
Wahrhaftig ist's, was sich mit gewachsenen Perlenschoten zu Neustadt-Wiesenthal im Jahre 1626 zugetragen. Nach dem großen[371] Sterben selbiger Zeiten wohnte in gedachtem Bergstädtlein Michael Rohdörfer, ein Exulant aus Lutitz in Böhmen, welcher mit seinem Weibe und sieben kleinen Kindern wunderbarer Weise den Religionsfeinden entkommen. Sein Töchterlein von sieben Jahren hatte vom Schutthaufen eines ausgegrabenen alten Kellers etliche Kapsamen-Strünklein aufgelesen und in des Vaters Garten gesteckt. Da nun solche wohl fortgekommen und gereifet, nimmt sie die Schötchen ab und klopfet sie aus, findet aber mit Verwunderung weiße Körnchen, die sie, unwissend was es sei, dem Vater weiset und spricht: »Ja, Vater sehet, was find ich für Patterlein?« Der Vater kennets, daß es rechte Perlen, suchet und findet sie in den Schötchen selbst, also, daß je nach zwei Samenkörnchen eine wahrhafte Perle lag, und sammelten sie dieses Samens und der Perlen ein Käsnäpfchen voll. Viel Edelleute, die sich damals in Wiesenthal als Exulanten aufhielten, habens selbst in Augenschein genommen, auch einige dieser Perlen dem Töchterlein abgeschwatzt und als Rarität aufgehoben. Eine Gräfin von Hauenstein kam von Annaberg, hielt mit der Karosse vor des erwähnten Exulanten Thür, breitete ihr Haartuch auf den Schoß und bat, das Mägdlein sollte ihr einige Samenschötlein aufmachen, welches auch geschah, und sie fand, daß es wahrhaftige Perlen waren. Sie versprach darauf, wenn der Vater einwilligen wollte, dieses glückselige Kind auf- und anzunehmen. Endlich machte die Gräfin etliche Schoten eigenhändig auf, aber die Perlen zerschmolzen ihr unter den Fingern, wie es auch zuvor andern Leuten, die sie selbst aufgemacht, begegnet war. Darauf sagte sie: »Ei, so ists eine sonderbare Gnade von Gott, derer wir nicht würdig sind.« Ein frommer Edelmann aus Böhmen, der auch daselbst im Exil lebte, ließ den Vater mit allen sieben Kindern vor sich kommen, betrachtete und befand das Wunder augenscheinlich und kleidete die armen Kinder alle neu.
(Moller, Theatrum Freib. Chr. II, S. 364. Ziehnert, Sachsens Volkssagen, Anhang, Nr. 12.)
Im Jahre 1590 fand ein armes Hirtenmädchen, welches bei der herrschenden großen Dürre viel Hunger leiden mußte, zwei Meilen von Freiberg einen weißen Gang einer guten Spanne dick. Derselbe sah wie Mehl aus und sie nahm etwas davon mit nach Hause und buk Brot daraus. Darauf geschah von anderen armen Leuten ein großer Zulauf; das weiße Mehl wurde ausgegraben und ebenfalls verbacken.[372] Ein solches Brot wurde auch nach Freiberg gebracht und auf's Rathaus geliefert; es schmeckte gar süßlich und roch ein wenig nach Brot. Nach einer andern Volkssage hackte im Jahre 1590, da große Teurung war, ein frommer Mann aus Freiberg ohnweit der Stadt in einer Lehmgrube. Er hatte daheim eine zahlreiche Familie hungrig verlassen und gedachte mit Thränen, wie unzureichend das Brot sein würde, welches er für die wenigen Pfennige Tagelohn am Abend würde kaufen können. »Ach Gott!« rief er, die nassen Augen zum Himmel gewendet, »du kannst Großes thun, o gieb mir und den Meinen, daß wir nicht verhungern dürfen!« Da fielen plötzlich große Stücke einer schönen weißen Masse unter den Schlägen seiner Hacke aus der Lehmwand hervor. Wie erstaunte der gute Mann, als er sie genauer betrachtete und sah, daß sie beim Angreifen zu Mehl wurden, welches gutem Brotmehl an Ansehen, Gewicht und Geschmack ganz gleich war. Nicht länger zweifelte er, daß Gott durch diese seltene Masse ihm wunderbar helfen wolle, lud ohne Säumen seinen Schiebkarren voll solcher Mehlklumpen und fuhr damit nach Hause. Ehe der Abend kam, hatte er eine ziemliche Anzahl Brote daraus gebacken, welche sehr schmackhaft waren und wie Veilchenwurzel dufteten. Bald wurde die Mähr von dem wunderbaren Mehle bekannt und noch viele arme Leute in Freiberg und der Umgebung suchten in den Lehmgruben nach der belobten weißen Masse, welche sie auch fanden und zu Brot backen und genießen konnten, nämlich, wenn sie fromm und gut waren. Denn nur wenn arme rechtschaffene und gottesfürchtige Leute das Mehl als eine Gabe Gottes ausgruben und mit Danksagung verbrauchten, blieb es gutes und brauchbare Mehl; wenn es aber Spötter und Gottlose in die Hände nahmen, ward es zu Sand und zu Stein.
(Ziehnert, Sachsens Volkssagen, Anhang, Nr. 49. Nach Luthers Tischreden bei den Br. Grimm, Deutsche Sagen I., Nr. 362.)
Bei Zwickau auf einem Dorfe schickten einst Eltern ihren Sohn, einen muntern Knaben, in den Wald, die Ochsen, welche da auf der Weide waren, heimzutreiben. Aber die Nacht überraschte den Knaben und es erhob sich ein solch mörderisches Schneewetter, daß er nicht aus dem Walde zu kommen wußte. Als nun der Knabe am andern Tage immer noch nicht nach Hause kam, gerieten seine Eltern in große Angst und konnten doch vor dem großen Schnee nicht in den Wald. Am dritten Tage erst, nachdem der Schnee zum Teil abgeflossen, gingen sie[373] hinaus, den Knaben zu suchen und fanden ihn endlich an einem sonnigen Hügel sitzen, wo gar kein Schnee lag. Freundlich lachte er seine Eltern an, und als sie ihn fragten, warum er nicht heimgekommen, antwortete er, daß er habe warten wollen, bis es Abend würde. Er wußte nicht, daß schon mehrere Tage vergangen waren, und als man ihn ferner fragte, ob er etwas gegessen hätte, erwiderte er, es sei ein Mann zu ihm gekommen, der ihm Käse und Brot gegeben habe.
Also ist dieser Knabe sonder Zweifel durch einen Engel Gottes gespeist und erhalten worden.
Nach einer thüringschen Sage bringt eine Jungfrau einem im Walde verirrten Kinde Speise und Trank. (Witzschel, Sagen aus Thüringen, Nr. 113.)
(Lehmann, Chronik der Stadt Chemnitz, 1843, S. 297. Moller, Theatrum Freibergense, 1653, S. 313.)
Am 7. und 9. Juli 1770 regnete es eine Art Korn, welches dem natürlichen Korn zum Teil sehr ähnlich aussah, zum Teil waren es runde Körner wie Wicken. Man fand es auf den Bleichen bei Chemnitz und meinte nun, es müsse vom Himmel gefallen sein. Das Volk deutete es auf Pestilenz und Teurung. Als man es steckte, ging es nicht auf; man hat es getrocknet und gemahlen und es gab etwas Mehl.
Auch am 17. Juni 1572 hat es bei Freiberg gut natürlich Korn geregnet, wie auch am 2. Juli desselben Jahres zu Frankenberg. Die Leute haben es aufgerafft, gemahlen und schön Brot daraus gebacken.
Sonst soll dergleichen geregnetes Korn mehrenteils taub und unnütz, bisweilen auch schädlich gewesen, und das Vieh, so davon gefressen, gestorben sein.
Dieser Körnerregen bestand jedenfalls aus den kleinen Knollenknospen des gemeinen Feigwarzenkrautes (Ficaria ranunculoides), welche in den Blattachseln genannter Pflanze sitzen und später abfallen, um im nächsten Jahre zu keimen. Bei heftigen Regengüssen wurden dieselben losgerissen und zusammengeschwemmt, so daß sie dann bei massenhaftem Vorkommen die Aufmerksamkeit des Volkes und den Glauben erregten, sie seien mit dem Regen zugleich vom Himmel gefallen.
(Hauptmann, Uhralter Wolkensteinscher Warmer Badt- und Wasser-Schatz etc. Leipzig, 1657, S. 63, 85. Kirchengalerie von Sachsen, 12. B., S. 234.)
Das Warmbad im Hüttengrunde bei Wolkenstein führte vor der Reformation nach einer auf der Höhe erbauten Kirche, in welche sieben[374] Dörfer eingepfarrt waren, den Namen »zu unser lieben Frauen auf dem Sande«. Man hat in dieser Kirche Messe gehalten, ehe man in's Bad gegangen ist. Während des Papsttums ist auch dorthin ein solches Wallfahrten geschehen, daß die Kirche vielmal zu klein und ein großes Gedränge darum war. Dabei sind gar viele, welche das Bad gebrauchten, gesund geworden und haben zum Gedächtnis Krücken und Stäbe, deren sie sich bei ihrer Gebrechlichkeit bedient hatten, bei der Kirche zurückgelassen. Es kann aber kein Mensch sagen, zu welcher Zeit man dieses Bades sei innen worden. Man zeigte früher an dem Badehause ein hölzernes Christusbild mit der Jahreszahl 1385 und folgender Inschrift:
(Köhler, Hist. Nachrichten von der Bergstadt Wolkenstein. Schneeberg 1782, S. 38. Kirchengalerie von Sachsen, 12. B., S. 66.)
Im Wiesenbad bei Annaberg, wohin besonders Kranke und Sieche wallfahrten, hat eine Kapelle gestanden, die dem St. Job gewidmet gewesen ist und welche vom Fürst Georgen reichlich begabet und vom Bischof zu Meißen im Jahre 1505 eingeweihet wurde. Letzterer setzte auch einen Meßpriester dahin, welcher den Badegästen, ehe sie ins Bad gegangen, eine Messe lesen mußte. Von dieser Kapelle des St. Jobs ist alsdann das Bad das Jobs- oder Hiobsbad genannt worden. – Die Entdeckung des Heilbrunnens soll sich von einem armen Manne herschreiben, der seine ungesunden Schenkel in diesem Wasser gewaschen und heil geworden.
(Moller, Theatrum Freibergense Chron. II, S. 20.)
Anno 1262 haben die Geißler in großer Zahl das Land Meißen durchlaufen und sich dieses Jahr in der Stadt Freiberg befunden, dahin damals eine starke Wallfahrt zur schönen Marie gewesen. Diese Leute sind halb nackend je zwei und zwei barfuß gegangen, in roten offenen Mänteln, die man spanisch Armilausen genannt.
Das Marienbild war von Wachs in menschlicher Größe ganz[375] schön und zierlich gestaltet und stand in einer besondern Kapelle. Die Leute kamen von allen Orten heftig gelaufen, als wenn sie bezaubert wären, und was ein jedes von Männern und Weibern von seiner Arbeit in der Hand gehabt, wenn ihn die Tollheit angestoßen, das hat er mit sich genommen und allda gelassen; wie auch viel krumme, lahme und andere preßhafte Menschen, die sich zu diesem Bilde verlobet, gesund geworden und ohne Mangel wieder davon gegangen sein sollen.
Diese Wallfahrt hat lange Zeit gewährt, bis man erfahren, daß unter dem Schein des Heiligtums ein böses sodomitisches Leben und viel Schande und Laster getrieben wurde, worauf durch einen fürstlichen Befehl dem Gelaufe und den Zusammenkünften gesteuert wurde und solche mit Ernst abgeschafft worden sind.
(Staberoh, Chronik der Stadt Öderan, 1847, S. 87. Gräße, Sagenschatz d. K. Sachsen, Nr. 559. Kirchengalerie, 8. B., S. 117.)
Vom Jahre 1439 bis 1443 ward das Meißnerland von einer besondern Pest heimgesucht. Die davon betroffenen Menschen waren nicht mit Schmerzen geplagt; von Schlafsucht befallen, war der Pestkranke in wenigen Tagen tot. Früher wanderte man vor dem Pestengel aus, diesmal half man sich mit Gelöbnissen. Das wunderthätige Marienbild in Ebersdorf bei Frankenberg ward von Tausenden besucht, und diese wurden dann mit irgend einem Trostspruche oder der Verhängung einer Buße entlassen. Für die Öderaner lautete die Sühne und Strafe folgendermaßen:
Das hieß nun: die Kirche zu Öderan samt deren Glocken herzustellen. Die Öderaner haben dann auch Glocken auf den Turm besorgt; inwieweit sie sonst noch dem Verlangen des Marienbildes nachgekommen sind, wird uns vom Chronisten verschwiegen.
Außer manchen andern Reliquien, wie einem hölzernen Christusbilde, das zu manchen Zeiten Thränen vergossen haben soll, zeigt man in der Kirche zu Ebersdorf noch heute eine Krücke, welche ein durch die Berührung des Marienbildes geheilter Lahmer getragen habe. Diese Krücke ist mit der Jahreszahl 1333 gezeichnet, und man liest an ihr die eingeschnittenen Worte:
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 57.)
Dreiviertel Stunden von der Bergstadt Joachimsthal entfernt liegt die zerstreute Ortschaft Mariasorg, welche ein Kapuzinerhospiz besitzt, in dessen Kirche sich am Hochaltare eine Muttergottesstatue befindet, zu der alljährlich zahlreiche Wallfahrer und Andächtige von fern und nah wegen der vielen Wunder pilgern, durch welche Gott das Bildnis der heiligen Jungfrau Maria verherrlichte. An dieses Gnadenbild knüpft sich folgende Sage:
Zur Zeit, als M. Johannes Mathesius, Luthers Schüler und Tischgenosse, in Joachimsthal als Pfarrherr wirkte, bewohnten »das vor alters benannte rote Haus im untern Viertel des Türkners« mehrere Protestanten und ein Mädchen, welches der römisch-katholischen Kirche treu geblieben war. Von den vielen Heiligenbildern, mit denen es das Kämmerlein geschmückt hatte, erfreute sich besonders eine alte, verbräunte Muttergottesstatue einer hohen Verehrung seitens des Mädchens. Ungestört kniete dieses oft stundenlang vor derselben und flehte mit gefalteten Händen zur Jungfrau Maria, der gnadenreichen Himmelskönigin. Allein bald erfuhren die Hausgenossen von der stillen Andacht, welcher sich das Mädchen hingab, und zwei Brüder, eifrige Protestanten, faßten den Entschluß, diesen religiösen Übungen für immer ein Ende zu machen. Der eine der Brüder bemächtigte sich eines Tages der Statue und wollte sie mit dem Angesichte gegen die Mauer annageln, wovon das Zeichen noch heute an dem Hinterhaupte des Bildes zu sehen sein soll, fiel aber zur Strafe für seine Frevelthat von der Leiter und starb. Der andere warf hierauf das Marienbildnis in den Winkel eines im Hause befindlichen Hühnerkämmerleins, wo es, durch Schmutz entstellt, viele Jahre versteckt blieb, bis mit der Vertreibung der Protestanten der Katholicismus in Joachimsthal wieder feste Wurzeln faßte.
Damals geschah es, daß David Weidner aus Plan sich daselbst niederließ und mehrere, von den Protestanten verlassene Bürgerhäuser, darunter auch das rote Haus, kaufte. Zu seiner Überraschung fand er in letzterem die Muttergottesstatue in dem Hühnerkämmerlein; er ließ sie als guter Katholik absäubern und hielt sie lebenslang in Ehren. Weidner starb um das Jahr 1676 als Stadtrichter und vererbte das Bildnis seiner Tochter Anna Lucia, verehelichten Mader, die dasselbe als Heiligtum aufbewahrte und andächtig in ihrem Wohnzimmer verehrte. Als darauf in den neunziger Jahren des 17. Jahrhunderts die Joachimsthaler Gemeinde an dem denkwürdigen Orte, wo des Einsiedlers Niavis kleine Kapelle gestanden, die bei Einführung des Luthertums[377] in hiesiger Gegend zerstört wurde, eine Kirche erbaute, ließ Anna Lucia Mader daselbst ihre Muttergottesstatue zur allgemeinen Verehrung aufstellen. Nach diesem Marienbilde erhielt die Kirche, da die Gegend schon von uraltersher Sorg hieß, den Namen »Maria-Sorg«, der in der Folge auch auf das Dorf überging.
Noch immer ladet die Kirche zu Maria-Sorg zum Beten ein, dagegen fiel das alte rote Haus dem verhängnisvollen Brande vom 31. März 1873 zum Opfer.
(Glückauf, 3. Jahrg., Nr. 4, S. 33.)
Bei Klösterle steht an der Schlackenwerther Straße ein Marienbild in einer hohlen Linde. Das stand erst auf der andern Seite, auch in einem Baume. Da schlug das Wetter ein. Der Baum flog in tausend Granatstücke und das Bild schwebte unversehrt, so daß ihm kein Unthätchen geschehen, über die Straße zu der andern Linde, und dort hat man es denn auch aufgestellt.
Die Linde, der Nationalbaum der Deutschen, galt unsern Vorfahren als heilig; sie war besonders der Göttin Frigg geweiht, an deren Stelle später Maria getreten ist, die nun zur Beschützerin der Linden wurde. Auch das Bild der heiligen Maria von Rosenthal wurde in einer Linde gefunden. (Haupt, Sagenbuch II, Nr. 287.) Als ein aus Holz geschnitztes Marienbild von den Rastenburgern von seinem Platze, einer Linde, welche immer grün blieb, geholt und nach der Kirche getragen wurde, stand es doch am andern Morgen wieder in der Linde, weshalb man unter derselben eine Kapelle baute. So entstand der Wallfahrtsort »Heiligenlinde«. (Reling und Bohnhorst, unsere Pflanzen, S. 17.)
(Th. Schäfer, Führer durch Nordböhmen, 3. Aufl., S. 65.)
Von Teplitz 1½ Stunde entfernt und in der Nähe des Bergstädtchens Graupen liegt das Jesuitenkloster Mariaschein. Die große Kirche desselben ist rings von prächtigen Linden umgeben, sowie von Säulenhallen, in denen Beichtstühle aufgestellt sind; Freskobilder stellen die wunderbaren Wirkungen des Gnadenbildes dar. Dieses selbst, ein Marienbild, »die schmerzhafte Mutter Gottes«, wird in der Mitte des Hochaltars unter Glas in goldener Hülle aufbewahrt; es ist aus Thon, etwa 12 cm hoch, und soll zur Zeit der Hussitenkriege nach der Zerstörung des Nonnenklosters zu Schwatz von einer Nonne in einer Linde[378] an der Stelle der jetzigen Kirche versteckt worden sein, wo es seine Kraft durch die wunderbare Errettung eines Mädchens von einer Schlange bewies. Als die Bürger des Städtchens Graupen dasselbe in feierlichem Zuge in ihre Kirche gebracht hatten, kehrte es auf wunderbare Weise in die Linde zurück. Deshalb baute man an dieser Stelle zuerst eine Kapelle, dann die Kirche. Bei Wallfahrten wird das Bild gezeigt und von den Gläubigen geküßt.
S. die Bemerkung zur vorhergehenden Sage.
(Joh. Böhm in der Erzgebirgs-Zeitung, 1881, S. 134.)
Betritt man die Pfarrkirche des am Hohen Steine gelegenen Dorfes Stein, so fällt einem in der Vorhalle, oberhalb des Weihwasserbeckens, ein Ölgemälde auf, Diebe darstellend, wie sie eben die wertvollsten Gegenstände vom Altar der Steiner Pfarrkirche zusammenraffen und davontragen. Die fromme Sage erzählt weiter: Die Verbrecher flohen mit dem gestohlenen Kirchengute nach Sachsen zu und in der Nähe des Hohen Steines entleerten sie die Monstranze und das Ciborium der consecrierten Hostien. Das geschah im Herbste. Das Jahr darauf, im Frühlinge, weidete eine Rinderherde in dieser Gegend. Da hörte der Hirte ein anhaltendes Röhren einiger der ihm anvertrauten Kühe, und als er nach der Ursache forschte, sah er zu seinem Erstaunen mehrere Rinder um eine Wachholderstaude stehen, an der noch einige der von den Dieben hier verschütteten Hostien hingen, während die andern, ebenfalls unbeschädigt, unter dem Strauche am Boden lagen. Eilig lief der Hirte, seine Heerde im Stiche lassend nach Hause und verkündete, was er gesehen. Viele Leute gingen mit ihm und fanden seine anfangs bezweifelten Aussagen bestätigt, sahen auch zu ihrer Verwunderung die Rinder, immer noch laut röhrend, um den »Kronawittstrauch« herumstehen. Geistliche, von einer großen Volksmenge begleitet, welcher das merkwürdige Ereignis kund geworden, kamen bald an den Ort, unter Absingung heiliger Lieder faßten sie die Hostien in den Kelch und übertrugen sie in feierlicher Prozession in die Pfarrkirche, aus der sie so freventlich entwendet worden waren.
Auf der Stelle aber, wo das Wunder geschehen, erhob sich bald eine einfache Kapelle, welche in ihrem Innern außer anderm ein Gemälde aufweist, welches auf das Auffinden der Hostien Bezug hat und[379] an deren Stufen das bedrängte Herz Trost und Linderung seiner Leiden findet, wenn es sich zum Urquell aller Dinge erhebt.
(Die Ruinen von Tarant. Ein Beitrag zur Kunde der Vorzeit etc. Dresden, Joh. Sam. Gerlach, 1795, S. 20.)
Im Jahre 1190 erlitt die Burg Tharand das Unglück, daß sie in Feuer aufging, wobei sich noch obendrein ein großes Wunder ereignete. Es flog die daselbst seit einiger Zeit aufbewahrte heilige Georgenfahne, die im Kriege wider die Ungläubigen viele Wunder gethan hatte, während des Brandes vor aller Augen zum Fenster unversehrt hinaus, und niemand wußte anzugeben, wohin sie gekommen war.
Von dieser heiligen Georgenfahne wird erzählt, daß sich dieselbe Ludwig der Fromme, Landgraf zu Thüringen, im Kriege gegen die Sarazenen vortragen ließ. Als er bei Akkon blieb, ward die Fahne erst auf die Wartburg und später nach Tharand geschafft. (Merkels und Engelhardts Erdbeschr. v. Kursachsen, 2. B., S. 103.)
(Grohmann, Sagen aus Böhmen, S. 205.)
Bevor die Eisenbahnen aufkamen, vermittelten die Reischdorfer Fuhrleute den Handel zwischen Böhmen und den übrigen Ländern. So fuhr auch einmal ein Reischdorfer nach Nürnberg. Eines Tages, da ein großer Sturm und Regen herrschte, geschah es, daß unser Fuhrmann mit seinem Wagen in einen Abgrund fiel, wo Wagen und Pferde zerschmetterten. Er fluchte und jammerte, allein alles vergebens. Plötzlich fühlte er, daß ihm jemand auf die Achseln klopfte. Er schaute sich um und sah einen sonderbar gekleideten Mann vor sich, der ihn fragte, weshalb er so jammere. Der Fuhrmann zeigte auf seinen Wagen und erzählte sein Unglück. Da zog der Fremde ein Fläschchen aus der Tasche, in welchem sich ein Ding hin und her bewegte, und sagte zum Fuhrmann, er solle ihm dafür zwei Thaler geben; wenn er das Fläschchen rüttle und sich dabei etwas wünsche, so werde sein Wunsch augenblicklich in Erfüllung gehen; nur müsse er das Fläschchen billiger verkaufen, als er es eingehandelt habe. Der Fuhrmann zahlte voll Freuden das Geld, rüttelte das Fläschchen und wünschte sich das schönste Haus in Nürnberg. Dort lebte er in Hülle und Fülle. Eines Tages aber, als er wiederum im Wirtshaus saß und mit Geld um sich warf, sah er einen schwarz gekleideten Herrn, der ihn ganz seltsam[380] anblickte. Der Fuhrmann ging auf ihn zu und fragte ihn, warum er ihn so betrachte. Der Fremde antwortete, daß ihm seine Verschwendung auffalle. »Ja,« sagte der Reischdörfer, »ich hab' da ein Fläschchen, damit kann ich mir alles wünschen, was ich will. Um einen Thaler jedoch will ich's Euch verkaufen.« Der Fremde nahm das Fläschchen, sprach einen Spruch darüber, so daß es in tausend Stücke zersprang; das darin befindliche Ding aber ward eine Schlange, die so stank, daß der Bauer in Ohnmacht fiel. Als er erwachte, befand er sich auf der nämlichen Stelle, wo sein Gespann zu Grunde gegangen war. Er ging nach Nürnberg, um zu sehen, was aus seinen Reichtümern geworden sei. Da sah er auf dem Balkon des Hauses, das ihm gehört hatte, seine eigene Gestalt, die ihm zuwinkte. Er trat ins Haus, allein alle Leute darin waren ihm fremd und die Gestalt war verschwunden. So kehrte er ebenso arm nach Hause zurück, als er ausgezogen war.
(J. Mann in der Erzgebirgs-Zeitung, 1882, S. 15.)
Über die Entstehung der Tempiskapelle am obern Wege von Komotau nach Görkau erzählt die Sage:
In Rothenhaus war Herr Tempis Kastellan, der seine Arbeitsleute und Herrschaftsangehörige sehr hart und grausam behandelte. Einmal kehrte er auf seinem Rosse von Komotau nach Hause zurück. Es war eine finstere, rabenschwarze Nacht, und dazu hatte er noch etwas zu viel von geistigen Getränken genossen. Anfangs ging sein Roß ganz gut, dann aber sauste es im rasenden Galopp dahin. In der Ferne bemerkte Herr Tempis ein Licht und glaubte schon bei Rothenhaus zu sein. Da auf einmal fing sein Pferd an zu sinken, und je weiter er ritt, desto tiefer sank es. Trotz aller seiner und seines Pferdes Anstrengung gelang es nicht, aus diesem Moraste heranzukommen. Herr Tempis sah schon seine letzte Stunde gekommen, da eine Rettung hier nicht möglich war. In diesem qualvollen und entsetzlichen Augenblicke that er das Gelübde, im Falle er gerettet werde, eine Kapelle zu Ehren der Mutter Gottes an dieser Stelle zu erbauen. Er trieb jetzt sein Pferd noch einmal an. Dieses bot seine letzten Kräfte auf und siehe, Roß und Reiter waren gerettet. Herr Tempis erfüllte nun auch gewissenhaft sein Gelübde.
(Grohmann, Sagen aus Böhmen, S. 274.)
Bei Komotau gegen das Gebirge hin liegen auf einem Berge mehrere große Steine, die Katzen ähnlich sind. Das sollen sieben Jungfrauen sein, welche ein schlechtes Leben führten und deshalb in diese katzenähnlichen Steine verwandelt worden sind.
(T. Schmidt, Chronica Cygnea I., S. 78.)
Als auf dem Turme der Marienkirche zu Zwickau die große Glocke am 12. Juli 1512 sprang, weil man von 8 Uhr des Abends bis den andern Morgen früh um Vier eines schrecklichen Gewitters halber nach damaliger Gewohnheit geläutet hatte, so fragte der Glockengießer, der sie umzugießen hatte, als das Metall schon geschmolzen war, und er das Werk selbst beginnen sollte, die dabei stehenden Ratsherren, was für einen Ton er der Glocke geben solle? Da nun diese verlangten, er solle derselben das Chormaß nach der Orgel, also das bloße C geben, hat er ein Pulver von Kräutern zugerichtet und in das Metall geworfen, und davon hat die Glocke den gewünschten Ton bekommen.
(Gräße, Sagenschatz d. K. Sachsen, Nr. 290.)
Ist einst ein Bischof, namens Wolfgang, aus dem Geschlechte derer von Schleinitz zu Freiberg gewesen. Wie der nun einmal in vollem Ornate zum Dienste des Herrn in den Dom geht, da stürzt sich ein Bettler vor seine Füße nieder, der Gliederreißen oder das böse Wesen zu haben schien. Mitleidsvoll blickten den Unglücklichen alle Anwesende an, nur der Bischof machte eine Ausnahme, er sprach zu ihm: »Tobt wirklich eine Krankheit in Dir, so möge sich Gott Deiner erbarmen und Dich gesund machen, hast Du sie aber zum Frevel erlogen, um Almosen zu erlangen, soll sie von jetzt an Deine Strafe sein.« Kaum war aber der gottlose Heuchler, welcher der ernsten Mahnung des Bischofs nicht ungehorsam zu sein wagte, vom Boden aufgestanden, als er auch mit jämmerlichem Geschrei wieder niederfiel und niemand mehr an der Erfüllung des göttlichen Strafgerichts zweifeln konnte. Da hat das Volk den frommen Bischof als[382] Heiligen verehrt und die Begleiter haben seitdem den St. Wolfgang zu ihrem Schutzpatron angenommen.
(Nach der poet. Bearbeitung von Ziehnert bei Gräße, Sagenschatz etc., Nr. 511.)
Am 26. Juli des Jahres 1519 ward die St. Annenkirche in der Stadt Annaberg durch den Bischof von Meißen, Johann VI., geweiht und bei dieser Gelegenheit ereignete sich folgende wunderbare Begebenheit, welche durch ein, wahrscheinlich von Lucas Cranach gemaltes Bild, das sich am Grabmonumente L. Pflocks, eines reichen Bergherrn, der bei diesem Vorgange zugegen war, befindet, noch heute im Andenken erhalten wird. Als nämlich die Prozession, bei der sich auch Herzog Georg von Sachsen befand, an der Pforte der Kirche angelangt war und der Bischof sich anschickte, dieselbe einzuweihen, sah er plötzlich einen zerlumpten Bettler, der sich in epileptischen Zuckungen auf der Erde herumwälzte, vor sich. Da erhob sich in der Seele des geistlichen Herrn der Verdacht, die Krankheit dieses Elenden sei nur eine verstellte und derselbe benutze dieselbe bloß, um bei dem heutigen hohen Feste das Mitleid der Anwesenden zu erregen. Er hob also die Rechte zur Benediktion, schlug ein Kreuz über den Bettler und sprach mit laut erhobener Stimme: »Bist Du wirklich krank, so helfe Dir der Herr, verstellest Du Dich aber, so strafe er Dich!« Kaum hatte er diese Worte gesprochen, so geschah es, daß die von dem Bettler vorgegebene Krankheit zur Wirklichkeit ward, ein fürchterliches Geschrei verkündete ihr Dasein und mehrere starke Männer waren jetzt kaum im Stande, den Unseligen in seinen Zuckungen zu bändigen und auf die Seite zu bringen.
(Köhler, Volksbrauch im Vogtlande, S. 572.)
Vor einer Reihe von Jahren lebte in Schöneck ein Pfarrer Merz, welchem ein Kind von 2 Jahren starb. Nach 14 Tagen rief eine Kinderstimme bei diesem Pfarrer Merz des Abends nach 10 Uhr beim Schlafstubenfenster: »Mein Händchen und mein Füßchen!« und dies einigemale. Der letzte Ruf lautete: »Vater, mein Händchen und mein Füßchen fehlt mir!« Darauf ließ der Pfarrer Merz sein Kind wieder ausgraben, und wirklich fehlten auch diese Glieder. Es wurde nachgeforscht[383] und man hatte auf einen Bewohner der Birkenhäuser bei Schöneck, welcher einen Schatz hatte heben wollen, Verdacht. Am nächsten Sonntage erblickte der Pfarrer den bezeichneten Mann in der Kirche; er leitete seine Predigt auf den Vorfall und rief, indem er auf den Verdächtigen hinzeigte, laut aus: »Du Schalksknecht, Du Übelthäter, verschaffe die Glieder meines Kindes wieder!« Darauf soll der Mann wie tot umgefallen sein.
(Tob. Schmidt, Chron. Cygnea I., S. 63.)
Früher ward in der gewölbten Sakristei in der Marienkirche zu Zwickau ein in arabisch Gold gefaßtes Stücklein vom Kreuze Christi verwahrt, welches der Hauptmann Martin Römer im Jahre 1479 der Kapelle geschenkt hatte. Nun war aber in die Einfassung mit Cyrillischen Buchstaben und in serbischer Sprache eine Inschrift gegraben, welche also lautete: »Dieses ehrwürdige Crucifix ist auf der Königin … (der Name war nicht mehr zu lesen) Befehl gemacht und in die Kirche der h. Dreifaltigkeit bei der Grube (zu Konstantinopel) gesetzt worden; es sind in demselben fünf ganze Stücklein vom h. Kreuz und vier Edelsteine, die hölzernen Stücklein sind für 2000 Gulden gekauft, das Gold aber und die Edelsteine kosten 1000. Wer ein Stücklein von diesem Holze des Kreuzes mit Gewalt aus der Kirche der h. Dreifaltigkeit nehmen wird, der sei verflucht und das h. Kreuz bringe ihn um, wer es etwa an einem andern Orte antrifft, der schaffe es wieder in die Kirche zur h. Dreifaltigkeit, wer es nicht thut, den bringe Gott und das h. Kreuz um.« Trotz dieses Fluches hat aber, als die Türken Konstantinopel eingenommen, ein Grieche dieses Heiligtum, damit es nicht in unheilige Hände komme, errettet und hernach M. Römern in Zwickau verkauft, der auch von dem darauf geschriebenen Fluch nichts zu befürchten gehabt, weil er es nicht mutwillig entwendet, sondern nur vor denen, die es ohnedem zerschlagen und beschimpft hätten, bewahrt hat. Nun hat aber der Herzog von Friedland, insgemein der Wallenstein genannt, am 1. September 1632 dieses Kleinod durch seine Vettern Graf Maximilian von Wallenstein und Graf Paul von Lichtenstein abholen und hernach auf der Post durch genannten Grafen von Wallenstein dem Kaiser anbieten lassen, als verehre die Stadt Zwickau und die geistliche Behörde solches demselben freiwillig; allein es war hierbei wenig Willigkeit, sondern nur Gewalt zu finden, und es hieß[384] vielmehr: willst du nicht, so mußt du. Nun ist aber der besagte Fluch an allen diesen Personen ausgegangen. Nachdem dies nämlich hier am 14. September geschehen, hat der Wallenstein am 6. November die große Schlacht bei Lützen verloren und seit dieser Zeit kein Glück mehr gehabt, also daß er bald darauf zu Eger ein blutiges Ende nahm; die beiden Grafen aber sind noch in demselben Jahre umgekommen und ist keiner von ihnen eines natürlichen Todes gestorben.
(Brandner, Lauenstein, seine Vorzeit, frühere Schicksale und jetzige Beschaffenheit. Lauenstein, 1845. S. 297.)
Eine geschichtliche Merkwürdigkeit besitzt das in einem der rauhesten Teile des Erzgebirges liegende Dorf Fürstenau in seiner Kirche, welche eine Filiale von Fürstenwalde und die älteste Kirche der ganzen Umgegend ist. Denn schon lange vor der Reformation war die Kapelle in Fürstenau eine Tochter der Hauptkirche zu Graupen; sie führte den Namen »Zur unbefleckten Empfängnis Mariä« und ward 1424 mit einer Glocke beehrt. Das am Altar dieser Kirche befindliche Marienbild, von nicht ganz schlechter Bildhauerarbeit und reicher Vergoldung, stellt den Besuch Marias bei ihrer Schwester Elisabeth vor. Zu diesem Marienbilde zog der fromme Glaube eine Menge Wallfahrer, und mehrere dem Kirchlein verehrte Geschenke, sowie daselbst aufgestellte und bewahrte, von geheilten Kranken zurückgelassene Gegenstände sollen die gnadenreiche Wirkung bezeugen. Auch noch jetzt findet alljährlich am Sonntage nach Mariä Heimsuchung eine Wallfahrt der Katholiken aus dem benachbarten Böhmen unter Gesang zur Fürstenauer protestantischen Kirche statt. Sie verrichten dort vor dem Bilde knieend ihre Andacht und ziehen dann singend wieder über die Grenze zurück.
Zur Zeit der hussitischen Unruhen (um 1419 bis 1436) wurde das genannte Marienbild des Nachts von Dieben entwendet; diese aber sollen sich im Walde verlaufen und sodann, um den Weg aufzusuchen, das Bild einstweilen in einem Strauche versteckt haben. Kaum sei aber das Bild aus ihren Händen gewesen, so hätten sie auch den Weg wiedergefunden. Als nun einer der Diebe wieder zurückgegangen, um das Bild nachzuholen, sei dasselbe nirgends aufzufinden gewesen, so hätten die Diebe unverrichteter Sache wieder abziehen müssen. Das Bild aber ist tags darauf wieder an seinem Platze in der Kirche zu Fürstenau gewesen. Einer der Diebe soll dies seinem Beichtvater noch auf dem Sterbebette entdeckt haben.
Bei einem zweiten Entwendungsversuche sollen die Diebe mit dem Marienbilde des Nachts in der Gegend von Teplitz von unbekannten Männern angefallen, das Bild ihnen wieder abgenommen und solches an den Prior des Klosters Mariaschein abgeliefert worden sein. Der Prior jedoch habe das Bild seiner Schönheit und reichen Vergoldung halber für sich behalten, oder solches einer anderen Kirche verehren, nicht aber nach Fürstenau zurückgeben wollen. Allein dasselbe sei hierauf bei ihm auf einmal verschwunden und wieder an seinem Platze in der Kirche zu Fürstenau gewesen. Diese Begebenheit ist auf Befehl des Priors in allen Kirchen der Umgegend öffentlich bekannt gemacht worden, seitdem aber sei nie wieder ein Versuch zur Entwendung des Bildes vorgekommen.
(Grohmann, Sagen aus Böhmen, S. 306.)
Zwischen dem Hausberge bei Graslitz und dem Holzhaue ist die Räumer, ein Thal, das mit großen Granitblöcken besäet ist. Dort liegt auch ein Stein, auf welchem der Abdruck eines Fußes sichtbar ist. Als die heilige Jungfrau übers Gebirge ging zu ihrer Base Elisabeth, soll sie hier gestrauchelt sein und den Fuß in den Stein eingetreten haben. Die Fußtapfe hat deshalb auch die merkwürdige Eigenschaft, daß jeder Fuß in dieselbe paßt. – Nach einer anderen Sage soll hier ein Mädchen ermordet worden sein und im Todeskampf das Mal in den Stein getreten haben.
(Nach der metrischen Bearbeitung von Ludw. Bowitsch bei Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 105.)
Ein armes Mädchen mußte durch Klöppeln für sich und die alte Mutter das kärgliche tägliche Brod erwerben. Da wurde ihm einst von der reichen Edelfrau, der Besitzerin ausgedehnter Güter und ihrer Herrin, der Auftrag erteilt, für sie in einer bestimmten kurzen Frist ein reiches Spitzenkleid zu fertigen. Wenn die arme Klöpplerin ihre Aufgabe pünktlich und zur Zufriedenheit ihrer Herrin löste, sollte ihr reicher Lohn werden; beim Gegenteile erwartete sie dagegen Spott und bitt'rer Hohn. Die arme Klöpplerin saß Tag und Nacht bei ihrer Arbeit, doch als die sechste Nacht kam, da konnte sie sich nicht mehr des Schlafes erwehren und sie wankte todesmüde ans Bett der[386] Mutter hin. Aber wunderbare Träume zogen jetzt wie ein Frühlingshauch durch ihre Seele; die ärmliche Stube erglühte in rosenrotem Scheine und leise trat eine holde Frau ein, mit einer goldenen Krone auf dem Haupte. Es war die Himmelskönigin Maria. Dieselbe setzte sich an das Klöppelkissen und die Klöppeln flogen so zauberhaft, wie es dem Mädchen nie gelungen war, so daß vor Anbruch des Tages das reichste Spitzenkleid vollendet da lag. Als das also träumende Mädchen aus dem Schlafe erwachte, stand bereits die Sonne hoch am Himmel. In Wirklichkeit aber, wie der Traum es gezeigt hatte, war das Spitzenkleid fertig und die Klöpplerin trug es frohen Mutes hinauf zum Schlosse. Da freute sich die stolze Herrin und belohnte die Arbeit so reichlich wie nie zuvor. In dem Kleide jedoch war Gottes Segen eingewoben, welcher in der Folge nicht nur der strengen Edelfrau, sondern auch der armen Klöpplerin zu teil wurde.
(Nach Vernaleken bei Henne-Am-Rhyn, Die deutsche Volkssage, 1879, S. 424.)
Bei einem alten Manne, einem Schmied in Eisenberg bei Komotau, kehrte einst der heilige Petrus ein, blieb über Nacht und gab ihm am Morgen drei Wünsche frei. Der Schmied wünschte sich: 1. einen Stuhl, von dem keiner ohne seinen Willen aufstehen könne, 2. einen Kirschbaum, von dem kein Hinaufgestiegener ohne seinen Willen wieder herab könne, und 3. daß er bei jedem Spiele gewinne. Das Letztere machte den Schmied zum reichen Manne. Endlich wollte niemand mehr mit ihm spielen, da kam der Tod und wollte ihn holen. Der Schmied schlug auch ihm ein Spiel vor und gewann noch zehn Jahre Leben. Als der Tod wieder erschien, bot er ihm den Stuhl und der Tod saß und durfte nur um zehn neue Jahre frei fort. Als auch die um waren, ließ er ihn auf den Baum steigen, dessen Kirschen ihm in die Augen stachen, und ließ ihn erst wieder herab, als er verhieß, nie wieder zu kommen.
(Jos. Schwarzer in der Erzgebirgszeitung, 5. Jahrg., S. 162.)
Noch vor wenigen Jahrzehnten zeigte man in einem Felsen oberhalb des Bergstädtchens Graupen eine Fußspur, welche von dem heiligen Wolfgang herrühren sollte. Dieser Heilige und spätere Bischof von Regensburg soll vor Antritt seiner Mission nach Pannonien hier[387] in einer Höhle gewohnt und dabei die Spur seines Fußes zurückgelassen haben.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirk, S. 76.)
In dem Hengstberge bei Abertham arbeiteten einmal fünf Bergleute, die wegen ihrer Frömmigkeit und Gottesfurcht weit und breit bekannt waren. Sie fuhren nie an, ohne den kräftigen Bergmannssegen gesprochen zu haben:
Die Grube aber, in welcher sie arbeiteten, war ein Bau auf Zinn. Unverdrossen und mit treuem Sinn verrichteten sie ihre Schicht. Der Herr segnete auch ihrer Hände Fleiß; denn wo sie mit ihrem Gezähe einschlugen, arbeiteten sie große Mengen Erzes heraus, und daher kam es auch, daß die Strecken schon tief in den Berg hineinreichten. – Eines Tages versammelten sie sich wie gewöhnlich im Grubenhause. Immer pflegten sie heitern Angesichts zu sein, heute hingegen war in ihren Mienen Traurigkeit und Besorgnis zu lesen. »Freunde,« hub der älteste an, »mir scheint, daß Ihr heute sehr ernsthaft gestimmt seid. Ich bin es auch und zwar, weil ich einen bösen Traum gehabt, in welchem ich mich in einer großen Gefahr befand.« – »Uns ist es auch nicht besser gegangen,« sprachen die Viere. Da sie aber fromm waren und feste Zuversicht auf Gott hatten, blieb ihr Gemüt ruhig, sie sangen ohne Furcht und mit Ergebung den Bergmannssegen und fuhren ein. Als sie vor Ort gekommen, falteten sie nochmals die Hände und beteten:
Da ward plötzlich die ganze Strecke sonnenhell erleuchtet, und die erschrockenen Bergleute wußten nicht, wie ihnen geschah. Sie hörten aber eine Stimme: »Fürchtet Euch nicht, Ihr frommen Männer! Blicket auf zu mir, ich bin der Engel des Herrn, der Euer Gebet erhört! Gehet eilends aus der Grube, denn diese findet heute ihren Untergang!«
Die Fünf blickten auf und sahen freilich nur auf einen einzigen kurzen Augenblick das milde Antlitz des Himmelsboten, und als sie ihm danken wollten, war er verschwunden. Heiliger Schauer durchrieselte ihre Glieder, lautlos fuhren sie zu Tage, eilten zu den Ihrigen und dankten Gott für alle Gnaden mit Rührung und Andacht. Da krachte es auf einmal wie ungeheueres Gewitter vom Hengstenberge her, – der Bau war und blieb verschüttet.
(Nach der poet. Bearbeitung von Ziehnert in Gräße, Sagenschatz etc. Nr. 525.)
An der östlichen Außenseite der Kirche zu Schlettau befindet sich etwa 8 Ellen von der Erde ein Stein in der Mauer, der angeblich, ohne von Menschenhänden bearbeitet zu sein, einem Mönchgesichte täuschend ähnlich ist. Das Volk erzählt sich von demselben folgende wunderbare Geschichte: Um das Jahr 1520 war Johannes Küttner (oder Kottne), ein Bruder des Grünhainer Abtes Georg Küttner, Pfarrer zu Schlettau. Da begab es sich, daß einst in stiller Mitternacht, als dieser noch eifrig in den Kirchenvätern studierte, ein bleicher Schatten vor ihn hintrat und also sprach: »Fürchte Dich nicht, ich bin der Geist eines Deiner Vorgänger, der vor nunmehr 100 Jahren, als die Hussiten in der Nähe waren, ein silbernes Crucifix um Mitternacht in die Kirchmauer vergrub, wo es noch ist; ich ward am nächsten Morgen von den wilden Ketzern erschlagen und bin jetzt gekommen, um Dich aufzufordern, das heilige Kreuz wieder an seinen frühern Ort auf den Altar zu stellen; Du wirst den Fleck, wo es vermauert ist, leicht erkennen, denn es wird sich Deinem Auge ein Lichtschein zeigen und da, wo derselbe erglänzt, schlage ein, und Du wirst es sogleich entdecken!« Damit verschwand der Geist, der fromme Pfarrer aber eilte in die Kapelle, wo der Sakristan ihn bereits zur Messe erwartete. Diesem teilte er das Erlebte mit und hieß ihn am folgenden Mittag mit Hammer und[389] Spitzhaue zur Hand sein, um das Crucifix aus seinem Verstecke herauszunehmen. Kaum war aber der Pfarrer wieder weggegangen, da versuchte der Böse das dem Geize an sich schon zugewendete Herz des Sakristans, er beschloß auf der Stelle den Versuch zu machen, das Crucifix zu entdecken, den Raub auf die Seite zu schaffen und dann den Fleck möglichst gut wieder auszubessern, damit man von dem geschehenen Diebstahl nichts gewahren möge. Nach kurzem Suchen fand er auch das Lichtlein, und als er an der Stelle, die hohl klang, einschlug, blinkte ihm auch das Silber entgegen; allein er hatte bei dem Schlage das eherne Bildnis des Heilandes mit zerschlagen. Da fuhr auf einmal ein Donnerschlag vom Himmel herab und die Kirchenglocken fingen von selbst an Sturm zu läuten. Der Pfarrer fuhr aus dem Schlummer empor, er eilte herab und fand schon eine Menge Volk um die Kirche versammelt, weil man glaubte, dieselbe stehe in Flammen. Als die Thüren geöffnet wurden, fand man dieselbe zwar ganz hell, aber nirgends sah man Feuer, wohl aber lag der Tempelräuber zerschmettert neben dem herabgestürzten Crucifix am Boden, doch war sein Kopf vom Rumpf wie abgehauen, und als man nach demselben suchte, fand man ihn an derselben Stelle in der Mauer, wo das Crucifix eingemauert gewesen war. Der tiefbetrübte Pfarrer ließ nun das zerschlagene Bild des Heilands aus seinen Trümmern zusammensuchen, den Körper des Verbrechers aus der Kirche fortschaffen und befahl, den Kopf desselben nach Morgen zu in der Mauer zum ewigen Gedächtnis einzumauern. Als aber der Tag anbrach, da sah man das bleiche Gesicht des Sakristans von selbst zum Stein geworden aus der Mauer heraussehen, und dort steht es noch, denn es läßt sich weder übertünchen noch vermauern, ja man erzählt, daß es oft Thränen vergieße und allemal, wenn dem Städtchen Gefahren drohen, in gelbem Lichte leuchte.
(Nach Ziehnert, Sachsens Volkssagen, 4. Auflage, Nr. 53 bei Gräße, Sagenschatz etc., Nr. 521.)
Als im Jahre 1730 der Totengräber auf dem Kirchhofe zu Buchholz ein Grab machen wollte, fand er im Sande noch eine ganz unverweste Totenhand, der aber der Gold- und kleine Finger wie abgehackt waren. Er zeigte dieselbe dem Pastor Melzer daselbst und dieser schlug nun im Kirchenbuche nach, wem dieselbe gehört haben möge, da er sich erinnerte, daß schon am 14. Juni des Jahres 1704 ihm von[390] dem damaligen Totengräber dieselbe Meldung gemacht worden sei, er aber demselben den Bescheid gegeben, die Hand wieder einzuscharren, weil sie wahrscheinlich an einer Wasserkluft gelegen und deshalb nicht habe verwesen können. Jetzt fand sich's, daß die Hand dem im Jahre 1669 begrabenen Sohne des Stadtrichters von Buchholz, Andreas Müller, gehörte, der, weil er seine alte Mutter, die er bestohlen und die ihm den Diebstahl vorgeworfen, gemißhandelt und mit Ermordung bedroht, von dieser verflucht worden war. Dadurch war denn jene alte Sage bewiesen, daß dem, der sich an seinen Eltern vergeht, die Hand aus dem Grabe wächst.
Auch Temme erzählt in den Sagen der Altmark (Nr. 56.) von einem ungeratenen Sohne im Dorfe Groß-Redensleben, welcher seinen Vater schlug, als ihn derselbe wegen seines sündhaften Wandels ermahnte. Darauf ereilte den Sohn sogleich die Strafe des Himmels; er stürzte tot nieder. Als man ihn aber begrub, wuchs seine eine Hand aus dem Grabe heraus und man mußte sie abhauen, da sie sich nicht mit vergraben ließ. Zur Erinnerung wurde sie in der Kirche aufgehangen und darüber an einer schwarzen Tafel folgendes geschrieben:
(Flader, Wiesenthalisches Ehrengedächtniß, 1719, S. 108. Darnach Gräße, Sagenschatz d. K. S., Nr. 500.)
Im Jahre 1709 ist ein kurfürstlicher Geleitseinnehmer, mit Namen A. L., in gewissen Angelegenheiten verreist; da er nun wenigstens zwanzig Meilen entfernt ist, so sieht sein damaliges Hausmädchen, da sie am Abend gegen 5 Uhr von ihrer Frau in ihre Schlafkammer geschickt wird, ihn von ohngefähr in seinem Bette liegen und meint, er sei ohne ihr Wissen nach Hause zurückgekehrt. Sie fragte also die Frau: »Ist der Herr nach Hause gekommen?« Diese antwortet aber: »Du wirst ihn ja sehen.« Daher hat sie sich weiter nicht darum gekümmert. Nachdem nun die Frau selbst des Nachts gegen 12 Uhr schlafen geht, erblickt diese ihn ebenfalls in ihrem Bette, da er sich[391] denn gerührt, daß es davon geknistert und das Bett ein wenig von sich geschlagen. Welches sie bewegt, daß sie unten um das Bett herumgegangen und ihn angeredet hat: »Ei, mein Kind, wie bist Du denn hier? Hast Du mich doch erschreckt!« Da er denn die Beine hinausgeschlagen, aus dem Bette gefahren und unter das Dach, so sich in der Schlafkammer findet, gekrochen, auch daselbst plötzlich verschwunden ist. Die Frau hat sich nun zwar ins Bett gelegt, aber vor großem Schreck die ganze Nacht nicht schlafen können, weil sie nicht gewußt, wie es zugehe, daß sie ihren Mann, der so viele Meilen entfernt war, habe sehen können. Sie hat aber fleißig gebetet, der Herr wolle sie vor Anfechtung bewahren. Als ihr Mann nun wieder nach Hause gekommen, hat er erzählt, er sei an jenem Tage gerade bei einem Jäger gewesen, der ihn sehr wohl traktiert und mit Braten, Kuchen und Wein bestens bewirtet, da habe er immer an seine Frau gedacht und gewünscht, daß sie solches auch mit genießen möge.
(Curiosa Saxon., 1738, S. 269. Darnach Gräße, Sagenschatz d. K. Sachsen, Nr. 229.)
Als Gott am heiligen Abende vor dem Johannistage des Jahres 1738 Tuttendorf bei Freiberg mit einem heftigen Donnerwetter heimsuchte und der Strahl des Bergmanns J. D. Schieffels Wohnhaus im Oberdorfe entzündete, hat zwar die wütende Feuersglut alles verzehrt, allein alle im Hause befindliche Personen sind mit dem Leben davon gekommen, und was das Sonderbarste ist, die schon zu mehreren Malen über Dr. Joh. Arndts berühmtes Gebetbuch, Paradiesgärtlein betitelt, in Feuersgefahr waltende Fürsorge Gottes hat sich auch hier wiederum bethätigt. Denn da sich unter dem geistlichen Büchervorrat dieser armen Verunglückten auch gedachtes Buch in der von Chr. Weinmann, Buchhändler zu Erfurt, in länglich Duodez 1725 besorgten Auflage befunden, so hat man dasselbe am anderen Tage unter der Asche dergestalt angetroffen, daß, obwohl der Einband desselben gänzlich zu Kohlen verbrannt, dennoch kein Buchstabe in dem Buche selbst verletzt war, sondern dasselbe ganz unversehrt im Feuer geblieben ist. Es ist solches dem Pastor des Ortes von den Abgebrannten zum ewigen Andenken überlassen worden, bei dem man es noch lange hat sehen können.
(I. Erzgebirgs-Zeitung, 1. Jahrg., S. 168. II. Die Natur von Müller, 1878, Nr. 45.)
I. Es war seinerzeit in Elbogen ein Burggraf von Wülfenfels unter der Oberherrschaft der Rohenburger als berüchtigter, mordlustiger und raubgieriger Burgherr und wegen seiner grausamen Handlungen gefürchtet und bekannt. Seine Leibeigenen pflegte er oft ohne besonderen Anlaß in den Sprudel-Teufelsweiher zu werfen, um sie zu versteinern. Als er sogar seine eigene Tochter im Burghofe anketten ließ und im Begriff war, den Todespfeil auf sie zu schleudern, da grollte plötzlich der Himmel, ein Donnerschlag ertönte und ein Blitz lähmte seinen Arm. Das Kind war gerettet, denn soeben hielt der edle Rohburger seinen Einzug in Elbogen. Da ihm Mitteilung von den Schandthaten des Burgherrn gemacht wurde, befahl er, denselben sofort festzunehmen und zu züchtigen. Wülfenfels, der dies hörte, verschwand. Das letztemal sah man ihn mit drohenden Gebärden, seine Armbrust gegen den Himmel haltend, auf dem Schloßbalkon stehen und hörte ihn lästern über den Donner und Blitz, die Schuld trugen, daß sein Kind noch lebte. Vergeblich suchte man nach ihm; doch bald sollte sich das Ganze aufklären; am Balkon fand man einen großen, zur Eisenschlacke zusammengeschmolzenen Stein, mit den Resten einer halbverbrannten Armbrust auf einem Klumpen liegen. Der Markgraf ließ diesen Stein im Schlosse aufbewahren; die Franzosen aber warfen ihn bei ihren Kriegszügen im Jahre 1776 in den tiefen Schloßbrunnen, aus dem er später wieder herausgehoben wurde, um auf das Rathaus gebracht zu werden. Dieser Stein, von den Naturforschern als Meteor bezeichnet, war ursprünglich 192 Pfund schwer; ein Teil davon kam in das Naturalienkabinet nach Wien, ein Teil in jenes nach Prag, und der Rest im Gewichte von 43 Pfund wird auf dem Rathause zu Elbogen vorgezeigt.
II. Auf dem Schlosse zu Elbogen lebte vor Jahrhunderten ein böser Burggraf, welcher seine Unterthanen hart drückte. Einst läutete derselbe während eines Gewitters eigenhändig auf dem Turme die Glocke, um damit seine Leute zum Frohndienste zusammenzurufen. Da schlug plötzlich der Blitz ein und schmolz den Grafen und die Glocke in einen Guß zusammen. Das ist nun jener Eisenklumpen, von welchem man noch heute in der Stadt einen Teil zeigt. Man hat die Masse schon oft in einen Brunnen versenkt, aber immer ist dieselbe von selbst wieder herausgekommen. Sie soll bald zentnerschwer, bald ganz leicht sein, letzteres aber nur für Menschen, welche noch nicht gesündigt haben.
(Metrisch von Hager, Vogtl. Volkssagen, 1839, II., S. 13. Darnach bei Gräße a. a. O., Nr. 640.)
Vom Kirchhofe zu Klingenthal bis an den naheliegenden Wald geht jede Nacht um die zwölfte Stunde ein gespenstiger Schatten, eine Leuchte in der Hand. Das Volk erzählt sich hierüber folgende Geschichte: Es soll einst in Klingenthal ein Köhler gewohnt haben, der jede Nacht von der Seite seiner getreuen Hausfrau aufstand, um angeblich im Walde nach seinem Meiler zu sehen. Die wahre Ursache war aber, daß er im Busche zu einer dort wohnenden Concubine schlich. Einst ging er auch in finsterer Nacht, die Leuchte in der Hand, den wohlbekannten Weg, da folgte ihm sein Weib, das er schlafend glaubte, und warf ihm geradezu sein Vergehen vor. Er wollte es zwar anfangs leugnen, aber bald gab ein Wort das andere, er ward heftig, schlug seine rechtschaffene Frau nieder und begab sich zu seinem Kebsweibe. Als er mit diesem im besten Kosen begriffen war, öffnete sich plötzlich die Thür und sein Weib stürzte herein und traf die Schuldigen auf offner That. Jetzt halfen keine Verstellungen mehr, er mißhandelte sie abermals und warf sie zur Thür hinaus mit der Drohung, sie in den brennenden Meiler zu schleudern, wenn sie ihm wieder zu nahe komme. Sie aber verfluchte ihn und rief: »Der Meiler werde Dir selbst zum Grab, mögest Du lebendig verbrennen!« Des lachte der Köhler; als er aber nach seiner Gewohnheit den Meiler erklomm, um sich umzuschauen, stürzte dieser plötzlich zusammen und der Frevler versank in seinen feurigen Schlund.
(Gießler, Sächs. Volkssagen, Stolpen o. J., S. 289.)
An der südlichen Grenze des meißnischen Erzgebirges lebte vor alter Zeit ein wohledler Ritter, mit Namen Kurt von Rechenberg, auf seinem Stammschlosse Rechenberg an der Mulde, von welchem sich noch jetzt Ruinen auf einem Felskegel am rechten Thalgehänge inmitten des freundlichen Fleckens Rechenberg vorfinden.
Hochbegütert und vom Glanze einer zahlreichen Dienerschaft umgeben, lebte der fromme Edelmann gar glückliche Tage dahin. Seine Diener hielt er gleich eigenen Kindern wert, und er wurde darum von allen auch wieder geliebt wie ein Vater.
Da geschah es eines Tages, daß ein junger, dürftig gekleideter Bursche aus fremden Landen zum Ritter kam und ihm seine Dienste[394] anbot. Das treuherzige Wesen des jungen Mannes, der erzählte, wie viel Elend er schon habe ertragen müssen, gefiel dem Herrn von Rechenberg und er nahm ihn in seinen Dienst.
Georg – so hieß der junge Bursche – war munter und flink auf den Füßen, er flog gleichsam wie ein Pfeil, wenn ihn sein Herr irgendwo hinsandte, und seiner thätigen, willfährigen und geschickten Hand glückte alles wunderbar, ja, es schien ordentlich, als wenn ein besonderer Segen auf seinem Thun ruhte. Ein außerordentliches Ereignis sollte seine Verdienste um das Haus Rechenberg noch mehr ins Licht stellen.
Einst versetzten Flüchtlinge aus der nahen böhmischen Pflege die Bewohner der Burg Rechenberg in lebhafte Aufregung, denn sie meldeten, daß einige bekannte böhmische Raubritter mit ihren Mannen sich der Grenze näherten und mordend und sengend das Land verwüsteten. Darüber ward Kurt von Rechenberg sehr betrübt und er beschloß nach Rücksprache mit seinem Vogte einen Kundschafter auszusenden, um zu erfahren, wie stark die Zahl der Feinde sei. Niemand erschien ihm dazu geeigneter als sein flinker Diener Georg. Derselbe dankte für den ihn ehrenden Auftrag und wenige Minuten später jagte er auf flüchtigem Rosse hinaus zum Burgthore, dem Feinde entgegen. Bereits am andern Morgen kehrte der Knappe in das Schloß zurück. Zum Erstaunen der Burgbewohner befanden sich zwei gefüllte Säcke, einer hinten und einer vorn, auf dem Gaule. Ritter Kurt stand unter dem Thor, und befremdet wegen des seltsamen Aufzuges fragte er: »Was klirrt denn so um Deinen Sattel?« Georg antwortete wohlgemut: »Seid getrost, Herr Ritter, alles hat gute Wege. Das sind Hufeisen, die ich den Pferden abgerissen habe, während die Feinde schliefen. Vorsichtig und dennoch sonder Hast eilte ich den Raubgesellen entgegen, immer der Grenze entlang, bis ich sie in der Nähe des Dorfes Einsiedel erblickte. Es war schon finstere Nacht und alle hatten sich sorglos dem Schlafe überlassen. Deshalb machte ich mich unverweilt an die Arbeit und glaube damit unsern Feinden einen recht üblen guten Morgen geboten zu haben, denn ohne Hufeisen sind die Spitzbuben nicht imstande, die Gebirgspfade zu bereiten, und noch viel weniger möchte es gelingen, hier herum so viel Eisen aufzutreiben, als ihnen fehlen. Damit ihr aber, gestrenger Herr, die Anzahl der Feinde schätzen möget, bracht' ich die Eisen gleich mit, da die Dunkelheit der Nacht mich hinderte, die Feinde zu überzählen. Nun ist es wohl mit uns bestellt, und ruhig können wir uns rüsten, bevor sie sich uns nahen.« Der Burgherr lächelte zufrieden und sagte: »Du bist, traun, ein seltsamer, aber vortrefflicher Bursche!« Dann setzte er, zu dem Vogte[395] gewendet, hinzu: »Entweder war das Begebnis ein Wunder, oder der Knecht Georg ist verwegen bis zur Tollkühnheit. Nun, wir wollen die Raubgesellen gehörig empfangen!«
Die Worte Georgs erfüllten sich; die Feinde nahten erst, nachdem alle Vorbereitungen zu deren nachdrücklichem Empfange getroffen waren. Sie wurden über die Grenze zurückgetrieben und dabei zeichnete sich Georg durch persönliche Tapferkeit aus, so daß er sich noch mehr die Liebe seines Herrn gewann.
Später zeigte sich die Treue und Liebe Georgs noch auf eine andere Art. Sein Herr gab ihm einst ein Schreiben, welches nach dem Rittersitze Grünau bei Marienberg bestimmt war, mit dem Bemerken, bei der Bestellung zu eilen, dieweil es Not habe, der Ort, wohin der Brief solle, fern liege und die Sonne schon tief stehe. Georg versprachs und rühmte sich, die drei Meilen bis nach dem Orte Grünau mit der Schnelle eines Vogels zurücklegen zu wollen. Nach Verlauf einer Stunde aber kam der Ritter von ungefähr in den Stall. Wie erstaunte er da, als er seinen Knecht, den er weit fort glaubte, in einer Ecke des Stalles, auf Stroh gebettet, sanft schlafend fand. Da ward der Ritter unwillig und weckte den Knecht auf, indem seine Augen in aufsteigendem Zorne funkelten, doch bezwang er sich, denn sein Herz war gut und sein Gemüt lauter und fromm. Erschrocken vor seines Herrn plötzlicher Umwandlung fuhr Georg auf und sprach: »Da, lieber Herr, – o zürnt mir nur nicht! – da ist ja schon die Antwort!« Unter diesen Worten überreichte er das Gegenschreiben. »Bei allen Heiligen!« rief der Ritter aus, dessen Angesicht erbleicht war, »es ist die Wahrheit! Sage, Georg, wie wäre das wohl möglich? Du müßtest schneller als der Sturm, flüchtiger als der Raubvogel gewesen sein, um das zu vollbringen. Du warst also wirklich in Grünau?« Und als Georg diese Frage bejahte, verfinsterten sich des frommen Rechenbergers Züge; mit stillem Grausen erbrach er zitternd das Schreiben und taumelte mit Entsetzen zurück, als er wirklich die ihm wohlbekannte Handschrift des weitentfernten Freundes in Grünau erblickte.
Nachdem er die Antwort gelesen hatte, hob er also an: »So ist es denn wahr, was ich nimmermehr für möglich gehalten hätte! Dies zu vollbringen, reicht die Menschenkraft nicht aus. Entweder bist Du, seltsames Wesen, ein Bote Gottes, oder ein Abgesandter der Teufels! Die Weise Deines Thuns, wie auch Dein Thun selber ist unheimlich und verschlossen, und Du scheinst mir unmöglich ein Sterblicher zu sein!« Da verwandelte sich schnell, wie durch Zauberkraft, der rätselhafte Jüngling vor den Augen des Ritters und eine von Licht umflossene Engelsgestalt stand da, welche sprach: »Der Herr der Herren,[396] welcher mich zu Dir gesandt hat, Dir zu dienen, hat mich auch zugleich befähigt, Dir also thun zu können, wie ich that; sein Auge ruhte schon lange auf Deinem Haupte, Dir zum Schutze. Durch mich läßt Dir der Herr verkünden, wie wohl es ihm gefalle, wenn Herrscher gegen ihre Untergebenen Milde und Geduld üben! Diese hast Du mir erwiesen und auch den andern Knechten. Der Herr wird Dir dafür lohnen, wenn Du die Menschen stets wie Deine Brüder liebst!« Darauf verschwand der Engel wie das Rot eines Sommermorgens, den Ritter aber durchwehte Gottesfrieden, und es zog ihn in die Burgkapelle, wo er Gott für seine unendliche Gnade dankte. Er gelobte, seinen Untergebenen stets ein Vater sein zu wollen und bis an sein Lebensende hat er dieses Gelöbnis treu gehalten.
(Lotti Cori in den Mitteilungen des Nordböhm. Excursions-Clubs, 1885, S. 126.)
Seitwärts vom Eisenberger Forsthause befindet sich auf einer malerisch schön gelegenen Waldlichtung eine niemals vollendet gewesene und teilweise wieder verfallene Kapelle in romanischem Stil. Behauene Steine und Säulen liegen rings umher, von Gesträuch und Epheu überwuchert, die Stufen sind mit Moos überkleidet, und im Innern der Kapelle grünt und blüht es. Die Vögel üben hier nun ungestört ihre Baukunst, denn die Gebirgsbewohner meiden voll Scheu jenen Unglücksort. Die Sage giebt nämlich die Kunde, daß ein Graf Lobkowitz, als das Geschlecht noch nicht gefürstet war, hier einst eine Kapelle für den heiligen Dorn erbauen wollte, um einen Wallfahrtsort zu gründen; doch der edle Graf fand beim Bau, den er oft besichtigte, durch einen herabstürzenden Stein den Tod. Ein Nachkomme, ein Fürst Lobkowitz, wollte später das begonnene Werk vollenden, doch ihn erschlug eine riesige Eiche, die man zum Bau fällte. Dieses abermalige Unglück wurde als Fingerzeig Gottes aufgefaßt, daß der heilige Dorn in der Schloßkapelle verbleiben solle, und die Kapelle, deren Kuppel sich schon zu wölben begann, blieb unvollendet. Aus jener Eiche wurde ein großes Crucifix geschnitzt, das man an der Unglücksstelle mit einer kleinen Kapelle überbaute. Jetzt aber ist dieses Kreuz, welches einen nicht unbedeutenden Kunstwert besitzen soll, in der renovierten Schloßkapelle aufgestellt.
Abgesehen von Ortsnamen und andern sprachlichen Resten, sowie von einzelnen Gebräuchen, sind von den einstigen sorbischen Bewohnern des Erzgebirges nur wenig Ueberlieferungen uns erhalten worden. Dies gilt insbesondere auch von den Sagen. Manche mythische Sagen tragen zwar noch unverkennbar das Gepräge ihres slavischen Ursprungs, aber nur zwei Sagen dieses Abschnittes, die vom Riesen Einheer und von Schwanhildis, gedenken auch der Kämpfe der Deutschen mit der slavischen Nation, über deren Wohnsitze in unserem Gebirge mir ebenfalls nur zwei dem Sagengebiete angehörige Überlieferungen bekannt geworden sind. Diese Armut hierher gehöriger Stoffe beruht jedenfalls auf dem Umstande, daß die Sorben einen doch nur vorübergehenden und teilweise nur geduldeten Wohnsitz in unserm Gebirge gefunden haben. Ebenso arm sind die Sagen von bergentrückten Helden und versunkenen Kriegern; sie besitzen teilweise einen mythischen Grund, teilweise gestalten sie sich zu bloßen Gespenster- und Spukgeschichten. Die Sagen von den edlen Geschlechtern endlich, welche aufgenommen wurden, wenn Glieder der letzteren in unserm Gebirge auf Gütern ansässig waren oder noch sind, leben nur in den chronikalischen Aufzeichnungen, obschon sie wenig wirkliche und urkundliche Begebenheiten enthalten. Im Volksmunde haben sie sich bei uns nicht fortgepflanzt, ja sie sind wohl kaum dem eigentlichen Volke aus den alten Schriften bekannt geworden, und so finden wir auch bei uns bestätigt, was die Brüder Grimm in der Vorrede zum 2. Bande der deutschen Sagen schreiben, daß sich nämlich die Sage um die seltsame Bildung eines Felsens dauernder, als um den Ruhm selbst der edelsten Geschlechter sammelt.
(Oesfeld, Historische Beschreibung einiger merkwürdigen Städte im Erzgebirge, 2. Teil, 1777, S. 50. – Oettel, Alte und neue Historie der freien Bergstadt Eibenstock, 1748, S. 3, 202.)
Bei Eibenstock sind von den alten Wenden noch verschiedene Spuren anzutreffen; z. B. an der Mulde gegen Schönheide liegt die Cunitzhöhe[400] und die daneben am Dorfbache liegenden Wiesen heißen die wendischen. In derselben Gegend hat auch ein Dorf gestanden und der über der Mulde angebaute Hammer hat sonst Windischthal geheißen. Ferner die anstreichende Höhe von der Mulde nach der Stadt zu heißt noch jetzt der wendische Berg oder wendische Knock, und die auf derselben Höhe befindlichen drei Freihöfe sollen aus einem zerteilten Rittergut entstanden und nach der Überlieferung die Wohnung des vornehmsten wendischen Herrn gewesen sein. Dieselben haben auch mit der Schwarzenberger Herrschaft keine Verbindung gehabt und bereits mit der Lehnsfolge nach Dresden gehört, ehe noch Eibenstock mit Schwarzenberg an das Kurhaus Sachsen verkauft wurde. – Man ist auch der Meinung, es wäre mit dem Seifen des Zwitters der Anbau Eibenstocks erfolgt, und die Wenden hätten schon den ganzen Grund der Wendisch- oder Windischwiesen bis an die jetzige Stadt ausgeseift.
(Sachsens Kirchengalerie, 8. B., S. 69.)
Der am Fuße des Erzgebirges, 1½ Stunde südlich von Zwickau liegende Ort Rottmannsdorf, welchen man zum Unterschiede von Alt-Rottmannsdorf auch Wendisch-Rottmannsdorf nennt, soll von Wenden bewohnt gewesen sein, die später vom Landesherrn genötigt wurden, in die Lausitz auszuwandern.
Der Zusatz »Wendisch« zu dem Namen Rottmannsdorf, welcher sich auch häufig in andern jetzt deutschen Provinzen und Ländern, wie in der Altmark und in Thüringen findet, oder welcher wenigstem früher daselbst gebräuchlich war, weist vielleicht darauf hin, daß sich in dem Dorfe unter den Bewohnern die slavische Sprache und slavische Gebräuche und Sitten länger als anderswo erhielten. Im alten Pleißnerlande behielten die daselbst wohnenden Nachkommen der ehemaligen sorbischen Bevölkerung lange Zeit ihre Sprache bei, so daß man sie auch vor Gericht hören mußte. Im Jahre 1327 ward aber ernstlich anbefohlen, daß weder Parteien noch Advokaten ihre Klagen und Verantwortungen in wendischer, sondern allein in deutscher Sprache anbringen sollten. (Gottl. Göpfert, Gesch. d. Pleißnergrundes, S. 18.)
(Tob. Schmidt, Chronica Cygnea, II, 1656, S. 5 und 6.)
Als im Jahre 805 Karl der Jüngere, Karls des Großen Sohn, die aufrührerischen Böhmen überwunden und ihren Fürsten Lecho erschlagen hatte, zog er durch den Böhmerwald in die Gegend von Zwickau, um hier, sowie überhaupt zwischen Saale, Mulde und Elbe[401] die mit den Böhmen verbündeten Wenden zu strafen. In diesem Kriege hat auch die Fürstin Schwanhildis mit ihren Schwanfeldern dem Kaiser getreulich gedient, so daß Karl der Jüngere die Stadt Zwickau zur Mark wider die Wenden und Böhmen machte. In derselben Zeit lebte auch ein Riese oder Recke, der hieß Einheer (sein rechter Name ist aber Aenotherus gewesen) und war ein Schwabe, gebürtig aus Thurgau in der Schweiz. Dieser watete durch alle Wasser, durfte über keine Brücken gehen, zog sein Pferd bei dem Schwanze nach und sagte allezeit: »Nun Gesell, du mußt auch hernach«. In den genannten Kriegen des Kaisers half er diesem gegen die Wenden. Er mähete die Leute wie das Gras nieder, hängte sie an den Spieß, trug sie über den Achseln wie Hasen oder Füchse, und da er wieder heim kam und seine guten Gesellen und Nachbarn fragten, was er ausgerichtet hätte und wie es ihm im Kriege gegangen wäre, sagte er aus Unmut und Zorn: »Was soll ich von diesen Fröschlein sagen? Ich trug ihrer sieben oder achte an dem Spieß über der Achsel, weiß nicht, was sie quaken, ist der Müh nicht wert, daß der Kaiser so viel Volks wider die Kröten und Würmer zusammengebracht.« Es flohen vor ihm die Feinde und Wenden und meinten, er wäre der leidige Teufel.
Die Sage vom Riesen Einheer erzählen auch die Brüder Grimm (Deutsche Sagen, I, Nr. 18), jedoch ohne Beziehung auf die Gegend von Zwickau. Es heißt darin noch: Diesen Riesen nennt man Einheer, weil er sich in Kriegen schier einem Heer vergleicht und also viel ausrichtet.
(Tob. Schmidt, Chronica Cygnea, Zwickau, 1656, S. 20 u. 24.)
Aus dem Geschlechte der Cygnus ist entsprossen Schwanhildis, der letzte Zweig aus diesem Stamm, welche in der Gegend um Zwickau von der Mulde bis an die Pleiße regierte, von welcher die ganze Gegend ihren Namen hat und Schwanfeld genannt wird. Etliche geben noch aus, als sollte sie ihren Sitz gehabt haben auf dem Schloß Alten-Schönfels, eine Meile von Zwickau, welches ein sehr altes Bergschloß und von welchem auch nicht weit ihr Begräbnis ist entdeckt worden. Johann Lupas von Hermannsgrün, ein Vogtländischer von Adel, schreibt nämlich, daß eine bleierne Tafel, worauf der Fürstin Schwanhildis Epitaphium gestanden, im Felde auf einem Hügel unter einem Baum, welchen der Wind niedergeworfen, von einem Bauer, der den Baum aufräumen sollte, bei dem Dorfe Stenn entblößet gefunden und gedachten vom Adel gebracht worden sei, darinnen ihre Ankunft vermeldet[402] und sonderlich die Lehrsprüche, welche sie der Stadt Zwickau Einwohnern befohlen. – Dieselbe hat Karls des Großen Sohn, dem jüngern Karl, als er in diesen Landen wider die Sorbenwenden und Böhmen gestritten, getreulich Beistand geleistet, und ist ihm nicht allein mit ihren Unterthanen zu Hülfe kommen, sondern hat ihm auch mit Speise und Trank großen Vorschub gethan.
(E. Kunze in den Mitteilungen des Nordböhm. Excursions-Clubs, 1885, S. 112.)
Am südlichen Fuße des Erzgebirges erhebt sich eine ziemlich bedeutende Anhöhe, auf welcher man eine weite Fernsicht genießt. Zu Füßen des Betrachtenden breitet sich ein herrlicher Teil des Böhmerlandes aus, in einer Entfernung von vielleicht zwei Stunden erblicken wir das schöne Teplitz, und im Hintergrunde ragen mächtige Bergkegel zum Himmel empor. Den Hügel krönt ein Baum, der seine weitausgebreiteten Äste stolz in die Lüfte reckt. Unter diesem Baum soll einst Libussa, Böhmens Herzogin, gestanden, und nachdem sie die herrliche Landschaft zu ihren Füßen lange betrachtet und bewundert hatte, vor Entzücken getanzt haben.
(Schumann und Schiffner, Lex. v. Sachsen, 15. B., S. 528. Gauhen, Adelslex. I, 364. Peccenstein, Theatrum Sax. I, 73. Darnach bei Haupt, Sagenbuch d. L., II, Nr. 38.)
Daß der Name des Dorfes Einsiedel bei Chemnitz mit dem Einsiedelschen Geschlechte, welches den Ort Jahrhunderte hindurch besaß und noch jetzt (?) zu Lehen trägt, in einer gewissen Verbindung stehe, ist sehr glaublich, wenn auch die Ableitung des Geschlechtsnamens von dem Orte nicht festgestellt ist.
Außerdem giebt es noch einen Ort gleichen Namens zwischen Olbernhau und Katharinenberg. Eine Sage erzählt, daß dieses Dorf seinen Namen von drei Einsiedlern erhalten habe, und es würden demnach die folgenden Sagen, welche den Geschlechtsnamen der Herren von Einsiedel zu erklären suchen, damit in Verbindung gebracht werden können.
Die Grafen und Herren von Einsiedel führen einen Einsiedler im Wappen. Das kommt davon her: Graf Berthold's von Sulzau Gemahlin[403] war kinderlos und lag Gott in heißen Gebeten um eine Leibesfrucht an, that auch das Gelübde, das Kind, welches er ihr schenken würde, dem Herrn zum Dienste zu weihen. Sie gebar nun einen Sohn, welcher Grubo genannt wurde. Derselbe wurde also geistlich und wohnte lange als Einsiedler in einer einsamen Gegend Böhmens, wo er sich eine Kapelle gebaut hatte. Nachher aber verließ er seine Zelle, zog in den Krieg, nahm ein Weib und wurde der Stammvater derer von Einsiedel. Das geschah um das Jahr 1280.
Nach einer andern Sage hieß der Sohn Meginrad (Meinrad, Meinhard). Der lebte als Einsiedler ums Jahr 850 in den böhmischen Wäldern, aber er war (damals vor Einführung des Cölibats ging das noch) beweibt und gründete ein zahlreiches Geschlecht. Einer seiner Nachkommen, der im Jahre 1280 lebte und Grubo hieß, ging endlich in die Welt zurück.
(Schumann, Lex. v. Sachsen, 8. B., S. 818. Gauhen, Adelslex. I, 1332. Darnach Haupt, Sagenbuch d. Lausitz, II, Nr. 52. Sinapius, Schles. Curiosität. I, S. 111. Gräße, Geschlechts-, Namen- u. Wappensagen, S. 129.)
In dem südlich von Frauenstein nahe der böhmischen Grenze gelegenen Dorfe Rechenberg sieht man noch die Ruinen des gleichnamigen Schlosses, welches schon 1289 von Böhmen an Meißen überlassen wurde, jedoch ein böhmisches Lehen blieb. Die frühesten Besitzer waren wahrscheinlich die Herren von Rechenberg; in einer Urkunde von 1270 kommt bereits ein Heinrich, und in einer von 1299 ein Apetz v. Rechenberg vor.
Die Herren von Rechenberg stammen von denen von Haugwitz ab, deren Wappen auch das ihrige sehr ähnlich ist. Ihr Ahnherr ist Hans von Haugwitz. Als in der blutigen Tatarenschlacht bei Liegnitz 1241 die Feinde eine Anhöhe erstürmt und eingenommen hatten, rief Heinrich der Fromme ihm zu: »Hans, räche den Berg!« worauf dieser sich an die Spitze eines Heerhaufens stellte und die wilden Horden von dem Berge vertrieb. Von dieser tapfern Kriegsthat war er fortan Rechenberg genannt.
Es haben die Herren von Haugwitz in Sachsen im roten Schilde einen schwarzen, vorwärts stehenden Widderkopf mit gelben Hörnern und gelber Krone, die von Haugwitz in Schlesien und die von Rechenberg aber einen nach der Seite liegenden Widderkopf ohne Krone, die[404] von Haugwitz in Sachsen auf dem Helme den gekrönten Widderkopf mit Hals und Brust, aber ohne Beine, und auf dem Kopfe einen rot und weiß abgeteilten Federbusch, die von Haugwitz in Schlesien und die von Rechenberg aber den Widderkopf mit Hals, Brust und zwei zum Sprunge aufgerichteten Vorderbeinen ohne Krone und Federn.
(Schumann, Lex. v. Sachsen, 11. B., S. 32. Sinapius, Schles. Curios. I, S. 865. Darnach bei Haupt, Sagenbuch d. Lausitz, II, Nr. 63.)
Die Herren von Sebottendorf, welche aus Kurland stammen, wo ihre Vorfahren in der kurischen Nehrung einige kleine Besitzungen hatten, waren mutmaßlich auch im Erzgebirge seßhaft. Zwischen Lößnitz und Thierfeld liegt eine wüste Mark Sebottendorf; das gleichnamige Dorf wurde bereits im 13. Jahrhundert gänzlich verwüstet. Ein Herr von Sebottendorf wurde einstmals als Gesandter zu kaiserlicher Majestät geschickt und von diesem wegen seiner vortrefflichen Eigenschaften und guten Dienste in den Ritterstand versetzt, mit dem Namen »Seebote« beehrt und mit einem Wappen begnadigt, welches im Schilde eine Wasser-Kannelwurzel mit zwei daran hängenden Kannelblättern, auf dem Helme aber zwei dergleichen Blätter mit zuwachsenden Seerosen enthält.
(Schumann und Schiffner, Lex. v. Sachsen, 17. B., S. 165. Gauher, Adelslex. I, S. 232. Angelus, Märk. Chronik, S. 39. Haupt, Sagenbuch der Lausitz II, Nr. 35, Kirchengalerie von Sachsen, 12. B., S. 193.)
Die Stadt Callnberg wurde 1712 nach der ersten Gemahlin des Begründers, Grafen Otto Wilhelm von Waldenburg, einer geborenen Gräfin von Callenberg aus Muskau, benannt.
Anfangs gab man der Stadt, als einer beabsichtigten Erweiterung von Lichtenstein den Namen »Neustadt«. Nachdem aber des Grafen Otto Wilhelm erste Gemahlin, Henriette Eleonore geb. Gräfin von Callenberg, von der man sagt, daß sie von den Fenstern des Schlosses aus mit vieler Teilnahme »ihre fleißigen Schäfchen« bei dem Neubau betrachtet habe, 1710 gestorben war, ward ihrem Gedächtnis zu Ehren von dem verwitweten Gemahl die neue Stadt Callenberg (Callnberg) genannt.
Das Stammschloß der Grafen Callenberg liegt in Westfalen bei Marburg. Es ward von einem der vier Ritter erbaut, welche Kaiser Karl der Große nebst einem Grafen von Oettingen im Jahre 804 in jene Gegend schickte, um dem fortgesetzten Götzendienste der heidnischen Einwohner zu steuern. Als Heinrich der Vogler die Wenden in der Mark bekriegte, kamen mehrere Callenberger nach der Stadt Brandenburg und ließen sich dort nieder. Galle von Callenberg zog 1093 mit gegen die Saracenen.
Der Grund und Boden, auf welchem Callnberg erbaut wurde, hieß das »Rennfeld«. Dieser Name wird von einem im Jahre 1136 daselbst geschehenen Treffen, bei welchem mehr als 50 Zwickauer geblieben sind, oder davon abgeleitet, daß hier ehemals ritterliche Übungen auf einer Rennbahn von den Besitzern des Schlosses Lichtenstein gehalten wurden.
(Kirchengalerie von Sachsen, 2. Band. S. 231.)
Neben andern Rittergütern, wie Ober- und Nieder-Forchheim, hat die Familie von Berbisdorf Jahrhunderte hindurch und zwar bis 1767, da Heinrich von Berbisdorf kinderlos starb, auch das Rittergut Lippersdorf besessen. Das uralte Geschlecht führt gekrönte Arme mit dem leuchtenden Stern im Wappen und eine alte Urkunde besagt darüber: »Anno 1140 hat der Großmeister Weinrich von Kniprode mit Knisdude, Fürstin zu Littaw, so eine Hewdin (Heidin) gewesen, eine Schlacht vor Khaen in Littaw gehalten, in welcher Schlacht Andreas von Berbisdorf ein Fendrich gewesen, und sein Fähnlein, ob ihm gleich beide Arme ab- und zerhauen gewesen, im Maule davon bracht, um welches Ritterlichen Wohlverhaltens willen er nicht allein zum Ritter geschlagen, sondern ihm auch sein Wappen mit dem abgehawenen gekrönten schwartz und rothen Armen (welches ohne Zweiffel blut undt leiden oder schmertzen bedeutet) mit den darüber leuchtenden Stern verbessert, undt zu führen gegeben worden.«
Das adelige Geschlecht von Berbisdorf stammt aus Preußen, wie nachstehende alte Nachricht zu erkennen giebt: »Caspar von Berbisdorf ist wegen Kriegsgefahr außn Land in Preusen mit einem Graffen von Leisneck (Leisnig) in diese Länder kommen, so geschehn im Jahr unser Erlößung 1230 und ist bey mehr gedachten Graffen alß sein Hoffmeister blieben, auch allda Anno 1270 verstorben. Wer sein Weib gewesen, hat man nicht in Erfahrung bringen können, hat nach sich einen Sohn gelassen mit Namen Hanß. Dieser Hanß von Berbisdorff hat etliche[406] Bergwerk zu Freybergk an sich bracht, undt daraus großen Reichthum erlanget, die Gütter Wegfahrt, Duttendorff undt den Halß bey Freybergk erkaufft, auch dem Graffen Leisneck (des vorigen Sohn) 4000 Rheinische Gülden uff die Herrschafft Lauterstein geliehen, so geschehen Ao. 1300.«
(Kirchengalerie von Sachsen, 2. B. S. 240.)
Das Rittergut Dorfchemnitz bei Sayda soll durch Heirat an die von Hartitzsche Familie gekommen sein. Ein Vorfahr dieser Familie, erzählt man, sei Fischer an der Donau gewesen, habe einen deutschen Kaiser auf der Flucht mit der größten Lebensgefahr über die hochangeschwollene Donau gesetzt, da es kein andrer Fischer gewagt habe, und sei nachher von dem Kaiser dafür, daß er ihn gerettet, in den Adelstand erhoben worden. Darauf könnten wohl die zwei Fische in dem Hartitzschen Wappen hindeuten.
Die Familie hat sich sonst von Harticz, nach dem Rittergute bei Jonsdorf in Böhmen an der sächsischen Grenze geschrieben, ist sehr früh aus Böhmen nach Sachsen gekommen, wahrscheinlich wegen der reichen Silberbergwerke bei Freiberg, und hat wichtige Stellen im Rate zu Freiberg bekleidet.
(Gräße, Geschlechts-, Namen- und Wappensagen, 1876, S. 114.)
Das Schloß Hauenstein am südlichen Fuße des Erzgebirgs besaßen unter Kaiser Karl IV. die Herren von Pardubitz. Von diesem Geschlechte wird folgendes erzählt: Als Kaiser Friedrich Barbarossa im Jahre 1158 Mailand belagerte, war ihm auch Herzog Wladislaw von Böhmen mit vielen böhmischen Rittern zur Hülfe gezogen. Im Dunkel einer Nacht erstiegen die Böhmen die Mauern der belagerten Stadt und drangen bis auf den Markt vor; allein hier kamen ihnen die Mailänder entgegen, es entstand ein heftiger Kampf und die Übermacht der Bürger drängte die bisherigen Sieger zurück. Vorher sprengten sie jedoch das Thor und hatten sich so den Rückzug gesichert. Es gelang auch allen zu entkommen, nur Gescheck von Pardubitz verweilte am längsten im Thore, noch immer kämpfend, und als er endlich den Seinigen folgen wollte, rief man von der Stadt aus dem Türmer zu, er möge das Seil zerhauen, womit das Fallgitter befestigt war. Dies[407] geschah auch und das herabstürzende Gitter fiel dergestalt auf Geschecks Roß, daß es von der ungeheuren Gewalt in zwei Hälften geteilt ward. »Das halbe Roß, Ihr Wälschen, schenke ich Euch!« rief der Ritter und schleppte die andere Hälfte ins böhmische Lager, wo ihm Wladislaw entgegenrief: »Dies soll Dir und Deinem Stamme zum Ehrenzeichen dienen!« Am andern Tage aber schlug er Gescheck zum Ritter und verlieh den Herren von Pardubitz ein halbes weißes Roß im roten Felde zum Wappen.
(Gauhen, Adelslexicon I, S. 1968. Falkenstein, Thüringsche Chronik, I. II. S. 414, 481. Gräße, Geschlechts-, Namen- und Wappensagen S. 176.)
Der Ursprung der Herren, Freiherren und Grafen von Vitzthum, in alten Schriften Vitzdom geheißen, wird hergeleitet von den Vicedominis, welche nach Abgang der Könige von Thüringen anstatt des Kaisers die Regierung in den Händen hatten und zu Erfurt residiert haben. Ihr Stammgut heißt Eckstädt, Grenzort des Spezialgaues Thüringen, und daher nennt sich auch noch ein Zweig dieser Familie Vitzthum von Eckstädt. Das gräflich Vitzthum von Eckstädtsche Geschlecht besitzt seit 1764 Lichtenwalde bei Chemnitz, das bereits im 15. Jahrhundert und vielleicht schon früher in dessen Besitze gewesen war.
(Kirchengalerie v. Sachsen, 8. B., S. 25.)
Wildenfels scheint nach einer Geringswalder Klosterurkunde bereits 1233 Stadt gewesen zu sein. Nach dem Orte nannten sich die im Jahre 1602 ausgestorbenen Herren von Wildenfels, deren zuerst 1222 urkundlich und zwar als Besitzer der gleichnamigen Herrschaft gedacht wird. In ihrem Wappen führten sie eine Rose im goldenen Felde.
(Kirchengalerie von Sachsen, 8. B. S. 28. 179.)
Das Dorf Ortmannsdorf wird vor der Reformation Ortwinsdorf geschrieben, und wahrscheinlich gab der Ort dem gleichnamigen Geschlechte, welches bereits im Jahre 1219 urkundlich vorkommt, seinen Namen. Einen Teil des Dorfes besaßen im 15. Jahrhunderte[408] die Ritter von Remse als Wildenfelser Afterlehen. – Vielleicht dankt auch das Dorf seinen Namen dem im 14. und 15. Jahrhunderte in Chemnitz blühenden Patriziergeschlechte der Ortwyne oder Ortweine, ein Name, welchen im Gudrunliede auch Gudruns Bruder führt. Ein Nicol und Matthias Ortwyn haben 1373 zu der Kirche St. Jacob und besonders dem Altar des heiligen Leichnams und Blutes Christi das Dorf Meinersdorf erkauft. (Hist. Nachricht von denen vornehmsten Denkwürdigkeiten der Stadt Chemnitz. 1734. S. 18).
(Hesekiel, Wappensagen, S. 3. in poetischer Bearbeitung. Gräße, Geschlechts-, Namen- und Wappensagen, S. 5.)
Seit mehr denn tausend Jahren führen die auf Planitz mit Kainsdorf, Voigtsgrün u. s. w. angesessenen Arnims im roten Felde zwei silberne Balken als Wappenzeichen. Der Familiensage nach rühren dieselben davon her, daß einst in einer Schlacht gegen die Friesen der Feldherr einem Junker von Arnheim befohlen hatte, eine hölzerne Brücke, welche zwischen ihm und den ihn verfolgenden Friesen liegend, diesen die Möglichkeit ihn zu verfolgen, gewährte, abzubrechen. Der tapfere Mann vermochte jedoch nicht, alle Balken derselben ins Wasser zu werfen, sondern es blieben zwei übrig, über welche die nachsetzenden Friesen das Wasser zu überschreiten suchten. Allein Arnheim ließ sich nicht von seinem Platze vertreiben, sondern wußte sich so lange zu halten, bis Hülfe kam. Zur Belohnung erhielt er von dem Grafen von Holland, seinem Lehnsherrn, den Ritterschlag und das obengedachte Wappen. Später nannten sich die Arnheims Arnim.
(Kirchengalerie von Sachsen, 8. B., S. 123.)
Das Dorf Auerswald bei Chemnitz gehörte sonst den Herren von Auerswald, deren Geschlecht im 15. Jahrhundert in Meißen bekannt geworden ist. Der erste dieses Geschlechts, so aus Preußen gekommen und Oberster gewesen ist, hat ein gräfliches Fräulein von Dohna geheiratet und ist vom Kurfürsten mit dem genannten Dorfe, so er erbauet und nach seinem Namen genannt, belehnt worden. Bis zu Ende des 16. Jahrhunderts haben die Herren von Auerswald hier ihren Sitz gehabt und Nachkommen von ihnen leben noch im Königreiche[409] Preußen. Von 1596 an aber sind die Herren von Schönberg hier Gerichtsherren gewesen.
(Gräße, Geschlechts-, Namen- und Wappensagen, S. 25.)
Die Herren von Bünau waren auch im Erzgebirge angesessen; ein Heinrich von Bünau verkaufte 1596 Bärenwalde mit Lichtenau an den Zwickauer Rat. (Kirchengalerie, 8. B. S. 24.)
Die Abkunft dieses uralten meißnischen Geschlechts leiten einige aus Polen her und sagen, das Geschlecht der von Bunawezky an der litthauischen Grenze sei mit den Bünaus einerlei Stammes. Andere sagen, sie seien aus der Schweiz nach Sachsen gekommen; allein die Hauptmeinung ist, daß sie von den Pedemontanen oder piemontesischen Fürsten abstammen, welche im Jahre 1232 von dem savoyischen Grafen Thomas ihrer Erblande beraubt worden wären. Sie hätten nun zuerst in Sicilien Kaiser Friedrich II. um Beistand gebeten, allein dieser habe mit seinen eigenen Kriegen genug zu thun gehabt; dann hätten sie sich an andere deutsche Fürsten um Hülfe gewandt, als diese ihnen aber auch nicht beizuspringen gewagt, wären sie in Deutschland geblieben und hätten sich in Böhmen und Meißen ansässig gemacht. Ihr Wappen, ein Löwenkopf, im Rachen eine Lilie haltend, sei auch das Wappen jener pedemontanischen Fürstenfamilie. Weil nun aber im Turnierbuche Feierabends einer Demuth von Bünau, der hinterlassenen Witwe Günthers von Saalhausen gedacht wird, die auf dem 996 vom Markgraf Ludolph von Sachsen und Herrn von Braunschweig gehaltenen Turniere zu Braunschweig den vierten Dank dem Turniervogt Kilian von Wolfskäl, einem Franken gab, so mußten die Herren von Bünau eher aus Italien als erst im Jahre 1232 nach Deutschland gekommen sein, wenn sie italienischer Abkunft wären. Einer aus diesem Geschlechte derer von Bünau soll nun aber Kurfürst von Trier gewesen sein, und als Kaiser Maximilian II. (nach anderen sei das viel früher geschehen und zwar unter Kaiser Konrad III. und jener Heinrich von Bünau sei nicht Kurfürst von Trier, sondern von Mainz gewesen) zu Frankfurt gekrönt ward, an S. Majestät folgende drei Bitten gerichtet haben: Erstlich, weil er einer aus dem Geschlechte der von Bünau sei, welches zwei Helme führe, daß er sein (rotes) Kurhütlein auf den einen Helm setzen dürfe. Zweitens, daß die von Bünau unterschiedliche gewisse Namen, als Heinrich, Rudolph und Günther haben könnten, und drittens, daß er seinen ganzen Schatz, welchen er in seinem Stifte erübrigt, dem Geschlechte derer von[410] Bünau zum ewigen Gedächtnisse vermachen dürfe, welche drei Bitten S. K. Majestät gedachtem Herrn Kurfürsten auch bewilligt habe. Weil nun seine Verlassenschaft sich auf etliche Tonnen Goldes belaufen, habe er in seinem Testamente verordnet, daß seine Barschaft zum ewigen Gedächtnis an acht Stammhäuser verwendet werde, nämlich an je zwei in Böhmen, Meißen, Thüringen und Vogtland, von deren Einkommen das ganze Geschlecht zu genießen habe. Peccenstein aber meldet in seinem Theatr. Saxon. I. No. 50 von den drei Taufnamen Heinrich, Günther und Rudolph, daß solches aus einem besonderen Zufall und Betrug eines, so sich ihres Stammes gerühmt und damit ein Falsum gebraucht, auch allerhand Unglück gestiftet, nach deren Vorfahren Rat und Vergleich geschehen sein sollte, oder daß vor ohngefähr 200 Jahren (er schrieb um das Jahr 1608) das Geschlecht bis auf drei Personen ausgestorben sein sollte, da dann diese damals unter sich einig geworden wären, diese drei Namen fort und fort zu gebrauchen. (Nach anderen wäre dies viel später geschehen, erst nach der Schlacht am weißen Berge, wo gegen 200 Glieder dieser Familie gefallen waren.)
(Kirchengalerie von Sachsen, 4. B. S. 138.)
In der Kirche des Städtchens Bärenstein befinden sich die Bildnisse Kaspar von Bärensteins auf Bärenstein und Bärenburg (1612), Walzig v. Bernsteins (1492) und Christoph von Bernsteins (1534 oder 1315?). Ein Albrecht von Bernstein, welcher ebenfalls auf dem Schlosse Bärenstein wohnte, wird bereits unter dem Jahre 1156 genannt, da er auf seine Unkosten einem Turniere zu Zürich, welches der Herzog von Baiern und König von Sardinien anstellten, beiwohnte. Früher schrieben sich die in Bärenstein sässig gewesenen alten Ritter von »Bernstein«, weil sie aus der Schweiz, bei Constanz her, abstammen sollen und dieser Name dort mehr (z. B. Bern) angetroffen wird. Späterhin schrieb man aber, wahrscheinlich wegen der früher in der Gegend hausenden vielen Bären und wegen einer gehabten sehr glücklichen Bärenjagd »Bärenstein«. Viele andere Orte in der Nähe haben davon ihre Namen, als: Bärenklau, Bärenhecke, Bärenburg, Bärenfels, Bärenklause u. s. w.
Auch führten die alten Ritter von Bernstein folgendes Wappen: Ein in silbernem Schilde zum Streit gerüsteter aufrecht stehender schwarzer Bär; auf dem Schilde ruhet ein mit einer goldenen Krone bedeckter offener Turnierhelm, aus welchem ein erhabener und zum Streit geschickter Bär hervorragt; die Helmdecken sind schwarz und silbern.
(Gräße, Geschlechts-, Namen- und Wappensagen, S. 98. Nach Hesekiel, Wappensagen, S. 175.)
Das Wappen der Herren von Lüttichau sind zwei Sicheln und drei schwarze Federn. Die Sage erzählt hierüber folgendes: Es soll einst ein deutscher Kaiser in den Niederlanden gegen die Franzosen im Felde gestanden haben und in der Nähe von Lüttich mit dem feindlichen Heere zusammengestoßen sein. Anfangs war dieses im Vorteil, allein ein adliger Junker aus Meißen, der bei der böhmischen Reiterei des Kaisers diente und sich durch drei schwarze Federn auf seinem Helme auszeichnete, deshalb auch den Namen »der schwarze Hahn« erhalten hatte, hat sich mit seinen Leuten so wütend in die Reihen der Gegner gestürzt, daß er sie sprengte und die Kaiserlichen die Schlacht gewannen. Da hat ihm der Kaiser aus Dankbarkeit den Namen Lüttichau, weil er in Lüttichs Auen den Sieg gewonnen hatte, und als Wappen zwei Sicheln, weil er die Feinde wie Korn abgemäht, verliehen.
Die Herren von Lüttichau werden als mehr denn 200jährige Besitzer der bei Dippoldiswalde gelegenen Rittergüter Ober- und Nieder-Ulbersdorf, sowie im Besitze von Stadt und Dorf Bärenstein, Hammerbärenklau, Groß- und Kleinbörnchen und Walthersdorf angeführt.
(Dietrich und Textor, Die romant. Sagen des Erzgebirgs, I. S. 35 etc.)
In seiner Herrlichkeit saß Karl der Große eines Tages auf dem Herrscherthrone zu Pavia, und alle seine Edlen standen um ihn im weiten Kreise. »Zeigt mir Eure Wappenschilder,« sprach der hohe Siegesfürst, »daß ich ihre Kleinode durch neue, auf die späte Nachwelt forterbende Zeugnisse Eurer Thaten verherrlichen kann!« Da nahten sich ihm die Großen seiner Reiche und er bestätigte die Kleinode in ihren Wappenschildern oder fügte denselben neue bei. Jetzt fiel sein Blick auf einen der jüngsten seiner Edlen. Einfach, ohne Kleinod war das Silberschild des blonden jugendlichen Helden. »Schönburg!« sprach zu ihm der große König, »auch Deine Thaten sah ich in dem letzten Kampfe, auch Deiner Tapferkeit verdanke ich den Sieg; willst Du kein Kleinod in das Wappenschild?« Da erwiderte der junge ritterliche Held: »Erhabener Herr und König! Was ich that, war Pflicht, und ich focht bis jetzt für Dich, ohne[412] für Dich zu bluten. Lasse mir mein Wappenschild, rein sei es in seiner Silberfarbe, der Unschuld und der Herzensreinheit wahres Sinnbild für und für!« »Bescheidener Jüngling!« sagte darauf der Kaiser, »Du sollst es so behalten, bis mit Deinem Blute sich's färbt zu meiner Ehre. Sei immer, was Du warst, ein Ritter ohne Furcht und Tadel, einfach und gut, tapfer und bescheiden, und das treue Vorbild Deines künftigen Stammes! Die Tage des Ruhmes werden kommen!« Und sie kamen. Noch einmal trat Wittekind, der Herzog der Sachsen, als Feind gegen Kaiser Karl auf. Eine furchtbare Schlacht entbrannte; Karl wurde umgangen, die Felsen im Rücken seines Heeres waren vom Feinde besetzt, Steine hagelten nieder und entwurzelte Baumstämme rollten auf die Streitenden herab. Da zerschmetterte ein Felsenstück Kaiser Karls Schild und seine Brust war nun den Waffen der Feinde freigegeben. In dieser Not erhob sich aus dem Leichenhaufen um ihn der Verwundeten einer. Blässe deckte das schöne Angesicht und Blut floß aus der treuen Brust. Er reichte dem Kaiser seinen Schild und sank ermattet wieder nieder. Die Feinde staunten und meinten ein Wunder zu sehen, denn sie hatten den gefallenen Helden an des Kaisers Seite erblickt und zum Tode getroffen fallen sehen. Die Christen wurden mit neuem Mute erfüllt und erfochten unter Karl einen glänzenden Sieg. Jetzt blickte der Kaiser aufmerksam auf den Schild, welcher ihn errettete und er rief: »Das ist Schönburgs Schild! Wo ist er, der ihn trug?« Man suchte einen Toten und fand einen Schwerverwundeten. Derselbe schlug die Augen auf, als Karl vor ihm stand und sprach: »Mein Herr und König!« Der Kaiser aber sprach, nachdem er ihm die blasse Lippe geküßt: »Du hast vollbracht, was Du gelobt! Dein König bin ich und Dein Freund!« Dann berührte er mit dem Ring-, Mittel- und Zeigefinger seiner Rechten die blutende Wunde und strich mit der Wunde reinem Blute zweimal über das silberfarbene, herzförmige Wappenschild, so daß zwei rote Streifen des edlen reinen, für Christentum, König und Vaterland vergossenen Blutes es verherrlichten. »Schönburg! dies sei fortan Dein Zeichen, Dein Blut das Wappenkleinod Deines Hauses!«
(Grünewald, Meißner Chronik I., Anhang S. 87. Gräße, Sagenschatz d. K. Sachsen, No. 58.)
In einem alten handschriftlichen Wappenbuche findet sich folgende Erklärung über den Ursprung des alten meißnischen und seit Jahrhunderten[413] auch im Erzgebirge, u. a. z. B. seit 1336 auf Purschenstein angesessenen Geschlechtes der Schönberge. Es soll ein Ritter aus dieser Familie einst ins gelobte Land gezogen und auf der Jagd an einem Flusse, dessen morastige Ufer mit Schilf bedeckt waren, von einem Löwen überfallen worden sein. Dem hat der tapfere Ritter so zugesetzt, daß er verwundet und brüllend vor Schmerz sich in den Schilfwald zurückzog; der Schönberg aber hat nicht abgelassen, sondern ist ihm gefolgt und hat ihm hier den Todesstoß gegeben. Wie nun der Löwe verendet und von ihm aus dem Moraste gezogen ward, da fand es sich, daß er zur Hälfte mit Meerlinsen bedeckt war und grün aussah. Der Ritter hat nun zum Andenken an diese Begebenheit in sein Wappen einen kämpfenden Löwen, dessen Unterleib grün, der Oberleib aber rot ist, aufgenommen.
(Gräße, Sagenschatz des K. Sachsen, Nr. 612.)
Ist um die Mitte des 15. Jahrhunderts ein Eseltreiber zu Zwickau in der Mühle gewesen, dem hat einer Kuxwerk geschenkt, das erstlich nicht viel getragen, also daß er es auch fahren lassen wollte, weil er kein Vermögen hatte, es zu erhalten. Da nun die Bergleute Zubuße haben wollten, haben sie ihn getröstet und gesagt: Gott der Herr werde in Bälde einen großen Schatz aufthun, was auch kurz darauf geschehen ist, also daß der Eseltreiber nicht allein bei diesem Kux geblieben, sondern auch viele andere dazu gekauft, wodurch er mächtig reich geworden, daß die Silberkuchen in seinem Hause wie Stücken Blei nebeneinander gelegen und täglich auf Schleifen die Straße auf Zwickau geführt wurden, davon dieselbige Straße bis auf den heutigen Tag die Silberstraße genannt wird. Nun ist aber zu wissen, daß zu Zwickau zu jener Zeit eine Münze gestanden hat und täglich gemünzt worden ist. Weil aber das Silber damals zu viel gewesen, hat dieser Römer, so ein kleines Männlein gewesen, zu sich gesagt: Wohl ist ein reicher Mann auch wohl ein armer Mann, weil ich mein Silber nicht einmal gemünzt haben kann! Darum ist er bei sich darüber zu Rat gegangen und hat drei Lastwagen mit Silberkuchen beladen und beschlossen, dieselben nach Nürnberg zu führen, wo ein sehr reicher Rat sein sollte. Als er nun nicht weit von dieser Stadt, sind ihm etliche Kaufleute begegnet, welche er gar einfältig gefragt, ob sich der Markt auch wohl anlasse. Aber diese haben ihn verlacht und gesagt: Dieser alte Narr kömmt zu Markte, da derselbe schon aus ist, er wird den Weg wieder nach Hause zurückmachen[414] müssen. Er hat das nicht groß gerechnet, sondern hat sein Vorhaben dem Kämmerer angezeigt und gefragt, ob wohl ein ehrenweiser und wohlweiser Rat ein Stück Geld für ein Stücklein Silbers, so einen Zentner schwer, geben wolle. Da haben sie gesagt: Ja wohl, wenn nur das Silber vorhanden und zwar des recht viel wäre. Darauf hat er gesagt, er habe ein solches Stücklein, wenn sie es sehen wollten. Da antworteten sie, er solle sie zufrieden lassen, wo er es denn hernehmen wolle? Doch endlich auf sein Anhalten ist einer von ihnen mit ihm gegangen, dem hat er ein Stücklein Silber gewiesen und nach der Probierung, als jener gesehen, daß es gediegen Silber gewesen, hat er ihm noch ein Stücklein gezeigt und gesagt, so ihm Geld dafür zugewogen werde, wolle er es allda lassen. Da hat der Kämmerer gesagt: Ja Herr, wenn es mehr wäre, so könnte es ein Rat der Stadt Nürnberg wohl thun! Darauf hat er ihm die drei Wagen mit Silber beladen gezeigt und gesagt, er habe dessen noch mehr. Darüber ist der Kämmerer sehr erschrocken und hat nicht gewußt, wie er mit ihm daran sei, hat aber gesagt, er wolle es den Herrn anzeigen. Nach diesem ist ihm für so viele Zentner Silbers, als er gehabt, ebensoviel gemünztes Geld zugewogen, er von ihnen zu Gaste geladen und herrlich traktiert und für einen gnädigen Herrn tituliert und geehrt worden. Als er nun seine Ware losgeworden, ist er wiederum mit seinen drei Wagen mit Geld beladen nach Zwickau gekommen. Darauf hat aber Herzog Albrecht von Sachsen zu ihm geschickt, ob er ihm auf seiner weiten Reise zum heiligen Grabe mit etlichen tausend Gulden dienen könne, worauf er denn zurück gemeldet hat, dafern es seiner fürstlichen Gnade gefällig, so wolle er selbst mit, welches denn auch geschehen, und hat dieser Römer seinen Fürsten mit 150 Pferden bis zum heiligen Grabe und dann wieder anheim freigehalten und endlich quittiert, welche Reise ohne Zweifel eine stattliche Summe Geldes wird gekostet haben. Darum ist er beim heiligen Grabe zum Ritter geschlagen und er und die Seinen edel gemacht worden. Zum Zeugnis führen die Römer, so in Zwickau wohnen, eine Eselspeitsche (nach anderen einen Pilgerstab) im Wappen. Auch hat dieser Römer ein gewaltiges Haus am Markte eine Gasse lang nach der Mulde zu, und das Kaufhaus am Markte nebst dem Kornhause am Schlosse gebaut, das Kaufhaus dem Rate und das Kornhaus dem Fürsten geschenkt, auch dem Rate noch viele andere Güter geschenkt und sonst noch etliche tausend Gulden dazu geliehen, also daß sie nur Söhnen seines Geschlechts, so diese in die Schule gehen und studieren würden, von den Zinsen erhalten sollten, damit es ihren Eltern nichts koste, sie möchten studieren, wo sie wollten.
(Grohmann, Sagen aus Böhmen, 1863. S. 23.)
Im Schloßberge von Teplitz sollen einige Ritter schon 700 Jahre lang schlafen und heißen daher die Siebenschläfer. Wenn es einmal den Deutschen schlecht gehen wird, werden die Ritter hervorkommen und ihnen helfen. Das Bächlein am Fuße des Berges ist oft gelb gefärbt von dem Urin der Pferde, die im Innern des Berges stehen, und auf dem Berge liegen Steine, in denen die Hufe dieser Pferde abgedrückt sind. Früher soll den Schloßberg eine Mauer umgeben haben; es ist aber davon nichts mehr übrig, als das Thor, durch welches die Ritter aus- und einritten. Bei diesem Thore soll in der Nacht von 12–1 Uhr ein großer, starker Mann ohne Kopf umgehen.
Wenn statt des befruchtenden Regens, welchen der milde, segnende Gott Wuotan mit seinen himmlischen Helden zur Erde niedersendete, in den kalten Wintertagen Schnee niederfiel und Eis die Erde bedeckte, da glaubte man, daß die Winterdämonen zur Herrschaft gelangt seien. Wuotan hatte sich mit seinem Gefolge in den Wolkenberg, nach späteren Anschauungen in das Innere eines wirklichen Berges zurückgezogen, um hier zu schlafen oder verzaubert auf die Wiederkehr des Frühlings zu warten. Später wurde Wuotan zu einem der Lieblingshelden unseres Volks, der in einem Berge schlafend auf die Wiedergeburt des deutschen Reiches harrt. So schläft nach der Sage Karl der Große in dem Desenberge bei Warburg, Kaiser Heinrich der Vogelsteller im Sudemerberge bei Goslar und Friedrich Barbarossa im Kyffhäuser. Bei den Slaven ist es Swantewit, welcher mit seinen himmlischen Kriegern die Stelle des germanischen Wuotan einnimmt, und auf ihn ist die Sage der Böhmen vom Könige Wenzel und seinen Kriegern im Berge Blanick zurückzuführen. – Die Sage von den Siebenschläfern im Schloßberge zu Teplitz erzählt zwar nichts von einem bestimmten Helden, der an die Stelle Wuotans getreten ist, doch trägt sie ganz das Gepräge der obengenannten Überlieferungen. Die im Berge schlafenden Ritter, welche den deutschen in der Not helfen werden, sind das Gefolge Wuotans, auf welchen vielleicht die Abdrücke der Hufe in den Steinen und die gespenstische Erscheinung eines großen Mannes ohne Kopf hindeuten. Hufeisen, später dem Teufel zugeschrieben, weisen ursprünglich auf Odhins weißes Roß Sleipnir hin. Als der Gott einst im wilden Ritte dahin sauste, flog von diesem Rosse eins der Eisen ab und blieb an einem Felsen bei Wexiö hängen. Der Mann ohne Kopf erinnert an den wilden Jäger, welcher in den Sagen an Wuotans Stelle getreten ist. (Mannhardt a. a. O. S. 135.)
(Grohmann, Sagen aus Böhmen, 1863. S. 23.)
In der Nähe des Dorfes Kühnheide breitet sich ein Stück sumpfiges Land aus, welches in der Gegend unter dem Namen Türkenheide bekannt ist. Dieses sumpfige Land soll seinen Namen von[416] einem Regimente Türken haben, welche hier, als sie ins Gebirge dringen wollten, versunken sind. In der Karwoche in der Nacht von Donnerstag auf Freitag sollen sich dort blaue Flämmchen sehen lassen und türkische Musik und Pferdegetrappe zu hören sein.
Es ist auffällig, daß die Sage den Namen Türkenheide von einem versunkenen Regimente Türken herleitet, da doch Türken niemals in jene Gegend gekommen sind. Hängt der Name vielleicht mit einer Begebenheit, welche Dr. Joh. Pöschel (Eine erzgebirgische Gelehrtenfamilie, Leipzig 1883, S. 150 etc.) erzählt, zusammen? Darnach hielten 1632 die Kaiserlichen die Ausgänge der Pässe von Preßnitz und Reitzenhain besetzt, die Bauern aber thaten sich zusammen, vertrieben die Kaiserlichen aus den Schanzen und lauerten ihnen auf, wenn sie mit Beute durchs Gebirge zogen. Der Anführer der Bauern war der Amtsschösser von Grünhain, Friedrich Türck. Als nun von allen Seiten Klagen über die Bauern beim General Gallas, welcher um Freiberg lag, einliefen, schickte dieser wiederholt Kuriere an Friedrich Türcken mit Warnungen und Drohungen und verlangte Kontribution. Friedrich Türck wollte davon nichts wissen und ließ den Kaiserlichen entbieten, er wollte ihnen Pestilenz, Pulver und Blei und alle katholischen Steine aus dem Kloster Grünhain auf die Köpfe geben. Dies konnte nicht ungestraft bleiben. Gallas entsandte 2000 Pferde mit zwanzig Standarten unter dem Obristen Kehreuß gegen die Bauern ins Gebirge. Am 7. November kamen sie auch durch Kühnheide. Von Friedrich Türck wird gerühmt, »er habe seine Bauern dermaßen animirt und abgericht, daß sie frisch vorn Feind standen, keine Gefahr scheuten und sich trefflich wehrten, sonderlich wenn er darbey wahr vnd ihnen zusprach.« – Es drängt sich die Vermutung auf, daß die Türkenheide bei Kühnheide ihren Namen von jenem Bauernanführer Friedrich Türck erhalten hat.
(Chemnitzer Tageblatt, 1882. N. 17. 1. Beil.)
Auf der Rittergutsflur zu Schönau bei Chemnitz liegen seitwärts der Bahn die sogenannten Korporallöcher, von denen die Sage geht, es sei im letzten Schwedenkriege eine ganze Korporalschaft spurlos darin versunken. Noch sollen sich zeitweilig die Ertrunkenen in verschiedenen Gestalten daselbst sehen lassen, auch wird erzählt, daß die mit weißlichem Wasser gefüllten Löcher mit dem Meere in Verbindung stehen.
Was in diesem letzten Abschnitte unter dem Begriffe der Ortssagen zusammengefaßt wurde, besteht einerseits aus bloßen chronikalischen Mitteilungen über Orte oder über Begebenheiten, welche sich an bestimmte Plätze knüpfen. Diese Erzählungen, und dies gilt besonders auch von einigen alten Gebräuchen, gehören demnach nicht dem eigentlichen Sagengebiete an; doch möchte ich sie nach dem Vorgange Carl Haupts in dessen Sagenbuche der Lausitz nicht unberücksichtigt lassen, und zwar umsomehr nicht, als sich bei manchen derselben ein schwacher Schimmer der dichterischen Gestaltungskraft des Volkes zeigt. Andererseits haben einige dieser Ortssagen wieder etwas vom mythischen Charakter an sich, so daß sie vielleicht auch in einer der vorhergehenden Abteilungen, besonders bei den Wundersagen, hätten untergebracht werden können. Hierhin gehören z. B. manche der Mitteilungen über die Gründung von Ortschaften und die Entdeckung reicher Erzgänge. Häufig hat die dichterische Phantasie des Volkes die Namen von Orten, Bergen und Felsen, sowie von Ortssiegeln und Wappen erfaßt, und solche Überlieferungen mußten deshalb in diesem Abschnitte, ebenso wie diejenigen von den Wahrzeichen der Städte, eine Stelle finden. Letztere können bloße Zeichen der Gewahrsame d. h. Umgrenzung der Orte, oder Symbole der Bürgerschaft und mißverstandene Wappen und Bilder sein; oder sie sind auch nur Andenken einer Sache, Sitte, oder Begebenheit aus früherer Zeit. Verwandt mit solchen Wahrzeichen sind alle die sprichwörtlichen Redensarten und Scherze, welche sich auf die Lage oder Eigentümlichkeit eines Ortes oder den Charakter und die Beschäftigung seiner Bewohner beziehen; manche derselben müssen auch auf eine bestimmte Begebenheit oder die That eines Einzelnen zurückgeführt werden. Anhangsweise wurden den sprichwörtlichen Redensarten auch eigentliche Sprichwörter (und Rätsel) beigefügt, insofern dieselben der Beschäftigung der Bewohner oder gewissen Beobachtungen an denselben entsprungen sind.
(Petrus Albinus, Meißnische Bergk-Chronika. Dreßden, 1590. S. 10.)
Auf eine Zeit ist ein Goslarischer, oder wie etliche bloß setzen, sonst ein sächsischer Fuhrmann zu Hall durchgefahren und hat Salz ins Land zu Böhmen führen wollen, weil dasselbe Land auf den heutigen Tag aller Ding die Fülle, allein kein Salz hat. Dieser Salzführer, als er fast an die Grenzen des böhmischen Gebirges, gleich um die Gegend, da jetzo Freiberg stehet, kommen, hat er ohngefähr ein Geschiebe von einem gediegenen Glanz oder Bleierz in einem Wagengleis gefunden, dasselbe, weil es schön gleißende und schwer gewesen, auf den Wagen geworfen und im Wiederkehren mit sich gen Goslar gebracht. Daselbst, nachdem es von den Bergleuten probiert und im Silber viel reicher als der Goslarische Glanz und Bleischweif befunden worden, haben sich die Sachsen alsbald aufgemacht, sind dahin auf Nachrichtung des Fuhrmannes gezogen, da er das Geschiebe gefunden hatte, haben Gänge ausgerichtet, eingeschlagen und geschürft, und da es ein gut Ansehen genommen, folgend getrost Kübel und Seil eingeworfen, in Eil etliche Röschen getrieben, damit sie die Gebirge etwas verstollet, und das Wasser verschroten, auf daß sie ohne Hindernis bauen mögen, und haben also in Summa die Sachsen das Bergwerk im Lande Meißen rechtschaffen rege gemacht.
(Moller, Theatrum Freibergense Chronicum. II. 1653, S. 3.)
Im Jahre 1169 hat der Bergmeister mit den Bergleuten auf dem Zellerfeld in Sachsen, verschiedener Unbilligkeiten wegen, die ihnen widerfahren, einen Aufstand gemacht und hat sich dann mit den Bergleuten nach Meißen zum neuen Bergwerk, welches bereits in hohen Ruf gekommen war, begeben. Zwei Jahre darauf aber haben die eingewanderten Sachsen das Dorf Christiansdorf am jetzigen Münzbach im Baue gebessert und also zugerichtet, daß es einer neuen Stadt glich, wie auch hernach dieser Ort die Sachsenstadt genannt wurde. Etliche rechnen deshalb den Anfang der Stadt Freiberg vom Jahre 1171 an.
Die Entdeckung der reichen Freiberger Silbergänge erfolgte wahrscheinlich zwischen 1162 und 1170. Nach Aufzeichnungen des Klosters Zelle vom Ende des 13. Jahrh. wurde die Stadt Freiberg im Jahre 1181 gegründet; wahrscheinlich aber fällt die Gründung zwischen die Jahre 1185 und 1190. Urkundlich wird der[421] Freiberger Bergbau zuerst 1185 erwähnt. (Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des K. Sachsen, III. S. 8.)
(Benseler, Berggeschichten vom Aufkommen des sächs. Silberbergbaues. Freiberg, o. J. S. 12.)
Wo das Rathaus in Freiberg steht, soll der erste Silberfund geschehen sein, und in einem Kreuze, welches in einer Ecke desselben eingemauert ist, soll man noch heute die erste Art Freiberger Erze sehen. Gegenüber an der Ecke der Petersstraße, da, wo das Bild des Bergmannes an dem Hause steht, soll sich die erste Zeche befunden haben. Die bedeutenderen älteren Gruben waren im alten Loßnitz- oder Münzbachthale. In Christiansdorf, welches seinen Anfang in der Nähe vom Vorwerk Langerinne nahm und sich bis an die Loßnitz erstreckte, war eine sehr alte Grube der Stubenberg, von dem erzählt wird, daß eine Köchin aus dem Kloster Zelle das erste Grubengebäude hier gebaut habe und sehr reich davon geworden sei.
(Ursprung der Bergwerke in Sachsen. Chemnitz, 1764. S. 110.)
Es wird erzählt, daß die Bergwerke an der Mulde gegen Nossen lange vor den Freiberger Silbergruben gangbar gewesen seien. Das Gersdorfische Bergwerk soll unter diesen das älteste und bei folgender Gelegenheit aufgekommen sein. Im Jahre 733, am Tage Simonis und Judä, hätte ein Mönch, der Kappenmönch genannt, einen auf der alten, jetzt gänzlich verfallenen Wunderburg bei Roßwein gesessenen Räuber, mit Namen Martin Griechen, besuchet. Darauf habe ihn letzterer nebst seiner Buhlerin, welche Gertraut geheißen, beim Abschiede ein Stück Weges begleitet, bei welcher Gelegenheit sie unterwegs reiche Erze entdeckt hätten. Der Mönch habe infolgedessen seine Kutte für immer abgelegt und der Räuber von seinem Räuberhandwerk gelassen. Dafür hätten sie ein Bergwerk angelegt und reichhaltige Erze gefunden und nun an dem Orte einen Flecken gegründet, den sie nach des ehemaligen Räubers Buhlerin Gertraut Gersdorf benannt hätten. Das Bergwerk wäre hierauf bis zum Jahre 887 angebauet worden, von dieser Zeit an aber zwei Jahre lang, einer sich entsponnenen Räuberei halber, liegen geblieben, mit welchem Schicksale auch ein anderes[422] Bergwerk, der Goppisch genannt, dessen Lage man nicht mehr wüßte, heimgesucht worden. Nach einer anderweiten Niederlage von drei Jahren, wovon die eigentliche Zeit nicht angegeben werden könnte, hätte man endlich angefangen, zu Erzdorf ein ganz neues Bergwerk vorzurichten, wozu bei Ermangelung der Bergarbeiter ein jeder Bauer zwei Leute schicken müssen, und wäre das Bergamt damals auf dem jetzigen Schafhofe gewesen.
(Albinus, Meißnische Bergk-Chronica etc. Dreßden, 1590. S. 28. Meltzer, Hist. Schneeberg., S. 33–35.)
Es hat sich von ungefähr zugetragen, daß ein Bergmann oder Arbeiter, welcher zu dem in Schlema vor Zeiten befindlichen Hammer gehörte, nach Eisenstein schürfte. Dabei kam er auch an den Schneeberg, wo er einen besseren Eisenstein zu finden vermeinte, als er am Wolfsberge, Hasenberge und anderen Orten gefunden hatte. Als er nun etliche Schürfe geworfen, wobei es ihm aber nach seinem Sinne nicht gegangen, hat sich nicht lange darnach an dem Orte, wo später die St. Georgenzeche und die zugehörenden, als die alte und neue Fundgrube u. s. w. aufkamen, ein Bürger von Zwickau (die Sage nennt ihn Romner oder Römer), welcher mit einer Würzlade auf dem Lande umherging und sich dadurch seine Nahrung suchte, in einem alten Schurf, darin eine schöne Gilb und Bräun alsbald in der Dammerde gewesen, eingelegt und zwei Arbeiter daselbst gehalten, denen er alle vier Wochen abgelohnt, und unterdeß alleweg mit seinem Kram wieder ausgelaufen. Bald nachher ließ er einen Schacht sinken, und die Arbeiter trafen endlich eine »gänßkötige« Bergart, samt einer Bräun und Gilben, welche der ersten Bergart im Schurf ähnlich war, wovon sie ihrem Herrn an dem Lohntage etliche Handsteine nach Zwickau brachten. Derselbe ließ sie bei einem Goldschmiede probieren und erhielt darauf die Antwort, wenn er dieses Dinges noch mehr habe, solle er's ihm bringen, er wolle ihm schöne silberne Becher daraus machen. Dieses soll ungefähr im Jahr 1470 geschehen sein. Nach dieser Zeit sollen sich bald mehr Bürger von Zwickau und von anderen Orten, edel und unedel, zusammengeschlagen, fortgebauet und endlich ein mächtig Erz angetroffen haben. Im Jahre 1472 hat man allererst den rechten Putzen, wie die Bergleute reden, angetroffen, worauf das Schneebergische Bergwerk so in Schwank gekommen, daß seinesgleichen nie gewesen, also daß man damals das Silber nicht[423] alles vermünzen können, sondern kuchenweise oder in ganzen »Plicken« hat austeilen müssen.
Nach einer anderen Erzählung habe sich ein Schustergerätträger mit Namen Sebastian Romner, welcher von Krembs an der Donau gebürtig, aber zu Görkau in Böhmen wohnhaft gewesen sei und der seine Nahrung zu Zwickau gesucht, in der Gegend von Schneeberg verirrt. Dabei sei er an eine Eisenzeche gekommen und habe den Steiger heraus gerufen, um ihn nach dem rechten Wege und um einen Trunk Wasser zu bitten. Der Steiger habe ihm im Verlaufe des Gesprächs geklagt, daß die Gewerken nicht mehr verlegen wollten, weil man aus dem Eisensteine nichts machen könne; es sei ein Gang dazu gekommen und derselbe mache das Eisen so flüssig, daß man kein Stabeisen mehr schmieden könne, weil alles zerfahre. Romner nahm darauf einige Stücke des Erzes mit nach Görkau und Nürnberg, um sie untersuchen zu lassen und es fand sich, daß sie reichlich Silber enthielten. Als er später wieder nach Zwickau zurückkehrte, wurde er infolge eines Streites vor den Hauptmann geführt. Als der etwas berauschte Romner vor diesem Worte fallen ließ, daß er in der Nähe einen Schatz wisse, ließ der Hauptmann nicht nach, bis ihm Romner versprach, ihn nach diesem Orte zu führen. Und als sie am andern Tage zu der Eisenzeche gelangten, fand sichs, daß der Hauptmann bei dieser durch Kuxe beteiligt war. Beide begannen jetzt in Gemeinschaft den Silberbau, und da der Hauptmann erkundete, daß Romner ehrlichen Stammes sei, gab er ihm eine Muhme, Anna von Bünau, zur Ehefrau. Romner hielt sich darauf zu Neumark auf, genoß des Bergsegens und wandelte, indem er das Geschlecht derer von Römer begründete, seinen Namen in Römer um.
Als gegen Ende des 15. Jahrhunderts die Silbererze des Schneeberges entdeckt wurden, war die Gegend umher nicht mehr so unwirtlich, wie angenommen wird. Von Lößnitz führte bereits durch das Schlemathal über Neustädtel eine Straße nach Böhmen; im genannten Thale pochten Eisenhämmer und im hohen Forste, sowie in der Gegend der über die Mulde führenden Eisenbrücke gab es schon Silbergruben. Der erste Fund auf dem Schneeberge geschah am Ende des Jahres 1470 und bald darauf, am 6. Febr. 1471 folgte ein neuer reicher Anbruch.
Als die junge Ansiedelung auf dem Berge 1481 den Stadtbrief empfing, hatte man daselbst schon Gruben von 200 M. Tiefe. (H. Jacobi, Schneeberg. Ein Gedenkblatt zur 400jährigen Jubelfeier, S. 3–7).
Der in der zweiten sagenhaften Erzählung genannte Hauptmann war der Amtshauptmann von Zwickau, Martin von Römer, dessen Epitaph noch jetzt in der dortigen Marienkirche vorhanden ist. Derselbe gehörte mit zu den bedeutendsten Fundgrübnern jener Zeit, unter denen uns noch Angehörige der adeligen Familien von Starschedel, von Spiegel und von Schönberg, sowie die Zwickauer Bürger[424] Hans Federangel, Clemens Schicker, Andreas Gaulnhöfer und Peter Polner genannt werden.
Martin Römer soll nicht allein durch die Schneeberger Silberausbeute, sondern auch durch den ihm zufließenden Segen aus anderen Fundgruben so reich geworden sein, daß er z. B. für den Neubau der Zwickauer Marienkirche allein 72000 Gulden beitragen konnte.
Sebastian Romner, dem er die Kenntnis der Schneeberger reichen Gänge verdankte, soll dann später in Venedig große Geschäfte mit Silberkuchen, welche er daselbst verkaufte, gemacht haben.
(Meißner, Umständliche Begebenheit von der Bergstadt Altenberg. Dreßden und Leipzig, 1747, S. 2.)
Als Anno 1458 in dem ehemaligen Walde, welcher dem Herrn Walzig von Bärenstein eigentümlich zugestanden, ein Köhler einen Meiler auf einem mächtigen flachen Gange, welcher jetzt die alte Fundgrube genannt wird, zugerichtet hatte, traf er im Ausstoßen Zinn an. Denn die am Tage gelegenen Zwitter, welche der Köhler zu seinem Kohlenbrennen lange Zeit hindurch zum Unterlegen gebraucht hatte, waren durch die heftige Hitze nach und nach zermalmt und mürbe gebrannt worden, so daß endlich »berglauter Zinn« zum Vorschein kam. Auf diese Art ist der so berufene Zwitterstock zum Altenberge unvermutet fündig geworden. Nachdem nun hierauf das Gerücht von diesem reichen Zinnbergwerke durchs Land erschollen, haben sich viele ausländische Bergleute an dem Platze niedergelassen und die Stadt Altenberg gegründet.
Historisch ist, daß bereits in den letzten vierziger Jahren des 15. Jahrh. auf dem Schlosse zu Bärenstein die Anfänge zu einer Bergordnung neben einem förmlichen Bauplane für die Stadt Altenberg festgesetzt wurden. Kurfürst Friedrich der Weise aber verlieh bereits 1451 »dem Czynnern off dem Geusinge« (worunter mit ziemlicher Sicherheit Altenberg zu verstehen ist) einen freien Markt und auch Stadtrechte. (Darstellung der Bau- und Kunstdenkmäler v. Sachsen, II. S. 1.)
(Brandner, Lauenstein, seine Vorzeit, früheren Schicksale und jetzige Beschaffenheit. Lauenstein, 1845, S. 272. Erzgebirgszeitung, 5. Jahrgang, S. 162.)
Die Königin Judith, Gemahlin des Herzogs Wladislaus I. von Böhmen, gründete in Teplitz ein Kloster der Benediktinerinnen. Es[425] geschah dies in einem der Jahre 1153 bis 1173. Im Jahre dieser Gründung aber war es, so berichtet der böhmische Geschichtsschreiber Hajek, da ging ein Mann, mit Namen Wnadeck, aus dem Dorfe Cloditze, auf dem Gebirge, welches fast eine Meile Weges von Teplitz gegen Mitternacht gelegen, und fand einen langen und lichten, aus der Erde herausgewachsenen Stab. Er vermeinte, derselbe wäre Silber, brach ihn ab und brachte ihn der Herzogin Gertrud (Königin Judith) gen Teplitz. Diese aber übergab den Stab bergverständigen Männern zum Probieren, welche im Feuer befanden, daß es Zinn war. Hierauf befahl die Herzogin, dem Wnadeck 3 Mark Silber zu geben, doch sollte derselbe den Ort zeigen, wo er den Stab gefunden habe. Als dieses geschehen, grub man nach, und wurde eine gar große Menge Zwitter gefunden, darum die Herzogin und alles böhmische Volk unserm Herrgott mit Herz und Mund großen Dank sagten.
Auch erzählt die Sage: Als Libusa das Czechenvolk beherrschte, eine weise Seherin, die das Glück und Unglück ihres Landes in der Nähe und in der Zukunft schaute, da geschah es auch (d. h. im Jahre 733), daß die Herzogin, von der Höhe des Wyschehrad aus, weissagend sich nach Nordwesten gewendet und dem Volke in blühenden Worten von dem übermäßigen Zinnreichtum des einstigen Graupens gepredigt habe.
(Richter, Chronica der freyen Bergstadt Annaberg. 1746. S. 17.)
In dem Dorfe Frohnau wohnte ein Bergmann, welchen die alte geschriebene Stadt-Chronica von Annaberg Caspar Nietzel oder Nitzelt nennt. Dieser schürfte an dem Schreckenberge und entdeckte daselbst den 27. Oct. 1492 in der Dammerde einen lettigen Gang, welcher im Centner 2 Loth Silber hielt. Dieser Bergmann nahm den Letten, trug denselben am Abende Simonis Judä nach Geyer zu einem Schmelzer, welcher Martin Pflugk oder Pfennig geheißen, und ließ es probieren. Als aber der Schmelzer diesem Nietzel es nicht glauben wollte, daß er zu Tage aus einen solchen herrlichen Gang gefunden, so gab er ihm etliche verständige Bergleute mit, welche die Sache sollten in Augenschein nehmen, und diese, als sie den Gang wirklich so gefunden, hatten auch dem Nietzel hernach geraten, daß er solchen Gang von Herrn Johann Fischern, Bergmeistern zu Freiberg, aufnehmen sollte. Das allerälteste geschriebene Chronikon aber, welches noch vorhanden ist, sagt, daß Hans Heintze und Martin Pflugk, der[426] Schmelzer in Geyer, das Lehngeld geleget, und solchen Gang bei Hans Fischern, Bergmeistern in Freiberg, aufnehmen lassen. Als sich nun beim Abteufen der Gang veredelt, der Gehalt gebessert, und das Geschrei ins Oberamt nach Freiberg geschollen, so hat der Bergmeister daselbst etliche abgeordnet, das neue Gebäude zu befahren und an dem nahe dabei liegenden Schottenberge einen Stollen zu treiben anfangen lassen. Dies ist also Anno 1492 geschehen, als in welchem Jahre dieser wüste und wilde Ort das Glück hatte, daß er bekannt geworden. Von diesem Jahre an rechnen nun etliche den Anfang der Stadt St. Annaberg.
(Meltzer, Hist. Schneeberg. 1716, S. 32.)
Als noch der Schneeberg mit Wald bedeckt war, befand sich daselbst eine Försterei. Hier wurde den Umwohnenden, besonders in den Mühlen gegen Griesbach, sowie den Hammerleuten in Schlema Holz angewiesen. Dabei soll ein Pferd, welches man an einen Baum gebunden hatte, gescharrt und in der Dammerde eine »Gilbe« entblößt haben. Das war der Anfang zum Fündigwerden des St. Georg, an dessen Zechenhause sich vor Zeiten zur Erinnerung ein aufgenietetes Hufeisen befand.
Auch auf dem Rammelsberge im Harz soll nach der Sage ein Bleierzgang durch das scharrende Pferd eines adeligen Herrn, mit Namen Ramm, nach welchem später der Rammelsberg benannt wurde, aufgefunden worden sein. Ist vielleicht die Schneeberger Sage derjenigen vom Rammelsberge nachgebildet worden? Hingewiesen mag darauf werden, daß Wuotan der Herr der Schätze ist und daß sein Roß dieselben hervorstampft, indem es Erzadern ausscharrt.
(Meltzer, Bergkläufftige Beschreibung der löbl. Bergk-Stadt Schneebergk. 1684, S. 42. Wrubel, Sammlung bergmännischer Sagen. 1883. S. 22.)
Der Freudensteiner Gang wurde 1526 von einer Magd entdeckt, als sie auf dem hinteren Gleeßberge in einem Waldraum auf Neustädter Feldern Gras holte und dabei einen Silberzahn mit der Sichel abhieb und nach Hause brachte. Glaublicher wird gesagt, daß das gediegene Silber daselbst von einer Kuh ausgetreten und vom Hirten gefunden und nachgehends mit großem Nutzen gehauen worden ist,[427] deswegen hier die Bergleute ein Rätsel gemacht und einander zu raten aufgegeben haben: Wo das Erz über den Haspel gewachsen? welches sodann mit dieser Zeche aufgelöst worden.
(Wrubel a. a. O., S. 23.)
In der Gegend von Joachimsthal trafen Bergleute vom Geyer den ersten Gang an der Wurzel eines Baumes, den der Wind an einem Bache umgeworfen hatte.
(Albinus, Meißnische Bergk-Chronica. 1590, S. 125.)
Bei Joachimsthal, nicht weit von Arlsgrün (Arletzgrün) hinter dem Galgenberge ist ein Zain Goldes mit dem Getreide abgeschnitten worden.
(Albinus, Meißnische Bergk-Chronica, 1590, S. 79.)
Das Bergwerk St. Lorenz oder Gottesgab bei Abertham ist also aufgekommen: Nachdem eine Zeitlang an diesem Orte gebaut worden war, ist im Jahre 1528 ein gar armer, jedoch verständiger und guter Bergmann gewesen, welcher im dichten Walde fast allein in seinem Hüttlein wohnte und sich von Viehzucht, obschon nicht alles sein Eigen war, ernährte. Als dieser einstmals (es soll am 20. Februar gewesen sein) bei seinem Weiler eine andere Milchgrube, wie solche gebräuchlich waren, graben wollte, hat er eine reiche Sicherung von gediegen Silber, welche der Brunnenquell vom Gange geröhret hatte, angetroffen. Darauf ist er mit großen Freuden zu seinem Herrn gelaufen und hat ihm und anderen solches anvertraut. Bald ist er auch zum Bergmeister gegangen und hat eine Fundgrube gemutet, welche er Gottesgabe nannte. Nachdem er geschürft und gesunken, hat er schöne Bergarten und noch mehr gediegen Silber gefunden. Später hat man auf dieser Zeche so viel gediegen Silber gebrochen, wie auf keiner andern seit Mannes Gedenken, ausgenommen St. Georgen auf dem Schneeberge.
(Richter, Chronica der freyen Bergstadt St. Annaberg, 1746, S. 18.)
Derselbe hat sich von ohngefähr einem Fischer entblößet; denn als dieser unter Buchholz fischte und mit dem »Stirreln« an dem Ufer das Wasser trübe machen wollte, so brach ein Stück vom Ufer ein und entblößte einen reichen und nutzbaren Gang, darauf hernach viel Erz gebrochen und viel Silber gewonnen worden. Solches geschah am heiligen Abende des Fronleichnams-Tages, davon der Stollen also den Namen bekommen hat.
(I. Nach der poet. Bearbeit. Ziehnerts bei Gräße a. a. O., Nr. 633. II. Nach mündlicher Überlieferung.)
I. Das Städtchen Schöneck soll seinen Namen folgender Ursache verdanken: Einst soll der kaiserliche Landvogt Heinrich Reuß (der Reiche von 1140–1150?) auf der Jagd von seinem Gefolge getrennt worden und auf ein Bärenlager gestoßen sein. Die für ihre Jungen besorgte Bärin sprang auf sein Roß los, dasselbe stürzte von ihrem wütenden Angriffe zu Boden, und es würde um den Landvogt geschehen gewesen sein, da sein Schwert beim Sturze zerbrach, wäre nicht ein junger Köhler auf sein Hülferufen herbeigeeilt und hätte das wütende Tier von hinten mit seinem Schürbaum erschlagen. Der Vogt erlaubte nun seinem Retter sich eine Gnade auszubitten, und derselbe gestand ihm, er habe eine Geliebte, die er aber nicht heiraten könne, weil er zu arm sei; er bitte nur um einen Platz, wo er sich ein Häuschen bauen könne, und um Holz dazu. Da lachte der Reuß und sagte ihm, er möge in seinem Lande sich aussuchen, welchen Platz er wolle, wo er sich ein Haus bauen möge, Holz möge er aus dem nächsten Walde nehmen und Steine brechen, so viele er brauche, und so ihn jemand nach seinem Rechte fragen werde, dem solle er diesen seinen Ring und sein zerbrochenes Schwert, welches er ihm einhändigte, vorzeigen. Darauf zog der Köhler lange mit seinem Liebchen im Vogtlande herum und nirgends wollte denselben ein Ort passend erscheinen; endlich kamen sie auf einen hohen Berg voll Wald und üppigem Graswuchs, da rief sie: »Das ist ein gar schön Eckchen, da kann man weit ausschauen, da wollen wir bauen!« Und so geschah es auch; der Köhler baute sich ein Häuschen und brannte einen Meiler an, und nach und nach zogen auch andere Leute dahin und bauten sich um das Häuschen herum an, und so entstand[429] nach und nach ein Flecken, den hieß man zum Andenken Schöneck.
II. Emigranten aus Böhmen kamen einst in die Gegend von Schöneck. Da gefiel es ihnen so wohl, daß sie ausriefen: »Das ist eine schöne Eck'! hier wollen wir uns anbauen!« Und sie gründeten einen Ort, aus dem später eine Stadt wurde, und nannten ihn wegen der Schönheit des Platzes, auf dem er gegründet wurde, Schöneck.
Nach Dr. Ulrich Schneider (Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung, 1883, Nr. 31) befand sich an der Südseite des in der Stadt sich erhebenden Friedrichsteines eine jedenfalls zur Zügelung der Slaven erbaute Burg, welche schon um 1225 Schöneck hieß, denn um diese Zeit wird ein Ritter von Schonegge genannt. Später siedelten sich um die Burg Deutsche an, und die aus diesen Ansiedelungen entstandene Stadt hieß anfänglich, wie z. B. 1370 in dem Freibriefe des Kaisers Karl IV., die Stadt »Unter Schöneck«. Die Stadt Schöneck nahm also ihren Namen von der weit älteren Burg an. Der Name der Burg aber ist, wie solches zuerst von Limmer angenommen wurde, kein slavischer, sondern rein deutsch, und als »schöne (d. h. passende) Ecke« zu deuten. Das Wort »Ecke« aber ist eine seit alter Zeit gebräuchliche Bezeichnung für »Vorsprung«. Darnach bezieht sich »schön« auf den für Anlage einer Burg geeigneten Platz und nicht auf die durch die Sage hervorgehobene Aussicht, von welcher bei Gründung des Ortes mitten in den damals hohen Wäldern wohl keine Rede sein konnte.
(Peccenstein, Theatrum Sax. I, S. 89. Darnach Gräße, Sagenschatz d. K. Sachsen, Nr. 243.)
Da, wo jetzt das Schloß Bärenstein liegt, war vor grauen Jahren eine rauhe Wildnis, und es hat einmal einer aus dem Geschlechte derer von Bärenstein mit einem seiner Söhne auf dem Felsen, den jetzt das genannte Schloß krönt, zwei wilde Bären angetroffen. Nachdem diese zum Stehen gebracht worden, ist der Sohn vor dem Vater niedergefallen, willens, den einen abzufangen, allein es ist ihm dies mißlungen, indem ihm der Bär den Spieß zerbrach und ihn den Felsen hinuntergeworfen hat. Hierauf hat die ganze Gefahr den Vater bedroht, allein dieser, über den Fall seines Sohnes, den er tot vermeinte, hart ergrimmt, hat den Bären heftig zugesetzt, sie mit seinem Spieße durchbohrt und den Felsen hinabgestürzt, dann ist er aber zu seinem Sohne hingeeilt und hat diesen wider alles Erwarten noch lebendig gefunden. Von dieser Geschichte hat der Ort den Namen Bärenstein erhalten und ist derselbe nachmals auch auf das Schloß übertragen worden.
(Gräße, Sagenschatz des K. Sachsen, Nr. 357. Merkel und Engelhardt, Erdbeschr. von Kursachsen, 2. B., S. 111.)
Einst ist der heilige Benno über Land gereist, und da er an einem öden Orte viele Tauben sitzen sah, prophezeite er, es werde in Kurzem ein neuer Orden dorthin kommen, durch dessen Gebete viele könnten selig werden. Darnach hat Otto, ein Markgraf zu Meißen, dem Cisterzienserorden hier ein Kloster, Zelle genannt, bauen lassen, herrlich begabt und ihnen eingegeben. Ein wunderthätiges Kreuzbild in der Mitte der Klosterkirche, sowie eine Menge Reliquien machten das Kloster bald zu dem berühmtesten und reichsten im Markgraftume Meißen, und ein alter sächsischer Geschichtsschreiber erzählt von den Reliquien, es wären ihrer so viel gewesen, daß er zweifele, ob St. Petrus an der Himmelspforte sie alle namentlich in seinem langen Thorzettel beisammen haben möge.
(I. Rüger, Beiträge zur älteren Geschichte der Stadt Dippoldiswalde, 1863, S. 4. Lessing, Bemerkungen zu der Frage: Ist der Ursprung und erste Anbau von Dippoldisw. mit histor. Gewißheit nachzuweisen? 1863, S. 6, 7. II. Nach einer handschriftl. Nachricht, welche sich einem der Stadtgemeinde Dippoldiswalde gehörigen Manuskripte: »Der Churfürstl. Sächs. Stadt Dippoldiswalde Statuta und Stadt-Recht etc. Anno 1678« beigelegt findet.)
I. Um das Jahr 930 soll in der Dippoldiswalder Heide ein Einsiedler mit Namen Dippold aus dem Geschlechte derer von Clumme oder Lohmen gelebt haben, um Gott in dieser Abgeschiedenheit mit Beten und Fasten zu dienen und die heidnischen Bewohner zum Christentume zu bekehren. Zu dieser Zeit soll auch die ganze Gegend noch böhmisch gewesen sein. Nun hatte aber der Herzog Wratislaw von Böhmen zwei Söhne, Wenzel und Boleslaw, von denen der erstere durch seine bereits christliche Großmutter Ludomilla ebenfalls zum Christentume erzogen wurde. Darüber entstand zwischen beiden Brüdern Feindschaft, welche so weit ging, daß eines Tages Boleslaw seinen Bruder bei der Taufe eines seiner Kinder meuchlings umbringen ließ. Aber der Brudermörder fand nun keine Ruhe mehr, und um seine Gewissensbisse zu betäuben, suchte er Zerstreuung in der Jagd. Dabei kam er auch in die mit dichtem Walde bedeckte Gegend von Dippoldiswalde, wo er Kunde von dem Einsiedler Dippold erhielt. Er suchte[431] ihn auf und wurde von seiner Frömmigkeit und seinem Zuspruche so ergriffen, daß er sich entschloß, Christ zu werden und sich taufen ließ. Nach empfangener Taufe soll dann Boleslaw nicht weit von Dippolds Klause, am Weißeritzflusse, an der Seite gegen Morgen, wo jetzt die Stadtkirche steht, eine Kapelle gebaut und den Ort zu Ehren des heiligen Mannes Sancti Dippoldi Silvam, d. h. des heiligen Dippolds Wald, genannt und den Ort mit vielen Freiheiten begnadigt haben. Dieser Kirche soll Dippold acht Jahre lang als Priester vorgestanden und viel von den ungläubigen Sorben, welche die angrenzende Landschaft bewohnten, zu leiden gehabt haben. Nach seinem Tode soll er vom Papste Johann X. oder Leo VII. heilig gesprochen worden sein, und weil man angenommen, er thäte nach seinem Tode viel Wunder, soll eine große Wallfahrt nach dem Orte erfolgt und dadurch Dippoldiswalde in Aufnahme gekommen sein.
Noch sieht man in der Heide am Fußwege nach Wendischcarsdorf die Wohnung Dippolds, den Einsiedlerstein, und man zeigt dabei die Küche, sowie im Grunde eine Quelle, den Brunnen des Einsiedlers, und auf der Höhe im Walde zusammengeschichtete Steine, welche einer früheren Kapelle angehört haben sollen. Ebenso war vor Jahren noch der Eingang zu einer Höhle zu sehen, welche sich als Gang bis unter die Totenkirche in Dippoldiswalde fortgesetzt haben soll.
II. Die Stadt Dippoldiswalde hat daher ihren Ursprung und Anfang genommen: Es ist einer mit Namen Dippoldus des Geschlechts der Clomen gewesen, welcher sich in seinem Alter in die Wildnis begeben und darinnen etliche Zeit als Einsiedler mit Fasten und Beten Gott gedienet. Seine Klause war in der Dippoldiswalder Heide nahe am Dresdner Steige in einem großen Steine zu finden, und dabei befand sich eine kleine Kapelle, ein Obstgarten und ein Brunnen, was aber alles, bis auf den Brunnen, zerstört worden ist. Als einst der Herzog Wenzel von Böhmen, wohin diese Landschaft ehemals gehörte, auf der Jagd gewesen und den Einsiedler angetroffen, hat er sich mit ihm in seine Klause begeben, und sich nicht allein über des Mannes Heiligkeit und Andacht verwundert, sondern er hat auch nicht weit davon ihm eine Kapelle zu Ehren erbauet, die er nach seinem Namen Sancti Dippoldi Silvam genannt. Es ist diese Kapelle an dem Flusse Weißeritz, an der Seite gegen Morgen, da jetzt die Stadtkirche stehet, erbaut worden. Der Herzog aber hat diesen Ort mit vielen Freiheiten begnadet und dem heiligen Manne vermacht. Derselbe hat darauf der Kirche acht Jahre lang als ein Priester vorgestanden, das Volk treulich belehret, auch viele von dem Unglauben zum christlichen Glauben gebracht. Wegen seiner Heiligkeit ist er vom Papste canonisieret und[432] von allem Volke verehrt worden, und weil man dafür gehalten, er thäte nach seinem Tode noch viele Wunder, ist eine große Wallfahrt nach dem Platze gehalten worden. Dabei hat nun die Stadt Dippoldiswalde den Anfang genommen und viele Jahre lang als ein offener Flecken bestanden. Als derselbe aber unverhofft von Jahr zu Jahr zugenommen, die Hölzer zum Teil ausgerodet, das dadurch gewonnene Feld bebauet und gute Silberbergwerke angelegt worden waren, aber als ein Grenzflecken bei den Kriegszeiten, da die Herzöge und Regenten in Böhmen und Markgrafen zu Meißen einander oft bekriegt, großen Schaden hat leiden müssen, so hat man zum Schutze gegen die eine oder andere feindliche Partei die Stadt zusammengezogen, ordentliche Gassen und den Markt abgeteilet, und diese mit einer starken Mauer und hohen Türmen, auch mit einer Zwingermauer und tiefem Stadtgraben in der Runde umgeben. Solches ist zu der Zeit geschehen, da der Ort unter die Markgrafen zu Meißen gehörte.
(Staberoh, Chronik der St. Oederan. 1847. S. 15–17.)
In früherer Zeit wurde die von Freiberg nach Chemnitz führende Straße, besonders in der Gegend, wo jetzt Oederan liegt, von den Rittern des Schellenberges und anderen Räubern vielfach beunruhigt.
Im Jahre 1210 reiste ein Handelsmann aus Uffenheim im Frankenlande, mit Namen Sebald Ranius, begleitet von seinem Diener nach der Stadt Julin (Wollin) in Pommern. Als beide von Chemnitz aus glücklich durch die unsicheren Waldungen bis in die Gegend des Wolfsthales gelangt waren, wurden sie von den Räubern des Schellenberges überfallen. Nach heftigem Widerstande blieben sie auf dem Platze in ihrem Blute liegen, während der Wagen mit den Maultieren von den Räubern mitgenommen wurde. Einige herbeikommende Mönche vom Orden der schwarzen Brüder, welche am Ausgange des Wolfsthales, in der Gegend des jetzigen Hospitales bei Oederan, eine Kapelle erbaut hatten und für die Klöster zu Flöha und Chemnitz Almosen sammelten, kamen bald darauf an die Stelle und fanden den Herrn tot, den halbtoten Diener jedoch nahmen sie mit und verpflegten ihn. Als derselbe nach einigen Monaten geheilt war, reiste er wieder nach Uffenheim zurück. Im folgenden Jahre kam die Witwe des erschlagenen Ranius mit dem Diener an den Unglücksort, denn sie trug das Verlangen, den Platz zu besuchen, wo ihr Eheherr gestorben und begraben war. Sie beschenkte die schwarzen[433] Brüder reichlich, ließ in der Kapelle Seelenmessen lesen und verordnete, daß an dem Platze des Überfalls ein Denkstein errichtet werde. Treulich befolgten dies die Brüder, fertigten ein Denkmal, und weil der Erschlagene Ranius, dessen Witwe aber Edda geheißen, so schrieben sie darauf: Edda Ranio, d. h. Edda dem Ranius. Das Denkmal stand an der Stelle, wo sich jetzt der Gasthof zu den drei Schwanen befindet. Der Diener baute daneben ein Gasthaus, um die Pilger mit Speise und Trank zu erquicken. Auch die schwarzen Brüder benutzten diese Gelegenheit, verließen ihre Wohnung bei der Kapelle und bauten sich bei dem Denkmale an, an welchem sie nun ihre Almosen einsammelten. Von der Inschrift des Denkmals aber wurde diese kleine Ansiedelung »Edda Ranio«, genannt, woraus sich mit der Zeit der Name »Eddaran« und »Oederan« bildete. Die Ansiedelung vergrößerte sich, denn es entstand bald darauf eine Schmiede neben dem Gasthofe und später auch ein Kloster, das bald eine größere Menge von Ansiedlern herbeizog. Von diesen Ansiedlern lebt der Name eines einzigen fort, welcher gleich anfangs hier eine Mühle (die Kirschbaummühle) anlegte, und dessen Name sich bis auf unsere Zeiten erhalten hat.
(Kirchengalerie von Sachsen, 2. B., S. 234.)
Der Sage nach ist der Anbau von Mittel- mit Ober- und Niedersayda in der Zeit des Hussitenkrieges unter Ziska und Prokopius zwischen 1419 und 1435 geschehen, da viele der bedrängten Hussiten abwanderten und sich in den waldigen Gegenden des Erzgebirges anbauten. Noch in diesem Jahrhunderte lebten in Obersayda zwei Familien, die Seyfert'sche und Zimmermann'sche, deren Vorfahren zu den Ausgewanderten gehörten.
(E. H. Müller, Beschr. der Bergstadt Brand, 1858, S. 28.)
In einem tiefen, fruchtbaren, mit Laubholz bewachsenen Thale bei Erbisdorf entdeckten einige Mönche aus Zelle ein klares rieselndes Quellwasser. Einem alten, im blutigen Kriegshandwerke ergrauten Ritter, welcher des rohen, wilden Lebens müde war, gefiel die abgelegene friedliche, von Grün umgebene Gegend so sehr, daß er hier sein Schwert niederlegte, eine Hütte erbaute und ein beschauliches Einsiedlerleben[434] führte. Viele Menschen aus der Umgegend besuchten bald darauf den stillen, frommen und zugleich erfahrenen Mann und fragten ihn in besonders schwierigen Lebensfällen um Rat. Vorzugsweise galt er für einen guten Arzt und seine Arten von Thee sollen große Heilkuren bewirkt haben. Das klare Wasser seiner Quelle kam bald in den Ruf, daß es wunderbare Heilkräfte besitze und wider viele Gebrechen und Übel gute Dienste leiste. Später baute man, angeblich ums Jahr 1430, eine kleine Kapelle in der Nähe der Quelle, und der Abt zu Zelle widmete sie dem Erzengel Michael. An der Kapelle zu St. Michael dienten anfangs zwei, später nur ein Priester, der daselbst Messe las und Beichte hörte. Über dem geweihten Altare hing ein uraltes schwarzes, aber wunderthätiges Heiligenbild, von dem man aber völlig im Unklaren blieb, ob es den Erzengel Michael oder die Jungfrau Maria vorstellen sollte.
Die Kapelle, welche später mit dem Heiligenbilde durch einen Brand vernichtet wurde, war der Anfang des Dorfes St. Michaelis.
(Nach der Kirchengalerie von Sachsen, 2. B. S. 216.)
Schon zu Zeiten der Kreuzzüge gab es in Niederschönau eine berühmte Wallfahrtskapelle, die Hundskapelle genannt, welche man aus weiter Entfernung besuchte. Die jetzige Kirche soll durch einen Ritter von Mergenheim oder Mergenthal gegründet worden sein. Derselbe hatte sich das Kreuz angeheftet und war zur Wiedergewinnung des heiligen Landes fortgezogen. Dabei that er das Gelübde, wenn er glücklich wieder in die Heimat zurückkehre, wolle er eine Kirche und Pfarrei begründen. So geschah es auch. Für die Pfarrstelle gab er ein ansehnliches Stück Land und eine nicht unbedeutende Waldung her; später aber sollen leider einige Priester ihren Haushälterinnen von dem Pfarrgrundstücke einige Parzellen zu verschaffen gewußt haben, jedenfalls dieselben, welche gegenwärtig mit einem sehr geringen Erbzins für den Pfarrer des Ortes belegt sind.
(Oesfeld, Hist. Beschreibung einiger merkwürd. Städte im Erzgebirge. II. 1777. S. 68. Lindner, Wanderungen durch die interessantesten Gegenden des Erzgebirges, I. H., Annaberg, 1844. S. 13.)
In dem Dörfchen Waschleute (Waschleite) hatten sich zu der frommen Klosterzeit in Grünhain Leute angesiedelt, die das Waschen[435] und Scheuern im Kloster versahen; man hatte sich nicht die Mühe genommen, ihrem Ansiedelungsplatze einen Namen zu geben, denn waren sie nötig, so wußte jedermann, wo die Waschleute zu suchen waren. – Das Gerichtssiegel des Ortes führt ein Waschfaß, an welchem zwei weibliche Personen mit Wäsche beschäftigt sind.
Historisch ist wohl, daß der Ort seine Entstehung und seinen Namen von Erzwäschereien erhielt, welche der reiche Hammerherr Kaspar Klinger 1500 nebst einer Schmelzhütte am Oswaldsbache anlegte. Das Dorf entstand auf einem Teile der Glaßberger Fluren. Das Dorf Glaßberg, welches im Hussitenkriege zerstört wurde, lag am Fuße des Glaßberges (Schatzensteins) und entlang am oberen Teile des Oswaldbaches. (Archiv f. sächs. Geschichte, 12. B., S. 91.)
(Richter, Chronica der freyen Bergstadt St. Annaberg, 1746. S. 15.)
Daß lange vor der Erbauung von Annaberg schon Bergbau in der dortigen Gegend getrieben worden, erhellet daraus, daß das Dorf Geyersdorf, ¾ Stunde von der genannten Stadt entfernt, schon vor Gründung derselben angebaut gewesen und eigentlich Häuersdorf geheißen hat. Viele Bergleute von Geyer sind hierher gezogen und haben dem Dorfe den Namen gegeben, indem damals nichts als Häuer und andere Bergleute darinnen gewohnet. Auch hat an dem Pöhlberge ehemals ein Dorf gelegen, darinnen vielleicht auch Bergleute mögen gewohnt haben, welche hernach nach Geyersdorf gezogen sind, und welches Dorf damals, als St. Annaberg erbauet worden, schon wieder wüste gelegen und von seinen Einwohnern vielleicht wegen der gefährlichen Gewitter am Pöhlberge verlassen worden ist.
Dr. E. Herzog nennt einen Ort Witzdorf, welcher ehedem zwischen Annaberg und dem Pöhlberge gelegen haben soll. (Archiv für sächs. Gesch. 10. B., S. 84.)
(Richter, Chronica der freyen Bergstadt St. Annaberg, II. 1748. S. 17.)
Buchholz heißt eigentlich Catharinenberg, und weil auch ein Catharinen- oder Catharberg in Böhmen gelegen, in der Gegend des heutigen Annaberg und Buchholz aber ein Buchenwäldlein oder sogenanntes Buchholz vorhanden gewesen, so ist dieser, durch Erregung des Bergwerks angebaute Ort nach selbiger Zeiten Brauch der heiligen[436] Catharina, als einer vermeinten Schutzpatronin, geeignet, dann aber zum Unterschied des Catharinenberg in Böhmen, St. Catharinenberg im Buchholz genannt worden; doch hat es meistens, nur der Kürze willen, den Namen Buchholz behalten.
(Richter, Chronica der freyen Bergstadt St. Annaberg, II. 1748, S. 25.)
Grünstädtel bei Schwarzenberg wird in Schriften »Dorff-Städtlein« genannt. Von Annaberg aus wurden nach seiner kleinen, der heiligen Anna geweihten Kirche große Wallfahrten unternommen. »Maßen denn auf dem Altar noch das Bildnis der St. Anna stehet, die in der einen Hand Salvatorem mundi mit der Erdkugel hält, und in der anderen Hand den heiligen Johannes; unter dem Bildnisse aber stehet in Holz eingeschnitten: ›O heilige Anna, hilf selb dritt!‹« Das Dorf hatte einen Jahrmarkt samt Brauen und freien Bierschenken, nebst Fleischbank, und darum wurde es »Städtel« genannt, bis nachgehends etliche Häuser nach Pöhla zu angebaut wurden, die man »die Grün« geheißen; so habe man's endlich zusammengesetzt und es sei »Grünstädtel« daraus geworden.
Die Verehrung der h. Anna, Maria's Mutter, war die Veranlassung zur Benennung Annabergs. Herzog Georg hatte bereits 1498 zu Ehren der h. Anna eine Kapelle für die Bergleute auf dem Schreckenberge erbauen lassen, da man von ihrer Verehrung Reichtum erhoffte. Die Inschrift unter ihrem Bildnisse in Grünstädtel: »O heilige Anna, hilf selb dritt«, bezieht sich auf die damalige Vorstellung, daß Anna, Maria und Jesus ganz unzertrennt von einander wären, und man nannte sie daher die erschaffene Dreieinigkeit. In der 1794 geschriebenen Geschichte des Pleißengrundes erzählt der Diaconus Gottlieb Göpfert, daß sich am Kirchthore zu Crimmitschau die Worte eingehauen finden: »Hilf St. Anna selb dritt uns allen Amen!« und er verweist dabei auf eine ähnliche Inschrift in der St. Annenkapelle in Freiberg, welche lautet: »Hilf St. Anna Du Gerechte mit alle Deinem Geschlechte!« Sind diese Inschriften noch vorhanden?
(Nach Mitteilung des Lehrers E. Schlegel aus Zschorlau.)
Als einst die Sorben immer weiter nach Süden ins Gebirge gedrängt wurden, kamen sie auch in die Gegend, wo jetzt Zschorlau liegt. In dem dichten Walde, welcher die Gegend bedeckte, gelangten sie an eine frische, sprudelnde Quelle, an der sie ihr Mittagsmahl[437] hielten. Das Thal gefiel ihnen so, daß sie beschlossen, sich hier niederzulassen. Die Quelle nannten sie eine »Zschorle«, aus welchem Worte nach und nach Zschorlau geworden ist. Noch heute wird jener Brunnen gezeigt, derselbe befindet sich im obersten Teile des Dorfes. Früher floß der Quell in einen Wasserkasten, später wurde ein kleines Häuschen darüber gebaut und jetzt fördert eine Pumpe das Wasser zu Tage.
Urkundlich wird das Dorf Zschorlau »Schorl, Schorel, Zschorl« genannt. Nach Immisch ist der Name von dem wendischen Zorlo, die Quelle, abzuleiten.
(Albinus, Meißnische Bergk-Chronika, 1590, S. 191.)
Im Jahre 1370 ist Kaiser Karl IV. in der Gegend, da jetzt Karlsbad liegt, auf der Jagd gewesen. Nachdem aber ein Hund einem Wild etwas zu sehr nachgefolget und also in das heiße Wasser geraten, hat er alsbald ein großes Heulen und Geschrei angefangen. Als dies die Jäger vernommen und gedacht, der Hund hätte etwas angetroffen und gestellet, sind sie dem Geschrei nachgefolget und haben den Hund in dem heißen Pfuhl oder Moder gefunden. Wie solches dem Kaiser angezeigt worden, ist er mit vielen der Seinen hinunter geritten, und als er und seine Medici nachmals befunden, daß dies Wasser eine heilsame Art an sich hätte, auch solches an seinem eigenen Leib, weil er einen bösen Schenkel gehabt, probiert, hat er befohlen, daß man den Ort säubern, bebauen und bewohnen solle. Er ist auch in willens gewesen, alsbald eine große Stadt zu bauen und dieselbe mit Mauern zu umgeben, wie etliche Stück Mauern am Hirschenstein ausweisen. Daselbst ist noch zu sehen, daß Keller allda gewesen, denn der Kaiser wollte an diesem Orte ein Schloß bauen; weshalb dies aber unterblieben, weiß niemand zu sagen. Nur das wird auch von den Alten gesagt, daß der Ort, da gedachter Kaiser Karl seinen Schenkel gebadet, an der Stelle gewesen, wo jetzt das Rathaus stehet, wie denn noch ein Brunn drunter ist, nicht allzu heiß, sondern etwas laulicht. Daselbst soll man vor Zeiten einen Sessel, in Stein ausgehauen, gezeiget haben.
Historisch ist festgestellt, daß die warmen Quellen von Karlsbad bereits vor Kaiser Karl IV. und zwar schon im 11. Jahrhundert den Umwohnenden bekannt waren. Eine alte Karte, welche den Zustand Böhmens zu Anfang des 13. Jahrhunderts darstellt, hat auf der Stelle, wo sich heute Karlsbad befindet, einen Ort Wary; dieses böhmische Wort drückt aber den Begriff Sieden oder Kochen aus.[438] Jedenfalls entstand, nachdem die gelehrten, sich mit medizinischer Wissenschaft beschäftigenden Mönche der schon frühzeitig in dieser Gegend entstandenen Klöster auf die Heilkräftigkeit des Wassers aufmerksam geworden waren, dann in dem Tepelthale der Ort »Warmbad«, wie Karlsbad vielfach noch im Mittelalter genannt wurde. Historisch ist weiter, daß schon im Jahre 1325 dieses Warmbad vom König Johann, dem Vater Kaiser Karls IV., mit dem nahen Dorf Thiergarten belehnt wurde, und daß Karl IV. das Warmbad, welches er jedenfalls öfter besucht hatte, am 14. Aug. 1370 von Nürnberg aus zur Stadt erhob und derselben dabei seinen Namen verlieh. (S. Ausführliches bei Fr. Bernau, Die Kur- und Badestadt Karlsbad. Comotovia, 5. Jahrg. 1879.)
(Comotovia, 1877, S. 106. Th. Schäfer, Führer durch Nordböhmen, 3. Auflage, S. 71. Josef Schwarzer in der Erzgebirgszeitung, VI, 9. und 10. Heft.)
Da, wo heute das Dorf Settenz liegt, wohnte einst ein begüterter und mächtiger Wladik oder Edelmann mit Namen Kolostuj. Dessen Hirten hatten eines Tages von ihrer weidenden Herde einige Schweine verloren, welche sie nach vielem Suchen in der Mitte eines nahen Waldes fanden, wie sie mit ihren Rüsseln in einem heißen Sumpfe wühlten. Das Wasser des Sumpfes schien seine Wärme von einem unterirdischen Feuer erhalten zu haben. Eiligst trugen nun die Hirten die Kunde von ihrer wunderbaren Entdeckung ihrem Herrn zu, und dieser verfügte sich sofort an Ort und Stelle und ließ daselbst in der Folge eine wohlbefestigte Holzburg erbauen.
Zu dieser Zeit aber regierte in Böhmen der Herzog Nezamislaus. Da bewog Biela, eine Verwandte des Herzogs und Herrin von Bilin, welche den Wladik Kolostuj wegen des wunderbaren Wassers beneidete, ihren Gemahl Kostial, daß er sich der Quelle durch einen Ueberfall bemächtige. Kostial rückte auch sofort mit 20 Knappen gegen die Burg Kolostuj's, doch mißlang der Angriff, da die Burg unterdeß in Verteidigungszustand versetzt worden war; Kostial fand dabei seinen Tod.
Noch bis zum Jahre 1793 wurden die Fichten gezeigt, unter denen Kostial von dem tödlichen Pfeile getroffen ward, und ebenso zeigt man noch heute bei dem in die Kirchengasse ausmündenden Ausgange des Teplitzer Schloßgartens ein mit zwei Türmchen geziertes Haus, welches als das erste, noch von Kolostuj herrührende Haus der Stadt Teplitz bezeichnet wird. An der Wand eines der Türmchen sieht man ein verwittertes Frescogemälde, das eine Figur darstellt, welche zum Fenster hinaussieht. Es soll den Ritter Kostial darstellen, der an dieser Stelle erschossen wurde. Auch zeigt man an der Korridorwand im[439] Stadthause eine aus dem 17. Jahrhundert stammende bronzene Relieftafel, worauf in guter Ausführung abgebildet ist, wie die ihren borstigen Schützlingen folgenden Sauhirten die warme Quelle entdecken. Eine lateinische Inschrift dabei erzählt in gereimten Versen diese Historie. Sie lautet in deutscher Übersetzung:
Die obengenannte Jahreszahl entstammt einer freilich unverbürgten Angabe des altböhmischen Chronisten Menzel Hajek von Libotschan, welcher auch als Tag der Entdeckung der Quelle den 29. August, den Tag Johannes des Täufers, anführt. Josef Schwarz teilt dagegen (Erzgebirgszeitung VI, S. 135) mit, daß man beim Abtäufen der Urquelle 1879 alte Silbermünzen gefunden habe, die dafür zu sprechen scheinen, daß die Wirkung der Teplitzer Thermen bereits den alten Römern bekannt war. Diese Münzen sind vielleicht aus Dankbarkeit für günstige Heilerfolge der Quellennymphe gespendet worden. Auch beim Abtäufen der Riesenquelle bei Dux fand man Bronzeschmuck aus der Heidenzeit.
Der gelehrte Bohuslaw Balbinus vermutet aus dem Umstande, daß sich Kolostuj's Nachfolger, Radobeil Fürst von Teplitz, Saaz und Leipa nannte, es möge Teplitz bald zu den bedeutenderen Städten gehört haben, da sich Herzöge nur nach solchen nannten. Ferner erzählt er, daß einst die Quellen, wie dies auch später im Jahre 1755 bei dem Erdbeben von Lissabon geschah, plötzlich vor den Augen der Anwohner verschwunden seien, was man als eine Strafe der Gottheit ansah, weil sich die Besitzer den Gebrauch der Quellen hätten bezahlen lassen.
Im Gegensatz zu Hajeks Angabe, nach welcher die Entdeckung der Teplitzer warmen Quellen 762 erfolgt sei, giebt der schon genannte Balbinus das Jahr 502 n. Chr. an; von anderen Schriftstellern werden noch die Jahre 507, 616 und 858 angeführt. Das in dem Teplitzer Stadtwappen befindliche Bild des Hauptes Johannes des Täufers, welches auf einer wagerecht gestellten Schüssel ruht, bezieht sich auf die sagenhafte Angabe, daß der Tag der Entdeckung der 29. August gewesen sei. (Erzgebirgszeitung a. a. O.) – Es ist nicht uninteressant, wie die Sage auch von andern warmen Heilquellen meldet, daß dieselben zufällig durch Tiere entdeckt wurden. So wird z. B. erzählt, die Schwefelquellen des Bades Warmbrunn in Schlesien seien im 12. Jahrhunderte bei einer Jagd des Herzogs Boleslaus von Schweidnitz und Jauer dadurch aufgefunden worden, daß man einen Hirsch aufspürte, welcher, seinem Instinkte folgend, in dem »warmen Borne« als leidendes Tier ein Bad nahm. (Vom Fels zum Meere. Sommerfrische, 1884, S. 500.)
(Tobias Schmidt, Chronica Cygnea oder Beschreibung der sehr alten, löblichen und Churfürstl. Stadt Zwickau. Zwickau, 1656, S. 8.)
Einige halten dafür, Zwickau habe vor Alters geheißen Cygna, sei also benannt von dem alten Fürsten Cygno, welcher einesteils für Herculis Sohn, einesteils für seiner Nachkommen einen, einesteils auch für seinen Wandergesellen gehalten wird. Diesem sollen Gottesdienst und Ehre in der Gegend von Zwickau mit Aufbauung der Tempel und Altäre in der Heidenzeit erzeigt worden sein. – Andere sagen, diese Stadt habe den Namen von Cygno des Harminii und Sachsen-Königs, so den Römer Quintilium Varum erlegt, Kriegs-Obristen einen, dem denn auch dieselbe Gegend, als einem Statthalter gegeben und zuletzt ganz erblich gelassen worden sei. – Etliche leiten diesen Namen von demjenigen der alten Fürstin Schwanhildis ab und sprechen, dieselbe ganze Gegend von der Mulde an bis an die Pleiße sei derselben Frauen zu Ehren durch König Karl, Karls des Großen Sohn, nach ihrem Namen Cignavia oder Schwanenfeld benannt worden, wie auch die Reime am Rathaus vor Alters bezeugt haben, welche also gelautet:
Dieser Name ist eine lange Zeit gebräuchlich gewesen, nämlich bis auf Kaiser Heinrich des Ersten Zeiten, der Ursach gegeben, den Namen zu verändern und die Stadt vom Verzwicken Zwicka zu nennen. – Etliche meinen, der Name sei daher gekommen, weil der Kaiser drei Schwanen zur Zeit der Erbauung habe sehen auf der Mulde schwimmen, so hätte er die Stadt davon genannt. Es haben zwar etliche noch andere Meinungen, aber sie können doch dieser nicht vorgezogen werden. Denn sie sagen, Zwicka habe des Namens Ursprung von Zwickbärten, welche die Zwickauer vor Zeiten getragen haben und sonsten nicht jedermann hat tragen dürfen, darauf sie auch sonderlichen sind privilegiert gewesen.
Immisch hat in seiner Arbeit über die slawischen Ortsnamen im Erzgebirge (Annaberg, 1866) die Ableitung des offenbar slawischen Namens Zwickau als von Wiki, der Markt, möglich hingestellt, so daß derselbe dann mit Wikow, dem wendischen Namen für Elsterwerda, gleichbedeutend wäre und so viel als Marktplatz heiße. Jedenfalls entwickelte sich die Ansiedlung infolge ihrer günstigen Lage sehr bald zu einem Handelsplatze; sie lag an den alten Verkehrswegen nach Böhmen zwischen Leipzig und Nürnberg, mußte also besonders im Mittelalter eine Station des Handelsverkehrs zwischen Nord- und Süddeutschland werden.
(Steinbach, Historie des Städtchens Zöblitz. Dresden, 1750, S. 12.)
Das Dörfchen Rittersberg bei Marienberg soll seinen Namen von einem Besitzer des Schlosses Lauterstein haben; und zwar, als es belagert worden, soll der Besitzer, welcher ein Räuber und Schwarzkünstler war, mit einem Pferde herab auf die Wiese gesprungen und das Pferd darüber in der Erde stecken geblieben sein. Hierauf habe er sich auf den Berg, wo das Dörfchen liegt, retirieret und er sei alsdann dort gefangen worden. Von diesem ritterlichen Sprung habe darauf erwähntes Dörfchen den Namen Ritterssprung und nach der Zeit Rittersberg bekommen.
(Göpfert, Ältere und neuere Geschichte des Pleißnergrundes. Zwickau, 1794, S. 267.)
Ein Bischof Egidius soll zu der Zeit, als die ganze Gegend noch Wald gewesen, an diesem Orte gejagt haben. Als er hier etwas ausgeruht und geschlummert hatte, sei ein Reh zu ihm gekommen, und da er gerufen: »Wer da!« habe sich das Reh vor ihm niedergeworfen und seine Läufte auf den Schoß gelegt. Da habe sich denn der Bischof entschlossen, die Bäume auszurotten, eine Stadt anzulegen und an dem Ort, wo das Reh zu ihm gekommen, das Rathaus zu bauen, und die Stadt habe daher den Namen »Werda« bekommen. Sie führt im Siegel einen Bischof mit einem Stabe.
(Schumann und Schiffner, Lex. von Sachsen, 15. B., S. 809.)
Den Namen der Stadt Frankenberg findet man in ältern Urkunden Vrankenberc geschrieben, und man will ihn von den Brüdern Franz und Anton Franke ableiten, welche das berühmte Silber- und Kupferbergwerk am Treppen- oder Trappenhauer jenseits des Schlosses Sachsenburg gründeten oder doch sehr erhoben. Andere aber bringen ihn mit dem Namen Sachsenburg in Vereinbarung.
Auf dem Treppenhauer, wo man früher Spuren von Wällen und Gräben sah, soll nach einer Überlieferung im 13. Jahrhundert die Burgwarte Gozne gestanden haben.
(Kirchengalerie v. Sachsen, 12. B., S. 207.)
Das Gebiet der Stadt Marienberg wurde am 29. April 1521 von Dr. Ulrich Rülein von Kalbe, Bürgermeister zu Freiberg, welcher im Jahre 1497 Annaberg hatte messen helfen, abgesteckt. Es soll nun Herzog Heinrich die neue Stadt deshalb Marienberg genannt haben, weil sie gleichsam wie eine Tochter aus den Annabergischen Bergwerken entsprungen wäre, oder weil sich bei neulichen Zeiten der Jungfrau Maria Eltern, Anna und Joachim, sehr wohl und reich im Bergbau dieser Gegend zu St. Annaberg und in Joachimsthal bezeiget, habe er solches zum guten Glücke gethan und gemeint, die Tochter werde nicht minder als die Eltern sich wohl lösen.
Es ist bemerkenswert, daß sich in den Städtenamen des Erzgebirges die ganze heilige Familie, nämlich die Eltern der Maria, Joachim und Anna, durch Joachimsthal und Annaberg und die Eltern Jesu, Josef und Maria, durch Josephsstadt und Marienberg vertreten findet. Aus Josephsstadt entstand durch Zusammenziehung Jöhstadt, das als Dorf Gißdorf hieß. Joachimsthal soll nach Meltzer, (Bergkläufftige Beschreibung der löblichen Bergk-Stadt Schneeberg, 1684, S. 26) anfangs von den Bergleuten blos Thal genannt worden sein, »dahero auch dieses Geschrey beym Anfang desselbigen Bergkwerks entstunde: Im Thal, im Thal, mit Mutter mit all!«
(Lindner, Wanderungen durch die interessantesten Gegenden des sächs. Erzgebirges, 1. H., Annaberg, 1844, S. 57. Grundig, Neue Versuche nützlicher Sammlungen etc., 1. B., 1750, S. 99. Joh. Poeschel im Glückauf, Jahrbuch für das Erzgebirge, 1884, S. 168 etc.)
Vor Jahrhunderten breitete sich eine dichte Waldung von der Gegend von Elterlein bis Wiesenthal aus. Reisenden war in der Nähe, wo jetzt Elterlein liegt, ein Altärlein für die Andacht aufgerichtet, um welches sich bald einige Häuserlein erhoben, die Schutz und Nahrung gewährten. Sie hießen die Häuser am Altärlein und gaben Anlaß für die allmählige Erbauung des Städtchens, welches in seinem Ratssiegel ein Altärlein mit zwei Kerzen und einem Kelche bis zur Stunde führt. Lange Zeit noch erhielt sich die Tradition, daß die Reisenden gemeiniglich unterwegs den Vorsatz gefaßt: »wenn wir zum Altärlein kommen, wollen wir uns Messe halten lassen; daher sei es gekommen, daß der Ort selbst nach und nach Altärlein, oder wie man jetzt schreibt, Elterlein sei genennet worden.«
Nach Richters »Umständlichen aus zuverlässigen Nachrichten zusammengetragenen Chronica der im Meißn. Obererzgebirge gelegenen[443] Königl. Kurfürstl. Sächs. freyen Bergstadt St. Annaberg, II. Theil (Annaberg 1738) S. 31, soll Elterlein so viel heißen als »das ältere Lehen«, respectu Schlettau, welches bereits vormals den Schönburgischen Herrn zugestanden.«
Nach anderen soll Elterlein ehedem »Quedlinburg« geheißen haben.
Bei den Beschwerden und Gefährlichkeiten des Reisens in früheren Jahrhunderten war es Bedürfnis, daß die Reisenden vor einer Reise Gott um Schutz anflehten und nach derselben für seinen Schutz dankten. Diesem Bedürfnisse kam die Kirche dadurch entgegen, daß z. B. im Jahre 888 auf dem Konzil zu Mainz durch Erzbischof Liutbert dem Reisenden gestattet worden war, in Ermangelung einer Kapelle oder Kirche unter freiem Himmel an geweihten tragbaren Altären Messe halten zu lassen. Ein solcher Altar mochte auch da, wo jetzt Elterlein steht, durch das Cistercienserkloster Grünhain errichtet worden sein. Das Recht, derartige Altäre im Freien anzustellen, gehörte mit zu den besonderen Privilegien der Cistercienserklöster. (S. Joh. Poeschel a. a. O., S. 169.)
(Richter, Chronica von Annaberg, II, 1748, S. 31.)
Es soll in Hermannsdorf ehemals einer von Adel gewohnt haben, Hermann genannt, von dem habe das Dorf seinen Namen bekommen. Dessen drei hinterlassene Söhne aber, als Simon, Walther und Konrad, hätten die drei nahgelegenen Dörfer Sehma, Walthersdorf und Konradsdorf angebaut und bewohnt.
Um Hermannsdorf hat auch früher ein großer Buchenwald gestanden, also, daß die Annaberg'schen Bergleute, die solches Holz oft geholt, die Hermannsdörfer nur die »Hainbuchner Bauern« geheißen.
(Richter, a. a. O., II, 1748, S. 33.)
Einige Alten wollten wissen, daß der Anbau von Crandorf zur Zeit des Hussitenkrieges im 15. Jahrhundert seinen Anfang genommen habe, da einige von den Verfolgten aus Böhmen in die damals in dortiger Gegend ausgebreiteten Wälder geflohen seien. Sie hätten dann mit Holzschlagen und Kohlenbrennen ihre Nahrung gesucht. Weil nun in den Waldungen mancher »Kohl-Cram«, d. h. Häuschen für die Köhler, anzutreffen gewesen, oder weil sich die Ansiedler zu ihren Wohnungen anfangs nur solche niedrige Hütten gebaut, die einem »Kohl-Cram«[444] nicht unähnlich geschienen, so hätte man den Ort anfänglich »Cramdorf« genannt, woraus später »Crandorf« geworden sei.
(Richter, a. a. O., II, 1748, S. 34.)
Grünhain soll seinen Namen von dem grünen Hain haben, darin die Sorbenwenden ihre Götzen aufgerichtet, oder wenigstens haben sich die Mönche darin verliebt und ihr Kloster darinnen aufgebaut.
(Mündlich. Schumann, Lex. von Sachsen, 12. B., S. 548. Sachsens Kirchengalerie, 8. B., S. 31, 59, 60.)
Hermannsdorf oder Hermersdorf ist ein Ortsteil von Weißbach. Seinen Namen soll derselbe von einem gewissen Hermann erhalten haben, dessen Edelsitz nach der Volkssage im untern Teile des Ortes lag, wo man beim Kellergraben verschiedene alte Gefäße und in einem Garten tief in der Erde ein altes Hufeisen gefunden haben will. Man bezeichnet auch noch heute einen Felsen, welcher sich am Abhange eines kleinen, nördlich von Hermannsdorf im Walde liegenden Thales erhebt, als »Hermannsgrab.« Dicht an demselben führt ein Weg vorüber, welcher sich links von dem von Griesbach nach dem Orte führenden Wege abzweigt, und wenn man in unmittelbarer Nähe des Felsens auf diesem Wege scharf auftritt, so klingt es hohl, als ob man sich über einem Gewölbe befinde. Hier soll der genannte Hermann, welcher auch ein berühmter Heerführer gewesen sein soll, in einem silbernen Sarge begraben liegen. Manche erzählen, daß von dem Hermannsgrabe ein unterirdischer Gang bis nach Hermannsdorf führe. In dem anstoßenden Walde sind schon viele Leute des Nachts durch Lichter irre geführt worden, oder sie erblickten an dem oben erwähnten Felsen den Schlangenkönig mit goldener Krone. Früher war es Sitte, daß die Schützen von Hermannsdorf bei einem ihrer Feste jedes Jahr mit Musik nach diesem Platze zogen.
Am Hermannsgrabe sollen auch 1718 die acht Steinplatten mit uralten Inschriften gefunden worden sein, welche sich seit dem Jahre 1753 im Schlosse zu Wildenfels befinden. Die eine dieser Platten nennt einen »Hermin«, und man vermutet (jedoch mit Unrecht), daß dies ein Sohn Markgraf Eckarts I. gewesen sei, welcher zwischen 1029 und 1032 von den aufständischen Sorben erschlagen wurde. Auch verlegt[445] die Volkssage in die Gegend, nämlich auf eine südlich von der Kirche zu Weißbach, dicht am Kirchhofe liegende kleine Anhöhe, welche früher mit einem Walle umgeben gewesen sein soll, die Stelle, wo einst die Rammels-, Rommels- oder Rummelsburg stand. Von dieser aus soll jener Hermann gegen die Sorben zu Felde gezogen sein.
Die genannten 8 Steinplatten bestehen bis auf eine, welche eine Grünschieferplatte ist, aus Thonschiefer. Adelung hat seiner Zeit die Inschriften für die ältesten Denkmäler obersächsischer Mundart erklärt. Sie lauten: 1. Voir glabbe alla in ainen Got Vade Vahan. (Nun folgen die Figuren einer Krone, einer Geißel und eines Kreuzes.) 2. Diser hogn ist im tuszend and tr… nati Chrs. 3. Da laitgodsa hermin was of a man Künglg anita vilil starn Amshabt and üm handa üm dar alaigt üm dar akogl haer um gumers din was dar bool bor. 4. Daristain haldi laits tuai. 5. sgrab dar harmit ludott bottai. 6. Dia Hermandr barrtn sundr sandan boolbor. 7. Das awas ab hagods. 8. Das Gebat (eine Überschrift des nun folgenden, aber nur bruchstückweise noch vorhandenen Vaterunsers) Voder onser du bist im Himel … dein Voill gescho …
Nach Joh. Gottfried Wellers Erklärung besagt die Inschrift Folgendes: Wir glauben alle an einen Gott, Vater von (wegen) der Dornenkrone, der Geißel und des Kreuzes (des Leidens Christi). Dieser Hügel ist im tausend und dritten (13ten oder 30sten) Jahre Nat. Christi. Da liegt Hermann, welcher war ein königlicher Mann hienieden, viel (vortrefflich) regierend amtshaft (amtsmäßig) und umhanden (um der Beschaffenheit oder Gelegenheit wegen). Darum er liegt am Ende des Eichhügels. Herr, um deines Jammers willen war er wohlgefahren. Der Stein enthüllt zwei Leute, des Grabs in dessen Mitte sie gelegt wurden. Die Hermunduren (Kriegsmänner) wurden (sind) wohlgefahren (selig gestorben) auch ohne Mönchskutten (santan wahrscheinlich von sanctum, weil hohe Personen sich im Mittelalter zum Beweis ihrer Frömmigkeit gern in Mönchskutten begraben ließen). Das war ihres Herrgotts wegen. Das Gebet. Vater unser u. s. w.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 71. Krieglstein in der Erzgebirgszeitung, 5. Jahrg. 3. und 4. Heft.)
Auf einem überaus stiefmütterlich ausgestatteten, unwirtbaren und frostigen Moorplateau des an Naturschönheiten aller Art reichen Erzgebirges liegt hart an der sächsischen Grenze Gottesgab, die höchstgelegene Stadt der österreichisch-ungarischen Monarchie. Ursprünglich Wintersgrün genannt, erhielt dieses Städtchen seiner Silbererze wegen, die hier im 16. Jahrhunderte zu Tage gefördert wurden, gar bald von frommen und dankbaren Bergleuten den bedeutungsvollen Namen: Gottes Gabe.
Der Sage nach verdankt Gottesgab die Entstehung seines Namens[446] dem Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen. Als derselbe nämlich eines Tages mit seinem Gefolge nach Wintersgrün kam, das dazumal zu Sachsen gehörte, und den blühenden Bergbau in Augenschein nahm, setzte man ihm einen aus einer Silberstufe ausgehauenen Sessel zum Niedersetzen vor. Der fromme Kurfürst aber soll dieses Anerbieten mit den Worten abgewiesen haben: »Das ist Gottesgabe, und so soll die Stadt hinfüro genannt werden.« Daher hieß in der Folge die Bergstadt Gottesgab.
Nach einer andern Sage kam der Kurfürst Johann Friedrich einst mit seinem Jagdgefolge in die waldreiche Gegend der Hochebene. Da traf es sich, daß sein edles Roß, mit dem Hufe die Erde stampfend, ein ansehnliches Stück Silbererz zu Tage förderte. Über solch reichen Bergsegen erstaunt, rief der Fürst aus: »Das ist eine Gottesgabe!« Und darnach wurde bald darauf die infolge der daselbst brechenden reichen Silbererze entstehende Ansiedelung genannt.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 83.)
An einem kleinen Bache, der roten Wistritz, liegt unweit am Fuße des waldlosen, gras- und moosbewachsenen Pleßberges auf einem rauhen Hochplateau das alte Bergstädtchen Abertham, über dessen Namensentstehung die Sage folgendes berichtet: Als um das Jahr 1529 ein Bergmann in der Aberthamer Gegend eine Silberader verfolgte und bei seiner Arbeit einen Damm schlug, wurde er von einem Fremden, der gerade vorüberging, gefragt, was er hier mache. Der Angeredete, welcher sich in seiner Beschäftigung nicht stören ließ, sagte kurz und schnauzig: »Einen Damm.« Der Fremde ging seines Weges weiter, kam aber nach kurzer Zeit wieder zu dem Orte, wo er den emsigen Bergmann bei der nämlichen Arbeit beschäftigt fand. Diesmal werde ich mit der Antwort glücklicher sein, dachte der Fremde und sprach: »Guter Freund, sagt mir doch, was für Arbeit Ihr da vollführt?« Allein der Bergmann gab ärgerlich, weil ihm entweder die Arbeit nicht gelingen wollte, oder er den Fragesteller, dem er schon einmal Rede gestanden, wieder erkannte, zur Antwort: »Aber einen Damm!« Aus diesen Worten entstand für die neue Bergkolonie der Name: »Am Abertham,« der in der Folge als »Abertham« dem Städtchen verblieb. Manche Leute aus der Umgebung gebrauchen noch die alte übliche Benennung: »Am Abertham.«
(Albinus, Meißnische Bergk-Chronica, 1590, S. 48.)
Es geben etliche für, die Platten soll ihren Namen haben vom Petro Plateano, dem hochgelehrten Mann und wohlverdienten weitberühmten Schulmeister, welcher zu der Zeit, da er der Schul in Joachimsthal fürgestanden, bisweilen selbst am selben Ort geschurft haben soll, wie auch auf der Gottesgab. Soll des Morgens frühe mit etlichen großen Schülern aufgestanden sein, auf dieselben Gebirge hinaus gelaufen, geschurft und gearbeitet haben, bis zu der Zeit, da er in der Schul laboriren sollen.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 86.)
Das ganze obere Erzgebirge war vor ungefähr 400 Jahren noch mit einem dichten Urwald von Fichten, Eichen und Buchen bedeckt, in welchem Eber, Dachse, Luchse, Elenthiere, Biber, Wölfe und Bären hausten. Auf das Vorkommen solcher Thiere weisen viele Bezeichnungen von Plätzen hin. So giebt es beispielsweise in der Umgebung von Platten einen Wolfsberg, eine Wolfspinge, einen Bärenfang, bei Salmthal am Abhange des Wölflings ein Bärenloch, bei Mariasorg einen Wolfsberg. Ja die Sage schreibt einem Bären sogar den Ursprung und Namen des Städtchens Bärringen zu. Sie lautet: Einst fuhr ein Bergmann von dem Dörfchen Irrgang nach dem heutigen Bärringen und bemerkte abseits des Weges im Walde, in der Gegend des sogenannten schwarzen Teiches, einen gewaltigen Bären, der mit seinen Tatzen die Erde aufwühlte, um sich ein Lager zurecht zu richten. Der Mann suchte, das grimmige Tier fürchtend, das Weite. Als er aber später auf demselben Wege nach Irrgang zurückfuhr, war von dem Bären nichts zu sehen. Deshalb ging er auf den Ort zu, wo der Bär gescharrt hatte, und erblickte erstaunt einen Schurf (Ring, Kreis), aus welchem Zinngraupen von ungewöhnlicher Größe hervorblinkten. An dieser vom Bären entblößten Lagerstätte von Zinnerz wurde im Jahre 1532 der Bergbau begonnen, dem das Städtchen, das durch Vereinigung der Wörter »Bär« und »Ring« den Namen Bärringen erhielt, seinen Ursprung verdankt. Darauf soll auch das Stadtwappen deuten, welches einen Bären vorstellt, der einen Ring in der Pfote hält.
Andere erzählen, daß Bärringen in seinen ersten Anfängen nur aus wenigen zerstreut liegenden, armseligen Hütten bestanden habe,[448] welche Bergleute bewohnten. Eines Tages sahen mehrere Bergknappen zwei Bären im erbitterten Kampfe mit einander ringen. Als in der Folge mit dem Aufschwung des Bergbaues sich die Ansiedler mehrten und die Niederlassung zu einem zusammenhängenden und ansehnlichen Orte anwuchs, wurde dieser »Bär-Ringen« genannt, woraus sich im Laufe der Zeit das Wort Bärringen bildete.
Nach einer anderen Sage soll ein Bergmann mit einem Bären gerungen haben.
Ein jüngerer Bruder des ritterlichen Grafen Stephan Schlick, durch dessen vortreffliche Fürsorge Joachimsthal zu einer reichen, dichtbevölkerten Stadt emporblühte, verlor einmal auf einer Jagd im dunkeln Tannenforst der Bärringer Gegend einen prachtvollen Ring. Alles Suchen blieb erfolglos. Da bemerkte kurze Zeit darauf ein Bergmann auf einem alten Gemäuer einen Bären, der den verlorenen Ring des Grafen Schlick im Rachen hielt. Auch von dieser Begebenheit sucht man durch Verknüpfung der Wörter »Bär« und »Ring« die Benennung des Städtchens Bärringen abzuleiten.
(Dietrich und Textor, Die romantischen Sagen des Erzgebirges, 1822, I, S. 134 etc. Ziehnert, Sachsens Volkssagen, Anhang, Nr. 41. Gießler, Sächs. Volkssagen, Stolpen o. J., S. 105.)
Ein Wandersmann, mit Namen Jahn, irrte bei Nacht in der Gegend des Greifensteins im Walde umher. Da trat ihm plötzlich eine zwerghafte Geistergestalt entgegen und winkte, ihm zu folgen. Nicht ohne Grausen folgte Jahn. Über Stock und Stein führte ihn der Zwerg, bis sie endlich an eine Höhle kamen, die sich, sobald sie eintraten, mächtig erweiterte und ein prächtiges Ansehen gewann. Die Wände waren von Silber, die Tische und Stühle von Gold. Tausend krystallene Leuchter mit langen Kerzen verbreiteten einen blendenden Glanz über das ganze Gewölbe. Zwölf Männer in stattlichen Rittergewändern und mit langen Bärten saßen an einer Tafel und speisten. Der Zwerg lud den erstaunten Jahn ein, sich zu setzen und am Mahl teilzunehmen. Der Hunger besiegte die Schüchternheit, – Jahn setzte sich und aß und trank von dem, was ihm der Zwerg bot. Noch nie hatte er so köstlich getafelt; er ward erquickt und allmählich getrosten und frohen Mutes. Die zwölf schienen sich über ihn zu freuen und geboten dem Zwerge, sein Ränzel zu füllen. Mit herzlichem Danke schied Jahn von seinen gastfreien Wirten. Der Zwerg führte ihn aus der Höhle,[449] welche, wie Jahn jetzt bemerkte, im Greifensteine war, und geleitete ihn auf die Straße, welche nach Böhmen führte und auf welcher Jahn sich nicht mehr verirren konnte. Dann verschwand er.
Als nun Jahn sein Ränzel auspackte, um zu sehen, womit ihn die freigebigen Geister beschenkt hatten, da fand er in demselben eine ziemliche Anzahl Barren gediegenen Goldes und Silbers. Voller Freuden gelobte er, dasselbe recht gut anzuwenden. Er baute also in der Gegend des Freiwaldes bei Thum mehrere Häuser, welche er armen Leuten ohne Mietzins überließ, und that auch sonst allerlei Gutes an Kranken und Armen. Später, als die Zahl jener Häuser sich vermehrte und ein ganzes Dorf daraus entstand, ward dasselbe ihm zum Andenken Jahnsbach genannt.
(Ed. Haller, Kurzgefaßte Volkssagen über den Mückenberg. Mückenberg, 1880. S. 8.)
Zu der Zeit, da auf dem Mückenberge bei Graupen reiches Zinnerz brach, wurde noch nicht mit genügender bergmännischer Vorsicht gebaut, so daß infolge dessen ein großer Teil des Berges samt zwei Arbeiterhäuschen im 14. Jahrhunderte untergingen. Dadurch ist die große Pinge am Mückentürmchen entstanden. Damals lebten auch die drei Gebrüder Müchle als Zinngrubenbesitzer in der Gegend, von denen das Dorf Müglitz (Michlitz) abstammen soll.
(Köhler, Histor. Nachrichten von der Bergstadt Wolkenstein. Schneeberg, 1781, S. 3. O. Mosen, Reisehandbuch für das sächs. Erzgebirge, 1882, S. 65.)
Wolkenstein soll seinen Namen von der Höhe des Schlosses, indem es fast die Wolken erreiche, und von dem Steine oder Felsen, auf welchem es erbaut ist, führen. Nach anderen stammt der Name von seinem mutmaßlichen Erbauer Bolko von Waldenburg, weshalb es eigentlich Bolkenstein heißen müßte.
(Oettel, Alte und neue Historie der Bergstadt Eibenstock, 1748, S. 1 u. 2.)
Man will vorgeben, es hätte ehedem an dem Orte, wo jetzt die Kirche von Eibenstock erbauet ist, eine Eibe gestanden, bei deren Stock[450] die anfahrenden Bergleute sich versammelt hätten; davon soll der Name der Stadt herkommen. Auch wurde erzählt, es sei aus dem Stamme der Eibe das früher in der Kirche stehende Kruzifix, nach anderen aber der Pfeiler der Kanzel gemacht worden.
(Erzgebirgs-Zeitung, 1880, S. 67.)
Der Name des Schlosses Pürstein ist erst seit diesem Jahrhundert eingeführt. In früheren Zeiten hieß es Birsenstein, Pirssinstein, Pirschanstein, Pirkenstein. Der Name soll von einem alten Ritter herstammen, der mit Vorliebe in dieser Gegend »auf die Birsche« ging.
(Erzgebirgs-Zeitung, 1882, S. 41. Kirchengalerie, 12. B., S. 180.)
Reitzenhain erhielt nach Angabe der Eingebornen auf eigentümliche Art seinen jetzigen Namen. Da in früheren Zeiten der ganze Verkehr den Straßenfuhrwerken überlassen war, haben die Fuhrleute jedes an der Straße gelegene Wirtshaus »Han« genannt. Da nach ihren Berechnungen dort, wo jetzt Reitzenhain liegt, der dreizehnte »Han« war, so wurde dieses einzelnstehende Wirtshaus der dreizehnte Han, dann Dreizehnhan, Reitzenhan und endlich Reitzenhain genannt. Man schätzte dabei den dreizehnten Han als gleichweit von Leipzig und Prag entfernt.
(I. Wilisch, Kirchen-Hist. von Freyberg etc., II. S. 300. II. Novellistisch in E. H. Müllers Beschr. der Bergstadt Brand, 1858, S. 6 etc.)
I. Das Städtlein Brand soll seinen Namen daher haben, weil anfangs lauter Wald und Busch allhier gewesen, welchen nach der Zeit eine unvermutete Feuersbrunst größtenteils verzehret; darauf Gott Bergwerke in dieser Gegend gezeiget, und so hätte man anfänglich schlechte Zechen und Hüttenhäuser, da aber der Bergsegen sich reichlich vermehret, Wohnhäuser zu bauen angefangen, und habe sich das Bergvolk häufig allhier vermehret.
II. In dem Walde, welcher einst die Gegend, wo jetzt das Städtchen liegt, bedeckte, wohnte einst mit seiner Tochter der Köhler[451] Klaus. Derselbe hatte in seine Hütte einen jungen Mann aus dem Thüringer Lande aufgenommen, welcher ihm als Gehülfe dienete und sich bald um die Gunst von seines Herrn Tochter Margaretha bemühte. Da geschah es eines Tages, daß auch ein junger Bergmann in die Hütte kam, der im Walde in eine Wolfsgrube gestürzt war und sich dabei so verletzt hatte, daß er einen vollen Tag bei dem Köhler verleben mußte, um sich zu erholen. Er stammte aus dem nahen Freiberg, und bald wurde er der Liebling des Vaters Klaus und der Verlobte von dessen Tochter. Darüber wurde der fremd zugereiste Gehülfe ergrimmt und in der Nacht nach der Hochzeit Margarethens mit dem fremden Bergknappen führte er seinen Racheplan aus. Plötzlich wälzte sich eine Feuerwolke über dem Boden hin, von allen Seiten kamen die Flammen gezüngelt und ergriffen auch sehr bald die Hütte des Vaters Klaus, in welcher alle im friedlichen Schlummer lagen. Nur mit Mühe entgingen die Neuvermählten dem Tode, ihr Vater aber kam in dem grausigen Flammenmeer, welches den größten Teil des Waldes verzehrte, um. Das Feuer wütete den ganzen folgenden Tag und eine Nacht hindurch, bis am nächsten Morgen ein gewaltiger Gewitterregen den Flammen ein Ziel setzte. Das junge Paar flüchtete nach Freiberg, wo die Glocken stürmten und von wo aus eine Rettungsschar den Fliehenden bereits entgegenkam. Erst am vierten Tage zogen die Flüchtlinge wieder hinaus auf die Brandstätte. Sie gingen in Freiberg von Haus zu Haus, suchten ihre ebenfalls mit ihnen aus den übrigen zerstreuten Köhlerhütten geflüchteten Gefährten und sprachen: »Wir wollen auf den Brand gehen!« Von der Hütte des Vaters Klaus, sowie von den übrigen Wohnungen war nichts mehr zu sehen, nur hie und da fanden sich Menschengebeine, welche man sammelte und in geheiligter Erde, auf dem Kirchhofe in Erbisdorf begrub. Als man dann an den alten Plätzen wieder Grund zu neuen Wohnungen grub, fand der Knappe eine Stufe rotgültigen Erzes und er legte die erste neue Grube auf dem Brande an, welche man später zum Gedächtnisse des göttlichen Segens den »Segensfürsten« nannte. Der Ruf von dem Silberreichtume verbreitete sich weiter und bald zogen noch andere Bergleute herbei, welche sich daselbst anbauten. Später wurden diese Berghütten, Wald- und Zechenhäuser auf dem Brande unter der Regierung des Herzogs Georg des Bärtigen im Jahre 1515 zu einer Gemeinde vereinigt und der Ort erhielt von da an den Namen »Bergstadt Brand.«
(Sachsens Kirchengalerie, 2. B., S. 164.)
Das an der von Freiberg nach Frauenstein führenden Straße gelegene Dorf Weißenborn hat seinen Namen von einem unfern der Mulde vorhanden gewesenen Brunnen, welchem man Heilkräfte zuschrieb und bei welchem sich bisweilen eine weiße Frau sehen ließ.
(Sachsens Kirchengalerie, 2. B., S. 167.)
Conradsdorf, das einzige Dorf dieses Namens in Sachsen, liegt eine Stunde von Freiberg entfernt. Vermutlich hat es seinen Namen von seinem Erbauer und ersten Besitzer Conrad, obwohl behauptet wird, daß es dem Kaiser Conrad zu Ehren so genannt worden sei, der es mit besonderen Freiheiten begnadigte, die bis in die neueren Zeiten sich erhalten hatten.
(Sachsens Kirchengalerie, 8. B., S. 88.)
Der frühere Name des Dorfes Ursprung bei Hohenstein-Ernstthal ist Morspurg gewesen. In der Umgegend findet sich dafür die geläufigere Benennung Morspring. Nach einer sagenhaften Überlieferung soll der jetzige, um die Zeit der Reformation an seine Stelle getretene Name davon herrühren, daß aus dem oberen Gemeindeborne des Dorfes der Lungwitzbach entspringt, oder daß der Ort zur Zeit der Reformation das erste evangelische Pfarramt in dieser Gegend bekam.
(Sachsens Kirchengalerie, 8. B., S. 68.)
Nach einer Sage hat das Dorf Wüstenbrand bei Hohenstein-Ernstthal in uralten Zeiten einen anderen Namen gehabt, ist in der heillosen Zeit des großen Interregnum »verwüstet« und »verbrannt« und erst in der Folge unter den Hohenstaufen wieder hergestellt und mit seinem gegenwärtigen Namen belegt worden. Ebenso ist nach einer Sage Wüstenbrand als Filiale zu Pleise geschlagen worden, als das Dorf Gecksdorf, von dessen Lage zwischen dem Rabensteiner Walde[453] und den Meinersdorfer Fluren sich bis auf die neuere Zeit Spuren erhalten haben, im Hussitenkriege völlig zerstört worden war.
(Sachsens Kirchengalerie, 8. B., S. 75.)
Laut Nachrichten aus einem alten Kirchenbuche stammt der Name des Dorfes Crossen bei Zwickau von dem slavischen Worte croszove, d. h. zerrissen oder zerstückelt, her. Denn da es von Slaven erbaut worden und sie, wie sie dem sumpfigen Terrain nach und nach trockenes Land abgewannen, dasselbe unter sich verteilt haben, so haben die Bewohner ihre Grundstücke vereinzelt und nicht beisammen.
Immisch (die slav. Ortsnamen im Erzgebirge) ist nicht geneigt, den Namen für einen slavischen gelten zu lassen, vielmehr hält er unser Crossen, sowie alle Orte, welche dieselbe Benennung haben, für fränkische Ansiedelungen. Er verweist dabei auf die in deren Nähe liegenden Orte Frankenau (2 Stunden von Crossen bei Mitweida, 3 Stunden von Crossen bei Zeitz) und Franken (6 Stunden von Crossen bei Luckau); Crossen bei Zwickau ist von einem Frankenau ungefähr 3 Stunden entfernt.
(Beschreibung über die Kirche zu Oberlungwitz, St. Martin genannt etc. von dem dortigen Schulmeister aufgezeichnet, 1766. Manuskript.)
Gersdorf soll vor Zeiten ganz anders gelegen und die Kirche oben im Hofgraben gestanden haben, bis sie durch Kriegsverwüstung ihren Untergang allda gefunden hat. Das Dorf soll nicht weiter als bis dahin, wo jetzt Hüllbert wohnt, gegangen sein. Die obere Hammermühle soll damals in einem dicken Walde gestanden haben und davon umgeben gewesen sein. Da aber der Bach vorher den Namen »Gersche« geführt haben soll, so hätte das Dorf, nachdem es weiter abwärts angebaut und auch die Kirche weiter herunter gesetzt worden wäre, vom Wasser den Namen Gersdorf bekommen.
(Meltzer, Historia Schneebergensis, S. 1102.)
Edelmann von Uttenhoff auf der Armen-Ruhe, ein alter und getreuer Diener der Kurfürsten von Sachsen, brachte einst zu Zwickau bei einem Landesfürsten folgende Bitte mündlich vor: Dieweil aus[454] Gottes Segen das reiche Bergwerk zu Schneeberg geoffenbaret und desselben Lob in aller Welt erschollen wäre, zögen viel Fürsten, Grafen, Herren, Ritter, Edel- und andere gute, redliche Leute nach demselben, und müßten dabei meist bei ihm durch, wodurch sein und seines Geschlechtes Namen weithin bekannt würde. Aber es stünde nicht wohl, wenn man fragete, wer er sei? und geantwortet würde: Es ist der von Uttenhoff auf der Armen-Ruhe. Da nun das Erz und Silber bei ihm nach Zwickau durchgeführt würde, so bäte er unterthänigst, man wolle ihm seines Gutes und Dörfleins Namen »die Armen-Ruhe« in der Landtafel auslöschen und dasselbe dafür die »Silberstraße« nennen zu lassen. Dies würde ihn in ein größer Ansehen bei den Leuten bringen, da er doch ohne das, wenn nur sein Name nicht also bekannt werden sollte, wohl mit dem alten Namen zufrieden gewesen wäre. – Diese Bitte wurde dem Uttenhoff gewährt, und der Armen-Ruhe Namen also geändert, daß bis diese Stunde noch das Dorf die »Silberstraße« und die dabei befindliche Muldenbrücke die Silberstraßer Brücke heißt.
(Mündlich, desgl. bei Bahn, Das Amt, Schloß und Städtgen Frauenstein, 1748, S. 19.)
Auf der jetzt in Ruinen liegenden Burg Rechenberg hausten einmal mächtige Ritter. Dieselben hatten in Frauenstein ihre Frauen, in Purschenstein ihre Burschen, in Pfaffroda wohnte ihr Pfaffe und in Rechenberg machten sie die Rechnung und teilten den Raub. – Die genannten Schlösser sollen auch durch unterirdische Gänge mit einander verbunden gewesen sein.
(Nach Ziehnerts poet. Bearbeitung bei Gräße, Sagenbuch des K. Sachsen, No. 579.)
Die Bewohner des Bergfleckens Bockau bei Schneeberg ernährten sich sonst vorzugsweise durch den Anbau von Arzneikräutern und den Handel damit. Sie zogen damit, sowie mit Pulvern, Tropfen, Pillen und dgl. mehr auf Jahrmärkte und waren einst wie die Königsseer häufig im deutschen Vaterlande anzutreffen. Die Sage erzählt, es habe sich einst in jenem Thale, in welchem jetzt der Flecken Bockau[455] liegt, ein Bock, das einzige Eigentum eines armen Gärtnersohns, verlaufen. Sein Herr, der ihn gesucht, habe ihn endlich mitten unter den kostbaren Arzneikräutern wohlbehalten wieder gefunden, habe sich den Platz genau gemerkt und sei dann durch das Sammeln und den Verkauf jener Kräuter sehr bald wohlhabend geworden. Nach und nach hätten sich daselbst mehrere niedergelassen und den neuen Wohnort zur Erinnerung an seinen Ursprung Bockau genannt.
Historisch ist, daß der Kräuter- und Medikamentenhandel der Bockauer erst gegen das Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts begann. Die in dem Orte wohnenden Schachtelmacher, und unter diesen zuerst zwei Brüder Weiß, füllten ihre Schachteln anfänglich mit gedörrten medicinischen Wurzeln und Kräutern, welche sie an Apotheker und Laboranten und später auch als Hausmittel an andere Leute verkauften. (Körner, Nachrichten von Bockau, S. 346–355).
In der Einleitung zum ersten Abschnitte des Sagenbuchs wurde bereits darauf hingewiesen, daß der Name des Ortes nicht von dem slavischen bóh, d. i. Gott, sondern von dem slav. buk, die Buche, und dem davon gebildeten Adjektivum bukowy abzuleiten ist. Aus bukowy entstand Bockau, was wir demnach mit Buchwald oder Buchholz zu übersetzen hätten. Dasselbe gilt auch von dem Ortsnamen Bockwa bei Zwickau. Bockau und Bockwa wurden in früherer Zeit mit u geschrieben. (Immisch, a. a. O., S. 8.)
(Kirchengalerie von Sachsen, 12 B., S. 87.)
Der Name des Kirchdorfes Remse zwischen Glauchau und Waldenburg scheint auf das lateinische remissa, die Erlassung, hinzuweisen. Eine Sage erzählt, es habe sich in dem früher daselbst befindlichen und in dem 12. Jahrhundert gestifteten Nonnenkloster ein wunderthätiges Marienbild befunden, zu dem die Ablaß Suchenden aus der Nähe und Ferne wallfahrteten. Von einem Erker des jetzt sogenannten roten Stockes aus habe dann der Probst den Segen erteilt und die Gläubigen mit den Worten entlassen: »peccata sunt vobis remissa« (d. h. die Sünden sind euch vergeben). Daher der Name Remse.
(Comotovia, 2. Jahrg. 1876., S. 10.)
Es wird erzählt, daß im Jahre 1364 der Prager Bürger Johlin Rotlöw mit Bewilligung Karls IV. seinen besten Bergmeister in die Gegend des Gebirgs, wo jetzt Sebastiansberg liegt, sandte, um[456] Erze zu suchen. Er hatte so glücklichen Erfolg, daß sich die Bergleute sogleich die ersten Häuser bauten. Man nannte nun den neuen Ort Paßberg, weil bereits der Berg, auf welchem die Stadt steht, und welcher die Grenze bildete und zum Aufpaß und zur Sicherung der Fuhrleute und Reisenden mit einem Militärposten besetzt war, den Namen Paßberg führte. Aus Paßberg soll mit der Zeit der Name Sebastiansberg entstanden sein. Nach einer anderen Sage soll jedoch Sebastiansberg anfänglich den Namen Neustadtl geführt haben.
Richtig ist wohl, daß die Stadt ihren Namen dem Sebastian von Weitmühl verdankt. Von demselben wurde Sebastiansberg des Bergbaues wegen, aber keinesfalls vor 1519 gegründet; er erbaute daselbst auch eine kleine Kirche, die auf Wunsch seiner Unterthanen nach seinem Namenspatron zu St. Sebastian benannt wurde. Von der Kirche ging der Name auch auf die ganze Ansiedelung über.
(Erzgebirgs-Zeitung, 1. Jahrg., S. 71.)
Die Veranlassung zur Gründung der Stadt Sonnenberg gab der in dortiger Gegend einst stark betriebene Bergbau auf Silber, Kupfer, Zinn und Blei. An einem nebligen Morgen, in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, so erzählt die Sage, sandte der Grundherr, der ein Lobkowitz auf Hassenstein war, einige seiner erfahrenen Bergleute auf die Höhen mit dem Auftrage, dort, wo die Sonne am ersten durch das trübe Gewölk brechen würde, einzuschlagen und das Bergglück zu suchen. An dem Orte nun, wo jetzt Sonnenberg steht, erschien sie ihnen zuerst. Es wurde gleich mit Schlägel und Eisen Hand an die Arbeit gelegt, und die Mühe belohnte sich reichlich. Man baute dann einzelne Hütten für die Bergleute. Mit dem wachsenden Bergglück vermehrten sich beide. Die Sonne gab diesem Orte den Namen, und aus dem wüsten Waldorte wurde in kurzem ein Bergflecken. Durch spätere Begnadigung erwuchs er endlich zu einer Bergstadt.
(Erzgebirgs-Zeitung, 1. Jahrg., S. 169.)
Die Stadt Falkenau soll ihren Namen dadurch erhalten haben, daß ein Bürger aus Eger einen Falkenhof erbaut und dadurch eine Ansiedelung hervorgerufen hat, die sich allmählig zu einem Dorfe und[457] schließlich zu einer Stadt emporhob. Die über dem Röhrbrunnen am Marktplatze in Falkenau sich erhebende Bildsäule stellt einen Falkner dar, der ein Hüfthorn am Schulterbande und einen Hund zur Seite hat. Es soll dies die Statue jenes Falkners sein, der als Gründer der Stadt gilt und dessen Name im Volksmunde »Wastel« (Sebastian) heißt.
Fr. Bernau (Comotovia 4, S. 98) hält es zwar für nicht unmöglich, daß auf dem am rechten Egerufer sich hinziehenden Wiesenlande vielleicht im 12. Jahrhunderte, da sich in Böhmen nicht bloß Edelleute, sondern auch selbst Geistliche dem Jagdvergnügen mit Leidenschaft hingaben, eine Falkenbeize errichtet war, doch hält er mehr dafür, daß zu obiger Sage bloß der Ortsname den Stoff geliefert habe. In dem Stadtwappen von Falkenau wurde seit ältester Zeit ein Falke geführt und es ist daher jedenfalls die in der Stadt in jetziger Gestalt erst 1724 errichtete Falknerstatue nur eine Ausschmückung des Stadtwappens.
Vom »Falken« abgeleitete Ortsnamen treten überhaupt häufig sowohl in deutschen, als auch slavischen Gebieten auf; der historische Ursprung dieser Benennungen ist aber wohl immer unbekannt. Nur von dem Dorfe Sokolec (Sokol = Falke) bei Podiebrad wird erzählt, daß man daselbst noch im 16. Jahrhundert für die Podiebrader Jäger Falken abgerichtet habe. Dieses slavische Dorf besitzt also zu seinem Namen eine gleiche Sage wie unser im deutschen Gebiete liegendes Falkenau.
(Ed. Wenisch in der Erzgebirgs-Zeitung, 2. Jahrg., S. 4.)
In der sehr industriellen, am Rohlauflüßchen gelegenen Stadt Neudeck zieht der sogenannte Turmbergfels unsere Aufmerksamkeit auf sich. Er besteht aus mehreren über einander liegenden Granitblöcken. Auf diesem Felsen steht ein uralter Glockenturm, der ehedem zu einer Burg gehört haben soll, welche von einem Raubritter bewohnt wurde. Diesem Turme verdankt Neudeck, wie folgende Sage berichtet, seinen Namen.
Einstmals verirrte sich auf der Jagd ein Jäger im dichten Walde und wußte nicht, wo ein und aus. Schon viele Stunden hatte er im Waldesdunkel nach einem rettenden Pfade gespäht, da kam er auf den Hochtannenberg und stieg dort, um sich in der Gegend zurecht zu finden, auf eine hohe Tanne. Hocherfreut sah er östlich im Thale ein Gebäude stehen, welches neu eingedeckt war. Darauf ging der ermüdete Waidmann zu und fand daselbst den alten Turm, neben dem ein Häuschen stand, welches ein Schmied, namens Waldesel, bewohnte. Er trat in die Schmiedewerkstätte. »Lieber Waldesel«, redete er den alten Meister an, »dem neugedeckten Turme da verdanke ich[458] den Ausweg aus dem Walde; deshalb heiße er samt den andern Gebäuden von jetzt an »Neudeckt!« Und des Jägers Wunsch ging in Erfüllung; denn noch heute trägt der Ort, der nach und nach zu einer gewerbfleißigen Stadt anwuchs, den Namen Neudeck.
(Mündlich.)
Frühbuß ist ein altes Bergstädtchen im böhmischen Gebirge, das einst weiter oben und zwar da lag, wo sich heute der Kranichsee ausbreitet. In diesem Moore ist es eines Tages versunken. Da haben sich die Bewohner tiefer angebaut, weil ihnen hier die vielen Zinnerze, welche aus dem Gebirgsschutte durch die Seifenarbeit gewonnen werden konnten, reichen Unterhalt versprachen. Die Gewinnung der Erze nahm sie auch so in Anspruch, daß sie den Bau ihrer Hütten und ihre häuslichen Arbeiten nur vor der Seifenarbeit vornehmen konnten, um bei dieser selbst keine Zeit zu versäumen. Solche Früharbeit aber nannte und nennt man noch jetzt in der Gegend »Frühbuß«, und von ihr erhielt in der Folge die Ansiedelung ihren Namen.
Bezüglich des ersten Teiles der Sage wird noch auf »die unterirdischen Glocken im Kranichsee« verwiesen.
Das Wort »Frühbuß« erinnert an das in manchen Gegenden, z. B. in Geringswalde und in der Oberlausitz gebräuchliche »herumbusseln« = geschäftig da und dort in der Arbeit nachhelfen, und das davon abgeleitete »Hausbussel«, womit ein auf diese Weise thätiger Mensch bezeichnet wird.
(Mündlich.)
Oberhalb Karlsfeld nahe am Kranichsee, durch welchen sich die sächsisch-böhmische Grenze zieht, liegt auf einer Meereshöhe von ca. 900 Mtr. das böhmische Dorf Sauersack.
M. Christoph Gottlob Grundig macht in den »Neuen Versuchen nützlicher Sammlungen zu der Natur- und Kunstgeschichte, sonderlich von Ober-Sachsen, 2. B., (Schneeberg, 1752,)« bei diesem Orte und seinem Namen folgende Bemerkungen: »Sauersack, ein fast auf dem höchsten Gipfel derer Gebirge, welche Böhmen und Meißen auf dieser Seite von einander scheiden, sehr zerstreut liegender Bergort, welcher auf dem kahlen Boden derer abgetriebenen Holzungen an einem aus[459] Nordwest nach Südost streichenden Gehänge sich als der Rest des ruinirten Waldes vom Grunde bis auf die Giebel der Häuser hölzern erhebt, – – hat wohl den Namen mit der That, weil sowohl denen Reisenden die hier vorübergehende Straße, sonderlich bei üblem Wetter, äußerst sauer werden, als auch denen armen Einwohnern des Ortes, welche wie die Vögel des Himmels weder säen, ernten, noch etwas in ihre Scheuern sammeln können, – – nicht weniger ihr mühseliges Leben sehr sauer und unangenehm fallen muß.« Und: »Es ist unter diesem Gehänge, zunächst gegen Westen, eine lange, schmale und sumpfige saure Wiese, welche die gebirgischen Bauern ein »Geseer« (Gesäuer?) zu nennen pflegen und die vermutlich zu dem Namen der Gegend und des Ortes Anlaß gegeben hat.«
Eine Sage erzählt nun über die Entstehung des Ortsnamens Sauersack folgendes:
In jener Zeit als der Zinnreichtum des dortigen Gebirges, welcher hauptsächlich in Seifenwerken ausgebeutet wurde, die ersten Ansiedler anlockte, gebot die unwirtliche Gegend, daß alle Nahrungsbedürfnisse aus dem fruchtbaren Egerthale geholt wurden. Diese Arbeit hatten hauptsächlich die Frauen der Seifner zu verrichten. Da geschah es nun, daß die Frau des ersten Ansiedlers einen schweren Sack mit Nahrungsmitteln (die Volkssage spricht von Kartoffeln) geholt hatte und bei ihrer Ankunft in der Hütte sprach: »Ei, das ist ein saurer Sack!« So wurde die Hütte und später die gesamte Ansiedelung »Sauersack« genannt, welchen Namen sie bis zum heutigen Tage behalten hat.
(Mündlich.)
Sorgenthal bei Jöhstadt ist ein Ortsteil des böhmischen Dorfes Pleil. Wo derselbe jetzt liegt, war einst ein finsteres Waldthal, durch welches früher die Straße von Weipert nach Preßnitz führte. Wenn nun die Reisenden durch das Waldthal kamen, befiel sie große Sorge, denn hier lauerten ihnen vielfach Räuber auf, die in dem sogenannten Blechhammer zwischen Weipert und dem »weißen Hirsch« ihre Herberge hatten. Sie führten die Gefangenen aus dem Thale mit sich nach genanntem Blechhammer, wo viele Mordthaten geschehen sind. In dem Thale aber, wo anfangs nur einige Köhlerhütten standen, wurde nach Lichtung des Waldes ein Ort gegründet, welcher den Namen Sorgenthal erhielt.
(Geschichte der Stadt Weipert von C. Schmidl und Joseph Pohl, Chemnitz, 1874, S. 10 und 17.)
Die Stadt Weipert wurde früher auch Weiberg oder Weinberg genannt. Dieser Name schreibt sich daher: Als die Bergbaulustigen die reichen Silberanbrüche der »Milde-Hand-Gotteszeche« auffanden, riefen sie freudig aus: »Das ist ein fruchtbringender Weinberg!« Davon ist dann der Ort genannt worden.
Der Ursprung von Weipert ist jedenfalls unmittelbar an der heutigen Grenzbrücke und wahrscheinlich an der Stelle zu suchen, wo jetzt die Fabrik des Julius Schmidt steht. Hier am Bache ist die tiefste Thaleinsenkung, welche der uralte Paß von Preßnitz nach Schlettau zu überwinden hatte, und hier hatte der Frachtfuhrmann, mochte er kommen, von welcher Seite er wollte, einen steilen Berg vor sich, so daß er seinen Tieren Ruhe gönnen mußte. Es entstand daher an dieser Stelle die erste Niederlassung, die eine Herberge war. Die Sage erzählt, daß dieses Wirtshaus später eine Räuberhöhle war, in welcher Reisende durch eine Fallthüre in einen Keller stürzten und dort ermordet und begraben wurden, bis es endlich durch eine Dienstmagd, die einen jungen Mann warnte, verraten wurde, worauf Soldaten aus Kaaden das Haus umringten und samt den Bewohnern niederbrannten. Man hat auch unter späteren Besitzern des Hauses, das jedenfalls bald wieder aufgebaut wurde, bei Umbauten Totengebeine im Keller gefunden.
Als dann im 12. Jahrhunderte mit dem in der Gegend aufblühenden Eisensteinbergbau auch die ersten Eisenschmelzen in Sorgenthal und bei Pleil entstanden, bildete sich oberhalb des Passes dort, wo jetzt der Gasthof zur Stadt Leipzig steht, eine zweite Ansiedelung. Ein unternehmender Mann mit Namen Weyperth, von dem Erzreichtum der Gegend angelockt und mit der Erz- und Eisengewinnung vertraut, erbaute hier das erste Haus und ein Hammerwerk, dem seine Angehörigen und Arbeitsleute den Namen ihres Werkherrn gaben.
Wir haben nach obiger Überlieferung zwei sagenhafte Deutungen des Namens Weipert. Die erste widerspricht insofern der Geschichte, als schon im Jahre 1533 der Name Weiberg (Weinberg), demnach in einer Zeit, zu welcher der Silberbergbau in der Gegend noch nicht begonnen hatte, in den Gerichtsbüchern des Ortes vorkommt. Vielleicht wurde auch der Name eines Bergwerks, das man dem heiligen Wigbert geweiht hatte, auf den entstehenden Ort übertragen.
Von Interesse ist es, daß die Sagen von der Entstehung Weiperts und Sorgenthals des uralten Passes gedenken, welcher über den Höhenzug zwischen Preßnitz[461] und Pleil, das sogenannte Kremsiger und Bremsiger Gebirge, nach Pleil und Sorgenthal und weiter über das Pleilwasser und Kreuziger Gebirge zwischen Weipert und Pleil nach dem weißen Hirsch führte. Derselbe ging beim Blechhammer über den Pöhlbach und sodann über Kuhberg, Sehma, Schlettau, Elterlein und Zwönitz nach Leipzig und Halle, von woher die Böhmen schon in den ältesten Zeiten ihr Salz bezogen. Eine alte Straße, auf welcher Fuhrleute Salz nach Böhmen holten, führte auch über die Gegend, wo jetzt Freiberg steht, und solche Fuhrleute waren es nach der Sage auch, welche in einem Wagengleise daselbst die ersten Silbererze fanden und so die Gründung Freibergs veranlaßten.
Der alte Weiperter Paß hat noch deutliche Spuren von Weipert bis zum Blechhammer und in Kuhberg hinterlassen, wo tiefe Hohlwege, zum Teil selbst in festem Gestein vorhanden sind.
Christian Lehmann leitet im Hist. Schauplatz (S. 42) den Namen des Ortes Kuhberg von einem czechischen Worte küweribi, welches er mit »ausspannen« verdeutscht, ab. Wenn dies richtig ist, so würde dieser Name zur Bestätigung von einer uralten Herberge am Pöhl- oder Grenzbache dienen.
Erwähnt mag hierbei werden, daß der zwischen Weipert und Kuhberg gelegene sächsische Grenzort Bärenstein früher »Kuhzahl«, d. h. Kuhschwanz geheißen haben soll. Seinen jetzigen Namen führt er nach dem Archiv für sächs. Geschichte (12. B., S. 95) erst seit dem Jahre 1526 nach dem basaltischen Bärensteine, an dessen Fuße er liegt.
(Aus einer handschriftlichen Chronik von Böhmisch-Wiesenthal, mitgeteilt vom Pfarrer H. Friedlein in Ober-Wiesenthal.)
Bei dem Städtchen Böhmisch-Wiesenthal liegt der Ort Stolzenhahn, auch Stolzenhain und Stolzenhann, in alten Kirchenbüchern »der Stoltze Hayn« genannt.
In alten Zeiten stand in der Gegend des jetzigen Dorfes im dichten Walde eine Schmelzhütte. Als eines Morgens zwei Arbeiter vor die Thür traten, erblickte der eine von ihnen einen schönen Auerhahn, der auf einem nahen Baume saß. Da rief er aus: »Sieh, welch ein stolzer Hahn!« und von diesem Ausrufe hat der Ort später seinen Namen bekommen.
(Aug. Kießling, Das Mineralbad zu Einsiedel, 1881, S. 8. Sachsens Kirchengalerie, 8. B., S. 72.)
Nach einer alten geschriebenen Chronik, welche im Pfarramts-Archive zu Neuhausen aufbewahrt wird, hat der Ort Einsiedel bei Sayda seinen Namen von drei Brüdern bekommen, welche sich vor langer, langer Zeit als Einsiedler dort aufhielten. Auch die zu Einsiedel[462] gehörige Ortschaft Brüderwiese soll ihren Namen diesen drei Brüdern verdanken. Man vermutet, daß sich daselbst ihre Einsiedelei befand, denn in der Kirche zu Seiffen zeigt man eine alte Glocke, welche in der Brüderwiese aufgefunden worden sein soll und die möglicherweise der Klause der drei Einsiedler einst angehörte.
Auch das Dorf Einsiedel bei Chemnitz soll seine Entstehung einem Einsiedler verdanken, der in frühesten Zeiten dort gehaust hat.
Bei der früheren Unsicherheit des Reisens auf den alten Verkehrsstraßen durch unwirtliche Gebirge nahm die Kirche derartige Straßen vielfach unter ihren Schutz. Klosterbrüder bauten sich an ihnen in der Wildnis Klausen, um die Reisenden mit geistlichem Troste zu versehen und ihnen wohl auch leibliche Pflege angedeihen zu lassen. Die Namen von Dörfern, welche an den Plätzen solcher Einsiedeleien, an denen sich vielleicht auch Kapellen befanden, später entstanden sind, ebenso wie die Namen von Brunnen oder Anhöhen u. s. w., haben die Erinnerung an derartige Stationen erhalten. Es ist wohl möglich, daß auch der Ursprung unserer beiden Ortschaften auf die Niederlassung solcher Klosterbrüder zurückzuführen ist. Eine der alten Handelsstraßen führte von Sayda über Purschenstein und das jetzige Einsiedel nach Böhmen. (S. auch Dr. Alfr. Moschkau, Oybin-Chronik, S. 197.)
(Gräße, Sagenschatz d. K. S., N. 294.)
In der Nähe der Dörfer Rothenfurth und Halsbrücke bei Freiberg führt eine Brücke über die Mulde, welche man die Halsbrücke nennt. Die Sage erzählt, sie habe ihren Namen davon erhalten, daß der Bote, welcher Kunzens von Kauffungen Begnadigung vom Kurfürsten überbringen sollte, hier, weil die Brücke von den Fluten der sehr angeschwollenen Mulde weggerissen worden war, aufgehalten ward, also nicht zu rechter Zeit eintreffen konnte und so Kunz seinen Hals hergeben mußte.
(Mitgeteilt vom Lehrer R. Schlegel aus Hartenstein.)
Als in früheren Zeiten im jetzigen Ortmannsdorf, Mülsen St. Niklas und St. Jakob eine furchtbare Pest wütete, sollen in diesen Dörfern, welche damals andere Namen hatten, nur drei Männer, Ortmann, Niklas und Jakob, am Leben geblieben sein, nach deren Namen später die Dörfer benannt wurden.
(Nach der metr. Bearbeitung eines Lichtenbergers.)
Bei dem Dorfe Lichtenberg erhebt sich der bewaldete und die ganze Umgegend beherrschende Burgberg. Man erzählt, daß einst auf ihm ein Schloß stand, welches als gefürchtetes Raubnest weit und breit bekannt war. Wenn der Herr dieser Burg mit seinen Knappen durch das Land zog, so bezeichneten Mord und Brand die Stätten, welche er heimsuchte. Kehrte er dann von seinem blutigen Zuge wieder nach dem Schlosse auf dem Burgberge zurück, so kreisten in wilder Lust daselbst die Becher und die geängstigten Bewohner des Thales sahen dann in der Nacht die Fenster des Schlosses hell erleuchtet. Da sprachen sie zu einander: »Es wird wieder Licht auf unserm Berge!« Dabei verwünschten sie die Bösewichter und baten Gott, daß er sie doch von dieser Plage befreien wolle. Und die Zeit kam endlich auch, daß die Burg zerfiel, und nur einen alten Steinwall bezeichnet man als deren Reste. An dem Fuße des Berges konnte man wieder ruhig wohnen, es bauten sich daselbst mehr und mehr an, und die zerstreuten Ansiedelungen wurden später zu einem Dorfe vereinigt, dem man zur Erinnerung an das Licht, welches einst nach jedem Raubzuge der Ritter auf der Spitze des Burgberges zu sehen gewesen war, den Namen »Lichtenberg« gab.
(Mündlich. Wilisch, Kirchenhist. v. Freiberg etc. II., S. 293. Kirchengalerie, 12. B., S. 115.)
Das Dorf Dörnthal bei Sayda hieß früher Dorothenthal nach einer des heiligen Dorothea gewidmeten Kapelle, welche im 30jährigen Kriege zerstört worden sein soll. Diese Kapelle soll zum Kloster Ossegg gehört haben und sind zu derselben viel Wallfahrten geschehen. Man sagt, daß von ihr noch eine zerschossene Wetterfahne vorhanden sei, welche sich jetzt auf dem dermalen dem Kramer Keilig in Dörnthal gehörigen Hause befindet. Auch zeigt man noch die eingefriedigte Stelle, wo jene Kapelle gestanden haben soll. Von zwei Glocken, die auf der Kapelle gehangen haben, soll die eine nach Annaberg und die andere nach Großhartmannsdorf gekommen sein.
(Mitgeteilt vom Lehrer Thuß in Tellerhäuser.)
Das nur aus wenigen Waldhäusern bestehende Örtchen Weiters-Wiese bei Karlsfeld soll ehemals »Weidewiese« geheißen haben. Es war an dieser Stelle mitten im Walde eine nach Auerbach gehörige Wiese vorhanden, auf welche während des Sommers von den Fleischern genannter Stadt das Vieh zur Weide getrieben wurde.
(Staberoh, Chronik der Stadt Oederan, 1847, S. 13.)
Auf dem Schellenberge, wo sich jetzt Augustusburg erhebt, trieb in ihrem Raubschlosse eine starke Zahl Räuber besonders heillos ihr Wesen. Ein ähnliches Raubschloß befand sich kaum 2 Stunden davon entfernt, jenseits der Chemnitzer Straße auf einem Waldhügel. Durch Signale standen sie in enger Verbindung. Wenn nämlich von Freiberg her jenseits der Oederaner Gegend Reisende mit Handelsgütern sich zeigten, so zogen die Räuber des Schellenberges eine Glocke an – daher der Name Schellenberg –, was für die jenseitigen Räuber das Zeichen war, sich an der Straße zur Plünderung bereit zu machen. Wenn hingegen von Chemnitz her sich die Reisenden sehen ließen, zündeten jene ein Feuer an, um dem Schellenberger ein gleiches Zeichen zu geben; daher der Name; denn der Wächter rief dann: »Licht im Walde!« Länger als 300 Jahre trieben die Räuber ungestraft dies Wesen; man weiß jedoch nicht, wer und wann es endigte.
(Oesfeld, Hist. Beschr. von Lößnitz, 1776, S. 2.)
Es wird gesagt, daß bei Streitwald ein Treffen vorgefallen sei, man darauf in Beutha die Beute geteilet habe, in Affalter der Feind sei abgehalten und Lößnitz durch einen Nebel den Feinden unsichtbar und also aus ihrer Hand sei erlöset worden.
Eine andere Tradition meldet nichts von einem Streite, erzählt aber mit der vorigen Sage übereinstimmend, daß die Stadt Lößnitz durch einen Nebel verdeckt und so von dem Kriegsheere »erlöset« worden sei. Es sei nämlich der Feind einst früh aufgebrochen und habe seinen Weg auf Lößnitz genommen. Ein starker Nebel aber habe die Stadt, welche im Grunde liegt, den Augen des Feindes entzogen, der[465] alsdann den Weg verfehlt habe und nach Zwönitz und dem Chemnitzwasser entlang bis an die Stadt Chemnitz gekommen sei. (Peck, Beschreibung des Chursächsischen Erzgebirges, 1. B., 1795, S. 4.)
(Beschreibung über die Kirche zu Oberlungwitz, St. Martin genannt etc. von dem dortigen Schulmeister aufgezeichnet 1766, Manuskript.)
In den älteren Zeiten soll in der Gegend, wo jetzt Lichtenstein steht, ein sehr finsterer und dicker Wald gewesen sein, da denn die wenigen Häuser, welche anfänglich erbaut gewesen, den Namen »Finsterstein« bekommen haben. Darnach aber, als der Wald durch Erbauung mehrerer Häuser immer lichter geworden, so daß man den Ort zu einer Stadt bestimmte, hätte er den Namen Lichtenstein bekommen.
(Glückauf 2. Jahrg. No. 7. und Dr. Hasse im Glückauf 3. Jahrg. No. 3., Bahn, Das Amt, Schloß und Städtchen Frauenstein, 1748, S. 34.)
Hinter der Ruine des Schlosses Frauenstein ragt ein mit einem Pavillon versehener Felsen hervor, genannt der Zeisigstein. Der Name soll von einem Hauptmann der meißnischen Burggrafen, Zeisig, herrühren. Erzählt wird darüber folgendes: In der Fehde zwischen dem Kurfürsten Friedrich dem Sanftmütigen und dem Meißner Burggrafen Heinrich Reuß-Plauen, worin ersterer dessen Burg Frauenstein im Jahre 1438 erstürmen und brechen ließ, soll ein sie verteidigender Schloßhauptmann, mit Namen Zeisig, als Rebell auf dem obengenannten Felsen enthauptet worden sein. Noch heutigen Tages zeigt man in der Ringmauer der Burgruine die Thür, durch welche jener burggräfliche Lehnsmann zur Hinrichtung geführt worden sein soll. Ein gleicher und gleichzeitiger Vorgang soll einem weiter nördlich jetzt in den »Bürgerfichten« versteckten Felsen den Namen »Storch« gegeben haben. Die Sage meldet überhaupt von drei Vögeln: Finke, Storch und Zeisig, die auf dem Frauenstein genistet, oder deutlicher zu reden, des Burggrafen zu Meißen Hauptleute gewesen sind.
(Mitgeteilt vom Dir. Ludw. Lamer in Hainsberg.)
Als sich im dreißigjährigen Kriege die Bewohner von Rabenau in die nahen Wälder flüchteten, hielten sie Gottesdienst im Freien,[466] und es heißt der Felsen, von dem herab der Pfarrer predigte, noch jetzt der Predigtstuhl oder die Kanzel. Rabenau aber, welches damals bis auf wenige Häuser niedergebrannt wurde, soll weiter auf der Höhe, in der Gegend des jetzigen neuen Kirchhofs gestanden haben. Nachdem die Kriegsfurie vorbeigezogen war, bauten sich die übrig gebliebenen Einwohner näher der Kirche wieder an.
(Mitgeteilt von. Dir. Ludw. Lamer in Hainsberg.)
Die Tochter des letzten Herrn von Rabenau verliebte sich sterblich in den Junker Jeschke (Jesico) von Dohna. Der harte Vater verwehrte sie ihm aber und schlug seine Werbung rundweg ab. Rasch entschlossen raubte sie der edle Junker und feierte die Brautnacht und das Beilager gleich im Walde an der Stelle, die noch heute das Brautbette genannt wird.
Übrigens soll in den Hainleiten zwischen dem Predigtstuhl und Brautbette, welche vormals zum Schlosse gehört haben sollen, eine ganze Braupfanne voll Gold vergraben sein. Näheres ist darüber aber nicht bekannt geworden.
(Ziehnert, Sachsens Volkssagen, 4. Aufl., Prosaischer Anhang, No. 1.)
Um das Jahr 1651 war Agnes Katharina von Bünau, geb. von Ponikau, Besitzerin von Lauenstein. Ihr Gemahl war auf einer Reise nach Mainz gestorben und hatte sie in Mutterhoffnungen zurückgelassen. Im dritten Monat ihres Wittums gebar sie einen Sohn, der unter der sorgsamen Pflege der Mutter und einer Amme wohl gedieh. Der Knabe war wenig über das zweite Jahr alt, als einst an einem schönen Sommertage Frau Katharina mit der Amme ohnweit des Schlosses auf jenem Hügel lustwandelte, welcher jetzt der Pavillon heißt. Als der Knabe in den Armen der Amme entschlummert war, sprach die Mutter: »Laß uns Blumen pflücken, damit wir ihn dann mit einem Kranze schmücken.« Die Amme bettete das Kind an der Höhe des Hügels in das weiche Gras und half sodann der Herrin die Blumen zu dem Kranze pflücken. Da schoß plötzlich aus der Höhe über dem nahen Forste ein gewaltiger Raubvogel herab auf das schlummernde Kind, faßte es mit den Klauen und schwang sich damit in die Höhe. Doch schien des Knaben Last seinem Fluge hinderlich,[467] denn kaum achtzig Fuß hoch flog er langsam nach den Felsklüften und Wäldern jenseits des Schlosses. Jetzt gewahrten die beiden Frauen den Raub des Kindes. Zum Tode erschrocken schlug die arme Mutter die Hände vor das Gesicht und sank ohnmächtig nieder; die Amme aber verfolgte schreiend und händeringend den über ihr fliegenden Räuber. Schon schwebte derselbe über dem hohen und felsigen Hügel, der im oberen Teile des unmittelbar vor dem Schlosse liegenden Städtchens Lauenstein sich erhebt, – da fiel ein Schuß. Ein Jäger, welcher, aus dem nahen Forste zurückkommend, die Gefahr sah, hatte den Schuß gethan und gut getroffen. Der Vogel stürzte tot zur Erde und lebend und wohlbehalten hing das geraubte Kind an den Klauen des erschossenen Vogels.
Zum Andenken an diese wunderbare Rettung ihres Söhnchens ließ Frau Katharina auf dem Hügel, wo der Vogel tot niederstürzte, einen Turm erbauen und später auch eine Glocke darin aufhängen. Dieser Turm ist zur Ruine geworden und die Glocke hängt jetzt auf dem Turme der Lauensteiner Kirche; der Hügel aber heißt heute noch der Katharinenstein.
(Erzgeb. Bote, 1809, No. 2. Desgl. bei Ziehnert a. a. O., Anhang, No. 35.)
Ein Grünhainer Pater empfand auf dem Wege zur Kapelle, wo er seines Amtes warten wollte, große Hitze und setzte sich im Walde nieder, um zu verkühlen und auszuruhen; aber im Niedersetzen berührte ihn etwas von hinten so unsanft, daß er vor Schmerz laut aufschrie. Er untersuchte den Boden und fand einen starken Zacken gewachsenen Silbers, der drei Zoll lang aus der Erde hervorstand. Um die Stelle sicher zu bezeichnen, zog er seine Kutte aus und legte sie darüber. Dann eilte er in vollem Laufe nach Grünhain zurück und erzählte von seinem Funde voller Freude dem Abte. Bald darauf ward an der mit der Kutte bezeichneten Stelle ein regelmäßiges Berggebäude angelegt, welches lange Zeit gute Ausbeute gab und noch jetzt die Kutte heißt.
(Ziehnert, Sachsen Volkssagen, Anhang, No. 37.)
Im Jahre 1632, als kaiserliche Truppen von der Burg Scharfenstein die ganze Umgegend durchreisten und plünderten, war es einem Trupp herzhafter Burschen aus Elterlein und Zwönitz gelungen,[468] in der Nähe von Scharfenstein sechs Österreicher, welche im dichten Walde schliefen, zu überfallen und gefangen zu nehmen. Was nun mit den Gefangenen zu beginnen sei, darüber entstand bei den Siegern heftiger Streit. Die von Elterlein meinten, daß es das beste sei, sie sämtlich tot zu schlagen; die von Zwönitz wollten nichts davon wissen und brachten es dahin, daß man zuletzt beschloß, sie zur Armee zu bringen. So zogen sie fort. Als sie in die Nähe von Geyer kamen, erhob sich der Streit von neuem, und weil die Elterleiner mit Gewalt drohten, so wurden die Zwönitzer voll Ärger und schieden von ihnen, die Gefangenen ihrem Schicksale überlassend. Dieses war ein trauriges. Denn kaum waren die Zwönitzer im Walde verschwunden, so fielen die mordlustigen Elterleiner über die wehrlosen Opfer ihrer Wut her und ermordeten fünf Österreicher auf die grausamste Weise; den sechsten aber warfen sie in ein tiefes Loch, in welchem ihn die Vorübergehenden noch am andern Tage jammern hörten.
Zum Gedächtnis dieser Greuelthat heißt jene Stelle der Wiesen bei Geyer noch jetzt »sechs Brüder,« ohne daß man bestimmen kann, ob wirklich die sechs unglücklichen Österreicher Brüder gewesen sind.
(Mündlich.)
An der Straße von Marienberg nach Wolkenstein, ungefähr eine halbe Stunde von ersterer Stadt entfernt, erhebt sich die Dreibrüderhöhe, welche jetzt mit dem Prinzeß-Marienturme geschmückt ist. Über den Namen dieses Berges wird folgendes erzählt: Es geschah, daß einst drei Brüder mit einander in den Wald nach Holz fuhren. Da fanden sie einen zu Tage gehenden Silbergang. Sie bauten denselben alsobald ab und legten hierauf, um auch die Erze aus der Tiefe zu holen, ein Bergwerk an, in welchem sie große Reichtümer gewannen. So entstand zuerst die Grube »Alte Brüder«, und später, als auch weiter abwärts Silbererze gefunden wurden, die Zeche »Neue Brüder«. Die Anhöhe aber wurde zur Erinnerung an jene Brüder die Dreibrüderhöhe genannt.
(Fickenwirth, Chronik von Lengenfeld, S. 275.)
Nach einer Nachricht ist die in Waldkirchner Flur und nahe der Grenze des ehemaligen erzgebirgischen Kreises befindliche Waldung,[469] »Reue« genannt, nebst ein paar über der Pammlersmühle gelegenen Feldparzellen einst in der Teurung für 50 Meißner Gulden verkauft worden. Weil nun der Verkäufer es später bitter bereut hat, die Grundstücke so billig verkauft zu haben, so hat man der Waldung den Namen »Reue« beigelegt, welchen sie noch heute führt.
(Mündlich.)
Von Sosa herab kommt das Bärbächel, welches sich etwas unterhalb Blauenthal in die Mulde ergießt. Der auf beiden Seiten von Wald eingeschlossene Grund, durch welchen es fließt, wird der »Bär« genannt. Der Name soll sich von folgender Begebenheit herschreiben: In dem dortigen, einst noch ausgedehnteren Walde sollen sich die letzten Bären aufgehalten haben. Dieselben kamen einst von der gegenüberliegenden Spitzleite und mußten dabei über die Mulde. Ein kleiner Bär wollte nicht mit hinüber, da gab ihm ein alter einen Schlag, daß er sofort tot war. Die übrigen zogen weiter nach ihrem Lager. Von dem getöteten Bären nun soll der Name des Grundes herrühren.
(Mitgeteilt vom Prof. Dr. Friedrich Polle in Dresden.)
An der Müglitz erhebt sich dem Schlosse Bärenstein gegenüber eine schöne, schroff abfallende Felswand, welche ebenfalls der Bärenstein heißt. Sie hat ihren Namen daher, daß auf dem Felsen einst ein Jäger mit einem Bären kämpfte und den Sieg dadurch errang, daß er den Bären die Felswand hinunter warf.
(Ed. Haller, Kurzgefaßte Volkssagen über den Mückenberg. Mückenberg, 1880. Grohmann, Sagenbuch aus Böhmen, S. 246. Karl Müller, die Natur, 1882, No. 24.)
I. Der Volkssage nach soll im 9ten Jahrhundert auf dem Mückenberge bei Graupen, dort, wo sich jetzt bei der Restauration die Pinge befindet, eine Art Turm von Zinngraupen zu Tage gestanden und[470] durch den Schein der Sonne sowohl wie des Mondes einen solchen Glanz verbreitet haben, daß die Ritter der Festen Geiersburg und Lauenstein, welche in jener Zeit diese Gegend allein beherrschten, bei ihrem gegenseitigen Verkehre, welcher meistens auf der Strecke zwischen dem jetzt dort befindlichen sogenannten »Goldammer-« und »Schänkerkreuz« nächst dem Kesselgrund stattfand, diesem Berge mit seinem Zinngraupenturme auswichen, weil dieselben den weithinsichtbaren Schein als einen Spuk ansahen, daher der Berg »Spukberg« oder »Muckberg«, woraus später »Mückenberg« ward, genannt wurde. – Auf derselben Stelle am Mückenberg, wo gegenwärtig das St. Wolfgangs-Kirchlein steht, hatte um jene Zeit ein Einsiedler, mit Namen Wolfgang, seine Klause aufgeschlagen, und bei einem Fehdezug der alten Ritter hatten sich in einer sehr finsteren und furchtbar stürmischen Nacht zwei Knappen in der Richtung von der Geiersburg bis zu der Klause verirrt und waren ob des schlechten Wetters, der dabei ausgestandenen Lebensgefahr und des immerwährenden Spukes so erzürnt, daß sie den alten Einsiedler verdächtigten und ihm als alleinigen Bewohner des Berges alles Unangenehme und Überstandene sowie auch den Spuk zur Last legten. Sie erfaßten endlich den ehrwürdigen Greis, banden ihn und drohten mit Todesqualen, wenn er nicht ein aufrichtiges und reumütiges Geständnis über den teuflischen Spuk und das höllische Wetter, woran er nur allein Schuld sein könne, ablege. Der fromme Einsiedler fiel vor Schreck auf die Knie und bat bei Gott und allen Heiligen, man möchte ihm nur bis Tagesanbruch Lebensfrist gewähren, dann würden ihre Herren Ritter die reichsten Menschen auf Erden sein. Als dies die Knappen hörten, versprachen sie die Bitte zu gewähren. Da nun der Tag graute, war in der Natur Stille eingetreten, kein Lüftchen regte sich, die Lerchen erhoben sich zum Gesange und der alte Einsiedler Wolfgang führte die beiden Knappen den Hügel empor, wo jetzt die Restauration Mückenturm steht, zeigte mit seiner Rechten gegen Osten und siehe da – majestätisch ging die Sonne auf, sodaß die Knappen wie versteinert dastanden. Sodann sprach der Einsiedler mit feierlicher Stimme: »Sehet ihr Rittersknappen! Derjenige Gott, der jetzt die Sonne aufgehen läßt, welche ihre wunderbaren Strahlen auf diesen Zinnturm wirft und immer den Glanz und Schein verbreitet, vor dem ihr euch fürchtet, der läßt auch finstere Nächte, große Stürme und Regen werden; darum gehet hin zu euren Rittern und verkündet ihnen, daß dies kein Spuk, sondern ein mir bekanntes, gewinnreiches Erz ist und daß ich die nächtigen Unbillen von euch unschuldig ertragen mußte, euch aber doch verziehen sei!« Hierauf verließen die beiden Knappen erstaunt und vergnügt über die Schönheit[471] des Sonnenaufganges, aber mehr noch über die glänzenden Zinngraupen, den Muckberg und begaben sich durch den Kesselgrund nach der Geiersburg, wo sie alles verkündeten, was sie erlebt und gesehen hatten. Von dieser Zeit an wurde der Einsiedler oft von den Rittern der Geiersburg und Lauenstein besucht, die auch angefangen haben sollen, daselbst die Zinngraupen zu brechen.
II. In der Nähe von Teplitz hauste einst ein gottvergessener Räuber, dessen weittragendes Gewehr alle Hühner und Gänse in der Nachbarschaft erlegte. Obendrein stahl er den Leuten ihre Haustiere. Mit dem Raube eilte er immer auf den Berg, und so rasch, daß ihn der schnellste und gewandeste Mann nicht einzuholen vermochte. Einst hatte der Bösewicht auch einer armen, alten Frau ihre Kuh gestohlen. Das Mütterchen aber, froh des Besitzes einer Wünschelrute, schwang diese, sobald sie den Raub entdeckt, und rief im höchsten Ingrimme die Worte aus: »Du sollst zerstochen sein, bevor du den Gipfel des Berges erreichst!« Diese Verwünschung ging sofort in Erfüllung. Ein ungeheurer Mückenschwarm tauchte auf und zerstach den Jägersmann, bis er entseelt am Boden lag. An der Stelle, wo ihn die Strafe für seine Unthaten ereilte, errichtete man später ein Denkmal, das als Mückentürmchen noch heute ein beliebter Ort für die Ausflüge der Badegäste von Teplitz ist.
Die wunderbaren Angaben einzelner Sagen lassen sich auf wirkliche Naturerscheinungen zurückführen. Der Turm von Zinngraupen, welcher sich an der Stelle der jetzigen Pinge bei der Restauration erhob, ist z. B. eine Erinnerung an den großen Reichtum genannten Erzes, dessen auch Albinus mit den Worten gedenkt: Der Mückenberg ist vor Zeiten berufen gewesen; zu unsern Zeiten hat ein Zinngraup allda so groß als ein Menschenhaupt gebrochen. (Meißnische Bergk-Chronika. 1590. S. 131.) Ebenso mag die zweite Sage auf einer Thatsache beruhen. Ungeheure Mückenschwärme sind gewiß dann und wann im Erzgebirge aufgetreten; so schreibt Lehmann in seinem Hist. Schauplatz (S. 646), daß am 1. Mai 1648 auf dem Markte zu Scheibenberg ein großes Heer seltsamer Mücken eingefallen sei und an den Häusern eine halbe Stunde geruht habe, um darauf seinen Flug nach dem böhmischen Walde fortzusetzen.
(Engelschall, Beschreibung der Exulanten- und Bergstadt Johanngeorgenstadt. Leipzig, 1723, S. 11.)
Der Name des Fastenberges, worauf jetzt Johanngeorgenstadt steht, soll davon herrühren, daß einst bei einer Jagd auf diesem Berge[472] eine Kurfürstin starken Hunger empfand, und daß sie darauf, nachdem nichts oder nur wenig Speise sich vorgefunden, gesagt habe: »Das mag mir wohl ein rechter Fastenberg sein!«
(Staberoh, Chronik der Stadt Oederan, 1847, S. 84.)
Im Jahre 1429 zog Procopius mit 300 der edelsten Hussiten aus der Lausitz nach Basel zu einem Friedensversuche. Unangefochten zog dabei der Furchtbare, vor dem die Kinder auf der Gasse davon liefen, über Dresden und Freiberg durch Oederan. Einer von seinem Gefolge, Bodowin von Horomirz wird er genannt, welcher sich verspätet hatte, kam zwei Tage nachher ganz allein durch Oederan. Da wurde er sogleich von den Oederanern ergriffen, hinaus an das Weichbild an der Nossener Straße geschleppt, dort lebendig gespießt und ihm sein silberner Helm oben auf den Pfahl genagelt, an dem der Unglückliche verblutete. Weithin schimmerte in der Sonne diese Silberkappe, an der sich niemand zu vergreifen wagte, und erst zur Zeit der Reformation verschwand sie zugleich mit dem daneben errichteten Heiligenbilde. Von dieser Begebenheit wurde die Stelle und Anhöhe der weiße Helm genannt.
(Weymann, Führer durch das böhm. Erzgebirge, S. 132.)
Nördlich von dem Städtchen Platz auf dem böhmischen Abhange des Gebirges erhebt sich die »Schweiger-Höhe« oder der »Schweiger«. Nördlich und nordöstlich ansteigend und fast bis zum Scheitel urbar, fällt diese Höhe südlich und westlich jäh ab, nach allen Seiten hin die schönste Fernsicht gewährend. Der Name »Schweiger« soll daher kommen, daß der Sage nach hier einst ein Sprosse der Hassensteiner als Einsiedler seine Zelle hatte und »schweigend« seine Lebenstage zubrachte.
(Mündlich.)
Auf dem Hausberge bei Graslitz i. B. stand einst ein Schloß, welches erstürmt und zerstört wurde. Dabei stürzte der silberne Knopf[473] des Turmes in den unten im Thale fließenden Bach, worauf dieser fernerhin der Silberbach genannt wurde.
(Staberoh, Chronik der Stadt Oederan, 1847, S. 14.)
Kurz vor Entstehung von Oederan veranstalteten die reich gewordenen Bewohner Freibergs eine Wallfahrt nach Ebersdorf bei Frankenberg, um daselbst am Marienbilde zu beten und reiche Geschenke darzubringen. Sie kamen glücklich durch die ausgedehnten Waldungen bis an den jetzigen Schieferbach bei Falkenau. Hier wurden sie plötzlich von den Räubern des Schellenbergs angefallen. Aber die Wallfahrer hatten sich eine starke Bedeckung von kampffähigen Männern mitgenommen, denen die Räuber unterlagen. Ihre Flucht über das Eis der Flöha, welches brach, mißlang gänzlich und sie suchten deshalb ihre Rettung in dem Walde. Doch auch hier ereilte sie das Verderben; sie wurden umzingelt, mit Feuerbränden hinausgetrieben und größtenteils erschlagen. Das Versteck der Räuber aber führt seit dieser Zeit zur Erinnerung an den teilweisen Feuertod der Räuber den Namen »Höllengrund.«
(Mündlich.)
Das Schulmeisterbächel ist ein kleines Bergwässerchen, welches sich von Westen her in den aus der Gegend von Weiters Glashütte herabkommenden Glashüttenbach ergießt. Zu Zeiten, da die Schulmeister in dem nahen Karlsfeld noch sehr gering besoldet waren, soll sich ein solcher aus Nahrungssorgen in einem kleinen Teiche, welcher früher die Zuflüsse für das genannte Wässerchen vereinigte, das Leben genommen haben.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 51.)
Bei dem Dorfe Pfaffengrün steigt ein Basaltkegel empor, der gleichsam ein von dem Bergesheer des Erzgebirges hinausgeschobener Vorposten ist. Er führt seines scharf zugespitzten Gipfels wegen den Namen Spitzberg, wird aber auch Kreuzberg genannt, weil seine äußerste Spitze ein Kreuz aus Fichtenholz ziert.
Die Sage berichtet, daß die Pfaffengrüner, als sie einstmals am Spitzberge das erste Kreuz aufgerichtet hatten, ein fröhliches Fest feierten und sich auf dem Dudelsack eines aufspielen ließen, als ob Kirmes gewesen wäre. Aber dieses Gedudel der Sackpfeifer war dem Herrn im Himmel nicht wohlgefällig, insonderheit, weil die Pfaffengrüner dabei tanzten, denn er ließ mitten in Spiel und Tanz ein Wetter heraufziehen. Während nun der Himmel ihnen mit seinen Posaunen gehörig aufspielte, daß es eine Art hatte, als ob es die Berge aufreißen wollte, fuhr plötzlich der Blitz in das Kreuz. Die Pfaffengrüner sahen alsbald ihr Unrecht ein, sie krochen ganz mäuschenstille auf den Spitzberg und errichteten dort beim Rosenkranzbeten ein neues Kreuz.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 48.)
Gegenüber dem zwischen Schlackenwerth und Joachimsthal sich erhebenden Braunsteine liegt der Dreimännerberg, allwo drei Männer bis an die letzten Lebenstage getrachtet hätten, nach der Anleitung des Eremiten »Jabes« (Johannes Niavis oder Schneevogel) den schwarzen Erzgang über dem Wolfsberge aufzumachen. Alle drei schlugen die Schächte über dem Herrnackerberge nieder, weil sie den schwarzen Gang so aufzuschließen im Sinne hatten, aber es blieb bei dem »Glückauf!« Und wenn sie hineinriefen in die Schächte, durch die Stollen und mit dem Hammer und Schlegel frugen, der schwarze Gang gab keinen Bescheid mit seinem tauben Gestein.
(Lindner, Wanderungen durch die interessantesten Gegenden des sächs. Erzgebirges, II. H. Annaberg, 1847, S. 30.)
Dicht an der Straße von Eibenstock nach Schönheiderhammer erhebt sich in der Nähe des letztgenannten Ortes ein zerklüfteter, hoher Granitfels, der Rockenstein genannt. Die Sage erzählt, daß einst ein tugendhaftes Mädchen mit ihrem Spinnrocken dem zudringlichen Gelüst eines rohen Jünglings entflohen und Sicherheit auf diesem in Wald gehüllten Granitfelsen gesucht, hier aber von ihrem Verfolger entdeckt und von dem Felsen herabgestürzt worden, indem nur der Rocken zurückgeblieben sei.
Diese Sage wurde jedenfalls später dem bereits bestehenden Namen des Felsens hinzugedichtet. Die ganze Beschaffenheit des Felsens, auf dem möglicherweise früher[475] ein loser, hin und her zu wiegender Block lag, spricht dafür, daß unser Rockenstein identisch mit den »Rogensteinen« oder »Rocksteinen« Schwedens ist. Letztere sind »solche Felsstücke, welche eine Lage haben, als wären sie genau auf ihren Schwerpunkt gelegt, so daß sie mit geringer Kraft hin und her bewegt werden können.« (Afzelius, Volkssagen und Volkslieder aus Schweden, I. Leipzig, 1842, S. 44.) – Noch sei es gestattet, wenn wirklich der Rockenstein früher ein Rock- oder Wackelstein war, die Frage anzuschließen: War derselbe ein heidnischer Opferstein? Die Wackelsteine, die man mit den keltischen Wagsteinen vergleichen kann, waren jedenfalls heidnische Opferstätten oder Beratungsorte und dienten auch als Orakel bei Prüfung der Frauentreue. Dann könnte unsere Sage aber auch eine schwache Erinnerung der altgermanischen Menschen- und insbesondere Jungfrauenopfer erhalten haben. Darauf würden überhaupt manche Sagen von Jungfern- und Mägdesprüngen zurückzuführen sein, (S. auch Nork, Sitten und Gebräuche der Deutschen, S. 353). Auf dem Oybin bei Zittau zeigt man einen solchen Jungfernsprung, d. h. die Stelle, von wo einst ein verfolgtes Mädchen hinabgesprungen sein soll. Noch ehe auf dem genannten Felsen ein Schloß und ein Kloster standen, war daselbst eine heidnische Kultusstätte, und schon Karl Preusker sprach in seinen Blicken in die vaterländische Vorzeit (III. S. 176.) die Vermutung aus, es könne die Sage vom Oybiner Jungfernsprunge eine Erinnerung an ein ehemaliges Menschen- resp. Jungfernopfer sein. (Moschkau, Oybin-Chronik, S. 10–13.)
Dürfte man etwas Ähnliches auch bei unserer Sage vom Rockensteine vermuten?
(Hecht, Geschichte des kursächs. Bergfleckens Sosa, 1778, S. 15.)
Der zweithöchste Berg in der Umgebung des Dorfes Sosa bei Eibenstock ist der Riesenberg, auf welchem der Sosaer Bach entspringt. Die Bergleute haben auf diesem Berge oft Menschenknochen von einer besonderen Größe gefunden. Daher ist der Name des Berges entstanden.
(Grundigs Nachricht vom ehemaligen Schlosse Eisenburg in Kreisig, Beiträge zur Hist. d. Churs. Lande, 2. T., S. 383.)
Zwischen Schloß Stein und Niederschlema erhebt sich am rechten Muldenufer ein bewaldeter Berg, der Mehltheuer genannt. Derselbe soll seinen Namen davon haben, daß auf ihm in teurer Zeit Mehl hervorgequollen sei.
(Meltzer, Hist. Schneeberg., 1716, S. 24.)
Die dem Kirchberge gegenüberliegende Anhöhe in Schneeberg, auf welcher das K. Seminar steht, führt den Namen Claußberg.[476] Den Ursprung desselben leitet man davon ab, daß auf ihr einst ein Edelmann, namens Clauß, mit einer Armbrust von einem Bauer erschossen worden sein soll.
(Sachsens Kirchengalerie, 8. B., S. 4.)
Am südlichen Ende des zwischen Chemnitz und Schellenberg gelegenen Dorfes Euba erhebt sich eine kleine Anhöhe, der Galgenberg genannt, von der man eine herrliche Aussicht auf das obere Gebirge und abwärts bis in die Gegenden von Oschatz und Rochlitz genießt. Auf dieser Höhe befindet sich eine einfache hölzerne Säule, welche der jedesmalige Eigentümer der Anhöhe in baulichem Zustande zu erhalten hat. Man hält sie der Sage nach für einen ehemaligen Galgen, an welchem im 30jährigen Kriege ein Corps Schweden, welches da seinem Feinde gegenübergestanden, einen gefangenen Spion soll aufgehängt haben. Daher der Name Galgenberg.
(Dr. Hasse im Glückauf, 3. Jahrg., No. 3., z. T. mündlich. Bahn, Das Amt, Schloß und Städtchen Frauenstein, 1748, S. 7.)
Das Buttertöpfchen heißt im Munde des Volkes ein Felsenzahn bei Frauenstein. Ohne äußerlich sichtbaren Zusammenhang mit dem nahen und breiteren Quarzfelsen, der unter dem Namen »Weißer Stein« aus Geographien bekannter ist, erhebt er sich nicht allzu hoch aus freiem Felde, etwa hundert Schritte westlich von der Freiberg-Frauensteiner Chaussee, von der er jedem Passierenden ins Auge fällt, und ebensoweit von dem ihn gegen Abend in mittäglicher Richtung umsäumenden »Hohebusch«, einem ausgedehnten Fichtenwalde des Frauensteiner Staatsforstreviers. Seinen Volksnamen »Buttertöpfchen« soll er davon erhalten haben, daß hier lagernde Hussiten vor ihrem Abzuge, zum Andenken an ihren schrecklichen Aufenthalt die Umrisse eines Kelches in eine Seitenfläche des Felsens eingegraben, woraus die damals dem katholischen Dogma der Kelchentziehung noch fest anhangenden Umwohner oder ihre Geistlichen zum Spott, wegen der Ähnlichkeit der Figur, ein Butternäpfchen oder Töpfchen gemacht haben sollen. Die andere Annahme, daß der Volksmund den isolierten, im Laufe der Jahrhunderte ziemlich verwitterten Felsen wegen seiner eigenen Ähnlichkeit mit einem solchen Gefäße so genannt habe, hat deswegen[477] weniger Wahrscheinlichkeit für sich, weil eine solche Ähnlichkeit von keiner Phantasie zu entdecken sein dürfte.
Noch giebt es eine dritte Sage, nach welcher der Felsen seinen Namen von folgender Begebenheit haben soll: Es gingen einst zwei Burschen mit Butter von Burkersdorf nach Frauenstein. Als sie in die Nähe des Felsens kamen, gerieten sie mit einander in Streit und sie warfen sich in der Hitze mit ihren Buttertöpfen; dabei wurde einer von ihnen so unglücklich getroffen, daß er sofort tot hinstürzte. Zur Erinnerung an diese Begebenheit benannte man den an dem Thatorte stehenden Fels »Buttertöpfchen«.
(Fickenwirth, Chronik von Lengenfeld, S. 276.)
In der südlich vom Dorfe Pechtelsgrün gelegenen Waldung liegt rechts von dem gewöhnlichen alten Fußsteige nach genanntem Dorfe in einem Fahrwege ein 4 Ellen langer und 1¼ Elle breiter Granitstein, worauf ein Kreuz eingehauen ist. Diesen einfachen, neben einem kleinen fließenden Wasser befindlichen Stein bezeichnet die Volkssage als einen Taufstein und setzt hinzu, daß vor langen Jahren in Kriegsnöten Emigranten sich in diesen finstern Wäldern verborgen gehabt und Gottesdienst hier gehalten und den Stein als Taufstein benutzt hätten.
(Nach O. Gießler, Sächs. Volkssagen (Stolpen o. J.), S. 128.)
Das Wirtshaus auf dem Schottenberge bei Annaberg wird »zum letzten Heller« genannt; ihm gegenüber sieht man Felsen, von denen einige die Form einer Kanzel haben und den Namen »Teufelskanzel« führen. Beide Namen werden auf folgende Begebenheit zurückgeführt.
Ein Student von der Prager Hochschule durchwanderte einst die wilde Gegend, wo jetzt die Städte Annaberg und Buchholz liegen. Als er eines Abends an den Fuß des Schottenbergs kam und die Sehma überschreiten wollte, wurde er von einem großen Bären angefallen, vor dem er sich nur durch eilige Flucht rettete. Atemlos und mit blutigen Streifen im Gesichte, welche die Gesträuche geschlagen hatten, erreichte er den Gipfel des Berges und gelangte nach wenig[478] Schritten zu einem Häuschen, aus dem ihm ein Licht entgegenschimmerte. Von dem Wirte und dessen Frau freundlich bewillkommnet, erholte er sich bald bei Speise und Trank in der wohlerwärmten Stube. Nun hörte er von der redseligen Wirtin, welcher Gefahr er glücklich entgangen sei, denn in dem nahen Walde trieben böse Geister ihr Wesen und der Bär sei wahrscheinlich auch ein solcher gewesen. Nicht weit von ihrem Häuschen befinde sich im Walde ein Kreis von zackigen Felsen; dort solle der Teufel selbst wohnen und einen großen Schatz bewachen.
Als der von dem reichlich zugesprochenen Getränke erhitzte Student von dem Schatze hörte, sprang er auf und wollte einen Kampf mit dem Teufel wagen, um den Schatz zu gewinnen. »Den hebe ich mir«, rief er aus, »denn meinen letzten Heller habe ich bei euch vertrunken!« Die mahnenden Worte der Wirtsleute halfen nichts, der Student stürmte hinaus nach den bezeichneten Felsen. Dort rief er den Teufel herbei, und plötzlich tauchte eine schwarze Gestalt aus der Finsternis und sprach: »Was willst du?« Sogleich fiel der Student mit seinem Dolche über den Schwarzen her, doch wurde ihm die Waffe entwunden und in die Felsen geschleudert. Jetzt faßte er seinen Gegner wieder, da zuckte ein Blitz und beim Scheine desselben sah er noch deutlicher die schwarze Gestalt. Entsetzen erfaßte ihn nun und bewußtlos stürzte er zwischen den Felsen nieder.
In dem Häuschen aber warteten unterdeß die Wirtsleute vergeblich auf die Rückkehr des Studenten. Als sie am Morgen durch das Fenster blickten, sahen sie zu ihrem Schrecken den Teufel auf ihr Haus zukommen. Ehe sie sich noch verbergen konnten, trat derselbe bei ihnen ein und schleppte mühsam den leblosen Studenten mit sich. Wie er die Furcht der Leute erkannte, schlug er ein Kreuz und sprach: »Fürchtet euch nicht, ich bin ein Mensch wie ihr!« Und so war es auch. Es war der Schornsteinfeger, welcher auf dem Rückwege von dem Kloster Grünhain von der Nacht überrascht worden und in der Irre gegangen war, bis er sich an den Felsen ein Nachtlager gebettet hatte. Da war er durch den Ruf des Studenten aufgeweckt worden und noch halb im Schlafe war er auf denselben zugegangen. Als ihn dieser aber mit dem Dolche angefallen, erzählte er weiter, habe er sich zur Wehr gesetzt und einen grimmigen Kampf bestanden. Weiter wisse er nichts. Als er am Morgen aus seiner Ohnmacht erwacht sei, habe er blutend neben seinem Gegner gelegen, den er nun mit sich geschleppt. Während dieser Erzählung zeigten sich bei dem Studenten Lebenszeichen und es gelang auch bald, ihn wieder zum Bewußtsein zurückzubringen. Unter der Pflege seiner Wirtsleute erholte er sich, diese gewannen ihn[479] lieb, und da er selbst gern an dem Orte bleiben wollte, nahmen sie ihn an Kindesstatt an und hinterließen ihm bei ihrem Tode das Haus, welches von nun an nach den vor dem Kampfe mit dem vermeintlichen Teufel von dem Studenten gesprochenen Worten »zum letzten Heller« genannt wurde. Die nahen Felsen hieß man nach jenem Kampfe die Teufelskanzel. Der ehemalige Student aber heiratete die Schwester des Schornsteinfegers und erfreute sich noch lange eines bescheidenen Wohlstandes.
(Schumann und Schiffner, Lexikon v. Sachsen, 17. B., S. 103.)
Im Osten von Jöhstadt verbreitet sich über steiles und hohes Gebirge zwischen dem Schwarzwasser und der Preßnitz der Kriegswald, dessen Name nicht ohne Wahrscheinlichkeit auf ein den Hussiten geliefertes, doch für Sachsen unglücklich ausgefallenes Treffen bezogen wird. Man hat ganze Haufen von Totengebeinen gefunden, die mit Moos so verwachsen waren, daß sie gleichsam wie Stücken alter Mauern erschienen; ferner fand man daselbst viele Hufeisen, Pfeilspitzen, Hacken u. s. w. Das »rote Wässerchen« an der böhmischen Landstraße wurde nach der Volkssage von dem Blute benannt, das in jener Schlacht darin floß.
Wahrscheinlich beruht diese Sage auf folgender Begebenheit:
Wie die Hussiten sich Meister im Feld sahen, rüsteten sie sich 1426, um die entfremdeten Städte wieder zu erobern. Die Kurfürstin von Sachsen ließ, inzwischen ihr Gemahl, der Kurfürst Friedrich in Ungarn war, bei Freiberg ein großes Heer sammeln, und als dasselbe über den Wald kam, fanden sie bei Dorf Preslitz (Preßnitz) den Feind wohlgerüstet ihrer warten. Die Böhmen deckten sich mit ihren Schilden und hatten ihr Lager mit einer Burg von 500 Wagen mit Ketten umschlossen, führten auch lange Haken, mit denen sie die Reiter von den Pferden zogen. Wiewohl nun die Sächsischen sie tapfer angriffen, ihnen die Schilde mit Hellebarden vom Leib zogen und lang fochten, mußten sie doch endlich, von der Hitze noch mehr ermüdet und vom Staub geblendet, die Flucht ergreifen. Der Graf von Gleichen und sein Lieutenant, der Graf von Thun, wurden mit 9000 Mann erschlagen, darunter noch 12 Grafen, 4 Freiherrn, viel Ritter und Edle, 21 derer von Köckeritz und einer von Schönborn mit 5 Söhnen, da der sechste daheim in der Wiege lag. Conrad von Einsiedel ward gefangen, kam in die Türkei, ward nach 30 Jahren vor Belgrad wieder gefunden und daheim von den Seinen fast nicht mehr erkannt. Es ward nachmals eine Kapelle gebauet, an einem Bächlein, das mit dem Blute der Erschlagenen soll geflossen sein. (S. Sächsischen Helden-Saal, Nürnberg, 1734, 2. T., S. 18.) Was hier in die Gegend von Preßnitz verlegt wird, geschah jedoch bei Außig.
(Lehmann, Histor. Schauplatz, S. 252 und 253. Erzgebirgs-Zeitung, 1. Jahrg., S. 67. Bahn, Hist. Nachrichten von Frankenberg und Sachsenburg, S. 17. Richter, Chron. von Chemnitz, S. 36. Merkels und Engelhardts Erdbeschr. v. Kursachsen, 2. B., S. 200.)
1) Der Jüdenbrunnen bei Kühnheide, dessen in einer alten Berg- und Mönchsschrift gedacht wird, wurde vorzeiten von den Jüden und Wallonen der Goldkörner wegen besucht.
2) Mit dem Wasser des Löffelbrunnens auf Satzunger und Preßnitzer Revier hat man in Kriegszeiten die Kinder getauft.
3) An dem Traubrunnen zu Steinbach hat man in Kriegsläuften die Eheleute getraut.
4) Der kurfürstliche Jagdbrunnen liegt eine Meile von Crottendorf nach dem Eisenberge zu. Aus ihm hat Johann Georg I. im Jahre 1613 oft getrunken und dabei gerühmt, daß ihm kein Wein noch Bier besser geschmeckt habe. Er ließ auch den Brunnen für seine Jäger einzimmern, die letzteren aber schnitten daneben in einen Baum eine Trinkkanne ein, die Vorbeigehenden des gesunden Wassers zu versichern.
5) Der süße Kühl- und Löschbrunnen zu Schlettau. Am 23. Febr. 1646 lief der Waffenstillstand zwischen Kursachsen und den Schweden zu Ende. General Wrangel kam mit 20 Regimentern über den Preßnitzer Paß und hatte das Hauptquartier in Schlettau bezogen. Der linke Flügel lag im Felde und im Grunde bei den Teichen. Da standen viel Oberste zu Roß und Fuß bei einem frischen Brünnlein, zogen ihre silbernen und vergoldeten Becher heraus, schöpften Wasser, löschten den Durst auf das annabergische Bier, und lobten und priesen dabei das gute, gesunde Wasser viel höher als Bier.
6) Am Fuße des Hochleitenberges bei Pürstein befindet sich ein Brunnen, dessen Wasser aus den Felsen hervordringt, und heißt Finkenbrunnen. Nach einer alten Sage haben dort drei Monarchen bei einem Labetrunk dieses Wassers sich zum Bunde vereinigt.
7) In einer Waldung bei Frankenberg, das Gehege genannt, in welcher die Kurfürsten öfters gejagt haben, sind zwei Börner, welche die Goldbörner heißen, davon eine Sage ist, daß der Kurfürst Johann Georg I., glorwürdigsten Andenkens, auf der Jagd daraus getrunken und dazu gesagt habe: »Das Wasser ist Goldes wert!«[481] worauf er etliche Dukaten in die Börner geworfen, die dem anwesenden Förster zu teil geworden, der von selbiger Zeit an diese Börner seine Goldbörner genannt hätte.
8) In dem Zeisigwalde bei Chemnitz, welcher früher auch der Kaiserforst und das Bramenholz genannt wurde, ist eine Quelle, welche der Goldborn heißt. Der Goldborn diente den alten Mütterchen zum Scherz, wenn sie den Kindern erzählten, daß der Storch die kleinen Kinder aus dem Goldborne hole und bringe.
In dem Scherz liegt ein tieferer Sinn, indem derselbe darauf hinweist, daß Brunnen Symbole der Fruchtbarkeit sind. Das Wasser ist ein Bild der Erzeugung, und daher der Glaube, daß der Storch die kleinen Kinder aus einem Brunnen holt. Auf dem Queckborn in Dresden stand früher das Bild eines Storches.
9) Im Walde am Schatzensteine bei Elterlein liegt der Zigeunerbrunnen. Der Sage nach hatten an demselben einst Zigeuner, welche in dem Walde hauseten, ihren Lagerplatz. Sie durchzogen wie Heuschrecken das Land und am Schatzensteine teilten sie ihre Schätze; daher der Name desselben.
1) »Grauen Manns Fundgrube« bei Johanngeorgenstadt. Der Name soll von einem grauen Männchen, das man daselbst gesehen haben will, herrühren.
2) »Glockenklang und Vogelgesanger Fdgr.« bei Johanngeorgenstadt hat ihren Namen und Ursprung von einem starken Geläute, welches man auf des Försters Vogelherd einige Tage vernommen, so deutlich, als geschehe es in einer nahegelegenen Stadt, wobei man auch zuweilen ein Bobern oder Lummern in der Erde verspürte.
3) »Hohe Tanne« bei Johanngeorgenstadt. Der Name rührt daher: Etliche Bergleute schürften nach einem Zwittergang, und als sie im Schurf arbeiteten, geschah in dem nächst stehenden Tannenstummel ein solcher Knall, daß zugleich die Splitter davon wegsprangen.
4) »Scheller Traum« am Jugler Wege bei Johanngeorgenstadt. Der Name rührt von einem Traume her, welchen eine Frau gehabt und der den Ort anzeigte, wo man einschlagen müsse.
(Engelschall, Beschr. der Exulanten- und Bergstadt Johanngeorgenstadt, 1723, S. 229. 244. 246.)
5) Dicht bei dem K. Blaufarbenwerke in Oberschlema findet sich ein alter Stollen, das Bocksloch genannt. In demselben soll sich ein Gespenst in Gestalt eines großen, schwarzen Bockes zu gewissen Zeiten und sonderlich des Mittags und um Mitternacht sehen lassen, um die Vorübergehenden zu necken.
(Meltzer, Historia Schneebergensis, 1716, S. 47.)
6) Die fruchtbare Thorheit, eine frühere Silbergrube bei Schneeberg, erhielt ihren Namen von folgender Begebenheit: In den ersten Jahren des Schneeberger Silberbergbaues war man so silberhungrig, daß man jeden Fleck Erde für das Gewölbe einer unterirdischen Schatzkammer halten mochte. Damals schlug auch der Münzmeister Funk sogar in seiner Schmelzhütte ein und beschädigte dadurch das Gebäude, worüber man allgemein lachte. Da aber nachher die Zeche ergiebig war, nannte man sie bezeichnend »fruchtbare Thorheit.« (Merkels und Engelhardts Erdbeschr. v. Kursachsen, 1. B., S. 171.)
(Moller, Theatrum Freibergense Chron. II, S. 61. Wilisch, Kirchen-Historie von Freiberg etc., II, S. 301.)
Eine der größten Zechen Freibergs war bereits vor Jahrhunderten diejenige, welche später die Mordgrube genannt wurde. Der Grund zu dieser Benennung schreibt sich von folgender Begebenheit her: Als die Gruben mit einer großen Menge Berghäuer belegt waren, welche an Feiertagen gewisse Zusammenkünfte, und dabei an den Zechenhäusern gemeine Tänze abhielten, geschah es, daß an einem solchen Orte, zwischen Berthelsdorf und Erbisdorf, als gerade ein öffentlicher Reihetanz abgehalten wurde, ein Priester mit der Monstranz vorüberging, um einen Kranken zu berichten. Als der voranschreitende Meßner das gebräuchliche Zeichen mit dem Glöckchen gab, hat unter den Tanzenden und Zuschauenden niemand desselben wahrgenommen, außer der Spielmann, welcher zum Tanze gefiedelt; derselbe ließ sich auf das eine Knie nieder, um dem heiligen Sakrament Ehre zu erweisen. Da soll sich alsbald die Erde geöffnet und die ganze anwesende Gesellschaft lebendig verschlungen haben, ausgenommen den Spielmann, welcher sich auf einem kleinen Hügel erhielt, bis man ihm zu Hülfe kam. Darauf ist auch der Hügel niedergegangen, so daß man weder Tänzer noch Tänzerinnen mehr gesehen. Man hat lange Zeit darauf an diesem Orte nicht weiter bauen können und erlangte auch den Schmuck und das Geschmeide[483] der Vergrabenen nicht wieder, so viel man sich Mühe gegeben. Was man des Tages bewältigte, das ist des Nachts wieder eingegangen. In der Kirche zu Erbisdorf soll früher die ganze Begebenheit bildlich dargestellt gewesen sein.
(Meltzer, Hist. Schneebergensis, S. 150.)
In der Pacemmühle an der Kobaltstraße in Schneeberg soll ehemals ein böhmischer Müller gewohnt haben, welcher zu jedem Knaben zu sagen und ihn zu rufen pflegte: Bacchale patszem! welches in böhmischer Sprache so viel geheißen als: Junge, komm her! Wie nun das erste Wort zu Schneeberg gar gemein geblieben, daß man einen Jungen Bacchale zu rufen pflegte, so hat auch das andere leicht den Namen des Pacemmüllers und der Pacemmühle aufbringen können.
(Mitgeteilt vom Lehrer Thuß in Tellerhäuser.)
Unweit Weiters-Wiese bei Karlsfeld liegt im Walde ein altes Torfhaus, welches die Mordhütte genannt wird. Es soll früher daselbst eine Pechsiederei gewesen sein; der daselbst die Arbeiten leitende und Aufsicht führende Pechsteiger aber war durch irgend welche Umstände mit einem seiner Leute verfeindet. Als der Steiger nun eines Mittags in der Hütte schlief, goß ihm sein Untergebener siedendes Pech in den offen gehaltenen Mund, so daß er sterben mußte. Von dieser Begebenheit soll sich der Name jener Hütte herschreiben.
(Grundig, Neue Versuche nützlicher Sammlungen etc., I. B., Schneeberg, 1740, S. 31 u. 32.)
Der Bergort Geyer hat in seinem Stadtwappen von langen Zeiten her drei Geiersköpfe. Dieselben beziehen sich auf die Sage von der Entstehung des Bergbaues in dem Geyersberge, an welchem das Bergstädtchen gegründet wurde. Einige glauben nämlich, daß durch einen Geier, welcher auf dem Geyersberge geheckt und viel Tauben und Hühner vom Hofe zu Tannenberg weggetragen, das Zwitterwerk zum Geyer erreget worden, indem die Schützen dem Geier nachgespüret und darüber schöne Zinngraupen angetroffen haben.
(Anton Bär im Nachrichtsblatt für Kirchberg und Umgebung, 1881. Nr. 48.)
Die alte Stadt Kirchberg besaß drei Thore mit Türmen: im Osten das Schneeberger, im Norden das untere und im Süden das obere Thor. Als Bild führte nun die junge Stadt drei Thortürme oder auch die dreifach getürmte Kirche im Wappen.
(Nach der Kirchengalerie v. Sachsen, 2. B., S. 187. Wilisch, Kirchenhist. von Freiberg etc. II, S. 475.)
Öderan führt im Wappen ein auf zwei Türmen liegendes Wagenrad, um damit anzudeuten, daß die Entstehung der Stadt im 12. oder 13. Jahrhundert ein Fuhrmann veranlaßte, welcher auf dem Platze eine Herberge erbaute. Bald gesellten sich noch andere Anbauer und unter anderen einige Mönche hinzu, welche vor ihrer Einsiedelei ein großes Kreuz aufpflanzten und Vorübergehende um Almosen ansprachen. Man nannte sie »Schmerbrüder«, und es soll zu diesem Namen die Wagenschmiere den Fuhrleuten Veranlassung gegeben haben, wie alte Erzählungen berichten, nach denen auch der lang erhaltene Gebrauch des schwarzen Siegels bei dem Rate zu Öderan darauf zurückzuführen ist.
(Bahn, Hist. Nachrichten v. Frankenberg u. Sachsenburg, 1755, S. 36.)
Das Stadtsiegel von Frankenberg stellt ein mit einer Krone auf dem Haupte und mit einem Kranze in der rechten Hand geziertes Frauenzimmer vor, so zwischen zweien Türmen über einer Mauer mit offenem Thore stehet. Vor Zeiten aber hat Frankenberg ein redendes oder Namenssiegel gehabt, sintemal auf einem Kupferstich, der Anno 1690 gestochen worden, sich in dem Stadtsiegel ein Franke präsentieret, der mit einem Mantel bekleidet ist und in der rechten Hand ein großes Schlachtschwert mit der Spitze unterwärts zwischen zweien Türmen über einem offenen Thore vor sich gestemmt hat, anzuzeigen, wie die alten Franken, wenn sie ihren Feind aus dem Felde geschlagen, die Schwerter in die Erde gestoßen und gleichsam Besitz von der Wahlstatt genommen haben.
(Kirchengalerie von Sachsen, 4. B., S. 183.)
Das Gerichtssiegel von Rabenau führt von altersher einen Raben mit gespaltenem oder offenem Schnabel und mit zum Schlagen oder Fliegen fertigen, halb ausgespannten Flügeln. Auch soll auf der Kirchturmspitze ein die Flügel ausbreitender Rabe zu sehen gewesen sein. Damit will man den Namen des Ortes von den vielen Raben, welche sich daselbst aufgehalten haben, ableiten.
(Steinbach, Historie von Zöblitz. Dreßden, 1750, S. 29.)
Das Stadtsiegel von Zöblitz stellt einen Bärenkopf vor, und will man vorgeben, es sei vor Alters ein Bärenfang hier gestanden.
(Tobias Schmidt, Chronica Cygnea. Zwickau, 1656, S. 136.)
Im Jahre 1013 hat Kaiser Heinrich der Stadt Zwickau und dem Rate ihr Wappen gegeben, nämlich einen Schild vierfach zerteilet, ganz rot, oben drei weiße Schwanen, im andern Teil drei Türme, unter denen ein Wasserfluß; in dem untern Teile des Schildes ebenso, nur umgekehrt, daß sich die Schwanen gegen die rechte Hand, die Türme aber gegen die linke befinden. Die Helmdecke ist rot und weiß, auf dem Schilde aber zwei Helme, auf dem einen ein roter Kurhut, dessen Aufschläge weiß, und auf demselben sieben rote und weiße Fähnlein. Auf dem andern Helm aber stehet der Ritter Moritz, welchen der Kaiser der Stadt zum Patron gegeben.
Bei weniger wichtigen Sachen gebrauchte der Rat nur den vierten Teil des Schildes, nämlich ein rotes Feld mit drei Schwanen.
(Moller, Theatrum Freibergense Chronicum. Freiberg, 1653, S. 21.)
Das Wappen und Siegel Freibergs hat etliche Türme, samt einem Thore und Gatter. Den aufgerichteten schwarzen Löwen im gelben Felde darin soll Markgraf Dietrich von Meißen aus seinem eigenen Wappen der Stadt für geleistete Dienste dazu verliehen haben.
(Oesfeld, Hist. Beschreib. einiger merkwürdiger Städte im Erzgebirge, 2. Teil. Halle, 1777, S. 89.)
Im Jahre 1522 hat Herr Ernst von Schönburg das Städtchen Scheibenberg angelegt und bauen lassen, und hat demselben ein Denkbild zum Stadtsiegel erteilt, welches auf zwei silbernen Stadtsiegeln von unterschiedlicher Größe gestochen ist. Das größere Siegel zeiget auf beiden Seiten Bergleute, welche ihre Berghäcklein auf den Schultern haben; zwischen diesen stehen Tannenbäume, welche einen Vogel Greif in der Mitte haben, unter welchem das gewöhnliche Bergzeichen Schlegel und Eisen zu sehen ist. Das kleinere ist von dem größeren nur dadurch unterschieden, daß keine Bergleute darauf stehen.
In einem alten Manuskript findet sich folgende Erklärung dieses Stadtsiegels: Die Männer mit den Bäumen sollen auf den Anfang des Städtchens deuten, an dessen Stelle vorher ein wilder Wald gewesen, und dessen Erbauung durch das Bergwerk veranlaßt wurde; da es aber ein Städtlein worden, sollte über Justiz, Pietät, Ehre und Redlichkeit so fest gehalten werden, als der Baum die Äste hält. Die Herrschaft wolle es schützen, wie der Greif das Gold und Silber.
(Gräße, Sagenschatz des K. Sachsen, Nr. 216.)
Das Siegel der Stadt, wie auch das Wappen auf der Schützenfahne zeigt ein männliches Brustbild mit einem Barte und kreuzweis über die Brust gezogenen Bändern im blauen Felde; über dem Haupte aber sind zwei kreuzweise gelegte Eichbäume nebst ihren Wurzeln abgebildet. Dies Wappen deutet auf den heiligen Dippold, der nach der Sage die Veranlassung zur Rodung des wilden Waldes und Gründung der Stadt Dippoldiswalde war.
(Bahn, Das Amt, Schloß und Städtchen Frauenstein, 1748, S. 21. Darnach Gräße, Sagenbuch des K. Sachsen, Nr. 227.)
Das alte Stadtsiegel zeigt eine Frau, welche an einem Felsen steht und in der Hand einen Zweig mit drei Ästen und Blüten hält. Dies bedeutet, daß das Städtchen früher unter dem felsigen Schloßberge stand und von der böhmischen Königin Libussa gegründet wurde.[487] Der Zweig, welchen die Frau in der Hand hält, bezieht sich nämlich auf die Haselrute des Primislaus, des erwählten Gemahls Libussas, welche grünte, als sie letzterer in die Erde steckte, da ihn die Gesandten Libussas vom Pfluge weg nach Prag auf den Königsthron holten.
Auf den neuern Siegeln der Stadt sitzt die Frau entweder mit entblößtem rechten Beine zwischen zwei Felsen, was sagen will, daß Frauenstein zwischen dem Schloß und Sandberge erbaut ist, oder sie springt zwischen den Bergen hervor, indem das rechte Bein noch in denselben steckt, was bedeutet, daß die Stadt ihre Einnahme aus dem damals noch florierenden Bergbau bezogen hat.
(Führer durch Olbernhau und Umgegend, S. 16.)
Das Gemeindesiegel von Olbernhau zeigt ein waldumgrenztes Thal mit drei hohen Tannen, darüber ein Auge und unten in einem beckenartigen Schilde einen aufwärts kriechenden Frosch. Auch das reichsgräflich von Loß'sche Wappen am Herrenhause des Rittergutes hat einen Frosch im runden Mittelschilde und als mittelste Helmzier. Man deutet das angebliche Wappen von Olbernhau damit, daß sich aus dem abgetrockneten See, für welchen man die flache Thalsohle, in welchem der Ort liegt, ansieht, der letzte Frosch entfernt, um nach dem auf der Höhe sich zeigenden Walde zu flüchten.
(Sachsens Kirchengalerie, 8. B., S. 4 und 49.)
Auerbach bei Zwickau hat seinen Namen von dem kleinen, das Dorf durchziehenden und am Ausgange der Thalschlucht in die Zwickauer Mulde sich ergießenden Bache, und von den Auerhähnen, welche früher in dem Thale sich aufgehalten haben sollen, weshalb sowohl das Kirchen- als das Gemeindesiegel einen Hahn auf einem Baume führt.
Auch das Dorf Auerbach bei Stollberg soll seinen Namen von den vielen Auerhühnern, welche sich einst daselbst aufhielten, und von dem Bache, welcher mitten durchs Dorf fließt, erhalten haben. Das Siegel führt deshalb einen Auerhahn am Bache.
(Tobias Schmidt, Chronica Cygnea, Zwickau, 1656, S. 37.)
Zu oberst am Giebel des Kaufhauses in Zwickau ist eine große Brille in Stein gehauen zu sehen, davon die gemeine Rede gegangen, daß es ein geheimes Zeichen wäre, welches derjenige wissen müßte, der zu Zwickau gewesen sein wollte, wie vor diesem die reisenden Handwerker viel auf dergleichen Zeichen zu achten pflegten.
(Moller, Theatrum Freibergense Chron., 1653, S. 29, 37 u. 138. Gräße, Sagenschatz d. K. Sachsen, Nr. 270.)
Früher war am Turme des Petersthores in der Höhe unter dem Dache auf allen vier Seiten ein Manneskopf in Stein abgebildet zu sehen, wovon die gemeine Rede gegangen, daß es ein geheimes Zeichen wäre, welches derjenige kennen müsse, der zu Freiberg gewesen sein wolle. Etliche meinten, dieser Kopf sei zur Warnung wegen eines Überläufers, der 1297 die Stadt verraten habe, an dem Turme angebracht worden. – Als Wahrzeichen Freibergs galten auch eine große uralte männliche Statue wie ein Roland, mit dem königl. dänischen, kurfürstl. sächsischen und Stadtwappen und der Jahrzahl 1557, welche sich an der Brücke befand, sowie der Stein auf dem Markplatze, welcher die Stelle bezeichnet, auf der 1455 Kunz von Kauffungen enthauptet wurde.
Desgleichen galten als Wahrzeichen am Markte zwei Ecksteine mit eingehauenen Kreuzen, in die Erz gefasset war.
Von dem Steine auf dem Marktplatz, welcher die Stelle bezeichnet, auf welcher Kunz von Kauffungen enthauptet wurde, erzählt Joh. Vulpius (Plagium Kauffungense, als Beigabe zu Dr. Daniel Wilh. Triller, der sächs. Prinzenraub, 1743, S. 229) folgendes: »Als 1702 der Markt ganz neu gepflastert wurde, und der Stein fast in kleine Stücke zerfahren lag, hat man ihn aufgehoben, und einen anderen neuen an dessen Stelle zu legen beschlossen. Als ihn aber in Anwesenheit des E. E. Raths Baumeister und Arbeiter aufhuben, funden sie einen schwartz-blaulichten ungepolirten Marmor-Stein darunter, auf welchem ein alter Silbergroschen gelegen, dessen Schrifft und Gemählde Altershalben nicht mehr erkennet werden konnte, sondern so mürbe war, daß man ihn in kleine Stücklein zerbrechen mögen. Da man auch diesen, in Hoffnung einige Schrifft oder sonst eine Antiquität darunter zu finden, auffgehoben, hat man noch einen Stein von der Art des ersten, sonst aber gar nichts gefunden. Diese drey, nunmehr aber noch zwey Steine hatten einerlei Große, Länge und Breite. Der Marmorstein wurde in die Höhe gerücket, daß er dem Pflaster gleich kommen, und wiederum ein Chur-Fürstl. Sächß. Groschen, wie sie jetziger Zeit[489] gepräget, gänge und gäbe sind, darunter geleget, auch ein Creutz zu bessern Merkmahl, drauff gehauen, und siehet nochmal der steinerne Kopf recta darauff.«
Über die Bedeutung dieses Kopfes sagt die angegebene Schrift: »Am Erker des Rathhauses, so An. 1578 angebauet worden, siehet ein steinerner Kopff, welcher für Cuntz Kauffungs Bildnis gehalten wird, mit einem gräßlichen Gesichte, großen Knebel-Barte und Sturmhaube, über sich das Bildniß der Gerechtigkeit habende, auf angedeuteten vierecketen Stein.«
(Göpfert, Ältere und neuere Geschichte des Pleißengrundes, 1794, S. 53.)
Als Wahrzeichen von Crimmitschau galt ein Mühlstein, welcher mitten auf dem Markte eingemauert war.
(Gräße, Sagenschatz d. K. Sachsen, Nr. 468.)
Als Wahrzeichen der Stadt Chemnitz zeigte man sonst das Bächlein, welches mitten über den Markt floß, und den ausgehauenen weiblichen Kopf am Pfortenthor rechts bei dem äußern Eingange. Der Kopf sollte anzeigen, daß vor vielen hundert Jahren hier eine Nonne eingemauert oder hingerichtet ward, die einen unnatürlichen Frevel mit einem Hunde verübt hatte. Nach anderen hätte sie als Strafe fünf Mauertürme vom Nikolaithore bis zur Pforte erbauen müssen; nach einer andern Sage wäre es eine vornehme Chemnitzerin, namens Hofmann gewesen, und die Sache 1415 geschehen.
Ein anderes Wahrzeichen von Chemnitz war bis 1617 das Bild des sogenannten Grütznickels, eines Stadtoriginals, der früher hier mit Grützmehl hausieren ging und in einen Schafpelz gekleidet war, an dem Rathausturme. Nach dem Brande von 1617 ward jedoch bei der Wiederherstellung des Turmes (1619) dies Bild nicht erneuert.
(Gräße, Sagenschatz des K. Sachsen, Nr. 264, Anmerkung.)
Das Wahrzeichen der Stadt Tharand ist eine in Stein gehauene und neben dem Thorwege der Schloßmühle eingemauerte und rot angestrichene Granatblüte, welche sich darauf bezieht, daß die Weißeritz Granaten mit sich führt, weshalb seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts der Ort selbst Granaten hieß.
(Fr. Bernau in der Comotovia, 5. Jahrg., S. 100.)
Als Wahrzeichen der Stadt Schlackenwerth bezeichnet man ein »Brotlaibchen«, welches samt der Backschüssel aus Stein gehauen, der allgemeinen Überlieferung gemäß zum ewigen Angedenken des unaussprechlichen Elends und der schrecklichen Not gilt, die der dreißigjährige Krieg über die Stadt und das ganze Böhmerland brachte. Es wurde nach der wirklichen Größe angefertigt, in welcher zur Zeit jenes Krieges das Brot gebacken wurde. Die Backschüssel hat 15, der Stein-Laib 6 Zoll im Durchmesser.
Das zweite Schlackenwerther Wahrzeichen, der »große Mann«, wurde vor einigen dreißig Jahren in Stücke zerschlagen, ohne daß sich eine Zeichnung davon erhalten hätte. Es war dies eine der römischen Mythologie entnommene Gottheitsstatue, welche in dem einst in ganz Mitteleuropa seiner Schönheit und prächtigen Einrichtung halber berühmten Schlackenwerther Schloßparke aufgestellt war.
(W. Kunz in der Erzgebirgszeitung, 4. Jahrg. S. 19.)
Das Bergstädtchen Platz verdankt seine Entstehung jedenfalls dem ehemaligen Bergbau in dortiger Gegend. Noch wird erzählt, daß beim sogenannten »Röhrl« in der Nähe des Forsthauses, wo die Einwohner in trockenen Jahren ihr Wasser holen, ein Silberstollen gewesen sei. Die Sage berichtet weiter, daß Platz einst gegen 300 Häuser (jetzt nur 64!) gezählt habe, in einer Kriegszeit aber zerstört worden sei, worauf sich der besitzende Bürgerstand inmitten seiner von Platz nach Norden und Osten auslaufenden Felder und Wälder angebaut habe, und auf diese Weise sollen die beiden Ortschaften Hohentann, d. i. bei der hohen Tanne, und Plaßdorf, früher Platzdorf, entstanden sein.
(Kirchengalerie von Sachsen, 12. B., S. 44.)
Nach der Volkssage, welche die Stadt Meerane sich bis Götzenthal erstrecken läßt und nach der Erzählung eines böhmischen Historikers des 12. Jahrhunderts und nach ihm des pirnaischen Mönchs im 16. Jahrhunderte, soll Meerane im Mittelalter ein sehr bedeutender Ort[491] und sogar die nachmalige Residenz des böhmischen Königs Wladislav und seiner Gemahlin Jutta oder Judith, welche, nebst ihrer Schwiegertochter Elisabeth, vor ihrem tyrannischen Sohn Sobieslaw im Jahre 1174 flohen, gewesen sein. Merkwürdig ist, daß sechs Häuser in der Stadt heute noch die Burghäuser heißen und die Befreiung von der Abgabe des sogenannten Dienerkornes genießen.
(Chronica der freyen Bergstadt St. Annaberg, II., 1748, S. 21. F. A. Türke im »Glückauf«, 2. Jahrg. No. 3.)
Vor der Gründung von Neudorf an der Sehma, das mitten im Walde aus Holzarbeiter-, Köhler- und Flößerhütten entstand, soll in seiner Nähe nach Crottendorf zu ein Dorf mit Namen Kraxdorf oder Krafftsdorf gestanden haben, wovon früher und zwar auf dem westlich im Walde gelegenen Morgenberge noch Mauerreste, alte Schlösser und Schlüssel gefunden wurden.
In einem kleinen Thale, welches Neudorf oberhalb der Kirche von West nach Ost durchschneidet, hat man beim Wegräumen von Teichdämmen auf dem Grunde derselben berußte Steine gefunden, die ihre Schwärze sehr wahrscheinlich einst an einem Feuerherde erhalten hatten.
(Brandner, Lauenstein, 1845, S. 339.)
Neben den Dörfern Erdmannsdorf, Lichtenberg, Beilstein u. s. w., welche jetzt nur noch als wüste Marken existieren, wurde auch im östlichen Gebirge der Ort Breitenau hart von den hussitischen Horden heimgesucht. Denn um 1440 sollen daselbst nur noch »etzliche Hütten, zur Nothdurfft erbauet«, vorhanden gewesen sein, und 46 Jahre später wurde das Dorf als wüster Ort von Herzog Albrecht an Hans und Georg von Mügeln verliehen. Außerdem soll auch nach einer alten Sage die Pest den Ort so von Menschen entblößt haben, daß von der ganzen Bevölkerung nur zwei alte Jungfern am Leben blieben, welche sich im Heu verborgen hatten.
(Tobias Schmidt, Chronica Cygnea. II, 1656, S. 157. G. Göpfert, Ältere und neuere Geschichte des Pleißengrundes, 1794, S. 308.)
Etwa eine halbe Meile von Zwickau, zwischen Marienthal und Königswalde, findet man im sogenannten »tiefen Thal« altes Mauerwerk, welches über einen Haufen gefallen und wie ein ziemliches Berglein, weil es beraset und mit Holz bewachsen, anzusehen ist. Von diesem Gemäuer wird erzählt, daß es ein Raubschloß gewesen sei. Dabei ist auch ein sehr tiefer und ausgemauerter Brunnen, welchen die Bauern den bösen Brunnen nennen, weil sich bisweilen Gespenster daselbst haben sehen lassen. Es sollen hier nämlich die Geister zweier Mädchen, welche ihren Bruder umgebracht haben, umgehen. Eine Viertelstunde von Königswalde soll auch ein Dorf, Rappendorf genannt, gelegen haben. (S. No. 642.)
(Rüger, Beiträge zur älteren Geschichte der Stadt Dippoldiswalde, 1863, S. 3. Der Schluß mündlich.)
Es wird erzählt, daß ehemals in der Kommunwaldung von Dippoldiswalde ein Schloß, mit Namen Bödigen oder Bodenichen, gestanden habe. Man sieht von dem Gemäuer keine Spur mehr; nur ein nach dem Berreuther Thale zu gelegener Raum wird der Schloßplatz und ein in der Nähe befindlicher Brunnen der Schloßbrunnen genannt. Auf dem Platze soll eine Braupfanne voll Gold vergraben liegen.
(Oesfeld, Histor. Beschr. einiger merkwürd. Städte im Erzgebirge, 1. Teil, 1776, S. 111.)
In uralten Zeiten haben in der Gegend von Lößnitz und Hartenstein einige verwüstete Dörfer gestanden, wie denn nicht nur Mauern noch in den Feldfluren hin und wieder gefunden werden, sondern auch in einigen Wäldern noch Ackerbeete zu sehen sind. Dieselben sind im Hussitenkriege, teils aber auch lange vorher zerstört worden. So lag Sebottensdorf in der Gegend zwischen Lößnitz, Alberoda, Raum und Grüna am Anfange des Alberodaer Baches. Ferner hat ein Wittendorf am Würschnitzbache, in der Gegend, wo jetzt Thierfeld bei Hartenstein[493] ausgeht, gestanden; dasselbe muß sehr groß gewesen sein, wie die Fluren beweisen, welche noch jetzt diesen Namen führen und von denen ein Teil jetzt zu Beutha und Neuwiese gehört. Bei Gablenz soll auch ein Dorf mit Namen Kempfersgrün gestanden haben.
(Dr. Herzog, Archiv für sächs. Geschichte, 2. B., S. 98. 12. B., S. 92.)
Da, wo jetzt am linken Muldenufer und westlichen Fuße des Räderkopfes zwischen den Ortschaften Langenbach, Wildbach und Stein die zu letztgenanntem Orte und Schlosse gehörige Schäferei steht, soll früher das Dorf Oberopritz gelegen haben, das wahrscheinlich im Hussitenkriege zerstört wurde. In der Nähe liegt an der Mulde und zwar da, wo in dieselbe ein kleines, aus der Gegend von Oberopritz kommendes Bächlein mündet, die Wüstung Niederopritz.
(Dr. Herzog, a. a. O., S. 60 etc.)
1) Die alte Harth heißt noch eine Stelle auf der Höhe zwischen Harthau und Einsiedel; es soll daselbst vor dem Hussitenkriege ein gleichnamiges Dorf gestanden haben. Man findet in der Gegend noch Spuren von Ackerbeeten. (S. auch Schumann und Schiffner, Lexicon von Sachsen, 16. B., S. 19.)
2) Der Name des von der Chemnitz durchflossenen Blankenauer Grundes, in welchem die Dörfer Glösa, Furth, Borna, Draisdorf und Heinersdorf liegen, rührt von der früheren Blankenburg oder Burg Blankenau her, deren Spuren, bestehend aus zwei konzentrischen Gräben und Wällen nebst verglaseten Backsteinen, man zwischen Borna und Heinersdorf in einem kleinen Laubwäldchen gefunden hat. Die Sage setzt die Einäscherung der Burg, von der sich ein Rittergeschlecht von Blankenowe schrieb, in den Krieg Friedrich des Gebissenen mit den Süddeutschen. (S. auch Schumann und Schiffner a. a. O., 14. B., S. 478. Sachsens Kirchengalerie, 8. B., S. 114.)
3) Man kennt in der Chemnitzer Gegend außerdem die Wüstungen Adels- oder Adlersberg und Altdorf bei Ober- und Niederhennersdorf, Oneritz (Auritz?) bei Ober-Rabenstein, Borssendorf zwischen Chemnitz und Altendorf an der Pleiße, und Streit- oder Strytdorf zwischen Chemnitz und Furth am linken Ufer des Chemnitzflusses.
(Dr. Herzog, Archiv für sächs. Geschichte, 2. B., S. 93 etc.)
1) Zwischen Hennersdorf und Dorf Schellenberg verbreitet sich der von Augustusburg bis in die Nähe von Waldkirchen reichende große fiskalische Mörbitz-Wald, welcher von einem darin gestandenen verschwundenen Dorfe seinen Namen haben soll.
2) Der zwischen Borstendorf, Eppendorf, Lippersdorf und Reifland gelegene bedeutende fiskalische Wald Röthenbach enthält eine Wüstung und einen Bach gleichen Namens, an welchem das wahrscheinlich im Hussitenkriege verschwundene, nach Borstendorf gepfarrt gewesene Dorf Röthenbach lag.
3) In dem fiskalischen, zwischen Euba, Bernsdorf und Flöha gelegenen Forste »Struth«, auch »junge Strutt« genannt, soll vor dem Hussitenkriege ein Dorf (die Sage macht auch wohl ein Städtchen »Bernstadt« daraus) gestanden haben. Man hat dort beim Nachgraben Überreste von Häusern und selbst von Gassen, sowie Brunnen und andere Spuren gefunden. (S. auch Grundig, Neue Versuche nützlicher Sammlungen zu der Kultur- und Kunstgeschichte von Ober-Sachsen, 1. B., Schneeberg, 1750, S. 268.)
(Schumann, Lex. v. Sachsen, 12. B., S. 447. Lehmann, Chronik von Schneeberg, S. 4. Peck, Beschreibung des Chursächs. Erzgebirges, 1. B., 1795, S. 14.)
Noch ehe die reichen Silberschätze des Schneeberges entdeckt wurden und als die ganze Gegend daselbst ein dichter Wald war, führte eine Straße von Lößnitz am Gleeßberge vorüber nach Eibenstock und ins Vogtland. Dieselbe war aber der vielen Räubereien wegen unsicher. Eine Überlieferung meldet, daß einiges Gemäuer, welches man früher am südöstlichen Rande des Schneeberges dicht über dem sogenannten Grunde sah, der Überrest eines Raubschlosses gewesen sei, und ebenso soll ehemals am Abhange des Gleeßberges, da wo sich jetzt das Brünnlasgut befindet, eine Warte gestanden haben.
(Christ. Lehmann, Histor. Schauplatz, S. 154.)
Gegenüber dem hohen Wege, welcher von den Erbgütern in Pöhla bis an die Gottesgaber Straße läuft, liegt ein Berg, der Brand[495] geheißen, weil einst daselbst vom Hinterholze alles weggebrannt worden ist. Daselbst sollen, wie alte Leute berichten, zwei Dörfer, Erbendorf und Großmitweida, gestanden haben. Man sah daselbst noch Brandstätten und Ackerbeete.
(Nach einer Mitteilung des Cantors F. A. Türke.)
Westlich vom Morgenberge bei Neudorf an der Sehma kennen die meisten Waldarbeiter noch einen Ort im Walde, wo früher ein Dorf mit Namen Eibendorf gestanden hat, das im dreißigjährigen Kriege zerstört worden sein soll.
(Dr. Herzog, Archiv für sächsische Geschichte, 2. B., S. 95.)
Eine Ortschaft soll einst in der Nennigkau gelegen haben. Dieselbe wird von dem Nennig- oder Kretschmarbache durchflossen, welcher im Thesenwalde entspringt und bei der Nennigmühle in die Flöha mündet.
(Dr. Herzog, Archiv für sächsische Geschichte, 2. B., S. 71 u. 76.)
Zwischen dem Städtchen Bärenstein und den Dörfern Falkenhain und Johnsbach lag einst das Dorf Greifenbach, und ebenso liegt zwischen Bärenstein und Börnichen die Wüstung des Dörfchens Elend, welches im 30jährigen Kriege zerstört wurde.
(Dr. Herzog a. a. O., S. 60, 86 u. 97.)
Ein nach Frankenstein gepfarrtes Dorf Ailitz soll vor dem dreißigjährigen Kriege zwischen Frankenstein, Memmendorf und Hartha gestanden haben. Ebenso bezeichnet man unterhalb Wingendorf eine Stelle am Kemnitzbache als diejenige, wo vor dem dreißigjährigen Kriege das Dorf Kuhren stand.
Ein vormals zwischen Freiberg und Langenrinne am Münzbache gelegenes ansehnliches, im Hussitenkriege oder noch früher untergegangenes Dorf war Oberlusitz oder Oberloßnitz. An seiner Stelle[496] stehen jetzt das Hilger'sche und Maukisch'sche Vorwerk nebst einigen Bergwerksgebäuden, und ohne Zweifel gehörte auch das nicht mehr vorhandene Rittergut Thurmhof dazu, an dessen Stelle jetzt das Weigelsche Vorwerk stehen soll. Dieses Gut Thurmhof schreibt man dem Freiberger Bürger Habersberger zu, der 1298 Friedrich den Gebissenen, welcher hülflos im Lande umherirrte, mit Silber unterstützte, worauf dieser ein neues Heer gewann und dem Kaiser Adolf wieder die Spitze bot. (Siehe Schumann und Schiffner, Lexicon von Sachsen, 11. B., S. 761.)
(Dr. Herzog a. a. O., S. 83 und 94. Gumprecht, Lindenblätter von Oberlungwitz, 1863, S. 49. Beschreibung über die Kirche zu Oberlungwitz, St. Martin genannt, was man merkwürdiges von alters her gefunden und von dem dasigen Schulmeister aufgezeichnet worden. 1766. Manuskript.)
I. Im sogenannten Hüttengrunde bei Hohenstein soll oberhalb der Hüttenmühle am Fuße des Queckenberges ein im Hussitenkriege verschwundenes Dorf Kirchberg gestanden haben, von dessen Kirche noch um die Mitte des 18. Jahrhunderts Spuren sichtbar gewesen sein sollen. Ebenso sah man zu dieser Zeit einen mit Steinen ausgemauerten und überdeckten Brunnen, welcher als Rest des Dorfes bezeichnet wurde. Durch dasselbe mag der älteste Weg von Abtei-Lungwitz nach Waldenburg geführt haben, denn er diente später den Bewohnern des an der Stelle des untergegangenen Dorfes Kirchberg nach und nach wieder entstandenen Anbaues, »der Hüttengrund« genannt, zu ihrem ersten Kirchen- und Leichenwege nach Abtei-Lungwitz.
II. Die am rechten Muldenufer zwischen Glauchau und Wernsdorf liegenden »Naundorf-Wiesen« erinnern an das früher dort gelegene Dorf Naundorf, welches entweder schon in der Schönburgischen Familienfehde von 1348 oder im Hussitenkriege verwüstet wurde. Der untere Teil des Ortes blieb wüste, während der obere Teil unter dem Namen »Hölzel« später wieder aufgebaut wurde.
III. Ein Gebsdorf, Jäcksdorf oder Gäcksdorf, welches in Ober- und Niedergäcksdorf eingeteilt wurde, lag am südlichen Fuße der Langenberger Höhe, in der Nähe des Kapellenberges, und zwar östlich, in der Richtung nach Pleisa hin. Von ihm ist kein Überbleibsel auf uns gekommen, doch will man noch zu Anfang des vorigen Jahrhunderts Mauerreste von seiner Kirche gesehen haben. Von verschiedenen Bauern des Orts Oberlungwitz, welche Holzboden in der Gegend, wo[497] einst Gäcksdorf stand, erkauft hatten, mußte der Decem jährlich an den Pfarrer zu Pleisa entrichtet werden. Es soll gedachter Pfarrer vordem auch eine Predigt bei der Wüstenbrander Rainsäule jährlich bei Einnahme als Decem gehalten haben.
(Dr. Herzog a. a. O., S. 109.)
In dem zwischen Crimmitschau, Leitelshain, Heiersdorf, Thonhausen und Rudelswalde gelegenen Sahnwalde erhob sich vor dem Hussitenkriege am Sahnbache die Sahnburg oder Samburg, von welcher noch zu Anfang dieses Jahrhunderts einiges Gemäuer sichtbar war.
(Dr. Herzog a. a. O., S. 105. Sachsens Kirchengalerie, 8. B., S. 7.)
In dem 1¼ Stunden nordwestlich von Zwickau, zwischen Marienthal, Weißenborn und Königswalde gelegenen bewaldeten Wiesenthal findet sich die wüste Holzmark Rappendorf, vor dem Hussitenkriege ein Dorf, welches wahrscheinlich den früher in Marienthal begüterten Herren von Rapp oder Rappen seinen Namen dankte. Noch bemerkt man hier Spuren einer alten Burg oder Warte, die jedoch im 14. Jahrhundert zerstört worden sein soll. Ebenso zeigt man an der Stelle den »bösen Brunnen«, welcher mit einem hohen Erddamm umgeben ist. Mehrere Feld- und Waldbesitzer in der Nähe haben teils bei Feldbestellung, teils beim Holzfällen und Stockroden, Bruchsteine, Grundmauern, gezimmertes Holz, eiserne Haspen und Bänder und dergleichen gefunden.
(Herzog a. a. O., S. 64.)
An der Mündung der Bobritzsch in die Freiberger Mulde bei Drehfeld lag einst das Dörfchen Boberau, an welches heutigen Tages noch das zu Porschnitz gehörige Boberholz erinnert.
(Herzog a. a. O., S. 72 u. 79.)
Die Erlmühle am Lohbache zwischen Schillbach und Sahlig ist vielleicht ein Rest des im Hussitenkriege verschwundenen Dörfchens Erlich, welches nach einer Urkunde von 1491 nach Schöneck gepfarrt war, und ebenso gehörte wahrscheinlich die Haselmühle am Kornbache zu dem Dorfe Haselbrunn, welches ebenfalls im Hussitenkriege zerstört wurde und dessen Wüstung ¾ Stunde nördlich von Schöneck am Wege nach Falkenstein und an der Quelle des Geigenbaches gelegen ist.
(Ludw. Lamer, Wandervorschläge II, Sachsens Kirchengalerie, 2. B., S. 174)
In dem Walde zwischen Grillenburg und Tharand liegt eine große Waldwiese, die jetzt mit ganz junger Kultur bestanden ist und die Warnsdorfer Wiese genannt wird. Hier soll einst ein in dem dreißigjährigen Kriege zerstörtes Dorf gestanden haben. Auf der Wiese befindet sich noch als Überrest des Dorfes ein ausgemauerter, durch einen breiten Stein bedachter Brunnen, welchen man den Warnsdorfer Brunnen nennt, ebenso wie der ihm entrieselnde Bach der Warnsdorfer Bach heißt. Eine der Fördergersdorfer Kirchenglocken soll sich von hier herschreiben; die Sage erzählt, daß sie auf genannter Wiese vergraben gewesen und von wilden Schweinen ausgewühlt worden sei.
(Sachsens Kirchengalerie, 2. B., S. 163.)
Südöstlich von Oberbobritzsch liegt in einem freundlichen Thale das Dorf Sohra. In der Nähe desselben und zwar im Walde nach Pretzschendorf hin, lag einst die Burg gleichen Namens, welche wahrscheinlich im Hussitenkriege zu Grunde gegangen ist. Vor ungefähr hundert Jahren sah man von der Burg noch Mauerreste und Keller, und eine eiserne Thür in der obern Halle der Bobritzscher Kirche soll von jenen Ruinen abstammen. An die Burg erinnert auch noch der sogenannte Vorwerksring. In der Gegend, wo die Burg stand, sollen Gespenster umgehen.
(Fr. Bernau in der Comotovia, 4. Jahrg., Komotau 1878, S. 16.)
Die alte Slavenfeste Alt-Elbogen erhob sich ungefähr in der Mitte zwischen Karlsbad und Elbogen auf einem Felsenvorsprunge zwischen dem Hornerberge und Teschwitz, über der Krümmung der Eger, die zahllosen Windungen des engen Felsenthales entlang gegen Osten eilt und hier einen förmlichen »Ellbogen« bildet. Von der nördlichen Hochebene nur durch Gräben getrennt, endete die alte Feste gegen Süden mit einer 40 Meter tief zum Flusse abstürzenden Felsenwand. Alt-Elbogen besteht aus der durch einen mehr oder weniger erhaltenen, etwa 190 Meter langen Wall umgebenen Vorburg und der eigentlichen Hochburg, die ungefähr 1400 Quadratmeter enthält und ebenfalls durch einen an der Nordostecke noch 2 Meter hohen Wall umgeben ist. Mauerreste findet man hier nicht. In der Südostecke stand der Tradition nach eine St. Barbarakapelle, die bereits im Jahre 1247 urkundlich erwähnt wird.
Das Volk erzählt von dem Platze, daß hier einst ein Schloß verwünscht wurde und versunken sei und daß in den unterirdischen Gewölben große Schätze liegen, welche von einer weißen Frau bewacht werden.
(Kirchengalerie von Sachsen, 2. B., S. 175. Wilisch, Kirchenhistorie der Stadt Freyberg und der in dasige Superint. eingepfarrten Städte und Dörfer, 1727, II, S. 287.)
Da, wo mitten im Tharander Walde das jetzt abgetragene Jagdschloß, die Grillenburg, stand, von der nur noch ein Seitengebäude als Wohnung für einen Forstbeamten übrig geblieben ist, erhob sich in grauer Vorzeit eine Feste, deren ausgedehnter Burgwall noch in Überresten nachgewiesen wird. Auch jetzt zeigt man unter einer Scheune einen geräumigen, aus dem Felsen herausarbeiteten Keller, der wohl tausendjährig ist. Das Gewölbe wird in der Mitte von einer starken Säule getragen, um welche herum mit einem zweispännigen Wagen zu fahren, der Raum reichlich gestatten würde.
Von dem Ursprunge und Zwecke des späteren Jagdschlosses Grillenburg gaben die im Tafelzimmer befindlich gewesenen Inschriften Nachricht, sie lauteten:
(Bahn, Hist. Nachr. von Frankenberg und Sachsenburg, 1755, S. 15.)
Es geht die Sage, daß zwischen Frankenberg und Dittersbach ein Dörfchen Lützen gestanden habe, welches in den Hussitenkriegen verwüstet worden wäre. Der Bach, der von Dittersbach fließet, heißt der Lützenbach und der Steig darüber der Lützensteig, auch hat vor alters eine Mühle unten in der Wiese gestanden, so die Lützenmühle genannt worden ist. Alte Leute wollen von derselben noch Baustelle und Mühlgraben gesehen haben.
(Fr. Bernau in der Comotovia, 4. Jahrg., 1878, S. 18.)
Am Fuße des nördlichen Abhanges des Krudumberges bei Elbogen zeigt man eine Ruine, der »Niklas« genannt, von welcher erzählt[501] wird, daß hier einst eine Kirche, nach anderen aber ein vom »Krudumgrafen« erbautes Kloster gestanden habe. In den unterirdischen Räumen des Niklas sollen fabelhafte Schätze aufgehäuft liegen, und das ist auch der Grund, weshalb das Innere dieser Ruine und deren nächste Umgebung von Schatzgräbern ganz durchwühlt ist.
(Moller, Theatrum Freib. Chron. II, S. 67. Bahn, Das Amt, Schloß und Städtchen Frauenstein etc., 1748, S. 3.)
Es hat das Städtchen Frauenstein anfänglich nicht an seinem jetzigen Orte auf der Höhe, sondern über dem Grunde nach dem Dorfe Reichenau zu gelegen, da, wo noch der Gottesacker mit der Begräbniskirche stehet. Als aber Gott die Gegend mit reichen fündigen Bergzechen segnete, ist die Stadt erweitert und nach der Höhe zu zugleich mit der Kirche auf dem Markte 1483 erbauet worden. Die damaligen Bewohner Frauensteins wurden zu dieser Veränderung durch die Wassergüsse gebracht, welche bei gefallenem Platzregen sehr stark waren und ihre Wohnungen schädigten. Man sah auf dem alten Stadtplatze im vorigen Jahrhundert noch die Gassen und Überreste von den alten Baustellen. Von dieser Verlegung der Stadt kam es auch, daß, was sonntäglich im Cymbelseckel gesammelt ward, nicht die Stadtkirche, sondern die Begräbniskirche, als die Mutterkirche, erhielt.
(Geschichte der Stadt Weipert von C. Schmidl und J. Pohl, 1874, S. 20.)
Der Tradition nach soll die ehemalige Bergstadt Preßnitz bereits am dritten Orte stehen. Wegen Vermehrung der Bergleute näherte man sich allmählich mehr dem Bache, und zwar in die Gegend der alten Rohrschmiede und des sogenannten Zigeunermarterle bei der mittleren Mühle. Die ehemalige sogenannte »Pfütze«, jetzt das Forstamt, war das erste Wirtshaus, wo auch alle Beratungen und Wahlen stattfanden, weshalb auch in alten Zeiten dieses Wirtshaus »Wahl« genannt wurde und noch heute die angrenzenden Felder die Wahlfluren heißen.
Die Anfänge von Preßnitz reichen bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts zurück, der Name der Ansiedlung tritt aber erst mit dem Jahre 1352 in den eigentlichen Bereich der Geschichte. Jedenfalls entwickelte sich infolge der Entdeckung von Silbererzen der junge Ort, welcher 1546 vom Kaiser Ferdinand I. zu einer freien Bergstadt erhoben wurde.
(A. Bär im Nachrichtsblatte für Kirchberg und Umgegend, 1881, Nr. 44. Mündliche Mitteilungen.)
Man sagt, daß anfangs die Stadt Kirchberg an der östlichen Abdachung des Borberges angelegt gewesen sei; einzelne Grundstücke in dieser Gegend werden in alten Schriftstücken als »auf dem Boden der alten Stadt liegend« angeführt, und man will auch daselbst bei Erbauung von Häusern auf alte Mauertrümmer gestoßen sein. Der Gottesacker dieser alten Stadt soll da gewesen sein, wo sich jetzt das Königliche Amtsgericht befindet.
Weiter soll am gegenüberliegenden Geiersberge ein Kloster gestanden haben, dessen Alter bis gegen die Mitte des 14. Jahrhunderts hinaufreichte. Der Klosterhof befand sich nach der Volksüberlieferung an der Stelle des heutigen Marktplatzes, und man bringt auch einen unterirdischen Gang, welcher sich vom Rietzsch'schen bis in das Dörfel'sche Haus hinziehen soll, damit in Verbindung. Erzählt wird, daß man in diesem Gange einen eingemauerten Sarg gefunden habe.
Nach der Überlieferung wurde dieses Kloster in der Christnacht des Jahres 1429 von den Hussiten zerstört, und dabei wurden auch die einzelnen Ansiedlungen in seiner Nähe und der älteste Anfang der Stadt am Borberge vernichtet. Diese alte Stadt blieb nach jener Zeit in Trümmern liegen, die überlebende Bevölkerung verließ die alte Lage und errichtete ihre Gehöfte am Gehänge des Geiersberges und an den Ruinen des Klosters. Aus diesem zweiten Anbau nun entwickelte sich die jetzige Stadt Kirchberg.
(Dietrich und Textor, Die romant. Sagen des Erzgeb. 1. B. S. 335 etc. Darnach bei Gräße a. a. O. No. 562.)
Als Ernst, Herr und Graf zu Schönburg, und Bruno von Schönberg, Herr der Pflege Stollberg, Thum, Niederzwönitz und Gelenau, im Jahre 1476 von einem Zuge ins heilige Land zurückgekehrt waren, legten sie das Ritterschwert im hohen Waffensaale nieder, um unter ihren Unterthanen zu wohnen, deren Wohlstand durch den Bergbau täglich wuchs.
Während ihrer Abwesenheit war auf Veranlassung des Abtes zu Grünhain, eines stolzen und herrschsüchtigen Mannes, ein harter Grenzstreit zwischen den Vögten der Grafschaft Hartenstein und denen der Pflege Stollberg über den Besitz eines weiten Forstes ausgebrochen,[503] welcher zwischen ihren Grenzen und denen der Abtei Grünhain mitten ihnen lag. Der Streit übertrug sich auch auf ihre beiderseitigen Unterthanen, und der Abt war seinem Ziele nahe, jetzt sagen zu können: »Keinem von Euch beiden, sondern mir gehört der Forst.« Da starb er plötzlich. Sein Nachfolger, der Abt Johannes, war ein milder Priester, welcher den Streit nicht weiter schürte, vielmehr eine Versöhnung der inzwischen aus Palästina zurückgekehrten Herren vermittelte. Dieselben kamen auf freiem Felde unter Gottes blauem Himmel zusammen und durch Händedruck und Bruderkuß wurde die Versöhnung besiegelt. An der Stelle aber, wo dies geschah, wurde ein Stein errichtet, den der Abt segnete und mit Weihwasser, geschöpft aus dem in der Nähe befindlichen heilbringenden »guten Brunnen«, besprengte. Am Abende dieses Tages wurde im Städtlein Zwönitz ein frohes Fest gefeiert, und der Abt verlieh dabei genannter Stadt ein neues Wappenschild: Den buntgefiederten Sittich im blauen Felde. Der Stein aber wurde später mit dem Wappenschilde der Abtei Grünhain und dem von den Grafen und Herren von Schönburg geziert; der Volksglaube gab ihm Wunderkräfte, Stücken von ihm wurden zu Pulver gerieben und sollten in allerlei Leiden und Schwächen des Körpers die ersprießlichsten Dienste leisten. Der streitige Forst erhielt später den Namen Streitwald, welchen er noch heute führt.
(Dietrich und Textor, Die romantischen Sagen des Erzgebirgs. 1. B. S. 305 etc. Darnach bei Gräße a. a. O. No. 563.)
Ein furchtbarer Krieg war vorüber; nach ihm erschienen teure Jahre, die Hungersnot und die Pest. Am verheerendsten wütete letztere im niedern Erzgebirge bis gegen Rauenstein und Lengefeld. Die letztgenannte Stadt wurde deshalb von dem Verkehre abgesperrt. Nun lebte aber in dem nahen Reifland ein junger Mann, der Sohn des Richters, welcher mit der Enkelin des ehrwürdigen alten Pfarrers zu Lengefeld verlobt war. Einst hatte er dieselbe mit eigener Lebensgefahr aus den Fluten der Flöha gerettet. Da nun die schreckliche Pest jeden Tag neue Opfer forderte und auch seine Braut, deren Vater und Großvater davon befallen wurde, brach der Jüngling nach Freiberg auf, wo unterdeß die Pest nachgelassen hatte. Dort hatten die Totengräber mehrere gewürzhafte Kräuter und Wurzeln in scharfen Essig aufgesetzt und damit sich selbst und vielen geholfen. Mit diesem Wunderessig, von welchem ihm die Totengräber angegeben hatten, daß er ihn aus einer[504] berühmten Apotheke hole, kehrte der Jüngling um Mitternacht nach Reifland zurück, und als er seinen schlafenden Vater geküßt, schwamm er über die Flöha und gelangte unbemerkt zwischen den Wachen hindurch nach Lengefeld. Um den Vater seiner Braut zu retten, kam er zwar zu spät, allein es gelang ihm doch, diese selbst, sowie deren Großvater und viele andere mit seinem Wunderessig wieder herzustellen. Bald verschwand die furchtbare Pest, die Sperre wurde aufgehoben und die übrig gebliebenen Bewohner von Lengefeld, Rauenstein und Reifland feierten ein Wiedersehens- und Dankfest. Auf der Stelle, wo dies geschah und die Einwohner genannter Orte sich trafen, wurde zur Erinnerung ein Stein aufgerichtet und dieser bewahrt noch heute die Erinnerung an jene traurige Zeit.
(Ziehnert a. a. O., Anhang, No. 26.)
Auf der unteren Hälfte der großen Kirchgasse in Annaberg befindet sich im Pflaster ein roter Stein, von dem folgendes erzählt wird:
Ein Chorknabe stand auf der Galerie des Kirchturms und ward von einem Windstoß gefaßt und herabgeworfen. Da aber sein Chormantel ihm als Fallschirm diente, so kam er glücklich und wohlbehalten auf die Erde. Dies sah ein Schieferdecker, und alsbald kam dem verwogenen Gesellen ein Lüsten an, dieselbe Fahrt, welche ihm lustig genug schien, auch zu versuchen. Er nahm also einen Mantel um, stieg auf den Turm und sprang herab. Aber wehe, der Mantel verwickelte sich, und kopfüber im jählingen Sturze schmetterte der tollkühne Schieferdecker auf das Pflaster. Wo er seinen blutigen Tod fand, setzte man zum Andenken an diese Begebenheit den roten Stein in das Pflaster.
(Ziehnert, Sachsens Volkssagen, Anhang, No. 16. Fr. W. Köhler, Hist. Nachrichten von der Bergstadt Wolkenstein, 1781, S. 237.)
In der Mitte einer 100 Ellen hohen, steilen Felsenwand, welche an der Zschopau sich erhebt und das Schloß Wolkenstein trägt, waren früher ein Kreuz und Kelch in den Stein eingehauen. Diese beiden Zeichen erinnerten an eine traurige Begebenheit. Nämlich im Jahre 1428 ergriffen die Hussiten einen papistischen Priester in Wolkenstein und drohten ihm mit dem Tode, wenn er nicht sogleich seinen Glauben ändern würde. Der fromme, festgläubige Mann aber bekannte frei,[505] ehe er dies thäte, wollte er lieber sterben. Hierauf schleppten ihn die Hussiten erbarmungslos an den Rand der steilen Felsenwand und stießen ihn hinab. An den vorragenden Felsenzacken zerschmettert, versank sein Leichnam in den Fluten der Zschopau.
(Steinbach, Historie von Zöblitz, Dreßden, 1750, S. 13.)
Bei Pobershau, am linken Ufer der schwarzen Pockau erhebt sich der wildromantische Katzenstein. Derselbe formiert unterschiedliche Absätze und Stufen, welche durch ihren Zusammenschub sich gleichsam als ein Meisterstück ganz artig dem Gesichte vorstellen. Oben auf findet man einen großen länglichrunden Stein, darin etliche unbekannte Charaktere gehauen sind, und soll einstmals ein Kurfürst zu Sachsen auf diesem Steine gefrühstückt haben.
Nach Merkels und Engelhardts 1804 erschienenen Erdbeschreibung von Kursachsen (2. B., S. 5) sollen neben unleserlichen Inschriften auf dem Steine auch verwitterte Figuren von Tellern, Messer und Gabel zu sehen gewesen sein. Nach derselben Quelle war der in der Sage angeführte Kurfürst möglicherweise Johann Georg I., wenigstem will man früher noch das Wort Georg auf dem Steine erkannt haben.
(Oettel, Historie von Eybenstock, 1748, S. 354.)
Am Ostermontag des Jahres 1621 sind bei dem Schenkwirt Hans Meichsner zu Eibenstock zwei junge Burschen von 18 Jahren, G. Unger und Chr. Fröhlich, zu Biere gewesen, aber mit einander uneins worden und haben sich geschlagen. Solches haben sie so lange getrieben, bis Fröhlich mit einem Messer dem Unger gegen das Herz einen Stich gegeben, darüber er alsbald gestorben. Zuvor aber hat Unger das Messer wieder herausgezogen und den Fröhlich wieder gestochen, doch hat sich dieser auf die Flucht begeben. Hernach ist über ihn auf dem Markte öffentlich Halsgericht gehalten, und damit diese schreckliche That den Nachkommen im Gedächtnis bleiben möge, sind 2 Messer in einen Stein gehauen, und solcher an der Ecke der Brotbänke, wo früher der hölzerne Esel stand, aufgerichtet worden.
(Mündlich.)
An der Straße, die von Scheibenberg nach Schlettau führt, steht nahe vor letzterem Orte ein altes, starkverwittertes Steinkreuz. Dasselbe soll die Stelle bezeichnen, an welcher im 30jährigen Kriege ein schwedischer Offizier begraben wurde.
(Mündlich.)
In Werda bei Falkenstein steht neben der Straße gegenüber dem Pfarrhause ein altes Kreuz von Granit, wahrscheinlich aus katholischer Zeit stammend. Die Sage geht davon, daß an dieser Stelle ein vornehmer Soldat im Kampfe gefallen sei.
(Köhler, Volksbrauch im Vogtlande, S. 598.)
Vor mehreren Jahren stand am Wege von Hauptmannsgrün nach Waldkirchen, an der Grenze des ehemaligen erzgebirgischen Kreises, ein Stein mit eingehauener Ofengabel. An dieser Stelle soll nämlich ein Schafhirte von einigen Weibern mit einer Ofengabel erstochen worden sein. Der Hirte hatte mehr Schafe für sich behalten, als ihm zukam und als er deswegen von den Frauen zur Rede gesetzt ward, wurde er grob; es kam zu Streit und Thätlichkeiten und endigte mit dem gewaltsamen Tode des Hirten.
(Mündlich.)
Zwischen Kirchberg und Hirschfeld führt von dem beide Orte verbindenden Kommunikationswege zur Linken ein kurzer Fußsteig in den gegenwärtig aus jungem Nadelholze bestehenden Streitwald. Nach vielleicht 20 Schritten befindet man sich an einem ungefähr einen Meter hohen, an den Ecken abgestoßenen und oben gewölbten, alten Steine, dessen Oberfläche zum Teil mit Flechten und Moos bedeckt ist. Doch sieht man auf ihm noch zwei gekreuzte Messer und ein Brotchen eingehauen. Hier sollen sich einst vor vielen Jahren bei[507] einer Hungersnot zwei Frauen, welche zusammen in Wolfersgrün ein Brot gekauft hatten, mit ihren Messern erstochen haben, weil jede von ihnen das Brod ganz haben wollte.
(Mitgeteilt vom Lehrer Kretschmar in Wildenthal.)
An der alten Frühbußer Straße, welche sich zwischen Eibenstock und Wildenthal in der Nähe der Waldschenke von der Chaussee abzweigt, steht ungefähr 400 Schritte von genannter Schenke entfernt im Walde ein alter Stein mit eingehauenem schwarzen Kreuze. Anno 1799 ist an dieser Stelle ein Fuhrmann, welcher von Karlsfeld kommend, nachts mit seinem Fuhrwerk auf dieser Straße fuhr, von dem Hausknechte des Gasthofes zu Karlsfeld ermordet worden. Der Fuhrmann ließ sich gegen Abend vom Wirte des genannten Gasthofes für Silbergeld neue Kupfermünze geben. Dies sahe der Hausknecht, welcher jedoch das glänzende Kupfergeld für Goldstücke hielt. Ihn gelüstete nach denselben, und er ging deshalb, als der Fuhrmann bereits ein gutes Stück fort war, demselben nach, ermordete ihn und nahm ihm die vermeintlichen Goldstücke ab. Zur Erinnerung an diese That ist der Stein gesetzt worden.
(Brandner, Lauenstein, seine Vorzeit u. s. w., 1845, S. 321.)
Auf Gotthelf Tittels Gute in Fürstenwalde steht ein Denkmal mit der Bezeichnung G. D. und einer Schneiderschere, nebst der Jahreszahl 1622. Einer Tradition zufolge ist dort im besagten Jahre ein aus Rudolphsdorf gebürtiger Schneidergeselle auf seiner Rückkehr aus der Fremde von einem Fleischerburschen ermordet, später in einem Reisighaufen versteckt aufgefunden und von Jakob Tittel hereingefahren und in Fürstenwalde beerdigt worden.
(Oesfeld, Histor. Beschreibung einiger merkwürdigen Städte im Erzgebirge, 2. Teil, 1777, S. 10.)
Vor dem Schneeberger Thore in Lößnitz lagen ehemals drei Kreuze aus Sandstein; auf zweien derselben sahe man deutlich ein eingehauenes[508] Kreuz. Man erzählte, daß diese Kreuze als Denkmäler einer Mordthat hingesetzt worden seien, indem sich in alten Zeiten daselbst Fleischerknechte totgeschlagen hätten.
(Ad. Daniel Richter, Chronica der Stadt Chemnitz, I. 1767, S. 35.)
Vor der Johanniskirche in Chemnitz stand früher eine päpstliche Martersäule (d. h. eine Stationssäule aus katholischer Zeit) und vor derselben ein klein steinern Kreuz, auf welchem zwei kreuzweis eingehauene Dolche zu sehen waren. Man erzählte, daß sich hier zwei, und zwar einer den andern, erstochen haben sollen.
(Ziehnert, Sachsens Volkssagen, Anhang, No. 13.)
Vor dem Bergstädtchen Brand am Wege nach Freiberg standen von alters her drei Kreuze, deren Bedeutung nur die Sage noch kennt. Bereits im Jahre 1574 waren die ursprünglich hölzernen Kreuze so vermorscht, daß an ihre Stelle drei steinerne gesetzt wurden. In den Jahren 1608 und 1800 wurden sie wieder erneuert und an die Stelle der steinernen waren wieder solche von Holz gekommen. Von diesen Kreuzen aber erzählt der Volksmund: In einem Kriege, niemand weiß in welchem, wäre Freiberg belagert worden und hätte eine hohe Summe Brandschatzung geben sollen, diese aber nicht sogleich aufbringen können, und deshalb drei Ratsherrn zu Geißeln gestellt. Weil ihnen aber inzwischen Entsatz gekommen wäre, so hätten sie einen Boten in das feindliche Lager geschickt, der den Ratsherrn insgeheim kund that, wie die Sachen ständen, und daß sie womöglich in der kommenden Nacht entfliehen möchten, denn die Stadt sei nicht gesonnen, die hohe Summe zu zahlen. Hierauf wären denn auch die Ratsherrn ihrer Haft entflohen, auch glücklich bis vor das Lager gekommen, hier aber eingeholt und am anderen Morgen für ihren Wortbruch durch das Schwert hingerichtet worden. Nachher hätte die Stadt zum Andenken ihrer unglücklichen Ratsherrn dort, wo sie hatten sterben müssen, die drei Kreuze errichten lassen.
(Fr. Bernau, Comotovia, 1877, S. 77.)
An der Straße von Udwitz nach Görkau findet man linker Hand ein von Lindenbäumchen beschattetes Kreuz, das sogenannte Hahnenkreuz, worauf ein von vergoldetem Blech gefertigter Hahn befestigt ist. An diesen knüpft sich folgende Sage:
Zur Zeit der Hussitenkriege zogen die Scharen des gefürchteten Ziska, nachdem sie die Stadt Komotau in Asche gelegt, auf die Stadt Görkau und das Schloß Rothenhaus los, um unter den dortigen katholischen Bewohnern ebenfalls mit Blut und Mord aufzuräumen. Es war am Schutzengelfeste, als sie durch einen äußerst dichten Nebel auf ihrem Zuge dahin aufgehalten wurden und sich erst dann wieder in Bewegung setzten, als sie ein aus der Ferne her schallendes Hahnengeschrei vernahmen, welches, wie sie glaubten, von Görkau herüber tönte. Sie verfolgten die Richtung des Krähens und verfehlten glücklich die Stadt, indem sie weiter östlich gelangten und schließlich nicht mehr zurückkehrten. Zur Erinnerung an diese wunderbare Errettung aus drohender Gefahr ließen die Bewohner von Görkau das erwähnte Kreuz anfertigen und auf dem Friedhofe aufstellen, von wo es im Jahre 1854 auf den jetzigen Platz unter großen Feierlichkeiten übertragen wurde. Die kleinen daselbst stehenden Linden wurden damals von der Görkauer Schuljugend gepflanzt.
(Heger und Lienert, Ortskunde von Schmiedeberg, S. 63.)
Am südwestlichen Ende von Schmiedeberg, unweit des jetzigen Wirtshauses »Zum letzten Pfennig«, stand in alter Zeit eine Schenke, in welcher es oft sehr lustig herging. So auch einst an einem Sonntage, als ein schweres Gewitter heraufzog. Der immer näher erschallende Donner, wie der ganz verdunkelte Himmel mahnten zur Einstellung der Lustbarkeiten. Man achtete jedoch nicht auf diese drohenden Zeichen; die Ausbrüche wilder Lust verdoppelten sich vielmehr, die Musik begann ein munteres Tanzstück zu spielen und unter Lärmen und Johlen drehten sich die Paare im Kreise. Diesem frevelhaften Treiben konnte die Strafe des Himmels nicht ausbleiben. Das Unwetter hatte seine ganze Macht entfesselt, Blitze über Blitze durchzuckten grell das Halbdunkel und das betäubende Krachen des Donners vermischte sich mit dem Brausen des wütenden Sturmes. Den tollen[510] Wirtshausjubel unterbrach plötzlich ein fürchterlicher Schlag, alle Gegenstände ringsum wurden eine Sekunde lang sonnenhell beleuchtet und dann von dichter Finsternis umfaßt. Ein mächtiger Blitzstrahl hatte die Schenke getroffen und die Erde zu einem gräßlich gähnenden Spalt geöffnet, in welchem das Gebäude samt allen darin Anwesenden spurlos versank. – An der Stelle, wo die Schenke stand, wurde später als Wahrzeichen ein rot angestrichenes Kreuz errichtet. Dieses ist zwar auch schon längst verschwunden, der Name »Beim roten Kreuz« jedoch bis heute geblieben.
(Mündlich.)
Im Dorfe Moldau erblickt man auf einer steil ansteigenden Höhe am rechten Ufer des Muldenbaches ein hohes Kreuz. Daselbst soll ein Mann mit schwerbeladenem Wagen herabgestürzt sein, ohne daß weder er noch seine Pferde Schaden genommen haben.
(Mitgeteilt vom Sem. Müller aus Bärenwalde.)
In Bärenwalde liegt am Berge, wo die Straße vorüberführt, ein großer Stein, in welchem man ein kleines eingemeißeltes Kreuz sieht. Die Sage erzählt davon, es seien an der Stelle einst bei einem heftigen Gewitter zwei Bettelknaben vorübergegangen. Als es heftig donnerte, spotteten sie in gottloser Weise und der eine sprach: »Dort oben fährt der liebe Gott mit dem Schubkarren herum!« Kaum aber hatte er diese Worte gesagt, so erschlug ihn ein niederfahrender Blitz. Der Knabe wurde darauf an dem Orte begraben, und zur Erinnerung an diese Begebenheit meißelte man ein Kreuz in den großen Stein, der bereits an dem Platze gelegen hatte, wo dies geschehen war.
(Chemnitzer Landbote, 1881, No. 34, Beilage. Flathe, Die Vorzeit des sächs. Volkes in Schilderungen aus den Quellenschriftstellern, 1860, S. 3.)
Wenn man von der an der Chemnitz-Annaberger Straße gelegenen Bergschenke nahe dem Dorfe Klaffenbach hinabwandert, so gelangt[511] man sehr bald an ein auf einer Wiese des Gutsbesitzers August Bachmann stehendes uraltes, steinernes Kreuz, auf dessen einer Seite ein Schwert eingegraben ist. Hier soll Arno, Bischof der heiligen Kirche zu Würzburg, den Tod eines Blutzeugen erlitten haben. Als er nämlich, heimkehrend von einem Zuge gegen die Böhmen, an der Landstraße gegen Mitternacht in seinem Zelte, das er auf einem Hügel hatte aufschlagen lassen, Messe las, ward er plötzlich von einer feindlichen Schar ringsum eingeschlossen. Nachdem er darauf alle seine Gefährten in den Märtyrertod vorausgesandt hatte, brachte er sich zuletzt selbst dem Herrn dar an der Stelle, wo noch heutzutage brennende Lichter erblickt werden; daß aber diese die heiligen Blutzeugen sind, bezweifeln selbst die Slaven nicht. Dies war im Jahre 892, zur Zeit des Kaisers Arnulf geschehen.
Über den Namen des Dorfes Klaffenbach s. S. 7.
(Kirchengalerie von Sachsen, 2. B., 246.)
In Dorfchemnitz steht eine Linde, welche den Namen Marterlinde führt. Dieselbe wurde an der Stelle einer alten, welche sehr stark und zerspalten war, gepflanzt, und soll den Platz bezeichnen, wo ein Mensch verbrannt worden ist und viele Martern ausgestanden hat.
Es ist nicht unwahrscheinlich, daß der Name »Marterlinde« von einem Kruzifix, welches zur Zeit des Katholizismus daselbst gestanden hat, herrührt. – Erwähnt mag noch werden, daß Albert Schiffner hier den Platz vermutet, an welchem 892 die Ermordung des Bischofs Arno von Würzburg durch die Sorben geschah. (Archiv für sächs. Gesch. 2. S. 175.) Es wird in dieser Beziehung auf die Vorbemerkungen zu den Göttersagen und auf die vorhergehende Sage verwiesen.
(Kirchengalerie von Sachsen, 2. B., S. 246.)
In einem Garten in Dorfchemnitz stand vor Jahren ein Denkmal von Sandstein. Dasselbe bezeichnete die Stelle, wo sich einmal zwei Fleischergesellen (andere sagen, es wären Müller gewesen) mit Beilen gehauen haben, so daß beide gestorben sind.
(Erzgebirgs-Zeitung, 1. Jahrg., S. 170.)
Ein Fleischhauer aus Falkenau fand einst auf dem bewaldeten und unbewohnten Kulmerberge, noch ehe daselbst das Kloster gestiftet wurde, in einer Haselstaude ein Marienbild, und er errichtete darüber ein Bretterdach, an dessen Stelle später eine Kapelle entstand. Auch wird erzählt, daß sich nachher in den umliegenden Berggruben eine Räuberbande niedergelassen und die Gegend durch Raub und Mord unsicher gemacht habe, bis die Unholde durch ein Damenbrett, das ein Ritter aus Falkenau gelegentlich eines Besuches zu Katzengrün in der Kapelle auf dem Kulmerberge vergessen hatte, entdeckt, eingefangen und dem Strafgerichte in Eger übergeben wurden.
(Köhler, Volksbrauch etc., S. 622.)
Über der Thür des Försterhauses in Weidmannsruhe bei Neudeck und Fraureuth in der Werdauer Staatswaldung befindet sich eine hölzerne Tafel mit geschnitzter weiblicher Figur, die einen Kranz in der Hand hält und folgende Umschrift hat:
An den unteren Ecken zu beiden Seiten des Bildes ist Gebüsch gemalt, aus welchem Wölfe und ein Jäger vorragen. Wahrscheinlich ist das Bild ein altes Wirtshausschild, aus der Zeit herrührend, wo die letzten Wölfe in dieser Gegend erlegt wurden. Erzählt wird, daß das Bild früher etwas weiter im Walde angebracht war und daß es die Stelle bezeichnete, wo ein Mädchen von Wölfen zerrissen wurde.
(Köhler, Volksbrauch im Vogtl., S. 608.)
Dasselbe befand sich ehedem am herrschaftlichen Chore und soll von dem Diener eines Herrn von Römer ausgeführt worden sein.[513] Über die Entstehung dieser Schnitzerei wird folgendes erzählt: Der Künstler sollte aufs Zuchthaus kommen; da bat er sich die Gnade aus, vorher diese Arbeit ausführen zu dürfen. Man gestattete es ihm, aber er soll seine Arbeit nicht vollendet haben, so daß er dem erhaltenen Worte gemäß niemals jene Strafe verbüßte.
(Köhler, Volksbrauch im Vogtlande, S. 621.)
In dem Dorfe Zwota bei Klingenthal waren vor mehreren Jahren am Wege zwei sogenannte Walfischrippen, eigentlich Unterkiefern des Walfisches, zu einem Bogen zusammengestellt; später lagen dieselben in einem Garten des genannten Ortes. Dieselben sollen früher an dem jetzt eingegangenen Hammerwerke, welches nach der Überlieferung des Volkes das feinste und zäheste Eisen im Vogtlande herstellte, gestanden haben, und es wird erzählt, daß ehemals selbst aus den Seestädten Fuhrleute nach dem Hammer kamen, um das weit und breit geschätzte Eisen zu holen. Von solchen Fuhrleuten sollen die genannten »Walfischrippen« mitgebracht worden sein.
(Alfr. Moschkau, Gesch. d. Benedictinerklosters St. Walpurgis im Zellwalde, 1874, S. 7.)
Die große Glocke zu Marbach bei Nossen und die der Frauenkirche zu Dresden sollen von einem angeschossenen Eber in seinem verzweifelten Todeskampfe bei der »alten Zelle« im Zellwalde ausgewühlt worden sein.
(Beschreibung über die Kirche zu Oberlungwitz, S. Martin genanndt, was man merkwürdiges von alters her, von mehr denn 200 biß 300 Jahren a) wegen der Kirchen, b) wegen des Thurms und c) wegen derer Glocken gefunden, und von mir dem dasigen Schulmeister besage derer Kirchen Bücher allhier aufgezeichnet worden. 1766. Manuskript.)
Etliche sagen, es hätte bei Hohenstein von der Hüttenmühle am Grunde an dem Bächel hinauf ein Dorf gestanden, etliche wieder[514] sagen, es wäre ein Städtchen mit Namen Kirchberg gewesen, und die Einwohner dieses Ortes hätten ein böses Geschrei gehabt und des sündigen Wesens so hoch getrieben, daß Gottes Strafe über sie ergangen und der Ort versunken wäre. Nach dieser Zeit sollen zwei Viehhirten ohnweit des ehemaligen Ortes Kirchberg ihr Vieh gehütet haben, und solche hätten wahrgenommen, daß eine wilde Sau zwei Glocken ausgewühlt hätte, davon der eine gesagt. »Diese Glocke will ich der Lungwitzer Kirche verehrt haben.« Der andere habe gesprochen: »Das laß ich wohl bleiben; ich will mit meiner Glocke mir etwas zu gute thun und wohlleben.« Darauf wäre solche Glocke wieder in die Erde gegangen und versunken. Und die allerältesten Männer haben erzählt und auch noch bekräftiget, daß sie es von ihren Vätern und Großvätern gehöret, wie die von dem einen Viehhirten gefundene Glocke hernach nach Lungwitz gebracht worden wäre. Sogar geben sie nach ihrer Einfalt vor, wenn diese Glocke geläutet würde, sie gleichsam taktweise ihren Klang hätte.
Über die Wüstung Kirchberg s. auch No. 640.
(Mitgeteilt vom Sem. Andrä aus Schneeberg.)
Da, wo jetzt von Wald umgeben der kleine Weiler Jahnsgrün bei Bärenwalde liegt, soll ein größeres Dorf mit demselben Namen gelegen haben. Dasselbe ist einst, man weiß nicht mehr auf welche Weise, untergegangen und es ist von ihm nichts weiter aufgefunden worden, als eine Glocke, welche eine wilde Sau aus dem moorigen Boden wühlte. Diese Glocke soll noch jetzt auf dem Kirchturme zu Bärenwalde hängen. Man hat über die Begebenheit folgendes Volkslied:
Auch Sachsen Kirchengalerie (8. B., S. 58.) erzählt, daß man aus manchen Spuren, z. B. aufgefundenen alten Schlüsseln, schließen will, daß die Gegend von[515] Jahnsgrün vor der Zeit des Hussitenkriegs stark bevölkert gewesen sei. Hier ist besonders bemerkenswert, daß die Sage noch von zahlreichen anderen Glocken erzählt, welche durch Schweine aufgewühlt wurden. Dahin gehören die große Glocke zu Marienei und die Kirchenglocke zu Treuen, welche letztere ebenfalls brummt: »En wille Sau ausgegrob'n, en Bettelmann gefunne«. (Köhler, Volksbrauch im Vogtlande, S. 605.) Ferner mögen die Lobesdorfer Glocke, in der viel Silber war, so daß sie sich durch ihren schönen Klang auszeichnete (Größler, Sagen der Grafschaft Mansfeld, No. 36.), die Glocken von See und Spree in der Lausitz (Haupt, a. a. O., S. 403.), zu Blankensee, welche summt: »Sau fand jenen Sand«, und zu Görzdorf mit dem unmelodischen Tone: »Sony woillt us« (d. i. Sau wühlt aus), genannt sein.
Nork (Sitten u. Gebräuche etc. S. 372.) versucht einen mythischen Zusammenhang zu finden, indem er meint, die Glocke, welche zuweilen aus Teichen und Seen aufsteigt, sei wie die Nebelkappe auf dem Wasser (Odhins Hut) ein Symbol für Stürme; ihr Tönen sei der heranbrausende Sturm. Er bringt damit die Benennung »Sauzagel« für Wirbelwind in Verbindung. Die Sau aber ist Finderin der im Dunkeln verborgenen Gegenstände, sonst ein der Finsternis geweihtes und darum als Juelschwein dem Lichtgott geopfertes Tier. (Haupt, a. a. O., No. 283 a.) Ein goldenborstiger Eber, auf welchem Freir und Freia ritten, erhellte die Nacht taghell.
(Mitgeteilt vom Lehrer Thuß in Tellerhäuser.)
Eine Viertelstunde von Weiters-Wiese liegt der Kranichsee, ein gegen 2 Stunden im Umfang haltendes, mit der Sumpfkiefer bestandenes Hochmoor, in welchem sich die Quellenzuflüsse der Wilzsch, Pyra und Rohlau befinden. Die Sage erzählt nun, daß auf dieser rauhen Fläche einst eine Stadt gestanden habe, deren Bewohner so gottlos waren, daß Gott zur Strafe die Stadt versinken ließ. Dies soll an einem dritten Pfingstfeiertage geschehen sein, und noch will man jedes Jahr an diesem Tage zu einer bestimmten Stunde die unterirdischen Glocken der versunkenen Stadt läuten hören.
S. auch No. 493. Ähnliche Sagen auch anderwärts in Deutschland. Da, wo jetzt der salzige See bei Mansfeld ist, stand einst eine Stadt, welche versunken ist; man hört noch die Glocken in der Tiefe. (Größler, Sagen der Grafschaft Mansfeld, No. 66.) Auf dem Gottesfelde, einer Wiese am Südabhange des Adlersberges in Thüringen, soll ebenfalls eine Stadt gestanden haben, welche Gott versinken ließ, weil die Einwohner gottlos waren. Hier hört man zwar nach der Sage nicht die Glocken in der Tiefe klingen, aber von einem Schweine wurde einst auf dem Platze eine Glocke ausgewühlt, welche jedoch, auch als man sie umgegossen hatte, einen abscheulichen Klang gab. S. übrigens die Bemerkung zur vorhergehenden Sage. (Richter, Deutscher Sagenschatz, 3. H., No. 18.)
(Mündlich.)
Auf dem Steinberge bei Burkhardsgrün sieht man ein Haufwerk großer Granitblöcke, der Gipfel selbst trägt auf einem Felsen die Überreste eines jüngeren Mauerwerks. Die genannten Blöcke sind die Produkte der Verwitterung, durch welche die Felsmassen des Berges angegriffen wurden, so daß nur Haufwerke der festeren Granitkerne übrig blieben. Die Sage erzählt aber, daß auf dem Berge einst eine Stadt gestanden habe, welche durch die Sintflut untergegangen sei.
(Ziehnert, Sachsens Volkssagen, Anhang, No 36.)
Von der großen Glocke in dem Bergstädtchen Geyer, welche einsam auf einem alten viereckigen Turme an der Kirche hängt, erzählt die Sage, daß dieselbe auf dem Geyersberge, an dessen Fuße die Stadt liegt, durch eine Sau mehrere Ellen unter der Erde hervor ausgewühlt und von den Bürgern, welche sich dieses Fundes freuten, aufgehängt worden sei, aber nicht eher einen reinen und vollen Klang gegeben habe, bis ein Priester sie zu ihrer heiligen Bestimmung feierlich eingeweiht.
Im Jahre 1455 zersprang diese große Glocke von dem heftigen Sturmläuten, womit man auch in Geyer den Prinzenräuber Kunz von Kauffungen verfolgte, wurde aber auf Befehl und Kosten Kurfürst Friedrichs, des Vaters der Prinzen, sogleich umgegossen und der Prinzenraub darauf abgebildet.
(Deubener Zeitung, 1882, No. 70.)
Vor mehreren Jahrhunderten strömten zahlreiche Wallfahrtsscharen am Festtage der heiligen Barbara nach deren Kapelle in der Dippoldiswaldaer Heide. Nach Einführung der Reformation wurde jedoch diese Kapelle durch den Bischof Johann von Meißen abgetragen und das Altarbild sowie die Glocken in die Kirche zu Seifersdorf übergeführt. Nach der gemeinen Sage soll die 30 Schritt lange und 16 Schritt breite, jetzt in Ruinen liegende Barbarakapelle von einem Antonius, an welchen der »durch unvergleichlich helles und klares Wasser ausgezeichnete Antoniusbrunnen« erinnert, zu Ehren der heiligen[517] Barbara erbaut worden sein. Dabei befindet sich auch die Antoniuswiese, auf welcher ehemals die Antoniusklause gestanden haben soll.
In »Über Berg und Thal« (6. Jahrg. No. 10) bemerkt Weißbach in Rabenau, daß die Angabe, die Barbarakapelle, auch Klausnerkirche genannt, sei eine Wallfahrtskirche gewesen, der historischen Begründung entbehre. Derselbe führt vielmehr den Namen »Klausnerkirche« auf Klausenkirche, d. h. Nikolauskirche, wie eine solche sich auch in Dippoldiswalde befindet, zurück. Nikolaus war der Patron der Kaufleute und an der an der alten Grenze von Meißen und Böhmen gelegenen Kapelle führte jedenfalls in früheren Zeiten die Handelsstraße aus Böhmen nach Dresden vorüber. Nach einer anderen Meinung war die Kapelle eine Station der nach Kloster Zelle Wallfahrenden, von dem auch das oben genannte, jetzt in Seifersdorf befindliche Altarwerk abstammte. Fraglich ist die Erzählung, daß die Kapelle durch den Bischof Johann von Meißen abgetragen worden sei, da eine andere Nachricht mitteilt, daß sie im dreißigjährigen Kriege eingeäschert wurde. (Beschreibung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des K. Sachsen, 2. Heft (1883), S. 9.)
(Flader, Wiesenthälisches Ehren-Gedächtniß, 1719, S. 5–7. Kirchengalerie von Sachsen, 12. B., S. 147.)
Da, wo jetzt Unterwiesenthal steht, war sonst nichts zu sehen, als ein finsterer, dicker Wald. Daselbst legten böhmische Fuhrleute auf einer grasreichen Wiese und nicht weit von dem roten Hammer einen Heuschuppen an, um nach Überschreitung des Gottesgaber Passes an diesem Orte immer Futter für ihr Vieh zu finden. Bei dem Heuschuppen aber stand eine hohle Fichte, in welche sie zum Schutze ihres Schuppens ein Kreuz mit dem Christusbilde aufstellten. Man nannte es den »gestempelten oder gestümmelten Christus«. Um die Fichte herum aber ist das Gras samt dem roten Klee aufs schönste wie auf einer grünen Wiese gewachsen. Als darauf das Städtchen Unterwiesenthal, dem erst später die Anlage von Oberwiesenthal folgte, gegründet ward, erbaute man an dem Platze, wo die Fichte gestanden hatte, eine Kapelle, nach derem Verfalle die Unterwiesenthaler den Neudörflern die daselbst befindlich gewesene Glocke unter der Verpflichtung liehen, sie ihnen zu gewisser Zeit wieder auszuhändigen. Später gaben die Herren von Schönburg, welche Besitzer des Grundes und Bodens waren, den Gerichten von Unterwiesenthal ein Siegel, und sie nahmen in dasselbe zur Erinnerung an den Ursprung des Ortes ein Kreuz auf, welches auf beiden Seiten und auch unten mit etlichen Kleeblumen versehen ist.
(Gumprecht, Lindenblätter v. Oberlungwitz, Zwickau, 1863, S. 17 u. 18.)
Auf der sogenannten heiligen Wiese im Hirschgrunde bei Abtei-Lungwitz stand einst ein der Jungfrau Maria geweihter Altar mit einem wundertätigen Marienbilde, das zahlreiche Gläubige an sich lockte. Wenn dieselben die von den Mönchen des Klosters Grünthal gehaltenen Messen angehört hatten, besuchten sie die Märkte in Lungwitz, welche unter den »Linden«, die einst bei der jetzigen alten Post standen, abgehalten wurden. Der alte Weg, der vom Dorfe zu der heiligen Wiese führte und den die Wallfahrer ziehen mußten, hieß damals die Vorlage und besteht teilweise noch heute unter dem Namen »die Vorel« oder »Vurel« in der Nähe der jetzt Rügerschen Grundstücke in Abtei-Lungwitz.
Auf dem Turme der Oberlungwitzer Kirche befindet sich noch eine uralte Glocke, die wahrscheinlich aus irgend einem Kloster stammt und seiner Zeit an die alte Lungwitzer Kapelle abgegeben worden ist, und zwar vorzugsweise mit zu dem Behufe, um bei den Wallfahrten nach der heiligen Wiese gelauten zu werden. Nach einer alten Tradition hat man stets mit dem Läuten der Glocken auf der Lungwitzer Kirche begonnen, wenn die Wallfahrtsprozessionen bei dem Marienbilde im Hirschgrunde angekommen waren, und es hat überhaupt dieses Bild dort an dem Orte gestanden, von wo aus die Oberlungwitzer Kirche am besten zu übersehen war, um während des Lesens der Messe u. s. w. die erforderlichen Zeichen zum Anschlagen oder Lauten der Glocken vom Platze aus hinüber nach dem Turme geben zu können.
(Nach Ziehnerts poet. Bearbeitung bei Gräße a. a. O., No. 560.)
Unter den Reliquien der Kirche zu Ebersdorf befindet sich ein Schiffchen von Holz, welches aus dem 14. Jahrhundert stammt und bei folgender Gelegenheit dort aufgehängt worden ist. Ein gewisser Junker Wolf von Lichtenwalde (?) war ins gelobte Land gezogen, um dort gegen die Sarazenen zu kämpfen; er hatte alle Gefahren und Anstrengungen des Krieges glücklich überwunden und kehrte jetzt mit Schätzen beladen nach seinem Vaterlande zurück, wo ihn eine liebende Braut erwartete. Siehe, da begab es sich, daß das Schiff, auf dem er nach Venedig segelte, von einem furchtbaren Sturme überfallen ward; keine Geschicklichkeit des seekundigen Kapitäns, noch die übermenschlichen Anstrengungen der Mannschaft vermochten dem Andrange der wütenden[519] Elemente zu widerstehen und jeder sah dem Untergange des Schiffes in nächster Zeit entgegen. Da sank der sonst so mutige Kreuzfahrer in wilder Verzweiflung auf die Knie und gelobte der heiligen Jungfrau zu Ebersdorf, daß, wenn sie ihn aus dieser Todesnot befreien und glücklich in sein Ahnenschloß zurückkehren lassen werde, er ihr ein Schiffchen ganz mit gutem Gold gefüllt als Opfer darbringen wolle, und solle er auch sein ganzes Eigentum dabei aufwenden. Und siehe, fast augenblicklich legte sich der Sturm, die Wogen glätteten sich und ein günstiger Wind trieb das Schiff schnell und glücklich in den sichern Hafen. Der Ritter vergaß aber nach seiner glücklichen Heimkehr sein Gelübde nicht, er ließ von einem geschickten Künstler ein Schiffchen anfertigen, füllte es mit Gold an und hing es zum ewigen Andenken in der Kirche zu Ebersdorf am Altare der hl. Jungfrau auf. Zwar hat die Lichtenwalder Gutsherrschaft nach der Reformation sowohl dieses Gold als auch alle andern Kostbarkeiten und Nutzungen der Kirche an sich genommen, nachdem sie die Verpflichtung eingegangen war, dieselbe in allen Baulichkeiten zu unterhalten, ja, sollte sie einmal abbrennen, ohne Zuthun der Gemeinde und des Kirchenärars aus ihren Mitteln wieder aufzubauen, allein das Schiffchen ist heute noch zu sehen.
(Richter, Chron. v. Chemnitz I, 1767, S. 85.)
Im Jahre 1738 wurde in der Schloßkirche zu Chemnitz eine Geißelsäule wieder aufgerichtet, welche einige Jahre da gelegen hatte. Dieselbe befand sich vorher in dem sogenannten Geißelsaale nahe bei der Kirche und war aus einem Eichenbaume oder einer Linde gearbeitet. Die Sage erzählte, daß der Baum unten aus der Erde aufgewachsen und durchgeführt worden sei. Aus diesem ist nun durch die Bildhauerkunst eine Säule zugerichtet und an derselbigen, ohne Zuthun anderen Holzes, die ganze Geißelung Christi in Lebensgröße im ganzen ausgehauen worden. Dieses Kunstwerk haben viele hundert Personen von Fremden und Einheimischen jährlich zur Sommerzeit beim Spazierengehen ehedem besichtiget.
(Ziehnert, Sachsens Volkssagen. Anhang. No. 23.)
Der Hauptaltar in der Annaberger Kirche besteht aus lauter italienischem und griechischem Marmor und ist von Meister Adolf in Augsburg verfertigt worden. Man erzählt davon folgende Sage:
Ulrich Mengemeyer, ein reicher Bürger zu Augsburg, hatte sich mit Andreas Tuchern, einem böswilligen Ratsherrn, verfeindet, und ward durch dessen heimtückische Nachstellung bewogen, seine Vaterstadt zu verlassen. Er wandte sich nach Annaberg, wo er schon seit längerer Zeit viele Kuxe an sehr gesegneten Fundgruben hatte, und ward Bürger daselbst, in der Meinung, vor Tuchers Verfolgungen nunmehr sicher zu sein. Aber er irrte. Am Freitag vor Pfingsten 1514 ward er auf dem Wege zu seinem Freunde, dem Guardian des Franziskanerklosters, von zwei Meuchelmördern überfallen und erstochen. Die Mörder flohen zum Frohnauer Thore hinaus nach dem Schreckenberge hin. Der eine aber, Wilwald Dyrmann, den sein wüstes Aussehen und das Blut an den Händen verriet, wurde im Thale von einem Bergmann festgehalten und nach der Stadt zurückgebracht; der andere, Hansel Unger, ward auch bald nachher in Pirna eingefangen und in Ketten nach Annaberg geführt. Im Verhöre sagte Dyrmann aus, Andreas Tucher habe ihn durch seinen Vetter, Philipp Weisenburgern, einen armen Edelmann im Dienste der Stadt Augsburg, zu diesem Meuchelmorde für 400 fl. dingen lassen. Deshalb ward sogleich an den Augsburger Rat geschickt und Weisenburgers und Tuchers Auslieferung gefordert. Aber Weisenburger nahm die Sache allein auf sich und schrieb an den Rat zu Annaberg, er habe gute Sache an Mengemeyern gehabt und allein, ohne Tuchers Geheiß, Dyrmann zu dieser That bewogen; darum möchten sie dem das Lehen schenken. Zugleich war Weisenburger aus Augsburg entwichen. Tucher schickte einen Sachwalter nach Annaberg, der ihn vollends rechtfertigte. Dyrmann und Unger aber wurden am Freitag nach St. Anna 1511 durch das Rad hingerichtet. So war die Sache mit dem Rate zu Annaberg beigelegt. Herzog Georg von Sachsen aber ließ es nicht dabei bewenden, sondern verklagte die Reichsstadt Augsburg beim Kaiser, und obgleich der Augsburger Rat sich vielfach entschuldigte, so ward doch auf dem Reichstage dahin entschieden, daß die Stadt Augsburg wegen verletzten Gottesfriedens der Hauptkirche zu Annaberg einen marmornen Altar verehren solle. Und dies geschah auch.
So erzählt die Sage. Geschichtlich glaubwürdige Nachrichten aber sagen, dieser Altar sei von den Annabergern, welche sich damals des reichsten Bergsegens erfreuten, mit 2551 fl. bezahlt worden, und Herzog Georg der Bärtige habe selbst 1000 fl. von seinem Grubenanteil abgegeben.
(Ziehnert, Sachsens Volkssagen. Anhang, No. 134.)
Die Sage erzählt, daß in dem Dome in Freiberg ein Meister und sein Geselle jeder eine Kanzel gebaut habe, die des Gesellen aber besser geraten sei. Darüber sei der Meister so zornig geworden, daß er den Gesellen erschlagen habe. Noch jetzt kann kein Geistlicher auf des Gesellen Kanzel wegen jener Greuelthat predigen.
(Curiosa Sax., 1736, S. 171. Darnach Gräße, Sagenschatz, No. 286. Gießler, Sächs. Volkssagen, Stolpen o. J., S. 275.)
Auf dem sogenannten Donatsthore in Freiberg befindet sich ein runder und sehr starker Turm, dessen Mauern 9 Ellen dick sind und den angeblich die Bergleute, so jeder nur einen Pfennig von seinem Solde abgegeben, haben erbauen lassen. Wenn man um die Stadt Freiberg herumgeht, so sieht man, wenn man vom Erbischen Thore nach dem Donatthor zugeht, einen kleinen viereckigen Wachtturm, hinter den sich, sobald man demselben gleichsteht, der große Donatturm verkriecht, also daß man an solchem nichts mehr als den Knopf von der oben darauf stehenden Fahne sehen kann, trotzdem daß der große Turm mehr als einmal so hoch ist, als der nächst vorstehende Wachtturm.
(Fr. Bernau in der Comotovia, 5. Jahrg., S. 85.)
Auf der Nordseite der Burg Hassenstein steht, einige hundert Schritte von dieser malerischen Ruine entfernt, im dichten Walde ein hoher, geräumiger Turm, von dem umwohnenden Landvolke insgemein der »Marterturm« genannt. Der Sage nach wurde dieser Turm von einem der ersten Hassensteiner Burgherren für gefallene Mädchen und ihre Verführer gebaut. Doch es geschah, daß die Tochter des sittenstrengen Besitzen die erste schuldige war, und deshalb in den Grund des Turmes eingemauert, ihr Verführer aber vor dem Turme enthauptet wurde.
(Gräße, Sagenschatz des K. Sachsen, No. 347.)
In einem der Zimmer des Schlosses zu Nossen befand sich sonst ein Gemälde, auf dem ein Mohr vorgestellt war, der in einer Wanne saß. Den scheuern zwei Bademägde mit Katzenzagel und Sandhadern recht nachdrücklich, also daß ihnen der Angstschweiß über die Wangen läuft, können aber doch kein weißes Fleckchen an seiner Haut entdecken, wie die darunter stehenden Reime bezeugen:
An der Straße, welche von Thalheim nach Stollberg führt, steht auf der Höhe im Walde eine Restauration, »Tabakstanne« genannt, die ihren Namen von einer alten Tanne hat, in welche Handwerksburschen vor alter Zeit folgenden Reim schnitten:
In der Neuzeit ist an die Stelle der alten wurmstichigen Tanne eine junge gepflanzt worden, an der sich eine Tafel mit folgender Inschrift befindet:
(Nach Ziehnert bei Gräße a. a. O., No. 475.)
In Callnberg bei Lichtenstein, wo Kunz von Kauffungen die Gartenleitern (lederne Leitern mit Holzsprossen) für den Prinzenraub fertigte – der Ort gehörte seinem Vetter Dietrich – stehen noch heute ohngefähr 200 Schritte vom Rittergute an der Straße von Waldenburg nach Lichtenstein zwei sehr alte, jedoch nicht schön gewachsene Eichen, von denen man sagt, daß sie zum Andenken an den Prinzenraub gepflanzt worden sind. Die Scheune, in welcher jene Leitern angefertigt[523] wurden, ist längst zerstört, der Platz aber mit einer Gedenktafel bezeichnet, deren Schrift mit der Zeit unleserlich geworden. Diesem Mangel wurde später durch folgende Inschrift abgeholfen:
(Hist. Nachricht von den Denkwürdigkeiten der Stadt Chemnitz, 1734, S. 24. Gräße, Sagenschatz etc., No. 497, nach Curiosa Sax. und Ziehnert.)
Auf dem Pflaster der Schloßkirche zu Chemnitz sieht man einen dunkeln Fleck, der daher rührt, daß einst ein Mönch, der sich bei einer dort gehaltenen Himmelfahrtskomödie an der Maschine, die zum Hinaufziehen in ein oben befindliches Gewölbe oder Herablassen aus diesem diente, hinaufziehen ließ, im Herabfallen zu Tode stürzte. In derselben befindet sich auch das Bild des Abtes Hilarius, der dieselbe etliche Jahre vor der Vertreibung der Mönche hatte reparieren lassen. Dieses Bild darf aber von niemandem geneckt oder von seinem Orte weggenommen werden, wenn dem Thäter kein Unglück begegnen soll, wogegen es einst einer Hausmagd, die es hübsch gesäubert, diesen Dienst mit einem alten Thaler gelohnt hat.
Von den aus Stein gehauenen Bildern im alten Portal der Kirche wird gesagt, daß dieselben ein alchemistisches Geheimnis bedeuten sollen, und man zeigte auch das Gewölbe, in dem die Mönche Alchemie betrieben.
Ebenso sah man früher den Eingang zu der Höhle, durch welche die Mönche unvermerkt aus dem Kloster und absonderlich in das Minoritenkloster in der Stadt, bei welchem ein ähnlicher Gang unter der Erde gefunden worden war, hätten kommen können.
(Alfred Moschkau in der Saxonia II, S. 107.)
Im Keller des Hauses dicht neben dem Gasthofe zum Stern am Markte in Nossen soll ein altes, aus dem Kloster Altzella stammendes Steinbild eingemauert sein. Vor ihm haben sich, des zürnenden Blickes[524] wegen, welches das Bild oft machte, die Dienstboten des Hauses so gefürchtet, daß es erst ohnlängst verblendet werden mußte.
(Gräße, Sagenschatz des K. Sachsen, 495.)
Auf dem alten Schlosse Oberforchheim am Haselbache, an der Straße von Freiberg nach Annaberg, stand bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts auf dem Oberboden in einer Kammer ein alter Großvaterstuhl, den hieß man der Frau Mutter Stuhl und auf diesem lag eine hölzerne Statue, die aber sehr stark vergoldet war, und ein kleines Männchen vorstellte. Diese zwei Gegenstände kannte jedermann im Schlosse und im Dorfe, und alle hatten eine gewisse heilige Scheu vor denselben, denn man sagte, sie seien die Palladien des Rittergutes, und wenn jemand den Stuhl von seiner Stelle rücke oder das Männchen angreife und in eine andere Lage bringen wolle, der werde dafür schwer von demselben gezüchtigt. Da diente um diese Zeit auf dem Hofe ein Knecht, der sich vor dem Teufel nicht fürchtete und einst in seiner Vermessenheit sich gegen seine Mitdiener rühmte, er wolle doch sehen, ob ihm etwas geschehen werde, wenn er sich an dem Stuhle vergreife. Darauf ging er also hinauf, schob den Stuhl weg und gab dem alten Männchen einen Backenstreich; allein die Strafe blieb nicht aus, denn noch in derselben Nacht legte sich dasselbe im Bette auf ihn als schwerer Alp und drückte ihn bis es Tag wurde, in der nächsten litt es ihn ebenso wenig und in der dritten warf es ihn gar aus dem Bette heraus. Nun ward er zwar ängstlich, rückte auch den Stuhl wieder an seinen alten Platz, allein der Geist war auf immer seiner alten Wohnung abhold, denn er zog auf und davon. In den darauf folgenden Tagen brannte das ganze Rittergut ab, und so viel man sich auch Mühe gab, den Stuhl und das Männchen zu retten, das einstürzende Dach begrub beide unter seinen Trümmern und als man dieselben abräumte, war nichts mehr von ihnen übrig.
(Grundig, Neue Versuche nützlicher Sammlungen etc., 1. Band, Schneeberg, 1750, S. 31.)
An der Landstraße bei Geyer stand ehemals das sogenannte Schächerhäusel, welches aus einem gemauerten Schwibbogen, so mit[525] Schindeln gedeckt und vornen mit Staketen verwahret war, bestand; darin befanden sich drei Kreuzbilder. Dieses Schächerhäusel war wohl ein Überbleibsel des Papsttums, doch erzählte man, es diene dazu, die Reisenden vor dem Bergabgrunde, sowie vor Irrwischen und Berggeistern zu warnen.
(Ziehnert, Sachsens Volkssagen, Anhang, No. 43.)
Diese kleine, nahe bei der Stadt Zwönitz gelegene Kirche, in welcher nur noch bei Begräbnissen und wenigen Festtagen gepredigt wird, soll ein Hufschmied aus Niederzwönitz zur Strafe getriebener Sodomiterei haben erbauen müssen. Zum schmachvollen Gedächtnis des Gründers hängen inwendig über der Thüre an einem Brette fünf vergoldete Hufeisen; fünf, weil er sein Verbrechen fünf Jahre lang soll getrieben haben.
Hufeisen kommen oder kamen an und in vielen Kirchen, z. B. an der Nikolaikirche zu Leipzig, in Nürnberg, Tangermünde etc., und zwar besonders an den dem heil. Nikolaus geweihten vor und das Volk verbindet damit verschiedene Sagen. So ist auch ein solches Eisen an der Domkirche in Wexiö in Schweden aufgehangen; dasselbe soll Odhins Roß Sleipnir verloren haben, als es beim ersten Geläute der ersten christlichen Messe einen gewaltigen Schlag gegen einen Felsen führte. Wo sich Hufeisen an und in den Kirchen finden, deuten sie vielleicht auf einen einst an demselben Platze gestandenen Tempel Wuotans hin. Die christlichen Bekehrer gestatteten, daß dieses Heilszeichen (nach einem noch heute weitverbreiteten Glauben bringt ein gefundenes Hufeisen Glück) dann an der Kirche aufgehangen wurde, um dem Volke wenigstem etwas von dem gewohnten Kultus zu lassen.
In den Nikolaikirchen bezieht sich das Hufeisen auf den heiligen Nikolaus selbst, der an die Stelle Odhins trat und als geharnischter Reiter gedacht wurde. In anderen Kirchen zeigte dieses Eisen vielleicht an, daß sich bei denselben eine Gesellschaft in »Not und Tod« befand, welche die an der Pest Gestorbenen bestattete und ihren Stifter, den Bischof Elegius, welchem das Hufeisen heilig war, als ihren Schutzheiligen betrachtete. (Schäfer, Deutsche Städtewahrzeichen, 1858, S. 23.)
(Ziehnert, Sachsens Volkssagen, 4. Aufl. Pros. Nachtrag, No. 2.)
In sächsisch Zinnwald steht (?), ohngefähr fünfzig Schritt von der Grenze entfernt, ein kleines hölzernes, von einem Bergmanne bewohntes Häuschen, an dessen hintern Deckbalken in der Stube folgender Vers eingeschnitten ist:
In den Jahren 1716 bis 1728 wurden nämlich die protestantischen Einwohner Böhmens ihrer Religion wegen hart verfolgt und sogar gezwungen, entweder zur katholischen Kirche überzutreten oder das Land zu verlassen. Wenige thaten das erstere, die meisten wanderten nach Sachsen aus. Unter letzteren war auch ein Bergmann, mit Namen Hans Hirsch. Er hielt fest an seinem Glauben und besann sich deshalb keinen Augenblick, was er thun solle; aber sein Häuschen, welches ohnweit der Grenze stand, hätte er gern mitgenommen. Darum beriet er sich mit seinen Freunden und Gevattern und endlich hatten sie's erklügelt. Das Häuschen ward auf Walzen gebracht und bei Nacht und Nebel glücklich nach Sachsen herüber gepascht auf den Fleck, wo es jetzt noch steht. Zum Andenken schnitt Hirsch obige Schrift in den Balken ein.
(Mündlich.)
Es wird erzählt, das Schloß Wildenfels habe in alter Zeit durch unterirdische Gänge mit Stein, sowie mit Wiesenburg, welches früher ein Raubschloß gewesen sein soll, in Verbindung gestanden. Ebenso soll ein Gang von dem Schlosse nach einer Burg geführt haben, deren Ruinen man noch vor Jahren in der »Loh«, einem sumpfigen Walddistrikte bei Schönau sah. Auf einen der Gänge ist man vor mehreren Jahren unter einem am Teichplatze des Städtchens Wildenfels gelegenen Hause gestoßen; man hat darin aber weiter nichts gefunden, als eine alte Grubenlampe.
(Staberoh, Chronik der Stadt Oederan, 1847, S. 21; z. T. mündlich.)
Zum schnellen Anbau Oederans trug das nahe Freiberg mit seinem Silbersegen sehr vieles bei. Besonders waren es Eisenarbeiter, deren Arbeit und Erzeugnisse dem Bergbaue daselbst nötig waren, welche Oederan im Anfange bevölkerten. Für die Oederaner Ansiedler wurde zu dieser Zeit ein sogenannter Silberjude, der seine Wohnung im jetzigen Rathause hatte, der Mäkler und Gläubiger. Denn er lieferte die Silberstangen Freibergs größtenteils in das Oederaner Kloster,[527] wo das Silber geschlagen und nach Nürnberg und Böhmen verpascht wurde, woraus man großen Gewinn zog und wobei man sich aber um die Unterstützung der Bewohner sehr wenig kümmerte. Nun zogen jener Jude und einige Mönche (es soll im Jahre 1236 gewesen sein) mit einem starken Silbertransport über Sayda nach Böhmen. Die erbitterten Oederaner schlichen ihnen bis Sayda nach, vereinigten sich dort mit den Bewohnern und besonders mit der Besatzung des dortigen Schlosses, überfielen und plünderten die ungetreuen Haushalter, schlugen den Juden tot und warfen ihn in einen Brunnen, welcher deshalb der Judenbrunnen genannt wurde.
Noch zeigt man am Gasthofe zum Bade in Sayda den Judenbrunnen. Nach einer anderen Überlieferung erinnert derselbe, ebenso wie eine Wiese, welche der Judenkirchhof genannt wird, an die alte Judenvorstadt, welche außerhalb der alten Stadtwälle etwas unterhalb des Judenkirchhofes auf einer Wiese lag, die jetzt noch den Namen »Flecken« trägt. Als im Jahre 1465 die Stadt abbrannte, wurde die Judenstadt nicht wieder aufgebaut, weil man den Juden die Schuld an dem Brande beimaß.
Man hat den Namen der Stadt und Burg Sayda (urkundl. Saydow, Seydowe) vom slavischen sid, der Jude, Adj. sidowy abgeleitet. Immisch (die slav. Ortsnamen im Erzgebirge, Programmarb., Annaberg, 1866) stimmt dem jedoch nicht bei, sondern hält die Ableitung vom slav. sad, die Anpflanzung, der Garten, für richtiger. Er meint, daß vor den Juden die Slaven eine Ansiedelung gründeten, mit der Zeit sei aber aus sadowy, d. h. die zur Ansiedelung Gehörigen, saidow, seidow, Sidow geworden, welche letztere Form sehr gut wegen der Ähnlichkeit mit Zidow, Judenstadt, verwechselt werden konnte.
(Herm. Grimm, Das sächs. Erzgeb. Dresden, 1847, S. 299. Gießler, Sächs. Volkssagen, Stolpen o. J., S. 591.)
Vom Fuße des Schloßberges Scharfenstein schiebt sich eine schmale, niedrige, kaum 10 Meter hohe Felsenrippe weit in das Thal hinein. Durch dieselbe wird die Zschopau genötigt, eine beinahe wieder zurücklaufende Krümmung zu machen und das Thal im weitesten Bogen an seinem äußersten Rande zu umkreisen. Bereits im 16. Jahrhunderte wurde ungefähr in der Mitte dieser Felsenbank ein 30 Meter langer Stollen durch dieselbe gebrochen, um das Flußwasser mit recht viel Fall zu der jetzt Fiedler-Lechla'schen Spinnerei zu leiten. Im Jahre 1834 wurde derselbe erweitert, was später noch einmal geschah.
Die Sage erzählt nun über die Entstehung dieses Stollens folgendes: Nach dem dreißigjährigen Kriege trieben sich in den Wäldern Scharfensteins wie anderwärts Räuber und Wildschützen, welche sich meist aus den entlassenen Söldlingen rekrutierten, umher. Ein Herr von Einsiedel, welchem Scharfenstein gehörte, beschloß den Wildschützen mit aller Macht nachzugehen, um sein Gebiet von ihnen zu säubern, und es gelang ihm auch endlich, zwei derselben gefangen zu nehmen. Es gab damals noch eine furchtbare Strafe für die auf der That ertappten Wilddiebe: das Hirschreiten. Der Schloßherr zögerte nicht, diese Strafe auch über die beiden gefangenen Raubschützen verhängen zu lassen. Dieselben sollten auf einen starken lebenden Hirsch, den man zu diesem Behufe eingefangen hatte, gebunden und dann ihrem weiteren Schicksale überlassen werden. Das war einen zehnfachen Tode gleich zu achten, denn man hatte Beispiele, daß nach Tagen und Wochen die geängstigten Tiere ihre schreckliche Last, zerfleischt und doch noch lebend mit sich herumschleppten. Als den beiden Missethätern das Urteil verkündigt worden war, erkannten sie sofort dessen furchtbare Bedeutung und sie flehten um Gnade. Den älteren von ihnen durchzuckte ein rettender Gedanke und er sprach zum Schloßbesitzer: »Gnädiger Herr, wir sind Bergleute unserem Berufe nach, und in diesem Fache gar wohl erfahren. Schon früher ist uns der Wunsch nahe gelegt worden, einen Stollen vom Wasserspiegel der Zschopau aus zu treiben, damit eine Wassermühle im Dorfe, an der es jetzt so sehr fehlt, angelegt werden könne. Erlaßt uns nur die furchtbare Strafe des Hirschreitens, und zur Sühne unserer Thaten machen wir uns anheischig, den besagten Stollen durch den hohen Felsen in Zeit von drei Tagen und drei Nächten zu treiben und zwar nur mit Schlägel und Eisen.« Der Schloßherr ging nach kurzer Überlegung auf den Vorschlag ein, und die beiden Verurteilten begannen sofort ihr schweres Werk. Es wurden ihnen Leute gestellt, welche die nötige Handreichung thun mußten, und genau nach Verlauf der ausbedungnen Zeit war der Stollen fertig. Die Wildschützen freilich waren vor Erschöpfung dem Tode nahe; halb entseelt lagen sie neben dem Stolleneingange. Doch erholten sie sich und der Ritter vom Scharfenstein hielt sein Wort und schenkte ihnen Freiheit und Leben.
Erzählt wird, daß der berüchtigte Raubschütz Carl Stülpner, Ende des 18. Jahrhunderts, ein Nachkomme des einen der Begnadigten gewesen sein soll.
(Meltzer, Hist. Schneebergensis, S. 1008.)
Im Jahre 1493 ist ein Schneeberger, namens Kegler, bestraft worden, weil er schmählich und leichtfertig von dem schneebergischen Frauenvolk geredet hatte, daß er alle frommen Weiber auf einem Karren vom Schneeberg führen wollte. Auf diese Rede hin, und weil er insgemein von den Frauen nichts gutes gesprochen, ist er gefänglich von den Gerichten eingezogen und ihm darauf zur Strafe auferlegt worden, daß er die große Pfütze zwischen dem Schnee- und Claußberge, da, wo jetzt das Rathaus steht, ausstürzen, und pflastern lassen solle. Trotz seiner Beschwerde wurde diese Strafe auch vom Herzog Georg bekräftigt. Das Pflaster aber, zu dem er über hundert Fuder Steine haben mußte, wurde lange Zeit nachher noch des Keglers Pflaster genannt.
(Mündlich.)
Unter den reichen Verzierungen in Steinmetzarbeit, womit das früher Trebra'sche Haus in Schneeberg ausgezeichnet ist, befindet sich auch als eine Art Wahrzeichen ein Kopf mit einer heraushängenden Zunge. Von dem Erbauer des Hauses, einem gewissen Bortenreuter, aber wird erzählt, daß derselbe seinem Vater, als ihm solcher einst Vorstellungen wegen des übermäßigen, an dem Hause angebrachten Luxus machte, in seinem Hochmute geantwortet habe, er sei so reich, daß er dies und noch mehr thun könne, er könne sogar die ganze Zobelgasse mit preußischen Thalern pflastern. Worauf ihm der Vater antwortete: »Du wirst es noch so weit bringen, daß Dich einmal in Deiner Armut die Läuse fressen!« Und so, wie es der Vater prophezeit, ist es endlich auch gekommen.
(Meltzer, Historia Schneebergensis, S. 1165.)
Zu der Kipper- und Wipperzeit, welche 1604 auf der Ostermesse in Leipzig ihren Anfang nahm und 1623 ihren Höhepunkt erreichte, so daß ein ganzer Reichsthaler 10 Gulden, ein rheinischer Gulden[530] 13 fl. und ein Dukaten 17 Gulden gegolten, hat einer von Adel 1500 Gulden dieses leichten Geldes, nachdem es gefallen, beisammen gehabt, und da er noch die Unkosten darauf gewendet und das Silber und Kupfer von einander scheiden lassen, hat er nur so viel gehabt, daß er einen silbernen Löffel und einen kupfernen Fischkessel daraus hat machen lassen können.
(Meltzer, Hist. Schneebergensis, S. 912 und 920.)
Gegen Ende des 15. Jahrhunderts sollen einige Fundgrübner zu Neustädtel, die Meerbicken genannt, in ihrem Leben eine solche Pracht und sonst großen Überfluß im Essen und Trinken entfaltet haben, daß sie sich im Bade die Füße mit gebehetem Brot und Malvasier reiben ließen. Sie sind aber in kurzer Zeit so verarmt, daß sie zum Bettelstab greifen mußten und einer von ihnen in Neustädtel vor der Kirche um Almosen bat.
Ebenso ist auch von einem Fleischer, Nikol von Kirchberg, erzählt worden, daß er sich mit seinem Weibe in Malvasier gebadet habe, daß er aber später deswegen die äußerste Armut habe erfahren müssen. Dasselbe Schicksal traf auch einen Wolf Meyer, welcher sich in guter Zeit mit seinem Weibe in Rheinwein badete.
In Annaberg lebte eine vom Bergwerk sehr reich gewordene Frau, die unter anderer Verschwendung sich nicht nur in Wein gebadet, sondern auch ein Stückchen Landes, worauf Erdbeeren wuchsen, mit Malvasier begießen ließ. Als diese Frau hernach bettelarm geworden, sagte sie, sie danke Gott, daß er sie arm gemacht, denn sie würde sonst wenig an ihn gedacht haben.
(Meltzer, Hist. Schneeberg., S. 904.)
Daß man eine »Hengel-« oder »Vogelbirne« zu Schneeberg um 1500 Gulden verkauft, ist also zugegangen: Einer hat dem andern für eine solche Birne ein Stückchen Barchent, diesem ein anderer für den Barchent eine Nachtigall, und diesem wieder ein anderer für die Nachtigall einen Kux auf dem Gegentrum des Fürstenvertrager-Ganges, welcher anfangs nicht groß geachtet worden, gegeben. Und da der[531] Kux so herrliche Ausbeute und zwar an die 1500 Gulden gebracht, hat man die Vogelbirne und die Ausbeute mit einander verglichen.
(H. Jacobi, Schneeberg, Ein Gedenkblatt zur 400jährigen Jubelfeier, 1881, S. 71.)
Von dem jetzigen Meichßner'schen Hause, Ecke des Marktes und Topfmarktes, erzählt man, daß eine Figur an der Marktecke ein Männlein mit 2 Broten, eins auf dem Kopfe und eins unter dem Arme vorstelle, was auf den Verkauf des Hauses um diesen Preis in der Teurung 1772 hindeuten soll. Ähnliches wird von dem ehemals Trebra'schen Hause berichtet, welches 1792 von einem Klöppelmädchen für 25 Thaler verkauft worden sein soll. Von dem Meichßner'schen Hause erzählt man übrigens noch, daß es jedesmal im Innern gespukt habe, wenn man das Bild an der Ecke entfernte, daß der Spuk aber wieder aufhörte, sobald die Figur an ihre alte Stelle gebracht wurde.
(Albinus, Meißnische Bergk-Chronica, 1590, S. 80.)
Wie auf der St. Lorenz-Zeche zu Abertham eine Bergfeuchtigkeit aus einer Strossen gesintert und darunter das Liegende in den Strecken übersilbert und in den Klunsen des Trag-Tempels oder Kappen und Strauben »zeenicht Silber« gewachsen, da das Holz nicht viel über 20 Jahre im Berge gelegen, beschreibt Matthesius in seiner Sarepta mit diesen Worten: »Ich will euch eine wunderschöne Berghistorie sagen, von gediegenem Silber, das in St. Lorenz-Fundgrube auf dem Abertham innerhalb 20 Jahren in einem Stempel gewachsen und dies laufende 1556 Jahr aus der Grube gekommen ist.
Da sich der Steiger auf dem St. Lorenz in der Zeche umsiehet, wird er in einer Strecke gewahr, daß sich eine weiße »geharschte Art« im Liegenden, wohl halb Orts hoch angelegt hat, die sahe aus, als wäre das Gestein überzinnt. Solche sticht er ab und findet »in der Sicherung« weiß Silber, als wenn es von einem Thalergroschen abgefeilet worden wäre, und da er's probieren ließ, hielt es bis 17 Mark. Wie er sich aber umschauet, wann es dahin gesintert sei, wird er seiner gewahr in der First, daß es getropft sei aus einem schwebenden Feld, das oben und unten, hinten und vorn verfahren, welches nur seine Bergfeste noch hatte, kaum drei oder vier Spannen[532] dick, und siehet, daß eine weiße Guhr oder molkenfarbiges Wasser erstlich auf den Stempel »gesiegen oder gesiefert«, und aus dem Stempel in das »Bunloch« geronnen, hernach im Liegenden herabgeflossen und sich allda »geliefert,« angelegt und »erherscht« hatte. Wie er aber den Stempel ausschlägt, findet er in »Strauben« und Spalten gediegen und »zänicht« weiß Silber, drein sich Haken schneiden ließen.«
(Chronica der fr. Bergstadt St. Annaberg, II., 1748, S. 36.)
Das Oberdorf von Mildenau hat wegen guter Ausbeute aus den vielen daselbst befindlichen Bergwerken »Reichenau« geheißen, daher auch noch hier bekannt, daß die Marktstraße der Oberdörfer nach Annaberg die Reichenauer Straße genannt wurde. Man soll vor Zeiten mit so großer Ausbeute begnadigt worden sein, daß die 12 Apostel in Lebensgröße aus Silber hergestellt wurden, welche darauf nach Grünhain gekommen sein sollen.
(Meltzer, Historia Schneebergensis, S. 144.)
Von etlichen alten steinernen Häusern zu Schneeberg, als der Fundgrübner Haus, des Koithen Haus, Dietrich Kadmanns, Wolf Meiners und Jacob Selings Haus findet man dieses sonderliche, daß dazu solcher Sand kommen sein soll, der weit mehr als die Häuser wert gewesen, welches man aber vor der Zeit, ehe man die Siebarbeit und nasse Pochwerke gehabt, nicht verstanden.
(Meltzer, Hist. Schneeberg., S. 917.)
Am hohen Gebirge auf der Unruher Gang bei Neustädtel ist eine Zeche gewesen, die Hundsfliegen genannt. Der Schichtmeister hat geheißen Georg Rücker, und sein Vorstand Brosius Teuschel; der Steiger hat geheißen Simon Tod, der Häuer mit dem Zunamen Teufel, und der Junge Leckhänsel. Zur Zeit sind Nürnberger, so da gebauet, herein gekommen, und da sie alle diese Namen der Amt- und Arbeitsleute auf der Zeche gehört, hat einer unter ihnen gesagt: »Ei Lieber, es ist kein guter Name auf der ganzen Zeche, und kein anderer, als[533] Hundsfliegen, Rücker, Teuschel, Tod, Teufel, Lecker; was soll man da für gute Hoffnung haben? Ich will hinfort nicht mehr bauen.«
Es hat auch ein vornehmer Mann auf etlicher Leute Angaben am Gleeßberge geschürft und einen schönen Gang entblößet und die darauf angelegte Zeche »auf der fruchtbaren Sara« genannt. Aber auf eine Zeit hat er seinem Eidam, einem berühmten und hochgelehrten Manne, auch einen Teil angeboten und geschenkt. Da derselbe aber von ungefähr der Zeche Namen gehört, hat er gesagt: »Mein lieber Herr Vater, ich komme wieder zurück mit meinem Kuxbauen, der Name hat eine so gar böse Bedeutung. Sara ist 90 Jahre alt geworden, ehe sie fruchtbar gewesen; sollte ich nun auch so lange warten, so würde mir die Zeit zu lange und ich nimmer da sein. Ich will mich hiermit freundlich bedanket haben.«
(Meltzer, Hist. Schneebergensis, S. 1164.)
Als im Angehen des Schneebergs die köstlichen Erze in großer Menge zu Zwickau an dem Orte, da der Holzanger ist, geschmolzen und sehr viel guter Schlacken in die Mulde gestürzt worden, welche dann, wenn sie angeschwollen, dieselben fortgeführt, hat sichs über demselben Schmelzen einstmals zugetragen, daß man aus Mangel der Fuhre in bösem Wetter und Wege eine ganze Woche kein Erz nach Zwickau geführt. Da man nun drinnen vermeinte, daß man noch länger in der Schmelzhütte kalt liegen müsse, ist in solchen Gedanken ein Schmelzer nach einem Regen hinaus auf einen Schlackenhaufen spazieren gegangen, und weil ihm die Schlacken, als wenn Silberflitzschen darauf lägen, in die Augen geschimmert, hat er dieselben genommen, durchgesetzt, und so die Tage über mehr Silber aufs neue, als je zuvor daraus gemacht. Da nun der Hauptmann oder Verwalter (andere wollen wissen, es sei Römer gewesen), welcher zu ihm gekommen, gefragt, woher das Silber käme, und er dessen, was sich begeben, berichtet worden, ist er mit dem Schmelzer auf die Knie gefallen und hat Gott um Verzeihung gebeten, daß den Gewerken und Fürsten so übel vorgestanden und die herrlichen Gaben Gottes so unnütze, jedoch wider sein Wissen, umgebracht, und so viel köstlicher Schlacken vom Wasser weggeführet worden wären.
(Ed. Gottwald in den Mitteilungen des K. S. Vereins für Erforschung und Erhaltung vaterländischer Altertümer, 13. Heft, Dresden, 1863, S. 52. – Merkels Erdbeschr. von Kursachsen, 2. B., 1804, S. 52. W. Clauß, Führer durch das Weißeritzthal, 2. Aufl., S. 33.)
Einst gab der Höckendorfer Bergbau, und besonders das aus acht zusammengeschlagenen Zechen bestehende Berggebäude Edle Krone ungewöhnlich reiche Ausbeute an Silber, bisweilen auch an Gold, das man hier und in der nahen Gegend in Stockwerken fand. Mehrere Stellen alter Grubenrisse sind mit dem Ausdruck: »Das ist der rechte silberne Mandelmann«, bezeichnet. Die Herren von Theler wurden infolge dieses Silberreichtums sehr übermütig. Ein Conrad von Theler aber, welcher wie seine Vorfahren den Pferden silberne Hufeisen aufschlagen und wo er ritt, Geld ausstreuen ließ, auch das Aufheben eines dieser etwa verloren gegangenen silbernen Hufeisen von seiten seiner Unterthanen verbot, damit man wisse, welchen Weges die Theler gezogen, soll am 9. Sonntag nach Trinitatis, am 25. August 1557, um es in seinem Hochmut dem Herzog Albrecht in der St. Georgszeche zu Schneeberg gleich zu thun, der Ritterschaft der Umgegend ein glänzendes Gastmahl in seiner reichen Silbergrube »Zur Edlen Krone« gegeben haben, in welcher die Knappen Tische und Bänke aus den edelsten Metallen gehauen und alles Geschirr der Tafel von gediegenem Gold und Silber gewesen sei. Als man nun tief unter der Erde in wilder Lust geschwelgt und sogar mit silbernen Kugeln nach silbernen Kegeln geschoben habe, da sei von Bärwalde her ein furchtbares Gewitter aufgezogen und habe sich unter orkanähnlichem Sturme mit Wolkenbrüchen über das Thal der wilden Weißeritz entladen und der über sieben Ellen hoch anschwellende Fluß habe sich mit solcher Macht in das offen stehende Stollenmundloch der Edlen Krone gestürzt, daß der Ritter von Theler mit all' seinen Gästen und Dienern da unten ertrunken und all' kostbares Geschirr und zur Prunkschau aufgestelltes Silbererz verschüttet und verschwemmt worden sei. Seitdem ist der dortige Bergbau nie wieder recht in Gang gekommen; daß er aber einst schwunghaft betrieben worden, beweisen eine Menge Stollenmundlöcher, beraste Halden, Überreste eines großen Kunstgrabens und von Pochwerken, große Schlackenhaufen und dergl. mehr.
Eine angebliche Urkunde erzählt, es seien von dem Stollenmundloche aus, vor welchem man die Küche errichtet, die Speisen auf silbernen Schüsseln in die Grube getragen worden, und die Aufwartung von den Bergleuten der Edlen Krone[535] und anderer Werke geschehen. Bei dem Banket habe ein ganzes Chor Musikanten aufgespielt und der Überschuß der Grube, 35000 Thaler in Silber, sei auf der Gasttafel zur Schau aufgestellt gewesen. »Als nun die Herren sich wohl bezecht und besoffen, da sei ein sehr schweres Gewitter von Frauenstein herunter nach Bärwalde gezogen, welches denn die aufwartenden Bergleute gesehen und es den Schmaußenden in der Grube vermeldet, auch erinnert auszufahren, weil man nicht wissen könne, was der große Gott etwa verhängen möchte, haben darauf einige von den Sauf- und Freßbrüdern gottloser und frevelndlicher Weise geantwortet: »Sie wären in der Grube sicher genug, es möchte draußen zugehen, wie es wollte«. Da denn sogleich im Moment ein schrecklicher Wolkenbruch vor Bärwalde hernieder gefallen, auch ein rechtes Erdbeben erfolget, und die Weißeritz in einem Nu so plötzlich angeschwellet, daß das Wasser das Stollenmundloch gleich erreichet und darinnen hinuntergelaufen, so viel nur hätte hinein gekonnt. Was nun im Abteufen auf Arbeit gelegen, ist sogleich umgekommen, die aber oben auf dem Stollen bei der Fresserei gewesen, sind zu den Tageschachten hinausgefahren, da sind fast alle beschädigt worden, weil von der grausamen Erschütterung die Tonnenbretter und ganze Zimmerung in den Schachten ab- und losgeworden und den Auffahrenden entgegengekommen, und dies ohne großen Schaden nicht abgegangen.
So sind denn in wenigen Minuten die sonst im ganzen Lande so sehr berühmten Bergwerke zu Grunde gegangen. Das Silber, das ganze Silberservice, die Musik liegt bis zu dieser Stunde samt allen verunglückten Menschen in der Grube«.
Auch diese Mitteilungen sind nur Sage, denn die zuverlässigsten sächsischen Geschichtsschreiber des 16. und 17. Jahrhunderts erwähnen nichts von dem Gastmahle. Historisch ist wohl nur die Vernichtung der Bergwerke durch einen Wolkenbruch am 25. August 1557. Wahrscheinlich hielten die Ritter von Theler bei den damaligen nur geringen Hülfsmitteln die Wiederherstellung der ersoffenen Gruben für unmöglich. Im Jahre 1565 verkaufte Benno von Theler Höckendorf mit dem Rechte des Bergwerks an den Kurfürsten August für 25000 meißnische Gulden. Bis in das 17. Jahrhundert müssen einzelne Zechen noch gangbar gewesen sein; spätere Bergbauversuche wurden hauptsächlich durch die Kriege im 17. und 18. Jahrhundert vereitelt; im gegenwärtigen Jahrhundert nahmen die Gesellschaften »Edle Krone« und »Unverhofft Glück und Gottes Segen Erbstolln« den dortigen Bergbau wieder in Angriff. (Sachsengrün, 1860, S. 19 und 20.)
(Sachsengrün, 1860, S. 20.)
In der Kirche von Höckendorf befinden sich unter dem Altare die Erbbegräbnisse der durch den Silberbergbau so reich gewordenen Ritter von Theler. Eine arme hülflose Somnambule, welche im Höckendorfer Pfarrhause längere Zeit Aufnahme gefunden, war in der Nähe des Altars jedesmal von einer fieberhaften Unruhe ergriffen worden und hatte dann erklärt, daß sie hier nicht bleiben könne, da unter ihren Füßen Metall vorhanden sein müsse. Die Sage geht[536] auch, daß die Edlen von Theler in diesen Grüften in silbernen Särgen ruhen.
(Mündlich.)
Früher waren die Silbergruben in Niklasberg, Klostergrab und Moldau in starkem Betriebe; erzählt wird, daß sie in den Hussitenkriegen eingingen. In Niklasberg wurde der Stollen verschüttet und die Hussiten nahmen die Grubenzeichnungen, welche jetzt in Dresden liegen sollen, mit. In Moldau zeigt man noch die Orte, wo der Stollen mündete und die Wäschen waren. Im Stollen soll ein Ort sein, die »Schatzkammer« genannt, an welchem aus jener Zeit noch viel reiche Silbererze liegen sollen. Vor Jahren wollte man dieselben nach Freiberg verkaufen, der Handel zerschlug sich aber, weil man daselbst nicht genug Geld hatte.
(v. Trebra, Erklärung der Bergwerks-Charte von dem wichtigsten Theil der Gebürge im Bergamtsrevier Marienberg. Annaberg, 1770, S. 69. Darnach bei Gräße, Sagen des K. S. 2. Aufl., No. 584.)
Im Jahre 1728 hatten sogenannte Rutengänger Risse zu Erzgängen in dem Theesenwälder Gebirge, das zwischen Zöblitz und Olbernhau liegt, angegeben und man hatte einige Hundert Gulden aufgewendet, diese Züge zu noch mehrerer Gewißheit erschürfen zu lassen; man fing Röschen (d. i. durch die Gebirge gebrochene Wasserläufte) an, man trieb einen Stollen nach den erschürften Gängen und suchte sogar Gewerken, welche diese Arbeit fortsetzen sollten, allein noch fand sich niemand, der bloß auf diese Anzeichen der Rute hin sich damit einlassen wollte. Nun war aber ein Hufschmied zu Neudörfel, zwischen Ansprung und Olbernhau, dem man schon längst schuld gegeben hatte, daß er gegossene Arbeit von einem Metall verfertige, welches dem Silber gleich komme. Er leugnete dies aber und wollte niemals zugestehen, daß er das Metall kenne, welches in seiner Fabrik verfertigt werde. Da führte der Zufall im Jahre 1735 den Richter von Ansprung gerade zu der Zeit in das Haus des Hufschmieds, wo er mit Schmelzen beschäftigt war. Er wurde gefragt, was er schmelze, und gestand, daß er Stücken von dem im Theesenwalde am Wege stehenden Felsen abgeschlagen und in den Tiegel geworfen habe, um zu[537] sehen, was daraus werden würde. Dies wollte aber der Richter gerade wissen. Der Künstler mußte sich also entschließen mitzugehen, um den Felsen zu zeigen. Augenblicklich wurde von diesem Wundersteine etwas abgeschlagen, vor die Schmiedeesse in das Feuer gebracht und zu einem Produkt geschmolzen, das wie Speise (Gemenge von Metallen und Halbmetallen) aussah. In der Probe, die auf der Saigerhütte gemacht wurde, hielt dieses Produkt 128 Lot Silber und 60 Pf. Garkupfer. Ein Pfund von dem abgeschlagenen Felsen hatte dergleichen Speise ein Lot gegeben. Tages darauf mutete der Richter unverzüglich und zwar gleich geviert Feld; in wenig Tagen wurde auf 20 Mutungen beim Bergamt eingelegt, in vier Wochen stieg die Zahl auf 80, und gegen 60 Lehnträger suchten ihr Glück und fast alle auf geviert Feld. Wenn man die Rute nach Kupfer und Silber schlagen ließ, war sie merkwürdiger Weise fast gar nicht in die Höhe zu bringen, man mochte auf dem Gebirge damit hingehen, wohin man wollte; was war also sicherer, als daß das ganze Gebirge Silber und Kupfer sein mußte? Alles lief nun nach dem Theesenwalde und es wimmelte von Leuten, die Erze in Haufen zusammenbrachten. Da machte man Proben im Kleinen, einige gaben gar keinen Gehalt, andere nur wenige Spuren von Kupfer. Man sah also ein, daß nicht das ganze Gebirge Erz war, sondern nur gewisse graue und braune Nester in demselben sich befanden, die freilich nicht ganz ohne Silbergehalt waren. Die schon halb betrogenen Eigenlöhner und Gewerken verlangten nun ein Probeschmelzen im großen und es fand sich ein Schmelzer aus Beyerfeld, in dessen Geschicklichkeit die Gewerken ihre Hoffnung setzten. Die von Freiberg abgeschickten Hüttenleute mußten zurücktreten und den Fremden alles nach seinem Kopfe einrichten lassen. Aber die erste Probe ging schlecht, die gestrengen Bergarten konnten nicht zum Fluß gebracht werden, und durch andere Einrichtung des Ofens und Gebläses und Zusetzung anderer Kiese von Katharina-Fundgrube zu Raschau und von Geyer brachten die Freiberger Hüttenleute das Gemenge zwar in Fluß, doch fiel nicht mehr Rohstein davon und dieser auch nicht reicher, als geschehen sein würde, wenn auch ohne Zusatz von den Theesenwälder Gebirgsarten die Kathariner und Geyerischen Kiese für sich allein geschmelzet worden wären. Dabei war auf einige Zeit das Geschrei vom Theesenwalde zu Ende, bis im Jahre 1752 sich noch ein Maler aus Bilin einfand, der mit verdoppelter Geschicklichkeit im Schmelzen diese Theesenwälder Gebirgsarten dennoch mit Vorteil zu Gute machen wollte. Er verlangte die Erlaubnis zum Anlegen eines Ofens, man erlaubte es ihm auch, aber alles ohne Erfolg.
So blieb es unentschieden, ob der Hufschmied durch sein Geständnis nur aus boshafter Absicht die ganze Umgegend geäfft hatte, was kaum glaublich war, oder aber, um das Geheimnis seiner Nahrung zu bewahren, dieses Erzgeschrei veranlaßt hatte, oder endlich, ob die geheimnisvolle Macht der Berggeister edles Gestein in unedles verwandelt hatte, weil ihr Schützling sein Geheimnis ausgeplaudert hatte. Dies war das Wahrscheinlichste, denn man hatte ja zuerst reiches Silber in dem Gesteine entdeckt.
(Albinus, Meißnische Bergk-Chronika, 1590, S. 187. G. Geitner, Wegweiser durch die Treibgärtnerei zu Planitz, S. 14.)
Bei Zwickau ist ein brennender Berg (jedenfalls die Strecke zwischen Cainsdorf und Planitz, welche der Bockwaer Kommunwald bedeckt und wo man heute noch auf eine Menge Brandspuren stößt), daher manch Fuder Steinkohlen wird zu Markte gebracht. Dieser Berg ist um das Jahr 1479 mit einem Büchsenschuß angezündet worden, da ein Waidmann einem Fuchse nachgejagt und so unvorsichtigerweise ein Schuß in die Grube geraten, wodurch die Steinkohle angezündet worden. Obgleich zu gewisser Zeit wie im Sommer das Feld daselbst grünet, Laub und Gras trägt, so kommt dennoch das Feuer bisweilen bis unter den Rasen, zündet Berggebäude an und versenget Birken und andere Bäumlein.
Eine andere Sage erzählt von einem Bürger Zwickaus, welcher einen Fuchs aus dem Bau räuchern wollte und dabei nicht nur die oberen Kohlen, sondern auch den darüber stehenden Wald anzündete. Noch andere suchen die Ursache des Brandes in dem Anzünden eines Ameisenhaufens und endlich in dem Einschlagen des Blitzes in Stollen, wo die Kohlen zu Tage standen.
(Moller, Theatrum Freibergense, Chron. II., S. 38.)
Als Kaiser Adolf im Jahre 1296 mit großer Macht nach Meißen kam, zog er an Zwickau und Chemnitz vorüber nach Freiberg, in der Absicht, sich dieser Stadt wegen ihrer reichen Bergwerke und ihrer Treue gegen den Markgrafen Friedrich zu bemächtigen. Dabei begab sichs, daß sich einer seiner Obersten mit seinem Regimente auf einer[539] hohen Halde lagerte, um die Stadt zu übersehen und ihre Mauern und die Tiefe der Gräben zu erkunden. Weil aber die Halde zuvor von Bergleuten durchfahren worden und voll heimlicher Schächte war, ist der ganze Berg mit großem Krachen und Prasseln eingegangen und der Oberst ist dabei elendiglich umgekommen. Dieser Fall hat den Kaiser also furchtsam gemacht, daß er sich wieder zurückgezogen und sich nicht eher lagern wollte, bis man alle Gelegenheit um die Stadt fleißig ausgekundschaftet hatte. Als dann seine Quartiermeister hartes und festes Erdreich antrafen, hat er sein Lager aufgeschlagen und darauf alles zum Angriff und Sturm auf die Stadt vorbereiten lassen. – Der genannte Erdfall soll vor dem Donatsthor auf dem dürren Schönberge geschehen sein.
(Lehmann, Histor. Schauplatz, S. 614–617.)
Am böhmischen Grenzgebirge liegen zwei alte wüste Schlösser, Himmel- und Hauenstein genannt; in und um dieselben haben sich lange Zeit grausame Gewürme und Schlangen, Wiesenbäume groß, sehen lassen, welche die Fische aus den Bächen, und die in Fallen und Dohnen gefangenen Vögel gefressen. Einst hat dergleichen Schlange auf den Hauensteiner Gründen einen Schützen von Joachimsthal vom Vogelherd weggejagt, die Vögel erbissen und gefressen, und als der Schütz nach ihr geschossen, hat er an der Spur im langen Waldgras abnehmen können, daß sie eines Scheitholzes dick und viel Ellen lang gewesen, dafür sich alle Bauern umher gefürchtet.
Als die Bergstadt Joachimsthal in Flor stand, ging im Jahre 1530 des Rats Schütze auf die Wälder, eben da die Himbeeren reif waren, etwas vom Wild auf Befehl zu schießen. Da wurde er unversehens eines aus den Himbeersträuchern hervorragenden Kopfes mit erhabenen Ohren gewahr, in Gestalt eines Fuchses, der die Beeren abfraß. Und weil er meinte, es wäre ein so vermutztes Reh, gab er Feuer und traf den Wurm an den Kopf, daß er 3 Ellen lang in die Höhe sprang, sich krümmete und überschlug, bis ihm der Schütze vollends den Rest gab. Er erschrak über das häßliche Wildpret, schlang es an eine Winde und schleppte es Wunders wegen nach Joachimsthal. Die Herren ließen den Balg abziehen und nach Prag bringen.
(H. Gerlach, Kleine Chronik v. Freiberg, S. 90. – Geschäftsanzeige der Bauerhasen-Bäckerei von A. Thümmel in Freiberg.)
Markgraf Friedrich der Freidige hielt sich gern in seiner getreuen Bergstadt Freiberg und in der Mitte ihrer Bürger auf. Im Jahre 1292 gab er daselbst ein großes Gastmahl, zu welchem viele weltliche und geistliche Herren eingeladen waren. Unter den letzteren befand sich auch der Abt Bruno aus dem Barfüßler-Kloster. Obschon derselbe oft gegen Unmäßigkeit predigte und behauptete, je mehr ein Mensch faste, um so eher komme er ins Himmelreich, so hielt er für seine eigene Person doch viel auf's Essen und Trinken und trug deshalb einen gewaltigen Schmerbauch vor sich her. Auch bei diesem Festmahle hatte er schon weidlich gezecht, als nach Mitternacht der Hofkoch Bauer einen duftenden Hasenbraten auf die fürstliche Tafel setzte. Schon wollte sich der Markgraf ein Stück davon auf den Teller legen, da rief der Abt ihm zu: »Durchlaucht halten zu Gnaden, es ist soeben ein Fasttag angebrochen, und Ihr wollt Euch doch nicht versündigen?« »Wäre denn wirklich die Sünde so groß, wenn wir zum Schluß noch ein Stück Hasenbraten zu uns nehmen?« fragte der Markgraf, und der Abt erwiderte: »Gewiß! Ich kenne auf Gottes weitem Erdboden keine größere Sünde. Auch habe ich mehr als einmal bemerkt, daß es Frevlern, die sogar am Feiertage Fleisch essen, sehr übel aus dem Halse riecht. Nehmt Euch ein Beispiel an mir; schon seit einer halben Stunde habe ich keinen Bissen mehr gegessen.« Alle sahen den geistlichen wohlgenährten Herrn betroffen an, schwiegen jedoch, und der Koch mußte den schönen Braten wieder abtragen. Obschon er ihn darauf selbst ohne Gewissensbisse verzehrte, so ärgerte er sich doch nicht wenig über den gestrengen Sittenprediger, welchen eine Stunde später sechs Diener in seinen Wagen tragen mußten. Bei einem späteren Gastmahle auf der Burg Freistein traf es sich nun, daß abermals ein Fasttag folgte, und jetzt brachte nach Mitternacht der lustige Koch Bauer wieder einen Hasenbraten auf die Tafel. Da konnte sich nun der Abt nicht enthalten, dem sündhaften Koch eine derbe Strafpredigt darüber zu halten, daß er den Fasttag nicht heilige und einen gottlosen Braten auf die Tafel setze. Der Koch aber sprach behaglich lächelnd: »Nun, das ist ein Hase, den jeder gute Christ am Fasttage essen darf, ohne sich der Sünde zu fürchten!« Während dieser Verteidigung hatte der Markgraf schon den Hasen angeschnitten und zu seinem Vergnügen bemerkt, daß der scheinbar wohlgespickte Hase nur ein mit Mandeln ausgestattetes Gebäck in der bekannten Form des Bratens war. Da wollte der Strafprediger[541] selbst nach dem Gerichte langen; er erhob sich, verlor aber bei seinem schweren Kopfe das Gleichgewicht und riß dabei alles mit sich von der Tafel herab. Er war auch nicht vermögend, sich selbst wieder aus dem Wirrsal zu erheben, so daß auf Befehl des Markgrafen die Diener hülfreiche Hand anlegen mußten. Das Gebäck erhielt nun den Namen »Bauerhasen«; alle adeligen Herren wollten in der Fastenzeit solche Bauerhasen essen, die auch in den Klöstern nicht verschmäht wurden. Doch wollte man behaupten, auf manchen vornehmen Tafeln habe man aus Versehen auch an Fasttagen ganz ordentliche Krauthasen statt der Bauerhasen aufgetragen. Anfangs nannte man das neue Gebäck auch »Brunohasen«; allein der Abt protestierte lebhaft gegen diese Bezeichnung und so erhielt es seinen noch jetzt gebräuchlichen Namen zu Ehren seines Erfinders.
Die Bauerhasen aus Freiberg fanden gute Aufnahme an allen deutschen Höfen, wurden sogar kistenweise in fremde Länder gesendet, und auch noch in unsern Tagen verläßt selten ein Fremder die Stadt Freiberg, ohne den Seinen einen Bauerhasen mitzubringen.
(Marbach, Das in der Freiheit lebende Schöneck I. Schneeberg, 1731 S. 21. Ulrich Schneider in der Wissenschaftlichen Beilage der Leipziger Zeitung 1883. No. 31.)
Kaiser Karl IV. hatte 1370 der Stadt Schöneck verschiedene Freiheiten, welche auch Elbogen »von altersher redlich gehabt und gehalten hat«, verliehen, wofür die Stadt nur verpflichtet war, »fünf Pfund Schwäbischer Heller in einem neuen hölzernen Becher zu geben,« wenn der Landesherr in eigener Person dorthin kam, oder wie es in der Urkunde heißt: »So Wier mit unser selbst Leibe zu ihn kommen, nur einß in dem Jahre.« Von niemand aber kann man gründlich erfahren, wodurch der Kaiser bewogen worden war, der Stadt Befreiung von allen sonstigen Abgaben zu erteilen. Einige sagen, es habe dieser Kaiser, der ein Liebhaber der Jagd gewesen, sich in dortigen Wäldern einmal mit seinem Gefolge verirrt und sei hernach von einem Waldmann oder Holzarbeiter heraus nach Schöneck geführt worden. Nach einer andern Sage ist der Kaiser Karl, welcher sich oftmals in Karlsbad aufgehalten hat, von Räubern überfallen und verfolgt worden, so daß er sich mit seinen Leuten in den Schönecker Wald flüchtete, wo ihm die Bürger von Schöneck Beistand leisteten und von den Räubern[542] erretteten. Zum Danke dafür hätten darauf die Schönecker ihre Privilegien erhalten.
Die Urkunde, laut welcher der Stadt Elbogen bereits vor Schöneck ein gleicher Freiheitsbrief von Karl IV. erteilt wurde, stammt aus dem Jahre 1352.
(Chronica der freien Bergstadt St. Annaberg, II. 1748. S. 24.)
Die Kirche in Markersbach ist eine der ältesten im Gebirge. Sie hat vor Zeiten unter den Abt zu Grünhain gehört, der auch mit seinen Ordensleuten und anderen öfters dorthin Wallfahrten gehalten. Infolge dessen hat das Dorf früher besondere Freiheiten besessen und wurde das »Märktlein Markersbach« genannt.
(Mündlich.)
Ein Wald auf der Höhe zwischen Schneeberg und Aue, gegenüber dem Gasthofe zum Brünlasberge, heißt der Hoyer. Daselbst sieht man noch links von der Chaussee, welche von Schneeberg nach Aue führt, einen Hohlweg, welcher einst Straße war; und an derselben stand in alten Zeiten mitten im Walde ein Wirtshaus. Der Wirt in demselben war ein Räuber. Einst kehrte daselbst des Abends ein Fremder ein, der von dem Klösterlein Zelle kam und vieles Geld bei sich trug. Er wollte in dem Hause übernachten; aber ein Mädchen offenbarte ihm heimlich, daß er nicht lebend wieder hinausgehen werde. Da übergab der Fremde dem Wirte seine Tasche mit dem Gelde und sagte, daß er einem Freunde, der auch von Zelle her mit noch mehr Geld als er habe, komme, entgegen gehen müsse, der Wirt solle nur einstweilen sein Geld in Verwahrung nehmen. Als dies geschehen war, eilte der Reisende schnell nach dem Kloster und kam bald darauf mit nahmhafter Hülfe zurück. Seine Begleiter umzingelten das Haus und nahmen den Wirt gefangen. Als sie das Haus durchsuchten, fanden sie neben vielem Gelde auch Totengerippe zum Beweise, daß es vordem schon vielen Reisenden ebenso ergangen war, wie es dem Fremden, wenn ihn das Mädchen nicht gewarnt hätte, hätte ergehen müssen. Viele mochten in der Herberge eingekehrt, aber nicht wieder herausgekommen sein.
Der Wirt aber, welcher ein Räuberhauptmann war, hieß Hoyer,[543] und von diesem hat nun auch der Wald, wo das Gasthaus einst stand, den Namen Hoyer erhalten.
(I. Schumann, Lex. v. Sachsen, 13. B. S. 204. II. Peccenstein, Theatrum Sax. I. S. 88.)
I. Eine Höhle über dem Müglitzthale, eine halbe Stunde von Glashütte, welche sich oberhalb der Herrenmühle in einem schwer zu erklimmenden Gneisfelsen befindet, heißt Wittichs Schloß. Nach der Sage war diese Höhle ehemals durch Befestigung ein noch sicherer Zufluchtsort als jetzt, und wurde im 15. Jahrhundert von einem Räuber Wittigo oder Wittich bewohnt, den der Ritter Weichold von Bärenstein auf Lugau bei Glashütte erschlug. Als Belohnung dafür erbat er sich vom Markgrafen, der auf Wittichs Einlieferung einen hohen Preis gesetzt hatte, sehr genügsam nichts weiter, als daß er ein Wild, welches er auf seinem Gebiete überall gehetzt habe, auch außerdem, und selbst auf der Dresdner Brücke, die damals als Asyl galt, verfolgen dürfe.
II. Es waren vor Zeiten viele Raubhäuser an dem böhmischen Gebirge, und soll insonderheit ein Räuber, namens Wittich, seinen Aufenthalt in einem starken Felsen gehabt haben, so unter der jetzigen Bergstadt Glashütte gelegen. Da dieser Räuber mehrere böse Buben zu sich gezogen, auch ganz Meißen beunruhigt und unsicher gemacht, so hat der Markgraf auf des Raubritters Wittich Kopf einen hohen Preis setzen lassen. Obschon nun Wittich dadurch hätte vorsichtig gemacht werden sollen, so hat er dies dennoch nicht gethan, vielmehr sich noch fürchterlicher machen wollen, indem er einstmals in der Morgenzeit mit etlichen seiner Leute sich vor des Ritters Weichold von Bärenstein Wohnung gegen der Lochow begeben, ein Gespräch mit ihm begehret, und als der von Bärenstein, keiner Gefahr sich versehend, ihm solches gewährt und zu ihm vors Haus getreten, thut der Bösewicht mit einer Armbrust auf ihn drei Schüsse, doch ohne Schaden. Der von Bärenstein rufet in der Eile seine Leute herbei, folget den Räubern auf dem Fuße nach, welche er auch über dem Rittersitze Reinhardtsgrimma, damals denen von Karras zuständig, erreichet. Ob nun gleich Wittich und seine Gesellen der Wehr wohl kundig, so hat doch der von Bärenstein die Oberhand behalten, den Räuber erlegt und umgebracht, sein Raubhaus, so auf steilem hohen Felsen an der Müglitz gelegen, eingenommen und zerbrochen, wiewohl dieser Ort von ihm bis auf den heutigen Tag noch Wittichs Schloß genannt wird. Auf der[544] Stelle, wo der Räuber erlegt worden, steht ein Kreuz. Der Ritter Weichold von Bärenstein aber hat die ihm gebotene Belohnung großmütig ausgeschlagen und erklärt, daß er diese That bloß, um dem Vaterlande zu dienen, verrichtet habe.
(Mündlich.)
In dem schönen Pöbelbachthale oberhalb Schmiedeberg liegt die Putzmühle, so genannt, weil man früher hier das Silbererz, welches man in der Nähe grub, »geputzt«, d. h. gereinigt haben soll. Oberhalb dieser Mühle sieht man dann die Überreste einiger Grundmauern und die Spuren eines Wassergrabens; hier lag die dürre Bretmühle, welche ihren Namen von dem Umstande führte, daß sie häufig nicht genug Wasser hatte. Daselbst ist es einst geschehen, daß Räuber einbrachen, welche den Müller auf einen Klotz banden und mit durchsägen ließen. Seitdem ist die Mühle liegen geblieben, niemand wollte mehr in derselben wohnen, und so ist sie dann nach und nach verfallen.
(Nach einer novellistischen Bearbeitung im Unterhaltungsblatte zum Erzgebirgischen Volksfreund, 1884, No. 53.)
Als noch in unseren Gauen und insbesondere auf dem Erzgebirge das Christen- und Heidentum mit einander im Kampfe lagen, wohnte auf einer Burg im Egerthale ein böser Ritter. Zwar war derselbe als Christ getauft worden, jedoch hatte er im Herzen noch nicht dem Heidentume entsagt, und Raubzüge und blutige Fehden galten ihm für kein Unrecht. Das Gegenteil von ihm war seine fromme Gemahlin, welche mit Hülfe ihres Bruders, der als Einsiedler in der Nähe der Burg lebte und oft in derselben verkehrte, ihre beiden Kinder, einen Sohn und eine Tochter, christlich erzog. Dem wilden Gemahl aber mißfiel die Frömmigkeit von Frau und Kindern, und ganz besonders erzürnte er sich über seinen Sohn, weil derselbe keinen Gefallen an dem wilden Waffenhandwerke fand. Als er nun einst zu einer Fehde gegen den ihm verhaßten Burgherrn von Königsberg auszog und seinen Sohn, obschon derselbe des Königsbergers einzige Tochter innig liebte, zwang, daran teilzunehmen, geschah es, daß der Sohn beim Ritte von der Burg vom Pferde stürzte und verwundet ins[545] Schloß zurückgetragen werden mußte. Ingrimmig gab nun der Vater der Erziehung und dem Einflusse seines Schwagers die Schuld an dem Unglücke, und er nahm sich vor, mit Härte einzugreifen. Sein Sohn genaß zwar unter der sorgsamen Pflege von Mutter und Schwester bald wieder, doch um dessen Ruhe war es für immer geschehen. Ja alle fühlten, daß der Vater böse Gedanken sowohl gegen den Sohn als auch Schwager im Herzen hegte und es ward von beiden die Flucht beschlossen. Dieselbe wurde bald darauf nach dem damals unwegsamen Erzgebirge ausgeführt, als der Vater wieder zum Kampfe gegen den Königsberger ausgezogen war und dabei den Sohn nicht mitgenommen hatte. Bei der Rückkehr in seine Burg kannte der Zorn des Ritters keine Grenzen, und da er ganz richtig in Frau und Tochter Mitwisserinnen der Flucht seines Sohnes erblickte, so mußten dieselben von ihm harte Mißhandlungen erdulden. Er veranstaltete zwar sogleich Streifzüge durch das Gebirge, doch konnte er die Flüchtigen nicht auffinden.
Auf dem Kamme des Erzgebirges lag im dichten Walde ein freundlicher See; die Maisonne am blauen Himmel spiegelte sich in demselben. Aus dem Dickichte aber trat schüchtern ein Reh mit zwei weißgefleckten Zicklein, und gegenüber brach aus dem Walde ein weißer Hirsch, welcher sich in dem klaren Wasser des Sees widerspiegelte. Abseits stand eine mit grünem Rasen gedeckte Erdhütte, aus der eine bläuliche Rauchwolke aufstieg. Diese Hütte hatten sich die beiden Flüchtlinge erbaut. Sie traten eben zur Wanderung gerüstet daraus hervor, denn sie wollten versuchen, die duldende Mutter und Tochter heimlich von der Burg des harten Gemahls und Vaters zu entführen und hierher in diese von dem menschlichen Verkehre abgeschlossene Wildnis in Sicherheit zu bringen.
Der Vater aber rüstete sich ungefähr zu derselben Zeit zu einem neuen Fehdezuge gegen den Königsberger. Letzterer aber hatte davon Kunde erhalten und seine Burg wohl verwahrt, während sein Sohn mit einem Häuflein Knechte dem Feinde entgegen zog. Trotz der Vorkehrungen des Königsbergers schien es, als ob der Feind seine Burg gewinnen werde; unaufhaltsam stürmte derselbe vorwärts, unbekümmert um den Steinhagel, welcher ihn unausgesetzt empfing. Schon war er an der Brücke, als dieselbe mit einem furchtbaren Krach zusammenbrach. Als aber der Feind sich anschicken wollte, den Wallgraben mit Steinen und Holz zu füllen, um so in die Burg zu gelangen, kam ein blutender Bote, welcher meldete, daß die eigene Burg von des Königsbergers Sohne eingenommen worden sei und in Flammen aufgehe. Da zogen sich die Feinde von der bedrängten Burg zurück. Die Belagerten[546] hatten jedoch schon Vorbereitungen getroffen, ihnen schnell zu folgen. Es wurde eine Notbrücke niedergelassen und bald sahen sich die Weichenden von vorn und hinten angegriffen. Hinter ihnen kamen die Belagerten und vorn wurden sie von des Königsbergers Sohne mit seinen Mannen bestürmt. Nur durch rasche Flucht war es dem fehdelustigen und hartherzigen Ritter möglich, der Gefangenschaft oder dem Tode zu entgehen. Er überschritt mit den ihm noch übrig gebliebenen Knechten, da er in den Trümmern seiner Burg Frau und Tochter, welche unterdeß geflohen waren, nicht fand, den Kamm des Erzgebirgs und baute sich in wilder Gegend eine neue Burg. Von dieser aus durchzog er nun die Wildnis nach Bären, Wölfen und Auerochsen. Eines Tages meldete ihm einer seiner Troßbuben, daß er in einer gewissen Gegend einen weißen Hirsch gesehen habe. Diese Nachricht reizte den Ritter und er zog alsbald aus, die Spur des seltsamen Tieres zu suchen. Bald hatte er dieselbe auch gefunden, und als er darauf des Hirsches ansichtig ward, warf er seinen Jagdspieß nach demselben. Der zu Tode getroffene Hirsch raffte sich wieder auf und floh blutend in das Dickicht. Als nun der Ritter mit seinen Knechten durch dasselbe drang, erreichte er das Ufer eines klaren Sees, an welchem sich eine Erdhütte erhob. Dort lag auch der verwundete weiße Hirsch, über den sich eine Jungfrau beugte; neben ihr standen noch drei Personen. Der Ritter erkannte sie sehr wohl, er eilte hinzu und wurde in seiner Wut der Mörder der Seinen. Da verhüllte eine dunkle Wolke die Sonne, gleichsam als solle dieselbe die Unthat nicht sehen. Der klare See aber wurde zu einem unheimlichen Sumpfe und die Fischlein wurden zu Molchen. Noch zeigt man bei den Henneberger Häusern südwestlich von Johanngeorgenstadt die Stelle, wo der See lag.
Als der Himmel so vernehmlich zu dem Ritter und seinen Knechten gesprochen hatte, wollte keiner von ihnen den toten weißen Hirsch mit zur Burg tragen; dem Ritter selbst lag auch nichts daran. In der folgenden Nacht aber erbebte ringsum die Erde und in der Burg des vierfachen Mörders ertönte ein furchtbares Krachen. Die Morgensonne beschien einen gewaltigen Trümmerhaufen, und der Kopf des Ritters schaut noch heutigen Tages von der einen Felskuppe, welche man den Teufelsstein heißt und die sich an der Stelle der ehemaligen Burg erhebt, nach Osten. Der Teufel hatte in der Nacht die Burg zerstört und zum warnenden Zeichen den Kopf des Gottlosen an dem Felsen aufgerichtet.
(Joh. Böhm in der Erzgebirgs-Zeitung, 2. Jahrg., S. 130.)
Als gewaltiger Markstein eines der letzten südwestlichen Ausläufer des metallreichen Erzgebirges erhebt sich der hohe Stein mit seinen wunderbar gestalteten Felsenmauern und Pfeilern. Vor vielen hundert Jahren stand an der Stelle, auf welcher sich heute diese mächtigen Felsen auftürmen, eine große feste Burg, welche mit ihren gewaltigen Mauern weithin die Gegend überblickte. Ungeheure dichte Wälder bedeckten die Gegend und nur auf gelichteten Stellen am Fuße des Berges hatten sich fleißige Menschen angesiedelt und zwangen dem Boden seine wenigen Erzeugnisse ab. Aus fernen Landen waren sie auf des Ritters Ruf gekommen und hofften in Genügsamkeit, Ruhe und Frieden hier leben zu können, aber nur zu bald seufzten sie unter dem harten Joche, welches der Ritter ihnen auferlegte, unter den schweren Strafen, welche er über sie verhängte, wenn sie seinen maßlosen Forderungen und grausamen Befehlen nicht sogleich nachkamen. Je älter er wurde, desto mehr schien das Mitleid von ihm zu weichen und sein Herz zu versteinern. Da verwünschte ein Mann, dem der Schnee des Alters seinen Scheitel deckte, den Wüterich und sein Schloß. Er, samt der Burg, wurde in grauen, harten Stein verwandelt und viele hundert Jahre wird es währen, bis die Sonne wieder die Zinnen der Burg mit ihrem Glanze vergolden wird.
So sieht man nun die gewaltigen Burgtürme und Rauchfänge, sowie den riesigen Ritter versteinert emporragen, während tief unten im dunkeln Schoße der Felsen die reichen Schätze des Burgherrn begraben liegen.
Nach einer andern Sage hat der verwünschte Ritter auf dem hohen Steine keine Ruhe; oft hört man lautes Getöse und Wiehern von Rossen aus den gewaltigen Felsen hervorschallen, sieht auch manchmal den unterirdischen Stall seine Jauche entleeren, und in finstern, unheimlichen Nächten hört man vom hohen Stein herab in der Richtung gegen »die drei Rainsteine« (an der Graslitz-Schönbach-Sächsischen Grenze) die wilde Jagd dahinbrausen, der sich auch der verwünschte »hohe Stein-Ritter« anschließen muß.
(Steinbach, Historie des Städtchens Zöblitz. Dreßden, 1750, S. 12.)
Der erste Felsen unter Zöblitz, linker Hand unter der Pfarrwiese nach Lauterstein zu, heißt der Lauterstein, welcher gegen das[548] alte Schloß Lauterstein liegt und vom roten Wasser aus sehr hoch und jähe ist. Dem Vorgeben nach soll auf diesem Felsen ein Raubschloß, von welchem man gegen das dem Katzensteine an der schwarzen Pockau gegenüberliegende »Raubschloß« Losung geben konnte, gestanden haben. Man bemerkte früher auf dem Felde noch einige Gräben. Das genannte »Raubschloß« lag am rechten Pockauufer im Walde, ungefähr eine Stunde von Zöblitz entfernt. Man fand daselbst viel alte Kriegsgeräte, Pferdezeug, Sporen u. dergl., ferner Überreste von einer unterirdischen Wasserleitung. Nach der Volkssage soll das »Raubschloß« durch Kurfürst Joh. Georg I. vom Katzensteine aus in den Grund geschossen worden sein. Wahrscheinlich aber wurde es bereits im Hussitenkriege zerstört.
(Chronica der freyen Bergstadt S. Annaberg, II., 1748, S. 32. Grundig, Neue Versuche nützlicher Sammlungen etc., 2. Band, 1750, S. 171.)
Auf dem Schenkgute über der Pfarre zu Hermannsdorf liegt im Walde ein Fels, der Sommerstein genannt, worauf in alten Zeiten ein Raubschloß gestanden haben soll. Die Besatzung desselben lauerte gleich derjenigen der Schlösser zu Tannenberg und Greifenstein den Kaufleuten auf, welche von Böhmen kamen oder dorthin zogen. Man sieht noch etwas von den Mauern nebst einen in Fels gehauenen Backofen und einen wohl ausgemauerten viereckigen Brunnen, in welchen das Wasser durch einen langen Graben von Westen her geleitet wurde. Erzählt wird noch, es solle in diesen Felsen ein großes Loch gehen, darin stände ein großer Kasten mit Gold.
(Christ. Lehmann, Histor. Schauplatz etc., S. 183 und 184.)
Woher der Greifenstein bei Ehrenfriedersdorf den Namen habe, weiß niemand, außer daß man sagt, es hätte ein Greif daselbst genistet. Außerdem hat man die Vermutung, es hätte ein Raubschloß da gestanden, von welchem die Räuber denen auf dem Schellenberge, wo jetzt Augustusburg steht, Zeichen hätten geben können. Noch hat es das Ansehen, daß vor alten Zeiten der Platz zwischen zwei hohen Felsen mit Mauern eingeschlossen gewesen sei. Auch hat man zuweilen Topfscherben, Nägel, Pfeile, Schlüssel und anderes Eisenwerk, Totengebeine, Schweinszähne und Fischgräten daselbst gefunden. Auch ist[549] daselbst ein kleines silbernes Ringlein mit einem Kreuzchen und dem Namen Maria gefunden worden.
(Gießler, Sächs. Volkssagen, Stolpen o. J., S. 301.)
Es ist geschichtlich erwiesen, daß vor der Zerstörung des Schlosses Frauenstein im Jahre 1438 der Ritter Dietrich von Vitzthum, welchem die Burg vom Grafen Heinrich von Plauen zur Bewahrung anvertraut worden war, mit böhmischen Raubrittern gemeinsame Sache machte. Um nun den durch die versteckten Nachbarburgen und die damaligen dichten Waldungen um Frauenstein begünstigten Bedrückungen der Wegelagerer ein Ende zu machen, entsandte Kurfürst Friedrich der Sanftmütige Abgeordnete mit einem Herold nach dem Frauenstein, um Vitzthum zu sofortiger Verweisung des böhmischen Raubgesindels zu veranlassen.
Die kurfürstlichen Gesandten kamen an dem weit im Lande berüchtigten Räuberneste an, fanden aber das äußere Burgthor verschlossen und die Zugbrücke aufgezogen. Der Herold ließ den herkömmlichen Trompetenruf erschallen und verkündete darauf laut den Befehl des Kurfürsten: »Dietrich von Vitzthum, Du sollst gehalten sein, dem Durchlauchtigen Kurfürsten des heiligen römischen Reiches, Friedrich, Herzog zu Sachsen und Markgraf zu Meißen, zu Befehl zu handeln und alsobald die böhmischen und anderen Ritter von Dir zu thun, welche das Land berennen und die Reichsstraßen und sonstigen Wege unsicher machen, die Bürger berauben und brandschatzen. Also gebietet der Durchlauchtige Lehnsherr, Du mögest seine Abgeordneten mit Glimpf empfangen und in allen Stücken seinem Befehlig aus ihrem Munde gehorsamen, bei Acht und Aberacht, die Dich und alle, so zu Dir halten, Freie und Unfreie, treffen wird, wenn den Landfriedensbrechern noch ferner Unterstand auf dem Frauenstein gewährt würde. Künde Dir das zum ersten-, zum andern-, zum drittenmale, kraft meines Amtes, Dietrich von Vitzthum!«
Wieder blies der Herold in die Trompete und erwartete, gegen das Thor vorreitend, eine Antwort. Dieselbe kam auch alsbald, aber in Gestalt eines starken Armbrustpfeiles, der dicht an den Ohren des Herolds vorübersauste. Dazu erklang aus der Burg ein höhnische Gelächter. Am Fenster des Thorwärters erschien der Ritter Dietrich und rief: »Was schiert mich der Markgraf von Meißen? Der Burggraf von Plauen ist mein Herr, dem nur stehe ich Rede und sonst keinem!« Unverrichteter Sache zogen die[550] Gesandten von dannen; vorher aber hefteten sie noch die Vorladung für Dietrich von Vitzthum zum Achtsprozeß an das Gerichtsbret des Rathauses zu Frauenstein.
Der Kurfürst war über die Widersetzlichkeit Vitzthums in hohem Grade erzürnt und bot alsbald die Bürger der benachbarten Städte zum Zuge gegen das Schloß Frauenstein auf. Die Freiberger ließen auch nicht lange auf sich warten und schlossen sich dem kleinen Feldzuge um so lieber an, als ihnen durch die Räuber auf dem Frauenstein, welche die wichtige Handelsstraße nach Böhmen beunruhigten, schon beträchtlicher Schaden zugefügt worden war. Sie erschienen unter Kuno von Schönberg mit den übrigen kursächsischen Streitgenossen alsbald, und als auf die übliche Aufforderung zur Übergabe der Burg keine Antwort erfolgte, wurden die Donnerbüchsen auf die Umfassungsmauern des Schlosses gerichtet. Die Steinkugeln, deren man noch etliche als Andenken in dem alten Gemäuer sieht, prasselten gegen die Burg, jedoch auch die Besatzung schleuderte unzählige Wurfgeschosse gegen die Belagerer. Es entbrannte ein harter Kampf, der lange unentschieden blieb, bis plötzlich große Rauchwolken und Flammen aus der Burg emporstiegen. Jetzt wurde dieselbe auf ein gegebenes Zeichen gleichzeitig von allen Seiten berannt und in kurzer Zeit wurde sie von Kurfürst Friedrichs Mannen erstiegen. Innerhalb der Burg entbrannte nun ein Kampf Mann gegen Mann, wobei auch Kuno von Schönberg und Dietrich von Vitzthum zusammentrafen. Beide fochten löwenkühn, zuletzt siegte jedoch der Ritter von Schönberg und stieß den Gegner nieder. Man schleppte den verwundeten Vitzthum fort, und was noch von der Burgbesatzung lebte, ergab sich auf Gnade und Ungnade.
Drei Tage hatte der Verurteilte Zeit, sich zum Abschied vorzubereiten. In den ersten Tagen des Dezembers 1438 strömten Hunderte aus der Umgebung Frauensteins nach der Stadt, um den einst gefürchteten Vitzthum hinrichten zu sehen. Dicht gedrängt stand die harrende Menge im Schloßhofe, da erklang von der Burgkapelle her das Sterbeglöcklein, vier Knappen brachten den armen Sünder, der schwer verwundet und kaum bei Besinnung war, zur Richtstatt und alsbald wurde der Spruch des Gerichtes mit dem Schwerte an ihm vollzogen.
Die Burg wurde hierauf insoweit zerstört, daß sie nicht mehr widerstandsfähig war und den Räubern keinen weiteren Schlupfwinkel zu bieten vermochte. Dann erst zogen die Kurfürstlichen ab. Der Burggraf von Plauen ging seiner Besitzung Frauenstein, die er so unwürdig hatte verwalten lassen, verlustig; das Lehen wurde vom Kurfürsten eingezogen.
Der Geist des hingerichteten Raubritters soll von Zeit zu Zeit noch immer in der Schloßruine umgehen und auch in den hinteren, nicht bewohnten Teilen des neuen Schlosses schon bemerkt worden sein. In der Nähe des Parkschlößchens läßt sich manchmal etwas »Graues« sehen.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 103.)
Malerisch und majestätisch ruht das Schloß Hauenstein auf einem fast senkrecht abfallenden Basaltfelsen, welcher aus dem wildromantischen, herrlichen Waldthale sich emporhebt, das menschliche Hand zu einem lieblichen Garten umgeschaffen. Zu dem Schlosse gehört ein alter, aus schwarzem Basalt errichteter Rundturm, von altersher der »Bürgermeister« genannt, weil der Sage nach ein solcher in seinem Verließe zuerst den Hungertod fand; er diente lange als Gefängnis, und der in der Gemeinde Damitz gelegene Galgenberg erinnert heutigen Tages noch an die Zeit, wo die Zwingherren von Hauenstein das Blutgericht ausübten.
Beachtung verdient ferner das Perlenzimmer. Wie der Volksmund erzählt, sollen allhier Nonnen die im Egerflusse gefischten Perlen verwahrt haben. Nach einer andern Überlieferung hieß besagtes Gemach eigentlich »Perlhefterstube«, weil sich daselbst zur Zeit der Schlickschen Herrschaft im 16. Jahrhundert eine Perlhefterei befand.
An der Felswand in der Vorhalle des Schlosses bemerkte man sonst einen schwarzen Fleck, angeblich vertrocknetes Blut, welches ein Herr von Vitzthum dort im dreißigjährigen Kriege kämpfend vergossen haben soll.
(Erzgebirgs-Zeitung, Komotau 1880. 1. Jahrg. S. 47.)
Es mochte um das 11. oder 12. Jahrhundert sein, als auf der Burg Neustein ein verwegener und berüchtigter Raubritter hauste. Derselbe hegte aus irgend einem Grunde einen unversöhnlichen Haß gegen den Grafen zu Rothenhaus. Da geschah es eines Tages, daß er demselben seinen erstgebornen Sohn in zartem Kindesalter samt der Wärterin raubte, und, um die Eltern irre zu führen, streute er die mit Blut getränkten Kleider des Kindes im Walde in der Nähe des Schlosses Rothenhaus aus, so daß der Graf glauben mußte, ein wildes Tier[552] habe seinen Sohn zerrissen. Den Knaben aber ließ er als seinen eigenen Sohn erziehen und flößte ihm dabei tiefen Haß gegen das Grafengeschlecht in Rothenhaus ein.
Bei einem Überfalle venetianischer Kaufleute geriet der Raubritter von Neustein mit dem Grafen von Rothenhaus, welcher zufällig an der Spitze seiner Leute an den Ort der Unthat kam und die Bedrängten verteidigte, in Kampf und wurde dabei zum Tode verwundet. Nur mit Mühe entkam er auf seine Burg, wo er auf dem Sterbelager sich von seinem angeblichen Sohne einen Eid leisten ließ, daß derselbe an dem Grafen Rache nehmen wolle. Darauf starb er. Nach einiger Zeit gelang es dem nunmehrigen Herrn des Neusteins, die Tochter des Grafen von Rothenhaus zu rauben und durch einen geheimen unterirdischen Gang auf seine Burg zu führen, wo er sie gefangen hielt. Als er sie nun sogar zur Gemahlin begehrte, weigerte sich die Jungfrau standhaft, denn ihr Herz gehörte bereits einem andern.
Auf Schloß Rothenhaus war man durch das Verschwinden der Tochter des Hauses in nicht geringe Bestürzung geraten, denn man vermutete mit Recht einen frechen Raub. Der Graf entbot noch in derselben Nacht seine Mannen zu sich und zog mit ihnen am frühen Morgen gegen die Burgen Neosablitz und Wodehrad, die im Thale des Assigbaches lagen und deren damalige Herren sich nicht des besten Rufes erfreuten. Doch in keinem der beiden Schlösser war die Geraubte zu finden. Von dem Vorhandensein des Felsennestes Neustein aber wußte man nichts, denn dasselbe lag tief im Walde versteckt.
Unterdeß hatte die gefangene Grafentochter einen Plan zu ihrer Rettung entworfen. Sie heuchelte dem Herrn von Neustein, sie sähe ein, daß ihr Sträuben vergeblich sei, und so habe sie sich entschlossen, die Seine zu werden; der Ritter möge ihr nur einige Tage Zeit lassen und ihr gestatten, daß sie eine Kirche besuche, damit sie Gott um Trost und Beistand anflehe. Nur ungern willigte der Ritter ein. So zog sie denn mit ihrer treuen Dienerin, die man ebenfalls in Rothenhaus geraubt hatte, und bewacht von einer Schar wilder Gesellen, nach Komotau, wo sich die nächste Kirche befand. Als sie daselbst dem Pfarrer beichtete, erkannte sie derselbe und er forderte sie auf, ihm ihren Aufenthaltsort anzugeben. Sie sogleich zu befreien, erschien ihm unmöglich, da die Kirche von den Bewaffneten umstellt worden war und die Leute im Orte noch schliefen, denn es war zu sehr früher Stunde. Die Jungfrau konnte dem Priester jedoch ihren Aufenthaltsort nicht angeben, da man sie mit verbundenen Augen aus dem Raubschlosse nach der Kirche gebracht hatte. Ratlos lief der Priester in die Sakristei und kam ebenso ratlos wieder zurück. Da bemerkte er plötzlich[553] ein altes Weib, das unvermerkt mit in die Kirche gekommen war. Er fragte die Alte, was sie wohl in ihrem Korbe habe. »Ein Säckchen mit Linsen«, entgegnete diese. »Weib,« rief der Pfarrer, »Ihr seid mir von Gott gesandt; überlaßt mir die Linsen, sie sollen Euch gut bezahlt werden!« Das Weib war einverstanden, und der Priester händigte die Linsen seinem Beichtkinde ein mit der Weisung, auf dem Heimwege von Zeit zu Zeit heimlich einige Linsen fallen zu lassen; er werde dann dafür sorgen, daß ihr Aufenthaltsort entdeckt werde. Dann entließ er das Fräulein, welches nun mit seinen bewaffneten Begleitern wieder zu Pferde stieg und den Rückweg antrat. Der Geistliche aber gab einem zuverlässigen Manne den Auftrag, dem Zuge sofort unvermerkt zu folgen, hie und da am Boden zerstreute Linsen würden ihm im Walde den Weg zeigen. So wurde das Raubschloß entdeckt. Dem Grafen von Rothenhaus aber brachte man sofort die Nachricht hiervon, und noch an demselben Abende stand er mit seinen Mannen vor der Feste des Raubritters und verlangte die Auslieferung seiner Tochter. Diese erfolgte aber nicht; man rüstete sich vielmehr in der Burg zur Verteidigung. Nun umschlossen die von Rothenhaus die Burg und trafen Anstalten zum Sturme auf dieselbe. Am frühen Morgen des nächsten Tages begann man auch sofort den Angriff, und trotz der verzweifelten Gegenwehr der Belagerten hatten die Angreifer bald vom Bergrücken her den Wall und Graben überschritten und begannen die Mauern zu ersteigen. Da versuchte der jugendliche Ritter vom Neustein ein letztes Mittel, die Feinde vom weitern Vordringen abzuhalten. Er schleppte das geraubte Fräulein auf den Wartturm und drohte dasselbe in die Tiefe zu stürzen. Da trat aber die alte Wärterin heran, welche allein im Schlosse seine wahre Abkunft kannte, und teilte ihm mit, daß er eben im Begriffe stehe, seine Schwester zu ermorden. Jetzt erfaßte Verzweigung den Ritter; er bestieg sein Pferd, ritt auf die Burgmauer, gab dem Tiere die Sporen und stürzte mit ihm in die gewaltige Tiefe. Die Felsenburg wurde nun vollends eingenommen und zerstört. Groß war aber die Trauer zu Rothenhaus, als man erfuhr, wer der gewesen, der die Tochter des Grafen geraubt hatte. Der Leichnam des Ritters wurde feierlich in der Familiengruft der Rothenhauser beigesetzt.
(Mündlich.)
Oberhalb des Ortes Mulda bei Freiberg zeigt man am linken Muldenufer in der sogenannten »Grüne« einen Platz, auf welchem[554] einst ein altes Schloß stand. Von den Ruinen ist seit einer Reihe von Jahren nichts mehr zu sehen, da man die Steine bei einem Wegebau verwendete. Die Sage erzählt nun, daß nach dem Schlosse eine kupferne Wasserleitung von dem Brunnen auf dem Burgberge geführt habe und daß dasselbe von einem gewissen Hegewald niedergerissen worden sei. Die Steine verwendete derselbe zum Aufbau des jetzigen Rittergutes. Als das Schloß niedergerissen wurde, fand dieser Hegewald (er hieß mit dem Vornamen Zacharias, wurde 1670 geboren und starb 1731), wie der Volksmund erzählt, in dem Gemäuer einen großen Schatz, den er in einem Sacke auf der Schulter nach dem neuerbauten Rittergute trug. Die Last war aber so schwer, daß sie ihn auf dem Wege erdrückte. Früher soll auch in dem Rittergute ein Bild zu sehen gewesen sein, welches diese Begebenheit darstellte.
(Köhler, Volksbrauch etc. S. 623.)
Das Schloß Schönfels bei Zwickau soll einst rings von einem großen Walde umgeben gewesen sein, so daß man es nicht sehen und schwer auffinden konnte. Einst wollte es der Feind erstürmen und suchte es lange; und hätten nicht Tauben, die man im Schlosse hielt und welche ab und zu flogen, die Richtung verraten, so hätte man noch lange suchen können.
(Nach Ed. Heger in der Erzgebirgs-Zeitung, 1881, S. 143 etc.)
Eine halbe Stunde vor dem Bergstädtchen Platz liegen die von einem dreifachen Walle umgebenen Ruinen des Schlosses Hassenstein. Nach einer Sage wurde dasselbe in der Mitte des 11. Jahrhunderts von einem Reichsritter Emerich erbaut, welcher mit dem Grund und Boden von dem Kaiser Heinrich III. für geleistete Kriegsdienste und besonders für seinen Beistand in der Heerfahrt gegen den Böhmenherzog Achilles Bratislav belehnt worden war. Sieben Jahre dauerte der Bau, und als er beendigt war und der Ritter einzog in sein stattliches Bergschloß, da nahm er sich vor, als Gebieter Gerechtigkeit, aber auch die vollste sittliche Strenge walten zu lassen. Um seine Anschauungen von Recht und Sittlichkeit zum Ausdruck zu bringen, that er ein Gelübde sonderbar und folgenschwer. Er gelobte, diejenige Bewohnerin des Schlosses, welche ihre Ehre verlieren würde – und[555] sollte es auch seine eigene Tochter sein – lebendig einmauern zu lassen. Noch sieht man in der geborstenen Mauer des Hassenstein eine Nische, welche der Ritter Emerich für diese furchtbare Bestimmung herstellen ließ, um seinem Gelöbnis den weiblichen Schloßbewohnern gegenüber den rechten Nachdruck zu geben.
So vergingen Jahre. Der Ritter jagte in den ungeheuren Wäldern den starken Eber oder den flüchtigen Edelhirsch, während seine Gemahlin die Erziehung ihrer Kinder, dreier Knaben, welche des Vaters Stolz und Freude waren, überwachte. Als die Söhne wehrhaft geworden waren, lernten sie auf den Nachbarburgen feine Sitte, und nachdem sie den Schwertschlag zu Gottes und Mariens Ehre erhalten hatten, dienten sie als Ritter an den Höfen im deutschen Reiche. Die Burgfrau hatte ihrem Gemahl später auch ein Töchterchen geschenkt, dessen Geburt der Mutter leider das Leben kostete. Auf ihrem Sterbelager hatte sie ihr Kind der Obhut des alten Schloßkaplans übergeben, welcher ihr versprach, dasselbe in Frömmigkeit zu erziehen und Vaterstelle an ihm zu vertreten. Denn der Ritter war zu häufig in Fehden verwickelt und oft lange von der Burg abwesend, als daß er sich der Erziehung seiner Tochter, welche bei der Taufe den Namen Guta empfing, mit rechter Aufmerksamkeit hätte widmen können.
Der Schloßkaplan, ein sanftmütiger Priester, verwendete nun seine ganze Sorgfalt auf die Erziehung der kleinen Guta, und besonders war es die wunderbare Welt der Märchen und der Kreis der Sagenlieder und Legenden, welche auf die empfängliche Schülerin den größten Eindruck ausübten. So wuchs das Mädchen zur blühenden Jungfrau heran und fast schien es, als ob dieselbe ihren sanften Lehrer mehr liebe, als den strengen Vater. Derselbe dachte endlich daran, wie er seine Tochter versorgen und sich damit zugleich eines Nachfolgers im Besitze der Burg versichern könne. Alle seine Söhne, seine natürlichen Stützen und Erben hatten ihn ja verlassen, sie weilten, Abenteuer suchend, in weiten, unbekannten Fernen und nie hatte er eine Nachricht von ihnen erhalten. Die Wahl eines passenden Eidams erschien ihm nicht leicht, doch hoffte er sie am besten am Hoflager zu Regensburg treffen zu können, wohin Kaiser Heinrich IV., seines kaiserlichen Gönners Sohn, die Fürsten, Ritter und Edlen entboten hatte, damit des Reiches Wohl und der Römerzug beraten werde. Ritter Emerich begab sich also nach Regensburg.
Während der Abwesenheit des Burgherrn beschloß der greise Kaplan, seiner Pflegetochter, welche bisher kaum über die Schwelle des äußern Burgthores hinausgekommen war, ein größere Maß von Freiheit zu gewähren. Er führte sie daher hinaus in die Wälder und[556] auf die Fluren und besuchte mit ihr die Ansiedelungen im Burgbanne. Oft ruhten sie auf einer Waldwiese unter einer riesigen Eiche und lauschten am Morgen dem Gesange der Waldvöglein. Als sie einmal wieder so saßen, trat plötzlich aus dem dichten Gebüsch ein schöner ritterlicher Jüngling. Guta war anfangs recht erschrocken, doch konnte man dem Fremdlinge, welcher die edelsten Sitten zeigte, nicht gram sein. Es war ein fahrender Ritter aus dem Meißnerlande, welcher in der Gegend Gastfreundschaft gesucht und gefunden hatte und den der Zufall auf einer seiner Wanderungen dem Priester und Guta entgegenführte. Nach mehreren Tagen traf der Ritter mit ihnen an derselben Stelle wieder zusammen, und dann noch öfter und öfter. Der Priester war kein strenger Wächter, und so kam es, daß die Herzen der jungen Leute sich fanden und der Ritter die Jungfrau um Erlaubnis bat, ihr sein Leben weihen zu dürfen. Nach der Rückkehr ihres Vaters wollte er um ihre Hand anhalten, denn Guta war es unbekannt geblieben, aus welchem Grunde ihr Vater nach Regensburg abgereist war. Bald kam aber von dorther die Botschaft an den Kaplan, daß der Burgherr bald zurückkehren und den für seine Tochter erkorenen Bräutigam sogleich mitbringen werde. Als dies Guta hörte, stürzte sie fassungslos ihrem Erzieher zu Füßen und entdeckte ihm ihr Geheimnis. Dieser erschrak heftig, denn er kannte die unbeugsame Strenge Emerichs und dachte an das offene Grab in der Schloßmauer. Freilich fühlte er sich selbst auch nicht von Schuld frei, und nach reiflicher Überlegung glaubte er ein Mittel gefunden zu haben, um der ersten Heftigkeit des heimkehrenden Burgherrn zu begegnen. Zu Seelau im St. Magdalenenkloster, von dem heute kein Stein mehr auf dem andern ist, da hat Schön-Guta Aufnahme gefunden; und auch der meißnische Ritter ward in die Verbannung geschickt, er ging zu den Benediktinern nach Klösterle. So blieb nur der greise Priester zurück und derselbe wollte dem Ausbruche des Zornes standhalten.
Als der Schloßherr kam, gestand der Kaplan alles. In wildem Grimme vergriff sich der Ritter an ihm, würgte den schwachen Priester und stieß ihn über die steile Treppe hinab, so daß der Arme die Steinvließe drunten mit seinem Blute färbte und seine Seele aushauchte. Nun erst kam der Ritter zur Besinnung und dachte besonders an die Verfolgung, welche die mächtige Geistlichkeit gegen ihn einleiten würde, wenn sie Kenntnis von diesem Morde erhielte. Deshalb suchte er eilig die Spuren des Verbrechens zu beseitigen. Er erinnerte sich der Mauernische, die er einst für eine ehrenvergessene Schloßbewohnerin hatte herrichten lassen. Wie fürchterlich hatte nun das Geschick entschieden! Seine eigene Tochter war zum Opfer geworden, sie hätte er[557] nach jenem Gelübde lebendig hier begraben müssen. Da ließ Emerich den Leichnam des ermordeten Priesters an jener Stelle bergen. Doch damit konnte er die Erinnerung an das Geschehene nicht begraben; eine Stimme frug ihn fort und fort: Hast Du auch recht gethan? Sein Trotz wollte diese Frage wohl bejahen; doch er konnte damit die Stimme des Gewissens nicht betäuben, er ergab sich dem Trunke, um so Vergessenheit zu finden. Da geschah es eines Abends, daß er sich ruhelos umhertrieb; sein Schritt war unsicher, er wankte und stürzte über die jähen Stufen hinab, so daß seine Glieder an eben demselben Steine zerschellten, auf welchem der Schloßkaplan seine Seele ausgehaucht hatte. Die Knechte und Reisigen bereiteten dann das Begräbnis ihres toten Herrn, und außerhalb der Burg, mitten im grünen Hag, wo es am kühlsten war und die Vögel am schönsten sangen, dort wölbten sie den Hügel des Ritters, und dann zerstreuten sie sich, denn sie wollten nicht mehr bleiben an der Stätte mit dem fluchbeladenen Steine. Und sprachen sie in der Folge von der Burg, so versäumten sie nicht, den Ort des Übels zu kennzeichnen: »Haß dem Stein!« Aus dieser Redensart aber entstand im Laufe der Zeit der Name »Hassenstein.«
Und die schöne Guta? Die Leute erzählten oft, daß im Kloster eine Nonne sei, die man immer weinen sehe, das Gesicht gegen die kalten Eisenstäbe des Fensters gedrückt. Und der Ritter aus den meißnischen Landen? Der blieb auch im Kloster, denn er hätte keine Freude mehr gefunden draußen ohne Guta. Aber die Söhne Ritter Emerichs? Die hatten das Kreuz genommen und waren mit Peter dem Einsiedler ins heilige Land gezogen und man hat nie mehr von ihnen gehört.
Das erledigte Hassenstein erwarben später die Herren von Schönburg, welche auch in der Nachbarschaft, bei Klösterle, eine Feste besaßen, deren Ruine von den Anwohnern heutzutage »Schömmerich« genannt wird.
(Joh. Böhm in der Erzgebirgs-Zeitung 1882, S. 26.)
Zur Zeit der Hussitenkriege lebte auf dem Schlosse Hartenberg, umgeben von nur wenigen Getreuen und unter der Obhut einer alten Dienerin Zdenka von Hartenberg, eine schöne achtzehnjährige Jungfrau. Seit einer Reihe von Jahren mutterlose Waise, entriß ihr auch das Schwert eines wütenden Taboriten vor kurzem den Vater, und ihr nächster Anverwandter, Jodok von Pichlberg, ein eifriger Utraquist,[558] den sie um männlichen Schutz und Beistand anflehte, wollte oder konnte solchen nicht leisten, sondern riet ihr, der neuen Lehre beizutreten und so aller Gefahren überhoben zu sein. Das mochte Zdenka nicht. Getreu den frommen Lehren ihrer verklärten Mutter hing sie mit kindlichem Glauben und Vertrauen der katholischen Kirche an und setzte, da ihr kein Freund mehr auf der Welt blieb, das feste Vertrauen auf Gott, den mächtigen Beschützer der Bedrängten und Verlassenen. Daneben vergaß sie auch nicht, an das Ehr- und Pflichtgefühl ihrer Unterthanen zu appellieren, versah die Burg mit Lebensmitteln, ließ die Mauern, Streittürme und Basteien ausbessern und einen größern Vorrat des schon damals im Gebrauche stehenden Schießpulvers herbeischaffen, um die einzigen Waffen der Burg, zwei Doppelhaken, in Verwendung nehmen zu können, kurz, ordnete alles mit männlicher Umsicht und Entschlossenheit an, was zur Verteidigung ihres väterlichen Erbes dienen konnte.
Die Vorsicht war nur zu wohl gerechtfertigt. In einer finstern Nacht rötete sich der Himmel von mächtigen Feuersäulen, die aus den benachbarten, von den Hussiten in Brand gesteckten Dörfern emporstiegen, und ein beträchtlicher Taboritenschwarm, angelockt von dem reichen ungeplünderten Gute und der ihrer Meinung nach sehr schwach oder gar nicht verteidigten Burg, stand bald vor den Thoren Hartenbergs, mit rauhen, grimmigen Worten Einlaß begehrend und mit drohenden Mienen zur Übergabe auffordernd. Da beides verweigert wurde, schrien hunderte von Stimmen nach Sturm, Pfeilen und Pechkränzen und vermengten ihre Rufe mit tausend Verwünschungen und Flüchen.
Zdenka ließ die Feuerschlünde donnern, ein Steinregen fiel auf die Schädel der Stürmenden, heißes Pech troff auf sie herab, und viele der blutdürstigen Taboriten, welche versuchten, die Burg in Brand zu stecken, den Thorgraben mit Steinblöcken zu füllen, die Mauern zu ersteigen, sanken zerschmettert zu Boden. – Die grause Nacht verging und der neue Morgen sah neue Stürme, neue angestrengte Versuche, die Burg zu Falle zu bringen. Umsonst; das tapfere Häuflein der Eingeschlossenen, angespornt durch Wort und That ihrer edlen Gebieterin, sowie die starken Mauern, die tiefen Gräben und die treffliche Lage der Burg spotteten aller Versuche der Hussiten, so daß diese beschlossen, die Belagerten durch die Macht des Hungers zur Übergabe zu zwingen. Die Lage Zdenkas und ihrer Getreuen wurde nun mit jedem Tage furchtbarer; Mutlosigkeit riß ein, die Lebensmittel nahmen immer mehr ab, die bleiche Krankheit mit der hohläugigen Not erschienen in der Burg als unwillkommene Gäste, kein Ersatz war zu erwarten; denn[559] das verzagte Landvolk, welches eine gegen die Wasserseite ausgesteckte Notfahne herbeirufen sollte, hatte die schwer heimgesuchte Gegend verlassen. – Als die Not aufs höchste gestiegen war, begab sich die bemitleidenswerte Jungfrau in die Burgkapelle, weilte dort auf den Knien liegend lange, bange Stunden und faßte daselbst, gestärkt durch ein inbrünstiges Gebet, einen bewunderungswürdigen, heroischen Entschluß, der, als sie wieder unter ihre Leute getreten war, ihren Augen einen eigenen Glanz, ihren Zügen eine stille Ruhe und Resignation, ihrem ganzen Wesen eine heilige Weihe gab. Ein Knecht mußte die letzte Nahrung, ein Rehviertel, vor den Turm werfen, ein anderer ins Horn stoßen und den Anführer der erbitterten Belagerer herbeizurufen. Dieser erschien, und Zdenka rief hinab: »Unter gewissen Bedingungen will ich die Burg übergeben, obwohl, wie Ihr an dem Wildpret sehen könnt, keine Not mich dazu zwingt. Erstlich werdet Ihr meine Getreuen mit Hab und Gut frei und ungehindert abziehen lassen.« »Nur Euch nicht, holde Frau«, unterbrach sie der Rohe, »sonst mag das ganze Gesindel das Weite suchen.« »Ich bleibe in der Burg meiner Väter, so lange ich lebe!« rief Zdenka leuchtenden Blicks und fuhr hierauf fort: »Dann werdet Ihr Euch nicht eher dem Thore nähern, bis meine Leute den Platz gänzlich verlassen und die Stätte jenes Vorwerks erreicht haben. Zuletzt beschwöret mir, falls Ihr ein Christ seid, die genaue Befolgung des Versprechens.« »Ich schwöre«, tönte es von den Lippen des Kelchners, »aber glaubt nur nicht«, setzte er bei, »daß Ihr mir entwischen könntet.« – Zdenka ordnete nun den Abzug ihrer Diener an, dankte ihnen für alle bewiesene Treue und gehorsam geleisteten Dienste, verteilte ihre Kleinodien und Kostbarkeiten unter sie und tröstete die in Thränen Aufgelösten damit, daß ihr der wilde Hussitenführer wohl freundlich entgegenkommen werde.
Die Fallbrücke rasselte herab, sechzehn bleiche und abgezehrte Männer mit der alten, weinenden Wärterin schwankten heraus, und nicht lange darnach stürzten die nach Beute lechzenden Taboriten mit ihrem Anführer an der Spitze, welcher die Jungfrau suchte, in die Burg. Allein wie vom Blitze gerührt blieb die wilde Rotte am Eingange einer Halle stehen und starrte mit stummen Entsetzen auf das ihr sich darbietende Bild. Dort in der Mitte des Gemaches stand Zdenka, bräutlich geschmückt, Entschlossenheit in Mienen und Gebärden, Hoheit und Würde in Haltung und Stellung zeigend. In ihrer Rechten loderte, Unheil und Verwüstung drohend, eine Fackel mit blutigrotem Scheine, und mit dem Zeigefinger ihrer Linken deutete sie auf ein vor ihr stehendes Pulverfaß. – Todesschauer schien die Kelchner gelähmt zu haben, und dieser wollte auch dann nicht von ihnen weichen, als[560] ein brausendes Getöse sich gegen die Burg hinanwälzte, und endlich ein Haufen sich gesammelten, bewaffneten Landvolkes, entrüstet über die unmenschliche Verheerung ihrer Heimat, angefeuert durch die Not der verlassenen Jungfrau, zum Entsatze herbeieilte und die blutdürstigen Räuber mit leichter Mühe überwältigte. Zdenka stand noch immer, wie ein Engel des Todes, drohend vor der Pulvertonne. Erst als sie sich gerettet sah, fiel sie, inbrünstig dem Himmel für ihre Rettung dankend, auf ihre Knie. Die ruhmwürdige Jungfrau hätte eher die Burg in die Luft gesprengt, als sich den Taboriten ergeben, da sie voraussah, daß Entehrung und grausame Behandlung ihrer warte.
(Joh. Böhm in der Erzgebirgszeitung 1882, S. 29.)
Es war in einer stürmischen Nacht in der Zeit des siebenjährigen Krieges, als in einem Hirtenhause zwischen Pichelberg und Thein bei Bleistadt Vater und Sohn vor dem Kienfeuer sitzend in einem lauten Gespräche begriffen waren. Dieses war besonders für letzteren hochinteressant, denn oft ließ der fünfzehnjährige Michel seine Hände, welche sich mit Kieferspäneschnitzen beschäftigten, sinken und hörte lange Zeit mit gespanntester Aufmerksamkeit auf das, was sein Vater, ein alter, verdienter Soldat, von seinen Feldzügen gegen den hartnäckigsten Feind Maria Theresias mit großem Eifer und dramatischer Lebendigkeit zu erzählen wußte. Besonders heute war sein Mund gesprächiger denn je, denn eine österreichische Truppenabteilung, bei deren Anblick sich des Alten Erinnerungen neu belebten und gestalteten, war seit wenigen Stunden an der Hütte vorbeimarschiert und lagerte sich für die Nacht eine kurze Strecke davon. Immer und immer wieder wurde Michel zu bewundernden Ausrufen hingerissen, und es wäre ihm am liebsten gewesen, wenn er gleich als Soldat mit Säbel und Gewehr hätte Bekanntschaft machen können.
»Aufgemacht!« schrie da plötzlich eine rauhe Stimme und begleitete den Befehl mit einem Kolbenschlage, der das Fenster zertrümmert in die Stube warf, »heraus mit euch, oder das Feuer wird schnelle Beine machen!«
Auf seinem Stelzfuße hinausgehumpelt, sah sich der alte Soldat einem Haufen preußischen Fußvolkes gegenüber, dessen Anführer von ihm zu erfahren wünschte, wenn die kaiserliche Truppe hier vorbeigezogen, wie stark sie sei und wo dieselbe liege. Der Veteran erwiderte, daß er dieses alles nicht wisse, und weder Versprechungen, noch harte[561] Drohungen und arge Mißhandlungen, welche Michel zum Widerstande bewogen, konnten den braven Mann veranlassen, zum Verräter zu werden, so daß die Preußen diesen entschlossenen Leuten gegenüber einen andern Weg einschlugen, um zum Ziele zu gelangen.
Zwei Mann mußten den alten Hirten bewachen, während Michel gezwungen wurde, den Weg zu zeigen. Man warf um seinen Leib einen Strick, dessen Ende der Befehlshaber selber in die Hand nahm, wobei er drohend und nachdrücklich sagte: »Du, Bursche, gehst links zwei Schritte neben mir und wirst weder husten, noch scharf auftreten. Zwei Mann mit gezogenen Säbeln gehen vier Schritte voraus, ebenso viele hinten und an den Seiten, die Mannschaft folgt, sechs Schritte entfernt, nach. Du führst uns den nächsten Weg zu dem Lager der Österreicher und wenn irgend ein Wort meiner Befehle übertreten wird, so werden dich meine Leute augenblicklich niederstoßen.« Der arme, bedauernswerte Michel leistete anfangs mit stürmischem Herzpochen, was man von ihm verlangte; allmählich wurde er aber ruhiger, dachte nach und machte endlich den Versuch die verhaßten Preußen irre zu führen, um die Soldaten seiner Kaiserin zu retten. Die Absicht wurde aber von dem Offizier bald gemerkt; denn dieser zog ihn an sich und zischelte dem Burschen ins Ohr: »Wenn wir in einer halben Stunde die Österreicher nicht haben, stirbst du eines martervollen Todes.« Nun wußte Michel keinen Ausweg mehr und entschlossen bog er links in einen Hohlweg ein, der gerade auf das Lager der kaiserlichen Truppen führte. Die schwarze Nacht, die unheimliche Stille, das raubtierartige Gebahren seiner schlagfertigen Begleiter hatten etwas Fürchterliches, was im Vereine mit den heute von seinem Vater erzählten Kriegsthaten seine Thatkraft zeitigte und den kühn gefaßten Entschluß zur Reife brachte. Plötzlich entdeckten die Vordermänner eine Schildwache, welche, als sie den Werdaruf geben wollte, lautlos zu Boden sank. Die Kaiserlichen mußten in der Nähe sein, weshalb der Führer sich wendete und ein leises Zeichen zum Stillstande gab. Diesen Moment benützte der Bursche, sprang wie ein Luchs auf den Befehlshaber und ihn am Halse fest umschlingend, schrie er aus allen Leibeskräften: »Auf! auf! die Preußen! Holla, die Feinde!« Der Heldenmütige blutete schon aus vielen Wunden, bevor der Todesstoß seinen Mund auf ewig verstummte, dessen Rufe die kaiserliche Mannschaft rettete und ihr über die durch den unverhofften Verrat betäubten Preußen einen leichten Sieg verschaffte.
(Brandner, Lauenstein. 1845. S. 24 und 25.)
Das Schloß Lauenstein, welches früher Löwenstein hieß, hatte wie andere Burgwarten einen markgräflichen Hauptmann. Durch die Räubereien dieser Hauptleute aber erhielt Lauenstein später den Ruf eines Raubschlosses. Einer dieser Hauptleute, mit Namen Gecko oder Jecko, war wegen seiner räuberischen Streifzüge, die er zuweilen bis an die Elbe ausdehnte, besonders gefürchtet. Bei einer solchen Gelegenheit bekam er die Gemahlin des Burggrafen Otto von Dohna und deren Tochter Edda in seine Gewalt, und er ließ beide, da Otto das schwere Lösegeld nicht aufbringen konnte, in schmählicher Gefangenschaft schmachten. Erst, nachdem Otto die Burg Lauenstein hart bedrängte, erhielten sie ihre Freiheit wieder. Aber Ottos Gemahlin genoß die Freude des Wiedersehens nur auf Augenblicke, denn als ihr Gemahl herbeieilte, um sie zu empfangen, erlag sie, durch lange, harte Gefangenschaft, durch Harm und Kummer geschwächt, der Wonne herzlicher Bewillkommnung. Sie starb in den Armen ihres Gemahls.
Der Hauptmann Gecko aber fand später ein elendes Ende, das man, wie die alte Nachricht hinzufügt, für ein hartes Strafgericht Gottes halten mußte.
Als Geckos kleiner Sohn an dem Rande des Zwinggrabens spielte, stürzte er, nach Blumen langend, in denselben hinab. Gecko, dies gewahrend, eilte behende herbei, um zu helfen, glitt indeß aus, stürzte hinab, blieb aber an einem Pfahle hängen und spießte sich denselben in der Hüfte zwischen Wamms und Brustschild durch den Leib, woran er elendiglich seinen Tod fand. Der Knabe aber ist ohne Fehl wieder herausgekommen.
(Moller, Theatrum Freib. Chron. II. S. 43.)
Als Markgraf Friedrich der Freidige, vom Kaiser Adolf besiegt, elend im Lande umherzog, kam er, von einem einzigen Diener begleitet und unerkannt in eine Schmelzhütte, in welcher ein Freiberger Bürger, namens Haberberger, einen starken Blick Silber abtrieb. Als er nun gefragt, wem so viel Silber zustände und darüber berichtet worden war, hat er den Haberberger allein vor die Hütte geführt, sich zu erkennen gegeben und ihn um das Silber angesprochen. Haberberger hat ihm dies nicht allein willig zugestellt, sondern ihm auch versprochen, daß er ihm nach wenig Tagen, wenn er es geschmolzen, noch mehreres[563] geben wolle. Markgraf Friedrich nahm es mit Dank an, und da ihm in der Folge noch mehrere reiche Bürger heimlich von ihren Ausbeuten zuschickten, warb er neues Kriegsvolk an, mit dem es ihm gelang, in seinem Lande wieder festen Fuß zu fassen. Er konnte sich um so mehr darin behaupten, als bald darauf der Kaiser abgesetzt wurde und in einer Schlacht mit seinem Gegenkaiser sein Leben einbüßte. Haberberger aber wurde reichlich beschenkt und erhielt mancherlei Freiheiten.
(Moller a. a. O. II. S. 47.)
Im Jahre 1305 ist der Kaiser Albrecht nach Altenburg gekommen und hat Markgraf Friedrich den Freidigen zu sich entbieten lassen, ihn auch freundlich aufgenommen und zu seiner Tafel gezogen, allein heimlich hat er einen Meuchelmörder bestellt gehabt, der plötzlich ins Tafelzimmer hineinsprang und einen Stoß auf den Markgrafen führte. Als dieses seine Diener sahen, ist der eine, so ein Bürger von Freiberg gewesen, ihm in den Stoß gefallen, dabei aber tötlich verletzt worden, die andern aber haben zu ihrer Wehr gegriffen und teils den Thäter in Stücke gehauen, teils ihren Herrn aus der Gefahr vom Schlosse hinweg und am folgenden Tage in fremden Kleidern aus der Stadt gebracht, worauf er sich nach Pegau gerettet hat.
(Nach Peccenstein, Theatrum Sax. I. S. 91 in Gräße, Sagenschatz d. K. S. No. 244.)
Der König von Ungarn Matthias ist den deutschen niemals sonderlich hold gewesen, also daß er sich mehrmals öffentlich hat vernehmen lassen, er wolle den Türken einen Paß durch sein Land vergünstigen, Deutschland zu überfallen. Gleichwohl hat er immer deutsches Volk an seinem Hofe gehabt und in seinen Kriegen gebraucht, und so ist denn auch ein Ritter von Bärenstein in seine Dienste gekommen. Nun trug es sich zu, daß der König einmal auf dem Schlosse zu Ofen spazieren ging, und wie er dabei an die Löwengrube kommt, so forderte er den von Bärenstein zu sich, befiehlt, dem Löwen Fleisch zuwerfen und redet darnach den von Bärenstein an, er solle doch, da er so kühn sei, den Löwen vom Fleische wegjagen. Wiewohl nun der Ritter leicht abnehmen konnte, wie solches gemeint sei und was ihm für Gefahr[564] bevorstehe, wenn er es unternehmen wolle, so hat er doch, um allen Unglimpf zu verhüten und abzuwenden, sein Leben nicht zu sparen gedacht, seinen Mantel um den linken Arm gewickelt, das Schwert in die rechte Hand genommen und ist also in die Grube auf den Löwen zugegangen. Wie dieser ihn ansichtig worden und sein unerschrockenes Gemüt gemerkt, hat er seiner nicht erwarten wollen (wie es denn die Natur dieses Tieres sein soll, daß es denen weicht, so es an Kühnheit übertreffen), und also hat der Ritter von Bärenstein das Fleisch genommen und dem König überbracht, nicht ohne dessen sowie des ganzen Hofes große Verwunderung. Ob nun wohl der König sich darauf ganz gnädig gegen ihn bezeigt, hat jener doch bald Abschied genommen und sich aus seinen Diensten begeben.
(Staberoh, Chronik der Stadt Oederan. 1847. S. 83.)
Als im Sommer 1427 ein starker Haufe Hussiten über Olbernhau und Sayda durch das Gebirge herunter nach Oederan zog, galt es besonders dem Ottomar von Schönberg, welcher den Hussiten aus der Gefangenschaft entwichen war und nun in seinem Schlosse Reinsberg wohnte. Täglich wurde jetzt dieses Schloß 3 Wochen lang von den Hussiten gestürmt. Da rettete den geängstigten Schönberg sein Knappe durch einen unterirdischen Gang, der sich in einem Busche vor dem Schlosse öffnete. Diese Stelle soll noch heute mit einem Denksteine, auf dem ein Kreuz eingehauen ist, bezeichnet sein. Ein bereit gehaltenes Roß trug den Ritter in der dunkeln Nacht durch den Forst auf die nahe Straße nach Freiberg. Hier setzten ihm die wachsamen Hussiten nach und hart vor Freiberg hatten sie den fast zum Tode Gehetzten beinahe eingeholt. Der Turmwächter auf dem Meißner Thore gewahrte in der Morgendämmerung diese Menschenjagd. Er öffnete dem nahenden Ritter, welcher ihm sein weißes Tuch entgegenschwang, einen Thorflügel, den er vor den mit heransprengenden Hussiten schnell wieder zuschlug. Innerhalb des Thores aber verließen den Ritter die Kräfte; auf der Meißner Gasse stürzte er mit dem Pferde und wurde tot in das nächste Haus getragen. Auch diese Stelle ward mit einem Steine, den man später an die Stadtmauer gelehnt hat, zum traurigen Andenken bezeichnet.
(Staberoh, Chron. der Stadt Oederan. 1847. S. 36.)
Im Bruderkriege wurde die Kirche zu Oederan von Herzog Wilhelms wilden, meist böhmischen Kriegern völlig ausgeraubt. Vom völligen Feuerruin wurde sie nur dadurch gerettet, daß, als die Räuber mit den Pechkränzen schon nach dem Gotteshause liefen, ein adeliges Fräulein, Hertha von der Planitz, in die Kirche eilte, das Marienbild vom Altare nahm und dieses dem Feldhauptmann Cuno von Witzleben, der zu Pferde vor der Kirchthüre hielt, mit den Worten zeigte: »Halt ein, du Gottloser! Diese Heilige wohnt in dieser Kirche, und wird dich bei ihrem Sohn verklagen. Ich trage sie zurück in ihr Heiligtum und werde mich selbst mit ihr verbrennen lassen!« Der Feldhauptmann ließ zwar die Pechkränze wieder wegtragen, doch nun die Thüre der Kirche erbrechen und diese ausrauben; jedoch befahl er, jenes heldenmütige Edelfräulein mit ihrem Marienbilde zu verschonen. Dies geschah 1447.
(Alfr. Moschkau, Geschichte des Benediktinerklosters St. Walpurgis im Zellwalde. 1874. S. 8. Saxonia I. S. 172.)
Das im Jahre 1540 als Wallfahrtskirche eingegangene Mönchsklösterlein »alte Zelle« im Zellwalde soll nach der Sage ein Nonnenkloster gewesen und erst im dreißigjährigen Kriege eingegangen sein. Als Banner Freiberg vergeblich belagert hatte und seinen Zug gegen den Zellwald nahm, soll ihm die Aebtissin einen Boten entgegengesandt und für die Schonung des Klosters versprochen haben, ihm den Weg von Freiberg bis hierher mit Silbergulden zu belegen. Banner aber habe geantwortet, er wolle sich das Geld schon selber holen. Endlich sei er gekommen, habe das Kloster ausgeplündert und die Gebäude dann niedergebrannt.
Eine Sage erzählt noch, daß dieses Nonnenkloster mit dem Mönchskloster Altzelle bei Nossen durch einen unterirdischen Gang verbunden gewesen sei. (Merkel und Engelhard, Erdbeschreibung von Kursachsen, 2. B. S. 117.)
(Meltzer, Historia Schneebergensis. S. 672.)
In ganz Deutschland ist in keiner Zeche jemals mehr gediegen[566] Silber gehauen worden, als in St. Georgen zu Schneeberg. Von dem Herzog Albrecht, dem teuren und hochberühmten Helden, wird gemeldet, daß er auf diesem St. Georg (1477) angefahren und darin auf einer verschrämten großen, gediegenen Silberstufe, woraus später 400 Centner Silber gewonnen wurden, wie auf einem Tische mit etlichen seiner Räte Tafel gehalten, auch unter andern diese nachdenklichen Worte gesagt habe: »Unser Kaiser Friedrich ist zwar gewaltig und reich, ich weiß aber doch, daß er jetzo keinen solchen stattlichen Tisch hat.«
In der Bergamtsstube auf dem Rathause zu Schneeberg wurde lange nachher noch der Sattel aufbewahrt, auf welchem Herzog Albrecht in den St. Georg und später auch Kurfürst Johann Friedrich auf dem Fürsten-Vertrag eingefahren war.
(Herm. Grimm, Das sächs. Erzgebirge. Dresden, 1847. S. 205.)
Neudorfs oberes Ende stößt an den Kretscham, welchen Namen der tiefere Teil des angrenzenden Ortes Rothensehma führt. Im engsten Sinne ist der Kretscham ein Gasthof mit Freigut, einer Mühle und vielen Vorrechten, auch zum Teil sehr altertümlicher Bauart. Nach einer Volkssage soll hier (und nicht am Fürstenberge bei Grünhain) des Prinzen Albert Errettung aus den Händen Kunzens von Kauffungen 1455 geschehen sein. Noch zeigt man im Westen, diesseits eines alten Marmorbruchs, den Fürstenbrunnen, und im Süden die Stätte des Kohlkrams, wo der mutige Köhler Schmidt, der Triller genannt, sich aufhielt, welcher später die Erlaubnis erhielt, hier an der böhmischen Straße den Kretscham (Gasthof) anzulegen.
(Nach Berkenmeyer, Cur. Antiquarius S. 652 und W. Schäfer, Der Prinzenraub, S. 50; bei Gräße a. a. O. No. 528.)
Nachdem die beiden sächsischen Prinzen Ernst und Albert ihrem Räuber, dem Ritter Kunz von Kauffungen, durch Gottes Hülfe glücklich entronnen waren, machte der ganze Hof eine Wallfahrt nach der Ebersdorfer Kirche bei Chemnitz, und der Kurfürst ließ daselbst die Kleider der beiden jungen Herrlein, so sie bei ihrer Entführung angehabt,[567] wie auch des Köhlers Schmidt, der sie errettet hatte, Kittel und Kappe aufhängen. Bei den Kleidern wurden folgende Verse angeschrieben:
Die gegenwärtig in der Pfarre von Ebersdorf aufbewahrten Kleider der Prinzen Ernst und Albert sind nur getreue Nachbildungen.
(Alfred Moschkau in der Saxonia II. S. 71.)
Die Steinbrücke, die sich unterhalb des Schlosses Nossen über die Mulde wölbt, steht auf der Stelle einer uralten Furt. Noch Anfang vorigen Jahrhunderts mußte man, um von Meißen her in die Stadt zu gelangen, diese Furt passieren und es gehörte zu deren eifrigsten Frequentanten längere Zeit August der Starke, den die Liebe oft auf das nahe Rittergut Keseberg trieb. Da traf es sich denn einmal, als sein Sehnen groß und er dem Ziele so nahe war, daß er ratlos mit seinem Gefolge an der Mulde rasten mußte, weil der Strom geschwollen und es kein Vorwärts gab. Um nicht wieder in solche fatale Lage zu geraten, ordnete August der Starke sofort den Bau der heutigen Muldenbrücke an.
(Staberoh, Chronik der Stadt Oederan, S. 123 etc.)
Im Jahre 1572 befand sich Kurfürst August mit seiner Gemahlin Anna auf der Augustusburg. Nach wenigen Tagen schon stellten sich bei der Kurfürstin Zeichen ein, welche eine schnelle Abreise bedingten. Sie wünschte sogleich fort und nach Freiberg geschafft zu werden, wohin ihre Frauen, das Nötige zu ordnen, sämtlich vorauseilten. Es[568] war spät am Abend und eine finstere Herbstnacht, als August und Anna ganz allein diesen nachfolgten. Der kürzere Fürstenweg sollte sie schnell nach Freiberg führen. Allein am Tannichtholze war die Kraft der Kurfürstin am Ende. Der Kutscher wußte jedoch Bescheid und lenkte auf sanftem Feldwege sogleich nach Oederan ein. Hier lag alles nach tags vorher gefeiertem »Mariä Geburtsfeste« in tiefem Schlafe. Der schwerfällige Wagen bewegte sich langsam bis nach dem Obermarkte herauf, wo an der Ecke eines Hauses, des jetzt Oehme'schen, No. 108, noch ein Lichtlein durchs Fenster leuchtete. Dahin wünschte Anna so heimlich als möglich gebracht zu werden. Der Hauswirt Jakob Mathesius, seines Gewerbes ein Schlosser, war mit seiner Tochter Kunigunde eben von einem Kindtaufsschmause heimgekehrt und letztere vor dem Spiegel beschäftigt, ihren orientalischen Patenschmuck abzulegen, als ein leises aber freundliches Rufen sie vor die Thüre lockte. Zwei Worte reichten hin ihr zu sagen, wem und wie sie hier zu helfen habe, mit gewandtem Anstande führte sie die Landesmutter in ihr Schlafzimmer, rief die erfahrene Hausfrau herbei, ordnete die nötige Hausarznei und schwatzte die sich erholende Anna in den ihr so nötigen Schlaf, bei der das kluge Jüngferchen wie bei einer Mutter sorgliche Wache hielt, indeß der Landesvater in der Wohnstube sich von dem verblüfften Vater die Wahrheit sagen ließ.
Eine zweistündige Ruhe der gestärkten Fürstin ermutigte diese zu dem Wunsche, sogleich weiter zu reisen und den Gemahl herbeizurufen. Von der Gemahlin unterrichtet, was und wie viel sie dem Mädchen danke, fühlte der Kurfürst sich diesem verpflichtet und hielt der Bescheidenen die volle Börse hin. Mit edlem Stolz aber trat Kunigunde, den Reichtum abweisend, zurück und sagte: »Mir genügt an der ehrenvollen Gnade und dem Heil, das unserm Hause wiederfahren ist, und an der Aussicht«, dabei auf die Kurfürstin deutend, »für diese Gesegnete des Herrn bald vielleicht knieend diesen meinen Dank zu bringen!« »Sie hat Recht!« rief, sich erhebend, die Kurfürstin, drängte den Gemahl mit seinem Golde zurück und schloß das edle Mädchen in ihre Arme, den zweideutigen Sinn ihrer Worte recht gut fassend. »An der Wiege meines Kindes wirst Du diesen Dank gen Himmel senden, und dahin mich sogleich begleiten!« Schneller als ihr Entschluß, dieser hohen Gnade und dem gütigen Wunsche zu folgen, waren die Reisekleider der entzückten Kunigunde herbeigeholt und nach wenigen Minuten fuhr sie mit ihren erlauchten Gästen zum Freiberger Thore hinaus, hinab nach Dresden, wo nach 4 Wochen die Überglückliche denselben orientalischen Patenschmuck am Taufpult der neugeborenen Prinzessin trug, welchen sie einst getragen hatte, als ihre hohe Gevatterin vor die älterliche Wohnung geführt wurde.
Die Kurfürstin verheiratete später diese Kunigunde mit einem Freiherrn von Voppelius.
(Merkels Erdbeschr. von Kursachsen, bearbeitet von Engelhardt, 2. B., S. 105.)
Als Kaiser Maximilian II. im Jahre 1648, da er noch Erzherzog war, den Kurfürsten August von Sachsen besuchte, ward von letzterem in dem großen Tharander oder Grillenburger Walde eine glänzende Jagd veranstaltet. Auf dieser Jagd kam der Erzherzog in eine zweifache Lebensgefahr. Denn ehe er sichs versah, gerieth er mit seinem unbändigen Rosse an einen steilen Felsenhang, wo nur noch ein Schritt zwischen Leben und Tod war, und als er dann, glücklich der Gefahr entgangen, wieder umkehrte, um den Jagdtroß zu erreichen, verirrte er sich beim Sinken des Tages im Waldesdickicht, und er mußte endlich froh sein, daß er die Strohhütte eines Waldhirten erreichte, in welcher er übernachten wollte. Den Hirten aber verblendeten die reichen Kleider des erlauchten Gastes, so daß er den Vorsatz faßte, diesen während seines Schlafes zu ermorden. Doch Maximilians Wachsamkeit und Mut vereitelten diesen Plan. Unterdeß war auch der Jagdtroß, welcher den Fürsten suchte, herbeigekommen, und als die Jäger erfuhren, in welcher Gefahr Maximilian geschwebt hatte, schleppten sie den Hirten mit fort. Derselbe wurde sehr bald hingerichtet, seine Waldhütte aber wurde verbrannt.
(Ed. Gottwald in den Mitteilungen des K. S. Vereins für Erforschung und Erhaltung vaterländischer Altertümer, 13. Heft, Dresden, 1863, S. 52.)
Über das Geschlecht der Edlen von Theler, sowie über deren reiche Silberzechen im Thale der wilden Weißeritz sind gar manche Sagen dem Anscheine nach seit Jahrhunderten im Munde des Volkes, und vorzugsweise die Sage vom Ritter Conrad von Theler, welcher seinen Hauspfaffen am Sonntage Oculi 1332 in der Sakristei der Burgkirche erstochen haben soll, weil dieser ihn von der Kanzel herab verflucht und von dem reichen Bergwerkssegen immer zu viel für die Kirche verlangt habe. Nach jener verbrecherischen That sei Conrad nach Jerusalem gezogen, um dort am heiligen Grabe Buße zu thun,[570] und habe, als er am 5. Juli 1334 zurückgekehrt sei, von Höckendorf an sieben Bet- oder Marter-Säulen setzen lassen, von welchen gegenwärtig noch drei vorhanden sind, deren erste nahe am neuen Höckendorfer Kirchhofe steht. Auch habe derselbe den wertvollen Altarschrank bauen lassen, der gegenwärtig noch die dortige Kirche schmückt, und dessen reiche Vergoldung aus dem Goldbergwerke gewonnen sei, welches Conrad in der Höckendorfer Heide besessen.
Die Höckendorfer Kirchennachrichten vom Jahre 1846 bringen hierüber Conrads von Theler eigene Worte, welche einer Urkunde entnommen sein sollen. Sie heißen: »Was ich mitgebracht hatte, das wollte der Pfaff hineinschlucken, welches mir aber nicht anstund; weil nun das Verfluchen auf der Cancel auf mich losging und er mich so sehr verfluchte, sagte ich zu ihm: was habt ihr mich und mein Haus zu verfluchen, da Christus ja auch für mich gestorben und wieder auferwecket von den Toden, zu sitzen zu der rechten Hand Gottes und vertritt uns.
Es war der Sonntag, an welchem das Evangelium: Jesus trieb die Teufel aus: Luc. am II. (am Sonntage Oculi) gepredigt wurde, Anno 1332, als ich den Pfaffen erstach und sogleich nach Jerusalem reiste, wo ich die heilige Stätte abmas, und als ich wieder nach Hause kam, ließ ich vom Dorfe Cunnersdorf an steinerne Capellen setzen, welche soviel auseinanderstanden, als unser Heiland mit dem schweren Kreuze gegangen ist, ehe er ausruhete, in jeder Capell stehen die sieben Buchstaben christus, welches Alles in unserem Herrn Jesu zu einem Gelübde gethan habe. Ich Cunrad Theler habe auch den 5. Juny 1334 den hohen Altar zu Höckendorf zu bauen angefangen, welcher den 6. October 1337 fertig worden ist, das Schnitzwerk ist aus Wien kommen und kostet 5000 Thaler und das Gold mit Vorhängen 24000 Thaler, und den 3. November ist selbiger durch einen Cardinal aus Rom geweihet worden.«
Diese Urkunde ist jedenfalls unecht, denn sowohl Moller in seiner Freiberger Chronik als auch König in seinem Adelslexikon, welche beide die Thelersche Reise nach Jerusalem mitteilen, erzählen nichts von einem Priestermorde, als der Veranlassung zu jener Wallfahrt. Vielmehr heißt es in dem angeführten Adelslexicon von Conrad Theler, daß derselbe gottesfürchtig, andächtig, im Glauben beständig und gegen die Kirche ehrerbietig gewesen sei. (Sachsengrün, 1860, S. 21.)
(Ziehnert, Sachsens Volkssagen, Pros. Anhang, No. 8.)
Die Söhne Friedrichs des Streitbaren, Kurfürst Friedrich und Herzog Wilhelm, hatten über ihre Länder einen Teilungsvertrag geschlossen, nach welchem die Stadt Freiberg beiden zugleich angehörte. Als nun zwischen den beiden Brüdern der Krieg ausbrach, welcher gegen sechs Jahre währte, da war die arme Stadt oft in Kümmernis, denn zwei Herren, die sich befehden, durch Treuschwur zugleich unterthan zu sein, das ist gar ein schlimmes Ding.
Im Jahre 1446 kam Kurfürst Friedrich, vielleicht nur, um die[571] Treue der Bürger zu erproben, mit starker Heeresmacht nach Freiberg, hielt auf dem Markte Lager mit seiner Ritterschaft und ließ durch einen Herold ausrufen, »daß der Rat und die Bürgschaft bei Verlust Gutes und Lebens ihm allein huldigen, seinen Bruder verschwören und wider denselben ihm zu Hülfe thun sollten.« – Da gingen die Herren des Rates zusammen und hielten voller Ängsten einen Rat, was zu beginnen sei und konnten nichts Erfreuliches ersinnen, denn entweder sie mußten den Treuschwur am Herzog Wilhelm brechen, oder die Stadt war der Zerstörung durch den Zorn des Kurfürsten Friedrich gewärtig. Also waren sie in großen Nöten, wählten aber dennoch das beste Teil. – Als der Herold zum dritten Male rief, gingen sie barhäuptig, je zwei und zwei, vom Rathause auf den Markt, jeder seinen Sterbekittel am Arme tragend, und traten vor den Kurfürsten, um den seine Ritter einen Kreis geschlossen hatten. Nikol Weller von Molsdorf, der Bürgermeister, aber nahm das Wort und sprach: »Wir und die ganze Stadt sind so bereitwillig als schuldig, Euch, unserm gnädigsten Herrn, untertänigst zu gehorsamen, und ist uns gegenwärtige Trennung unserer beiden Fürsten ein herzliches Leidwesen; aber weil wir dem Herzog Wilhelm, Eurem Bruder, mit gleichen Pflichten verhaftet und solcher von ihm noch nicht entlassen sind, also auch mit gutem Gewissen keinem Teil Schaden zufügen können, so bitten wir um Gotteswillen, Ihr wollet uns doch dabei lassen und zu keinem Widrigen zwingen. Wenn es nicht gegen den Bruder ginge, so wollten wir gern Leib, Ehre und Gut für Euch zusetzen; aber dafern Ihr, was Gott verhüte, in uns dringen wollt, so gedenken wir lieber zu sterben, als uns in solche Seelengefahr zu stürzen, und ich will gern der Erste sein und mir meinen alten, grauen Kopf abhauen lassen!« Durch diese Rede erweicht, warf der Kurfürst sein Roß herum, ritt zu Wellern, klopfte ihm auf die Achsel und sagte freundlich: »Nicht Kopf weg, Alter! nicht Kopf weg! wir bedürfen solcher ehrlicher Leute noch länger, die ihr Eid und Pflicht also in acht nehmen!« – Hierauf lobte er die Treue der Stadt und ermahnte die Ratsherren und Bürger, darinnen zu verharren und furchtlos zu sein, denn er stehe gern ab von seinem harten Begehren.
(Aug. Diezmann im Album fürs Erzgebirge, Leipzig, 1847, S. 133.)
Ziemlich allgemein setzt man die Erfindung des Spitzenklöppelns durch Barbara Uttman in das Jahr 1561, ohne einen haltbaren Grund[572] dafür angeben zu können; wahrscheinlich war in jener Zeit die neue Kunst schon so weit vervollkommnet und erleichtert, daß sie von da an allgemeinen Eingang fand. Dies muß der Fall gewesen sein, denn als 1568 eine bösartige Krankheit in Annaberg herrschte, sollen allein in dieser Stadt gegen 800 Spitzenklöpplerinnen gestorben sein.
Barbara Uttmann war die Tochter des Fundgrübners Hans Heinrich von Elterlein und wurde im Jahre 1514 geboren. Schon frühzeitig zeichnete sie sich durch eine seltene Geschicklichkeit in allen weiblichen Arbeiten und namentlich in der Verfertigung von Spitzen mit der Nadel aus. Die Sage erzählt nun:
Ein junger Mann aus der damals berühmten Familie Uttman, welche durch den Bergbau große Schätze erlangt hatte, sah Barbara, verliebte sich in sie und wurde, als er ihr die Gefühle seines Herzens entdeckte, durch das Geständnis der Gegenliebe beglückt. Die Eltern der jungen Liebenden hatten gegen die Verbindung derselben nichts einzuwenden und die Zeit der Vermählung wurde festgesetzt. Die Männer trugen zu jener Zeit breite gestickte Hemdkragen und Barbara wünschte ihren Bräutigam am Hochzeitsfeste mit einem selbstgefertigten Spitzenkragen zu überraschen. Sie sann und grübelte deshalb noch eifriger als sonst über die neue Art der Spitzenbereitung, mit der sie sich schon lange beschäftigt hatte; sie versuchte wohl tausenderlei, steckte Nadeln fest, schlang um dieselben die Faden und endlich brachte sie auf diese Weise glücklich ein Gewebe zu Stande, dem sie mit der Nadel die letzte Vollendung gab. So soll die erste geklöppelte Spitze entstanden sein, welche der Bräutigam der Erfinderin, Christoph Uttman, an seinem Hochzeitstage als Halskragen trug.
Eine andere Sage erzählt, daß Barbara in der Kunst des Spitzenklöppelns von einer Magd unterrichtet wurde, die aus Brabant entflohen war und in dem Hause des Herrn von Elterlein eine Zuflucht gefunden hatte.
(Ziehnert, Sachsens Volkssagen, Anhang, No. 45.)
Als im 16. Jahrhundert der Bergsegen des Obererzgebirges jährlich sich verminderte und überall ein Wehgeschrei über den Silberräuber, wie man den Kobalt nannte, sich erhob, da kam Christoph Schürer, eines Apothekers Sohn aus Westphalen und landesflüchtig seines evangelischen Glaubens wegen, nach Schneeberg, wo er, als ein in der Chemie wohlerfahrener junger Mann, bald eine Anstellung bei den Hütten fand. Schon wenige Tage nach seiner Ankunft gewann er[573] die Liebe Anna's, der Tochter des Hüttenmeisters Rau, und bald auch durch sein einnehmendes Betragen das Jawort ihres Vaters, so daß die Hochzeit auf das nächste Bergfest bestimmt wurde. Ehe aber das Bergfest kam, wären beinahe die Hoffnungen Schürers vernichtet worden. Bei seinen chemischen Forschungen war er nämlich auf den Gedanken geraten, den viel verrufenen Kobalt zu etwas Nützlichem umzugestalten. Er machte demnach im geheimen in einer Schmelzhütte in Oberschlema vielfache Versuche und trieb es damit oft die ganze Nacht hindurch so eifrig, daß er bald in den Verdacht der Alchimisterei und Schwarzkünstlerei gerieth. Als daher aus Platten in Böhmen, wo er sich bei seinem frühern Aufenthalte daselbst durch seinen Glauben Feinde und durch seine Kenntnisse Neider gemacht hatte, mehrfache Klagen einliefen, daß er ein Zauberer, Dieb und Glaspartierer gewesen sei, und man seine Auslieferung forderte, gebot der Bergmeister, ihn zu verhaften. Eben war Schürer in der Schmelzhütte mit seinen Versuchen beschäftigt, da kam der Frohn, ihn festzunehmen, fand aber die äußere Thür verschlossen, was er dem Bergmeister meldete. Diesen sowie den Hüttenmeister Rau und einige Geschworene trieb jetzt die Neugier mitzugehen. Die Thür ward aufgesprengt und mit freudefunkelnden Augen trat der Gesuchte den Eintretenden entgegen. Aber wie staunte er, als der Frohn ihn griff und ihm die Handschellen anzwang! Wie erschrak er, als ihn die Bergherren mit Vorwürfen überhäuften und ihn einen Zauberer, Dieb und Partierer schalten. Da rief er, schnell sich fassend, mit fester Stimme: »Männer prüfen, ehe sie entscheiden! Meint Ihr, ich treibe bösen Unfug hier mit schwarzer Kunst, so tretet her! Seht, dies wollt ich gewinnen, und, Gott sei Dank, endlich ists gelungen! Ich meine, es soll dem Lande von großem Nutzen sein!« Mit diesen Worten reichte er ihnen eine Mulde voll feinen, schönblauen Staubmehls hin. Die Bergherrn staunten und begehrten zu wissen, wie und woraus er solche schöne blaue Farbe bereitet habe. Schürer zeigte ihnen alles willig und reinigte sich so von dem Verdachte, daß er ein Schwarzkünstler sei. Auch machte es dem Bergmeister so große Freude, daß derselbe versprach, alles zu thun, um Schürers Unschuld gegen die Anklagen der Böhmen zu erweisen. Dies gelang auch dem wackeren Manne bald, und Schürer erhielt nun seine Freiheit wieder und kam durch die Erfindung der schönen blauen Farbe, die man anfangs nur blaues Wunder, später aber Schmalte nannte, zu großen Ehren, und als das Bergfest gekommen war, wurde er des Hüttenmeisters glücklicher Eidam.
(Meißner, Umständl. Nachrichten von Altenberg, S. 19. Darnach Gräße, Sagenschatz, No. 232.)
Im Jahre 1522 haben eine Menge Leute zu Altenberg ein hölzernes Bild, das wie Luther angezogen war, gemacht, dasselbe vor ein aus fingierten Richtern und Schöppen gebildetes Gericht geführt, es wegen Ketzerei verklagt und verurteilt, und dann mit großem Geschrei und Lärm auf den Geisingberg geführt und am Sonntag Lätare an einem aus 25 Fudern Holz bestehenden Feuer verbrannt, nachdem vorher ein gewisser Bergmann darüber den Stab gebrochen und das Urteil gesprochen hatte. Zwanzig Jahre nachher kommen zwei Bürger aus Altenberg zu Dr. M. Luther gen Wittenberg und bringen ihm einen schönen Handstein von rotgüldenem Erze, worauf sie derselbe zu Tische bittet. Da sagte der Eine, sein Kamerad habe sich einst schwer an ihm versündigt, indem er sein Bild wie Johann Huß zum Feuer verdammt, später habe er aber die Wahrheit seiner Lehre erkannt, und bitte nun, da ihm solches von Herzen leid sei, demütig um Gnade und Verzeihung seines thörichten Unverstandes. Dem Luther gefällt die Rede und er sagt, weil solches Feuer ihm und seiner Lehre nichts geschadet, solle es ihm im Namen des Herrn vergeben und vergessen sein. Wie nun dieser Handel ein gut und ehrliches Gelächter gab, spricht der Absolvierte: »O Herr Doktor, ich danke Ew. Ehrwürden, aber ich hab noch eine große Schuld auf mir, bitte, Ihr wollet mich auch davon absolvieren, denn ich armer Bergmann habe mich bei der Zeche verpufft und bin an die 500 Gulden schuldig.« Da sagt der Luther: »Ihr Bergleute, wenn Ihr am ärmsten seid, blüht Euer Glück, denn da haltet Ihr an und sehet selber zu Euern Zechen, und Not lehret Euch beten, zur Kirche gehen und nüchtern und mäßig sein, darum wisset Ihr selber nicht, wie reich Ihr seid. Ziehet heim und arbeitet treulich und handelt redlich und glaubt und hofft an den Allmächtigen, den rechten Erzschaffer im Namen seines Sohnes, der Silber und Gold ins Fisches Mund sprach (Matth. 17) und läßt immer Erz wachsen und giebts zu rechter Zeit denen, die in ihren Zechen anhalten und bei ihm im Gebet aushalten. Der reiche Gott wird mit Euch sein, auf seinen reichen Segen und milde Hand absolviere ich Euch von aller Eurer Schuld.« Ehe dieser Bergmann wieder zu Hause kommt, erhält er Botschaft unterwegs, man habe in seiner Zeche auf dem seligen Asar gut Erz angetroffen; da löst er Geld und giebt Ausbeute und zahlt alles ab und behält noch Überlauf.
(Nach der poetischen Bearbeitung Ziehnerts in Gräße, Sagenschatz d. K. Sachsen, No. 242.)
Als die Hussiten im Jahre 1429 durch das Land Meißen zogen und alles mit Mord und Brand verwüsteten, kamen sie auch in das sächsische Hochland und zwar in die Nähe des in einem der tiefsten und schönsten Thäler Sachsens liegenden Städtchens Gottleuba. Schon brachten Flüchtige aus Liebstadt die Nachricht, daß das feindliche Heer im Anzuge sei, und um in die benachbarten Berge zu flüchten, schien die Zeit zu kurz, wenn es nicht möglich werde, dasselbe eine Zeitlang zu beschäftigen. Da rief der Bürgermeister rasch die ratlosen Bürger auf dem Markte zusammen, und forderte sie auf, freiwillig zurückzubleiben und sich den Hussiten entgegen zu werfen, auf daß Greise, Weiber und Kinder indeß Zeit zum Entrinnen gewinnen könnten. Obwohl sich aber fast alle Männer bereit erklärten, so wählte der tapfere Mann doch nur dreizehn Unverheiratete aus und zog mit ihnen, nachdem sie von den Ihrigen auf Nimmerwiedersehen Abschied genommen, den Feinden entgegen. Sie besetzten eine steile Bergspitze, bei welcher dieselben vorüber mußten, wenn sie zur Stadt wollten, und als ihnen die Hussiten einen Gesandten entgegenschickten, der sie zur Übergabe auffordern sollte, wiesen sie ihn mutig zurück. Nun rückten jene mit ihren ganzen Massen heran, um sie von ihrem Posten zu vertreiben, allein sie widerstanden männiglich, und erst nach Verlauf von drei Stunden, als keiner der Vierzehn mehr am Leben war, ward der Paß frei und die Feinde drangen über die Leichen der tapfern Bürger ins Thal herab; allein sie fanden niemanden mehr im Städtchen, denn jener Aufenthalt hatte alle gerettet. Die waldige Höhe aber, wo jene so wacker gestritten, heißt noch jetzt die vierzehn Nothelfer, obwohl manche diesen Namen von einer einst dort gestandenen Kapelle (die 12 Apostel, die Jungfrau Maria, Johannes der Täufer oder Joseph führen in katholischen Ländern den Namen der 14 Nothelfer) herleiten wollen, die übrigens recht gut zum Andenken an jene Begebenheit erst erbaut sein könnte, um so mehr, als jene 14 hier begraben sein sollen. Eine andere, südlich von der Stadt gelegene Anhöhe, welche jenen Bürgern als Ausguck gedient haben soll, heißt von derselben Begebenheit noch jetzt die »schnelle Gucke«.
Als die 14 Nothelfer galten anderwärts auch Jesus, die 12 Apostel und irgend ein Heiliger, welchen der Bischof bezeichnete. Diesen 14 Nothelfern war z. B. ein uraltes Wallfahrtskirchlein auf der kahlen Höhe bei Reichstädt geweiht; der Heilige war daselbst St. Nikolaus. (Monatsbeilage zur Weißeritzzeitung, 1884, No. 5.)
(Gräße, Sagenschatz d. K. Sachsen. No. 327. Sachsens Kirchengalerie 8. B. S. 118.)
Zwischen Frankenberg und Lichtenwalde an der Zschopau befindet sich ein hoher Fels, der Haustein genannt. Am 28. Mai des Jahres 1499 ist der Ritter von Harras, Besitzer von Lichtenwalde – seine Familie besaß dasselbe bis 1561 – in einer Fehde von seinen Feinden in der Nähe desselben überfallen und so verfolgt worden, daß ihm kein anderer Weg zur Rettung übrig blieb, als mit seinem Rosse von der Spitze des hohen Felsens, der den Namen Haustein trägt, in den unten vorbeiströmenden Zschopaufluß zu springen. Dieser kühne Sprung von einer Höhe von mehr als 100 Ellen ist ihm auch geglückt, und da er eine Tiefe von 10 Ellen Wasser im Flusse getroffen, hat derselbe weder ihm, noch dem Rosse Schaden gebracht, sondern beide haben das gegenüberliegende Ufer glücklich erreicht und später im Schlosse zu Lichtenwalde Schutz gefunden. Der Ritter aber hat nach der Kapelle zu Ebersdorf und dem dort befindlichen Gnadenbilde eine Wallfahrt gemacht und zum Andenken daselbst ein großes silbernes Hufeisen hinterlassen, welches in der Kapelle aufgehangen, aber um 1529 gegen ein eisernes vertauscht worden ist. Dieses Hufeisen befindet sich an einem Balken in der Nähe des am mittleren Thore der Kirche zu Ebersdorf errichteten steinernen Standbildes eines Ritters Dietrich von Harras, der als der kühne Springer bezeichnet wird. Im Mai des Jahres 1801 ist am Rande der Zschopau, dem Haustein gegenüber, bei einer sehr alten Eiche ein Denkstein mit der Inschrift auf den beiden Hauptseiten: »Dem tapfern Springer, Ritter von Harras,« errichtet worden, auf dessen Nebenseiten ein Sporn und ein Hufeisen abgebildet wurden.
Bei den Brüdern Grimm (Deutsche Sagen, I. No. 332), welche Theodor Körners Nachlaß benutzten, lautet die Sage ganz einfach: Bei Lichtenwalde im sächsischen Erzgebirge zeigt man an dem Zschopauthal eine Stelle, genannt der Harrassprung, wo vor Zeiten ein Ritter, von seinen Feinden verfolgt, die steile Felsenwand hinunter geritten sein soll. Das Roß wurde zerschmettert, aber der Held entkam glücklich auf das jenseitige Ufer.
(K. W. Clauß, Führer auf der Fahrt durch das Weißeritzthal. 1883. 2. Aufl. S. 12.)
Kurz vor der Haltestelle Seifersdorf zwischen Hainsberg und Dippoldiswalde befindet sich auf dem jenseitigen Weißeritzufer der[577] Trompeterfelsen, an welchen sich eine Art Harrassage knüpft. Ein sächsischer Trompeter wird von Oelsa her von Feinden hart verfolgt und steht plötzlich auf einer Waldblöße vor dem Abgrunde. Den Tod vor und hinter sich sehend, sprengt er über den Abhang in die Weißeritz. Sein Pferd zerschellt, er aber kommt mit dem Leben davon, steigt auf die dem Felsen gegenüber liegende Höhe und bläst dort ein »Nun danket alle Gott.« Die erbitterten Verfolger sandten ihm Schüsse nach und eine Kugel streckte ihn nieder.
Andere erzählen, die Kugel sei ihm zwischen Hand und Mund durch die Trompete gefahren, dieselbe unbrauchbar machend. Die Trompete sei in das alte Messing gewandert, das Loch aber noch in einem Altertumsmuseum zu sehen.
(Nach Ziehnerts poet. Bearbeitung bei Gräße a. a. O. No. 575.)
In der letzten Zeit vor dem 30jährigen Kriege lebte zu Stollberg eine Witwe mit ihrer Tochter in einem kleinen Häuschen am Ende der Stadt; das Häuschen war ihr von ihrem verstorbenen Ehemanne als einziges Erbe hinterlassen worden. Dem Hause gegenüber wohnte ein junger Mann, der seinen Unterhalt damit fand, auf den Dörfern mit verschiedenen Waren herumzuziehen, die er auf einem kleinen Wagen, welchen sein Hund zog, mit sich führte. Nun war der junge Mann längst der Tochter der Witwe gut gewesen und auch diese hatte ihn immer gern gesehen; da traf es sich, daß er gerade am heiligen Christabende mit ihr von seiner Liebe sprach und sie fragte, ob sie sein Weib werden wolle. Das Mädchen sagte freudig ja, und beide teilten der alten Mutter die frohe Neuigkeit mit und feierten so recht in Herzenslust den heiligen Abend. Allein plötzlich sprang der Kärrner auf und erklärte, er könne nicht länger bleiben, er müsse noch in das benachbarte, 1½ Stunde von der Stadt gelegene Wittendorf, das später durch den Krieg zur wüsten Mark ward, um dorthin bestellte Waren zu schaffen. Zwar bat ihn seine Braut, nur diesen Abend zu bleiben, es sei ihr so ängstlich zu Mute; allein der Kärrner lachte sie aus und meinte, es sei ja Mondenschein, er habe den Weg schon so viele male bei schlechterem Wetter und im Finstern gemacht, er werde ihn also auch heute nicht verfehlen. Er ließ sich nicht halten, sein Mädchen aber setzte sich traurig an den Spinnrocken und versuchte sich die Zeit mit Spinnen zu vertreiben. Aber in ihrer Herzensangst kamen ihr häßliche Bilder vor, die Spindel und das Garn schienen[578] ihr blutig zu sein, und es war ihr, als spinne sie ihr Leichenhemde. Sie nahm also das Gesangbuch und die Bibel zur Hand, allein alles half nichts, es wollte keine Ruhe in ihr ängstlich schlagendes Herz einziehen. Endlich hörte sie die Glocke zur Frühmette läuten und sie eilte hinaus, um zu sehen, ob ihr Bräutigam zurückgekehrt sei; allein weder jetzt noch nach dem Schlusse der Mette ließ er sich sehen. Endlich hatte sie keine Ruhe mehr, sie bat einen ihr freundlich gesinnten Nachbar sie nach Wittendorf zu begleiten, um dort zu hören, ob ihrem Geliebten etwas zugestoßen sei. Als sie aber dort ankamen, hörten sie, derselbe sei zwar dagewesen, aber schon seit Mitternacht wieder fortgefahren, und sie konnten also nicht mehr zweifeln, daß ihm ein Unglück begegnet sei. Auf dem Rückwege verfolgten sie nun die Spur, welche der Kärrner mit seinem Wagen hinterlassen hatte, und dieselbe führte sie auch deutlich nach einer morastigen, aber grundlosen Stelle eines den Stollbergern unter dem Namen des Walkteiches bekannten Weihers, wo sie auf einmal aufhörte. Jetzt konnte die Arme nicht mehr an dem Schicksale ihres Bräutigams zweifeln, sie kehrte trostlos in das Städtchen zurück und sprach im halben Wahnsinn zu ihrer alten Mutter, in drei Monaten werde sie ihr Bräutigam zur Trauung abholen, bis dahin müsse sie sich ihr Hochzeitskleid spinnen. So spann sie denn emsig bis zum Osterfeste, und als die Mitternacht des Vorabends gekommen war, da dünkte es ihr, es poche jemand dreimal ans Fenster. Sie öffnete es und es schien ihr Bräutigam draußen zu stehen, zwar mit totenbleichem, aber himmlischfreundlichem Gesichte; er lud einen Myrthenkranz und Cypressenranken von seinem Wagen ab und verschwand. Kaum hatte sie ihrer bekümmerten Mutter von der Erscheinung erzählt, als sie auch schwer erkrankte, und es waren nicht 24 Stunden verronnen, da war das Mädchen entschlafen. Seit dieser Zeit sagt man aber, daß sich der Geist des Kärrners mit seinem Wagen und Hunde in den Gassen von Stollberg allnächtlich sehen lasse, und wo er vor einem Hause anhält und Kränze abladet, da wird jemand aus demselben drei Tage nachher begraben, und wenn jemand in der Stadt auf den Tod liegt, da sagt man: Dort hat der Kärrner abgeladen. Das Sumpfloch aber, worin er sein Grab fand, heißt noch heute das Kärrnerloch.
Aus den Akten über den Kärrner von Stollberg ergiebt sich folgendes: Er hieß Martin Schmidt aus Crottendorf und ertrank am 24. Dezember 1591 abends 6 Uhr im Ratsteiche, d. i. Walkteiche, zu Stollberg. Am 25. abends 4 Uhr ist er aufgefunden, durch den Scharfrichter herausgezogen, aufgehoben und »hinterm Städtlein an der Zwickschen Straße auf dem Scheidewege, am Viehweg nach Würschnitz zu« begraben worden. Solches ist vom Stollberger Schösser Lorenz Stuihler dem Beamten[579] in Schwarzenberg, Seibold Werner, gemeldet und bei demselben, wahrscheinlich weil man in Zweifel war, ob der Mann ertrunken oder sich ertränkt hatte, angefragt worden, wie man sich dabei zu verhalten habe, da so ein Fall ihm weder bei seinen jetzigen, noch in seinen früheren Ämtern vorgekommen sei. Dieser hat darauf angeraten, sich darüber beim Amte Chemnitz, wo sich zweifelsohne solche Fälle schon zugetragen, im Vertrauen zu befragen. (Stollberger Anzeiger, 1882, No. 39.)
(Dietrich und Textor, die romantischen Sagen des Erzgebirgs, I. 1822. S. 167 etc. Gräße, Sagenschatz etc. No. 478.)
Einst lebte in der Bergstadt Ehrenfriedersdorf ein junger Bergmann, namens Oswald Barthel, des alten Bergmanns Michael Barthel Sohn, der von seinen Vorgesetzten so geschätzt war, daß ihm der reiche Obersteiger Baumwald seine einzige Tochter Anna verlobte. Nun sollte er im tiefen Stolln »Gutes Glück« im Sauberge anfahren, um einen Durchschlag zu machen, welches wegen des entgegenstehenden Wassers unter die gefährlichsten Arbeiten des Bergbaues gehört. Er und diejenigen seiner Kameraden, welche die Reihe hierzu traf, traten nun, nachdem sie zuvor mit ihrem Steiger gebeichtet und das heilige Abendmahl genommen, am Tage St. Katharinä im Jahre 1508 die Fahrt mit einem herzlichen Glückauf! an. Als sie an dem gefährlichen Punkte angekommen waren, ward die Arbeit sofort in rolliger, sehr gebrechlicher Bergart betrieben und das Einstürzen der Firste durch Zimmerung verhütet. Die Last war groß, die auf dieser Zimmerung ruhte, und als der Steiger, etwas zurückstehend, eben eine Anordnung treffen wollte, hörte er ein heftiges Krachen in der Firsten-Zimmerung und im nächsten Augenblick ein gleiches. »Brüder, rettet Euch!« rief er schnell, »es macht einen Bruch!« Diesem Rufe folgten alle in der größten Eile, nur Oswald, der jüngste und rascheste von allen blieb auf eine bis jetzt unbegreiflich gebliebene Weise zurück und wurde verschüttet. Zwar gab man sich die unsäglichste Mühe, den armen Oswald zu retten, und immer neue Arbeiter lösten die bereits ermatteten ab, aber vergebens, es brach immer mehr nach und der Unglückliche ward nicht wieder gefunden. Als nun aber die Braut des armen Bergmanns die furchtbare Kunde vernahm, sank sie zuerst in eine tiefe Ohnmacht, aus der sie nur wieder erwachte, um in eine tödliche Krankheit zu verfallen. Zwar besiegte ihre Jugendkraft dieselbe und sie ward dem Leben erhalten, allein als sie nach ihrer Genesung zum ersten male wieder das Gotteshaus betrat, da brachte sie am Altar der hochheiligen Mutter des Herrn das Gelübde, ihrem Oswald treu zu bleiben und ihr Leben[580] lang Jungfrau zu bleiben; dann hing sie ihren Brautkranz mit eigner Hand unter den Totenkränzen in der Kirche auf und lebte in tiefster Stille, den Segen der Armen verdienend. – So gingen denn seit jenem Unglückstage viele Jahre dahin und zuletzt waren nur noch die jungfräuliche Braut, sowie drei Bergleute, Balthasar Thomas Kendler, Andreas Reiter der ältere, beide in Ehrenfriedersdorf, sowie Simon Löser, in Drehbach wohnhaft, von allen denen übrig, die damals das unglückliche Ereignis mit angesehen hatten. Da fügte es sich, daß in Brünlers Fdgr. am Sauberge ein Stolln bewältigt wurde, und als man in die siebente Lachter im rolligen Gebirge fortgerückt war, stieß man auf einen in der Erde liegenden menschlichen Körper, der noch in seinen unverwesten Kleidern dalag. Mit vieler Mühe machte man ihn von seiner drängenden Umgebung frei und schaffte ihn nach dem Tageschachte, da brach dieser harte Leichnam mitten auseinander und man konnte ihn also nur in zwei Stücken heraufwinden. Diese Begebenheit wurde sogleich dem damaligen Bergmeister Valentin Feige gemeldet, welcher den Geschwornen Thomas Langer rufen und die obengenannten Greise an Bergamtsstelle bescheiden ließ. Diese Männer sagten nun aus, daß sie sich noch wohl erinnerten, wie einst in der Zeit ihrer Jugend, vor 60 Jahren, ein junger Bergmann, namens Oswald Barthel, in der Gegend, wo der Leichnam jetzt gefunden worden, so verfallen sei, daß ihn niemand habe retten können. Und als man nun den Leichnam brachte, erkannten sie ihn als den Verschütteten. Dieses Wiederfinden geschah am 20. Sept. 1568, so daß der Verschüttete 60 Jahre 9 Wochen und 3 Tage in der Erde gelegen hatte, als man ihn wiederfand, worauf er am 26. desselbigen Monats mit einem feierlichen Leichenbegängnis wieder zur Erde bestattet wurde, welche ihn schon so lange umschlossen gehabt hatte. Es war ein Begräbnis, wie Ehrenfriedersdorf noch keins gesehen hatte. Der Leichenzug bestand aus Tausenden, die herbeigekommen waren, um dem so wunderbar Wiedergefundenen das letzte Geleite zu geben. Als die Leiche eingesenkt werden sollte, eilte auch die treugebliebene Braut herbei und sprach den Wunsch aus, ihrem Bräutigam bald folgen zu können, und nach wenigen Tagen ward ihre Hoffnung auch erfüllt. In der Gedächtnispredigt, welche der damalige Ortspfarrer M. Georg Raute hielt, sagte derselbe am Eingange, es sei eine wundersame Mär, daß er, der Pfarrer, der schon im 31. Jahre stehe, heute einer Leiche die Gedächtnispredigt halte, welche schon 30 Jahre vor seiner Geburt gestorben sei. Als Oswald verschüttet ward, herrschte in Ehrenfriedersdorf noch das Papsttum, als er begraben ward, hatte dasselbe schon längst der Reformation weichen müssen. Noch heute heißt aber die Hauptzusammenkunft der Bergknappschaft zu Ehrenfriedersdorf,[581] die zugleich eine Begräbnis-Brüderschaft ist, und welche am Montag nach Ostern abgehalten wird, zum Andenken an obige Begebenheit die lange Schicht.
Nach einer andern Überlieferung, welche Dietrich erzählt, lebte von den einstigen Kameraden Oswalds, als man seine Leiche wieder auffand, nur noch einer, der alte Balthasar. Oswald aber wurde von der Verwesung noch unversehrt, in seinem Grubenkittel, lederner Bergkappe, desgleichen mit seinem Gezäh (Werkzeug), seiner Unschlitttasche und dem Zscherper wiedergefunden, ohne daß er beim Heraufwinden in zwei Stücke zerbrach. Als das Leichenbegängnis beendet war, wankte Oswalds Braut Anna, geleitet von dem Bergmeister und dem Pfarrer in ihre Wohnung zurück. Hier bat sie, daß man ihr den Brautkranz aus der Kirche wieder gebe, und ihre Bitte ward gewährt. Am nächsten Sonntagsmorgen genoß sie in der Kirche öffentlich das Abendmahl des Herrn, die längst vertrocknete Myrthenkrone im Silberhaar; dem alten Balthasar aber mußte man die heilige Spende zum Krankenlager bringen, denn ein Schlagfluß hatte ihn darniedergeworfen und seine Auflösung war nahe. An diesem Sonntage noch ging mit der Himmelssonne auch der treuen Anna Lebenssonne unter, und um Mitternacht folgte ihr Balthasar nach. Es wurden diese beiden an einem Tage begraben. Oswald und Anna ruhen in einem Grabe, des treuen Freundes Balthasars Grab aber war nahe an Oswalds Seite, und tausende von Thränen weihten ihre stillen Ruhestätten.
(Mitgeteilt durch Ludw. Lamer in der Monatsbeilage zur Weißeritz-Zeitung 1886. No. 5 etc.)
Ganz in der Nähe des Dorfes Reichstädt, 1½ Stunde von Dippoldiswalde gelegen, stand ehedem auf einer Anhöhe, die »Kahle Höhe« genannt, ganz einsam und verlassen ein uraltes Kirchlein, den »vierzehn Nothelfern« geweiht. Nach einer Urkunde vom Jahre 1320 war dasselbe eine überaus berühmte Wallfahrtskapelle, und zu ihr strömten jährlich viele Tausende, um ihre Anliegen und Gebete den vierzehn Nothelfern, nämlich Jesu, den zwölf Aposteln und dem heilgen Nikolaus vorzutragen. Durch die vielen, der Kirche gespendeten Geschenke wurde dieselbe sehr reich; als aber nach Beginn der Reformation die zahlreichen Wallfahrer ausblieben und im niedern Teile des Dorfes Reichstädt eine Kirche gebaut und daselbst der lutherische Gottesdienst[582] eingeführt worden war, verschwand plötzlich auch der letzte Meßpriester der Kapelle und mit ihm das ganze aufgehäufte Vermögen derselben nebst den Heiligenbildern und Kirchengeräten. So verfiel nach und nach das Kirchlein und während des dreißigjährigen Krieges wurden auch Bänke, Betstühle und alles Holzwerk herausgerissen und verbrannt. In der Zeit nun, da das kleine Gotteshaus mit leerem Boden und leeren Wänden dastand, geschah folgendes: Bei dem reichen Bauer Wolf zu Oberreichstädt diente in den 1640er Jahren die Tochter einer armen Witwe aus Sadisdorf, namens Hanna. Durch ihren Fleiß, ihre Treue und Bescheidenheit machte sich dieselbe bei ihrer Herrschaft bald beliebt; noch mehr aber gefiel Hanna dem einzigen Sohne ihres Dienstherrn, einem mit ihr gleichaltrigen, blühenden Burschen mit Namen Christian. Allgemach zog die Liebe zu dem Mädchen in sein Herz, doch verriet er davon nichts, denn sein Vater war starrsinnig und unbeugsam und dabei dem Gelde so wohlgeneigt, daß er nie die Verbindung seines einzigen Sohnes mit einem armen Mädchen zugegeben hätte. Das wußte der Sohn aus manchen Äußerungen des Vaters. Ja eines Tages sagte ihm derselbe, daß er für ihn die Tochter eines reichen Bauern zur Frau bestimmt habe, die ihm sogleich 2000 Thaler als Heiratsgut mitbringen werde. Doch Christian weigerte sich, dieses Mädchen heimzuführen, da dasselbe träge, zänkisch und roh sei. Erzürnt drohte ihm darauf der Vater, daß er nie seine Einwilligung zu einer andern Verbindung geben werde, es sei denn, daß ihm die Braut ebenfalls 2000 Thaler Mitgift zuführe. Da Hanna diese Worte ebenfalls, von beiden unbemerkt, gehört hatte, war ihr Herz traurig, denn auch sie liebte Christian heimlich von ganzem Herzen. Sie nahm sich alsobald vor, das Haus, in welchem sie so glücklich gewesen war, zu verlassen. Aber als Christian ihren Kummer sah und in sie drang, ihm zu sagen, was ihr fehle, weinte sie heftig und beide gestanden sich ihre gegenseitige Liebe. Da sagte Christian, daß er sich vor der Drohung seines Vaters nicht fürchte und er bat Hanna, noch zu bleiben, da ja Gott alles noch zum Besten lenken werde.
Bald darauf wurde der Vater Wolf bedenklich krank und auf seinem Lager ließ er sein Testament mit der ausdrücklichen Bestimmung anfertigen, daß sein Sohn Christian nach seinem Ableben nur dann als Erbe der Besitzung zu betrachten sei, wenn derselbe eine Frau mit 2000 Thalern Mitgift eheliche; sei dies jedoch in vier Jahren nach des Testators Ableben nicht erfolgt, so trete der älteste Sohn seines Bruders als rechtmäßiger Erbe ein. Der Vater hatte also sein früher ausgesprochenes Wort nicht vergessen.
Hannas Mutter zu Sadisdorf war während der Zeit ebenfalls[583] erkrankt. An einem rauhen Sonntage des Herbstes 1644 ging daher Hanna nach Hause, um nach ihrer Mutter zu sehen. Die Stunden vergingen schnell, und als es Mitternacht schlug, machte sie sich wieder auf den Rückweg. Sie mußte dabei an der Kirche zu den vierzehn Nothelfern vorüber. Da vernahmen ihre Ohren plötzlich schwere Tritte hinter sich, und als sie sich umblickte, gewahrte sie zwei schwedische Soldaten, welche ihr eilig folgten. Sie lief so schnell, als sie nur konnte, und als sie an dem Kirchlein anlangte, waren die Verfolger dicht hinter ihr. In ihrer Todesangst riß sie an der Thüre des Kirchleins und dieselbe gab glücklich nach, da sie wunderbarer Weise nicht verschlossen war. Schnell schlüpfte sie hinein und schlug mit kräftigem Stoße die Thüre wieder ins Schloß zurück. Es war die höchste Zeit gewesen. Draußen tobten die Soldaten und versuchten die Thüre zu sprengen, Hanna aber sah sich vergeblich in der leeren Kirche um, um irgend ein Versteck zu finden. Nur hinter dem Gemäuer, wo sonst der Altar gestanden hatte, bemerkte sie ein geräumiges Loch, das sie zwar nicht völlig, aber doch teilweise aufnehmen konnte. Emsig arbeitete sie, durch Auswerfen des Schuttes das Versteck zu erweitern. Hierbei wurden ihre Gedanken plötzlich auf einen ganz besonderen Gegenstand gerichtet, und sie vergaß wenigstem auf Augenblicke die Gefahr, in der sie sich befand. Zwischen ihren Fingern fühlte sie nämlich unerwartet ein Geldstück von der Größe eines Dukatens; ob es wirklich ein solcher sei, konnte sie freilich wegen der Finsternis, die sie umgab, nicht bestimmen, doch unterschied sie mit den Fingern recht deutlich ein Gepräge. Mit Eifer suchte sie nun weiter und fand dann nach und nach eine solche Menge, daß sie das Gewicht derselben in ihrer Schürze fühlte. Waren es wirklich Dukaten, so hatte ihr Gott geholfen und sie war ihres Kummers und ihrer Sorgen enthoben. Draußen vor der Kirche war es unterdeß auch still geworden, und nachdem Hanna noch lange gelauscht und annehmen konnte, daß sich ihre Verfolger wieder entfernt hatten, versuchte sie die Thüre zu öffnen. Mit der größten Anstrengung gelang ihr dies endlich und sie trat hinaus. Die Soldaten waren nirgends mehr zu sehen, und glücklich gelangte das Mädchen in das Haus ihres Dienstherrn, wo sie sich erschöpft niederlegte. Am Morgen, so bald es dämmerte, sah sie sich die Geldstücke an, und richtig, es waren lauter Dukaten, deren sie zusammen 820 Stück zählte. Da sie dieselben alsobald dem aus seiner Kammer tretenden Christian zeigte und ihm erzählte, wie sie zu diesem Schatze gekommen sei, der ja mehr betrug als 2000 Thaler, staunte derselbe zunächst, dann aber brach er in laute Freudenrufe aus. Jetzt war das Hindernis, welches ihrer Vereinigung entgegenstand, plötzlich und auf so wunderbare Weise gehoben. In ihren besten Gewändern[584] betraten beide bald darauf das Gemach des Vaters Wolf, der noch an das Bett gefesselt war. Hier bat Christian um seinen Segen zur ehelichen Verbindung mit Hanna, die nun mehr als 2000 Thaler Mitgift besäße. Dabei legte das Mädchen die Dukaten in einem Tuche auf das Bett. Erst wußte der Vater nicht, was er dazu sagen sollte, als aber Hanna den nötigen Aufschluß gegeben hatte, ging eine merkliche Veränderung in seinem Innern vor. Nach langem Sinnen erfaßte er endlich die Hände des jungen Paares, segnete es und sagte: »Ich war hart gegen euch, aber Gott wußte ein Mittel, durch welches meine Härte und mein Starrsinn gebrochen worden ist.« Auch die Mutter trat nun tief bewegt hinzu und segnete das Paar; sie hatte ja oft gewünscht, daß Hanna ihre Schwiegertochter werden möchte. Der Sohn übernahm das Gut des Vaters und bald wurde eine fröhliche Hochzeit gefeiert. Damit zog wieder Friede und Glück in der Familie ein. Noch heute soll das Wolfsche Geschlecht in mehreren Zweigen in Reichstädt fortleben.
(Nach der metr. Bearbeitung im Glückauf, 1. Jahrg. S. 60.)
Im Schwarzwasserthale lag einst eine Zeche, »Trau auf Gott« genannt. Als der Besitzer derselben seinen Knappen versprach, daß derjenige von ihnen, welcher zuerst eine reiche Silberader finden und dieselbe anhauen werde, die Hälfte der Ausbeute erhalten solle, da regten sich mit verdoppeltem Eifer die Hände der fleißigen Knappen. Aber manche Schicht wurde verfahren und es zeigte sich doch immer nur taubes Gestein, so daß endlich Unmut an der Stelle der Hoffnung in den Herzen platzgriff. Ein Knappe war es endlich nur noch, welcher in der Grube fortarbeitete; er gönnte sich kaum die nötige Ruhe, so daß er auch in den Nachtstunden seine Schicht verfuhr. Da geschah es einmal um Mitternacht, als er bekümmerten Herzens ein Gebet zum Himmel sendete, daß ihm der Berggeist im hellen Lichte erschien und einen reichen Gang zeigte, aus dem bald das reichste Erz brach. Froh eilte mit Tagesanbruch der Knappe zu seinem Herrn und verkündigte ihm das große Glück. Beide stiegen in den Schacht hinab, wo ihnen das Silbererz entgegenleuchtete. Als aber der Knappe den Herrn an sein Versprechen erinnerte und dabei auf die Not der Seinen hinwies, die jetzt gehoben sei, stand der Eigner schweigend und überdachte, wie viel Reichtum er verschenken müsse, wenn er sein Versprechen halten wollte. Die Habsucht verhärtete sein Herz und er beschloß, den unbequemen Mahner heimlich aus dem Wege zu schaffen. Aus der Grube[585] tönte jähes Angstgeschrei hinauf, dann war es still. Der Knappe fuhr nicht mehr hinauf zum Tageslichte und sein Weib und seine Kinder mußten, da ihnen der Ernährer so plötzlich genommen war, betteln gehen. Die Grube »Trau auf Gott« aber blieb von Stund an verlassen, denn der Berggeist nahm wieder, was er so reichlich geboten hatte. Der Grubenherr fand die verdiente Strafe, denn er verfiel den höllischen Mächten. Sein von Reue gequältes Herz jedoch wuchs zum riesengroßen Steine, der heute noch als »steinernes Herz« in den Fluten des Schwarzwassers liegt.
(Leopold, Chronik und Beschr. der Stadt Meerane. S. 63.)
Eine gedruckte Nachricht von 1788 erzählt: Da das Städtlein Meerane dreierlei Gerichte hatte, so kam es, daß zu Anfange des 18. Jahrhunderts dieser Ort in einem fast bösen Geschrei war, weil sich fremd liederlich Gesindel da aufgehalten, so bei Visitationen leicht aus einem Gerichte oder Amtssprengel ins andere entwischen können; daher entstund in dieser Gegend ein Sprichwort, daß, wenn man einen schimpfen wollte, man ihn einen Meeraner genannt. Nachher ist dieses Geschrei durch gute Ordnung der Obrigkeit und redliche Einwohner völlig unterdrückt worden. Es geschah, daß der dortige Pastor M. Sigismund Stolze einstmals auf die Leipziger Messe reiste. Als er mit dem Wagen unter's Thor zu Leipzig kam, wurde er gefragt, woher er käme und wer er wäre. Als er es beantwortet: der Pastor von Meerane! mußte er wieder umkehren, weil man von Meerane niemanden einlassen durfte. Der gute Mann kehrte mit der Kutsche wieder um und fuhr unter einem andern Namen zu einem andern Thore hinein. Bei seiner Heimkunft brachte er dies mit Thränen auf der Kanzel vor, ließ auch nicht eher nach, bis seine berüchtigte Gemeinde ein besseres Leben zu führen anfing.
(Merkels u. Engelhardts Erdbeschreibung v. Kursachsen, 3. B. S. 140. 143. Joh. Gottlieb Kern v. Schneckensteine. Prag 1776. S. 5.)
Eine Stunde von Tannebergsthal über Auerbach liegt im Walde der Topasfelsen Schneckenstein, der diesen Namen von den vielen[586] Schnecken, welche an seinem hier und da feuchten Fuße sich aufzuhalten pflegten, erhalten haben soll. Es wird erzählt, daß er erst durch einen Tuchmacher aus Auerbach, namens Kraut, seit 1727 allgemein bekannt und seitdem auch fleißig benutzt worden sei. Jener Kraut, welcher ein eigener seltsamer Mensch und ein etwas lockerer Mann, der nicht im besten Rufe stand, genannt wird, soll durch Holzhauer oder Kohlenbrenner auf den harten und schimmernden Stein aufmerksam geworden sein, und er soll darauf heimlich Topase, die er schleifen ließ, und die er für hohe Preise unter dem Namen von Schneckensteinen oder Königskronen ins Ausland schaffte, gebrochen haben. Als er merkte, daß man seinem Schleichhandel auf die Spur kam, machte er seine Entdeckung dem Kurfürsten August III. bekannt, der den Felsen dem Herrn von Trützschler, welchem Grund und Boden gehörte, abkaufte und später einer Gewerkschaft überließ.
(Nach Ziehnerts poetischer Bearbeitung bei Gräße, Sagenschatz d. K. Sachsen, No. 607.)
In Zwickau, am rechten Ufer der Mulde, an der Straße, die von der Stadt nach Chemnitz führt, befindet sich noch heute ein Gasthof, zum Paradies genannt, der ehedem aber das Ochsenhaus oder der Ratsweinkeller hieß und seinen jetzigen Namen von seiner schönen Lage erhalten haben soll. Nach einer Sage rührt derselbe aber von folgender, freilich unverbürgter Begebenheit her: Als Luther einst zu Zwickau war und seine Predigten einen solchen Eindruck auf das Volk machten, das dasselbe das Kloster oder den Grünhainer Hof stürmte, lockten die erbitterten Mönche Luthern eines Abends zu einem angeblichen Kranken in eine entlegene Straße, um ihn zu ermorden. Sie sendeten nämlich ein Weib in Luthers Haus, welches daselbst weinend aussagte, ihr Mann sei zum Tode krank und verlange vor seinem Ende noch einmal den frommen Herrn zu sehen. Auf solche Bitten ging Luther mit ihr und sie führte ihn durchs Tränkthor. Plötzlich öffnete sich ein Haus, das Weib entsprang und aus dem Hause stürzte voller Wut der Mönche Troß. Jedoch gelang es dem großen Reformator, sich ihren Händen zu entreißen und in ein offenstehendes Haus zu flüchten, dessen Thor er eilig durch den vorgeschobenen Riegel verschloß. Da zogen sich die Mönche still zurück; Luther aber sprach mit freudigem Blicke zum Wirte des Hauses, der ihn nach dem Grunde seiner Flucht fragte: »Die Kuttenträger lechzten lange nach meinem[587] Blute; aber Gott sei Dank, der mich dieses Haus in meiner Bedrängnis finden ließ, dasselbe ist mir zum wahren Paradiese geworden!« Der Wirt gab ihm darauf zwei Knechte mit, die ihn sicher nach seiner Wohnung geleiteten. Das Haus, in welchem Luther damals Schutz fand, wird aber noch heute das Paradies genannt.
(Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirke, S. 33.)
Als man im Jahre 1769 auf der Ostseite der durch den Brand von 1873 zerstörten schönen Joachimsthaler Decanatkirche eine neue Sakristei baute, an deren Stelle heutzutage der prachtvolle Hochaltar steht, entdeckte man in einer Tiefe von ungefähr fünf Ellen ein altes Gewölbe. In demselben befand sich ein Doppelsarg, in welchem »ein in purpurrotem Sammt gekleideter, verwester großer Körper ohne Kopf« ruhte.
An diesen Fund knüpft sich die Sage, daß dies der Leichnam des Grafen Joachim Andreas Schlick, Oberstlandrichters von Böhmen, gewesen sei, der am 21. Juni 1621 wegen Teilnahme am böhmischen Aufstande am Altstädter Ringe zu Prag das Blutgerüst besteigen mußte und enthauptet wurde. Der Kopf des Hingerichteten ward am »Bruckthor« aufgestellt, während dessen Rumpf sechs verkappte Personen entfernten.
(Richter, Chronica der freyen Bergstadt St. Annaberg. II. 1748. S. 29.)
Die Wälder um Bernsbach sind einst unbedachtsamer Weise der Gemeinde verloren gegangen. Denn dem Verlaut nach soll zu Joh. Georgs I. Zeiten eine Revision gekommen sein, und da die Bernsbacher gleichfalls gefragt worden, ob sie Grundstücke hätten, so noch nicht zinsbar, sollen sie geantwortet haben, es wäre Refier und wilder Wald genug, was ihnen der Quark sollte, sie könnten das Holz so nicht tilgen. Worauf die Kommission gefragt, ob sie es denn nicht haben wollten? Darauf sie gesagt, das Holz wüchse ihnen so in die Fenster hinein; wenn es der Kurfürst besser zu gebrauchen wüßte, möchte er es hinnehmen, sie wüßten damit nichts anzufangen. Darauf hätten sie sich ordentlich losgesagt, und ist dies Holz also hernach eingezogen worden, und hat jetzt dieses ganze Dorf nicht eine Hand breit an Refieren und Holz.
(Schmidt, Chronica Cygnea. II. 1656. S. 131.)
Im Jahre 1267 ward vom Papste Urban IV. das Fronleichnamsfest angeordnet, wobei die Geistlichkeit die Fluren der betreffenden Gemeinden zu umgehen hatte. Weil aber die Pfaffen in Zwickau nicht alle Felder und Fluren an diesem Tage umgehen konnten, haben sie ein gewisses Teil auf dem Berge, der Stadt gegen Morgen gelegen, den Pfaffen zu Reinsdorf zu umziehen übergeben. Und daher ists gekommen, daß die Besitzer dieser Felder dem Pfarrherrn zu Reinsdorf noch jährlich ein gewisses an Getreide zinsen müssen.
(Tob. Schmidt, Chron. Cygnea. II. 1656. S. 181.)
Im Jahre 1403 ist in Zwickau ein so großes Feuer ausgebrochen, daß die ganze Stadt ausgebrannt, also daß man auf dem Markt zu allen vier Thoren hat hinaussehen können. Dieses Feuer ist bei einem Kürschner in der Scheergasse ausgekommen, und sind dem Rat damals die wichtigsten Urkunden mit verbrannt. Es ist dann die gemeine Sage gegangen, daß von der Zeit an kein Kürschner mehr zum Ratstand gezogen worden sei.
(Mündlich.)
Dresden war einmal von der Pest heimgesucht, so daß alle Umwohnenden die Stadt mieden und die Märkte unbesucht blieben. Eine Ausnahme davon aber machten, wie erzählt wird, die Schachtelmacher von Seiffen und die Töpfer von Dippoldiswalde. Dieselben besuchten auch während der Zeit, da die Krankheit viele Einwohner hinwegraffte, die Märkte der Stadt und boten ihre Waren feil. Daher erhielten insbesondere die Töpfer von Dippoldiswalde das Recht, auch fernerhin frei und ungehindert diese Märkte besuchen zu dürfen. Später wurde ihnen solches Privilegium von den Kurfürsten wiederholt und unter anderem auch von August dem Starken bestätigt, jedoch mit dem Zusatze, daß jeder Meister nur einen Korb Waren mitbringen und nur »einen Sonnenschein lang« (d. h. nur einen Tag lang) verkaufen dürfe.
(Mitgeteilt vom Lehrer Krauß aus Schneeberg.)
Das Dorf Griesbach bei Schneeberg hat wohl eine kleine Kirche, aber keinen eigenen Pfarrer; das Pfarramt zu Griesbach ist nämlich dem Diakonus von Schneeberg übertragen. Vom Volke wird nun erzählt, daß einst auch genanntes Dorf seinen eigenen Pfarrer gehabt habe. Der letzte derselben soll eines Tages mit mehreren Gliedern seiner Gemeinde nach dem nahen Lindenau gegangen sein und dort sich in dem Biere etwas gütlich gethan haben. Auf dem Heimwege entstand ein Streit, der immer hitziger wurde und damit endete, daß der allein als Partei auf einer Seite stehende Pfarrer erschlagen wurde. Dies geschah in dem Walde zwischen Griesbach und Lindenau. Der Körper des Erschlagenen aber wurde in dem Walde verborgen und noch heute soll sich die Gestalt dieses Pfarrers zu manchen Zeiten daselbst sehen lassen. Die Griesbacher Gemeinde hat aber seitdem keinen eigenen Pfarrer mehr erhalten.
Nach der Kirchengalerie von Sachsen (8. B. S. 132.) ist die Griesbacher Kirche, ehe das dortige Pfarramt von Schneeberg aus verwaltet wurde, stets ein Filial von Neustädtel gewesen; sie hatte also niemals einen eigenen Pfarrer. Zu Beschützern hatte sie St. Georg und St. Martin. Am Tage des heilg. Georg stand die Bildsäule desselben zu Pferde vor der Kirchthüre und bei derselben wurden Almosen für Arme gesammelt. Am St. Märtens-Tage aber saß der heil. Martin hoch zu Roß vor dem Kirchthore, und die leichtgläubigen Bauernweiber brachten ihm, als einem besonderen Schutzpatrone des Viehes, ansehnliche Opfer an Geld und andern Dingen. (Kirchengalerie a. a. O.) Der heilige Martin trat bei der Gründung von Martinskirchen durch die deutschen Heidenapostel als Schimmelreiter an die Stelle Wuotans.
(Kirchengalerie Sachsens, 8. B. S. 165.)
Nahe an der äußern Thüre zur Sakristei der Schneeberger St. Wolfgangskirche führt auch eine schwarze eiserne Thüre nach dem Chor der Schnorrschen Familie. Durch diese Thüre sind früher oft Diebe in die Kirche eingebrochen, und so oft dies geschah, wurde die Thüre fester und fester gemacht; jetzt hält man sie für unüberwindlich.
Über ihre Entstehung wird folgendes erzählt:
Der reiche Veit Schnorr von Carlsfeld, welcher um das Ende des vorigen Jahrhunderts in Schneeberg lebte, wollte nicht gern durch die ganze[590] Kirche wandern und dann im Angesichte aller Kirchleute die damals nur von innen auf sein Chor führende Thüre aufschließen. Aber obschon er oft um die Erlaubnis bat, eine Thür von außen auf seine Kosten durchbrechen zu lassen, wurde ihm dies von dem Rate doch nicht gestattet. Da wurde er endlich still und man hielt die Angelegenheit für erledigt. Unter dem Vorwande, die Herren vom Rate, welche ihm wegen seiner dringlichen Gesuche doch am Ende etwas böse gesinnt sein könnten, wieder mit sich auszusöhnen, lud er sie alle zu sich nach Carlsfeld zu einem dreitägigen Feste ein. Wer geladen war und kommen konnte, fand sich ein. Man aß und trank nach Herzenslust und voller Dank gegen den gastfreien Schnorr zog man endlich ab. Wer ihm irgend einen Dienst für die Zukunft anbieten konnte, that dies; alles, wenn es sonst nur ginge, sollte für ihn geschehen, nur freilich mit dem Eingange, das wisse er, ging es nicht. Schnorr entschuldigte nochmals seine Zudringlichkeit, und versöhnten Herzens gingen sie auseinander. Da erfuhr man es am andern Tage, der Herr Wirt habe sich während des gegebenen Festes Maurer bestellt und diese hätten eine Thüre in drei Tagen durchgebrochen und fertig gemacht. Was konnte man thun? Die Thüre blieb bis auf den heutigen Tag.
(Ziehnert, Sachsens Volkssagen. Anhang. No. 24.)
Als man im Jahre 1512 den Galgen vor der Stadt Annaberg aufbaute, kam einer, namens Klingensporn, gewandert und betrachtete den Galgen und sagte im Vorübergehen zu dem Baumeister, den die Chronik den dicken Michel nennt, lachend: »Ei, ihr baut da eine schöne Glocke! Nun, ich will gerne sehen, wer der erste Klöppel darin sein wird!« Nicht lange darauf fing man einen Dieb, und wer war's? Klingensporn. Er ward zum Strange verurteilt und hing nach wenig Tagen als der erste Klöppel in der großen steinernen Glocke vor der Stadt. Seinen Tod aber haben die Alten angesehen für ein göttliches Warnungszeichen, daß man über ernste Dinge nicht mutwillig scherzen solle.
(Ziehnert a. a. O. Anhang No. 25.)
Am 27. April 1604 brach in Annaberg eine Feuersbrunst aus, welche, vom Sturme rasch verbreitet, die Stadt bis auf sieben Häuser[591] verzehrte. Nun wohnte aber am Markte in dem Hause, welches jetzt das Museum heißt, ein Geschwisterpaar, Johann und Benigna Biener. Der Bruder krankte seit längerer Zeit am gräßlichsten Wahnsinn, so daß er mit Ketten an die Wand gefesselt werden mußte. Als nun der Markt bereits in vollen Flammen stand, da suchte Benigna in Todesangst nach dem Schlüssel, um ihrem Bruder die Ketten abzunehmen und ihn fortzuführen, aber der Schlüssel war nicht zu finden; sie suchte die Ketten zu zerschlagen, aber das Eisen trotzte der schwachen Mädchenhand. Schon schlug die Lohe zu den Fenstern und der Thüre herein, die treue Benigna ließ nicht von ihrem Bruder. Die Decke brach nieder und unter dem nachstürzenden Schutt und Gebälke lagen die beiden Geschwister begraben. Am dritten Tage darauf zog man ihre verschrumpften und halbverbrannten Leichen unter den Trümmern hervor. Sie hielten sich noch fest umarmt, wie der schreckliche Tod sie übereilt hatte. War vielleicht dem Wahnsinnigen durch die Todesangst ein lichter Augenblick gekommen?
Am 13. Mai wurden die beiden Leichen in der ebenfalls ausgebrannten Annenkirche unter großem Zulauf beerdigt. Ihr gemeinsames Grab zeigt man noch jetzt.
(Richter, Chron. v. Chemnitz I., 1767, S. 169.)
Der Ort, wo die Kirche zu St. Jacob in Chemnitz stehet, soll ehedem sehr sumpfig und morastig gewesen sein, daher die Kirche auf der einen Seite, gleichwie auch der Turm, auf eingerammelten Pfählen steht. Der Baumeister, welcher zuerst diese Kirche erbaut, soll, nachdem er mit dem ganzen Bau fertig gewesen, sich von oben herabgestürzt und also den Bau mit seinem Blute versiegelt haben.
Auch wird erzählt, daß der Kaiser Otto I., unter welchem die anfängliche, viel kleinere Kirche erbaut wurde, den ersten Grundstein, nebst einer Münze mit dem Bildnisse St. Jacobs darunter, legte. Er schenkte auch der Kirche das Bildnis der heiligen Maria; dasselbe soll viel Zeichen und Wunder gethan haben, weshalb nicht weniger Zulauf von Wallfahrern dahin gewesen, als nach Aachen oder St. Compostell in Spanien.
(Ziehnert a. a. O. Anhang. No. 27.)
Schriftlich und mündlich hat sich folgende seltsame Geschichte in Annaberg erhalten. Im Jahre 1572 nämlich ließ ein Ratsherr, welcher schon seit vielen Jahren mit dem heftigsten Zipperlein beladen war, sein Haus pflastern und stand dabei und sahe zu. Der Pflasterer war gerade bemüht, das Pflaster mit dem Rammel eben und fest zu schlagen. Im Gespräche aber mit dem Ratsherrn hatte er auf seinen Rammel nicht wohl acht und traf damit heftig den Fuß des Ratsherrn. Dieser schrie zwar laut vor Schmerz, ward aber bald gar froh darüber, denn das Zipperlein war aus seinem Fuße verschwunden und ist auch bis an seinen Tod nicht wiedergekehrt.
In Zwickau ward auch einem vom Zipperlein geholfen dadurch, daß ein geladenes Gewehr, welches der Kranke auf dem Schoße liegen hatte, unversehens los ging.
(Mündlich, z. T. Einige Nachrichten zur Elterleiner Geschichte vom Pfarrer Christoph Schreiter. Manuskr.)
Auf dem Pfarrhof zu Elterlein zeigt man eine Stelle, welche nach jedem Regen rot wird. Hier soll im Jahre 1518 der Bergmeister Hans Hünerkopf den frevelnden und grobscherzenden Kaplan Moritz von Annaberg erstochen haben, »weil er seiner Henne (d. h. des Bergmeisters Frau) nachgegangen war.«
Die oben genannte Thatsache findet sich auch in Meyers Geschichte des Annen-Tempels zu Annaberg, S. 128 und bei Chr. Friedr. Haupt, die gelehrten Elterleiner, 1739.
Die Hünerkopfe werden »uralt adelige Bergherren« genannt, welche »ein ihrem Namen gleiches Wappen« führten. Nach der Familie soll noch ein Feld bei Elterlein seinen Namen haben. In der Elterleiner Kirche aber fand man eine Messingtafel mit dem Hünerkopfschen Wappen und folgender Inschrift: »Anno 1533 ist verschieden der Erbare Hans Hünerkopf von Adorf, allhier begraben, dem Gott gnädig sey.« Dieser Hans Hünerkopf war bereit um das Jahr 1516 der Herren von Schönburg geschworener Bergmeister an dem damaligen Bergamte Elterlein.
Der nach jedem Regen sichtbare braunrote Fleck auf dem Pfarrhofe zu Elterlein rührt von einer zur Familie der Chroococcaceen gehörige Alge her.
(Ziehnert, Sachsens Volkssagen. Anhang No. 28.)
In den dreißiger Jahren des 16. Jahrhunderts, als das Berggebäude »himmlisches Heer« bei Kunnersdorf noch 1400 Flgr. vierteljährliche Ausbeute für den Kux gab, baute auch eine Bäuerin in Frohnau als Gewerkin an jenem Gebäude mit und ward dadurch in kurzer Zeit sehr reich, wußte aber nicht im Glücke mäßig zu sein und trieb allerlei Unfug der Verschwendung. So z. B. badete sie sich täglich in dem teuersten Weine, den sie aufzutreiben wußte, und um nun denselben nicht umkommen zu lassen, so gab sie ihn, mit Semmelbrocken vermischt, den Armen als Kaltschale zu trinken. Diese wußten nicht, was die Bäuerin erst mit dem Weine gemacht hatte, aßen mit vieler Lust und dankten der reichen Geberin viel tausend Mal für die köstliche Erquickung. Aber als sie die Badegeschichte erfuhren, da ekelte sie und warfen der übermütigen Bäuerin die Fenster ein und sangen Spottlieder auf sie, so daß sie sich nicht mehr öffentlich sehen lassen durfte. Übrigens muß sie auch noch andere recht unziemliche Dinge verübt haben, denn der Klerus war darüber so erzürnt, daß er Gott öffentlich bat, den Bergsegen zu vermindern.
Ein Andenken an diese Bäuerin ist das Berggebäude »die Bäuerin« am Schottenberge, welches sie aufgenommen haben soll.
(Hering, Gesch. d. Sächs. Hochlandes. 1828. II. S. 42.)
Im Dorfe Frohnau bei Annaberg befanden sich im Jahre 1544 zwei Brüder, die zusammen ein Gut hatten, eines Sonntags im Wirtshause und hatten etwas zu viel getrunken. Nur um sie zu necken, raunt ihnen einer zu, es habe sich ein Dieb in ihr Feld geschlichen und raube dort die Früchte. Sie springen hastig auf, ergreifen ihre Schwerter und nahmen die Abrede, daß der eine von dieser, der andere von jener Seite das Feld durchsuchen solle, damit der Dieb nicht entwische. So schleichen sie denn heran und als einer den andern im Dunkel erblickt, stürzen sie in der Meinung, daß es der Dieb sei, auf einander los und einer erhält eine tödliche Wunde. Bei seinem Hülfsgeschrei erkennt ihn der Sieger als seinen Bruder, man eilt herbei und als der schwer Getroffene noch in derselben Nacht an seinen Wunden stirbt, ergreift der unglückliche Brudermörder die Flucht, und erhielt nur unter der Bedingung Verzeihung von dem Herzoge Moritz, daß er seinen Anteil an dem Gute an die Frau und Kinder des Erschlagenen abtrat. Der Fleck aber, wo jener Mord geschah, wird noch jetzt gezeigt.
(Moller, Theatr. Freibg. I. S. 213. II. S. 179. Gräße, Sagenschatz d. K. Sachsen, No. 279.)
Den 29. Juni 1523 ist zu Freiberg im öffentlichen Kuttelhofe in einer geschlachteten Kuh, so einem Bauer zu Klein-Waltersdorf zugehörte, das sogenannte Mönchskalb gefunden worden. Dieses Kalb hat einen runden ungestalteten Kopf gehabt und oben darauf eine Platte wie ein Pfaffe, samt zwei großen Warzen wie kleine Hörner; mit dem Untermaule ist es einem Menschen, mit dem obern und der Nase einem Kalbe gleich, sonst aber ganz glatt am Leibe gewesen, es hat die Zunge lang aus dem Munde herausgestreckt; die Haut am Halse und Rücken herunter hat wie eine gewundene Mönchskutte ausgesehen, an den Seiten aber vorn und an den Beinen ist es voller Ritze und Schnitte gewesen, als wenn die Kutte zerhauen oder zerschnitten wäre. Solches Ungeheuer ist von Dr. M. Luther in seinen Schriften, wo es auch abgebildet wird, neben der Beschreibung des Papstesels, den man 1496 zu Rom gefangen, gedeutet worden, Melanchthon aber meinte, daß durch dieses Kalb die Verderbnis der lutherischen Lehre in fleischliche und verderbliche Meinungen, wie sie zu selbiger Zeit im Schwunge gewesen, angezeigt worden, inmaßen auch bald hierauf ein Schwein zu Halle in den Osterfeiertagen ein Ferklein geworfen, welches einem Pfaffen in Gestalt des damaligen Habits ganz ähnlich gesehen. Es hat aber gedachtes Mönchskalb die Autorität der Geistlichen, so dem Papste zugethan gewesen, sehr verringert, also daß auch die Bergleute ein besonderes schimpfliches Lied davon gedichtet und dasselbe den Mönchen und Pfaffen zu Spott und Hohn lange Zeit allhier gesungen mit Bezug darauf, daß der Fleischer mit Vorbedacht und Willen das Fleisch von der Kuh, in welcher man das besagte Mönchskalb gefunden, niemandem als den Canonicis, Mönchen und andern Geistlichen gelassen und solche dasselbe unbewußt verzehrt haben.
(Mitgeteilt von H. Weißflog aus Raschau.)
An der Waldstraße, welche von Mitweida nach Gottesgab führt, stand hart an der sächsischen Grenze eine starke Tanne; man sagt, daß sieben Mann dieselbe kaum hätten umspannen können. Jetzt sieht man von derselben nur einen Stumpf, da der morsche Baum abgebrannt und dadurch vernichtet worden ist. Diese Tanne hieß die »Abschiedstanne«, und[595] man erzählt, daß einst an ihr Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen und der Schwedenkönig Gustav Adolf von einander Abschied genommen hätten. Ebenso knüpfte sich an den Baum folgende Sage: Ein Graf von Schwarzenberg kehrte unverhofft von einer Fehde zurück und traf in seinem Schlosse bei seiner Gemahlin einen für treu gehaltenen Freund als Buhlen an. Darüber ergrimmte er dermaßen, daß er beide binden ließ und mit sich tief in den Forst führte. Hier gebot er ihnen, von einander und von dem Leben Abschied zu nehmen; nachdem sie dies gethan hatten, fielen sie von seiner Hand. Dies aber soll an jener Tanne geschehen sein, welche davon den Namen Abschiedstanne erhielt.
(Nach G. Andrä, Chron. Nachr. von Annaberg. 1837. S. 67. Bei Gräße, Sagenschatz d. K. Sachsen, No. 504.)
Zu Frohnau bei Annaberg lebte einst ein ganz armer Mann, namens Georgi, der in den kümmerlichsten Umständen starb. Da nun sein einziger Sohn wegen seiner Armut die Begräbniskosten für denselben nicht aufbringen konnte, man also deshalb mit der Beerdigung anstand nahm, steckte er seinen Vater in einen Leinwandsack, legte denselben auf einen Schubkarren und beerdigte ihn auf dem hintern oder neuen Gottesacker in Annaberg mit den Worten: »Komm, alter Vater, komm! laß dich von mir begraben, dieweil die Menschen dich nicht hier begraben wollen.« Kurze Zeit nachher soll nun aus dessen Grab eine Fichte hervorgewachsen sein, die man heute noch sehen kann, und eine im Beinhaus ausgehängte Tafel vom Jahre 1737 deutet noch jetzt auf diese Begebenheit hin.
(Alb. Schiffner im Archiv für sächs. Gesch., 2. B. S. 169.)
Nächst dem Glauchauer Schlosse stehen an einem sehr anmutigen Spazierwege im sogenannten Gründel drei Eichen nahe beisammen. Diese sollen, wie erzählt wird, ein Gesamteigentum des Hauses Schönburg in der Maße bilden, daß ohne Einwilligung aller majorennen Glieder des Hauses keine derselben geschlagen werden darf.
(Lindner, Wanderungen durch die interess. Gegenden des sächs. Erzgebirgs. I. Heft. Annaberg, 1844. S. 43.)
Ober- und Unterjugel bei Johanngeorgenstadt sind älter als genannte Stadt, welche 1654 gegründet wurde; denn schon 1571 erhielt Sebastian Preisler die Konzession zur Erbauung einer Glashütte und 8 Häusern; ebenso hatte Gabriel Löbel die Vergünstigung zur Anlegung eines Blaufarbenwerks erhalten. Dies waren die Anfänge von Ober- und Unterjugel. Im Volke aber hat sich die Sage erhalten, daß die jetzt allgemein bekannten Preißelbeeren ihren Namen von jenem Preisler empfingen, weil dieser sie erst in den Handel gebracht und genießbar zu machen gelehrt habe.
Der Name »Preißelbeere« führt uns auf die Wurzelbrossen, mhd. brozzen, d. h. brechen, hervorbrechen, hervorsprießen. Er würde also mit »sprießende Beere« oder »Sprießeln«, welche letztere Bezeichnung in der That für das Kraut gebraucht wird, zu deuten sein. Die Pflanze macht in den Waldungen, deren Boden sie mit frischem Grün bedeckt, den Eindruck des sprießenden.
(Graßmann, deutsche Pflanzennamen, S. 152.)
(Engelschall, Beschr. v. Exulanten- und Bergstadt Johanngeorgenstadt. 1723. S. 188.)
Es halten etliche dafür, weil Wismut seine Blüte und mancherlei Farben hat, und siehet weiß, braun, rot, gesprenglich durcheinander aus, so habens die alten Bergleute Wismut genannt, das blühe wie eine schöne Wiese, darauf allerlei farbige Blumen stehen. Albinus schreibt in seiner meißnischen Bergchronik, daß die Bergleute der Meinung seien, Silber bilde sich aus Wismut, wie man bei Halden gefunden, auf die man Wismut gestürzt und in denen man dann nach Jahren Silber gefunden habe. Sie nennen es auch des Silbererzes Mutter oder des Silbers Dach, da dasselbe öfters darunter liegt. Auch sprechen die Bergleute, sie kommen zu frühe, wenn sie Wismut finden, und bekennen, wenn diese Bergart länger im Bergfeuer gestanden hätte, so wäre gut Silber daraus geworden.
Der Name Wismut soll jedoch nach Koch aus dem Arabischen: wiss majaht, d. h. die Leichtigkeit des Storax oder was so leicht wie Storax schmilzt, abstammen. (Leunis, Synopsis d. Min. und Geogn., bearbeitet von Senft, I. S. 294.)
(Meltzer, Bergkläufftige Beschreibung der löbl. Bergk-Stadt Schneebergk. 1684. S. 163.)
Andreas Funk, welcher 30 Jahre auf dem Schneeberge das Münzmeisteramt bedienet, hat auf kurfürstlichen Befehl der Armut zu gute die ersten schneebergischen Groschen gemünzet. Denn weil man zuvor lauter Güldengroschen (d. i. Thaler) und »Oerter« gepräget, so ist ein solcher Lärm unter dem Volke gewesen, daß, wenn der Schichtmeister gelohnet, man lieber 22 Groschen kleine Münze für einen Thaler, als einen ganzen Güldengroschen genommen hat. Dabei ist noch zu gedenken, daß, weil der gemeine Mann solche Schneeberger Groschen nicht recht ausgesprochen, sondern nur Schneeber oder Schnieber genannt hat, von einigen Leuten, sonderlich um Zwickau, der Groschen ein Schnieber genannt wurde.
(Herzog, Chronik von Zwickau. I. 1839, S. 69.)
Es wird behauptet, daß Zwickau oder doch ein Teil seines Weichbildes ehedem zum Vogtlande gehört habe. Man hat nämlich ein altes Sprichwort: »Daß die Zwickauer im Meißnerlande sterben und im Vogtlande begraben werden,« und noch heutzutage hört man die Redensart: »Er wird ins Vogtland getragen,« d. i. er wird begraben.
Obschon Zwickau nahe an der Grenze des Vogtlandes lag, so hat es doch nie zu diesem selbst gehört. Es stand zwar als Reichsstadt ehedem unter den Reichsrichtern des Pleißnerlandes zu Altenburg, welche fast immer aus dem Geschlechte der Vögte genommen wurden, und später als markgräflich meißnische Stadt hatte Zwickau seine eigenen Untervögte, welche im Namen der Landesherren die Gerichtsbarkeit ausübten. Dies währte bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts, da der Rat die Gerichte über die Stadt erlangte.
(Mündlich.)
»Der Käse ist auch darnach,« d. h. der Gegenstand ist das Geld wert. Dies ist eine Redensart in Eibenstock, welche sich von folgender Begebenheit herschreibt: Der Besitzer des früheren Hammerwerkes Wolfsgrün, das nach Eibenstock eingepfarrt ist, schickte, wenn er mit den[598] Seinigen bei dem dortigen Pfarrer zu kommunizieren gedachte, diesem durch einen seiner Arbeiter mit der Meldung zugleich auch einen Dukaten. Das war Herkommen. Herkommen war aber auch, daß der Arbeiter im Pfarrhause Bier, Brot, Butter und einen Käse vorgesetzt erhielt. Eines Tages, als der Bote seine Herrschaft wieder zur Kommunion anmeldete und den Dukaten abgeliefert hatte, war die Frau Pfarrerin nicht zu Hause. Der Pfarrer war in Verlegenheit; Bier, Brot und Butter konnte er schaffen, aber keinen Käse. Doch da besann er sich, daß er einen damals noch seltenen und teueren Limburger Käse hatte. Diesen holte er und setzte ihn dem Arbeiter vor. Der Arbeiter aß zum Schrecken des Pfarrers mehr davon, als er erwartet hatte, weshalb letzterer ihn fragte, ob ihm der Käse schmecke. Auf die Bejahung sah sich der Pfarrer zu der Bemerkung veranlaßt, daß der Käse auch teuer sei. Darauf folgte die trockene Entgegnung: »Der Kas ist och dornoch.« Der Arbeiter aß weiter. Endlich sprach der Pfarrer: »Ja, mein Lieber, ich muß nur noch bemerken, daß diese Art von Käse auch schädlich werden kann, wenn man zuviel davon ißt.« »Wenn das ist,« sprach der Bote, indem er das übrige Stück Käse einpackte, »da muß ich das Übrige meiner Frau mit nach Hause nehmen.«
Die Geschichte wurde ruchbar. Der Pfarrer ist jedenfalls sehr ausgelacht worden, und es hat sich bis zur Stunde die oben angeführte Redensart in Eibenstock erhalten.
Eine sprichwörtliche Redensart in der Schwarzenberger Gegend lautet: »Kein Hammerschmied stirbt, sondern er kommt von der Welt, man weiß nicht wie?« Diese Redensart bezieht sich darauf, daß nicht mehr arbeitsfähige Hammerschmiede bettelnd von einem Hammerwerke zum andern zogen und daß deshalb selten einer in der Heimat starb. (Merkels Erdbeschreibung von Kursachsen. I. 1804, S. 161.)
»Man könne die sächsischen Eisenhämmer so wenig aufhalten, als die schwedischen Truppen,« sagte ein schwedischer Quartiermeister, der 1712 im Hammerwerke Erla den großen Stabhammer im Niederfallen aufhalten wollte, dafür aber mit gelähmter Hand bezahlt ward. Der Quartiermeister hieß Schulze und stand beim Kavallerieregiment des Obersten Rosenstern. Die erzählte Begebenheit soll sich übrigens am 27. Juni 1707 zugetragen haben und die angeführten Worte wurden beim Rückmarsche der Schweden auf der Schiffbrücke zu Pirna gesprochen. (Peck, Beschreibung des Chursächsischen Erzgebirges, 1. B., S. 103.)
Von den Venetianern geht eine Rede, daß sie gesagt haben: In Meißen (dem meißnischen Erzgebirge) und dem Vogtlande wirft man einen Stein nach der Kuh, da doch der Stein mehr als die Kuh selber wert ist. (Meltzer, Beschreibung der Bergstadt Schneeberg, 1684. S. 54.)
Ein Fleischer zu Schneeberg, mit Namen Fägel, welcher auf der Badergasse wohnte, hatte seinen beiden Gästen, die in Streit geraten waren, Frieden geboten und deswegen auch zu dem Richter geschickt. Weil dieser sich aber etwas verzogen hatte und die Gäste sich nicht steuren lassen wollten, hat er sie beide erstochen, darauf die Flucht genommen und dem Richter Hans Kempfen, der ihm begegnet, auf Befragen geantwortet: »Ei, Herr Richter, es ist unnötig, daß Ihr Euch bemühet und hinunter gehet, ich habe sie allbereit gestillet, sie haben sich wohl müssen bedeuten lassen.« Daher ist, als der Richter hinunter gegangen und die jämmerliche That befunden, Fägel aber unterdeß des Landes entlaufen war, von ihm das Sprichwort entstanden: »Er hat sie geschweiget oder gestillet, wie Fägel seine Gäste.« (Meltzer, a. a. O., S. 1099.)
Diese sprichwörtliche Rede, welche lange in Schneeberg im Gange war, ist durch ein Wort des Pastors Christoph Schindler entstanden. Derselbe gebrauchte es, wenn er Amtes halber etwas strafte und dabei sich selbst nicht heuchelte, falls er diesen Fehler an sich selbst gefunden hatte. Man wandte die Worte in der Folge an, wenn man sich selbst eines Fehlers schuldig fand. (Meltzer, a. a. O., S. 1100.)
Dies pflegt von einem ausgelassenen Menschen gesagt zu werden. Die Redensart kann davon herkommen: Eine uralte Art der Beschimpfung ist es gewesen, wenn Diebe, die Feld- und Gartenfrüchte gestohlen, in das sogenannte Narrenhäusel gesteckt worden sind, wie solche sonderlich in den teuren Jahren 1771 und 1772 fast in allen gebirgischen Städten sind errichtet worden. Ein solches Haus stand noch im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts auf dem Markte zu Lößnitz; es sah wie ein Käfig aus und konnte herumgedreht werden. Personen, die da hineingesteckt wurden, hatten von den Gassenkindern,[600] welche das Haus bald gedreht, bald mit Steinen und Kot den Gefangenen geworfen, allerlei Schmach zu erleiden. (Oesfeld, Hist. Beschreibung einiger merkwürdigen Städte im Erzgebirge, insonderheit der Hochgräflich Schönburg. freyen Bergstadt Lößnitz etc. 1776, S. 11.)
Auch in Leipzig gab es zwei solche Narrenhäuschen, das eine war bei den sogenannten Brotbänken am Naschmarkte und das andere an der Thomaskirche. Das erstere diente für Skandalmacher, Verläumder und losmäulige Frauen, während letzteres unter geistlicher Jurisdiktion stand und für diejenigen bestimmt war, welche als Flucher und Gotteslästerer bezichtigt waren. In Oschatz ist noch jetzt (?) im Winkel nächst den Stufen, die durch den vom Ratsarchive gebildeten Schwibbogen vom Markte zum Stadtkirchhofe führen, das von Eisengitter nach Art eines Käfigs gebildete Narrenhäuschen vorhanden. (Schäfer, Deutsche Städtewahrzeichen, 1. B., S. 54.)
(Staberoh, Chronik von Öderan. 1847, S. 197–201.)
Im Jahre 1645 begann zwischen Öderan und dem Ritter Nikolaus von Schönberg auf Börnichen der Streit wegen des Hirtenfeldes. Letzterer verlangte das Grundstück, welches bereits seit Jahren von der Stadt bebaut worden war, zurück, unter dem Vorgeben, daß es zu den Fluren von Börnichen gehöre. In das Dunkel über diese Angelegenheit war kein Licht zu bringen, da die Urkunden in dem Kriege verbrannt, die alten Leute aber, welche Auskunft hätten geben können, an der Pest gestorben oder geflüchtet waren. Nachdem der Prozeß beinahe 4 Jahre geschwebt hatte, ging der Schafmeister vom Rittergute Börnichen, Caspar Witte, nach Böhmen, um für seinen Herrn 100 Stück Schafe zu kaufen, welche damals zu Tausenden für das ruinierte Böhmen aus Ungarn herauskamen. Der Schafmeister kam mit seinen Schöpsen glücklich bis auf die Eppendorfer Fluren, wo ihn eine Abteilung schwedischer Reiter anhielt und um 10 Schafe gegen Bezahlung bat. Doch der Schafmeister, rauh und trotzig wie sein Herr, und wohl wissend, daß die Schweden den Waffenstillstand achten mußten, verweigerte sie ihnen und trieb weiter. Allein die Schweden nahmen ihm nun die ganze Herde, schlugen ihn überdies und trieben die Schafe nach Öderan hinein, wo sie 50 Stück verkauften. Der geschlagene Schafmeister kam nun mit seinem Anhange nach der Stadt und verlangte seine Schafe zurück. Da er sie nicht erhielt, so brach er wenige Tage darauf des Nachts in Öderan ein und stahl die letzten noch übrig gebliebenen 20 Stück. Er wurde aber noch auf Öderaner Gebiet ertappt und nun als Schafdieb in Öderan gefangen gesetzt. Es war jetzt für ihn wenig Gnade zu hoffen, da der Kurfürst, ergrimmt über die überhand[601] genommenen Räubereien, befohlen hatte, jeden Diebstahl mit dem Strange zu bestrafen. Der Prozeß wegen des streitigen Hirtenfeldes wurde unterdeß fortgeführt, bis gegen 1650 das Endurteil kam, welches lautete, »daß diejenige der streitenden Parteien das fragliche Hirtenfeld bei Öderan auf ewige Zeiten in Besitz haben sollte, welche zuerst ein Galgengericht darauf erbauen und solches auch zugleich mit einem Verbrecher bestätigen würde.« In einer und derselben Stunde wurde dieser Spruch in Öderan und Börnichen bekannt gemacht. Der Ritter von Schönberg sandte sogleich nach Meißen, einen Verbrecher dort abzuholen, wo solche Räuber und Mörder, die der Krieg erzeugt hatte, zu Dutzenden gefangen saßen und für Geld zu haben waren. Zugleich wurde ein Galgen zusammengezimmert und des Abends der Hof verschlossen, um ersteren am Morgen an Ort und Stelle aufzubauen.
In Öderan dagegen gab es weder Holz noch Zimmermann, ja kaum Axt und Säge. Teurung und Pest hatten die Bewohner bis auf 18 Bürger vermindert, welche an selbigem Tage eben erst aus dem Niederlande mit einigen Säcken Korn zur Aussaat sowie zur Speise heimgekehrt waren, denn die Not war in diesem Jahre noch schrecklich. Man lief ratlos zu einander und beriet, wo ein Galgengerüst herzunehmen sei, um das Feld zu behaupten. Am frühen Morgen des zweiten Tages, als eben der Ritter von Schönberg seinen Galgen nach dem Hirtenfelde abfahren lassen wollte, sah er mit Entsetzen durchs Fenster auf diesem Felde einen Galgen stehen und an demselben schon seinen Schafmeister aufgehenkt, dessen Urteil der Rechtsbeistand der Öderaner, mit Namen Matthesius, zugleich mit aus Dresden besorgt und in die Stadt gesendet hatte. »Seht, seht die Schlimmen von Öderan!« rief da der Ritter seinen Leuten zu, und befahl den Galgen wieder abzuladen. Daher die Redensart: »Die Schlimmen von Öderan!« Wie aber waren die Öderaner zu dem Galgen gekommen? Zwölf der Bürger hatten die Galgensäule auf dem Gahlenzer Berge aus dem alten Hochgericht ausgegraben, herübergetragen, aufgerichtet und den Schafdieb aufgehenkt. Der Ritter von Schönberg aber schloß noch an diesem Tage mit den Öderanern Frieden.
(Curiosa Saxon. S. 47. Darnach Gräße, Sagenschatz, Nr. 494.)
Im Jahre 1631 hat eine Jungfer nicht weit von Hundshübel das Vieh von Waldhäusern auf die Weide getrieben, da sie sich dann hingesetzt und nach erzgebirgischer Art, um sich die Zeit zu vertreiben, geklöppelt. Ehe sie sich's nun versieht, kommt ein großer Bär hinter[602] sie geschlichen, daß sie ganz ungemein erschrickt und nicht weiß, was sie machen soll. Der Bär thut ihr aber nichts, sondern beriecht sie und tatschet sie mit seinen Tatzen ganz sauber an, gleich als wüßte er, was für einen Respekt er dem Frauenzimmer schuldig sei. Da nun der zottige Bär sich ganz höflich gegen sie aufführt und sie herzen zu wollen Anstalt macht, entschließt sich das Mädchen kurz und läuft unter das Vieh. Dieses drängt sich zusammen und geht auf den Bären los, bis das Mädchen schreit und ihre Eltern nebst andern Waldleuten zu Hülfe ruft. Da nimmt der Bär reißaus, das Sprichwort aber ist nachgehends beständig geblieben und von jedermann, um eine Verwunderung auszudrücken, gebraucht worden: Je, daß dich der Bär herze!
Es ist eine gemeine Rede, daß man sagt: Wenn einer vom Himmel in ein gut Ort Landes fallen sollte, möchte er in die meißnischen Bergstädte sich wünschen. (Meltzer a. a. O. S. 866.) Eine Abänderung lautet: Wenn einer vom Himmel fiele, so könne er nicht besser, als auf Marienberg fallen.
Herzog Georg pflegte von seinen Städten zu sagen: »Leipzig die beste, Chemnitz die feste, Freiberg die größte und Annaberg die liebste.« (Richter, Chron. d. St. Chemnitz I. S. 18.) Ebenso rührt von demselben Fürsten der Ausspruch über drei Berge in der Nähe Schneebergs her: »Der Gleßberg ist ein tauber Berg, der Mühlberg ein verschworner Berg, sehet mir auf den Schickenberg!« (Meltzer a. a. O. S. 922.) Außer dem angeführten Spruche von Freiberg lautet ein anderer: »Meißen wird ertrinken, Freiberg wird versinken, Dresden wird man zusammenkehren mit Besen.« (Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins, 3. Heft, S. 281.)
Die Einwohner von Gottesgab werden in der Umgegend nur »die Wölfe« genannt, weil sie unter sich selbst diesen Titel als zärtliche Anrede gebrauchen. Sie sagen z. B. »Guten Tag, Wolf!« Häufiger noch werden in der Anrede die Bezeichnungen »Wehrwolf« oder »Wolfskind« gebraucht. (Mündlich aus Wiesenthal.)
Dr. E. Göpfert (Glückauf V. Nr. 8) führt auch das im Gebirge häufig gebrauchte Kose- oder Scheltwort »Werchl« auf das althochdeutsche warc, d. i. der Wolf, zurück.
[5] Die Zschopau, Freiberger und Zwickauer Mulde.
[6] D. M. L. Doctor Martin Luther.
[7] M. D. L. V. (1555) starb die Witwe Kurfürsts Moritz.
(Nach einer Mitteilung des Pfarrers Friedlein in Oberwiesenthal.)
Von jeher hatten das Städtchen Böhmisch-Wiesenthal und das Dorf Stolzenhan gemeinschaftlich eine Kirche, welche früher an der Stelle stand, wo sich jetzt der Gottesacker beider Orte befindet. Als die Kirche sehr baufällig geworden war, wollte man eine neue bauen, jedoch konnte man sich nicht darüber einigen, wohin dieselbe gebaut werden sollte. Die Stolzenhaner wollten sie nach Stolzenhan und die Wiesenthaler nach Wiesenthal haben. Endlich kam man überein, die Kirche auf dem Grund und Boden derjenigen Gemeinde zu erbauen, wohin der Turmknopf, dessen Niedersturz man baldigst erwarten konnte, fallen würde. Der Knopf fiel auch endlich, und zwar auf Stolzenhaner Gebiet. Ein Einwohner von Wiesenthal aber, welcher zufällig auf seinem Acker in der Nähe arbeitete, zog die Turmspitze mit dem Knopfe eiligst hinüber auf die Wiesenthaler Seite. Somit wurde die neue Kirche in Böhmisch-Wiesenthal und nicht in Stolzenhan gebaut.
(Köhler, Volksbrauch etc. S. 627.)
Die Hauptmannsgrüner wollten einmal eine Wiese nach einem andern Platze ziehen und schlugen einen Pfahl ein, daran befestigten sie ein Ortscheit und spannten Ochsen vor. Als nun der Wind die Schmielen bewegte, hielten sie dafür, daß die Wiese fortrücke. Und als die Ochsen noch mehr angetrieben wurden, rissen die Stränge und die Ochsen liefen bis nach Stenn. In Stenn ist das Ortscheit liegen geblieben und es soll noch heut dort liegen.
Ein andermal konnten die Hauptmannsgrüner das Zapfenloch eines Teiches, dessen Wasser abgelassen werden sollte, nicht auffinden. Da sagte der Richter: »Nun müssen wir'n aussaufen.« Er legte sich zuerst hin und nach ihm die Bauern, und sie fingen an zu trinken.
(Köhler, Volksbrauch etc. S. 627.)
Von den Ebelsbrunnern wird erzählt, daß sie einst den aufgegangenen Mond dicht am Berge stehen sahen; da holten sie Stangen, um ihn herunter zu schlagen, und es entstand in Folge dessen das Spottlied:
Th. Schäfer, (Sächs. Volksfreund 1880, 1. Dez.) erzählt auch von den Eibenstockern, daß sie einst auf den Auersberg gezogen seien, um den Vollmond mit einer Stange herunter zu holen. Eine ähnliche Sage findet man im Fichtelgebirge. Auch den Zellern wurde von den Münchbergern nachgesagt, daß sie mittels langer Stangen den Mond vom Himmel »herunter zu stieren« suchten. Dabei weist Zapf (Sagenkreis des Fichtelgebirges, S. 185) darauf hin, daß zu dieser Sage uralte Vorbilder vorliegen, indem schon der griechische Arzt Hippokrates (geb. 460 v. Chr.) von Menschen spricht, welche durch magische Künste und Opfer den Mond herabziehen. Die Medea wurde in dieser Kunst von der Göttin Hekate unterrichtet, und ebenso waren ihrer auch insbesondere die Thessalerinnen mächtig.
(Rankewitz, Kurze Beschreibung des Schlosses Augustusburg. 1836. S. 5.)
Einige sagen, daß das Schloß Augustusburg so viele Fenster gehabt habe, als das Jahr Tage, so viel Feueressen, als es Wochen, und so viel Wetterfahnen, als es Monate enthält.
(In ähnlicher Weise sagt man auch von dem Schlosse Rothenhaus i. B., daß es gerade so viel Fenster habe, als Tage im Jahre.)
(Gräße, Sagenschatz des K. Sachsen. No. 289.)
Die Stadt Freiberg ist nicht bloß durch ihren reichen Bergsegen, sondern auch durch ihre Schönheit von alter Zeit her berühmt gewesen; davon sagt ein altes Sprichwort: »Wenn Leipzig mein wäre, wollte ich es in Freiberg verzehren.«
Obgleich das Freiberger Bier keinen besondern Namen hatte, wie es im 16. und 17. Jahrhundert Mode war, so gab es doch zu einem andern Sprichworte Gelegenheit. Dieses hieß: »Es kitzelt einem in der Nase, wie das Freiberger Bier.«
Ein anderes Sprüchlein, welches sich zugleich mit auf zwei andere Städte Sachsens bezieht und deren Untergang prophezeit, lautet:
(Gottl. Göpfert, Geschichte des Pleißengrundes. 1794. S. 309. Joseph Fritsch in der Erzgebirgs-Zeitung, 4. Jahrg. S. 99 etc.)
In Königswalde bei Werdau erhielt sich bis 1630 folgendes:
Am Sonntag Lätare ward jährlich ein Strohbild verfertigt, welches in dem einen Jahre einen Mann, im andern ein Weib darstellte. Diesem Bild ward von den ledigen Personen beiderlei Geschlechts mit Hülfe einer Leichenfrau als eine Leiche angezogen, mit grünen Blättern und Wintergrünkränzen geziert, das Haar ward aus Flachs verfertigt, und das ganze Bild an eine Stange angemacht. Nach Endigung des Nachmittaggottesdienstes ward es durchs ganze Dorf getragen, und eine Menge Volks, groß und klein, folgte mit Gesang nach. Endlich ward es auf eine Wiese gebracht, mit Ungestüm zerrissen und in den Bach geworfen. Die Wiese, wohin in Königswalde dieses Bild gebracht ward, heißt noch heut' die Todenwiese; sie liegt neben der heiligen Wiese nach Langenhessen zu. Man nennt diese Ceremonie den Tod austreiben, und der Sonntag Lätare hieß der Todensonntag.
An einigen Orten des böhmischen Erzgebirges wird noch gegenwärtig am Sonntage Lätare das Todaustreiben unter der Bezeichnung des Todaustragens (»Tudaustrog'n«) gefeiert. Von fünf Knaben zieht sich einer als Tod (Winter) an, ein anderer als König, der dritte als dessen Tochter (Lenz) und die übrigen als Diener (Sommer und Herbst.) Der König, wohl den Herrn der Jahreszeiten personifizierend, trägt eine goldpapierne Krone und einen Rocken als Szepter. Die Königstochter ist ihrer Würde angemessen aufgeputzt, verschmäht es indessen nicht, Geld und andere Geschenke entgegen zu nehmen. Die Diener tragen Degen, der weißgekleidete Tod ein Bund Späne. Alle aber, mit Ausnahme des Winters, sind mit bunten Bändern geschmückt; deshalb heißt dieser Gebrauch auch der »Bändertod«. Die Gesellschaft zieht von Haus zu Haus und führt ein kurzes dramatische Spiel auf, dessen Inhalt folgender ist: Die Diener, in der Folge auch der Tod, halten um die Hand der Königstochter an. Letzterer büßt seine Vermessenheit mit dem Leben, indem ihn der König niedersticht. Die beiden übrigen Brautwerber stehen zitternd da, weil sie eine gleiche Strafe befürchten. Der König überwindet indessen seinen Zorn bald und lächelnd legt er die Hand des Sommers in die seiner Tochter, welche er auffordert, daß sie sich von dem anderen Freier durch Darreichung der von ihr gesammelten Gaben loskaufe.
An andern Orten tritt diese Sitte in nachfolgender Gestalt auf: Mehrere Knaben gehen mit einer langen Stange, an die oben ein Querholz[608] befestigt ist, von Haus zu Haus und sammeln alte Kleider, die dem den Tod darstellenden Holzgerippe angethan werden. Nach Vollendung dieser Toilette ist der Teil der Vorbereitung vorüber und nun geht der eigentliche Umzug vor sich, indem man den Tod durch das Dorf trägt und dabei singt:
Zuletzt wird der Popanz ins Wasser geworfen. Dies ist das Signal für die Knaben, eilends die Flucht zu ergreifen. Wer am meisten zurückbleibt, heißt der »Tud'nvota« und wird als solcher das Jahr über geneckt.
Das Todaustragen ist ein Privilegium der Mädchen. Knaben bringen ihnen aus dem Walde ein kleines Fichtenbäumchen. Die Mädchen schmücken erst dieses und dann sich selbst aufs beste und schönste. Darnach tragen sie das Bäumchen von Haus zu Haus und singen in jedem ein Liedchen, wofür sie Kuchen, Kaffee und Geld erhalten. Letzteres wird zu Kerzen für die Kirche oder Kapelle verwendet.
Das Todaustreiben fand sich früher an vielen Orten Sachsens, besonders der Lausitz und des Vogtlands, ferner in Böhmen, Schlesien u. s. w. Meist wurde dabei von den jungen Burschen ein Strohmann, welcher den Winter, in der späteren christlichen Zeit aber den Tod vorstellte, angeputzt, unter Gesang durch das Dorf getragen und endlich ins Wasser geworfen oder verbrannt. Mit grünen Zweigen geschmückt kehrte die Jugend wieder heim. Im Vogtlande sang man dabei das Lied:
In Deutsch-Böhmen sang man:
Das Todaustreiben war ein Nachklang des alten Frühlingsfestes, von dem wir auch Andeutungen bei den alten Griechen und Römern, ja selbst in Persien und Indien finden, und das jedenfalls die indoeuropäischen Völkerstämme aus ihren Ursitzen in Asien mitbrachten. Bei den heidnischen Germanen wurde es vielleicht zu einem Feste der Ostara, der Göttin des aufgehenden Lichtes, oder der mütterlichen Erdgöttin Nerthus oder auch Odhins, bei den Slaven zu einem Feste der Ziva, der Göttin des Lichts und der Fruchtbarkeit.
Es ist sicher, daß die in verschiedenen Gegenden gefeierten Maifeste, bei denen eine Maikönigin oder ein Maikönig einzog, oder ein Maigraf aus dem Walde[609] in die Stadt eingeholt wurde, oder bei denen man den in Tannenrinde und Laub gehüllten Pfingstbutz zu Roß ins Dorf führte (s. Mannhardt, die Götter der deutsch. und nord. Völker, S. 144 etc.), mit dem Todaustreiben gleiche Bedeutung hatten. Wegen der in unsern Gegenden zu zeitigen Feier des Frühlingsfestes im März, da häufig noch Eis und Schnee die Fluren deckte, wurde dieselbe vielfach auf den sonnigen Mai verlegt und jetzt nun nicht mehr der Winter verjagt, sondern der vor der Thür harrende Frühling eingeholt und begrüßt. (S. über die Frühlingsfeier bei den Germanen und Slaven: Preusker, Blicke in die vaterländische Vorzeit, I. S. 142–152.)
(B. C. (Cotta), Tharand und seine Umgebungen. 1835. S. 101. Gräße, Sagenschatz etc. No. 268.)
Wenn man durch Tharand hinauf am Amthause vorbei nach dem Kalkofen und dann weiter im Thale fortgeht, so kommt man in den sogenannten Ebergrund und zur Ebermühle, bei welcher der von dem Mühlbache gebildete Totenteich liegt, der seinen Namen davon hat, daß früher bis an das Ende des vorigen Jahrhunderts die Sitte herrschte, wenn die Bewohner der umliegenden Dörfer den Tod austrieben, den diesen vorstellenden Strohmann hier hineinzuwerfen. Man behauptet, bei hellem Sonnenschein in der Tiefe noch heute das steinerne Bild desselben liegen zu sehen.
(Chr. Lehmann, Histor. Schauplatz etc. S. 757.)
Im Erzgebirge trägt man sich mit einer alten Tradition, daß wilde Waldleute bisweilen an die Waldhäuser gekommen seien. Solcher wilden gebirgischen Satyren erinnerten sich vor Alters die Einwohner und Bergleute bei ihrem »Quaß« und Fastnachtsspiel, bei welchem sie jährlich zwei wilde Männer verkleidet, den einen in Reisig und Moos, den andern in Stroh gehüllt, auf den Gassen umhergeführt, endlich aber auf dem Markt herumgejagt und endlich zum Schein niedergeschossen und gestochen haben. Die verkleideten Personen riefen dabei durch ihr Taumeln und ihre seltsamen Gebärden Gelächter hervor und spritzten dabei aus angefüllten Blasen Blut unter die umstehenden Leute, ehe sie als Tote niederfielen. Dann faßten sie die Jäger, legten sie auf Breter und trugen sie ins Wirtshaus. Die Bergleute gingen daneben her und bliesen durch ihre Pechpfeifen und Grubenleder auf, als hätten sie ein stattliches Wildpret gefangen. Dergleichen Aufzüge hielt[610] man vor dem dreißigjährigen Kriege; aber darnach sind sie abgekommen.
Auch dieses Fastnachtsspiel war jedenfalls ein Überrest der alten Frühlingsfeste; seine Bedeutung ist aber hier sehr verwischt worden. Der in Reisig und Moos gehüllte Mann sollte den Frühling, der Strohmann dagegen den Winter darstellen. Ursprünglich haben beide wohl miteinander gekämpft, bis der Frühling den Winter besiegte. Daß solche Kämpfe zwischen den persönlich dargestellten Jahreszeiten Winter und Frühling (Sommer) wirklich, z. B. in Schweden und Gothland, dargestellt worden sind, dafür bringt Jac. Grimm in seiner deutschen Mythologie mehrere Beispiele; auf S. 440 heißt es daselbst: Ein vermummter Sommer und Winter, jener im Epheu oder Singrün, dieser in Stroh oder Moos gekleidet, traten auf und kämpften so lange miteinander, bis der Sommer siegte. Dann wird dem zu Boden geworfenen Winter seine Hülle abgerissen, zerstreut, und ein sommerlicher Kranz oder Zweig umhergetragen.
(Gießler, Sächs. Volkssagen (Stolpen o. J.), S. 271.)
In Freiberg kehrt alljährlich am Tage Maria Magdalena, den 22. Juli, ein besonderer Bergfeiertag wieder, an welchem vormittags im Dome eine große Kirchenparade der Bergleute und eine Bergpredigt abgehalten wird. Bei Gelegenheit im Jahre 1737 angestellter Erörterungen ergab sich, daß die Freiberger Bergleute bis dahin den Maria-Magdalena-Tag angeblich seit länger als 200 Jahren am sogenannten Hungerborne gefeiert hätten, woselbst sogar zu Zeiten gepredigt worden sein sollte. Dieser Brunnen, welcher wegen seines guten und reichlichen Trinkwassers besonders von den benachbarten Huthäusern stark benutzt wurde, lag etwa eine Viertelstunde nordwestlich von dem Huthause »Beschert Glück« im Ratswalde und ist erst im Jahre 1790 infolge der von »Beschert Glück« betriebenen Grubenbaue weggefallen. Eine Meinung der damaligen Bergleute schreibt den Ursprung seines Namens einer Frau Maria Magdalena Hunger zu; die Veranlassung zum Festtage, dessen althergebrachte Feier sich die Bergleute 1737, als solche auf den nächsten Sonntag verlegt werden sollte, »erstritten« haben, soll sich aber daher schreiben, daß die Kurfürstin Magdalena Sybilla, Witwe des Kurfürsten Johann Georgs II, als sie ihren Namenstag am Hungerborne feierte, den Bergleuten für alle Zeiten ihren Namenstag daselbst zu feiern angeordnet habe. Gewiß ist, daß die Bergleute bis zum Jahre 1737 die Umgebung des Hungerbornes als einen gewohnten Versammlungsplatz betrachteten und als solchen benutzten; ja noch in unserm Jahrhunderte fand daselbst zu gewissen Zeiten im Jahre, besonders Pfingsten, ein großer Zusammenfluß von Personen[611] aus der Umgegend statt. Man unterhielt sich dabei mit Musik und Spielen.
Die Feier des »Streittags« fand sich wahrscheinlich in allen sächsischen Bergrevieren vor. Meltzer schreibt in seiner »bergkläuffigen Beschreibung der Bergk-Stadt Schneeberg«, (1684. S. 3), daß die Bergleute daselbst diese Feier »mit dem Schwerte errungen hätten«, und er vermutet, daß solches bei dem Aufstande der Bergleute im Jahre 1496 geschehen sei. Herzog Heinrich der Fromme ließ den Maria-Magdalena-Tag bei Einführung der Reformation 1539 ausdrücklich als bergmännischen Feiertag fortbestehen, und derselbe wird auch noch gegenwärtig in Schneeberg durch Bergaufzug, Gottesdienst und eine Ergötzlichkeit der Bergleute gefeiert.
(Lehmann, Chronik der Stadt Chemnitz, S. 158.)
Am 18. Februar 1613 führten die Tuchknappen zur Feier des Faschings auf dem Markte zu Chemnitz den Schwerttanz auf. Dieser Schwerttanz ist noch heutzutage unter den Salzknappen Halleins und Hallstadts üblich, und er wurde von neun Tänzern, zwei Pfeifern, einem Trommler und zwei Hanswürsten aufgeführt, welche mit dem Spruche auftraten:
Nun begann der Tanz, indem jeder die Spitze des Schwertes von seinem Nebenmann faßte, mit einem Rondo; alsdann Springen über Schwerter. Darauf legte man die Schwerter nieder, tanzte herum, hob sie wieder auf und bildete eine Schnecke, die sich wieder auseinander winden mußte, ohne daß ein Tänzer die Schwertspitze seines Nachbars losließ. Dann trat ein Hanswurst in den Kreis und kniete nieder. Die Tänzer hielten ihre Schwerter auf ihn, der Vortänzer schwang sich auf diese Schwerter und sprach folgenden Spruch:
Nun ward wiederum ein Rondo getanzt, aber schneller als das erste; die Tänzer traten einer nach dem andern ab, bis Vor- und Nachtänzer allein waren, die sich noch ein paar Mal herumdrehten, mit den übrigen die Schwerter zusammenschlugen und so unter dem Jubelruf der Zuschauer schlossen.
(Oesfeld, Histor. Beschreibung von Lößnitz (1776) S. 10. Göpfert, Geschichte des Pleißengrundes (1794), S. 180.)
Auf der rechten Seite ohnweit der Hauptthüre des Rathauses in Lößnitz befanden sich zwei steinerne halbe Zentnergewichte, welche oben einen eisernen, sehr weiten Angriff hatten und auf der einen Seite glatt, übrigens aber rund und an einem Ring aufgehangen waren. Auf dem einen Steingewichte sah man ein Frauenbild mit einem Bund Schlüssel, welches sie über dem Kopfe hielt, als ob sie damit werfen wollte, und der Umschrift. »Du leugst wie eine Hure.« Auf dem anderen Gewichte war auch ein Frauenbild mit einem »Waschbleu« und den Worten: »Du bist eine Hure«, zu sehen, und die gemeine Sage war, daß in alten Zeiten diese Gewichte von zänkischen Weibern, welche sich geschlagen, öffentlich hätten herumgetragen werden müssen.
Eine ähnliche Strafe gab es in Crimmitschau. Wenn daselbst Weibspersonen einander geschimpft hatten, so mußten sie an der Rathausthüre einander gegenüber stehen und ward jeder eine Art von bleiernem Gewichte an den Hals gehängt.
In Bautzen war es im Mittelalter bis gegen Ende des 17. Jahrh. eine gewöhnliche Strafe für zänkische Weiber, daß sie sogenannte Schandsteine, welche die Form von runden Flaschen hatten, an einer eisernen Kette um den Hals durch die Stadt tragen mußten. Man nannte diese Strafe das Flaschentragen oder das trinken aus des Büttels Flasche. (Haupt, Sagenbuch d. L. II. No. 89.) Auch in Leipzig gab es für solche Weiber, welche sich auf dem Markte schlugen, rauften oder einander schmähten, Schandsteine, die der Rat 1624 neu anfertigen ließ. An manchen Orten wurden auch diejenigen Personen damit geschmückt, welche nächtlichen Straßenlärm machten. Da und dort hatten diese Steine Brotform, und daher schreibt sich wohl auch die Redensart: Ein schwerer Bissen Brod. In Lübeck hatten sie die Form von Schüsseln, und nach dem Dortmunder und Halberstädter Statut von 1348 sollten sie das Gewicht eines Zentners haben. Waren die »losmäuligen« Frauen wohlhabend,[613] so konnten sie sich von dieser schmachvollen Strafe durch einen Sack voll Hafer, der mit einem roten Bande zugebunden sein mußte, loskaufen. (Schäfer, deutsche Städtewahrzeichen, I. S. 54.)
(Göpfert, Geschichte des Pleißengrundes, S. 180.)
Es war sonst in Crimmitschau die Gewohnheit, welche auch an andern Orten, z. B. in Schmölln, eingeführt war, daß liederliche Weibspersonen sich auf den niedern Stadtturm begeben mußten, allwo oben auswendig ein großer Korb befindlich war. In diesen mußten sie sich setzen, worauf sie dann jählings in den unten am Thore befindlichen Teich herabgelassen wurden.
(Göpfert, Geschichte des Pleißengrundes, S. 180.)
Wenn sonst jemandem in Crimmitschau das Lehen gereicht wurde, so beobachtete man die Zeremonie, daß dem Empfänger vom Gerichtsdirektor oder Amtmann ein runder Hut dargereicht wurde, woran der Empfänger greifen mußte, und wenn mehrere etwas in sämtliche Lehn empfingen, so mußten ebenfalls alle diesen Hut berühren.
(Göpfert, Geschichte des Pleißengrundes, S. 180.)
Eine Gewohnheit, welche in Crimmitschau ausgeübt wurde, war, daß die Witwen, welche sich zum zweiten Male verheirateten, der Gerichtsherrschaft ein Bett abgeben mußten.
Hidda, Friedrichs und Dedaus, Grafen zu Eilenburg Schwester, verordnete, daß jede Witwe, welche sich wieder verheiratete, dem Amtmann (praefecto arcis) zwei Schreckenberger in einem Beutel ohne Naht geben sollte.
(C. Lehmann, Chronik der freien Bergstadt Schneeberg. 1. B. Schneeberg 1837. S. 8.)
In der ältesten bekannten, aus dem Jahre 1284 stammenden Urkunde von Lößnitz erhielt die Stadt das Privilegium, daß sich in seinen[614] Mauern kein Mönch oder Priester häuslich ankaufen sollte, sowie kein Edelmann. Letzteres soll der Sage nach davon kommen, daß ein Edelmann, mit Namen von Hagenest, im Jahre 1283 einen Bären gehabt, der sich von der Kette losgerissen und eines Bürgers Kind erwürgt. Darauf hätten die Bürger den Bären samt dem Edelmann erschlagen. Daher das Privilegium, welches deshalb auch das Bärenprivilegium hieß.
(A. Stropnitzky in den Mitteilungen des Nordböhm. Excursions-Clubs, 1885, S. 120.)
Am rechten Ufer der Eger liegt bei dem Dorfe Sosau eine Bauernwirtschaft, deren Besitzer schon seit Menschengedenken den Dienst von Fährleuten versehen haben. Eines Tages kam nun zu dem Bauer ein kleines Männchen und sagte, er wäre der Zwergkönig und wolle mit seinem Volke aus der Gegend auswandern, da die Leute schon das Brot in den Ofen und die Knödel in den Topf gegeben hätten. Der Fuhrmann möge sich für seine Arbeit eine Mütze voll Gold oder für jeden Zwerg einen Pfennig wählen. Der Bauer wählte das Erstere. Am nächsten Morgen kamen die Zwerge, aber alle unsichtbar; nur durch den Lärm, den sie verursachten, wurde es dem Bauersmanne klar, daß er sein Werk beginnen könne. Er band also den Kahn los, und tief sank dieser in das Wasser, so schwer war er beladen. Doch sah der Fährmann niemanden. Bereits den ganzen Tag hatte er schon gearbeitet, und noch immer war kein Ende. Als er nun von neuem leer herübergekommen war, trat der Zwergkönig zu ihm heran, lobte ihn und gab ihm den bedungenen Lohn. Zugleich sagte er, daß er noch einmal hinüberfahren müsse. Der Fährmann war in den Kahn gestiegen und der Zwergkönig folgte ihm. Als sie nun in der Mitte der Eger waren, fragte der Zwergkönig, ob der Fuhrmann nicht sehen wolle, wie viel Zwerge er hinüber gefahren habe. Und als der Fährmann diesen Wunsch äußerte, so schlug der Zwergkönig mit seinem Stabe in die Lüfte, und nun sah der Fährmann die ganze Straße und die benachbarten Felder mit Zwergen erfüllt. Doch nur einen Augenblick währte es, und alles war wieder vorbei. Seitdem sind die Zwerge aus der Gegend verschwunden.
In No. 186 bezieht sich diese Sage auf den Wegzug der Holzweibchen.
(Nach der Mitteilung von H. Weißflog.)
An der Grenze der Dörfer Unterscheibe und Markersbach, unterhalb des sogenannten Vogtelgutes, läßt sich in stürmischen Nächten ein schneeweißer Hund mit rotleuchtenden Augen sehen, dessen Klagegeheul schauerlich durch die Nacht tönt. Er thut jedoch niemandem etwas zu Leide. Es soll dies der Hund eines Schäfers sein, der seinem Herrn sehr treu ergeben war. Der Schäfer hat sich einst in jener Gegend erhängt, und der Hund soll nun seinen Herrn suchen.
(Mitgeteilt vom Seminarist Emil Müller.)
Alte Leute in Thierfeld bei Hartenstein erzählen von einem Geiste, dem sogenannten Schmiedmönch, welcher früher in der Schmiede des Ortes sein Wesen getrieben haben soll. Den Kindern ist er zu einem Schreckgespenst geworden, denn wenn dieselben nicht folgen wollen, so droht man ihnen mit dem Schmiedmönch, welcher jetzt neben der Schmiede unter den Wurzeln eines Strauches wohnen soll.
(Nach einer Mitteilung des Archidiakonus Blanckmeister in Schneeberg.)
Ursprünglich hatte die St. Wolfgangskirche in Schneeberg drei Haupteingänge, von denen aber derjenige, welcher sich der Superintendentur gegenüber an der Turmseite befand, später zugemauert wurde. Als Veranlassung dazu wird folgendes erzählt: Ein früherer Pfarrer hat sich alle hundert Jahre des Nachts sehen lassen, und das letzte Mal soll er dem Pfarrer W. erschienen sein. Um nun das Wiedererscheinen des Gespenstes für alle Zeiten zu verhindern, vermauerte man nicht nur den oben bezeichneten Kircheneingang, sondern auch die gegenüberliegende Hausthüre der Oberpfarrerwohnung, welche sich auf der schmalen Seite des Hauses befand, und verlegte sie nach der Breitseite, wo sie sich noch heute befindet. Trotzdem glaubt man noch jetzt, daß es auf dem Kirchplatze nicht richtig sei, und man bringt z. B. das vor einer Reihe von Jahren auf dem Platze geschehene Unglück, wobei ein Arbeiter durch einen Erdfall ums Leben kam, damit in Zusammenhang, indem viele meinen, daß der umgehende Geist sein Opfer gefordert habe.
(Johann Vulpius, Plagium Kauffungense, das ist: Der Chur-Fürstl. Sächß. Printzen durch Conrad (Curt, Cuntz) von Kauffungen, geschehene Entführung aus dem Schlosse zu Altenburg, wie sich solche Anno 1455 zugetragen. Ohne Jahrzahl.)
Nachdem Kunz von Kauffungen mit seinen Genossen in der Nacht vom 7. zum 8. Juli 1455 die beiden Prinzen Ernst und Albert aus dem Schlosse Altenburg geraubt hatte, setzte er den erst genannten Prinzen auf ein gut gesattelt Roß und führte ihn bei finsterer Nacht nach dem Lande Böhmen zu, erstlich durch die Leine, so ein Wald oder Holz bei Altenburg gelegen, ferner durch die Rabensteiner Wälder bis ohnfern Elterlein um die Gegend des Klosters Grünhain, dahin er bei aufgehendem Mondschein gegen Morgen gekommen, vermeinend, nun mit seinem hohen Gefangenen leicht vollends nach Böhmen zu gelangen. Die andern haben den Prinzen Ernst auch auf ein Roß gesetzt und zwischen sich einen andern Weg davon geführt, willens ihn durch das Vogt- und Frankenland durch einen andern Strich in ihre Gewahrsam zu bringen; denn sie hatten sich dessen zuvor mit einander verglichen, diesen Raub durch unterschiedliche Wege wegzubringen, und obschon ein Teil mit seinem Prinzen ergriffen würde, so sollte doch der andere Teil seinen gefangenen Herrn nicht eher von sich geben, es wäre ihnen denn allen das Leben und Straffreiheit zugesagt.
Unterdessen ist auf dem Schlosse zu Altenburg ein groß Wehklagen, bei den Hofleuten aber ein großer Schrecken entstanden. Man hat es durch einen Eilboten gen Leipzig dem Kurfürsten zu wissen gethan, dem anfänglich diese That fast unglaublich vorgekommen. So haben die Hofleute auch nicht gesäumt, sondern von Stund an in alle Gegenden geschicket, sind auch zum Teil selbst ausgeritten, den Sturmschlag in allen Städten und Dörfern angehen zu lassen, dadurch das ganze Land rege geworden, sintemal immer eines dem andern auf frischem Fuße gefolget, auch den Nachbarn zu wissen gethan, und alle Straßen beleget. Im Städtlein Geyer ist von den heftigen Glockenschlägen über diesem Sturme die Glocke zersprungen. Solchen Sturmschlag und Nacheilen hat Kunz von Kauffungen wohl gehöret, weil er aber bei Mittagszeit den Wald erreichet, verhoffte er leichtlich davon zu kommen. Da er nun nicht über eine halbe Meile bis zur böhmischen Grenze gehabt, hat es Gott sonderlich geschickt, daß den jungen Herrn, Herzog Albrechten (Albert) sehr gehungert und gedürstet, welches er Kunzen mit den Worten beklagt: Wo er nicht zu essen und zu trinken bekäme, würde er Krankheit halber nicht weiter kommen können,[618] sondern müsse liegen bleiben. Solches besorget Kunz selbst, sintemal er ihn von Mitternacht bis nun fast gegen Mittagszeit auf einem schnell trabenden Rosse geführet. Deswegen behielt er einen Reiter bei sich und stieg vom Pferde ab, in Mangel anderer Speise dem Herzoge im Walde Erdbeeren abzupflücken; seine andern Reiter, derer fünf gewesen, hieß er ein wenig auf den Halt voranreiten, er aber spazierte im Walde mit dem Prinzen ein wenig abseits, Erdbeeren zu suchen. In diesem Walde arbeiteten aber unterschiedliche Köhler. Von denen war ein Junge, namens Urban Schmidt, gen Geyer geschickt worden, einen Kober voll Brot, Salz und andere nötige Dinge zu holen. Dieser Junge hatte das Anschlagen der Glocken gehört, dazu vernommen, wie die große Glocke von gemeldetem Stürmen geborsten und die Rede gegangen, es hätte der Feind zu Altenburg einen Einfall gethan, das Schloß erstiegen und einen großen Raub weggeführet. Weil man nun dazumal von keinem Krieg noch Feinde wußte, der Junge auch nicht mehr erzählen konnte, so gerieten die Wäldler oder Köhler in große Verwunderung und Bestürzung.
Dazwischen begab sichs, indem Kunz von Kauffungen mit dem Prinzen und seinem Reiter über dem Erdbeersuchen etwas tiefer vom Wege ab im Walde spazierten, und am Fürstenberge, der von dieser Geschichte den Namen bekommen, Beeren pflückten, daß durch sonderbare Schickung Gottes ein Köhler, mit Namen Georg Schmidt, welcher in der Gegend ohnweit Grünhain und dem Dorfe Raschau Kohlen bereitet, im Walde sich umzusehen daher kommet und seinen Hund bei sich hatte. Dieser Hund wird fremder Leute innen, schlug also bellend an und führete seinen Herrn, den genannten Köhler, welcher einen dichten Schürbaum zum Waldgewehre in der Hand hatte, an den Ort. Dieser Köhler siehet, daß Kunz ein Panzerhemd anhatte, auch ein Pferd an der Hand führte, dazu, daß der bei ihm befindliche Knabe schön, zart und adliger Gebärden; lässet sich daher bedünken, es möge nicht recht zugehen, und fraget trotzig, wie der Wäldler Art ist, von wannen er mit dem Knaben komme und wo er hinaus wolle? Darauf ihm Kunz antwortete: Es sei ein böser Bube, der seinem Herrn entlaufen, dem müsse er ihn wieder bringen. Wie sie aber miteinander ein wenig fortgehen, fällt Kunz von Kauffungen in dem Gestrüppe, Gebüsche oder Hecken, darinnen er mit seinen langen Sporen hängen blieb, und konnte wegen der schweren Rüstung, und daß er das Roß an der Hand nicht wollte fahren lassen, nicht wohl wieder aufkommen. Da er nun also lieget, spricht Prinz Albrecht heimlich zum Köhler: Ich bin ein Fürst von Sachsen, mache mich los, mein Vater soll dirs wohl vergelten. Darauf Jan Schweinitz, Kunzens Reisiger, sein Schwert[619] über den Prinzen gezogen, daß nicht viel gefehlet, er hätte ihn umgebracht. Sobald der Köhler solches vernommen, auch des Reiters Ernst gesehen, erinnert er sich der oben gemeldeten Zeitung, die der Junge von Geyer mitgebracht, glaubet des Prinzen Rede, spricht dem Reiter ernstlich zu, solche Gewalt bleiben zu lassen, hetzet seinen Hund an, welcher sich sehr laut machet, Schweinitzen anfällt und stattlich zurückhält; er aber hat mit seinem Schürbaume auf Kunzen, welcher wegen seiner Rüstung nicht flugs hat aufkommen können, so wohl als auf den Reiter tapfer zugeschlagen, hätte auch vielleicht Kunzen totgeschmissen, wenn nicht der Prinz treulich gewehret und für ihn gebeten. Da nun der Köhler sich mit Mund und Händen sehr gereget, der Hund auch trefflich gebellt, läuft des Köhlers Weib aus dem Kohlenkrame auch herzu und siehet, was für ein Streit da ist. Als sie ihren Mann auf Kunzen schlagen siehet, denket sie, es seien Räuber da und giebt alsbald das gewöhnliche Waldzeichen, so die Köhler im Gebrauche hatten, daß sie mit einem großen Messer oder Zschörper auf eine Holzaxt schlagen. Hierauf liefen alsbald andere Köhler mit Äxten und Schürbäumen zu, nahmen Kunzen und seinen Reiter gefangen, den Prinzen führeten sie in einen Kohlkram, gaben ihm schwarz Brot zu essen und Wasser zu trinken, zeigeten es auch unverzüglich der Obrigkeit, nämlich dem Abte des Klosters Grünhain an, welcher alsbald Befehl gab, die vorangeschickten fünf Reiter auch aufzusuchen, und also geschahe es, daß noch diesen Tag, welcher war Kilianitag, Kunz von Kauffungen mit sechs seiner Gesellen in gefängliche Haft gebracht wurde. Diese Gefangenen überantwortete der Abt noch denselben Tag dem Oberamtmann von Schönburg auf Glauchau und Hartenstein nach Zwickau, welcher sie festsetzen und die übrigen ferner verfolgen ließ.
Die übrigen Prinzenräuber, Wilhelm von Mosen, Wilhelm von Schönfels und andere, welche den Prinzen Ernst mit sich führten, hatten versucht beim Pfarrherrn zu Hartenstein einzusprechen, allein der Pfarrherr war nicht daheim und sie konnten deshalb keine andere Zuflucht finden, als daß sie sich in dem Walde nahe bei der Mulde, über dem Schlosse Stein, in eine entlegene Höhle oder Steinkluft versteckten. Denn sie höreten den Sturmschlag und konnten aus dem Getümmel die Verfolgung wohl ermessen. Zu dem brach das Geschrei, daß Kunz und etliche seiner Reiter gefangen und der junge Prinz Albrecht erlöset wäre, geschwinde aus, welches sie meisterlich erkundeten, auch besorgeten, es möchte ihnen gleichfalls nicht anders gehen; denn die Pferde waren ihnen bereits abgejagt und guter Rat teuer. In solcher Gefahr vergaßen sie des gemachten Vergleichs und waren entschlossen, sich mit dem Prinzen auf kurfürstliche Gnade zu ergeben. Deswegen schickten[620] sie einen vertrauten Boten zum Oberamtmann nach Zwickau, dem sie schrieben, sie bereueten ihre That und hätten den Prinzen unversehrt bei sich; wenn ihnen von dem Kurfürsten Sicherung ihres Lebens, ihrer Ehre und ihres Gutes zugesagt werde, so wollten sie den Prinzen ausliefern, wo nicht, so würden sie denselben zuerst und dann sich selbst töten. Der Oberamtmann Friedrich von Schönburg sicherte ihnen dies darauf bei seinen »adeligen Ehren und Treuen« zu, und so lieferten sie den Prinzen am 11. Juli an denselben ab, der ihn dann seinen Eltern nach Chemnitz überbrachte.
In obiger Erzählung von der Befreiung der Prinzen und insbesondere des Prinzen Albert ist Geschichte mit Sage verbunden. Zunächst ist es sehr unwahrscheinlich, daß Kunz von Kauffungen in dem Walde bei Grünhain und in unmittelbarer Nähe der damaligen Grenze von Böhmen noch eine Rast hielt, während ringsum die Sturmglocken ertönten. Die Gefangennahme Kunzens war wohl nicht eine zufällige, sondern vielmehr ein Ergebnis planmäßiger Verfolgung. Gewiß ist aber, daß sich dabei der Köhler Schmidt durch besondere Thätigkeit auszeichnete und sich damit ein hervorragendes Verdienst um des Prinzen Befreiung erwarb. Die Altzeller Chronik erzählt, bei dem Kloster Grünhain sei Kunzen von ungefähr »ein arm Mann« (der Köhler) begegnet, der zurückgelaufen sei und dem Abte zu Grünhain, was er gesehen, gemeldet habe; er habe auch andere Mitteilung gemacht, und so sei Kunz gefangen worden. Auch die gewöhnliche Erzählung von der kurfürstlichen Belohnung des Köhlers gehört zum Teil in das Gebiet der Sage. Urkundlich ist, daß ihm und darnach dem jedesmaligen Ältesten seiner Nachkommen jährlich ein Scheffel Korn ausgesetzt wurde; unverbürgt ist das Geschenk mit dem sogenannten Trillergute in Eckersbach bei Zwickau. Der Köhler Schmidt, welcher in der Folge ebenso wie seine Nachkommen den Namen »Triller« erhielt, weil er angeblich den Kunz tüchtig getrillt, d. h. geschlagen habe, mochte sich später am Hofe zu Altenburg aufhalten und daselbst ein sorgenfreies Leben führen. (S. Koith, Kunz von Kauffungen, Mitteilungen des Freiberger Altertumvereins, 13. H.)
Nach »Loci theologici historii, oder Theologisches Exempel-Buch« von Kaspar Titius (Leipzig 1684), S. 133 lautet diese Sage:
Auf St. Annaberg in Meißen in einer Erzgruben zum Rosenberg genannt, ist ein Teufel gewesen, welcher in einer Kluft mit seinem Anblasen oder Anhauchen zwölf Bergknappen umgebracht, darum man auch dieselbige Grube oder Schacht, wiewohl sie ganz reich an Silber gewesen, hat müssen wüste liegen lassen. Den Odem aber oder Hauch, damit er die Leute anblies, ließ er aus aufgesperrtem Rachen heraus gehen: denn wie man daraus saget, er in eines Pferdes Gestalt mit langem Hals und greulichen Augen ist gesehen worden.
Nach »Loci theologici historii oder Theologisches Exempel-Buch (Leipzig 1684)« S. 137 lautet diese Sage:
Anno Christi 1559 ist dies schreckliche Ding geschehen, auf der Platten, zwei Meilen Weges von Joachimsthal. Daselbst hat ein Schmied eine Tochter gehabt, die fromm, züchtig und gottesfürchtig gewesen, fleißig zur Kirche gegangen, hat auch das hochwürdige Sakrament oft empfangen. Diese ist durch Verhängnis Gottes vom Teufel besessen, ohngefähr in Fastnachten, und hat sie der böse Feind oft niedergeworfen, als hätte sie die fallende Sucht. Die Eltern haben hierüber bei Wahrsagern Rat gesucht, daß der Teufel nachmals hat zu Schutz seiner Gewalt angezogen. Nach Ostern hat der Teufel begonnen, leibhaftig aus der Jungfrau zu reden, hat sich in der Stube sehen lassen, wie ein Kuckuck, Rabe, Hummel und dergleichen, auch also, wie solche Vögel pflegen, geschrieen. Hat grausame, wunderliche Dinge aus ihr geredet, daß nicht genugsam davon zu schreiben, und ist ein großer Zulauf vom Volke, auch von vielen Fremden worden, diese wunderliche Dinge zu hören. Und haben sich viele fromme Christen unterstanden, mit ihm zu reden, denen er allen Antwort genug gegeben.
Aber die Jungfrau ist stets geduldig gewesen, hat oft selber mit zu Gott gebetet, und wenn sie um Erlösung im Namen Jesu Christi gerufen, hat sich bald der böse Geist wieder funden, ihr in den Augen gesessen und dieselben aus dem Kopfe herausgetrieben, so groß wie ein Hühnerei, die Zunge wie eine zusammengeflochtene Weide, einer Spannen lang zum Munde herausgesteckt, auch ihr das Angesicht auf den Rücken gewendet, also jämmerlich, daß es nicht genugsam zu beschreiben. Wenn sie Ruhe gehabt, und man sie gefragt, wie es ihr gehe, hat sie allewege geantwortet, es dünke sie, wie sie auf einem Wasser liege und müsse ertrinken, so kämen doch allewege viel fromme Leute, die ihr davon hülfen.
Es sind alle Priester, so des Orts umher gewesen, dahin kommen und haben mit ihr Gespräch gehalten, denen der Teufel über die Maßen höhnische Antwort aus der Jungfrau gegeben, und wenn man von Christo Jesu ihn gefragt, ist er allewege auf eine höhnische Fabel gekommen, daß es nicht gut, so spöttlich zu schreiben. Da er auch befraget, wie er in sie gekommen, hat er gesagt: Sie habe es in einem Trunk Bier einges…, zu Fastnacht in einer Fliegen Gestalt, denn er sei ihr zwei Jahr nachgegangen, und da die Eltern zur Wahrsagerin gelaufen, habe er desto besser Platz bekommen.
Dieser böse Geist ist endlich von der besessenen Jungfrau durch fleißiges Gebet der Christen abgetrieben worden, da er wie ein Schwarm Fliegen ausgefahren.
(Erzgebirgischer Bote, Zwickau 1809, S. 59.)
Zwischen der Stadt Buchholz und dem Dorfe Kunnersdorf steht in einem romantischen Thale eine Mühle, welche den sonderbaren Namen Katzenmühle führt. Ehe noch die Stadt Buchholz erbauet war, stand schon diese Mühle, welche selbst älter als das Dorf Kunnersdorf ist. Bei derselben befand sich ein Stall, in welchem ein Gespenst so böslich hauste, daß der Müller kein Vieh in demselben beherbergen konnte, sondern dasselbe wo anders einstellen mußte. Einst kam bei später Nacht und im schrecklichsten Schneegestöber ein Bärenführer mit zwei Bären, welcher sich im Walde verirrt hatte und den Müller flehentlich um Nachtquartier bat, weil er sonst mit seinen Tieren umkommen müsse. Mitleidig erklärte der Müller dem Bittenden, daß er ihm für seine Person gerne Quartier geben wolle, nur wisse er die beiden Bären nicht unterzubringen, weil er nur einen Stall habe, wo sein Vieh stehe und in einem andern hause ein Gespenst dermaßen, daß kein Tier darin bleiben könne. Gedrungen von der Notwendigkeit erwiderte der Bärenführer, daß er ihm den Stall, wo das Gespenst sei, nur einräumen solle, seine Bären möchten sehen, wie sie mit dem Gespenst fertig würden. Nach mancher Einwendung gewährte der Müller dem Fremden seine Bitte, welcher dann die Tiere in den Stall zog und sie ihrer Maulkörbe entledigte. Um Mitternacht erhob sich ein schrecklicher Lärm in dem Stalle der Bären, der bis gegen Morgen anhielt; dann wurde es endlich still.
Kaum war der Tag angebrochen, als der Bärenführer nach dem Stalle eilte, seine Bären gesund und wohl antraf und kurz darauf mit ihnen seines Weges zog. Bald darauf ging der Müller in den Wald, um sich etwas Holz zu fällen. Indem er an einem Felsen vorbei kam, rief ihn eine Stimme und fragte, oh die bösen schwarzen Katzen noch in seinem Stalle wären. Leicht erratend, daß dies die Stimme seines bösen Gespenstes sei, antwortete der kluge Müller: »Ja, und sie werden auch immer da bleiben«. Seit dieser Zeit wurde er seines bösen Geistes entledigt.
(Erzgebirgischer Bote, Zwickau 1809, S. 70.)
Zwei Frauen waren einst aus einem benachbarten Orte hinauf[623] auf den Freiwald gegangen, Heidelbeeren zu suchen, und kamen unvermerkt an die Felsen des Greifensteines. Emsig suchten sie umher und hörten nicht auf einen Laut, der aus dem Felsen herabkam. Doch als das Rufen vernehmlicher ward und eine Frau sogar ihren Namen rufen hörte, eilte sie fort dem Schalle entgegen. Hoch und weit geöffnet sah sie plötzlich am Fuße des Felsens eine Höhle. Haufen von Gold türmten sich in ihrem weiten Raume auf und ein rabenschwarzer Hund bewachte den Eingang. Eine freundliche Stimme aus dem Innern der Höhle, die sie erinnerte, ihre Schürze zu füllen, belebte ihren bereits gefundenen Mut und furchtlos bepackte sie sich und eilte davon. Doch mehr und mehr verengte sich mit jedem Schritte die Kluft und ängstlich rufend entfloh sie mit schnellen Schritten der Geisterhöhle. Als sie aber am Ausgange war, ergriff der Hund ihre Bürde mit gierigen Klauen. Das geängstigte Weib starb am folgenden Tage.
Diese Sage befindet sich auch in »Loci theologici historii, oder Theologisches Exempel-Buch etc. in Ordnung gebracht durch M. Casparum Titium, Pfarrherrn zu Heckstedt (Leipzig, 1684)« S. 99 folgendermaßen erzählt: Zu Zwickau verfällt ein Knabe, der ausgetrieben hatte, mit einem tiefen Schnee, den findet man erst am dritten Tage im Walde, als er gefragt wird: Warum er nicht das Vieh eintreibe? spricht er: Ist doch noch nicht Abend. Ei, sagten die Leute, ists doch schon dreimal Abend gewesen; der Knabe sagt: Hier nicht. Sie fragen weiter: Hungert dich nicht? Er antwortet: Nein, ein Mann in einem weißen Kleide brachte mir ein Stück Käse und Brot, davon bin ich noch satt. Wer wollte hier sagen, daß es nicht ein Engel gewesen?
(Erzgebirgischer Bote, Zwickau 1809, S. 70.)
Es zog einst aus den Ebenen von Sachsen ein Wandersmann ins Gebirge, von da hinab zu steigen in die gesegneten Auen von Böhmen. Unkundig des Gebirges verlor er den Heerweg und betrat, unwissend wohin er geraten möchte, einen stark befahrenen Kohlenweg, der nach einer Meilerstätte des Freiwalds führte. Die Nacht war im Anzuge und die Angst des Wanderers groß. Im blassen Scheine des Mondes durchzog er den Wald, durchspähete sorgsam jede Rodung und horchte leise atmend auf das Bellen der Hunde, welches die Abendluft aus[624] der Ferne herüber trug. Den Tönen nach zog er, als plötzlich eine kleine Geistergestalt ihm entgegen trat und ihn aufforderte, ihr zu folgen. Ihr Weg ging nun über Stock und Stein und fand endlich an den Felsen des Greifensteins sein Ziel. Kaum waren sie durch eine daselbst befindliche Höhle eingetreten, als sich auf einmal ein ungeheures Gewölbe dem staunenden Wandrer öffnete. Seine Wände schienen von Silber, seine Tische von Gold zu sein. Aus tausend goldenen, mit Edelsteinen besetzten Leuchtern, in denen die Strahlen der Lichter sich unzähligemal brachen, strömte ein überirdischer Glanz über das ganze Gewölbe. Eine lange, köstlich besetzte Tafel zog sich in demselben herab und war mit ehrwürdigen Männern umgeben, die sich an den aufgetragenen Speisen sättigten. Ein Diener lud ihn ein, sich zu setzen und ein anderer brachte ihm schon, indem jener noch sprach, Speisen von der langen Tafel. Da endlich der Wanderer davon genoß, ward er zusehends erquickt und fröhlich und gutes Muts. Die ehrwürdigen Berggeister aber freuten sich sichtbar über ihn und befahlen den Dienern, ihm den Reisesack zu füllen, den er bei sich hatte. Mit herzlichem Danke schied er darauf von seinen Wirten. Als er aber im Scheine des Mondes und nach einer ungeduldig durchwachten Nacht bei den ersten Strahlen der Morgensonne seinen Sack aufthat, blitzten ihm die Goldgeschirre und Edelsteine entgegen, deren Glanz ihn schon im Gewölbe in Erstaunen gesetzt hatte. Zum Überfluß hatten ihn die gütigen Berggeister hart an die Straße gebracht, auf welcher er fröhlich gen Böhmen zog. Später siedelte er sich ohnweit des Freiwaldes an und lebte in einem ruhigen Genusse seines Reichtums bis in ein spätes Alter.
Weitere Anmerkungen zur Transkription
Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigert. Ansonsten wurde die Originalschreibweise beibehalten.
Korrekturen und Anmerkungen:
S. X: Alberoda → Alberode
78. Der Laternenmann in Alberode.
S. XIX: Schönburg → Schönberg
Woher das Wappen der Herren von Schönberg entstanden ist
S. 71: Nixenhügel → Nixentump
Nixentump, der sehr tief und von zwei Wassernixen bewohnt ist
S. 331: der → den
Die Quelle, welche den See geschaffen
S. 334: Anstand → Abstand
so daß Abstand genommen wurde
S. 503: innen → ihnen
denen der Abtei Grünhain mitten ihnen lag